Das Ende der königlich jugoslawischen Flotte von Jerko Kačic-Dimitri

April 9, 2016 | Author: Klaudia Andrea Arnold | Category: N/A
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1 4 Das Ende der königlich jugoslawischen Flotte von Jerko Kačic-Dimitri Die politische Vorgeschichte Als sich Mont...

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Das Ende der königlich jugoslawischen Flotte von Jerko Kačic-Dimitri Die politische Vorgeschichte Als sich Montenegro am 26. November 1918 an Serbien anschloß, waren zwei südslawische Staaten entstanden: der Großserbische im Süden und der Südslawische Nationalstaat im Norden. Bereits vier Tage später, am 1. Dezember 1918, vereinigten sich diese beiden Staaten zum „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen", abgekürzt Königreich SHS, umgangssprachlich schon bereits damals als „Südslawien", d.i. Jugoslawien bezeichnet. Das Königreich SHS war kein ethnisch homogener Nationalstaat. Die damalige Bevölkerungszahl von knapp 16 Millionen teilte sich auf in: 7 Millionen Serben, 4,2 Millionen Kroaten, 1,1 Millionen Slowenen, 1 Million Bulgaren und Mazedonier, 800.000 Albaner, 550.000 Deutsche, 420.000 Ungarn, 350.000 Rumänen sowie etliche kleinere Volksgruppen wie Slowaken, Italiener und Türken. Diese Zahlen spiegeln bereits das Hegemoniestreben der Serben und den Widerstand der Kroaten wider. Und tatsächlich war die kroatische Frage eines der innenpolitisch brisantesten Themen der Vorkriegszeit. Am 28. Oktober 1927 verkündeten die Kroaten in der Belgrader Skupština eine staatsrechtliche Erklärung, in der es hieß: „Der kroatische Block wird mit allen gesetzlichen Mitteln dahin wirken, daß die Verhältnisse der kroatischen Nation durch die Wiederaufrichtung der kroatischen Selbständigkeit eine grundlegende Änderung erfahren. Sie soll dem kroatischen Volk ermöglichen . . . über sein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Leben selbständig zu entscheiden." Die Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen eskalieren schließlich so weit, daß es zu Gewalttätigkeiten kommt: Am 20. Juni 1928 erschießt in der Skupština ein serbischer Abgeordneter zwei seiner kroatischen Kollegen und verletzt drei weitere schwer. Alle demokratischen Instrumente scheinen zu versagen, die Lage zwischen Agram und Belgrad verschärft sich. König Alexander I. ruft am 6. Jänner 1929 die Militärdiktatur aus, gleichzeitig wird der Staat offiziell in „Königreich Jugoslawien" umbenannt. Nun haben die serbischen Militärs das Heft fest in der Hand, viele kroatische Politiker gehen in den Untergrund und proklamieren den Widerstand durch die Heimwehr „Ustascha", Man kann sich lebhaft MARINE — Gestern, Heute - 1988

ausmalen, was das für verheerende Konsequenzen für die Loyalität innerhalb der jugoslawischen Wehrmacht hatte. Wegen der Probleme mit dem Nachbarn Italien orientiert sich König Alexander I. sehr stark an Frankreich. Bereits seit 1921 hatte der damalige SHS-Staat gemeinsam mit der Tschechoslowakei und Rumänien die „Kleine Entente" gebildet, die im Bündnis mit Frankreich und Polen den Status quo unter den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie erhalten sollte. Bei einer Frankreichreise wurde König Alexander I. am 9. Oktober 1934 gemeinsam mit dem französischen Außenminister Louis Barthou im Auto in Marseille von einem aufspringenden Attentäter erschossen. Danach führte in Jugoslawien Prinzregent Paul die Regierungsgeschäfte für den minderjährigen Thronfolger Peter. Nach dem Ausbruch des Zweiten Wettkrieges am 1. September 1939 gab es in Jugoslawien ein labiles Gleichgewicht zwischen zwei außenpolitischen Strömungen: einer pro-deutschen und einer pro-Westmächte Gruppe. Der Versuch, mit keinem der beiden Machtblöcke, Großdeutschland und den Alliierten, zu brechen, führte in letzter Konsequenz zu einem außenpolitischen Doppelspiel. Am 16. April 1940 wurde beschlossen, daß Jugoslawien einen besonders vertrauenswürdigen Verbindungsoffizier in das Hauptquartier des Oberkommandierenden der französischen Expeditionsarmee in der Levante entsendet. Das Saloniki-Unternehmen ist damit der jugoslawischen Förderung sicher. Nach dem Abschluß des Westfeldzuges versucht Hitler nun seinerseits, einen politischen Block aufzubauen. Am 27. September 1940 wird im Empfangssaal der Reichskanzlei in Berlin der „Dreimächtepakt" zwischen Deutschland, Italien und Japan unterzeichnet. Damit ist die „Achse" Berlin, Rom, Tokio errichtet. Kurze Zeit später, am 20. November 1940, treten Ungarn, Rumänien und die Slowakei dem Dreimächtepakt bei. Der Staatsakt findet im Schloß Belvedere in Wien statt. Damit befindet sich die Donau von der Quelle bis zur Mündung fest in den Händen Hitlers. Ergänzend dazu ist zu sagen, daß sich bereits seit dem 6. Oktober 1940 deutsche Lehrtruppen in Rumänien befinden, denn Hitlers Ziele sind natürlich viel weiter gesteckt. Wie sich

das abspielen soll, zeigt sich im nächsten Frühjahr: am 1. März 1941 tritt Bulgarien dem Dreichmächtepakt bei. Propagandaminister Dr. Goebbels jubelt im Belvedere: „Die Machtfülle aber, die heute hinter dem Lebensanspruch der jungen Völker steht, ist eine ungeheure", und an die Adresse Englands, „ I n Europa spüren alle Menschen, daß sie gegenüber der früheren unsicheren Existenz in einem sich ewig gegenseitig bekämpfenden europäischen Staatenkonglomerat von Englands Gnaden nunmehr in Zukunft in der Geborgenheit eines von England unabhängigen und von dem entstandenen starken Kräftezentrum der Achse beschützten Kontinent leben werden". Wie dieser „Schutz" und diese „Geborgenheit" aussehen, demonstriert Deutschland schon am nächsten Tag: Die deutsche Wehrmacht marschiert in Bulgarien ein! Die Umklammerung Jugoslawiens ist nun vollständig, aber „die Achsenmächte bieten Jugoslawien eine Chance", und so tritt das Königreich am 24. März 1941 — ebenfalls im Belvedere — auch dem Dreimächtepakt bei. Weltweit wird das als neuerliche Niederlage der englischen Balkandiplomatie angesehen, aber die pro-westlichen Kreise in Belgrad geben noch nicht auf. Während sich Prinzregent Paul auf einer Reise nach Agram befindet, putschen am 27. März 1941 Offiziere, setzen den 17jährigen Thronfolger auf den Thron und rufen ihn zum König Peter II. aus. Der Beitritt zum Dreimächtepakt wird für null und nichtig erklärt. Es liegt auf der Hand, daß sich Hitler solches nicht bieten läßt und die Endphase des jugoslawischen Dramas nur mehr eine Frage der Zeit ist. Jugoslawien mobilisiert. Am 6, April 1941 erklärt in Berlin Reichsaußenminister von Ribbentrop der versammelten internationalen Presse: „Eine verblendete Regierung in Athen und eine Clique von notorischen serbischen Verschwörern in Belgrad haben mit den Engländern gemeinsame Sache gemacht und ganz Griechenland und Jugoslawien den Engländern als Aufmarschgebiet gegen Deutschland und Italien zur Verfügung gestellt, Deutschland hat diesem Treiben seit Monaten zugesehen und versucht, Griechenland und Jugoslawien zur Vernunft und zu einer freundschaftlichen Verständigung zu bringen. Aber alle Bemühungen waren vergebens . . . Die deutsche Wehrmacht marschiert seit heute

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früh, um den Engländern und den serbischen Verschwörern die notwendig gewordene Lektion zu erteilen . . . " Zu diesem Zeitpunkt war die deutsche Wehrmacht bereits aus ihren Aufmarschstellungen in Kärnten, der Südsteiermark, Rumänien und Bulgarien über die jugoslawischen Grenzen vorgestoßen. Ohne Kriegserklärung! Bereits am 10. April erfolgt der Einmarsch in der kroatischen Landeshauptstadt Zagreb, wo sich daraufhin sofort der „unabhängige Staat Kroatien" (Nezavisna Država Hrvatska, abgekürzt N.D.H.) konstituiert. Am 15. April marschieren die Deutschen in Belgrad ein, und am 17. April 1941 kapituliert schließlich die gesamte jugoslawische Wehrmacht, Die kleine Gruppe der Politiker und Militärs, die den Staatsstreich durchgeführt hatte, brachte sich in Sicherheit. Damit war das Königreich Jugoslawien der nationalsozialistischen Großmachtpolitik zum Opfer gefallen und gehörte der Vergangenheit an. Welche Rolle spielte nun die königlich jugoslawische Marine bei der Verteidigung ihres Vaterlandes? Der Zustand der Einheiten vor Kriegsbeginn Wie es bei Seestreitkräften üblich ist, waren alle Schiffe auch ohne vorherige Mobilmachung einsatzbereit. Um diesen Zustand noch zu verbessern, wurde im Laufe des Winters 1940/41 die Munitionsdotierung ergänzt; die Besatzungen erhielten nur beschränkten Urlaub; erhöhte Vorsichts- und Verteidigungsmaßnahmen gegen plötzliche und unverhoffte Angriffe in See und in den Häfen wurden angeordnet; in der Nähe

der Hauptstützpunkte in der Boka Kotorska und Šibenik wurde verstärkte Luftaufklärung geflogen. Später wurde sogar befohlen, daß auf jedem Schiff ein Geschütz ständig schußbereit zu sein hat, und daß alle Maßnahmen getroffen werden sollen, um die Kampfbereitschaft der Schiffe der Flotte zu erhöhen. Auch wurde befohlen, während des Winters alle Mobilisierungsbefehle durchzuprüfen und darüber Bericht zu erstatten. Die nicht in Dienst befindlichen Schiffe sollten stufenweise ausgerüstet werden, Reparaturen im MarineArsenal Tivat und auf der Werft von Split waren beschleunigt durchzuführen. Während dieser Kriegsvorbereitungen kamen Meldungen über eine größere Anzahl von Treibminen vor der dalmatinischen Küste. Das Auftauchen von britischen und griechischen U-Booten wurde gemeldet. Eines dieser U-Boote versenkte einen italienischen Frachter, der Brennstoff für die albanische Front transportierte. Dies geschah vor der Stadt Bar, eindeutig in jugoslawischen Territorialgewässern. Kurze Zeit später wurde ein weiterer italienischer Frachter versenkt, und zwischen Korcula/Vela Luka und Vis wurde ein bewaffneter Ponton beschädigt. Daraufhin wurde befohlen, daß jugoslawische Kriegsschiffe Neutralitätspatrouillen auf den Fahrtrouten der italienischen Schiffe von und nach Albanien durchfuhren sollen. Um schon von weitem als neutrale Jugoslawen erkannt zu werden, waren am Bug und auf den Seitenwänden die jugoslawischen Farben aufgemalt. Schon der erste Befehl für die zu ergreifenden Maßnahmen

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zum Schutz der jugoslawischen Neutralität war unklar, weil nicht genau definiert war, wie diese Pflicht zu erfüllen war. Daher wurde seitens der Flotte um genauere Hinweise ersucht, die dann wie folgt lauteten: Ein Verletzer der jugoslawischen Neutralität — das konnte nur ein Engländer oder Grieche sein — soll aufgefordert werden, die Territorialgewässer zu verlassen; Waffengebrauch nur zur Verteidigung im Falle eines Angriffs. Die Dislozierung der königlich jugoslawischen Flotte im Winter 1940/41 und bei Kriegsausbruch In der Boka Kotorska Kommandoschiff Kreuzer Dalmacija I. Torpedo-Division: Zerstörer Dubrovnik, Beograd und Zagreb; Ljubljana war noch in Reparatur. U-Boot-Flottille: U-Boot-Mutterschiff Hvar, U-Boot-Begleitschiff Sitnica, UBoote: Hrabri, Nebojska, Smeli und Osvetnik. Minenleger: Galeb, Jastreb, Mljet und Meljine. Zwei Torpedo-Motorboote sowie kleinere Einheiten für den lokalen Schutz und Transporte. In Šibenik Flugzeugmutterschiff Zmaj und Tanker Perun. II. Torpedo-Division: sechs MotorTorpedoboote und zwei Kampfboote. III. Torpedo-Division: 13, T5, T6 und TT.

Torpedoboote

Minenleger: Labud, Kobac, Mosor und Marjan.

Jugoslawisches Kampfboot (Küsten-Schnellboot) des englischen Thornycroft-55-Fuß-Typs Depl. Lüa/Lwl Br. Tg.

12,2 t 18,15/17,76m 3,3 tu 0,99 m

Antr.

2x12 Zylinder V-Motoren ä 375 PS auf zwei Wellen 1 Marschmotor auf Bd-Welle

Geschw, 45 kn max, 8kn mit Marschmotor

Skizze: E. Sieche

Bew.

2x53,3cm Heck-TR 4 Wasserbomben 2 Lewis Mgs

Bes.

7 + 2 Mann

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Bei Kriegsausbruch waren die Einheiten in Šibenik in einer taktischen Gruppe mit der Bezeichnung „Abteilung Šibenik" zusammengefaßt. In Belangen der Lokalverteidigung war diese Abteilung Seeabschnitts-Kommandanten unterstellt, für größere offensive Einsätze unterstanden sie direkt dem Flottenkommandanten. Die Schiffe waren voll bewaffnet, lediglich die Wasserbomben wurden erst Anfang 1941 an Bord genommen. Ein Teil der Munitionsvorräte lagerte in Šibenik, der andere in der Boka, so daß die Schiffe in beiden Flottenstützpunkten verschossene Munition ergänzen konnten. Darüberhinaus waren die Schiffe mit Treibstoff, Proviant — inklusive Sonderrationen — und Trinkwasser voll versorgt. Die Besatzungen, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften kamen aus allen Teilen von Jugoslawien. Allerdings gab es bei den Offizieren und Unteroffizieren viele Slowenen. Bei Kriegsausbruch waren von 23 Schiffskommandanten elf Slowenen, acht Serben und fünf waren Kroaten. Alle vier Schiffskommandanten der III. Torpedo-Division waren Slowenen. Die Mannschaften waren meist Kroaten aus Dalmatien und dem Küstenland. Die Disziplin war gut, die Moral zufriedenstellend. Da es keine besondere Mobilisierung gab, war das Personal — besonders die Führungskräfte — für einen Kriegseinsatz unvorbereitet.*) Die Mehrzahl der Seeoffiziere war probritisch eingestellt und hörte ständig die französischen Nachrichtensendungen von Radio Lyon, später auch englische Sender. Der Beitritt Jugoslawiens zum Drei Mächte Pakt im März 1941 im Wiener Schloß Belvedere wurde von ihnen nicht gut geheißen. Konsequenterweise billigten die so eingestellten Offiziere den Staatsstreich vom 27. März 1941, dessen Folgen ihnen nicht bewußt waren. Denn sie waren überzeugt, daß Deutschland nicht den Mut haben würde, Jugoslawien anzugreifen, und wenn es doch dazu kommen sollte, so waren sie fest überzeugt, daß England groß angelegt helfen würde. Manche verharrten so in diesem Glauben, daß sie nach Kriegsbeginn ständig die Ankunft der Royal Navy in der Adria erwarteten. *) Anm. d. Red.: Dies ist ein zeitgenössisches Manuskript des damaligen Stabchefs der königlich jugoslawischen Marine. Daher lassen sich die Widersprüche heute nicht mehr klären, die dem Leser sicherlieh merkwürdig vorkommen. Auf der einen Seite wird.behauptet, alle Schiffe wären einsatzbereit gewesen; und auf der anderen Seite heißt es hier, daß die FUhrungskräfte auf einen Kriegseinsatz unvorbereitet gewesen wären. MARINE — Gestern, Heute - 1988

Die Kriegsschiffe besaßen für den Kriegsfall vorbereitete MobilisierungsElaborate. Doch Ende März 1941 kam der Befehl, die Einheiten „zu aktivieren", was in den erwähnten Mobilisierungs-Elaboraten nicht vorgesehen war. Solche Halb-Maßnahmen sind immer eine Quelle von Mißverständnissen und Unordnung. Anfang April kamen vom MarineKommando in Zemun-Beograd mehrere Meldungen, daß mit der Möglichkeit überraschender Angriffe von TorpedoFlugzeugen oder Torpedo-Schnellbooten gegen eigene Einheiten zu rechnen sei. Obwohl zu dieser Zeit bereits zum Schutz der Boka Kotorska Minenfelder verlegt und aktiviert waren, befahl der Flottenkommandant die Verlegung der Schiffe von der Bucht von Tivat in die Bucht von Kotor, wo sie sicherer waren. Am 5. April 1941 traf gegen 22 Uhr folgender Funkspruch des Marine-Kommandos ein: „Der britische Militärattache teilte mit, daß laut Nachrichten der feindliche Angriff am Sonntag, dem 6. frühmorgens erfolgen wird. Alle Verteidigungsmaßnahme sind zu treffen. Diese Nachricht ist nicht überprüft." Darauf kam der Befehl, alle Schiffe sollten ab 04.30 feuerbereit gegen jeden plötzlichen Angriff und ab 06.00 Uhr fahrbereit und seeklar sein. Die Vorfälle während des Krieges Gegen 05.00 Uhr kam eine dringende Meldung der Signalstationen in Mljet, Šipan und Srdj (Fort Imperial/Dubrovnik). Größere Formationen unbekannter Flugzeuge flogen mit Nordostkurs ein. Es war sofort klar, daß es sich um den Angriff handelt. Gegen 06.30 Uhr überflogen die ersten italienischen Flugzeuge Kotor, warfen jedoch keine Bomben. Um 07.00 Uhr lief die Dalmacija aus der Bucht von Kotor aus und hielt zwischen Perast und Prüanj, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Zur gleichen Zeit hatte die I. Torpedo-Division befehlsgemäß in der Vertäuung in Dobrota auslaufbereit zu sein für den Fall eines plötzlichen Angriffs. Gegen 09.00 Uhr erfolgte der erste Bombenangriff auf die Stadt Kotor — die Schiffe blieben unbehelligt. Während des Vormittags gab es noch mehrere kleinere Bombenangriffe auf Kotor. Gegen 14.00 Uhr kam über dem Lovćen eine Formation von neuen Stukas in Sicht. Ein Flugzeug nach dem anderen stürzte sich auf die I. TorpedoDivision, warf seine Bomben und griff mit Maschinenwaffen an. Da die Zerstörer bereits aus Dobrota ausliefen und

in Bewegung waren, gab es keinen Treffer, obwohl die Bomben ganz nahe beiderseits der Schiffe einschlugen. Durch die Erschütterungen der Explosionen riß auf dem Zerstörer Beograd das Gehäuse der Backbord-Turbine. Nach einer provisorischen Reparatur blieb die Geschwindigkeit auf 28 kn beschränkt. Bei diesen Angriffen zeigte sich, daß die 8,4cm-Flak Flugzeuge im Tiefflug nicht auffassen konnte, hingegen bewährten sich die 4-cm-Flak und die schweren 15-mm-MGs sehr gut. Ein Stuka stürzte auf den Vermač oberhalb von Tivat und brannte aus, ein zweiter stürzte in der Župa, südöstlich von Tivat, ab. Wahrscheinlich wurden beide durch die Schiffsflak abgeschossen. Ab diesem Zeitpunkt gab es zahlreiche Tag-Angriffe auf die Boka Kotorska, nur in der Nacht war Ruhe. Bei allen diesen Angriffen wurde kein Schiff getroffen oder beschädigt mit Ausnahme des bereits erwähnten Zerstörers Beograd, Als LuftabwehrMaßnahmen wechselten alle größeren und schnelleren Einheiten jeden Morgen ihre dicht unter der Küste gelegenen Liegeplätze. Dort tarnten sie sich mit Laub, Ästen, Balken und Baumstämmen gegen Luftsicht. Dabei wurde vermieden, sich allzu dicht neben militärische Landobjekte zu legen. Bald kam man zu der Ansicht, daß dieser ständige Liegeplatzwechsel sich negativ auf die Moral der Besatzungen auswirkte und außerdem starken Treibstoffverbrauch zur Folge hatte. Daher machte die I. TorpedoDivision in Krtole dicht unter der Küste fest, wo sie sich sorgfältigst tarnte. Das geschah am 13. April 1941. Es wurde festgestellt, daß während des Krieges fünf Flugzeuge durch die Schiffsflak abgeschossen worden waren, dazu kamen zwei unbestätigte Abschüsse. Bei den bestätigten Abschüssen handelte es sich um vier feindliche und ein eigenes Flugzeug. Dieses hatte sich nicht an die vorgeschriebene Luftstraße gehalten, als es von einem Bombenangriff auf die albanische Stadt Skutari im Tiefflug in die Boka Kotorska zurückkehrte. Daher wurde es von den eigenen Schiffen als Feind angesprochen und abgeschossen, bevor es noch ein Erkennungssignal abgeben konnte. Für den An- und Abflug aus der Boka Kotorska waren den eigenen Flugzeugen zwei Luftstraßen streng vorgeschrieben: Grunda-Igalo und Ostri rat-Traste (RadiSević). Flugzeuge, die sich nicht daran hielten, wurden als feindlich angesprochen. Gleich nach Kriegsausbruch erwog man

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die Möglichkeit einer Unternehmung der Überwassereinheiten aus der Boka Kotorska gegen die italienischen Militärtransporte. Seeflugzeuge hatten beobachtet, daß diese Schiffe zwischen Bari und den albanischen Häfen verkehrten. Das Vorhaben wurde aus mehreren Gründen fallen gelassen. Erstens war zu dieser Zeit Vollmond, was einen Überraschungsangriff sehr erschwert hätte. Und zweitens besaß der Flottenstab keinerlei Unterlagen über die vermuteten Minenfelder, die die britische und die griechische Marine höchstwahrscheinlich in der Otranto-Straße gelegt hatten. Ebenso wußte man nichts über deren Überwasser- und UnterwasserEinheiten in diesem Gebiet. Auch fehlte es an einer Vereinbarung über gegenseitige Erkennungszeichen im Falle einer Begegnung von jugoslawischen mit britischen oder griechischen Kriegsschiffen auf offener See. Daher wurde das Marine-Kommando per Funk gebeten, diese Unterlagen aus Griechenland anzufordern. Als Antwort auf diese Bitte kamen Angaben über die Lage zweier britischgriechischer Minenfelder in der Adria. Es kamen Informationen, daß die britischen Einheiten auf der Verbindungslinie Valona-Brindisi operieren und daß für den Fall einer Begegnung das Erkennungssignal GEK gilt. Fast zur selben Zeit kam ein Funkspruch, der das Eintreffen des britischen Militärattaches Hardy in der Boka Kotorska ankündigte, mit dem Verbindung aufzunehmen sei. Als er nach einigen Tagen tatsächlich eintraf, hatte er keinerlei Unterlagen bei sich. Seine größte Sorge war, die große Zahl von Geheimagenten verschiedenster Nationalitäten, die sich nun ebenfalls in die Boka Kotorska flüchteten, auf jede irgend nur mögliche Art nach Griechenland zu schaffen. Übrigens war dieser Herr den größten Teil des Tages betrunken! Nach dem Einlaufen dieser Funksprüche erhielten die beiden U-Boote Hrabri und Osvetnik den Befehl zum sofortigen Auslaufen. Sie sollten auf der Linie Brindisi-Dra! die italienischen Geleitzüge mit dem Nachschub für Albanien angreifen, und ihre Ergebnisse direkt an das Marine-Kommando funken. Doch schon am selben Tag wurde dieser Befehl vom Marine-Kommando widerrufen. Alle U-Boote hatten sich nun für eine „Sondermission" bereitzuhalten. Im Flottenstab war man sich sofort darüber im Klaren, was unter dieser Sondermission zu verstehen war: Die Flucht hoher Persönlichkeiten ins Ausland! Die U-Boote wurden also zurückgerufen und kehrten ohne Feindberührung

heim. Der endgültige Befehl zu dieser Sondermission kam nicht mehr, die Bereitschaft war umsonst! Um den 9. April kam ein Funkspruch vom Seeküsten-Kommando Split, nach dem die Einheiten der Flotte einem General zugeteilt werden sollten, der den Auftrag hatte, Zadar einzunehmen. Zadar war damals italienische Enklave. Der selbe Befehl lief auch vom MarineKommando ein. Die Antwort lautete, man solle doch dem General die Einheiten aus Šibenik zur Verfügung stellen. Der dortige Kommandant möge mit dem General den Einsatz seiner Schiffe festlegen. Für den Fall des Angriffs auf Zadar war das Auslaufen der Dalmacija nach Šibenik vorgesehen, denn der Kreuzer konnte sich mit seinen sechs Fla-Geschützen erfolgreich an den Operationen beteiligen. Nach der Genehmigung dieses Vorschlages durch das Marine-Kommando übersiedelte der Flottenstab von der Dalmacija auf die Staatsyacht Beli Orao. Zu dem Angriff auf Zadar kam es nicht mehr, weil am 10. April um 16 Uhr der unabhängige Staat Kroatien, N.D.H., ausgerufen wurde, was den Zerfall der jugoslawischen Wehrmacht nach sich zog. So blieb die Dalmacija letztlich in der Boka Kotorska. Aus Šibenik kamen mehrere Funkmeldungen über ständige Luftangriffe der Italiener auf den Tanker Perun. Daher wurde vorgeschlagen, das Schiff in die Boka Kotorska zu verlegen. Als das vom Marine-Kommando genehmigt wurde, lief die Perun im Geleit von zwei Torpedobooten ohne Zwischenfall in die Boka Kotorska. Das Marine-Kommando meldete per Funkspruch, daß in Skoplje alle Chiffriermittel der Marine in die Hände der Deutschen gefallen waren. Da der chiffrierte Funkverkehr als bloßgestellt zu betrachten war, seien ab sofort alle Funksprüche offen durchzugeben. Die Nachricht von der Ausrufung des unabhängigen Staates Kroatien, N.D.H., kam am Abend des 10. April über Radio Zagreb. In Windeseile verbreitete sie sich unter den Besatzungen der Schiffe in der Boka Kotorska. Und noch etwas wurde durch Radio Zagreb gefordert: Die Übergabe der IL Torpedo-Division in Šibenik. Über die tatsächlichen Ereignisse in Šibenik wußte man in der Boka Kotorska nichts, weil die Funkverbindung über die Relaisstation Klinci gestört war. Angeblich soll es dort zu einer Meuterei und der Erschießung von zwei Unteroffizieren durch den vorgesetzten Offizier gekommen sein.

Erst nach dem Einlaufen der „Abteilung Šibenik" am 13. April in Kotor unter ihrem Kommandanten, Linienschiffskapitän Ivan Kern, erfuhr man, was dort geschehen war. Auf den Einheiten der III. Torpedo-Division hatten die Besatzungen gemeutert, in Šibenik wurde die weiße Flagge gehißt, Marine und Heer befanden sich im Zerfall. Daher blieb ihm nur das Auslaufen. Der Flottenkommandant, Konteradmiral Milan Domain ko, befahl Kern, alle mitgekommenen Unteroffiziere zu vernehmen und nach deren Zeugenaussagen einen genauen Bericht zu erstatten. Auf Grund dieser Unterlagen wollte er überprüfen, ob Kern wirklich gezwungen worden war, einen Teil seiner Schiffe in Šibenik zurückzulassen und ob man gerichtlich gegen ihn vorgehen müßte. Die Staatsordnung zerfällt In Anbetracht der Nachrichten von den Fronten, der Meldungen des Großdeutschen Rundfunks und der Ausrufung der N.D.H. lud der Flottenkommandant alle Kommandanten der größeren Einheiten zu einer Besprechung zu sich. Er wollte sich über die Moral der Besatzungen erkundigen und über die weitere Verwendung der Schiffe beraten. Die Kommandanten brachten einstimmig zum Ausdruck, daß die Moral seit der Ausrufung des N.D.H. derart gesunken war, daß man mit diesen Besatzungen unmöglich mehr in den Einsatz gehen konnte. Sie schlugen vor, mit den Schiffen bis auf weiteres in der Boka Kotorska zu bleiben. Lediglich Fregattenkapitän von Hellenbach war der Meinung, daß es besser sei, mit den Schiffen nach Split oder Šibenik zu verlegen, weil die abzurüstenden Besatzungen von dort aus leichter in ihre Wohnorte zurückkehren konnten. Auch der Flotten-Stabschef, Linienschiffskapitän Kacić-Dimitri, schloß sich dieser Meinung an. Der Flottenkommandant entschied jedoch für ein weiteres Verbleiben in der Boka Kotorska. Der Waffenstillstand Am 14. April 1941 kündigte das MarineKommando per Funkspruch den Waffenstillstand an. Jeder Widerstand war einzustellen; jede Zerstörung war verboten; die Schiffe hatten auf ihren Liegeplätzen zu bleiben. Zur selben Zeit kam ein Hauptmann der Hof-Gendarmerie mit 40 Kisten persönlichem Gepäck von König Peter. Er hatte den Auftrag, dieses Gepäck auf den Zerstörer Dubrovnik zu verladen, da der Hof und die Regierung mit diesem Schiff das Land verlassen würden. MARINE — Gestern, Heute - 1988

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Während der Vorbereitungsarbeiten kam der Gegenbefehl, das Gepäck nach Cetinje zurückzuschaffen. Nach dem Eintreffen des Waffenstillstandesbefehls bat der Flottenkommandant neuerlich alle Kommandanten zu sich, um sie zu befragen, ob sie nicht doch mit ihren Schiffen den Durchbruch durch die Otranto-Straße nach Griechenland wagen wollten. Fregattenkapitän von Hellenbach brauchte nicht zu erscheinen, da seine Meinung bereits bekannt war. Alle anderen Kommandanten antworteten einstimmig, solch eine Unternehmung sei unmöglich, weil der kroatische Teil der Besatzungen nicht mitmachen würde; und die restlichen Besatzungen waren personell nicht in der Lage, die Schiffe im Zustand „klar Schiff zum Gefecht" bis nach Griechenland zu bringen. Daraufhin schlug Stabschef Kačić abermals vor, daß jetzt die beste Gelegenheit wäre, die Schiffe nach Split oder Šibenik auslaufen zu lassen. Doch der Flottenkommandant, Konteradmiral Domainko, entschied abermals für den Verbleib in der Boka Kotorska. Zu dieser Zeit war bereits bekannt, daß sich italienische Truppen aus dem Süden und dem Norden der Boka Kotorska näherten. Als am selben Tag der Kommandant des Minenlegers Galeb, Hellenbach, um Auslauferlaubnis ansuchte, weil er seine vorwiegend aus Mitteldalmatien stammenden Besatzungsangehörigen nach Hause bringen wollte, erhielt er auf Befehl des Flottenkommandanten keine Antwort. Der Flotten-Stabschef, KaČić, bat ihn per Flaggensignal zu sich, und erteilte ihm mündlich die Auslauferlaubnis. Während der Fahrt wechselte Hellenbach die Flaggen und lief mit gehißter kroatischer Flagge anstandslos in Split ein. Am Morgen des 16. April erschien der Sekretär des Außenministers, Smiljanić, beim Flotten-Stabschef. Er verlangte, daß man ihn und das diplomatische Korps von Belgrad sowie mehrere britische Geheimagenten mit dem in Risan liegenden Passagierschiff König Alexander nach Griechenland bringe. Als ihm die Unmöglichkeit der Erfüllung seines Ansuchens klar gemacht wurde — Gefahr der Versenkung durch die italienische Luftwaffe! — verlangte er, man möge ihm ein U-Boot zur Verfügung stellen. Auch das mußte abgelehnt werden, weil die vier U-Boote für die Sondermission in Bereitschaft lagen. Außerdem fehlte es an Besatzungen. Am selben Tag gegen 15 Uhr wasserten zwei britische Sunderland-Flugboote in der Boka Kotorska. Sie nahmen etwa 45 MARINE — Gestern, Heute - 1988

wichtige englische Geheimdienstleute an Bord sowie unter anderem auch den Bulgaren Dimitrov und den Sekretär des Außenministers, um sie nach Griechenland auszufliegen. Am selben Tag wurde die Ortschaft Bar von den Italienern eingenommen. Die jugoslawische Armee zog sich unterdessen in votler Auflösung befindlich aus der Crna Gora in die Boka Kotorska zurück. Gegen 21 Uhr ließ der bereits erwähnte britische Militärattache durch einen Offizier ausrichten, daß er bald mit einer wichtigen Mitteilung beim FlottenStabschef vorsprechen werde. Um 21.30 Uhr erschien er persönlich und erklärte, daß im Morgengrauen des 17. April ein englischer Zerstörer vor der Boka Kotorska erscheinen würde. Ein Lotse sollte ihn durch die Minensperren nach Kotor führen. Dieser Zerstörer würde bis zur nächsten Nacht in Kotor bleiben, um alle englischen Staatsbürger, das diplomatische Korps der Westmächte und die übrigen englischen Geheimagenten einzuschiffen und nach Griechenland zu bringen. Stabschef Kačić trat dem sofort energisch entgegen, weil es klar war, daß die Anwesenheit eines englischen Kriegsschiffes sofort einen italienischen Luftangriff provozieren würde, der zu einem Blutbad unter den sich zurückziehenden Truppenverbänden und der Zivilbevölkerung von Kotor führen würde. Nach einem längeren heftigen Wortwechsel befahl der Flottenkommandant, Domainko, die Meinung des kommandierenden Generals der Boka Kotorska einzuholen. Doch gerade an diesem Tag verlegte der General seinen Standort von Kotor nach Herceg Novi und war telefonisch nicht zu erreichen. Nun wurde der Seeabschnitts-Kommandant in Gjenović, Linienschiffskapitän Klinar, um Vermittlung ersucht. Nach einer halben Stunde kam die Antwort des Generals: Das Einlaufen des Zerstörers in die Boka Kotorska wäre verboten. Daraufhin intervenierten die verschiedenen Diplomaten solange beim Flottenkommandant, bis dieser erneut den kommandierenden General kontaktierte. Dieser erlaubte schließlich, daß der Zerstörer am frühen Morgen des 17. nach Zelenika einlaufen dürfe, um eine Stunde für die Einschiffung der Flüchtenden anzulegen. Der angekündigte britische Zerstörer ist jedoch nie gekommen. Ursache unbekannt. Konnte er sich nicht durch die Otranto-Straße wagen? Die Frage bleibt unbeantwortet. Jene Flüchtenden, die er hätte einschiffen sollen, kamen alle in italienische Kriegsgefangenschaft.

Der Einmarsch der Italiener Am Vormittag des 17. April 1941 marschierten die Italiener in Kotor ein. Um 13 Uhr kam ein Telegramm des italienischen Divisionskommandanten aus Kotor, in dem er anordnete, daß noch am gleichen Tag alle Besatzungen ihre Schiffe bis 17 Uhr zu verlassen hätten. Die Schiffskommandanten waren unter Androhung kriegsgerichtlicher Schritte dafür verantwortlich, daß ihre Schiffe im derzeitigen Status verblieben. Gleich darauf traf ein zweites Telegramm ein: Der jugoslawische Flottenkommandant hatte sich umgehend beim italienischen Divisionskommandanten in Kotor zu melden. Kurz danach verließ die Beli Orao ihren Liegeplatz bei Krtole, wo auch die Zerstörer der I. Torpedo-Division ankerten. Während der Fahrt nach Kotor vernahm man auf der Beli Orao plötzlich eine starke Explosion aus der Richtung Krtole und sah auch schon eine hohe Stichflamme mit Rauch. Der serbische Linienschiffsleutnant Spasić — als Jahrgangserster hatte er bei der Ausmusterung vom König einen Ehrensäbel erhalten — und der slowenische Linienschiffsleutnant Sergej MaSera hatten den Zerstörer Zagreb in die Luft gesprengt, um ihn nicht in die Hände der Italiener fallen zu lassen! Dabei fanden beide den Tod. Die Leiche von Spasić wurde später gefunden und von den Italienern mit allen militärischen Ehren auf dem Friedhof des serbisch-orthodoxen Klosters Savina bestattet. Die Leiche Mašeras blieb verschollen. Sofort nach der Ankunft der Staatsyacht Beli Orao in Kotor begaben sich der Flottenkommandant und der Stabschef zum Stab der italienischen Division, wo sie von General Zano und einem italienischen Fregattenkapitän empfangen wurden. Zuerst fragte der General nach den Standorten der jugoslawischen Kriegsschiffe. Als ihm diese mitgeteilt wurden, wiederholte er den Befehl vom Vormittag: Die Besatzungen hätten ihre Schiffe bis 17 Uhr zu verlassen, die Kommandanten waren unter Androhung kriegsgerichtlicher Schritte dafür verantwortlich, daß auf ihren Schiffen keinerlei Veränderung vorgenommen werden. Der Fregattenkapitän fügte hinzu, daß zum Schutz der Schiffe bereits italienische Wachen abgeschickt würden. Er verlangte auch, daß die jugoslawischen Wachen der Minen- und Barrikadensperren bis zum Eintreffen einer Abteilung der italienischen Kriegsmarine weiter auf ihrem Posten zu bleiben hätten. Mehr wurde nicht besprochen, außer daß die Herren nun frei

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seien und nach Hause gehen können. Der Flottenkommandant ersuchte um die Genehmigung, für die Rückfahrt nach Herceg Novi die Beli Orao benützen zu dürfen, die auch erteilt wurde. Noch am Abend des gleichen Tages erfolgte die Ausschiffung des Flottenstabes von der Beli Orao, die daraufhin zur Verfügung des italienischen Generals nach Kotor zurückgeschickt wurde. Interregnum Wie später in Erfahrung gebracht wurde, haben die Italiener erst am 18. bzw. am 19. Wachen bei den Schiffen aufgestellt. Die einheimische Bevölkerung nützte diese Gelegenheit, um die Schiffe vollkommen auszuplündern. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde gestohlen. Proviant, Möbel, Wäsche, Bettzeug, Küchengeschirr, kostbares Porzellan und Silberbestecke, alle Instrumente usw. Die Italiener machten daraufhin den Flottenkommandanten für diese „Untaten" verantwortlich, weil er den italienischen Befehl nicht befolgt hatte. Angeblich hatte es darin geheißen, daß eine jugoslawische Offiziers wache bis zum Eintreffen der Italiener an Bord zu bleiben habe, um die Schiffe zu übergeben. Diese italienische Behauptung stimmt nicht. Denn weder in dem Telegramm, noch in dem Gespräch kam dies zum Ausdruck. Dazu muß gesagt werden, daß Stabschef KaKić perfekt italienisch sprach.

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Neubeginn im Chaos In der Nacht vom 17. auf den 18. April liefen das U-Boot Nebojsa und die Motor-Torpedoboote Durmitor und Kajmakcalan nach Griechenland, bzw. Malta aus. Die bunt zusammengewürfelten Besatzungen bestanden aus Serben und Slowenen. Das Kommando führte Linienschiffskapitän Kern. Auch zwei oder drei Flugboote bzw. KufenSeeflugzeuge des III. SeefliegerKommandos flogen in Richtung Griechenland ab, über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Jene Marine- und Armeeangehörigen, die jetzt „freie Kroaten" waren, fuhren mit Trabakeln nach Split. Von dort bemühte sich jeder, so schnell als möglich nach Hause zu den Familien zu kommen. Die in Dalmatien und der Boka Kotorska zurückgebliebenen Serben und Slowenen kamen in italienische Kriegsgefangenschaft. Nach 1943 stießen sie teils zu den Partisanen oder gelangten als Flüchtlinge in die Schweiz, wo sie gut aufgenommen wurden. Abschließende Bemerkungen # Das Verhalten der Vorgesetzten war im allgemeinen gut. Es ist von Interesse, zu erwähnen, daß ein großer Teil der Serben über die Politik von General Simović verbittert war, die zu dem sinnlosen Krieg geführt hatte. Als der Flottenkommandant bei der bereits erwähnten Besprechung die Kommandanten fragte, wer mit seinem Schiff nach Griechenland auslaufen möchte, meldete sich keiner. Nur ein Serbe antwortete:

„Ich gehe nicht, soll doch Simović gehen!" Die Ausrufung des N.D.H. hat # ohne Zweifel einen entscheidenden Einfluß auf die Moral der Schiffsbesatzungen gehabt. Die Nachricht verbreitete sich blitzschnell auf allen Schiffen und von diesem Augenblick an war keine Rede mehr davon, daß irgendein Schiff in den Einsatz geschickt werden könnte. Hätte der Krieg länger gedauert, wäre es bestimmt zu Meutereien gekommen. Daß solche aber zwischen dem 10. und dem 17. April ausblieben, ist nur dem Umstand zuzuschreiben, daß es in der jugoslawischen Marine keine stärker organisierten kroatischen Rebellengruppen gab. Die Versorgung der Schiffe hat gut # funktioniert. Schwierigkeiten gab es nur beim Transport der Verpflegung auf die verstreut in der Boka Kotorska liegenden Schiffe. Nur die vorgeschriebene Versorgung mit Tabak und Zigaretten blieb aus. 0 Während des Krieges kam es zu keinen Zwischenfällen zwischen den Kroaten einerseits und den Serben und Slowenen andrerseits. Nach dem Zusammenbruch machten die Serben und Slowenen den Kroaten den Vorwurf, es sei nur so rasch zur Kapitulation Jugoslawiens gekommen, weil die Kroaten nicht hatten kämpfen wollen.

Rangabzeichen der S.H.S. Kriegsmarine. MARINE — Gestern, Heute - 1988

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Die ordre de bataille der königlich jugoslawischen Flotte am 6. April 1941 Die Nationalität des Kommandanten ist in Klammern angegeben, sr = Serbe, sl = Slowene, kr •= Kroate Die Flotte Flottenkommandant KA Milan Domainko (kr) Stabschef LschK Jerko Kačić-Dimitri (kr) Schulkreuzer Dalmacija, LschK Ivan Levec (sl) Staatsyacht Beli Orao, KKpt I.R.u.R. Oskar Jeglic (sl) Tanker Perun, Standort Šibenik, LschK Josip Petrarka (kr) Seeflugzeug-Mutterschiff Zmaj, LschK Leo Zakarija (kr) U-Bootflottille, Standort Boka Kotorska Mutterschiff Hvar, LSchK Mirko Dabović (kr), zugleich Flottillenkommandant U-Bootbegleitschiff Sitnica, LSchL Branislav Protić (sr)

Schnellboot Velebit, LSchL Vinko Houdecek (sl) Schnellboot Dinara, LSchL Damjan Bratić (sr) Schnellboot Triglav LSchL Rafael Arnerić (serbischer kr) Schnellboot Suvobor, LSchL Ivan Osterc (sl) Schnellboot Orjen, zur Generalreparatur im MarineArsenal Tivat Schnellboot Cetnik, LSchL Brandislav Popovi t (sr) Schnetlboot Uskok, LSchL Stanislav Stiglic (sl) III. Torpedo-Division, Standort Šibenik Torpedoboot T3, KKpt Stanislav Zvirn (sl) Torpedoboot TS, KKpt Ernest Blazon (sl) Torpedoboot T6, KKpt Kazimir Rencelj (sl) Torpedoboot T7 LSchK Ivan Kern (sl), zugleich Divisionskommandant Einheiten der lokalen Verteidigung

U-Boot Nebojsa, LSchL Anton Javoršek (sl)

Nord-Abschnitt, Standort Selce

U-Boot Osvetnik, LSchL Ivan Zivković (sr)

Minenleger Malinska, LSchL Tomo Kolumbarić (kr) Tender Silni,

U-Boot Hrabri, LSchL Vojislav Vujić (sr)

LSchL Matheo Lenoch (kr)

Zerstörer Dubrovnik, LSchK Vladimir Šaškijević (sr) zugleich Divisionskommandant

Mittel-Abschnitt, Standort Šibenik Bergungsschiff Spasilac, FrgK Janko Kregar Wassertender Lovćen Minenleger Labud Minenleger Kobac Minenleger Mosor Minenleger Marjan

Zerstörer Beograd, LSchK Mihajlo Lepetić (sr)

Süd-Abschnitt, Standort Boka Kotorska

Zerstörer Zagreb, LSchK Nikola Krizomali (kr)

Torpedoboot Tl Torpedoboot T3 Minenleger Jastreb, LSchK Zdenko Papez (kr), zugleich Gruppenkommandant Minenleger Galeb, FrgK Zdenko Helenbach (kr) Minenleger Mljet, LSchL Ilija Ilić (sr), zugleich Gruppenkommandant

U-Boot Smeli, LSchL Mateo Palaversić (kr) I. Torpedo-Division, Standort Boka Kotorska

Zerstörer Ljubljana, Januar 1940 in der Einfahrt von Šibenik gesunken, nach Hebung zur Reparatur im MarineArsenal Tivat, II. Torpedo-Division, Standort Šibenik Schnellboot Velebit, KKpt Niko Kosović (kr), zugleich Divisionskommandant Schnellboot Rudnik, detachiert in die Boka Kotorska, LSchL Pavao Zupan (kr)

LSchL Jovan Nikolić (sr) Donauflottille Monitor Drava, Standort Bezdan LSchL Alexander Berić (sr) Monitor Vardar, Standort Dubovac LSchL Milivoj Kockar (sr) Monitor Sava, Standort Dubovac LSchL Srećko Rojs (sl) (slowenisiert v. Felix Reuss) Monitor Morava, Standort Stara Kanjiza LSchL Božidar Arandjelović (sr) Königliche Flußyacht Dragor LSchL Nastas Krstić (sr) Abteilung Ochrid-See Patrouillenboot Graničar, FrgL BoSidar JelisavČić (sr) Patrouillenboot StraZar, KLt Jovo Pokrajac (sr) Landdienststellen Marinestab Belgrad Marinekommandant; KA Julian Luteroti (kr) Operative Abteilung: LSchK Hijacint Mundorfer (kr?) Technische Abteilung: LSchK Maksimilijan Rakasović (sr) Adjutantur; LSchK Vlado Naglič (sl) Ingenieur-technische Abteilung; Slavomir Tomić (kr) See flieger-Abteilung: LSchK Dražen Delija (kr) Sanitäts-Abteilung Juristische Abteilung: Oberst-Auditor Marinković (sr) Wirtschafts-Abteilung Marinestab II Belgrad KA a.d. I. Res. Vladimir Mariasević (sr) LSchK Vladimir Labaš (kr) FKpt Anton Simović (kr) KKpt Milivoj Pokorni (sr) Seeküsten-Kommando Kommandant: KA Tomo Tijanić

Minenleger Meljine, LSchL Peter Laura (kr)

Stabschef: LSchK Juraj Rajhenberg (slawisiert v. Georg Reichenberg)

Schulboot D2, KKpt Franc Podboj (sl)

Seeverteidigungs-Abschnitt Nord, Standort Selce, LSchL Mirko Plajvajs (sl)

Schnellboot Kajmakcalan, LSchL Bozo Vrančić (sl)

Segelschulschiff Jadran, LSchK Anton Vekarić (kr)

Schnellboot Durmitor, LSchL Franc Valentincić (sl)

Großer Tender Jaki, KKpt Franc Potočnik (sl)

MARINE — Gestern, Heute - 1988

Yacht Vita,

Seeverteidigungs-Abschnitt Mitte/ Marine-Rekruten Kommando, LSchK Muhamed Hromić (kr)

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Seeverteidigungs-Abschnitt Süd/ Kommando der Unterwasserwaffen, Standort Boka Kotorska, Gjenović LSchK Anton Klinar (sr) Kommando der See-Luftwaffe, Standort Divulje bei Split Kommandant: LSchK Nikola Nardeli (kr) I. Geschwader, Standort Vodice bei Šibenik II. Geschwader, Standort Divulje bei Split III. Geschwader, Standort Kumbor in der Boka Kotorska, KKpt Slavoljub Pikl (sl) Marine-Nachrichtenkommando, Standort Šibenik Kommandant: Vladimir Andoljšek (kr) Nachrichtenbezirk Selce, Kommandant: LSchL Karlo Sertić (kr) Nachrichtenbezirk Šibenik Nachrichtenbezirk Klinci, Kommandant: LSchL Rudolf Pogacar (sl) Marine-Arsenal Tivat Leiter: LSchK Mato Marusić (kr) Stellvertreter: LSchK Zdenko Vuković (kr) Artillerietechnische Anstalt Lepetane/Verige Leiter: LSchK Karel Levičnik (sl) Marineartillerie-Schule Meljine Leiter: LSchK Anton Debevec (sl) Maschinenschule Gjenović Leiter: LSchK Dragan Andrić (kr) Kriegsmarine-Akademie Dubrovnik Leiter: LSchK August Küster (sr) Stellvertreter: FrgK Mirko Reman (sl)

Marinespital Meljine Leiter: Oberst-Arzt Dr. Petrović

Mljet

Hydrographisches Institut der Marine Leiter: LSchK Aleksandar Andrić (kr)

Mosor Nebojsa Lovćen

Donauflottille Kommandant: LSchK Edgar Angeli (kr) Stabschef: FrgK Bozo Martinec (kr)

Lubljana Orjen

Abteilung Ochrid-See Kommandant: KKpt Ivo Bakotić (kr)

Die Bedeutung der jugoslawischen Schiffsnamen Beli Orao

Weißer Adler; serbischer Wappenvogel Beograd Hauptstadt von Jugoslawien Četnik Milizionär Dalmacija Dalmatien dalmatinischer GebirgsDinara zug süddalmatinische HafenDubrovnik stadt Karst-Bergzug Durmitor in Montenegro Möwe Galeb Grenzer Graničar Hvar mitteldalmatinische Insel und gleichnamige Hafenstadt Hrabri der Tapfere Jadran Adria Jaki der Kräftige Jastreb Habicht Kajmakcalan Berg in Südserbien Sperber Kobac Labud Schwan Hafenort auf Krk Malinska Berg bei Split Marjan der Fleißige Marljivi Meljine Ort in der Boka Kotorska, Standort des Marinespitals

Osvetnik Perun Rudnik Silni Sitnica Smeli Snažni Sokol Spasilac Split Strazar Suvobor Triglav

Uskok Ustrajni Velebit Vila Zagreb Zmaj

mitteldalmatinische Insel und gleichnamige Hafenstadt Berg südöstlich von Split der Furchtlose Bergmassiv in Montenegro Landeshauptstadt von Slowenien Gebirgsmassiv an der Boka Kotorska und gleichnamiger Gipfel (1900m) der Rächer Donnergott Gebirgszug in Serbien westlich von Kragujevac der Mächtige Fluß in Montenegro der Kühne der Kräftige Falke der Retter dalmatinische Hafenstadt der Wächter Berg in Serbien Gipfel in den Julischen Alpen (2863 m); seit Urzeiten der mystische Berg der Slowenen, Triglav heißt „der Dreiköpfige" kroatischer Piratenstamm der Beharrliche kleinerer Gebirgszug in der Dinara Fee kroatische Landeshauptstadt Drache

Anmerkung der Redaktion Fotos der südslawischen Marine 1941 siehe im Artikel von Georg Pregel in MGH 1987 (2) 41-50.

MARINE — Gestern, Heute - 1988

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