November 16, 2018 | Author: Timo Bruhn | Category: N/A
1 Deutschland im Herbst 2009 Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung und Hysterie Was können wir aus den Erfahr...
Deutschland im Herbst 2009 Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung und Hysterie Was können wir aus den Erfahrungen lernen? Joachim Stamm Hauptabteilungsleiter Strategie und Entwicklung Leistungs-, Vertrags- und Versorgungsmanagement
BARMER GEK Hauptverwaltung Lichtscheider Str. 89 42285 Wuppertal Datum: 29. Mail 2010
Ansprechpartner: Joachim Stamm
[email protected] Telefon 018 500 99-2090, Telefax 018 500 00-2099
Gliederung
Impfmüdigkeit – aktuelle Zahlen
Rolle der pharmazeutischen Industrie am Beispiel HPVImpfung
Out of Mexico – ein Virus geht auf Reisen
Mediale Aufarbeitung der Neuen Grippe in Zeiten des Sommerlochs
Breitet sich die Angst schneller aus als das Virus selbst?
Ökonomischer Impact für die Krankenkasse
Was ist geblieben, rund ein Jahr später?
Pandemiealarm – Was haben wir gelernt?
BARMER-GEK – Beitrag zur HPV-Impfung und zur Neuen Grippe
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 2
Exkurs in die Historie
Pockenschutzimpfung Edward Jenner führt am 14. Mai 1796 die erste Vakzination durch (Infektion mit Kuhpocken)
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Impfmüdigkeit – aktuelle Zahlen Kinder und Jugendliche (Stellungnahme DEGAM, 2009) In Deutschland sind die Durchimpfungsraten in den ersten
Lebensjahren für die wichtigsten Impfungen sehr gut
Für die erste Dosis MMR (Mumps, Masern, Röteln) sind beispielsweise in der „Region der neuen Bundesländer“ Impfraten von 95% erreicht, welches ein Zielkriterium für die Ausrottung von Infektionskrankheiten darstellt
Ab dem frühen Jugendlichenalter lassen die Raten empfehlungsgerecht Geimpfter jedoch rasch nach
s u t ta s f p der m I Kin Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 4
Impfmüdigkeit – aktuelle Zahlen Kinder und Jugendliche (KIGGS* 2006)
Mehr als 75% der Jugendlichen im Westen sind nicht vollständig gegen Keuchhusten grundimmunisiert.
30% aller Kinder im Vorschulalter fehlt die zweite Masernimpfdosis. Zweite Masernimpfdosen fehlen besonders häufig bei mittleren und jüngsten Kindern aus Mehrkindfamilien.
45% der 7- bis 10-Jährigen im Westen (Osten: 25%) haben noch keine Tetanus- und Diphtherieauffrischimpfung erhalten. s u t a st f p 40% aller Jugendlichen haben keine vollständige Hepatitis-BIm Immunisierung – die Durchimpfung ist bedeutend besser, wenn t Jugendliche an der J1 teilgenommen haben. ich
n
10% aller 14- bis 17-jährigen Mädchen sind nicht gegen Röteln geimpft, 35% fehlt die 2. Impfdosis. *Kinder- und Jugend-Gesundheits-Studie, Robert-Koch-Institut Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 5
Impfmüdigkeit – Erwachsene Erwachsene (DEGAM, 2009) Bei
Erwachsenen und älteren Bürgern ist der Impfschutz – gemessen an den Impfempfehlungen der STIKO – mehrheitlich unzureichend
Ursachen
vaccination willingness: Impfbereitschaft der Bevölkerung vaccination awareness: Aufmerksamkeit der Hausärzte in Bezug auf den Impfstatus Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 6
Rolle der pharmazeutischen Industrie am Beispiel HPV-Impfung Medienhype
beginnt deutlich vor der eigentlichen Zulassung der europäischen Behörde (EMEA) und der Impfempfehlung der STIKO
Umfangreiche
Marketingbudgets wurden dazu genutzt, das Interesse für die Impfung zu wecken
Informationskampagnen
wurden durch den Appell an die Ängste geprägt
Durch
Zahlenspiele wurde der Eindruck erweckt, dass es sich beim Gebärmutterhalskrebs um eine der häufigsten Krebsarten der Frau handelt. Jedoch steht er in den industrialisierten Ländern nur an der 12. Stelle
Der
mediale Druck führte dazu, dass noch vor der STIKO-Empfehlung einige Krankenkassen die Kosten für die Impfung übernahmen
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Rolle der pharmazeutischen Industrie am Beispiel HPV-Impfung
“Mädchen checken das“ (Deutsche Krebshilfe)
"Als Mutter erlebe ich, wie schnell meine Tochter groß wird und schon bald ihr eigenes Leben führt. Ich will nicht, dass Gebärmutterhalskrebs dieses Leben in Gefahr bringt." Modedesignerin Jette Joop in einem TV-Spot, der von Anfang Mai bis Mitte August 2007 zur besten Sendezeit auf den Privatkanälen ausgestrahlt wurde.
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Rolle der pharmazeutischen Industrie am Beispiel HPV-Impfung
"Mir
ist keine andere Kampagne bekannt, mit der die Öffentlichkeit so massiv beeinflusst worden ist"
Prof. Dr. Gerd Glaeske , Bremen, Arzneimittelexperte
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Out of Mexico – ein Virus geht auf Reisen
2. April 2009
Mexikanische Behörden registrieren offiziell die ersten Fälle der „Schweinegrippe“ in Las Glorias, einem kleinen Dorf im Staat Veracruz. In der Nähe befinden sich große Schweinezuchtbetriebe.
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Mediale Aufbereitung im Sommerloch 2009
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 11
Mediale Aufbereitung im Sommerloch 2009
„Die Medien folgen nicht der Bedrohung, sondern dem Nachrichtenwert.“ Prof. Hans-Mathias Kepplinger, Universität Mainz
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 12
Mediale Aufbereitung im Sommerloch 2009 Die Medien sind im Fall von Seuchen und anderen Katastrophen immer die wichtigste Informationsquelle.
Es ist davon auszugehen, dass die Menge und die Tonart der Medienberichterstattung die Stimmung und die Reaktionen in Deutschland mitbestimmten.
Das Thema „Schweinegrippe“ wird über die Medien in die Köpfe der Menschen transportiert, weit bevor die Seuche die Bundesrepublik erreichte. Medienberichte bildeten die Grundlage für Meinung und Gefühlslage der Menschen.
Für die Aufbereitung von Themen müssen die Medien den Gesetzen einer medialen Dramaturgie folgen.
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Angst breitet sich schneller aus als das Virus
21.10.2009
„35.000 Tote im kommenden Winter allein in Deutschland, die angekündigte Welle ist endlich da, und die zweite Welle, die noch schlimmer wird, kommt sicher im Frühling.“
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 14
Angst breitet sich schneller aus als das Virus Pandemien in der Geschichte der Menschheit Erreger
Zeitraum
Ausbreitung
Todesfälle
Pest
1347-1352
Europa & Asien
25 Millionen
Pest
1894-1944
weltweit
12 Millionen
Spanische Grippe 1918-1920
weltweit
50 Millionen
Asiatische Grippe
1957
Asien
1 Million
Hongkong-Grippe
1968
Asien
0,7 Millionen
AIDS
seit 1980
weltweit
Bislang 25 Millionen
Schweinegrippe
seit 2009
weltweit
bislang 4.344 (Stand 30.09.2009) Quelle: Weltgesundheitsorganisation (WHO)
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Ökonomischer Impact für die Krankenkasse Ausgaben
für „Schweinegrippe“
Tatsächliche Kosten BARMER € 39 Mio., davon € 24 Mio. für Impfstoffe € 15 Mio. für Arztkosten
KV 45 Zahlen 2009 weisen für die BARMER Kosten in Höhe von € 48 Mio. für Honorar und Impfstoff aus, für die GKV in Höhe von € 406 Mio.
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Ökonomischer Impact für die Krankenkasse Kostenentwicklung
bei Impfungen* Ursachen für Kostenanstieg ab 2006
151
2009
• Einführung HPV-Impfung • Höhere Inanspruchnahme FSME-Impfung
183
2008
198
2007
BARMER GKV
83
2006 2005 2004 Mio €
0
500
1000
1500
2000
* Impfstoff und ärztliches Honorar Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 17
Was ist geblieben, rund ein Jahr später?
In Deutschland wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin zufolge bis zum 20. April 2010 insgesamt 226.137 Schweinegrippe-Fälle gemeldet, darunter 253 Todesfälle.
Aktuellen Zahlen zufolge scheint die Schweinegrippe-Saison nahezu abgeklungen zu sein: Im April 2010 wurden pro Woche unter zehn neue Fälle gemeldet.
Als Ende Oktober 2009 der neue Impfstoff endlich verfügbar war, reagierten die Menschen verhalten. Zahlreiche Arztpraxen wurden von Impfwilligen zunächst regelrecht zwar überrannt. Doch der Ansturm hielt nicht lange an. Viele waren verunsichert.
Viele Impfdosen sind übrig geblieben. Nach Angaben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums wurden schätzungsweise nur sieben Prozent der Bevölkerung in Deutschland geimpft.
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 18
Pandemiealarm - Was haben wir gelernt? Angesichts von möglichen Szenarien, die Experten im vergangenen Jahr entworfen hatten, scheinen die heute vorliegenden Zahlen sehr gering (253 Todesfälle)
„Die Abschätzung der Auswirkungen einer zukünftigen Pandemie ist nur unter Vorbehalt möglich, weil man die Eigenschaften eines Erregers und seine Verbreitung in der Bevölkerung nicht vorhersagen kann“ (J.Hacker,Chef des Robert-Koch-Instituts).
Fundierte Informationen sind besser als Panikmache (z.B. IQWIG) ! Zukünftig ist ein vernünftiger/angemessener und kosteneffektiver Umgang mit heutigen und zukünftigen Risiken empfehlenswert !
Es sollte möglichst nur mit wissenschaftlich validen (evidenzbasierten) Informationen über Risiken an die Öffentlichkeit gegangen werden !
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 19
BARMER-GEK – unser Beitrag zur informierten Entscheidung am Beispiel HPV-Impfung und zur Neuen Grippe HPV Bereitstellung einer Entscheidungshilfe mit evidenzbasierten Informationen Service Teledoktor mit Expertenhotline Infos auf der Internetseite
Neue Grippe („Schweinegrippe“) Erstellung evidenzbasierter Informationen für den Beratungsbedarf - FAQ-Liste Service Teledoktor mit Expertenhotline Mehrsprachige Informationen auf der Internetseite
Deutschland im Herbst 2009 │Zwischen Impfmüdigkeit, Verunsicherung u. Hysterie │ 29.Mai 2010│ Seite 20
Vielen Dank
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