DISSERTATION. Titel der Dissertation

December 14, 2017 | Author: Edmund Brodbeck | Category: N/A
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DISSERTATION

Titel der Dissertation

Bewältigung von Mobbing in den unterschiedlichen Dienstrechtssystemen mit Schwerpunkt auf den öffentlichen Dienst

Verfasserin

Mag. iur. Ursula Janesch

angestrebter akademischer Grad

Doktorin der Rechtswissenschaften (Dr. iur.)

Wien, 2012

Studienkennzahl lt. Studienblatt:

A 083 101

Dissertationsgebiet lt. Studienblatt:

Rechtswissenschaften

Betreuerin / Betreuer:

o. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mazal

II

Ursula Janesch

Bewältigung von Mobbing in den unterschiedlichen Dienstrechtssystemen mit Schwerpunkt auf den öffentlichen Dienst

III

IV

VORWORT Durch einen puren Zufall kam ich mit dem Thema „Mobbing“ in Verbindung. Bereits beim ersten Einlesen in die ergreifenden Fallgeschichten wurde mir klar – mit dieser Problematik wollte ich mich näher befassen und meinen Beitrag zur Aufklärung und Sensibilisierung der Thematik leisten. Frau Mag. DDr. Christa Kolodej, welche ich im Rahmen einer Informationsveranstaltung der ARGE Bildungsmanagement GmbH kennen gelernt hatte, verschaffte mir bereitwillig den Kontakt zu Hofrat Dr. Herbert Hopf, Richter am Obersten Gerichtshof. Nach einem ausführlichen und informativen Gespräch mit ihm war meine Überzeugung gefestigt, dass ich eine Dissertation zum Thema Mobbing schreiben wollte. Bei der Umsetzung meines Plans bekam ich Unterstützung von o. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mazal, der in weiterer Folge die Erstbetreuung übernahm.

Während es bereits eine Hülle von wissenschaftlichen Abhandlungen zu Mobbing im privaten Arbeitsrecht gibt, wurde der öffentliche Dienst in diesem Zusammenhang eher ausgeklammert. Das öffentliche Dienstrecht sollte sich noch als wahre Hürde meiner Arbeit herausstellen: Aufgrund der Fülle an unterschiedlichen Bestimmungen für Beamte im provisorischen und definitiven Dienstverhältnis, für Vertragsbedienstete und für Bedienstete in ausgegliederten Einrichtungen stellte es für mich eine Herausforderung dar, die Übersichtlichkeit zu bewahren; spärliche bzw fehlende Kommentierungen machten mir meine Aufgabe nicht gerade leicht.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die mich unterstützt haben, dieses „Werk“ zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Großer Dank gilt in diesem Zusammenhang Hofrat Dr. Herbert Hopf, der mir regelmäßig in ausführlichen persönlichen Gesprächen sowohl fachlich als auch emotional beigestanden ist. Seine selbstverständliche Unterstützung und seine aufbauenden Worte haben mir jeweils im richtigen Moment Kraft und Motivation zum Weitermachen gegeben. Ein Dankeschön für die finanzielle Unterstützung und den unerschütterlichen Glauben an mich und meine Fähigkeiten gebührt auch meiner Familie, insbesondere meiner inzwischen leider verstorbenen Großtante, Martina Dölpl, und meiner ebenfalls bereits verstorbenen Großmutter, Maria Fediuk. Meine Eltern und meine Schwester Christine haben mir besonders in der Endphase meines Studiums einen großartigen emotionalen Beistand geleistet. Besonderer Dank gebührt des Weiteren Mag. V

Elisabeth Lentsch als „Leidensgenossin“ und Schreibpartnerin; Mag. Karin Zwickelstorfer als großartige Zuhörerin und Ratgeberin; meiner Shiatsu-Therapeutin, Eva Moritz, meinen KorrekturleserInnen, Mag. Andrea Hutter und Dr. Wilhelm Pirker, und nicht zuletzt meinem liebevollen, geduldigen und ausgleichenden Partner, Anton Polaschek.

Mag. Ursula Janesch

Wien, am 10. 03. 2012

VI

Um den Lesefluss nicht zu stören, wird in vorliegender Untersuchung bei personenbezogenen Bezeichnungen die dem grammatikalischen Geschlecht entsprechende Formulierung verwendet.

Wenn

im

folgenden

Text

Begriffe

wie

„Arbeitnehmer“

und

„Arbeitgeber“ verwendet werden, beziehen sie sich auf Männer und Frauen in gleicher Weise. Der Text verwendet die laut der Grammatik männliche Form in einem neutralen Sinn und adressiert damit explizit beide Geschlechter ein.

VII

VIII

INHALTSVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis A.

ZUM GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG

1.

EINLEITUNG

2.

3.

4.

1

1.1

Problemstellung

1

1.2

Methodische Vorbemerkung

2

1.3

Skizze

3

EINFÜHRUNG IN DEN THEMENKOMPLEX MOBBING 2.1

Etymologie – Einzug in die (europäische) Wissenschaft

4

2.2

Definitionen von Mobbing in der Literatur

6

2.3

Definitionen von Mobbing im rechtlichen Kontext in chronologischer Reihenfolge 7

2.4

Mobbing – Abgrenzung zu Diskriminierung und Belästigung

9

2.5 Auftretungshäufigkeit 2.5.1 Ergebnisse empirischer Untersuchungen außerhalb von Österreich 2.5.2 Ergebnisse empirischer Untersuchungen in Österreich

10 10 13

DER ÖFFENTLICHE DIENST IN ÖSTERREICH

14

3.1

Der öffentliche Dienst – Begriffsklärung

14

3.2

Rechtsstatus der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes (nationaler Begriff)

16

3.3

Einsatzbereiche der öffentlich Bediensteten - die drei Staatsfunktionen

17

DIE EUROPÄISCHE UNION

19

4.1

Historische Entwicklung

19

4.2

Die Organe der Union

21

4.3

Die Bediensteten der Union

22

4.4

Rechtsquellen der Union

23

4.5

Rechtsakte der Union

24

B.

MOBBING

1.

HINTERGRUNDVERSTÄNDNIS ZU MOBBING 1.1

Arbeitszufriedenheit

26 26

1.2 Bedeutung von Stress bei der Arbeit 1.2.1 Stress 1.2.2 Berufliche Stressoren 2.

4

URSACHEN VON MOBBING

27 27 29 30

2.1

Führungsstil

31

2.2

Organisation der Arbeit

32

2.3

Gestaltung der Arbeitsaufgaben

33 IX

2.4

Mögliche Täterprofile

34

2.5

Die Gruppendynamik und Mobbing

36

2.6

Mögliche Opferprofile

37

2.7

Gegenüberstellung privates Arbeitsrecht und öffentlicher Dienst in Bezug auf Ursachen

39

Ergebnisse der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland – Motive von Mobbing und betriebliche Situation

40

2.8 3.

DIE PHASEN DES MOBBINGPROZESSES 3.1

Phase I – der Auslöser

42

3.2

Phase II – Mobbing beginnt

44

3.3

Phase III, IV, V – Einschaltung der Personalvertretung, stigmatisierende Diagnosen und das traurige Ende

46

3.4 4.

5.

Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem Mobbing-Report zu den Phasen des Mobbingprozesses 47

FOLGEN VON MOBBING

51

4.1

Folgen von Mobbing für den Betroffenen

51

4.2

Folgen von Mobbing für den Arbeitgeber, volkswirtschaftliche Folgen

54

MOBBINGPRÄVENTION UND -INTERVENTION 5.1

Präventionsmaßnahmen

C.

RECHTSDOGMATISCHE ASPEKTE

1.

VÖLKERRECHTLICHE EBENE

55 55

5.2 Interventionsmaßnahmen 5.2.1 Betriebliche Intervention 5.2.2 Individuelle Intervention

2.

41

58 58 60

63

1.1

Die Europäische Menschenrechtskonvention

63

1.2

Die Europäische Sozialcharta 1961

64

1.3

Sonstige internationale Verträge im Zusammenhang mit sozialen Grundrechten 66

UNIONSRECHTLICHE EBENE

67

2.1

Primärrecht – Schutz vor Diskriminierungen

2.2

Genauere Betrachtung der Grundrechte der GRC im Zusammenhang mit Mobbing

67 71

2.3 Sekundärrecht 75 2.3.1 Richtlinien im Zusammenhang mit Gesundheits- und Diskriminierungsschutz 75 2.3.2 Unverbindliche Rechtsakte der Organe der Union hinsichtlich Mobbing, Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz 77 2.4

Spezialisierte europäische Einrichtungen und Agenturen auf dem Gebiet Gesundheit am Arbeitsplatz X

79

3.

RECHTLICHE BEWÄLTIGUNG VON MOBBING AUF NATIONALER EBENE – PRIVATES ARBEITSRECHT

82

3.1

Einleitung

82

3.2

Verfassungsrechtliche Vorgaben

84

3.3

Vertragliche Ansprüche des Opfers im Bereich des privaten Arbeitsrechts gegenüber dem Arbeitgeber bei Mobbing durch Kollegen 3.3.1 Grundlage sämtlicher Ansprüche des Arbeitnehmers - die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 3.3.2 Rechtliche Möglichkeiten des Arbeitnehmers im Detail 3.3.3 Nähere Betrachtung der möglichen Austrittsgründe bei Mobbing Sonderform: Bossing – Mobbinghandlungen des Arbeitgebers in Rechtsinstrumente gekleidet 3.4.1 Rechtliche Möglichkeiten gegen eine als Mobbinghandlung missbrauchte Weisung 3.4.2 Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Versetzung als Mobbinginstrument 3.4.3 Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Kündigung als Mobbingmittel 3.4.4 Rechtliche Möglichkeiten gegen eine rechtsmissbräuchliche Entlassung

86 86 88 91

3.4

93 93 94 97 100

3.5 Vertragliche Schadenersatzansprüche 3.5.1 Prüfung der Voraussetzungen unter besonderer Bedachtnahme auf mobbingspezifische Problemstellungen 3.5.2 Arten des Schadenersatzes und gerichtliche Geltendmachung

102

3.6 Ansprüche nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 3.6.1 Allgemeines 3.6.2 Pflichten nach dem ASchG und Folgen einer Pflichtverletzung 3.6.3 Durchsetzbare Ansprüche der Arbeitnehmer 3.6.4 Anwendung auf Mobbing?

110 110 112 113 114

3.7 Schutz durch das GlBG 3.7.1 Allgemeines 3.7.2 Die neuen, geschützten Merkmale gemäß § 17 GlBG 3.7.3 Belästigung gemäß §§ 6, 7, 21 GlBG und Mobbing 3.7.4 Rechtsfolgen einer Diskriminierung gemäß §§ 12, 26 GlBG 3.7.5 Besonderheiten bei der Geltendmachung 3.7.6 Institutionen 3.7.7 Kritische Anmerkungen

116 116 117 120 123 124 125 128

3.8 Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierungen 3.8.1 Allgemeines 3.8.2 Besonderheiten im Vergleich zum GlBG 3.8.4 Institutionen

129 129 130 132

3.9 Rechtliche Folgen von Mobbing für die Betroffenen 3.9.1 Mobbing und Krankenstand 3.9.2 Mobbing und Abfertigung 3.9.3 Mobbing und Arbeitslosigkeit 3.9.4 Mobbing und vorzeitiger Eintritt in den Ruhestand

133 134 136 137 138

3.10 Rechtliche Folgen für den Täter aus dem Arbeitsverhältnis 3.10.1 Pflichten des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit Mobbing 3.10.2 Folgen für den Täter aus dem AngG / GewO 1859

141 141 142

XI

102 107

3.10.3 3.10.4 4.

Besondere Betrachtung der Entlassungsgründe im Zusammenhang mit Mobbing Sonstige Rechtsfolgen

145 146

BESONDERE BETRACHTUNG DES ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHTS – ANSPRÜCHE DES MOBBINGOPFERS 147 4.1

Ansprüche des Beamten gegenüber dem Dienstgeber bei Mobbing durch Kollegen 4.1.1 Allgemeine Dienstpflichten gemäß § 43 BDG 4.1.2 Besondere Dienstpflichten gemäß § 43a BDG – Achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot) 4.1.3 Dienstpflichten des Vorgesetzten gemäß § 45 BDG bei Mobbing durch Kollegen und Folgen einer Pflichtverletzung 4.1.4 Unterstützung auf Dienstnehmerseite - die Organe der Personalvertretung 4.1.5 Rechtliche Möglichkeiten des Beamten im Detail

Sonderfall Bossing - Als Mobbinghandlungen missbrauchte Rechtsinstrumente im Anwendungsbereich des BDG 4.2.1 Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Weisung gemäß § 45 BDG 4.2.2 Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Versetzung gemäß § 38 BDG und gemäß § 40 Abs 2 iVm § 38 BDG 4.2.3 Rechtliche Möglichkeiten gegen sonstige spezifische aus dem BDG resultierende Mobbinghandlungen

148 148 149 150 151 153

4.2

4.3 4.4

160 160

Besonderheiten bei den Ansprüchen des Vertragsbediensteten gegenüber dem Dienstgeber bei Mobbing durch Kollegen

164

4.5

Sonderfall Bossing - Als Mobbinghandlungen missbrauchte Rechtsinstrumente im Anwendungsbereich des VBG 166

4.6

Ansprüche öffentlicher Bediensteter nach dem Bundes-Bedienstetenschutzgesetz 168 169 169 170 172 175

BESONDERE BETRACHTUNG DES ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHTS – FOLGEN FÜR DAS MOBBINGOPFER 177 5.1 5.2

6.

157

Besonderheiten bei Schadenersatzansprüchen des Beamten gegenüber dem Dienstgeber

4.7 Besonderheiten in Bezug auf den Diskriminierungsschutz 4.7.1 Allgemeines zum B-GlBG 4.7.2 Besonderheiten im Zusammenhang mit den Diskriminierungstatbeständen des B-GlBG und des BEinstG 4.7.3 Besonderes bei der Geltendmachung von Ansprüchen bei Beamten 4.7.4 Institutionen 5.

155 155

Rechtliche Folgen von Mobbing für den Betroffenen im Anwendungsbereich des BDG

177

Rechtliche Folgen von Mobbing für den Betroffenen im Anwendungsbereich des VBG

183

GENAUERE BETRACHTUNG VON AUSGLIEDERUNGEN 6.1

Europarechtliche Vorgaben

185 185

6.2 Dienstrecht und Ausgliederung 6.2.1 Die Personalüberleitung von Beamten XII

186 187

6.2.2

7.

Die Personalüberleitung von Vertragsbediensteten

6.3

Realität bei Ausgliederungen

189

6.4

Judikatur im Zusammenhang mit Mobbing in ausgegliederten Einrichtungen

191

BESONDERE BETRACHTUNG DES ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHTS – FOLGEN FÜR DIE MOBBENDE PERSON 192 7.1 Mögliche rechtliche Folgen für den Täter als Beamter im Sinne des BDG 7.1.1 Dienstpflichten des Beamten 7.1.2 Mögliche Folgen einer Dienstpflichtverletzung 7.1.3 Genauere Betrachtung des Disziplinarverfahrens – Zuständigkeit gemäß §§ 96 – 104 BDG 7.1.4 Das Disziplinarverfahren – Verlauf gemäß §§ 105-135 BDG 7.1.5 Verfahren 7.1.6 Die einzelnen Disziplinarstrafen gemäß §§ 92 ff BDG mit Beispielen aus der Judikatur 7.1.7 Mögliche Folgen einer Disziplinarstrafe 7.1.8 Sichernde Maßnahmen – die Suspendierung gemäß § 112 BDG 7.2

8.

192 192 193 196 198 199 201 203 204

Besonderheiten bei den rechtlichen Folgen für die mobbende Person im Anwendungsbereich des VBG

206

GEGENÜBERSTELLUNG DER REGELUNGEN DES ARBEITSRECHTS MIT DEM ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHT

208

8.1

9.

188

Allgemeines

208

8.2 Möglichkeiten und Folgen für das Opfer 8.2.1 Möglichkeiten für das Opfer aufgrund von § 43a BDG, § 5 VBG iVm § 43a BDG 8.2.2 Sonstige Unterschiede resultierend aus der Verschiedenheit der Dienstrechtssysteme 8.2.3 Ansprüche nach dem GlBG bzw dem B-GlBG 8.2.4 Bedienstetenschutz bzw ArbeitnehmerInnenschutz

212 214 218

8.3

219

Folgen für den Täter – Gegenüberstellung der Judikatur

RECHTLICHE ANSPRUCHSGRUNDLAGEN FÜR DAS OPFER UND FOLGEN FÜR DEN TÄTER UNMITTELBAR AUS DEM GESETZ (UNABHÄNGIG VON DER ART DES DIENSTVERHÄLTNISSES)

211 211

220

9.1 Schutz durch das Strafgesetzbuch 9.1.1 Mobbinghandlungen als Tatbestände des StGB 9.1.2 Ansprüche des Opfers 9.1.3 Mögliche Folgen für den unmittelbaren Täter 9.1.4 Strafbarkeit der Beitragstäter

220 220 224 225 226

9.2

Deliktische Schadenersatzansprüche gemäß §§ 1293 ff ABGB

227

9.3

Sicherungsansprüche gemäß § 381 Z 2 und § 382e EO und Mobbing

233

10. KRITISCHE ANMERKUNGEN ZUM BERICHT DER BUNDESREGIERUNG ZUM BESTAND AN REGELUNGEN GEGEN MOBBING 234 10.1

Statuierung eines Mobbingverbots

234

10.2

Fürsorgepflicht und Mobbing

235 XIII

10.3

Spezielle Gesetze und Mobbing

236

11. EXKURS – AUSSCHNITT AUS DEM ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHT DER UNION

237

11.1

Allgemeines

237

11.2

Pflichten des europäischen Beamten gemäß Art 11 ff BSt und der sonstigen Bediensteten

238

11.3

Pflichten der Anstellungsbehörden gemäß Art 24 BSt

239

11.4

Formelles Verfahren bei Mobbing – Rechte des Opfers

240

11.5

Disziplinarverfahren – Folgen für den Täter

242

12. MOBBING – PRÄVENTION (rechtliche Grundlagen)

243

12.1

Unionsrechtliche Ebene - Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz und die österreichische Umsetzung 244

12.2

Präventionsmaßnahmen im privaten Arbeitsrecht

12.3 Präventionsmaßnahmen im öffentlichen Dienst 12.3.1 Gesetzlich angeordnete Präventionsmaßnahmen im öffentlichen Dienstrecht 12.3.2 Frauenförderungspläne der Bundesminister gemäß § 11a B-GlBG 12.3.3 Dienstvereinbarungen zu Mobbing im öffentlichen Dienst 12.3.4 „Fair Play“ – Beispiel für eine Dienstvereinbarung im öffentlichen Dienst 12.4

Exkurs: Präventions- und informelle Interventionsmaßnahmen innerhalb der europäischen Kommission

245 247 247 248 248 250 250

D.

JUDIKATURAUSWERTUNG

1.

AUSGEWÄHLTE ENTSCHEIDUNGEN ZUM PRIVATEN ARBEITSRECHT 253 1.1 1.2 1.3

1.4 1.5 1.6 2.

OGH 17. 10. 2002, 8 ObA 196/02k – ungerechtfertigte Entlassung wegen Vorwurf von Mobbing

253

OGH 22. 02. 2006, 9 ObA 42/05z - berechtigter Austritt aufgrund einer Ehrverletzung hinsichtlich der Herkunft

254

LG Salzburg 14. 07. 2006, 18 Cga 120/05t und 18 Cga 121/05i - ideeller Schadenersatz aufgrund von Belästigungen wegen der sexuellen Orientierung durch Kollegen

256

OGH 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x – ideeller Schadenersatz aufgrund von geschlechtsbezogener Belästigung

257

ASG Wien 09. 03. 2009, 34 Cga 84/08h – ungerechtfertigter Vorwurf von Mobbing

259

OGH 28. 06. 2011, 9 ObA 132/10t – Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Fürsorgepflicht bei Mobbing

261

ENTSCHEIDUNGEN IM ZUSAMMENHANG MIT MOBBING UND DEM ÖFFENTLICHRECHTLICHEN DIENSTVERHÄLTNIS ZUM BUND 2.1

OGH 29. 01. 2002, 1 Ob 12/02z – Amtshaftungsklage – Mobbing verneint XIV

262 262

2.2

VwGH 04. 09. 2003, 2000/09/0152 – Disziplinarverfahren aufgrund von Mobbing

264

OGH 08. 09. 2009, 1 Ob 153/09w – berechtigte Amtshaftungsansprüche bei Verletzung der Fürsorgepflicht

265

VwGH 12. 05. 2010, 2009/12/0072 – Dienstunfähigkeit wegen Mobbing – amtswegige Versetzung in den Ruhestand

267

ENTSCHEIDUNGEN ZU MOBBING IM ZUSAMMENHANG MIT EINEM PRIVATRECHTLICHEN DIENSTVERHÄLTNIS ZUM BUND

270

2.3 2.4 3.

3.1 3.2 3.3 4.

LG St. Pölten 02. 07. 1998, 30 Cga 83/97m – berechtigter Austritt aufgrund von Mobbing

270

OGH 26. 08. 2004, 8 ObA 3/04f – Verletzung der Fürsorgepflicht bei Belästigung

271

OGH 02. 04. 2009, 8 ObA 8/09y – Anwendungsfall des BEinstG

272

AUSGEWÄHLTE URTEILE DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION 274 4.1

EuGöD 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA

274

4.2

EuGöD 02. 12. 2008, F-15/07, K/Parlament

277

4.3 EuGöD 09. 12. 2008, F-52/05 ABl C 2009/102, 28, Q/Kommission 4.3.1 Entscheidung erster Instanz 4.3.2 Rechtsmittelentscheidung EuG 12. 07. 2011, T-80/09 P, Kommission/Q

280 280 284

4.4

EuGöD 09. 03. 2010, F-26/09, N/Parlament

286

4.5

EuGöD 08. 02. 2011, F-95/09, Skareby/Kommission

289

E.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

292

F

ANHANG

299

XV

XVI

Abkürzungsverzeichnis aA ABGB AEUV

= anderer Ansicht = Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 946 = Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ABl C 2010/83, 47 AK = Arbeiterkammer AlVG = Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl 1977/609 Ang = Angestellte, -r AngG = Angestelltengesetz BGBl 1921/292 APG = Allgemeines Pensionsgesetz BGBl I 2004/142 zuletzt geändert durch BGBl I 2005/132 ArbIG = Arbeitsinspektionsgesetz 1993 BGBl 1993/27 zuletzt geändert durch BGBl 1995/871 ArbVG = Arbeitsverfassungsgesetz BGBl 1974/22 zuletzt geändert durch BGBl 1996/601 ARD = ARD-Betriebsdienst Art = Artikel ASchG = ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl 1994/450 ASG = Arbeits- und Sozialgericht AsoK = Arbeits- und Sozialrechtskartei ASVG = Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 AVG = Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 BGBl 1991/51 AVRAG = Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz BGBl 1993/459 BBG = Bundesbehindertengesetz BGBl 1990/283 B-BSG = Bundes-Bedienstetenschutzgesetz BGBl I 1999/70 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/131 BDG = Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BGBl 1979/333 zuletzt geändert durch BGBl I 2009/153 BEinstG = Behinderteneinstellungsgesetz BGBl 1970/22 zuletzt geändert durch BGBl I 1999/194 B-GBK = Bundes-Gleichbehandlungskommission B-GlBG = Bundes-Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1993/100 zuletzt geändert durch BGBl I 2011/6 BGStG = Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz BGBl I 2005/82 zuletzt geändert durch BGBl I 2010/62 B-KUVG = Beamten- Kranken und Unfallversicherungsgesetz BGBl 1967/200 BMASK = Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz BMF = Bundesministerium für Finanzen BMSVG = Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgesetz BGBl I 2002/100 zuletzt geändert durch BGBl I 2007/102. BsB = Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten Gemeinschaften BSt = Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften BUSINESSEUROPE = the Confederation of European Business B-VG = Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1 bzw = beziehungsweise CEEP = European centre of enterprises with public participation and of enterprises of general economic interest DOK = Disziplinaroberkommission Dpfl = Dienstpflicht XVII

DRdA DVG EAG EFZG EGKS EMEA EMRK Entschl EO ERO ESC ESVG95 etc ETUC EuG EuGH EuGöD EU-OSHA EuR Eurofound EUV EWCO EWG FRA FS GASP GAW GBK GBK/GAW-Gesetz

GehG GewO 1859 GlBG GÖD GRC hA HausbG hM IBG inkl iRd iSd IV

= Das Recht der Arbeit = Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 BGBl 1984/29 = Europäische Atomgemeinschaft = Entgeltfortzahlungsgesetz BGBl 1974/399 = Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl = Europäische Arzneimittel-Agentur = Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210 = Entschließung = Exekutionsordnung RGBl 1896/79 zuletzt geändert durch BGBl I 2005/68 = Europäische Beobachtungsstelle für Risiken = Europäische Sozialcharta BGBl 1994/924 = Europäisches System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung = et cetera = European trade Union confederation = Gericht erster Instanz = Europäischer Gerichtshof = Gericht für den öffentlichen Dienst = Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz = Schriften zum Europäischen Recht = Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen = Unionsvertrag ABl C 2010/83, 47 = Europäische Beobachtungsstelle für die Entwicklung der Arbeitsbedingungen = Europäische Wirtschaftsgemeinschaft = Europäische Agentur für Grundrechte = Festschrift = Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik = Gleichbehandlungsanwaltschaft = Gleichbehandlungskommission = BG über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft BGBl 1979/108 zuletzt geändert durch BGBl I 2008/98 = Gehaltsgesetz 1956 BGBl 1956/54 = Gewerbeordnung 1859 RGBl 1859/227 = Gleichbehandlungsgesetz BGBl I 2004/66 zuletzt geändert durch BGBl I 2008/98 = Gewerkschaft öffentlicher Dienst = Charta der Grundrechte der Europäischen Union Charta ABl C 2000/364, 1 = herrschende Ansicht = Hausbesorgergesetz BGBl 1970/16 zuletzt geändert durch BGBl 1983/81 = herrschende Meinung = Institut für humanökologische Unternehmensführung = inklusive = im Rahmen der = im Sinne des/der = Industriellen Vereinigung XVIII

JBl LG LIPT mE MSchG OECD OG ÖGB OGH ÖJZ OLG ÖZPR PG 1965 PVAK PVG rev. ESC Rsp RStDG S StGB StGG StPO stRsp ua UEAPME UG ÜHG Union uU VB VBG VBO VfGH vgl VKG VÖWG VwGH WK WKÖ ZAS ZBJI zzgl

= Juristische Blätter = Landesgericht = Leymann Inventory of Psychological Terrorization = meines Erachtens = Mutterschutzgesetz BGBl 1979/221 zuletzt geändert durch BGBl I 2004/64 = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung = Offene Gesellschaft = Österreichischer Gewerkschaftsbund = Oberster Gerichtshof = Österreichische Juristenzeitung = Oberlandesgericht = Österreichische Zeitschrift für Pflegerecht = Pensionsgesetz 1965 BGBl 1965/340 zuletzt geändert durch BGBl 2010/62 = Personalvertretungsaufsichtskommission = Bundes-Personalvertretungsgesetz BGBl 1967/133 zuletzt geändert durch BGBl I 2009/77 = Europäische Sozialcharta (revidiert) BGBl III 2011/112 = Rechtsprechung = Richter und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz BGBL 1961/305 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/130 = Seite = Strafgesetzbuch BGBl 1974/69 = Staatsgrundgesetz RGBl 1867/42 zuletzt geändert durch BGBl 1920/1 = Strafprozessordnung 1975 BGBl 1975/631 zuletzt geändert durch BGBl I 2007/19 = ständige Rechtsprechung = unter anderem = European Association of Craft Small and Medium-Sized Enterprises = Universitätsgesetz 2002 BGBl I 2002/120 = Überbrückungshilfegesetz BGBl 1963/174 zuletzt geändert durch BGBl I 1997/47 = Europäische Union = unter Umständen = Vertragsbedienstete, -r = Vertragsbedienstetengesetz 1948 BGBl 1948/86 zuletzt geändert durch BGBl I 2010/111 = Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 LGBl 1995/50 = Verfassungsgerichtshof = vergleiche = Väter-Karenzgesetz BGBl 1989/651 zuletzt geändert durch BGBl I 2004/64 = Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs = Verwaltungsgerichtshof = Wiener Kommentar = Wirtschaftskammer Österreich = Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht = Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres = zuzüglich XIX

XX

A.

ZUM GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG

1.

EINLEITUNG

1.1

Problemstellung

„Gezielter Psychoterror am Arbeitsplatz“ 1 - wahrscheinlich seit jeher vorhanden - wurde in den späten 80er Jahren das erste Mal von Heinz Leymann unter der Bezeichnung „Mobbing“ zum wissenschaftlichen Untersuchungsobjekt gemacht. 2 Leymann hat mit seiner Arbeit nahezu eine Welle an wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit diesem Thema ausgelöst und damit wesentlich zur Sensibilisierung dieses Problems beigetragen. 3 Dass die Auswirkungen von Mobbing ins Unermessliche gehen, ist inzwischen allgemein anerkannt und – soweit überhaupt messbar – durch Studien belegt. 4 Seit dem Ende der 90er Jahre hat sich auch die Judikatur in Einzelfragen mit Mobbing beschäftigt. 5 In der Folge gab es auch mehrere Bestrebungen zu einem Anti-Mobbing-Gesetz. 6 Im Jahr 2010 wurde erstmals im Bereich des öffentlichen Dienstrechts des Bundes ein Mobbingverbot gesetzlich verankert, wobei man sich einer gesetzlichen Definition von Mobbing enthielt. Für das private Arbeitsrecht fehlt eine derartige Bestimmung. Die Notwendigkeit eines Anti-MobbingGesetzes wurde von der Bundesregierung im Sommer 2011 mit Hinweis auf eine Reihe von dem Opfer zur Verfügung stehenden rechtlichen Abhilfen negiert. 7 Für Bedienstete der Europäischen Union wurden bereits im Jahr 2004 eine Definition von Mobbing und die

Kolodej, Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung2 (2005), 21. Vgl Smutny/Hopf, Ausgemobbt! Wirksame Reaktionen gegen Mobbing (2003), 19. 3 Vgl Leymann, Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann (1993) Esser/Wolmerath/Niedl, Mobbing – Ein Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung (1999) Binder, Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht (1999); Kolodej, Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung1 (1999); Zuschlag, Mobbing – Schikane am Arbeitsplatz3 (2001); Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing – Treibjagd am Arbeitsplatz2 (2002); Vgl Smutny/Hopf, Ausgemobbt ua. 4 Vgl Leymann, Mobbing 65 ff; Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz – Eine empirische Analyse zum Phänomen sowie zu personalwirtschaftlich relevanten Effekten von systematischen Feindseligkeiten (1995) 202 ff; Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report – Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland6 (2005) 76 ff; Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing – und was öffentliche Organisationen dagegen tun können I (2009) 13 ff. 5 Vgl zB OGH 29. 01. 2002, 1 Ob 12/02, zur Frage der Zulässigkeit einer Entlassung beim Vorwurf von Mobbing; 17. 10. 2002, 8 ObA 196/02k, Amtshaftungsansprüche bei Mobbing; 28. 06. 2011, 9 ObA 132/10t, Schadenersatzansprüche wegen Mobbing; LG St. Pölten 02. 07. 1998, 30 Cga 83/97m, zur Frage der Berechtigung eines Austritts bei Mobbing; ASG Wien 09. 03. 2009, 34 Cga 84/08h, Schadenersatzansprüche wegen Mobbing; VwGH 04. 09. 2003, 2000/09/0152, zur Frage der Höhe der Disziplinarstrafe bei Mobbing. 6 Vgl Brauer/Rattey/Weiß/Hinterseer, AK fordert eigenes Anti-Mobbing Gesetz, transparent 2/2006, 4 http://www.ak-salzburg.at/online/transparent-nr-22006-28034.html (17. 07. 2009); http://www.news.at/articles/0806/10/196923/spoe-anti-mobbing-gesetz-verankerung-strafrecht (17. 07. 2009); http://www.antimobbinggesetz-buergerinitiative.at/ (17. 07. 2009). 7 Vgl B III-253 BlgBReg 24. GP 17. 1 2

1

Statuierung eines Mobbingverbots im öffentlichen Dienstrecht verankert. 8 Dieses sieht, unabhängig

von

der

Art

des

Dienstverhältnisses,

ein

zwingend

vorgeschaltenes

außergerichtliches Verfahren bei der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund von Mobbing vor. 9 1.2

Methodische Vorbemerkung

Das Arbeitsverhältnis zu einem privaten Arbeitgeber unterscheidet sich in seiner Ausgestaltung und seinem Sinn und Zweck in wesentlichen Aspekten von einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft. 10 Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob sich diese Unterschiede auch auf die Ursachen, die Auftretungshäufigkeit und die Folgen von Mobbing auswirken. Im Hinblick auf unsichere Jobaussichten und hohen Arbeitsdruck in der Privatwirtschaft scheint die Tätigkeit für Bedienstete einer Gebietskörperschaft, insbesondere für pragmatisierte Beamte, einige Vorteile zu bieten, welche in einer hohen Arbeitszufriedenheit und einer geringen Mobbingrate resultieren sollten. - Ein Trugschluss?

In der Literatur gibt es bereits eine Fülle von Abhandlungen über die rechtlichen Möglichkeiten im privaten Arbeitsrecht bei Mobbing auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, während das öffentliche Dienstrecht in diesem Zusammenhang bis dato eher vernachlässigt wurde. 11 Vereinzelt finden sich Entscheidungen in der Judikatur, welche sich auch mit der Problematik der Ausgliederung beschäftigten. 12 Eine Betrachtung der Rechtslage im Bereich des öffentlichen Dienstes scheint insbesondere bei Beamten interessant, zumal ihr Dienstverhältnis im Hinblick auf die Unkündbarkeit, die gesetzlich konkret ausformulierten Dienstpflichten,

die

Geltendmachung

der

Ansprüche

im

Dienstweg

und

das

Disziplinarverfahren, aber auch im Hinblick auf das gesetzlich statuierte Mobbingverbot im starken Kontrast zum privaten Arbeitsverhältnis steht. 13 Um die wesentlichen Unterschiede eingehend aufzuzeigen, ist es auch notwendig, die geltende Rechtslage im privaten Arbeitsrecht darzustellen.

Vgl EuGöD 09. 12. 2008, F-52/05, Q/Kommission, Rz 2 ff. Vgl Karpenstein in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union (2009) Art 236 EGV Rz 12 ff (www.lexisnexis.com). 10 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst (2006) 523 ff; Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 (2012) 71 ff. 11 Vgl Binder, Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht 30 ff; Rauch, Arbeitsrechtliche Folgen von Mobbing – Berechtigter vorzeitiger Austritt und Anspruch auf Schadenersatz, ASoK 2007, 373 ff; Smutny/Hopf, Ausgemobbt 17 ff. Smutny/Hopf, Mobbing – auf dem Weg zum Rechtsbegriff? Eine Bestandsaufnahme, DRdA 2003, 110 ff, Majoros, Mobbing, Belästigung und andere unerwünschte Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Arbeits- und Schadenersatzrechtliche Ansprüche (2009) ua. 12 Vgl OGH 26. 08. 2004, 8 ObA 3/04f; 23. 11. 2010, 1 Ob 180/10t. 13 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 523. 8 9

2

Der Umgang mit der Mobbingproblematik ist für die Mitarbeiter der Europäischen Union wesentlich konkreter gesetzlich ausgestaltet als in Österreich. Zudem wurde ein eigenes Gericht eingerichtet, welches ausschließlich für die Streitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Bediensteten zuständig ist. 14 Im Folgenden soll untersucht werden, ob sich Österreich daran ein Vorbild nehmen sollte. Anhand der Darstellung des Rechtsbestandes soll auch die Ansicht der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vom Sommer 2011, in welcher der Bedarf einer weiteren gesetzlichen Ausgestaltung im Zusammenhang mit Mobbing verneint wurde, 15 einer

- insbesondere im Hinblick auf die praktische Anwendung -

kritischen Betrachtung unterzogen werden.

Geklärt werden sämtliche Fragen nicht nur aufgrund einer rechtsdogmatisch und rechtspsychologischen

Analyse,

sondern

auch

anhand

von

Fällen

der

Disziplinaroberkommission, ausgewählter Urteile des Obersten Gerichtshofes, im Folgenden OGH, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, im Folgenden VwGH, und Urteile des Europäischen Gerichts für den öffentlichen Dienst, im Folgenden EuGöD, welche jeweils einer genauen Analyse unterzogen werden. 1.3

Skizze

Der erste Abschnitt der Arbeit bietet eine allgemeine Einführung in die Themen „Mobbing“, „öffentlicher Dienst“ und „Europäische Union“.

Im zweiten Abschnitt wird die Mobbingproblematik einer genaueren Untersuchung unterzogen. In diesem Zusammenhang sollen Auftretungshäufigkeit, Ursachen, Phasen des Mobbingprozesses, Folgen sowie nichtrechtliche Präventions- und Interventionsmaßnahmen dargestellt werden. Hinsichtlich der einzelnen Punkte soll immer ein Konnex zum öffentlichen Dienst hergestellt bzw Unterschiede zur Privatwirtschaft aufgezeigt werden. Untermauert werden die Ergebnisse von statistischen Auswertungen, welche bis dato in Europa zu diesem Thema veröffentlicht wurden. In Österreich wurden bisher zwei Studien zum Thema Mobbing veröffentlicht, welche allerdings nur Ergebnisse zu einzelnen Fragenkomplexen präsentieren. 16 Aus diesem Grund werden in der folgenden Arbeit Vgl Reithmann, Die Rechtsprechung des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union 2006 und in der ersten Jahreshälfte 2007, EuR 2008, 0270. 15 Vgl B III-253 BlgBReg 24. GP 17. 16 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 87 ff; Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 1 ff. 14

3

überwiegend die Ergebnisse der Repräsentativstudie der Bundesrepublik Deutschland, die im Jahr 2002 unter dem Titel „der Mobbing-Report“ publiziert wurde, zur Veranschaulichung herangezogen. Zumal Deutschland hinsichtlich der Rechtslage 17 und der ökonomischen Rahmenbedingungen durchaus mit Österreich vergleichbar ist, scheint ein Zugriff auf diese Ergebnisse möglich.

Im dritten Teil der Arbeit folgt dann eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen zum Thema Mobbing auf der Interventions- und der Präventionsebene. In diesem Zusammenhang werden auch das internationale Recht und das Unionsrecht dargestellt. Im Mittelpunkt stehen aber natürlich die Ansprüche und Folgen des Opfers sowie die möglichen Folgen für den Täter aus dem privaten Arbeitsverhältnis und dem öffentlichen Dienst. Dabei werden einerseits Mobbing als Prozess und anderseits einzelne Mobbinghandlungen auf ihre Rechtswidrigkeit untersucht. Zumal die möglichen rechtlichen Folgen des Opfers in der bisherigen Literatur nicht behandelt wurden, wird im Folgenden auch auf diese ein Augenmerk gelegt. Ein Exkurs wird auch in das Dienstrecht der Bediensteten der Europäischen Union gemacht.

Der vierte Teil der Arbeit ist der Analyse der Judikatur gewidmet. 2.

EINFÜHRUNG IN DEN THEMENKOMPLEX MOBBING

2.1

Etymologie – Einzug in die (europäische) Wissenschaft

Das Wort „Mobbing“ stammt aus dem Englischen. „To mob“ heißt „über jemanden herfallen“. Das Nomen „the mob“ bedeutet „das Gesindel“, „der Pöbel“. 18 Ursprünglich leitet sich der Begriff

vom

Volksmenge“

Lateinischen übersetzt

„mobile

werden.

19

vulgus“ Im

ab

und

Schwedischen

kann

mit

bedeutet

„unbeständiger der

Begriff

„Mobbning“ Schikane. 20

Im deutschen Sprachgebrauch finden sich als Synonyme für Mobbing auch „BüroTerror“ und „Krieg/Terror am Arbeitsplatz“. Im englischen Sprachraum wird in diesem

Vgl Wickler (Hrsg), Handbuch Mobbing-Rechtsschutz (2004) 1 ff. Messinger/Muret, Langenscheidt Großwörterbuch Englisch I (2001) 726. 19 Alsleben/Wermke, Duden - das Herkunftswörterbuch4 (2007) 534. 20 Vgl Berglund/Lindestam, Norstedts svensk–tyska ordbok2 (1996) 363; ich danke o. Univ. Prof. Wolfgang Mazal für den Hinweis im Rahmen des Feedback-Gesprächs am 13. 02. 2012. 17 18

4

Zusammenhang der Begriff „bullying“, aber auch „(sexual) harassment“ und „(employee) abuse“ verwendet. 21 Mobbing, das vom Vorgesetzten ausgeht, wird als „Bossing“ bezeichnet. 22 Die umgekehrte Konstellation,

ausgehend

„Staffing“ genannt.

vom

Untergebenen

gegenüber

der

Führungskraft,

wird

23

Der Begriff „Mob“ trat erstmals Anfang der 20er Jahre in der Wissenschaft auf. 24 Er wurde in der Sozialpsychologie dazu verwendet, die unterste Stufe der Gesellschaftshierarchie zu bezeichnen. 25 Das Wort „Mobbing“ wurde das erste Mal vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz im Jahr 1958 gebraucht. 26 Er verwendete es als englische Übersetzung für den psychologischen Vorgang des „Hassen auf“. Damit beschrieb er den Angriff einer Gruppe von schwächeren Wesen (Gänsen) zu deren Schutz gegen ein stärkeres Tier (Fuchs). 27 Der schwedische Arzt Peter-Paul Heinemann übertrug in den 70er Jahren den Begriff auf menschliche Beziehungen und bezeichnete mit „Mobbing“ die Gruppengewalt unter Kindern. 28 Mit dem Sozialwissenschafter Dan Olweus wurde unter dem Terminus fortan nicht nur Gruppen-, sondern auch Individualgewalt subsumiert.

29

Der norwegische

Organisationspsychologe Svein Kile war der Erste, der mit „Mobbing“ Konflikte im Arbeitsleben bezeichnete. 30 Heinz Leymann hat Mobbing am Arbeitsplatz schlussendlich zum wissenschaftlichen Forschungsobjekt gemacht. Als Forschungsleiter des schwedischen Reichsinstituts für Arbeitswissenschaften veröffentlichte er im Jahr 1989 eine empirische Studie über Mobbing am Arbeitsplatz. Dadurch wurde eine breite Mediendiskussion zu diesem Thema ausgelöst, die bis heute anhält. Seine Arbeit bildete und bildet nach wie vor die Ausgangsbasis für die meisten empirischen Untersuchungen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen zu diesem Thema in ganz Europa. 31

Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 11; Nestler, Mobbing am Arbeitsplatz – Erkennen, Handeln, Reagieren (2001) 15. 22 Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 12. 23 Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (112); http://www.fairnessstiftung.de/Staffing.htm (01. 05. 2008). 24 Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 12. 25 Alsleben/Wermke, Duden - das Herkunftswörterbuch4 534. 26 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 12; Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (112); Smutny/Hopf, Ausgemobbt 19; Nestler, Mobbing am Arbeitsplatz 15. 27 Lorenz/Martys, Hier bin ich – wo bist du? Ethologie der Graugans (1988) 194. 28 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 11; Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (112); Smutny/Hopf, Ausgemobbt 19; Nestler, Mobbing am Arbeitsplatz 15. 29 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 13. 30 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 16. 31 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 16; Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (112); Smutny/Hopf, Ausgemobbt 19; Nestler, Mobbing am Arbeitsplatz 15. 21

5

2.2

Definitionen von Mobbing in der Literatur

Mobbing ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht gesetzlich definiert. Es gibt auch keine einheitliche Begriffsklärung von Mobbing. 32 Leymann beschrieb Mobbing im Jahr 1993 als „negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen.“ 33 Mobbing sei dann gegeben, wenn „eine oder mehrere von 45 genau beschriebenen Handlungen über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen“.

34

Für Leymann sind die wesentlichen Merkmale von Mobbing

„Konfrontation, Belästigung, Nichtachtung der Persönlichkeit und Häufigkeit der Angriffe über einen längeren Zeitraum hinweg“. 35 Als Kritikpunkt wurde angebracht, dass durch Leymanns Einschränkung der Mobbingaktivitäten auf 45 spezifische Handlungen so mancher Fall

von

Psychoterror

am

Arbeitsplatz

aus

der

Definition

falle.

Eine

direkte

Gewaltanwendung könne nur schwer darunter subsumiert werden. 36 Die Einschränkung auf kommunikative Handlungen wurde weiters als zu eng gesehen, weil zB die Aufforderung, stupide Arbeiten zu verrichten, aus dem Begriff herausfallen würde. 37 Auch die strikte zeitliche Mindestdauer und Mindesthäufigkeit wurden bekrittelt. Es sei unklar, wann Mobbing überhaupt beginne, weiters würde es nach dieser Definition bedeuten, dass eine Person, die nach fünf Monaten völlig entnervt kündigt, nicht als Opfer gelte. 38 Schließlich wurde auch kritisiert, dass der Aspekt der Absicht (auf Seiten des/der Mobbenden) bei Leymann zu kurz komme. 39 Klaus Niedl führte die erste österreichische empirische Untersuchung - veröffentlicht im Jahr 1995 - zum Phänomen Mobbing am Arbeitsplatz auf Basis folgender Definition durch: „Unter Mobbing am Arbeitsplatz werden Handlungen einer Gruppe oder eines Individuums verstanden, denen von einer Person, die diese Handlungen als gegen sie gerichtet wahrnimmt, ein feindseliger, demütigender oder einschüchternder Charakter zugeschrieben wird. Die Handlungen müssen häufig auftreten und über einen längeren Zeitraum andauern. Die Vgl Nestler, Mobbing am Arbeitsplatz 15. Leymann, Mobbing 21. 34 Leymann, Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann13 (2006) 22. 35 Leymann, Mobbing13 22. 36 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report 19. 37 Vgl Zapf, Mobbing in Organisationen – Überblick zum Stand der Forschung, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (3). 38 Vgl Zuschlag, Mobbing 9. 39 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 19. 32 33

6

betroffene Person muss sich zudem aufgrund wahrgenommener sozialer, ökonomischer, physischer oder psychischer Charakteristika außerstande sehen, sich zu wehren oder dieser Situation zu entkommen.“ 40 Der Aspekt des Kräfteungleichgewichts zwischen den Beteiligten ist für Niedl ein wichtiger Bestandteil des Mobbingbegriffs. 41 Im Gegensatz zu anderen Wissenschaftern 42 fallen für ihn unter den Begriff Mobbing nicht nur systematisch gesteuerte Angriffe, sondern auch unbewusst getätigte Feindseligkeiten, da seiner Meinung nach bei der Subsumtion vorwiegend auf das subjektive Erleben des Betroffenen abgestellt wird. 43

Die Ergebnisse des Mobbing-Reports basieren auf folgender Begriffklärung, die von der Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V. entwickelt und von Leymann im Jahr 1995 44 übernommen wurde: „Unter Mobbing versteht man eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und ‚Untergebenen’, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“ 45 Diese Definition von Mobbing ist in Österreich die gängigste unter allen Begriffklärungen und wird fälschlicherweise Leymann zugeordnet. Im Folgenden wird sie daher – um Irritationen zu vermeiden – auch als Leymanns Definition bezeichnet. 2.3

Definitionen von Mobbing im rechtlichen Kontext in chronologischer Reihenfolge

Im rechtlichen Kontext wurde Mobbing bereits in einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Thüringen

46

aus dem Jahr 2001 definiert, nämlich wie folgt: „Mobbing ist im

arbeitsrechtlichen Verständnis eine fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweise, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsprechung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich ist und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit

Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 23. Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 22. 42 Vgl Leymann (Hrsg), Der neue Mobbing-Bericht - Erfahrungen und Initiativen, Auswege und Hilfsangebote (1995) 18; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 19. Smutny/Hopf, Ausgemobbt 32; Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 13. 43 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 31. 44 Leymann (Hrsg), Der neue Mobbing-Bericht 18. 45 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 18. 46 LAG Thüringen 10. 04. 2001, 5 Sa 403/00. 40 41

7

verletzt. Ein vorgefasster Plan ist nicht erforderlich; ausreichend ist eine Fortsetzung des Verhaltens unter Ausnutzung der sich jeweils bietenden Gelegenheiten.“ 47

Mit 01. 05. 2004 wurde für die Bediensteten der Europäischen Union ein gesetzliches Mobbingverbot eingeführt. 48 Art 12a des Statuts der Beamten der Europäischen Union49 , im Folgenden BSt, enthält folgende Begriffsbestimmung von Mobbing: „Als Mobbing wird ungebührliches Verhalten bezeichnet, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen.“

Der OGH hat sich in seiner Entscheidung vom 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x, mit dem Begriff „Mobbing“ eingehend auseinandergesetzt und sich dabei der Definition nach Leymann bedient. 50 Das Merkmal von Mobbing ist nach Ansicht des OGH demnach „das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum“. In der Regel werde Mobbing mit Vorsatz betrieben, wobei dies noch nicht heißen soll, dass dadurch ein strafgesetzlicher Tatbestand erfüllt werde. 51 Eine Definition von Mobbing fand bisher keinen Eingang in ein österreichisches Gesetz. 52 Allerdings wurde mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2009 öffentlichen

Dienstrecht

eingeführt.

Unter

dem

53

Titel

ein „Mobbingverbot“ im „achtungsvoller

Umgang

(Mobbingverbot)“ wird die gesetzliche Pflicht normiert, einander mit „Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen“. Darüber hinaus sind „im Umgang mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend

Honsa/Paasch, Mobbing und sexuelle Belästigung im öffentlichen Dienst – Ursachen – Auswirkungen – Bekämpfungsstrategien (2004) 30. 48 VO (EG, Euratom) 2004/723 des Rates vom 22. März 2004 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften ABl L 2004/124, 1. 49 VO (EWG, Euratom, EGKS) 1968/259 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten. dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind ABl L 1968/56, 1, zuletzt geändert durch VO 2010/1080, Abl L 2010/311, 1. 50 Leymann (Hrsg), Der neue Mobbing-Bericht 18. 51 OGH 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x; vgl auch OGH 04. 08. 2009, 9 ObA 86/08z. 52 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (114). 53 2. Dienstrechts-Novelle 2009 BGBl I 2009/153. 47

8

sind“ (vgl § 43a Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

54

, im Folgenden BDG). Die

Erläuterungen 55 zur 2. Dienstrechtsnovelle 2009 verweisen hinsichtlich der Definition von Mobbing auf ein Rundschreiben 56 des Bundeskanzleramtes vom 20. 07. 2005. 57 Diese gibt die gängige Begriffsklärung nach Leymann wieder.

Die Bundesregierung hat am 28. 06. 2011 dem Nationalrat auf dessen Aufforderung einen Bericht über den Rechtsbestand an Anti-Mobbing-Regeln vorgelegt. Darin wird Mobbing als „Angriff auf die psychische und physische Gesundheit der Gemobbten durch Schikanen welcher Form auch immer - an derselben Person über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten (bei häufigem Vorkommen auch in kürzerer Zeitspanne)“ 58 verstanden. 2.4

Mobbing – Abgrenzung zu Diskriminierung und Belästigung

Eine Diskriminierung ist „eine Unterscheidung aufgrund eines gesetzlich verpönten Merkmals, die zu einer Benachteiligung eines Menschen führt“ 59 . Sie kann unmittelbar oder mittelbar

erfolgen.

60

Das

Verbot

der

Diskriminierung

findet

sich

im

Gleichbehandlungsgrundsatz, der von der Rsp entwickelt wurde, wieder. Dieser untersagt eine „Schlechterstellung einer Person aufgrund willkürlicher oder sachfremder Motive.“ 61 Das

Gleichbehandlungsgesetz,

Gleichbehandlungsgesetz,

63

62

im

Folgenden

GlBG,

sowie

das

Bundes-

im Folgenden B-GlBG, sehen einige Tatbestände zu

unrechtmäßigen Unterscheidungen, nämlich Diskriminierungen aufgrund „des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung“ vor. 64 Im Behinderteneinstellungsgesetz 65 , im Folgenden BEinstG, ist ein Verbot von Diskriminierung im Arbeitsverhältnis aufgrund einer Behinderung festgehalten (vgl §§ 7a ff BEinstG).

Das wesentliche Unterscheidungselement zwischen einer Diskriminierung und Mobbing ist der Zeitfaktor. Aus einer Diskriminierung kann sich Mobbing entwickeln, wenn jemand 54

BDG BGBl 1979/333 zuletzt geändert durch BGBl I 2009/153. Erläut RV 488 BlgNr 24.GP. 56 BKA-931.015/0002-III/7/2005. 57 Erläut RV 488 BlgNr 24.GP Art 1 Z 16. 58 B III-253 BlgBReg 24. GP 1. 59 Salinger, Antidiskriminierung – Ein Leitfaden zur Durchsetzung von Gleichbehandlung, juridikum 2007, 120 (121). 60 Vgl Salinger, juridikum 2007, 120 (121). 61 Löschnigg, Arbeitsrecht11 (2011) 392. 62 GlBG BGBl I 2004/66 zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 2011/7. 63 B-GlBG BGBl 1993/100 zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 2011/6. 64 Siehe Näheres bei Hopf, Belästigung in der Arbeitswelt, in FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 150f. 65 BEinstG BGBl 1970/22 zuletzt geändert durch BGBl I 1999/194. 55

9

gezielt

und

über

einen

längeren

Zeitraum

hinweg

benachteiligt

wird.

Ein

Diskriminierungsgrund kann aber auch Ursache für ein Mobbingverhalten sein. Der Mobbingbegriff ist aber jedenfalls weiter zu verstehen. Er umfasst nicht nur diskriminierende Handlungen, sondern jegliche Art negativer Angriffe. 66 Eine Belästigung ist eine Form von Diskriminierung. Darunter wird „jedes unerwünschte Verhalten verstanden, das im Zusammenhang mit einem Diskriminierungsgrund steht, die Würde des betroffenen Menschen verletzt und ein demütigendes Umfeld schafft.“ 67

Allen Belästigungstatbeständen ist gemeinsam, dass sie – ganz im Gegensatz zu Mobbing – bereits durch einen Singulärakt verwirklicht werden können. Der Anwendungsbereich des Mobbingtatbestands ist dafür weiter, da er jegliche negative Angriffe umfasst und unabhängig vom Grund ist. 68 2.5 2.5.1

Auftretungshäufigkeit Ergebnisse empirischer Untersuchungen außerhalb von Österreich

Heinz Leymann führte seine größte empirische Untersuchung zum Thema Mobbing Anfang der 90er Jahre durch. Mit Hilfe des von ihm entwickelten Fragebogens, dem „Leymann Inventory of Psychological Terrorization“, im Folgenden LIPT genannt, wurden 2.500 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. Die Probanden wurden per Zufall ausgewählt. Charakteristisch für den Fragebogen ist ein Fokus auf etwaige Mobbinghandlungen, deren Ausformungen auf 45 verschiedene Möglichkeiten eingeschränkt wurden.

69

Eine

Rekonstruktion, warum es zu diesen Handlungen gekommen ist, ist aufgrund des LIPT nicht möglich. 70 Der Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass eine Person dann von Mobbing betroffen ist, wenn sie „mindestens eine feindselige Handlung mindestens einmal pro Woche und über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr erlebt hat“. 71 Das Ergebnis zeigt eine Mobbingbetroffenheit von 3,5% auf. 72 Leymanns Studie zufolge sind Frauen wie Männer gleich von Mobbing betroffen. Ebenso konnte er keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen feststellen, wobei die größte Gefährdung in der

Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 27. Salinger, juridikum 2007, 120 (121). 68 Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (148). 69 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 80. 70 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 81. 71 Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 99. 72 Vgl Leymann, Mobbing13 84. 66 67

10

Altersgruppe der 31- bis 40jährigen auszumachen ist. Prozentuell mehr Mobbingopfer finden sich im Bereich Ausbildung bzw Lehre und in der Verwaltung. 73 Zu bedenken ist bei einer Heranziehung skandinavischer Untersuchungen, dass deren Ergebnisse aufgrund anderer rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen auf österreichische Verhältnisse nicht eins zu eins übertragbar sind. 74 Im Zuge der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland wurden Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren, die in den letzten zwölf Monaten zuvor erwerbstätig gewesen waren, zum Thema Mobbing befragt. 75 Die Erhebungen setzten sich aus einer telefonischen Befragung und dem Ausfüllen standardisierter Fragebögen zusammen. Im Zuge des erstgenannten Verfahrens wurden zwischen November 2000 und Jänner 2001 4.396 Personen befragt. Unter diesen deklarierten sich 535 als Mobbingopfer. 76 Gut ein Drittel der Mobbingopfer waren bereit, in weiterer Folge einen Fragebogen mit 48 teils offenen Fragen auszufüllen. 77 Mit Hilfe von weiteren Probanden, die an der vorhergehenden Telefonumfrage nicht mitgemacht hatten, konnten schlussendlich 1.317 Fragebögen ausgewertet werden. 78 Im Ergebnis deklarierten sich 2,7% der Befragten als aktuell zum Zeitpunkt der Befragung von Mobbing betroffen. 79 Für das Jahr 2000 wurde eine Betroffenheitsquote von 5,5% ermittelt. Insgesamt gaben 11,3% an, schon mindestens einmal im Zuge ihrer Erwerbstätigkeit gemobbt worden zu sein. 80 Für Frauen besteht laut den Ergebnissen mit 12,9% ein höheres Mobbingrisiko als für Männer mit 9,6%. 81 In der Gruppe „öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung“ wurde ein überdurchschnittliches Mobbingrisiko mit einem Mobbingfaktor von 1,2 festgestellt. Die Wahrscheinlichkeit, ein Mobbingopfer innerhalb dieser Gruppe zu werden, liegt daher 1,2 Mal höher als im Durchschnitt. 82

Bei einem Vergleich der unterschiedlichen Statusgruppen ist interessant festzustellen, dass Beamte zum Zeitpunkt der Befragung am wenigsten von Mobbing betroffen waren, während sie in einer Gesamtbetrachtung, das heißt im Zusammenhang mit der Frage, ob sie mindestens Vgl Leymann, Mobbing13 85. Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 100. 75 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 9. 76 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 14. 77 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 15. 78 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 16. 79 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 23. 80 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 24. 81 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 26. 82 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 34. 73 74

11

schon einmal im Zuge der Erwerbstätigkeit gemobbt worden sind, die höchste Zahl aufwiesen. 83 Die Autoren des Mobbing-Reports erklären diese Entwicklung dahingehend, dass die Privatisierungswellen der Vergangenheit, die meist mit Umstrukturierungen und Stellenabbau verbunden gewesen sind, zu einer erhöhten Betroffenheit von Mobbing bei Beamten geführt haben könnten. 84 Die europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen wird von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einer autonomen Einrichtung der Europäischen Union, seit 1991 alle vier bis sechs Jahre durchgeführt. Zwischen September und November 2005 fand die inzwischen vierte diesbezügliche Untersuchung statt. 85 Dabei wurden fast 30.000 Beschäftigte in 31 Ländern 86 anhand eines Fragebogens in einem Interview zu ihrer Arbeitssituation befragt. Ausgewählt wurden die Probanden nach dem Zufallsprinzip. 87 5% der Befragten gaben an, in den letzten zwölf Monaten von Mobbing und/oder sexueller Belästigung betroffen gewesen zu sein, wobei Finnland mit 17% den höchsten Wert aufwies, und Italien, gleich mit Bulgarien, mit 2%. den niedrigsten. Diese Unterschiede lassen sich vor allem auf einen anderen Sensibilisierungsgrad bezüglich Mobbing

zurückführen,

jedoch

auch

auf

tatsächliche

Inzidenzunterschiede

und

unterschiedliche kulturelle Einstellungen. Nach der europäischen Erhebung sind Frauen mit 6% stärker betroffen als Männer mit 4%, wobei Frauen unter 30 Jahren zu der am höchsten gefährdeten Gruppe gehören. Der Sektor Öffentliche Verwaltung und Verteidigung gehört gemäß der europäischen Studie neben dem Gesundheits-, dem Erziehungs- und Unterrichtswesen zu den Risikoberufsfeldern bezüglich Gewalt, Mobbing und sexueller Belästigung.

Bezüglich des Beschäftigungsstatus wurden in dieser Untersuchung keine nennenswerten Unterschiede festgestellt. 88

Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 36. Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 37. 85 Vgl Parent-Thirion/Fernández/Hurley/Vermeylen, Vierte europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen, (2007) 101. 86 Unter den 31 Ländern befanden sich alle 25 damaligen EU-Mitgliedstaaten sowie Bulgarien, Kroatien, Norwegen, Rumänien, die Türkei und die Schweiz, siehe Näheres unter ParentThirion/Fernández/Hurley/Vermeylen, Vierte europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen, (2007) 101. 87 Vgl Parent-Thirion/ Fernández /Hurley/Vermeylen, Vierte europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 102. 88 Vgl Parent-Thirion/ Fernández /Hurley/Vermeylen, Vierte europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 37. 83 84

12

2.5.2

Ergebnisse empirischer Untersuchungen in Österreich

Klaus Niedl führte Anfang der 90er Jahre die erste österreichische Studie zum Thema Mobbing in einem österreichischen Forschungsinstitut mit 251 Beschäftigten 89 und einem österreichischen Krankenhaus mit 1264 Beschäftigen durch. 90 Methodisch nahm er die Befragung mithilfe des LIPT vor. Im Speziellen verwendete er die darin aufgezählten 45 Mobbinghandlungen sowie die von Leymann verwendeten Strukturfragen. 91 Das Ergebnis zeigt, dass 4,4% der Befragten im Forschungsinstitut bzw 7,8% der Probanden im Krankenhaus zum Zeitpunkt der Befragung von Mobbing betroffen waren. Die Quote ist unter den Frauen unsignifikant leicht höher als unter den Männern. 92 Im Frühjahr 2009 wurde vom Institut für humanökologische Unternehmensführung, im Folgenden

IBG,

im

Auftrag

des

Bundesministeriums

für

Arbeit,

Soziales

und

Konsumentenschutz, im Folgenden BMSAK, eine Studie über „Mobbing im öffentlichen Dienst“ veröffentlicht. Die Untersuchung umfasste semi-strukturierte Interviews mit 86 Probanden, eine Onlinebefragung mit 1750 Teilnehmern sowie Recherchen auf europäischer Ebene. 93 Die Interviews auf nationaler und europäischer Ebene wurden vorwiegend mit Führungskräften über die von ihnen veranlassten Präventions- und Interventionsmaßnahmen gegen Mobbing geführt. unabhängig

von

94

ihrer

An der Onlinebefragung nahmen sämtliche Mitarbeiter,

hierarchischen

oder

arbeitsrechtlichen

Stellung,

einzelner

Bundesministerien, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, im Folgenden ÖGB, einer öffentlichen Fachgewerkschaft und eines Fonds zwischen Juni und September 2008 teil. 24% der

Befragten

waren

Vertragsbediensteten an. Leymann,

96

Beamte, 95

28%

der

Teilnehmer

gehörten

der

Gruppe

der

Ausgangsbasis der Befragung bildete die Definition von

allerdings in angepasster und nicht so strenger Form. Das „Ziel“ des Terrors am

Arbeitsplatz im Bereich des öffentlichen Dienstes muss nicht unbedingt der „vollständige Ausstoß“, sondern wird wohl eher eine Versetzung sein. Weiters wurde im Zusammenhang mit der Mindesthäufigkeit und –dauer der Maßstab gelockert. 97 Die Befragung ergab eine (subjektive) Betroffenheitsquote von 7%. Darüber hinaus gelten 12% der Befragten als Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 75. Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 76. 91 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 85. Siehe Näheres zum Aufbau der Studie bei Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 74 ff. 92 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 99. 93 Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 4. 94 Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 6. 95 Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 5. 96 Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 8. 97 Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 9. 89 90

13

besonders Mobbing gefährdet. Diese hatten angegeben, „häufig und über sechs Monate hindurch Mobbinghandlungen ausgesetzt zu sein“. 98 3.

DER ÖFFENTLICHE DIENST IN ÖSTERREICH

3.1

Der öffentliche Dienst – Begriffsklärung



Nationaler und internationaler Begriff

Der öffentliche Dienst (im formellen Sinn) ist der Inbegriff für sämtliche Dienstnehmer der Gebietskörperschaften, nämlich des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder anderer juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Auf die Art der Aufgabenerfüllung – hoheitlich oder privatwirtschaftlich – bzw auf den Status der Bediensteten wird nicht abgestellt.99 Die Regelungskompetenz der Dienstverhältnisse ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 16 und Art 21 B-VG zwischen Bund und den Ländern aufgeteilt, wobei den Ländern die Zuständigkeit über den Landes- und den Gemeindedienst zukommt.

Ca 350.500 Personen sind Vollzeit im öffentlichen Dienst - unter Nichtberücksichtigung der Dienstnehmer von ausgegliederten Einheiten - beschäftigt. 100 Für den Bund waren zum Stichtag 31. 12. 2010 132.804 Bedienstete vollzeitig tätig. 27.704 Bundesbeamte waren zu diesem Zeitpunkt in ausgegliederten Einrichtungen bzw privatisierten Einheiten der Post beschäftigt. 101

Laut der Bundesanstalt Statistik Österreich, im Folgenden Statistik Austria, waren im vierten Quartal 2010 4.133.000 Menschen erwerbstätig, wobei die Statistik Austria die internationale Definition von Erwerbstätigkeit herangezogen hat, worunter bereits eine Stunde Arbeit pro Woche fällt. 102

Die Definition des öffentlichen Dienstes anhand des Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft scheint heute nicht mehr zeitgemäß, zumal die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zum Teil auf ausgegliederte Einrichtungen übertragen wurde. Das Europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, im Folgenden ESVG95, gibt Maßstäbe

Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 10. Vgl Mayer, Fachwörterbuch zum öffentlichen Recht (2003) 127; siehe Näheres zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (2009) Rz 72 ff. 100 Bund Stichtag 31. 12. 2010; Länder und Gemeinden im Laufe des Jahres 2009. 101 Vgl BKA, Das Personal des Bundes 2011, 11 http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=40688 (19. 09. 2011). 102 Vgl http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbstaetige/023540.html (07. 11. 2011). 98 99

14

vor, anhand deren beurteilt werden kann, wann eine Institution dem Staat zuzurechnen ist. Maßgebliche Kriterien sind die potentielle Einflussnahme durch den Staat, eine mangelnde Marktausrichtung in Bezug auf Leistung und Preis sowie einen Umsatz im Ausmaß von höchstens 50% der Kosten. Nach diesem Begriff fallen auch die Dienstnehmer der Kammern, der Sozialversicherungsträger und der ausgegliederten Einrichtungen unter den öffentlichen Dienst. 103

Nach einer Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im Folgenden OECD, waren im Jahr 2009 12,8% aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst iSd ESVG95 tätig. 104 

Ausgliederung

Allgemein formuliert bedeutet Ausgliederung einen Wechsel der Organisation. 105 Auf die Vorgänge der letzten Jahrzehnte in der Verwaltung bezogen, bedeutet Ausgliederung die Übertragung einer von einer Gebietskörperschaft selbst besorgten öffentlichen Aufgabe auf einen Rechtsträger, der dieser rechtlich nicht zugeordnet ist, basierend auf einem eigens dafür geschaffenen Gesetz. 106 Eine Ausgliederung kann auf drei Arten durchgeführt werden, nämlich: → durch Übertragung von Organkompetenzen 107 auf eine andere Rechtsperson; → durch

Ausstattung

Rechtspersönlichkeit → durch

einer 108

Umwandlung

unselbständigen

Anstalt

oder

eines

Amtes

mit

Anstalten

in

oder von

Dienststellen

und

unselbständigen

Kapitalgesellschaften 109 (Ausgliederung durch Organisationsprivatisierung) 110

Ausgliederungen „boomten“ vor allem in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts unter der Argumentation der Kostenentlastung, der Reformierung und der Effizienzsteigerung. 111 Vgl BKA, Das Personal des Bundes 2011, 12 www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=40688 (19. 09. 2011). Vgl BKA, Das Personal des Bundes 2011, 14 www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=40688 (19. 09. 2011). 105 Das Hauptmünzamt wurde zB zur Münze Österreich AG, siehe Näheres bei Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 69 f. 106 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 17. 107 Vgl Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz BGBl I 2001/ 9 zuletzt geändert durch BGBl I 2002/45, mit welchem der Aufgabenbereich Banken- und Versicherungsaufsicht des BMF auf die Finanzmarktaufsichtsbehörde als Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit übertragen wurde. 108 Vgl zB das Bundesgesetz über die „Diplomatische Akademie“ BGBl 1996/177. 109 Die selbständige Anstalt Postsparkasse wurde zB in eine AG umgewandelt bzw die bundeseigene Post- und Telegraphenverwaltung in die Post AG, siehe Näheres bei Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 77 ff. 110 Vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 89. 103 104

15

3.2

Rechtsstatus der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes (nationaler Begriff)

Gemäß Art 20 Abs 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes 112 , im Folgenden B-VG, sind Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes „auf Zeit gewählt, beruflich ernannt oder vertraglich bestellt“. 113 Zeitlich gewählte Organe, wie zB die Mitglieder des Nationalrates (vgl Art 26 Abs 1 B-VG), treten nur in einem kleinen Bereich der Verwaltung in Erscheinung und werden im Folgenden nicht näher behandelt. 114 Zahlenmäßig wichtiger sind die mittels Bescheid ernannten Organe, die „Beamten im engeren Sinn“, 115 und die „Vertragsbediensteten“, die in einem Vertragsverhältnis zur jeweiligen Gebietskörperschaft stehen. Untersuchung

bezieht

sich

ausschließlich

auf

öffentliche

116

Die folgende

Bedienstete,

die

dem

Geltungsbereich des BDG und des VBG unterliegen. Das Dienstverhältnis des Beamten im engeren Sinn ist gekennzeichnet durch seinen öffentlich-rechtlichen Charakter, seine Bindung auf Lebenszeit sowie der Ausschluss der Kündigung („Pragmatisierung“). 117 Die eben genannten Privilegien stehen dem Beamten allerdings erst durch Umstellung in das definitive Dienstverhältnis - nach sechsjähriger Dienstzeit und Ablegung einer Dienstprüfung - zu. Bindung auf Lebenszeit bedeutet, dass das Dienstverhältnis auch nicht durch Übertritt in den Ruhestand endet. Für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis steht nur der Verwaltungsweg offen. Dienstpflichtverletzungen werden im Rahmen eines Disziplinarverfahrens geahndet. Wichtigste Rechtsquelle für Bundesbeamte ist das BDG. Richter und Staatsanwälte unterstehen einem eigenen Gesetz, dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, im Folgenden RStDG 118 . Im Bereich der Länder bzw Gemeinden gibt es entsprechende landesgesetzliche bzw gemeinderechtliche Regelungen. 119 Vertragsbedienstete stehen zwar in einem privatrechtlichen Vertrag zur jeweiligen Gebietskörperschaft, doch ist dessen Inhalt großteils gesetzlich vorgeschrieben. Ihre Vgl Goricnik, Zur Entmythologisierung der "Arbeitskräfteüberlassung" bei Ausgliederungen aus dem öffentlichen Bereich, wbl 2011, 74. 112 B-VG BGBl 1930/1 zuletzt geändert durch BGBl 1994/1013. 113 Öhlinger, Verfassungsrecht8 (2009) Rz 523. 114 Gemäß Art 26 Abs 1 B-VG die Mitglieder des Nationalrats; gemäß Art 35 Abs 1 B-VG die Mitglieder des Bundesrates, gemäß Art 60 Abs 1 der Bundespräsident; gemäß Art 95 Abs 1 die Landtage; gemäß Art 101 Abs 2 die Landesregierung; gemäß Art 117 Abs 2 die Mitglieder des Gemeinderates; gemäß Art 117 Abs 6 der Bürgermeister; gemäß Art 70 Abs 1 B-VG wird der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt. 115 Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 523. 116 Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 524. 117 Art 21 Abs 5 B-VG lässt allerdings die befristete Betrauung im Fall einer Leitungsfunktion bzw, wenn es die „Natur des Dienstes“ erfordert, zu. 118 RStDG BGBl 1961/305 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/130. 119 Vgl Mayer, Fachwörterbuch 53. 111

16

Dienstpflichten sind jenen eines Beamten angeglichen, sie sind auch weisungsgebunden und unterliegen der Aufsicht eines Organs. Amtsdelikte können auch von ihnen begangen werden. Vertragsbediensteten kommen die Privilegien eines Beamten grundsätzlich nicht zu, doch gilt ebenfalls

ein

besonderer

Kündigungsschutz.

Vertragsbedienstete nicht vorgesehen.

120

Ein

Disziplinarverfahren

ist

für

Die Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem

Dienstverhältnis obliegt den ordentlichen Gerichten. 121 Für Vertragsbedienstete des Bundes gilt das Vertragsbedienstetengesetz 122 , im Folgenden VBG. Dieses verweist aber mehrfach auf das BDG. Im Bereich der Länder und Gemeinden gibt es entsprechende landesgesetzliche bzw gemeinderechtliche Regelungen. 123

Nach hA besteht kein Konnex zwischen Art des Dienstverhältnisses und der Tätigkeit. Das heißt, dass hoheitliche Befugnisse auch von Vertragsbediensteten und vice versa verrichtet werden können. Strafgesetzbuch

124

125

Mitunter verwirrend ist der Beamtenbegriff iSd § 74 Abs 4 , im Folgenden StGB, welcher Vertragsbedienstete und Beamte

gleichermaßen einschließt. 126 Art 21 Abs 1 B-VG bestimmt, dass das öffentliche Dienstrecht unter Gesetzesvorbehalt steht. 127 3.3

Einsatzbereiche der öffentlich Bediensteten - die drei Staatsfunktionen

Die Aufgaben eines Staates können in drei Bereiche unterteilt werden, nämlich Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Diese drei Funktionen werden von verschiedenen und voneinander unabhängigen Organen 128 ausgeübt (Prinzip der Gewaltenteilung), die sich gegenseitig kontrollieren und beschränken (Prinzip der „checks and balances“). 129 Zu den klassischen Organen der Gesetzgebung zählen der Nationalrat und der Bundesrat auf Bundesebene und die Landtage auf Landesebene. 130 Da deren Mitglieder auf Zeit gewählt Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 525. Vgl Wirksamer Schutz gegen Mobbing und Diskriminierung? SozSi 2010, 558 (567.) 122 VBG BGBl1948/86 zuletzt geändert durch BGBl I 2008/147. 123 Mayer, Fachwörterbuch 128. 124 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 524. 125 StGB BGBl 1974/60. 126 Vgl Jerabek/Reindl-Krauskopf/Schroll in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 (Stand Juni 2010) § 74 Rz 4. 127 Das öffentliche Dienstrecht ist besonderen gesetzlichen Regelungen zu unterworfen, die Vollziehung ist an diese Gesetze gebunden. Sämtlich Entscheidungen und Rechtsakte, mit denen dienstrechtliche Beziehungen gestaltet werden, müssen ausdrücklich oder schlüssig durch eine gesetzliche Grundlage gedeckt sein; siehe Näheres bei Brodil (Hrsg), Ausgliederungen – Arbeitsrecht am „Zusammenfluss von Beamten und Arbeitnehmern“ (2009) 27. 128 Siehe Näheres zu Organen unter Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 96 ff. 129 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 598. 130 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 434. 120 121

17

werden, fallen sie nicht unter die „klassischen“ öffentlichen Bediensteten. 131 Von einer näheren Betrachtung der Staatsfunktion „Gesetzgebung“ wird daher in gegenständlicher Untersuchung Abstand genommen. 132 Zu den Organen der Gerichtsbarkeit zählten ursprünglich nur Richter 133 , Mitwirkende aus dem Volk, die so genannten Laienrichter 134 , und Rechtspfleger. 135 Mit Einführung des Art 90a B-VG, der mit 01. 01. 2008 in Kraft getreten ist, gehören nun auch Staatsanwälte dieser Gruppe an. Von einer näheren Betrachtung der Staatsfunktion „Gerichtsbarkeit“ wird im Folgenden ebenfalls Abstand genommen.

Für das Funktionieren der Gerichtsbarkeit sind aber weit mehr Bedienstete notwendig, deren Tätigkeit durch Weisungsunterworfenheit gekennzeichnet ist und die daher zum Bereich der Verwaltung zählen (vgl § 31 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz 136 ). Aufgrund ihrer Tätigkeit bei Gericht werden sie bereits hier erwähnt. In § 29 Abs 1 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz finden sich folgende Gerichtsbedienstete: → Beamte des gehobenen Fachdienstes in der Gerichtskanzlei → Beamte des Fachdienstes bei Gericht → Beamte des Dienstes des Verhandlungsschriftführers in Strafsachen beim Landesgericht → Beamte des Kanzleidienstes → Beamte

des

Vollstreckungsdienstes

und

des

Gefangenenaufsichtsdienstes

beim

Bezirksgericht → Beamte des allgemeinen Hilfsdienstes → Vertragsbedienstete. 137 Die obersten Organe der Verwaltung sind auf Bundesebene der Bundespräsident, die Bundesregierung als Kollegium und die Bundesminister. Auf Landesebene stehen an der Spitze die jeweiligen Landesregierungen sowie bei Vorhandensein des Ressortsystems 138 die

Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 399 und 406. Siehe Näheres zur Wahl den Gesetzgebungsorganen bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 386 ff. 133 Richter sind in der Ausübung ihres Amtes gemäß Art 87 Abs 2 B-VG unabhängig und gemäß Art 88 Abs 2 B-VG unabsetzbar und unversetzbar; zu den Ausnahmen siehe bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 622. 134 Siehe Näheres zur Einsetzung von Laienrichter bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 623. 135 Rechtspfleger sind gemäß Art 87a B-VG Hilfsorgane von Richtern. Sie unterliegen der Weisung des zuständigen Richters, siehe Näheres bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 620. 136 BGBl 1951/ 264. 137 Siehe Näheres zu den Tätigkeiten der einzelnen Genannten in § 29 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz, BGBl 1951/264. 138 Siehe Näheres zum Ressortssystem bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 517. 131 132

18

einzelnen Mitglieder der Landesregierung. 139 Die eben Genannten haben die Leitungs- und Aufsichtsgewalt grundsätzlich den

über

alle

nachgeordneten

Verwaltungsorgane.

Diese

unterliegen

Weisungen 140 der obersten Organe. 141 Die obersten Organe der

Verwaltung sind wiederum dem vom Volk gewählten Parlament politisch und rechtlich verantwortlich. 142 Den Organen der Verwaltung obliegt die Erfüllung von Aufgaben des Staates. 143 4.

DIE EUROPÄISCHE UNION

4.1

Historische Entwicklung

Die Wurzeln der Europäischen Union, im Folgenden Union, gehen auf die am 18. 04. 1951 gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl 144 , im Folgenden EGKS, zurück. 145 Hinter der Gründung der ersten supranationalen Institution standen der Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der Versuch, mit Hilfe von wirtschaftlicher Zusammenarbeit bzw „Verschmelzung“ die Wiederholung eines solchen Szenarios zu verhindern. 146 Die EGKS wurde von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden gegründet und stand im Zeichen von „Frieden“, „Integration“ und eines „Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl“. 147 Mit den Verträgen von Rom vom 25. 03. 1957 wurden zwei weitere Gemeinschaften ins Leben gerufen, nämlich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, im Folgenden EWG 148 , und die Europäische Atomgemeinschaft, im Folgenden EAG. Darüber hinaus schlossen die Mitglieder ein Abkommen über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften. Der Grundstein für eine europäische Zusammenarbeit auf supranationaler Basis war gelegt. 149

Im Laufe der Zeit wurde die Mitgliederzahl der europäischen Gemeinschaften erhöht. Am 01. 01. 1973 traten Dänemark, Großbritannien und Irland bei, am 01. 01. 1981 folgte Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 503. Siehe Näheres zu den Grenzen der Weisungsgebundenheit im Fall von rechtswidrigen Weisungen oder solchen, die gegen ein Strafgesetz verstoßen, bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 522; vgl auch Art 20 Abs 1 BVG. 141 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 519. 142 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 502. 143 Vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 12. 144 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vom 18. April 1951. 145 Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht – Recht der EG/EU, des Europarates und der wichtigsten anderen europäischen Organisationen4 (2002) 31. 146 Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 30. 147 Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 31. 148 Die EWG wurde mit dem Vertrag von Maastricht zur Europäischen Gemeinschaft, EG; siehe Näheres bei Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 60. 149 Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 35. 139 140

19

Griechenland. Mit dem Eintritt Spaniens und Portugals am 01. 01. 1986 war die Mitgliederzahl bereits verdoppelt. Österreich hat am 24. 06. 1994 den Beitrittsvertrag unterzeichnet und ist seit 01. 01. 1995 Mitglied der Union. 150 Mit dem Vertrag von Maastricht vom 07. 02. 1992 151 wurde die EU gegründet. Sie bestand aus

drei

Säulen,

nämlich

den

Gemeinschaften,

der

Gemeinsamen

Außen-

und

Sicherheitspolitik, im Folgenden GASP, und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, im Folgenden ZBJI. 152 Die erste Säule vereinigte die bisherigen drei Gemeinschaften und verfügte über als einzige der drei Säulen Supranationalität, dh sie konnte teils direkt anwendbares und unmittelbar wirksames Recht schaffen. Die anderen beiden Säulen gründeten sich auf völkerrechtlicher Basis.

153

Der Gerichtsbarkeit des Europäischen

Gerichtshofes, im Folgenden EuGH, waren nur die erste und die dritte Säule unterworfen. 154

Modifiziert wurde der Vertrag von Maastricht durch den Vertrag von Amsterdam vom 17. 06. 1997 155 , in Kraft seit 01. 05. 1999, 156 und den Vertrag von Nizza vom 26. 02. 2001 157 , in Kraft seit 01. 02. 2003. 158 Da der Vertrag über die Gründung der EGKS nicht verlängert wurde, lief er zum 23. 07. 2002 aus. 159 Mit dem Vertrag von Lissabon 160 , der am 13. 12. 2007 von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde und mit 01. 12. 2009 in Kraft getreten ist, wurde die EU bzw wurden ihre beiden Kernverträge grundlegend verändert, insbesondere das Säulensystem abgeschafft und die EG mit der EU – zumindest im rechtlichen Sinn - vereint. Vertragsgrundlagen sind der Unionsvertrag, im Folgenden EUV, und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, im Folgenden AEUV. 161 Die Union umfasst zum 01. 01. 2012 27 Mitglieder. 162 Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 50. Vertrag über die Europäische Union vom 07. 02. 1992, ABl C 1992/191. 152 Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 60. 153 Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 306. 154 Vgl Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 309. 155 Vertrag von Amsterdam vom 02. 10. 1997, ABl C 1997/340. 156 Siehe Näheres bei Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 62 ff. 157 Vertrag von Nizza vom 26. 02. 2001, ABl C 2001/80. 158 Siehe Näheres bei Fischer/Köck/Karollus, Europa Recht4 72 ff. 159 http://europa.eu/legislation_summaries/institutional_affairs/treaties/treaties_ecsc_de.htm (12. 12. 2011). 160 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl C 2007/306,1; Reformvertrag BGBl III 2009/132. 161 Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 (2010) 7. 162 Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 2. 150 151

20

4.2

Die Organe der Union

Gemäß Art 13 Abs 1 EUV erfüllen sieben Hauptorgane die Aufgaben der Union, nämlich das Europäische Parlament, der Europäische Rat, der Rat, die Kommission, der Gerichtshof der Europäischen Union, die Europäische Zentralbank sowie der Rechnungshof. Das Europäische Parlament war in seinen Ursprüngen neben dem Rat und der Kommission bereits in den Gründungsverträgen der 50er Jahre, damals noch unter dem Namen „Versammlung“, enthalten. 163 Die Mitglieder werden alle fünf Jahre direkt von den Unionsbürgern gewählt. Gemäß Art 14 EUV soll die Zahl der Abgeordneten auf höchstens 750 herabgesetzt werden. Dem Europäischen Parlament obliegt eine umfassende Beratungsund Kontrollfunktion, es ist darüber hinaus neben dem Rat und der Europäischen Kommission ein Gesetzgebungsorgan der Union. 164 Der Europäische Rat gibt den Anstoß für die künftige Entwicklung der Union und setzt die „allgemeinen politischen Ziele“ fest, ist aber kein Gesetzgeber. Er tritt zwei Mal in einem Halbjahr zusammen und setzt sich aus den Regierungschefs der Mitgliedsländer sowie dem Präsidenten der Kommission und des Europäischen Rates zusammen. 165 Der Rat ist nach wie vor das wesentliche Rechtsetzungsorgan der Union. Er setzt sich aus dem jeweils für das zu befassende Fachgebiet zuständigen Vertreter auf Ministerebene eines jeden Mitgliedstaates zusammen. 166 Die Europäische Kommission setzt sich aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates, dem Präsidenten sowie dem Hohen Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik zusammen. Ihre zentralen Aufgaben bestehen in der Erarbeitung von Vorschlägen für Rechtsvorschriften („Motor der Union“) und in der Überwachung der Einhaltung bzw Umsetzung von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten („Hüterin der Verträge“). Ihr obliegen sämtliche der Union eingeräumten Vollzugsrechte („Exekutive der Union“). 167 Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gemäß Art 19 EUV der Sammelbegriff für den EuGH, das Gericht, im Folgenden EuG, und weitere Fachgerichte. Das EuG fungiert Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 46. Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 47. 165 Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 48. 166 Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 49. 167 Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 50. 163 164

21

als erste Instanz, soweit die Angelegenheit nicht unter die Zuständigkeit eines Fachgerichtes fällt oder ausdrücklich dem EuGH vorbehalten ist. Es ist insbesondere zuständig für Nichtigkeitsklagen gemäß Art 263 AEUV, Untätigkeitsklagen gemäß Art 265 AEUV und für Amtshaftungsklagen gemäß Art 268 AEUV. Dem EuGH allein steht es zu, Unionsrecht verbindlich auszulegen, fortzubilden und im Falle seiner Ungültigkeit zu verwerfen. Durch ihn ist eine einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleistet. 168 Aus diesem Grund ist er im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art 267 AEUV in erster Instanz zuständig. Im Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art 259 AEUV ist überdies ausschließlich der EuGH zuständig. Das Rechtsmittelverfahren ist auf Fehler bei der Lösung von Rechtsfragen beschränkt. 169 Die Europäische Zentralbank sorgt für die Stabilität der Währung der Union, dem Euro. 170 Dem Rechnungshof obliegt ein umfassendes Kontrollrecht im Zusammenhang mit der Verwendung von Unionsmitteln. Die Resultate seiner Überprüfungen werden der Kommission und den Mitgliedstaaten vorgelegt. 171 4.3

Die Bediensteten der Union

Hinter den Organen der Union steht ein gewaltiger Verwaltungsapparat, welcher grundsätzlich bürokratisch aufgebaut ist. Rechtsgrundlagen finden sich dazu nur wenige. 172 Gemäß Art 240 AEUV soll der Rat von „einem Generalsekretariat unterstützt“ werden. Gemäß 249 AEUV ist die Kommission zu einer Geschäftsordnung legitimiert, welche ihr und ihren Dienststellen ein „ordnungsgemäßes Arbeiten“ sichern soll. Tatsächlich haben sowohl Rat als auch Kommission mehrere Generaldirektionen, welche wiederum hierarchisch in Unterdirektionen und Abteilungen gegliedert sind. Jedem Kommissionsmitglied steht darüber hinaus ein Kabinett zur Verfügung. 173 Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments sieht einen Generalsekretär vor. Dieser leitet das Generalsekretariat. 174 An oberster Spitze des Verwaltungsapparates des EuGH steht die Kanzlei, dieser unterstehen jede Menge Beamte und sonstige Bedienstete. 175

Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 51. Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 51. 170 http://europa.eu/about-eu/institutions-bodies/ecb/index_de.htm (01. 01. 2012). 171 http://europa.eu/about-eu/institutions-bodies/court-auditors/index_de.htm (01. 01. 2012). 172 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union – Anspruch und Wirklichkeit (2001) Rz 13.002 173 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.006. 174 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.003. 175 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.006. 168 169

22

Rechtsgrundlage des Dienstrechts der Beschäftigten der Union ist das BSt und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften, im Folgenden BsB. 176 Gemäß Art 1 BSt ist ein europäischer Beamter ein „bei einem Organ der Gemeinschaften durch eine Urkunde der Anstellungsbehörde dieses Organs nach den Vorschriften des Statuts und der Einweisung in eine Dienstplanstelle zum Beamten“ Ernannter. Darüber hinaus nennt Art 2 BsB noch die „Bediensteten auf Zeit, die Hilfskräfte, die Vertragsbediensteten, die örtlich Bediensteten und die Sonderberater“, im Folgenden sonstige Bedienstete. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen einem europäischen Beamten und den sonstigen Bediensteten ist die Dauer der Tätigkeit: Die Dienstverrichtung eines Beamten der EU ist zeitlich unbeschränkt. 177 4.4

Rechtsquellen der Union

Primärrecht entsteht durch die Mitgliedstaaten unter teilweiser Mitwirkung der Organe der Union. Unter Primärrecht werden insbesondere die Gründungsverträge samt deren Protokollen, Änderungsverträgen und Anhängen sowie die Beitrittsverträge verstanden. 178 Gemäß Art 6 EUV ist die Charta der Grundrechte den Verträgen gleichgestellt. Europäisches Gewohnheitsrecht entsteht durch „allgemeine und lang andauernde Übung der Mitgliedstaaten“ („consuetudo“) in der Überzeugung, dazu aufgrund einer Rechtsvorschrift verpflichtet zu sein („opinio iuris“) und ist damit ungeschriebenes Primärrecht.

Allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts sind Grundsätze und Prinzipien, die in allen Mitgliedstaaten ihre Geltung haben und auch auf europarechtliche Ebene anwendbar sind, dazu gehört zB der Grundsatz des rechtlichen Gehörs

179

oder der Grundsatz der

Rechtssicherheit. 180 Sie sind subsidiär anwendbares Primärrecht.

Allgemeines Völkerrecht ist auch auf Unionsrecht anzuwenden. Allerdings geht eine speziellere Regelung des Primärrechts vor. 181 176

VO 31/EWG, 11/EAG ABl 1962/45, 1385, geändert durch VO (EWG, Euratom, EGKS) 259/68 ABl L 1968/56, 1. 177 Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.007. 178 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 (2010) 157. 179 Reichelt, Europarecht – Einführung und Grundsatzjudikatur (2002) 49. 180 Vgl Reichelt, Europarecht – Einführung und Grundsatzjudikatur 48. 181 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 165.

23

Sekundärrecht wird von den Organen der EU unter Anwendung von Primärrecht bzw von primärrechtlichem Verfahrensrecht geschaffen. 182 Es ist dem Primärrecht gegenüber, nicht aber innerstaatlichem Recht, subsidiär anwendbar. Es kann in Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen unterteilt werden. 183 4.5

Rechtsakte der Union

Eine Verordnung gilt gemäß Art 288 Abs 2 AEUV allgemein und ist daher mit einem innerstaatlichen Gesetz vergleichbar. Sie benötigt keiner Transformation in innerstaatliches 184

Recht, weil sie unmittelbar anwendbar ist.

Eine Verordnung hat Vorrang gegenüber

widersprechendem innerstaatlichem Recht. Sie berechtigt und verpflichtet jeden einzelnen in einem Mitgliedstaat 185 und ist in all ihren Teilen verbindlich. 186 Eine Richtlinie ist gemäß Art 288 Abs 3 AEUV gekennzeichnet durch eine für jeden Mitgliedstaat verbindliche Zielsetzung. Sie kann an einen, mehrere oder alle Mitgliedstaaten gerichtet sein. Die jeweilige Ausführung des Zieles bleibt aber jedem Mitgliedstaat vorbehalten. Ein Mitgliedstaat haftet für Schäden, welche durch die „nicht fristgerechte, unvollständige oder fehlerhafte Umsetzung“ entstanden sind. 187 Ausnahmsweise kann eine Richtlinie unmittelbar anwendbar sein, wenn die Frist für die Umsetzung abgelaufen ist, ohne dass das darin festgesetzte Ziel ordnungsgemäß ausgeführt worden wäre und die Richtlinie „hinreichend genau und unbedingt“ ist. 188 Die unmittelbare Anwendung entfällt jedenfalls, wenn sie zu Lasten Privater erfolgen würde. 189 Beschlüsse haben gemäß Art 288 Abs 4 eine individuelle Geltung. Sie richten sich an Individuen oder einzelne Mitgliedstaaten. Sie sind nur für den Betreffenden, für diesen aber in allen Teilen, verbindlich. Beschlüsse gelten und wirken unmittelbar. Stellungnahmen und Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich. Gemäß Art 4 Abs 3 EUV sind die Mitgliedstaaten zur Gemeinschaftstreue verpflichtet, damit haben sie auch

Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 157. Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 158. 184 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 166. 185 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 167. 186 Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 37. 187 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 169. 188 Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 40. 189 Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 41. 182 183

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Empfehlungen und Stellungnahmen zu berücksichtigen.190 Zudem können sie eine Bedingung für eine Prozesshandlung darstellen. Zu den Rechtshandlungen eigener Art zählen zB punktuelle Veränderungen des Vertrages 191 oder Akte im Rahmen der Organisationsgewalt (Erlass der Geschäftsordnung). Diese Rechtshandlungen sind in der Regel für die jeweiligen betreffenden Organe verbindlich. 192

Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht7 170. Der Rat kann die Zahl der Mitglieder der Kommission ändern oder die Anzahl der Richter beim EuGH erhöhen; siehe Näheres bei Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 43 ff. 192 Vgl Hemmer/Wüst/Wolfram, Basics Europarecht5 43. 190 191

25

B.

MOBBING

1.

HINTERGRUNDVERSTÄNDNIS ZU MOBBING

1.1

Arbeitszufriedenheit

Arbeit ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens, der auf viele Bereiche Einfluss nimmt. 193 Der Mensch verbringt einen Großteil seines Lebens in seinem Job. Arbeit ist einerseits notwendig, um dem Menschen seine Existenz zu sichern, anderseits gibt sie seinem Leben einen Sinn. 194 Folgende psychosoziale Zwecke können aus der Arbeit gewonnen werden: Arbeit → macht aktiv und kompetent; → strukturiert die Zeit; → bewirkt (notgedrungen) soziale Kontakte und Zusammenarbeit; → gibt soziale Anerkennung; → steigert die eigene Identität und das Selbstwertgefühl. 195 Arbeitszufriedenheit kann man einfach formuliert mit der (positiven) Haltung eines Menschen zu seiner Arbeit beschreiben. 196 Sie ist von mehreren Faktoren abhängig und zwar ua von der Tätigkeit an sich, von den Beförderungsmöglichkeiten, von der Entlohnung bzw der Aussicht auf Belohnung, von der Wertschätzung, von den allgemeinen Arbeitsbedingungen, den Kollegen und den Vorgesetzten. Die persönlichen Faktoren (eigene Erwartungen, Werthaltung, Wünsche) haben bei der Einstellung zur Arbeit eine wesentliche Bedeutung, weil sie die Arbeitszufriedenheit festsetzen. 197 Arbeitszufriedenheit ist etwas Subjektives. Allgemein betrachtet müssen für eine hohe Arbeitszufriedenheit folgende Bedingungen erfüllt sein: → geistige Beanspruchung; → Erfüllung der physischen und psychischen Bedürfnisse; → Bewirken eines Erfolgsgefühls; Vgl Rosenstiel von, Grundlagen der Organisationspsychologie6 (2007) 54. Vgl Sonntag, Theorien der Arbeitstätigkeit, in Schuler/Sonntag (Hrsg), Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie VI (2007) 35. 195 Vgl Semmer/Udris, Bedeutung und Wirkung von Arbeit, in Schuler (Hrsg), Lehrbuch Organisationspsychologie4 (2007) 157. 196 Vgl Weinert, Organisations- und Personalpsychologie5 (2004) 245. 197 Nicht jeder will zB Verantwortung haben; siehe Näheres bei Weinert, Organisations- und Personalpsychologie5 273 ff. 193 194

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→ Verwirklichung von Interessen und Fähigkeiten; → Anerkennung und Wertschätzung aufgrund der Leistung; → subjektiv als adäquat empfundene Bezahlung, welche von der persönlichen Leistung abhängig ist; →

Verstärkung von Eigenverantwortung und Selbstinitiative;

→ Förderung der persönlichen Entwicklung. 198 Die Arbeitszufriedenheit hat Auswirkungen auf das physische und psychische Befinden eines Menschen, auf seine Haltung zum Berufs- und Privatleben und auf seine Verhaltensweisen bei der Arbeit. 199 Ein zufriedener Mitarbeiter ist in der Regel produktiver, loyaler und weniger geneigt, doloses Verhalten zu setzen. 200 Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und geringen Fehlzeiten. 201 Der Wille eines Mitarbeiters, seine Kenntnisse und Talente für die Erreichung der Ziele seines Arbeitgebers zu nützen, hängt daher wesentlich von seiner Arbeitszufriedenheit ab. Der Erfolg eines Unternehmens ist wiederum auch von der Motivation seiner Mitarbeiter abhängig. 202

Eine geringere Arbeitsmotivation in der öffentlichen Verwaltung macht sich vor allem durch müßig lange Verfahren, mangelhafte Bescheide, unvollständige Akten etc bemerkbar. 1.2 1.2.1

Bedeutung von Stress bei der Arbeit Stress

Es gibt keine einheitliche Definition von Stress. Bei den verschiedenen Erklärungsversuchen lassen sich aber übereinstimmende Bedingungen erkennen: → Stress wird durch einen Stimulus psychischer oder physischer Natur hervorgerufen und → die Person geht auf den Stimulus ein. Darüber hinaus müssen folgende Komponenten erfüllt werden, damit Stress auf eine Person belastend wirken könnte, und zwar: → Stress muss im Zusammenhang mit Verboten und Forderungen stehen; → die Person kann nicht abschätzen, ob sie gewinnt oder verliert; Vgl Weinert, Organisations- und Personalpsychologie5 273. Vgl Weinert, Organisations- und Personalpsychologie5 276. 200 Vgl Ellenhuber, Arbeitszufriedenheit und Mitarbeitermotivation als Erfolgsfaktoren der öffentlichen Verwaltung, ZfV 2008/3, 345. 201 Vgl Ellenhuber, ZfV 2008/3, 347. 202 Vgl Ellenhuber, ZfV 2008/3, 343. 198 199

27

→ das Ergebnis muss von Bedeutung für die Person sein. 203 Jeder Mensch kann mit einem gewissen Maß an stressintensiven Einflüssen umgehen, wobei der jeweilige Schwellenwert, ab dem Stress zu einer Beeinträchtigung führt, individuell verschieden angelegt ist. Eine Überschreitung führt zu einer Alarmsituation. Panik wird ausgelöst, welche eine Reaktion herbeiführt. Führt diese aber nicht zum Abschluss des Problems und wirkt der Stressor fortgesetzt und lang auf jemanden ein, kann dies zu einer Erschöpfungsphase führen, ohne dass eine Lösung gefunden wird. 204

Stress kann sich auf fünf verschiedenen Ebenen auswirken, nämlich im Wahrnehmen und Denken, in den Gefühlen, im vegetativ-hormonellen System, in der Reaktion der Skelettmuskulatur und im Tun. 

Wahrnehmung

Stress bewirkt, dass sich der Körper ausschließlich auf bestimmte Reize konzentriert. Die Folge einer Überforderung bemerkt man insbesondere im kognitiven Bereich zB durch eine Verschlechterung der Konzentration und Einschätzfähigkeit objektiver Umstände. Die Kreativität kann sich verringern. Darüber hinaus ist die Person leichter abzulenken. 205 Allgemein formuliert, bewirkt negativer Stress eine Herabsetzung der Leistungsfähigkeit. 

Gefühle

Vereinfacht formuliert, führt negativer Stress entweder zu Ärger oder Furcht. Daraus können bei längerer Einwirkung Krankheitszeichen wie höhere Bereitschaft zu Aggression, Selbstunsicherheit und Unzufriedenheit oder Depression entstehen. 

Vegetativ-hormonelles System

Stress bewirkt die Freisetzung von so genannten Stresshormonen, wie Adrenalin oder Noradrenalin. 206 Diese bewirken körperliche Symptome, nämlich höheren Puls, Übelkeit, Schwitzen etc. Eine fortwährende negative Einwirkung von Stress kann diverse körperliche Beschwerden hervorrufen: Magengeschwüre, Bluthochdruck, dauernde Müdigkeit und viele mehr. 207

Vgl Weinert, Organisationspsychologie – ein Lehrbuch4 (1998) 234. Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 235. 205 Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 (2007) 23. 206 Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 24. 207 Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 25. 203 204

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Muskelapparat

Eine Überforderung führt zu einer muskulären Anspannung, welche in Kopfschmerzen, in Stammeln, in eine unkontrollierte Gestik etc münden kann. 208 Als Langzeitfolgen können chronische Verspannungen und Schmerzen auftreten. 209 1.2.2

Berufliche Stressoren

Wird Arbeit negativ bewertet, wird sie als Stress empfunden. 210 Im Zuge der vierten europäischen Erhebung der Arbeitsbedingungen gaben 22,3% der Befragten an, an berufsbedingtem Stress zu leiden. 211 Dabei wird zwischen folgenden beruflichen Stressoren unterschieden: 

Umwelteinflüsse

Lärm, Hitze oder Schmutz können erheblichen Stress verursachen. 

Arbeitsaufgaben

Eine Arbeitsaufgabe kann sich beispielsweise bei geringer Arbeitskomplexität, bei geringem Handlungsspielraum, bei Rollenkonflikten, bei quantitativer Überlastung oder bei Unterforderung zu einem beruflichen Stressor entwickeln. 212 

Einflüsse auf der Gruppenebene

Schlechte Kommunikation, fehlende soziale Unterstützung, aber auch unprofessionelles Führungsverhalten 213 bilden die sozialen Stressoren. Mobbing selbst stellt eine Extremform sozialer Stressoren dar. 

Einflüsse der Organisation

Unter Stressoren in der Organisation eines Betriebes fallen ablauforganisatorische Probleme, Kooperations- und Zeitzwänge, schlechtes Betriebsklima, überfordernde Technologie und suboptimaler Managementstil. 

Einflüsse auf extraorganisatorischer Ebene

Wie bereits erwähnt, können auch außerbetriebliche Belastungen zu Stress bei der Arbeit führen. Dazu zählen etwa Arbeitsplatzunsicherheit, schlechte Lebensqualität und Probleme in der Familie. 214 Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 28. Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 29. 210 Vgl Kirchler/Hölzl, Arbeitsgestaltung in Organisationen (2002) 93. 211 Vgl Parent-Thirion/ Fernández/Hurley/Vermeylen, Vierte europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 68. 212 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 152; 213 Unprofessionelles Führungsverhalten zeichnet sich aus durch unzureichende Führung, Desinteresse, keine Unterstützung, übermäßig starke Forderung nach Effizienz und Produktivität, erhöhte bzw ausschließliche Aufmerksamkeit auf Fehler; siehe Näheres bei Weinert, Organisationspsychologie4 237 ff. 214 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 152. 208 209

29

In Bezug auf den Umgang mit beruflichen Stressoren gibt es individuelle Unterschiede. Alter und Geschlecht spielen dabei genauso eine Rolle wie die Persönlichkeit oder die Arbeitserfahrung der jeweiligen Person. 215

Interessant ist, dass eine hohe Belastung nicht als Stress empfunden wird, wenn die betroffene Person einen hohen Grad an Eigenständigkeit in ihrer Arbeit besitzt und wenig Kontrolle unterworfen ist oder wenn sie sich auf ein soziales Netz stützen kann. Unter dem zweiten Punkt wird das Ausmaß an emotionaler und instrumenteller Hilfe durch das soziale Umfeld verstanden. 216 Die Konsequenzen einer Überforderung mit beruflichem Stress können sich auf verschiedenste Art und Weise auswirken. 217 Sie können auch in Mobbing enden. Mobbing kann somit sowohl Ursache als auch die Folge von Stress sein. 218 2.

URSACHEN VON MOBBING

Die wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Ursachen von Mobbing sind rar. Eine rückblickende Betrachtung dieses Phänomens kann die wahren Gründe für dessen Entstehung auch nur schwer feststellen, weil sich Mobbing tendenziell schleichend entwickelt. 219 Eine Befragung der Opfer einerseits und der Beobachter anderseits brachten zumeist unterschiedliche Ergebnisse.

Anlehnend an die Stressmedizin wird davon ausgegangen, dass sich Mobbing aus erhöhtem Stresspotential entwickelt. 220 Dabei handelt es sich in der Regel um mehrere Stressoren, die sein Entstehen und seinen Verlauf beeinflussen. Mobbing kann daher als ein „multikausales Phänomen“ betrachtet werden. 221 Leymann geht davon aus, dass die Ursachen von Terror am Arbeitsplatz rein betrieblicher Natur sind. Er teilt sie in drei Gruppen ein, nämlich in → die Leitung der Arbeit, → die Organisation des Betriebes und

Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 237. Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 153; Leymann, Mobbing13 135. 217 Siehe Näheres zu den Konsequenzen bei Weinert, Organisationspsychologie4 237. 218 Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 118. 219 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 69. 220 Vgl Leymann, Mobbing13 133. 221 Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 56. 215 216

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→ die Gestaltung der Arbeitsaufgaben. 222 Seine Struktur wird in der Literatur zu Mobbing grundsätzlich übernommen. Zum Teil wurden auch Versuche unternommen, Opfer/Täter-Profile zu erstellen, bzw wurde das Gruppenverhalten bei Mobbing untersucht. 223 2.1

Führungsstil

Dem Leiter eines Betriebes obliegt eine große Verantwortung im Hinblick auf Entstehung bzw Verhinderung von Mobbing. 224 Dieser Ansicht nach könnte behauptet werden: „Alles steht und fällt mit dem Chef.“ Dieser sollte konsequent, aber nicht zu fordernd sein, seine Aufmerksamkeit nicht auf Fehler richten und seinen Mitarbeitern Unterstützung und Interesse entgegenbringen. 225 

Autoritärer Führungsstil

Wissenschaftlich erwiesen ist inzwischen, dass ein autoritärer Vorgesetzter, der dem Einzelnen wenig Handlungsspielraum lässt und aufkeimende Konflikte ignoriert oder brutal niederhält, unökonomisch für einen Betrieb ist. Er bedingt sinkende Arbeitszufriedenheit und Demotivation. Die Probleme verschwinden nicht, sondern werden unterschwellig ausgetragen. Es fehlt an jeder Art von Kommunikation und Konfliktlösungsmöglichkeit. 226 

Laisser-faire- Stil

Umgekehrt führt auch eine zu schwache Leitung, von der keinerlei Anweisungen kommen und auch keine Fehler korrigiert werden, zu Unklarheiten über die jeweiligen Kompetenzen, mangelnder Strukturierung, Konkurrenzkämpfen um die Führung und Überforderung Einzelner. 227 

Sonderfall „verordnetes“ Mobbing

In vielen Fällen wird Mobbing von „ganz oben“ verordnet, um sich auf – wie fälschlicherweise geglaubt wird – kostengünstige Weise überschüssiger Mitarbeiter zu Vgl Leymann, Mobbing13 133. Siehe zB bei Honsa/Paasch, Mobbing und sexuelle Belästigung im öffentlichen Dienst 34 ff. 224 Vgl Leymann, Mobbing13 137. 225 Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 241. 226 Vgl Leymann, Mobbing13 137; Vartia, The sources of Bullying – Psychological work environment and organizational climate, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 203 (211); Kolodej, Mobbing2 62 ff; Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 57; Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (14). 227 Vgl Kolodej, Mobbing2 63. 222 223

31

entledigen. 228 Führungskräfte werden beauftragt, ausgesuchte Mitarbeiter so lange zu mobben, bis diese von selbst kündigen. Diese Form von strategischem Personalabbau wird Bossing genannt und ergibt sich oft aus der Notwendigkeit eines Stellenabbaus.229 2.2

Organisation der Arbeit

Ursachen in der Organisation der Arbeit können häufig auf ein falsches Management der Betriebsleitung zurückgeführt werden. Konkret können folgende organisatorische Mängel das Auftreten von Mobbing bedingen, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist: 

Mangelnde Transparenz der Arbeitsorganisation

Mangelnde Transparenz liegt vor, wenn Rollen, Arbeitsaufgaben und Aufstiegsmöglichkeiten nicht klar definiert sind. 230 Unklarheiten über den Umfang der Tätigkeit einer Person können zu

Kompetenzüberschreitungen

führen.

Rivalitätskonflikte

betreffend

Macht

und

Verantwortung sind die Folge. Bei unnachvollziehbaren Aufstiegswegen versuchen Mitarbeiter, sich selbst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem sie sich an den zum Zug Gekommenen oder auch an dessen Beförderer rächen, wobei die dafür genutzten Strategien bis hin zum Mobbing reichen können. 231 

Mangel an ethischen Werten und Normen

Mobbing kann nur dort entstehen, wo es nicht als Eingriff in die Menschenwürde gesehen und daher toleriert wird.232 

Fehlende Kommunikations- und Konfliktkultur

Mitarbeiter benötigen Informationen, um ihre Aufgaben gut erfüllen zu können. Eine gute Kommunikation innerhalb der Belegschaft führt zu einer höheren Arbeitszufriedenheit. 233 Umgekehrt wird eine Person ohne soziale Unterstützung angreifbarer für etwaige Mobber. 234 Werden Konflikte nicht aufgegriffen, wachsen sie im Verborgenen weiter; Mobbing kann entstehen. 235

Vgl Heidenreich, Kostenfaktor Mobbing – Wie Manager Ursachen erkennen und erfolgreich vorbeugen (2007) 44. 229 Vgl Heidenreich, Kostenfaktor Mobbing 30. 230 Vgl Kolodej, Mobbing2 58. 231 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 70. 232 Vgl Kolodej, Mobbing2 59. 233 Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 237. 234 Vgl Leymann, Mobbing13 139. 235 Vgl Leymann, Mobbing13 137. 228

32



Wettbewerbsförderndes System

Wettbewerb fördert Neid und Rivalität. 236 In der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland wurde Konkurrenz von den Befragten als ein Hauptgrund für das selbst erlebte Mobbing angegeben. 237 

Geringer Handlungsspielraum und Einflussmöglichkeiten des Einzelnen

Betriebe, in denen eine strenge Hierarchie herrscht, sind geprägt von Fremdbestimmtheit und Kontrolle. Eine fehlende Autonomie führt zu Unzufriedenheit und wirkt sich negativ auf das Arbeitsverhalten aus. 238 

Gezwungene Zusammenarbeit

Die inzwischen unabkömmliche Form der Arbeitsteilung in Betrieben sorgt für eine Abhängigkeit der Mitarbeiter untereinander. Konflikte werden nicht ausgetragen, da sie ein zu großes Risiko für die Zusammenarbeit darstellen. Da sie nie gelöst werden, wachsen sie im Verborgenen weiter und können zu einer Ursache für Mobbing werden. 239 2.3 

Gestaltung der Arbeitsaufgaben Überbelastung

Überforderung am Arbeitsplatz wirkt sich negativ auf das kommunikative und soziale Verhalten gegenüber den Mitarbeitern und Kollegen aus. Unter einer qualitativen Überforderung wird ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen von außen und den persönlichen Möglichkeiten verstanden. Eine quantitative Überbelastung stellt eine mengenmäßige Überforderung dar.240 

Unterforderung

Empirisch wenig belegt war bisher die Annahme von Leymann, dass es „Mobbing aus Langeweile“ gibt. 241 Vartia, die in Finnland eine Studie zum Thema Mobbing durchgeführt hat, glaubt, dass die befragten Opfer diesen Aspekt als Quelle von Mobbing nicht beurteilen

Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 69. Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 126. 238 Vgl Kolodej, Mobbing2 57. 239 Vgl Zapf/Knorz/Kulla, On the relationship between mobbing factors and job content, social work environment and health outcomes, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 214 (231); Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 69. 240 Vgl Kolodej, Mobbing2 64. 241 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (15). 236 237

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können, und dass deswegen Unterforderung nicht als Mobbinggrund genannt wird. 242 In der Stressforschung wird quantitative und qualitative Unterforderung 243 , aus der Langeweile, sinkende Motivation und Apathie resultieren, aber sehr wohl als ein Stressor gesehen. 244 Zu einer quantitativen Unterforderung kommt es bei Monotonie. Darunter versteht man einförmige Arbeitsvorgänge oder Arbeit unter reizarmen Umweltbedingungen, wie zB die Fließbandarbeit. 245 Bei dieser Art von Tätigkeit hat der Arbeitnehmer auch keine Zeit, sich um soziale Kontakte zu kümmern. Ohne soziales Netz ist er aber wiederum leichter angreifbar. 246 Mitarbeiter, die qualitativ unterfordert sind, besitzen bei weitem höhere Fähigkeiten, als die Arbeit von ihnen abverlangt. 247 Dies könnte auf viele Mitarbeiter des öffentlichen

Dienstes

zutreffen.

Ist

die

Unterforderung

außerdem

mit

wenig

Selbstbestimmung kombiniert, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Stressreaktion – wie zB Mobbing – sehr groß. 248 In der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland wurden Monotonie und Langeweile von jedem zehnten Betroffenen als Mobbinggrund angegeben. 249 2.4 

Mögliche Täterprofile Mobbing aus Neid

Neid wurde von Betroffenen häufig in diversen empirischen Studien 250 als Mobbingursache genannt.

Dieser

negative

Gefühlszustand

resultiert

meist

aus

einem

niedrigen

Selbstwertgefühl. Selbstwert ist die „generalisierte Bewertung des Selbst“. 251 Ist ein Kollege in einem Bereich, der für einen anderen von hoher Bedeutung ist, leistungsmäßig überlegen und wird deswegen vom Vorgesetzten vielleicht auch noch übermäßig gelobt, lässt dies den Selbstwert des jeweilig Unterlegenen sinken.

252

Eine Selbstwertbedrohung wird als

unangenehm empfunden. Um wieder ein Gleichgewicht herzustellen, kann die betroffene Person entweder die empfundene Wichtigkeit der Arbeit, die Nähe zu dem Überlegenen oder dessen Leistung verringern. Der Stellenwert, den der Job für eine Person hat, ist schwer zu verändern. Die Nähe zu einem Kollegen kann beendet werden, indem darauf hingewirkt wird, Vgl Vartia, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 203 (212). Vgl Leymann, Mobbing13 134. 244 Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 240. 245 Vgl Schmale, Psychologie der Arbeit2 (1995) 196. 246 Vgl Leymann, Mobbing13 138. 247 Vgl Kolodej, Mobbing2 64. 248 Vgl Kolodej, Mobbing2 64. 249 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 125. 250 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, der Mobbing-Report6 111 ff; Vartia, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 203 (213). 251 Gerrig/Zimbardo, Psychologie18 (2008) 532. 252 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (17). 242 243

34

die überlegene Person aus der Abteilung oder Firma zu entfernen. Die Leistung des Überlegenen kann insofern herabgesetzt werden, als Gerüchte in die Welt gesetzt werden oder - im Fall eines mobbenden Vorgesetzten - organisatorische Maßnahmen gegen die betreffende Person getroffen werden. Mobbing aus Neid kann daher als eine Strategie der Selbstwertstabilisierung gesehen werden. 253 

Frustration

Frustration tritt auf, wenn sich eine Person bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse bedroht oder gehindert fühlt. Diese Frustration kann nach der „Frustrations-Aggressions-Theorie“ in Aggression münden. Das Opfer als Ziel der Aggression muss nicht die Ursache der Frustration sein. 254 

Angst

Aus

verschiedensten

Technologisierung

255

Gründen



wie

die

Wirtschaftskrise,

oder die Privatisierungswelle im öffentlichen Dienst

die 256

zunehmende

– herrscht in der

heutigen Zeit eine große Arbeitsplatzunsicherheit. Niemand – unabhängig davon, ob im öffentlichen oder privaten Bereich tätig – scheint vor einem Stellenabbau sicher zu sein. Damit wird der Druck auf die Arbeitnehmer zunehmend vergrößert. Die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes kann dazu führen, dass eine Person – aus Unfähigkeit mit einem derartigen Stress umzugehen – Mobbing betreibt. 257 Die Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland zeigt auf, dass in etwa einem Drittel der Betriebe, in denen Mobbing aufgetreten ist, große Angst vor einem Arbeitsplatzverlust durch Umstrukturierung herrscht. 258 

Machtbesessenheit

Machtbesessene Vorgesetzte neigen zu Perfektionismus, Arroganz und narzisstischem Verhalten. Sie bevorzugen unkritische Mitarbeiter, denen sie ihre Aufgaben delegieren können. Konflikte werden ignoriert, es sei denn, ein anderer kann zum Sündenbock gemacht

Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (18); Vgl Kolodej, Mobbing2 68; siehe Näheres zur Selbstwerterhaltungstheorie nach Thesser bei Herkner, Lehrbuch Sozialpsychologie2 (2003) 370 ff. 254 Vgl Kolodej, Mobbing2 69. 255 Vgl Weinert, Organisations- und Personalpsychologie5 4. 256 Vgl Esser/Wolmerath, Mobbing – Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung7 (2008) 40. 257 Vgl Vartia, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 203 (212). 258 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 125. 253

35

werden. Ein solch verwerflicher Charakter kann sich aus der Sicht der Untergebenen zu einem richtigen Tyrannen entwickeln. 259 

Persönliche Antipathien

Auch persönliche Antipathien können eine Ursache für Mobbing sein. 260 

Mobbing aus Rache

Einen klassischen Grund für Mobbing aus Rache stellt eine Kränkung durch eine einseitig beendete Liebesbeziehung dar. 261 2.5 

Die Gruppendynamik und Mobbing Sündenbockphänomen

Mit dem Sündenbockphänomen versuchten Anfang der 90er Jahre Psychologen, allen voran Hovland und Sears, die Lynchjustiz in den Südstaaten Amerikas zu erklären. Anlehnend an die „Frustrations-Aggressions-Hypothese“ nahmen die beiden Psychologen an, dass in härteren Zeiten ein erhöhtes Niveau an Frustration entstehe und dieses in Form von Aggression – nicht unbedingt gegen den Auslöser der Frustration – abgebaut werde.

Angewendet auf das Arbeitsverhältnis bedeutet das Sündenbockphänomen, dass eine Belegschaft unter starkem Druck – durch einen autoritären Vorgesetzten – strenge Regeln aufbaut, um reibungslos zu funktionieren. Ein Außenseiter wird entweder unterdrückt oder ausgeschlossen. Anstatt effektive Mittel gegen die eigentliche Ursache – den Vorgesetzten – zu finden, wird ein schwaches Mitglied der Gruppe angegriffen. 262 

Phänomen der De-Individualisierung

Der Begriff der De-Individualisierung bzw Anonymisierung beschreibt die negative Veränderung, die ein Individuum erfahren kann, wenn es als Bestandteil einer Gruppe handelt. Die eigene Meinung und persönlichen Haltungen können in einer Gruppe verloren gehen. 263 Das Verhalten in der Masse kann entgegen der eigenen Identität nämlich unverantwortlich, unkontrolliert und aggressiv werden. 264 Die Bedingungen, die zur Anonymisierung führen Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (19); Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 69. 260 Vgl Kolodej, Mobbing2 70. 261 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (17). 262 Vgl Leymann, Mobbing13 140. 263 Vgl Kolodej, Mobbing2 77. 264 Vgl Herkner, Sozialpsychologie2 486. 259

36

können, sind verschieden und können nicht durchwegs auf eine Arbeitsgruppe angewendet werden, wie zB der Faktor der Anonymität. Eine mögliche Erklärung für Mobbing wäre es, dass durch eine Aufteilung der Verantwortlichkeit destruktive Verhaltensweisen gefördert werden – der Einzelne braucht sich weniger vor etwaigen Konsequenzen fürchten, da ein Verhalten oder eine Entscheidung nicht ihm allein zugerechnet werden kann. 265 Der Gruppendruck kann auch so stark sein, dass sich Einzelne nicht dagegen auflehnen wollen bzw können. 266 2.6

Mögliche Opferprofile

Leymann geht davon aus, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit des Opfers und Mobbing gibt. 267 Interessant ist, dass „Unbeteiligte“ dafür häufig das Wesen des Opfers als Ursache sehen. 268 Die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen konnten jedenfalls klarstellen, dass es kein typisches Mobbingopfer gibt. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass niemand vor Mobbing geschützt ist. Allerdings gibt es bestimmte Verhaltensweisen und Umstände, die den Mobbingprozess begünstigen können. 269 Diese wären zB folgende: 

Äußerung von unerwünschter Kritik

In der Repräsentativstudie gaben zwei Drittel der Befragten die Äußerung von unerwünschter Kritik als mögliches Motiv für Mobbing an.270 Kritik führt bei vielen Menschen dazu, dass sie sich in ihrer Kompetenz bzw ihrer Person angezweifelt fühlen und im (negativen) Feedback Konkurrenz oder Herabsetzung vermuten. Im Übrigen verursacht Kritik meist einen Aufwand, weil man sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen muss und Veränderungen herbeiführen soll. 271 

Leistungsbereitschaft und Gewissenhaftigkeit

Mobbingopfer beschreiben sich oft als gewissenhafter und leistungsbereiter, aber auch als kritischer gegenüber ihren Vorgesetzten als ihre Kollegen. 272 Leistungsbereite Mitarbeiter können sich ins Abseits stellen, einerseits, indem sie nicht der Masse folgen, andererseits, Vgl Herkner, Sozialpsychologie2 487; vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 76. Vgl Kolodej, Mobbing2 77. 267 Vgl Leymann, Mobbing13 141 ff. 268 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (15); Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 57. 269 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 120. 270 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 111. 271 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 131. 272 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (16). 265 266

37

indem sie ihre Motivation zur Schau stellen und auf ihren eigenen Vorstellungen beharren. Eine hohe Selbstüberzeugung, die auch nach außen hin gezeigt wird, kann einen Mitarbeiter auch zu einem Mobbingopfer machen. 273 

„Anderssein“

Mitarbeiter, die die Normen der Gruppe nicht teilen und dadurch nicht sozial integriert sind, sind leicht angreifbar. 274 „Anderssein“ kann beispielsweise bedeuten, dass sich eine Person aufgrund ihres Lebensstils, ihrer Nationalität, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts vom Rest der Gruppe abhebt. 275 Die neueste Studie in Österreich zu Mobbing im öffentlichen Dienst, stellt allerdings lediglich eine Betroffenheitsquote von 1-2% für Minderheiten fest. 276 Auch in der Repräsentativstudie geben weniger als 5% der Befragten „Anderssein“ (aufgrund der Nationalität oder sexuellen Orientierung) als Motiv für Mobbing an. 277 

Mangelnde Leistungsbereitschaft

Umgekehrt kann auch eine mangelnde Leistungsbereitschaft einen Anlass für Terror am Arbeitsplatz bieten. 278 

Selbstunsicherheit

Selbstunsichere, empfindsame und stille Menschen scheinen eher angegriffen zu werden als selbstbewusste. Personen mit geringem Selbstwertgefühl fühlen sich durch Tadel und Kritik sofort angegriffen und verletzt und reagieren dann aus Sicht der Kollegen mit unangemessenem Verhalten, das die mobbende Person wiederum bestärkt. 279

Generell kann aus diesen Aufzählungen abgeleitet werden, dass Menschen mit einer hohen sozialen Kompetenz, die in einer Gruppe anerkannt sind und die Fähigkeit besitzen, mit Konflikten umzugehen, eher in der Lage sind, Mobbing erst gar nicht entstehen zu lassen bzw dessen Ablauf zu durchbrechen. 280 Aus diesem Grund könnte man annehmen, dass neue

Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (17). Vgl Leymann, Mobbing13 140. 275 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 112. 276 Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 10. 277 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 111. 278 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 121. 279 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (15). 280 Vgl Meschkutat /Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 118. 273 274

38

Mitarbeiter, die sich erst in ein soziales Gefüge einordnen müssen, stärker gefährdet sind. 281 Von der deutschen Repräsentativstudie kann diese Annahme nicht bestätigt werden. 282 Lediglich ein Fünftel der befragten Betroffenen geben in der deutschen Repräsentativstudie an, sie seien „neu“ in der Abteilung gewesen. 283 2.7

Gegenüberstellung privates Arbeitsrecht und öffentlicher Dienst in Bezug auf Ursachen

In der Privatwirtschaft stellt ein Arbeitnehmer einen „personifizierten Wirtschaftsfaktor“ dar. Ziel eines Unternehmers ist daher, seine Mitarbeiter zur Erbringung von maximalen Leistungen

zu

veranlassen.

Instrumente

der

Kündigung

(in

den

Grenzen

des

Kündigungsschutzes) ermöglichen ihm, die Zahl seiner Mitarbeiter je nach Bedarf zu senken. Mithilfe des Arbeitsvertrages kann der Arbeitgeber innerhalb der gesetzlichen bzw kollektivvertraglichen Grenzen das Arbeitsverhältnis beweglich gestalten.

284

Aus den

Wesensmerkmalen eines privaten Arbeitsverhältnisses könnte man schließen, dass insbesondere Überforderung oder ein wettbewerbsförderndes System, aber auch eine schlechte Wirtschaftslage, charakteristische Ursachen von Mobbing sind.

Wesentliches Prinzip im öffentlichen Dienst hingegen ist die Gesetzmäßigkeit des Handelns der Bediensteten. Diese sollen die öffentlichen Aufgaben unbefangen und sachlich erfüllen. Gewährleisten soll diese Anforderungen der Bestandschutz. 285 Die Höhe ihres Gehalts bestimmt sich nach ihrer Ausbildung und ihrem Alter, anstatt nach ihrer Leistung. 286

Aus dem Wesen des öffentlichen Dienstes, insbesondere der Unkündbarkeit des Dienstverhältnisses, könnte man schließen, dass insbesondere Monotonie und gezwungene Zusammenarbeit charakteristische Ursachen für Mobbing sind. Aber auch die mit einer Ausgliederung einhergehenden Ängste hinsichtlich eines Arbeitsplatzverlustes oder einer Verschlechterung der Situation können eine für den öffentlichen Dienst typische Mobbingursache darstellen.

Vgl Heidenreich, Kostenfaktor Mobbing 41. Meschkutat /Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 75. 283 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 112. 284 Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 524. 285 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 524. 286 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 525. 281 282

39

2.8

Ergebnisse der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland – Motive von Mobbing und betriebliche Situation 287

Im Zuge der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland wurden Mobbingopfer aus den verschiedensten Berufsgruppen danach gefragt, welche Motive ihrer Ansicht nach zu Mobbing geführt haben. Die ersten zehn Nennungen waren folgende 288 : Motive für Mobbing

%

Äußerung von unerwünschter Kritik

60,1

Konkurrenz

58,9

Neid

39,7

Spannungen zwischen dem Vorgesetzten und dem Opfer

39,4

hohe Leistungsfähigkeit

37,3

Sündenbock

29,1

Arbeitsstil des Opfers

28,5

der Mobber wollte den Arbeitsbereich des Opfers übernehmen

24,8

angeblich nicht zufrieden stellende Leistungen des Opfers

23,3

neuer Mitarbeiter

22,1

persönlicher Lebensstil

17,7

Geschlecht

12,5

Aussehen

9,1

Nationalität

3,8

sexuelle Orientierung

2,3

sonstige Motive

28,2

keine Ahnung

7,9

Anzumerken ist, dass zur Frage nach den Ursachen ausschließlich gemobbte Personen befragt wurden. Es fehlt eine Einbeziehung der Meinung von Mitarbeitern, die in derselben Abteilung bzw im selben Betrieb arbeiteten. 289

Die betriebliche Situation zum Zeitpunkt des Mobbingprozesses hat sich wie folgt dargestellt: 290

Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 118. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 111; Schriftliche Mobbingbefragung 2001 (n = 1.317). 289 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 110. 290 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 124, schriftliche Befragung (n = 1.317). 287 288

40

%

Betriebliche Situation (Nennungen über 10%) das Arbeitsklima war schlecht

65,3

der Vorgesetzte war nicht gesprächsbereit

60,9

der Arbeitsalltag war gekennzeichnet von Termindruck, Stress und Hektik

55,1

es herrschten Unklarheiten in der Arbeitssituation bzw hinsichtlich Kompetenzen

55,0

wichtige Entscheidungen waren nicht nachvollziehbar (fehlende Transparenz)

50,3

es herrschten starre Hierarchien

46,4

der Vorgesetzte ging Konflikten eher aus dem Weg

42,2

es herrschte Arbeitsplatzunsicherheit

36,9

einzelne Abteilungen bzw Betriebsteile wurden umstrukturiert

32,5

es kam zu einem Wechsel des Vorgesetzten

27,5

dem Betrieb ging es wirtschaftlich schlecht

21,8

es wurden neue Technologien angeschafft

19,1

es kam zu einer Auslagerung von Arbeitsaufgaben bzw wurden diese an auswärtige

14,0

Firmen vergeben die Arbeitsaufgaben waren monoton und langweilig (Unterforderung)

3.

10,6

DIE PHASEN DES MOBBINGPROZESSES

Mobbing tritt nicht plötzlich auf, es entwickelt sich über einen längeren Zeitraum hinweg. Leymann teilt seinen Verlauf zunächst in vier, dann in fünf Phasen ein. 291 Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen allerdings, dass nicht jeder, der als Mobbingopfer zu sehen ist, alle Stufen durchläuft. Will die Personalverwaltung zB jemanden loswerden, dann beginnt der Mobbingprozess direkt mit Phase drei. Viele Betroffene wiederum kündigen „schon“ nach Erreichen der zweiten Phase. 292 Brinkmann zufolge ist ein Ausstieg bis zu Phase drei möglich. Seiner Ansicht nach ist der Phasenverlauf, wie ihn Leymann beschreibt, nur eine von vielen Möglichkeiten.

293

Esser und Wolmerath haben aufgrund der Kritik an Leymanns

Phasenmodell ein eigenes entwickelt, das aus der Vorlaufsphase, dem eigentlichen Mobbing und der Endphase besteht. 294 Der Mobbingverlauf sieht nach Leymann folgendermaßen aus: Phase I:

Der Auslöser

Phase II:

Übergang zu Mobbing

Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 237. Vgl Esser/Wolmerath/Niedl, Mobbing 18. 293 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 60. 294 Vgl Esser/Wolmerath, Mobbing7 33. Siehe Näheres zum Phasenmodell nach Esser und Wolmerath bei Esser/Wolmerath, Mobbing7 33 ff. 291 292

41

Phase III:

Rechtsbrüche durch Über- und Fehlgriffe der Personalverwaltung

Phase IV:

Stigmatisierende Diagnosen (später hinzugefügte Phase)

Phase V:

Ausschluss aus der Arbeitswelt. 295

3.1

Phase I – der Auslöser

Der Auslöser des Mobbingprozesses ist für gewöhnlich ein zeitlich kurzes Ereignis. In den meisten Fällen handelt es sich um einen arbeitsbezogenen Konflikt, das heißt, um eine Kontroverse auf sachlicher Ebene. 296 Entstehen können solche Streitigkeiten zwischen Kollegen auf derselben Ebene, aber auch zwischen dem Vorgesetzten und einem oder mehrerer seiner Mitarbeiter. 297 Charakteristisch für die erste Phase ist, dass in den meisten Fällen nur zwei Personen involviert sind. 298 Die Gegner stehen einander grundsätzlich ebenbürtig gegenüber, das heißt, es herrscht noch kein Gefälle von „Täter“ und „Opfer“. Statt einer Klärung des Konfliktes wird dieser umgangen. 299 Für den Begriff Konflikt gibt es eine Vielzahl von Definitionen. 300 Glasl, der für sein Modell „Stufen der Konflikteskalation“ bekannt ist, beschreibt einen sozialen Konflikt als - „eine Interaktion zwischen Aktoren, - wobei wenigstens ein Aktor - eine Differenz bzw Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw im Vorstellen und im Fühlen und im Wollen - mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, - dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will (beim entsprechenden Realisierungshandeln) - eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolgt.“ 301

Wichtig für das Bestehen eines sozialen Konfliktes ist es daher, dass die erlebten Widersprüche im eigenen Denken und Wollen bzw in den persönlichen Vorstellungen durch ein Verhalten nach außen getragen werden. 302 Glasl teilt Konflikte nach ihrer Reichweite ein,

Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 61. Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 59. 297 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 64. 298 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 59. 299 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 57. 300 Siehe Näheres zu den wichtigsten Konfliktdefinitionen bei Glasl, Konfliktmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte10 (2011) 13 ff. 301 Glasl, Konfliktmanagement10 17. 302 Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 17; zB durch Überzeugungs- oder Bekehrungsversuche. 295 296

42

das heißt, nach der Einstellung der Parteien zueinander. Dabei unterscheidet er drei verschiedene Konstellationen: 

Reibungskonflikt bzw „Issue-Konflikt“

Im Mittelpunkt von Reibungskonflikten stehen sachliche Themen. Die gegenseitigen Positionen der Konfliktparteien werden dabei nicht in Frage gestellt. Die Konfliktparteien streben höchstens eine Verbesserung bzw Klarstellung der eigenen Position an. 303 

Positionskampf

In einem Positionskampf ist wenigstens eine der Parteien mit ihrer Stellung unzufrieden. Es gilt vor allem, die eigene Position zu verändern. 

Systemveränderungskonflikt

In die Gruppe der systemverändernden Konflikte fallen all jene, die eine Gesamtveränderung der Betriebsorganisation zum Ziel haben, wobei sich diese auf eine ganze Branche auswirken kann. 304 Ein Konflikt kann auf verschiedene Art und Weise in Erscheinung treten. 305 

Formgebundener versus formloser Konflikt

Der formgebundene Konflikt ist charakterisiert durch die Anwendung vorhandener und anerkannter Mittel, wie zB die Einleitung eines Gerichtsverfahrens. Er verläuft somit in geregelter Gestalt. Beim formlosen Konflikt „erfinden“ die Parteien hingegen ihre Mittel. Diese werden zu einem eigenen Streitpunkt. 306 

Heißer versus kalter Konflikt

Ist die Stimmung zwischen den Konfliktparteien explosiv und für alle Außenstehenden erkennbar, spricht Glasl von einem heißen Konflikt. In einem kalten Konflikt werden die Streitpunkte nicht offen ausgetragen. Charakteristikum ist das ausweichende Verhalten der Konfliktparteien sowie eine Stimmung der Frustration und Desillusionierung. Der Kampf wird nur indirekt ausgetragen. 307 Glasl zufolge herrscht bei Mobbing im Allgemeinen eine

Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 72. Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 73. 305 Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 74. 306 Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 75. 307 Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 76. 303 304

43

Atmosphäre des kalten Konfliktes, womit auch erklärt wäre, warum es oft erst sehr spät aufgedeckt wird. 308

Konflikte haben einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung und die Gedanken der Konfliktparteien. Im Laufe der Zeit verlieren diese die Fähigkeit, Dinge objektiv zu betrachten. Die Sichtweise auf sich selbst und den Gegner wird einseitig und verzerrt, die Gedanken werden von Zwängen beherrscht. Der Gefühlszustand der Parteien ist zunächst geprägt von großer Ambiguität. In einem Moment wird der Gegner verstanden, im anderen abgelehnt. Schlussendlich überwiegen die negativen Gefühle gegenüber dem Gegner und die Parteien beginnen einander zu hassen. Sie konzentrieren sich mit der Zeit ausschließlich auf ihre (vermeintlichen) Interessen. Es werden Handlungen gesetzt, die nicht mit der Persönlichkeit der involvierten Personen übereinstimmen,

309

und das Verhalten der

Beteiligten wird von Mal zu Mal aggressiver und rücksichtsloser. 310 3.2

Phase II – Mobbing beginnt

Die zweite Phase ist charakterisiert durch systematische Anfeindungen über einen längeren Zeitraum. 311 Der Auslöser ist längst vergessen, von gleicher Machtverteilung zwischen den Beteiligten kann nicht mehr die Rede sein. Die Sachebene wird vernachlässigt, stattdessen werden persönliche Grenzen überschritten. 312 Der „Verlierer“ der einstigen Kontroverse wird immer stärker ins Eck gedrängt. Seine Kräftereserven schwinden, sein Selbstvertrauen wird zerstört, Stressreaktionen stellen sich bei ihm ein. Das Verteidigungsverhalten dieses Mitarbeiters wird für „Nichtbeteiligte“ immer auffälliger. 313 Er wird von den Kollegen immer mehr ausgegrenzt. Ein Rückkoppelungsprozess entsteht. 314 Ab dieser Phase nimmt sich eine Person ausschließlich als Opfer wahr und sieht sich plötzlich von ihrer ganzen Umgebung angefeindet. 315 Leymann teilt die in Phase zwei erstmals auftretenden Mobbinghandlungen in fünf Gruppen ein: 

Angriffe auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Gemobbten

Es zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen, mit anderen zu kommunizieren. In der Arbeitswelt ist Kommunikation außerdem wichtig, um (interne) Informationen zu erhalten

Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 90. Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 39. 310 Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 40. 311 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 59. 312 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 57. 313 Vgl Leymann, Mobbing13 61. 314 Vgl Kolodej, Mobbing2 75. 315 Vgl Glasl, Konfliktmanagement10 90. 308 309

44

und auszutauschen. Ein Angriff auf die Möglichkeit sich mitzuteilen, bewirkt einen auf den Betroffenen negativ einwirkenden Stress. 316 Angriffe auf die Kommunikationsmöglichkeiten können sich zB wie folgt gestalten: Der Betroffene wird ständig unterbrochen, angeschrien oder beschimpft; er ist Telefonterror, Drohungen, abwertenden Blicken, Bemerkungen und Gesten oder kontinuierlichem Meiden ausgesetzt.317 

Angriffe auf die sozialen Beziehungen des Gemobbten

Ein freundlicher und respektvoller Umgang unter den Kollegen hat eine positive Auswirkung auf den Umgang mit Stress im Beruf und auf die Arbeitszufriedenheit. 318 Das Gegenteil – Schikane am Arbeitsplatz – kann nach kurzer Zeit erhebliche negative Auswirkungen auf den Betroffenen haben. 319 Angriffe auf die sozialen Beziehungen des Gemobbten können folgendermaßen aussehen: Der Betroffene wird „wie Luft behandelt“ oder in ein abgeschottetes Büro gesetzt; die Kollegen lassen sich nicht ansprechen. 320 

Angriffe auf das soziale Ansehen des Gemobbten

Der Mensch strebt nach Wertschätzung und Anerkennung. Es ist daher einfach, jemanden zu quälen, indem dessen Selbstwertgefühl sukzessive zerstört wird. 321 Angriffe auf das soziale Ansehen können wie folgt aussehen: Es werden Gerüchte über den Betroffenen verbreitet, ohne dass der Betroffene diese mitbekommt; der Gemobbte wird lächerlich gemacht; die Arbeit wird falsch und in kränkender Weise beurteilt; sowie jede Form von sexueller Belästigung. 

Angriffe auf die Berufs- und Lebenssituation des Gemobbten

Der Beruf hat in der heutigen Gesellschaft einen hohen Stellenwert, er ist ein Faktor, über den sich Menschen definieren. Probleme am Arbeitsplatz wirken sich auf das subjektive Wohlbefinden und damit auch auf das Privatleben aus. Ein Angriff auf die Berufs- und Lebenssituation des Gemobbten liegt vor, wenn dem Opfer Arbeiten aufgetragen werden, die es offensichtlich qualitativ oder quantitativ über- bzw unterfordern, oder wenn ihm überhaupt keine oder kränkende Aufträge angewiesen werden.

Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 34. Vgl Kolodej, Mobbing2 44. 318 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 153. 319 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 34. 320 Vgl Kolodej, Mobbing2 44. 321 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 43. 316 317

45



Angriffe auf die Gesundheit des Betroffenen

Probleme in der Arbeit oder im Privatleben bewirken bei der betroffenen Person einen negativ einwirkenden Stress. Negative physische und psychische Auswirkungen sind die Folgen. Angriffe der mobbende Person können sich auch direkt gegen die Gesundheit des Gemobbten wenden. Unter Angriffe auf die Gesundheit des Gemobbten werden zB verstanden: Androhung und Ausführung schwerer oder auch leichter körperlicher Gewalt, sexuelle Übergriffe, Zwang zu gesundheitsschädlicher Arbeit und Sachbeschädigung. 322 3.3

Phase III, IV, V – Einschaltung der Personalvertretung, stigmatisierende Diagnosen und das traurige Ende

Früher oder später kommt der Zeitpunkt, in dem Mobbing aufgrund seiner Intensität und seiner Auswirkungen von der Personalverwaltung nicht mehr ignoriert werden kann, bzw die Personalverwaltung auf sein Vorhandensein im Betrieb aufmerksam wird (Phase III). 323 Sie versucht zu intervenieren, übernimmt meist aber die mittlerweile vorhandenen Vorurteile gegenüber der gemobbten Person. 324 Das Opfer ist psychisch schwer angeschlagen. Ihm wird die Schuld zugeschrieben und in der Konfrontation wird ihm meist mit Kündigung gedroht. Beim Versuch, den „Auffälligen“ loszuwerden, geschehen auch einzelne Rechtsbrüche. 325 Jede Handlung des Gemobbten wird beobachtet und dieser leistet keinen Widerstand mehr. 326

Aufgrund der schlechten physischen und psychischen Verfassung des Opfers sucht dieses ärztliche Hilfe auf. In vielen Fällen erkennen Ärzte und Psychologen aber nicht die Hauptursache allen Übels – die Arbeit. Fehldiagnosen werden gestellt. 327 Esser und Wolmerath betonen, dass das Wissen um Mobbing inzwischen stark angestiegen ist und dass Fehldiagnosen heutzutage eher die Ausnahme bilden (Phase IV). 328 Der Gemobbte ist physisch und/oder psychisch hart angeschlagen. 329 Abhängig von der Persönlichkeit des Betroffenen zeigen sich verschiedene Konsequenzen seiner ständigen Überforderung mit der Situation am Arbeitsplatz: Depression, Alkoholismus, Drogenkonsum, Fernbleiben vom Arbeitsplatz für einen unbestimmten Zeitraum, Selbstmord. 330 Die Chance, Vgl Kolodej, Mobbing2 45. Vgl Leymann, Mobbing13 62. 324 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 59. 325 Vgl Leymann, Mobbing13 62. 326 Vgl Leymann, Mobbing13 63 327 Vgl Litzcke/Schuh, Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz4 131. 328 Vgl Esser/Wolmerath, Mobbing7 33. 329 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 58. 330 Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 237. 322 323

46

sich im Berufsleben zu halten, wird immer geringer. 331 Wahrscheinlicher ist, dass das Mobbingopfer für einen unbegrenzten Zeitraum in Krankenstand gehen muss, fortlaufend versetzt wird, isoliert von den Kollegen Gelegenheitsarbeiten verrichten 332 oder gar in Frühpension gehen muss, 333 – kurz, das Opfer wird aus seinem gewohnten Arbeitsumfeld ausgestoßen, ohne dass auch nur irgendein ursächliches Problem gelöst wird (Phase IV). 334 3.4

Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem Mobbing-Report zu den Phasen des Mobbingprozesses Die häufigsten Mobbinghandlungen 335

%

Gerüchte, Lügen

61,8

falsche Bewertung der Arbeitsleistung

57,2

Verspottungen, Sticheleien

55,9

Verwehren von wichtigen Informationen

51,9

schwerwiegende, ungerechte Kritik an Arbeitsleistung

48,1

Ausgrenzung

39,7

als inkompetent hinstellen

38.1

Beleidigungen

36,0

Behinderung der Arbeit

26,5

Entziehung der Arbeit

18,1

Im Allgemeinen werden stets mehrere, verschiedene Mobbinghandlungen gesetzt. Dem Mobbing-Report zufolge sind es durchschnittlich fünf bis zehn. Meist findet sich eine Kombination aus Angriffen auf fachlicher und sozialer Ebene. 336

Vgl Leymann, Mobbing13 65. Vgl Leymann, Mobbing13 66. 333 Vgl Leymann, Mobbing13 67. 334 Vgl Leymann, Kein anderer Ausweg, in Leymann/Niedl, Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz, ein Ratgeber für Betroffene (1994) 59. 335 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 39; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 495). 336 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 40. 331 332

47

Mobbinghandlungen 337

Arbeiter

Angestellte

Beamte

Gerüchte, Unwahrheiten

67,7

58,6

55,4

Arbeitsleistung wird falsch bewertet

50,7

57,7

55,8

Sticheleien, Hänseleien

67,3

53,1

36,0

Verweigerung wichtiger Informationen

45,0

51,8

59,0

Arbeit wird massiv, ungerecht kritisiert

46,1

48,2

34,0

Ausgrenzung/Isolierung

30,1

42,2

36,0

man wird als unfähig dargestellt

33,1

35,8

37,7

Beleidigungen

37,7

33,5

29,2

Arbeitsbehinderung

26,2

27,1

15,2

Arbeitsentzug

22,9

16,7

18,6

Eine für die Beamten spezifische Mobbinghandlung ist offensichtlich die Verweigerung, wichtige Informationen weiterzugeben. Relativ gesehen seltener manifestiert sich Mobbing in der Statusgruppe der Beamten durch Handlungen wie Verspottungen und Sticheleien. 338 Häufigkeit 339

%

täglich

23,8

mehrmals in der Woche

32,3

mehrmals im Monat

26,0

seltener als mehrmals im Monat

17,9 Dauer 340

%

unter sechs Monate

35,5

sechs Monate bis unter ein Jahr

15,2

ein bis unter zwei Jahre

24,9

zwei bis unter drei Jahre

12,2

drei und mehr Jahre

12,2

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 45; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 463). 338 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 45. 339 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 49; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 467). 340 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 52; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 356). 337

48

In der Gruppe der Beamten ist die niedrige Zahl der Betroffenen von sehr häufig vorkommender Mobbinghandlungen – täglich bzw mehrmals pro Woche - auffällig. In dieser Statusgruppe tritt Mobbing in der Regel seltener als mehrmals im Monat auf. 341 Zu der Dauer von Mobbing konnten zwischen den einzelnen Berufsgruppen keine Unterschiede festgestellt werden. 342 Phase 343

% der Betroffenen, die Phase erlebt haben

Phase I – der Auslöser

73,3

Phase II – Mobbing beginnt

89,3

Phase III – der Fall wird offiziell

61,0

Phase IV – der Ausschluss

59,0

Interessant ist, dass gut ein Viertel der Betroffenen angibt, Phase eins nicht erlebt zu haben. Dieses Ergebnis belegt einerseits die These, dass der typische Phasenverlauf, wie Leymann ihn beschreibt, nicht auf jedes Mobbingopfer zutrifft. Anderseits kann daraus gefolgt werden, dass viele Betroffene erst das Mobbing an sich, also Phase zwei, wahrnehmen, bzw erst in dieser Phase die vorhandenen Stresseinwirkungen nicht mehr ignorieren können. Das Faktum, dass mit jeder weiteren Phase die Zahl der Betroffenen geringer wird, zeigt, dass es doch Betroffene gibt, die vorzeitig aus dem Prozess aussteigen. Immerhin mehr als die Hälfte erlebt jedoch den Ausschluss. 344

Die zweite Phase dauert gemäß den Ergebnissen des Mobbing-Reports mit durchschnittlich 12,7 Monaten am längsten. Danach läuft der Prozess relativ rasch weiter. Phase drei dauert im Durchschnitt 8,6 Monate, die letzte Phase 7,2 Monate. Bis nach einem einfachen Konflikt die Mobbingphase erreicht ist, dauert es ungefähr 9,1 Monate. Tatsächlich ist die Einschätzung der Dauer der Anfangsphasen schwierig, da der Betroffene oft lange Zeit erkennt, dass er Feindseligkeiten ausgesetzt ist. 345

Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 62. Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 63. 343 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 54; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 356) 344 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 54. 345 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 55. 341 342

49

Hierarchische Position 346

%

nur Vorgesetzter

38,2

Vorgesetzter und Kollegen

12,8

nur ein Kollege

22,3

Gruppe von Kollegen

20,1

nur Untergebene

2,3

weiß nicht / keine Angabe

4,2

Im skandinavischen Raum entwickelt sich Mobbing vorwiegend aus Konflikten zwischen Kollegen, die hierarchisch auf derselben Ebene stehen. 347 Im deutschsprachigen Raum findet sich hingegen häufiger jene Konstellation, in der Mobbing vom Vorgesetzten ausgeht. 348 Von Zapf wurden unterschiedliche Resultate in Schweden und Deutschland (schon vor Veröffentlichung des Mobbing-Reports) damit erklärt, dass im skandinavischen Raum kein derartig hierarchisches Gefüge herrscht wie in Österreich oder Deutschland. 349 Keine Divergenz in den Ergebnissen besteht hingegen in Fällen, in denen Vorgesetzte aufgrund von Konflikten mit ihren Unterstellten gemobbt werden, wobei diese Konstellation generell seltener auftritt. 350 Hierarchische Position 351

Arbeiter

Angestellter

Beamter

Vorgesetzter

53,5

50,2

58,3

ein Kollege

31,9

34,0

26,6

Gruppe von Kollegen

28,2

22,1

27,2

Untergebener

6,1

4,7

11,2

weiß nicht / keine Angabe

6,3

3,5

2,1

In der Gruppe der Beamten ist Mobbing durch Vorgesetzte offensichtlich etwas häufiger als in den beiden anderen Statusgruppen. Darüber hinaus ist die umgekehrte Konstellation –

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 65; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 495). 347 Vgl Niedl, Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz 52; Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (9). 348 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (9). 349 Vgl Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (10). 350 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 66; Zapf, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43/1999, 1 (10). 351 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 72; telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 495). 346

50

Mobbing der Untergebenen gegenüber ihren Vorgesetzten – in der Statusgruppe der Beamten weit häufiger als Mobbing unter der Gruppe der Angestellten oder der Arbeiter. 352 4.

FOLGEN VON MOBBING

4.1

Folgen von Mobbing für den Betroffenen

Mobbing stellt einen Stressfaktor für den Betroffenen dar, der zu einer Reaktion führt, die in der Fachsprache „Coping“ genannt wird. Unter Coping werden Strategien verstanden, die eingesetzt werden, um eine Bedrohung, die eine Person gegen sich wahrnimmt, zu beenden. 353 Der Gemobbte wehrt sich, ignoriert die Angriffe oder flüchtet. Wird dadurch das Mobbing aber nicht beendet, fühlt sich der Betroffene der Situation nicht mehr gewachsen. 354 Als

Folge

der

Überforderung

stellen

sich

Stresssymptome

ein:

Magendrücken,

Schlafstörungen, innere Unruhe, Depressionen etc. 355 Da Mobbing ein länger andauernder Zustand ist, können sich diese Stresssymptome zu chronischen Krankheitsbildern entwickeln. Mithilfe von Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch versuchen Betroffene, ihre Situation zu bewältigen. 356 Darüber hinaus leiden Mobbingbetroffene darunter, dass sie ständig – fast zwanghaft – über ihre Situation nachdenken müssen. Dieses Grübeln führt ebenfalls zu einer emotionalen Stresssituation, die den Körper erneut in einen Stresszustand versetzt – selbst dann, wenn der Betroffene in diesem Augenblick dem Mobbing gar nicht ausgesetzt ist. 357 Mit zunehmender Dauer des Mobbingverlaufs entwickelt sich aus den Stresssymptomen ein schwerwiegendes psychisches Problem, das sowohl auf soziale Nahebeziehungen als auch auf wirtschaftliche Errungenschaften Einfluss nimmt. 358 Selbst im Fall, dass der Betroffene der Mobbingsituation letztendlich entkommt (z.B. durch Kündigung), scheint er sich von dem erlebten Schicksal nie wieder gänzlich erholen zu können. 359

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass psychische Beeinträchtigungen nicht als Berufskrankheit anerkannt sind. Ein Opfer, das aufgrund von Mobbing arbeitsunfähig geworden ist, hat daher keinen Anspruch aus der Unfallversicherung, zB einer Versehrtenrente (vgl § 177 Abs 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, 360 im Folgenden

Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 73. Gebert/Rosenstiel von, Organisationspsychologie – Personen und Organisation5 (2002) 126. 354 Vgl Leymann, Mobbing13 108. 355 Vgl Leymann, Mobbing13 109. 356 Vgl Esser/Wolmerath, Mobbing7 42. 357 Vgl Leymann, Mobbing13 109. 358 Vgl Leymann, Mobbing13 113. 359 Vgl Leymann, Mobbing13 115. 360 ASVG BGBl 1955/189. 352 353

51

ASVG, § 92 Abs 3 Beamten- Kranken und Unfallversicherungsgesetz, 361 im Folgenden BKUVG, iVm Anlage 1 zum ASVG). 362 Auswirkung 363

%

ich war demotiviert

71,9

ich entwickelte starkes Misstrauen

67,9

ich wurde nervös

60,9

ich war verunsichert

60,0

ich habe mich zurückgezogen

58,9

ich fühlte mich ohnmächtig

57,7

ich habe innerlich gekündigt

57,3

es kam zu Leistungs- und Denkblockaden

57,0

ich zweifelte an meinen Fähigkeiten

54,3

ich war unkonzentriert bei der Arbeit

51,5

ich wurde gereizt/aggressiv

41,2

es traten vermehrt Fehler auf

33,5

ich fühlte mich schuldig/verantwortlich

25,0

es kam zu keinen Auswirkungen

1,3

361

B-KUVG BGBl 1967/200. Vgl OGH 10 ObS 105/04w JBl 2006, 468. 363 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 77; schriftliche Mobbingbefragung 2001 (n = 1.316) Mehrfachnennungen möglich. 362

52

Auswirkungen auf die private und familiäre Situation 364

%

Unausgeglichenheit

23,7

soziale Isolation

21,6

Streit in der Familie bzw Partnerschaft

19,7

allgemein belastet

16,6

finanzielle Probleme

15,4

Kraft- und Lustlosigkeit

13,9

Aggressivität

9,6

Thema Mobbing bestimmt Privatleben

9,6

Depressionen

9,3

Trennung vom Partner

8,1

Angst

6,7

Verminderung des Selbstwertgefühls

6,6

Schlafstörungen

5,8

Misstrauen

5,7

positive Effekte

5,2

Unzufriedenheit

4,6

kein Verständnis

4,3

erzwungener Umzug

2,9

Überforderung

2,7

sonstige

5,2

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 90; schriftliche Mobbingbefragung (n=920), Mehrfachnennungen möglich – offene Fragen.

364

53

Folgen 365

Gesamt

Arbeiter

Angestellte

Beamte

Krankheit wegen Mobbing

43,9

34,5

46,0

52,4

Krankheitsdauer mehr als sechs Wochen

20,1

14,4

19,9

22,2

freiwilliger Arbeitsplatzwechsel im Betrieb

30,8

20,4

35,8

20,7

eigene Kündigung

22,5

17,9

26,1

9,0

Kündigung durch Arbeitgeber

14,8

16,5

16,6

8,5

Arbeitslosigkeit

11,4

10,6

13,3

2,5

Erwerbsunfähigkeit / Frühpension

6,9

10,8

4,2

7,7

zwangsweise Versetzung

5,6

7,5

5,2

7,9

Bei einem Vergleich der Mobbingfolgen differenziert nach Status der Betroffenen fällt auf, dass Beamte vergleichsweise selten den freiwilligen Austritt aus dem Dienstverhältnis wählen und offensichtlich lieber in einen (langen) Krankenstand flüchten. 366 4.2

Folgen von Mobbing für den Arbeitgeber, volkswirtschaftliche Folgen

Mobbing hat nicht nur immense Auswirkungen auf den Betroffenen, sondern auch wirtschaftliche Nachteile für den Betrieb, in dem es auftritt. Diese Nachteile manifestieren sich in der Form von krankheitsbedingten Ausfällen, Qualitäts- und Produktionsrückgängen, Produktionsstörungen,

Versetzungen,

Kosten

für

Aushilfskräfte,

Kündigungen,

Neueinstellungen und Einarbeitungen, Verlust von qualifizierten Mitarbeitern und Imageschäden bei Kunden und in der Öffentlichkeit.367 Die konkreten Kosten sind dabei nur abschätzbar, da bestimmte Folgen von Mobbing – wie zB die fehlende individuelle Anstrengung – zahlenmäßig nicht erfassbar sind; sicher ist jedenfalls, dass sie immens hoch sind. 368

Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Folgen von Mobbing beträchtlich. Betroffen sind vor allem die Kranken- und die Pensionsversicherungsträger. Durch Mobbing entstehen zusätzliche

Kosten

für

medizinische

Behandlung,

Medikamente,

Psychotherapien,

Rehabilitationsmaßnahmen, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeits- und Frührente. Abgesehen davon entfallen Steuereinnahmen und Beitragszahlungen. 369

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 84; telefonische Befragung 2001 (n= 393), Mehrfachnennungen möglich – nur abgeschlossene Fälle. 366 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 85. 367 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 129. 368 Vgl Heidenreich, Kostenfaktor Mobbing 26. 369 Vgl Heidenreich, Kostenfaktor Mobbing 29. 365

54

Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, im Folgenden GÖD, geht davon aus, dass ein Mobbingfall durchschnittlich € 50.870,00 im Jahr kostet. 370 5.

MOBBINGPRÄVENTION UND -INTERVENTION

5.1

Präventionsmaßnahmen

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Mobbing sind enorm. Sie allein sollten auf Arbeitgeberseite Anreiz genug sein, diese Problematik nicht mehr länger auszuklammern, sondern – im Gegenteil – ein großes Augenmerk auf die Prävention von Mobbing zu legen. Diese bezieht sich auf Maßnahmen, die bewirken sollen, dass Mobbing erst gar nicht entsteht. 371

Die betriebliche Organisation – dh die Organisation der Arbeit, die Gestaltung der Arbeitsaufgaben und die Leitung der Arbeit – stellt einen wichtigen Faktor bei der Entstehung von Mobbing dar. Umgekehrt können daraus Erkenntnisse für die Mobbingprävention abgeleitet werden, um Mobbing erst gar nicht entstehen zu lassen. 372 Die betriebliche Organisation sollte demnach so gestaltet sein, dass sie ein gutes Arbeitsklima und arbeitsbezogene Kommunikation fördert, des Weiteren sollten die Mitarbeiter in der Lage sein, Probleme gemeinsam zu lösen. 373 

Leitung der Arbeit

Der Vorgesetzte sollte konsequent, aber nicht zu fordernd sein, seine Aufmerksamkeit nicht auf Fehler richten und seinen Mitarbeitern Unterstützung und Interesse entgegenbringen. Die Stressforschung hat – wie bereits erwähnt – herausgefunden, dass Belastungen mit Hilfe von sozialer Unterstützung geringer empfunden werden. Damit ist vorwiegend die Kollegenschaft gemeint. 374 Leymann zufolge hat eine Führungskraft für eine gute Kommunikations- und Konfliktkultur innerhalb der Belegschaft zu sorgen, damit die Arbeitsgruppe zu einer Einheit zusammenwächst. 375 Ziel einer jeden Betriebsleitung sollte es außerdem sein, dass das Kollegium – als an der Quelle des Geschehens sitzend – arbeitsorientierte Gespräche führt. Die Betriebsleitung kann dies erreichen, indem sie Verantwortung delegiert. Spüren die

Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing – Leitfaden zur Prävention und Intervention (2009) 36. 371 Vgl Kolodej, Mobbing2 149. 372 Vgl Kolodej, Mobbing2 150. 373 Vgl Leymann, Mobbing13 149. 374 Vgl Weinert, Organisationspsychologie4 237. 375 Vgl Vartia, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 203 (211). 370

55

Mitarbeiter, dass ihre Stimme zählt, werden sie auch dazu bereit sein, über Probleme im Betrieb und deren Lösung nachzudenken. 376 Zur Erlangung von Führungskompetenzen, insbesondere auch im Hinblick auf Konfliktlösung, ist es notwendig, dass Vorgesetzte in Seminaren oder Trainings geschult werden. 377 Zusätzlich sollten dem Management in- oder externe Berater zur Unterstützung zur Verfügung stehen, die dem Vorgesetzten zur Seite stehen und ihn bei der Erfüllung von auftretenden organisatorischen, fachlichen und menschlichen Aufgaben und Problemen stärken. 378 Diese speziell auf Führungskräfte ausgerichtete Beratung wird Coaching genannt.

379

Ein weiteres Hilfsinstrument für

Führungskräfte stellt die Supervision dar. Sie ist gleichzeitig ein Präventions- und ein Interventionsmittel.

380

Selbstreflexion“ verstanden.

Unter 381

dem

Begriff

Supervision

wird

„Anleitung

zur

Dabei werden mit Hilfe eines unparteilichen Dritten erlebte

Arbeitssituationen von neuem betrachtet, ihre Einflussfaktoren und deren Zusammenhänge analysiert und neue Perspektiven erarbeitet. Der Supervisor handelt als Begleiter oder Unterstützer. 382 Eine in Intervallen durchgeführte Evaluation kann den Vorgesetzten auf Probleme aufmerksam machen und bietet den Mitarbeitern außerdem die Möglichkeit, anonym ihre Meinung kundzutun. Entscheidend ist, dass aus der Befragung auch Konsequenzen gezogen werden. Ein Gespräch zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten dient der Klärung gegenseitiger Ansprüche und Erwartungen. 383 Eventuelle Unsicherheiten und Unklarheiten sollen dadurch beseitigt werden. 384 In diversen Dienstrechtsrechtsetzen findet sich die Verpflichtung zur jährlichen Führung eines Mitarbeitergesprächs (vgl zB § 45a BDG; § 5 VBG iVm § 45a BDG). 

Organisation der Arbeit

Die Organisation der Arbeit sollte durch Transparenz gekennzeichnet sein. Arbeitsplätze und –aufgaben müssen klar definiert und schriftlich festgehalten werden, um Missverständnissen und Rollenkonflikten vorzubeugen.

385

Des Weiteren sollte im Betrieb eine gute

Vgl Vartia, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 203 (209). Vgl Kolodej, Mobbing2 157. 378 Vgl Schreyögg, Management-Coaching im Kontext organisatorischer Veränderungen, in Pühl (Hrsg), Handbuch Supervision und Organisationsentwicklung3 (2009) 281. 379 Vgl Schreyögg in Pühl3 274. 380 Vgl Kolodej, Mobbing2 156. 381 Vgl Gotthardt-Lorenz, Supervision als Methode, in Pühl (Hrsg), Supervision und Organisationsentwicklung – Handbuch 32 (2000) 57. 382 Vgl Gotthardt-Lorenz in Pühl 59. 383 Vgl Kolodej, Mobbing2 164. 384 Vgl Kolodej, Mobbing2 165. 385 Vgl Prosch, Mobbing am Arbeitsplatz (1995) 115. 376 377

56

Kommunikations- und Konfliktkultur herrschen. 386 Verschiedene Sichtweisen und Probleme müssen offen ausgesprochen und Unstimmigkeiten ausgetragen werden (können). Es sollte außerdem im Vorhinein vereinbart werden, dass im Falle eines durch die Parteien nicht lösbaren Konfliktes Hilfe in Anspruch genommen wird, sei es durch Supervision, Moderation oder

Mediation.

387

Unternehmensstruktur

Dem

Einzelnen

sollte

Handlungsspielraum

gewährt

aufgrund und

einer

demokratischen

Verantwortung

übertragen

werden. 388 

Gestaltung der Arbeitsaufgaben

Die Arbeitsaufgaben sollten die Mitarbeiter weder unter- noch überfordern. 389 Dazu ist es notwendig, dass das Personal durch geschickte Einstellungspolitik nach bestimmten - auf den Arbeitsplatz zugeschnittenen Kriterien - eingestellt wird. Des Weiteren sollte dafür gesorgt werden, dass Mitarbeiter, zwischen denen ein Qualifikationsunterschied besteht, nicht gleichwertige Arbeit verrichten. Es sollte außerdem darauf geachtet werden, dass ein steter Personalmangel verhindert wird. 390 

Information und Aufklärung

Wichtige Instrumente der Mobbingprävention bilden Information und Aufklärung. Dadurch sollen die Mitarbeiter und Führungskräfte sensibilisiert werden, das Auftreten von Mobbing aktiv und rechtzeitig wahrzunehmen.

391

Zu diesem Zweck sind Schulungen und

Informationsveranstaltungen notwendig. 392 

Kontaktstelle für Betroffene

Die Mitarbeiter brauchen jemanden, an den sie sich im Falle eines Problems wenden können. Ein Vorgesetzter kann dafür ebenso wenig geeignet sein – weil er zB selbst integriert ist – wie andere Mitarbeiter. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es in einem Betrieb einen neutralen Ansprechpartner gibt, mit dessen Hilfe das Problem offiziell gemacht wird und

Vgl Kolodej, Mobbing2 58. Vgl Resch/Schubinski, Mobbing - Prevention and Management in Organizations, European Journal of work and organizational psychology 5/2/1996, 295 (301). 388 Vgl Kolodej, Mobbing2 57. 389 Vgl Kolodej, Mobbing2 149. 390 Vgl Prosch, Mobbing am Arbeitsplatz 117. 391 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 159. 392 Vgl Kolodej, Mobbing2 161. 386 387

57

Veränderungen geschaffen werden können. Eine Kontaktstelle dient sowohl als Präventionsals auch als Interventionsmaßnahme. 393 

Individuelle Prävention

Konflikte sind ein Teil des Arbeitsalltages. Niemand kann sich ihnen entziehen. Aus diesem Grund rät Kolodej die Aneignung von Kompetenzen im Umgang mit Konflikten, um die Fähigkeit zu erwerben, Unstimmigkeiten konstruktiv zu bereinigen. Auch eine Reflexion über den eigenen Beitrag zu einem Konflikt kann von Nutzen sein. 394 5.2

Interventionsmaßnahmen

Intervention bedeutet sinngemäß „Vermittlung, Einmischung“. 395 Ein frühzeitiges Entdecken kann im Fall von Mobbing bereits eine Lösung bedeuten. Aus diesem Grund ist es so wichtig, in einem Betrieb Mobbingbewusstsein zu schaffen. 396 5.2.1

Betriebliche Intervention

Dem Betrieb steht eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, Mobbing entgegenzuwirken. Das Ziel einer jeden Maßnahme sollte es sein, den Mobbingverlauf zunächst zu stoppen. 397

Mithilfe von Präventionsmaßnahmen soll Mobbing erst gar nicht entstehen bzw in seinen Anfängen bereits ans Tageslicht gebracht werden. Ist der Prozess noch nicht sehr weit fortgeschritten, sollte ein kompetenter Vorgesetzter – so er nicht selbst involviert ist – in der Lage sein, in den Konflikt bzw in das Mobbinggeschehen einzugreifen. Hierbei sollte der bisherige Verlauf betrachtet werden und eine Basis für einen neuen Umgang der Beteiligten miteinander geschaffen werden. 398 

Moderation

Mit Hilfe der Methode der Moderation wird es Arbeitsgruppen ermöglicht, gemeinsam ein Thema, einen Konflikt oder eine Aufgabe lösungsorientiert zu bearbeiten. Das System der Moderation erlaubt es, dass jeder seine Meinung einbringt. Der Moderator hat dabei die Funktion eines Begleiters 399 . Vgl Leymann, Mobbing13 151. Vgl Kolodej, Mobbing2 150. 395 Kraif, Duden – das Fremdwörterbuch V9 (2006) 471. 396 Vgl Leymann/Niedl, Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz 82. 397 Vgl Leymann/Niedl, Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz 81. 398 Vgl Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing2 122. 399 Vgl Kolodej, Mobbing2 134. 393 394

58



Supervision

Ist der Mobbingverlauf weit fortgeschritten, sollte dem Betroffenen eine Einzelbetreuung zur Verfügung gestellt werden. 400 

Mediation

In der Mediation entscheidet nicht ein unparteilicher Dritter, sondern die Parteien selbst sollen in Eigenverantwortung eine Lösung für ihr Problem finden. 401 Dazu steht ihnen ein allparteilicher Dritter, der Mediator, zur Verfügung, der das Verfahren leitet. 402 Im Zentrum stehen nicht die einzelnen Positionen, sondern die dahinter liegenden Interessen. 403 Die klassische Mediation setzt Handlungsfähigkeit und ein Kräftegleichgewicht der Beteiligten voraus. 404 Aufgrund der Angeschlagenheit des Mobbingopfers ist die Anwendbarkeit von Mediation bei Mobbing – vor allem, wenn der Mobbingprozess schon längere Zeit andauert – jedoch fraglich. 405 

Schlichtungsverfahren

In einem Schlichtungsverfahren soll mit Hilfe einer Vertrauensstelle zwischen den Kontrahenten ein für alle tragbarer Kompromiss zur Klärung der Situation gefunden werden. Ist dies nicht möglich, wird von der Vertrauensperson eine Empfehlung an den Vorgesetzten und die Personalabteilung abgegeben. 406 

Organisationsentwicklung

Im Rahmen einer Organisationsentwicklung soll das gesamte soziale System einer Organisation „saniert“ werden. 407

Vgl Kolodej, Mobbing2 135. Vgl Montada/Kals, Mediation, ein Lehrbuch auf psychologischer Grundlage2 (2007) 24. 402 Vgl Montada/Kals, Mediation2 26. 403 Vgl Haynes, Mediation – Vom Konflikt zur Lösung (2004) 30. 404 Vgl Haynes, Mediation – Vom Konflikt zur Lösung 25. 405 Vgl Kolodej, Mobbing2 136; siehe Näheres zu Mediation bei Mobbing bei Kolodej, Mediation bei Mobbing, in Pühl (Hrsg), Mediation in Organisationen - neue Wege des Konfliktmanagements: Grundlagen und Praxis (2003) 80. 406 Vgl Kolodej, Mobbing2 146. 407 Schreyögg in Pühl3 275. 400 401

59

5.2.2 

Individuelle Intervention

Stressbewältigung

Jeder Mensch hat eine andere Art mit Stress umzugehen. Stress kann ignoriert werden, gegen seine Auslöser kann angekämpft oder es kann vor ihm geflüchtet werden. 408 Abhängig davon, für welche Art der Bewältigung sich der Betroffene im Fall von Mobbing entscheidet, variieren die Häufigkeit und Intensität der psychischen und physischen Folgeerscheinungen. In jedem Fall sollte das Opfer versuchen, durch entsprechende Erholung und Entspannung in der Freizeit seine Gesundheit zu schützen. 

Stärkung des Selbst

Mobbingangriffe vermindern das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung des Betroffenen. Aus diesem Grund ist eine Intervention in der Form eines freundschaftlichen Gesprächs, eines Selbstbewusstseinstrainings oder Stressmanagementtrainings anzuraten. 409 

Vermeidung von Isolation

Für Mobbingopfer besteht eine große Gefahr, im Laufe des Mobbingprozesses immer stärker isoliert zu werden. Dies geschieht einerseits durch die Umgebung, anderseits durch das Opfer selbst, das sich am Arbeitsplatz ständig von Feinden umringt sieht und sich niemandem anvertraut. Sind Kollegen oder Vorgesetzte nicht als Gesprächspartner geeignet, sollte sich der Betroffene an den Betriebsrat, die Personalvertretung oder eine im Betrieb eingerichtete Beschwerdestelle wenden. Steht im Betrieb kein Sprachrohr zur Verfügung, sollte der Mobbingbetroffene nicht zögern, Hilfe von außerhalb zu suchen, zB in der Form von Supervision, Coaching, Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe oder durch Aufsuchen einer Mobbingberatungsstelle. 410 Mobbingberatungsstellen finden sich ua bei der Arbeiterkammer, im Folgenden AK, dem ÖGB und der Gewerkschaft vida. 411 

Vermeidung voreiliger Kündigung

Eine Kündigung scheint – wenn der Mobbingverlauf schon zu weit fortgeschritten ist – oft die einzige Alternative für den Mobbingbetroffenen. Sie sollte dennoch nicht voreilig eingereicht werden, um nicht zusätzliche Nachteile zu erleiden.

Vgl Kolodej, Mobbing2 121. Vgl Kolodej, Mobbing2 122. 410 Vgl Kolodej, Mobbing2 123. 411 http://www.arbeitsinspektion.gv.at/AI/Gesundheit/Belastungen/030_mobbing.htm?pv=1&PV=1 (26. 08. 2011). 408 409

60



Therapeutische Intervention

Mobbing kann erhebliche Auswirkungen auf die physische und psychische Verfassung des Betroffenen haben. Eine Psychotherapie oder ärztliche Hilfe, die bis hin zu einem stationären Krankenhausaufenthalt reichen kann, ist oft unentbehrlich. 412 Rechtliche Interventionen Das Opfer sollte sich jedenfalls neben der therapeutischen Unterstützung auch rechtlichen Rat über seine Situation einholen. 413 Die rechtlichen Möglichkeiten des Opfers werden im folgenden Abschnitt C, Rechtsdogmatische Aspekte, untersucht. 

Beruflicher Neuanfang

Mobbing ist für den Betroffenen nicht selten mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden. Im Fall, dass das Opfer in der Lage ist, einer neuen Tätigkeit nachzugehen, sollte darauf geachtet werden, dass bei der Bewerbung nicht auf die Vergangenheit als Mobbingbetroffener eingegangen wird. 414 

Ratschläge für Betroffene

Kolodej gibt den Betroffenen folgende Ratschläge: -

„Schreiten Sie rechtzeitig ein, wenn sich ein Konflikt entwickelt. Warten Sie nicht zu lange ab und versuchen Sie, ein klärendes Gespräch zu führen!

-

Suchen Sie Bündnispartner und pflegen Sie ihr soziales Netz!

-

Klären Sie für sich, ob sich ein Kampf lohnt!

-

Setzen Sie Grenzen!

-

Nehmen Sie Hilfe in Anspruch (Freunde, Betriebsrat, Arzt, Psychologe)!

-

Klären Sie rechtliche Schritte ab!

-

Tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht, um nicht in Isolation zu geraten. Nehmen Sie bei Ihren Arbeitskollegen die unterschiedliche Konfliktbeteiligung wahr! 415

-

Verhindern Sie, dass Sie sich selbst durch Kurzschlussreaktionen wie das Setzen unbedachter Schritte oder die Unterzeichnung einer voreiligen Kündigung schaden!

-

Legen Sie ein Mobbingtagebuch an. Wenn Sie Vorkommnisse, Uhrzeit, Datum und Beteiligte genau notieren, kann das als Beweismittel wichtig sein!

Vgl Kolodej, Mobbing2 130. Vgl Kolodej, Mobbing2 125. 414 Vgl Kolodej, Mobbing2 131. 415 Kolodej, Mobbing2 131. 412 413

61

-

Stärken Sie ihre Eigenkompetenzen! Mobbing zielt darauf ab, Sie in Frage zu stellen. Was stärkt, ist gut!

-

Achten Sie verstärkt auf Ihre Gesundheit und sorgen Sie für Erholung und Entspannung!

-

416

Denken Sie darüber nach, ob es einen eigenen Anteil am Geschehen gibt!“ 416

Kolodej, Mobbing2 132.

62

C.

RECHTSDOGMATISCHE ASPEKTE

1.

VÖLKERRECHTLICHE EBENE

Die österreichische Verfassung kennt keine „sozialen Grundrechte“, unter die „gerechte oder würdige Arbeitsbedingungen“ fallen. Sie würden den Staat zu Schutzgesetzen im Zusammenhang mit Arbeit verpflichten. 417 Auf völkerrechtlicher Ebene hat sich Österreich allerdings zur Einhaltung von (zumindest vereinzelter) sozialen Grundrechten verbürgt. 418 Im Zusammenhang mit Mobbing spielen darüber hinaus auch einzelne klassische Abwehrrechte, welche ihren Eingang in die Verfassung gefunden haben, zumindest mittelbar eine Rolle. 1.1

Die Europäische Menschenrechtskonvention 419

Die Europäische Menschenrechtskonvention, im Folgenden EMRK, ist ein Produkt des Europarates, dem ua sämtliche Mitglieder der Union angehören. 420 Sie ist seit dem 03. 09. 1953 in Kraft und enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Österreich ist ihr am 03. 09. 1958

beigetreten.

Die

EMRK

wurde

in

die

österreichische

Rechtsordnung

als

Verfassungsgesetz aufgenommen. Ihr sind im Laufe der Zeit einige Ergänzungen durch vierzehn Zusatzprotokolle widerfahren.

421

Das 12. Zusatzprotokoll normiert einen

allgemeinen Diskriminierungsschutz hinsichtlich „des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status“ (vgl Art 1 Abs 1) bei der Ausübung von gesetzlich gewährleisteten Rechten. Es ist seit 01. 04. 2005 in Kraft, wurde in Österreich aber noch nicht ratifiziert. 422 Die einzelnen im Zusammenhang mit Mobbing relevanten Bestimmungen der EMRK werden unter Punkt C.3.2, verfassungsrechtliche Vorgaben, näher behandelt.

Bei Verletzungen gegen die Rechte der EMRK durch einen Mitgliedstaat kann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angerufen werden, welcher auch für Individualbeschwerden zuständig ist. 423 Notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit der

Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 49. Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 50. 419 EMRK BGBl 1958/210. 420 Vgl www.coe.int (17. 05. 2010). 421 Vgl Geppert, DRdA 2009/2, 83 (90). 422 Vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechts10 (2007) Rz 1353. 423 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention – ein Studienbuch5 (2012) § 9 Rz 1. 417 418

63

Individualbeschwerde ist, dass sämtliche innerstaatlich zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft wurden. 424 Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind für den jeweils betroffenen Mitgliedstaat bindend. 425 1.2

Die Europäische Sozialcharta 1961

Die Europäische Sozialcharta, im Folgenden ESC, ist ein Produkt des Europarates. 426 Sie ist völkerrechtlich seit 1965 wirksam und hat inzwischen drei Änderungen durch Zusatz- bzw Änderungsprotokolle erfahren. In Österreich ist sie seit 28. 11. 1969 427 in Kraft. Im Gegensatz zur EMRK, wurde sie aber als einfaches Gesetz mit Erfüllungsvorbehalt in die Rechtsordnung aufgenommen. 428 Die revidierte Europäische Sozialcharta, im Folgenden rev. ESC, ist seit 1999 völkerrechtlich wirksam. 429 In Österreich ist sie seit 01. 07. 2011 in Kraft. 430

Die Ziele der ESC sind in der Präambel festgelegt: → „Die Sicherstellung der Ausübung der sozialen Rechte ohne Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Religion, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft; → die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung in Stadt und Land durch geeignete Einrichtungen und Maßnahmen; → die Förderung des sozialen Wohls der Bevölkerung.” Die ESC kennt 19 verschiedene materielle Rechte, wobei die einzelnen Vertragsstaaten nicht alle Rechte als bindend anerkennen müssen. Art 3 ESC statuiert das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen. Art 15 normiert einen besonderen Schutz für behinderte Arbeitnehmer. 431 Sowohl Art 3 als auch Art 15 ESC wurden von Österreich in all ihren Absätzen als bindend anerkannt. 432

Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 2. Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 16 Rz 2. 426 Vgl Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 (2007) 44. 427 ESC BGBl 1969/460. 428 Vgl Geppert, 60 Jahre Menschenrechte „Soziale Sicherheit“ Umsetzung in Österreich und Europa, DRdA 2009/2, 83 (90). 429 Vgl Neubeck, Die Europäische Sozialcharta und deren Protokolle – Einfluss und Bedeutung der sozialrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta auf das deutsche Recht und auf das Recht der Europäischen Union (2002) 25. 430 Rev. ESC BGBl III 2011/112. 431 Vgl Neubeck, Die Europäische Sozialcharta 64. 432 Vgl ESC BGBl 1994/924 Anlage 2; www.coe.int (17. 05. 2010). 424 425

64

Mit der rev. ESC wurden weitere Rechte eingeführt, darunter auch das Recht auf Würde am Arbeitsplatz (Art 26 rev. ESC).

433

Die rev. ESC statuiert damit eine Verpflichtung zum

Schutz vor sexuellen Belästigungen (Abs 1) und vor Schikane am Arbeitsplatz (Abs 2). 434 Als Beispiele für Verhaltensweisen, die unter Abs 2 fallen, werden in den Erläuterungen der bewusste und ständige Ausschluss eines Arbeitnehmers von Besprechungen über die Organisation der Arbeit, die Nichtzuteilung von Arbeitsaufgaben, die bewusste und ständige Unterforderung etc genannt. 435 Art 26 rev. ESC verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, gesetzliche Regelungen zu schaffen, jedoch zumindest “alle geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Mitarbeiter zu schützen”. 436

Um die rev. ESC ratifizieren zu können, muss ein Mitgliedstaat zumindest sechs von neun Kernartikeln bzw 63 nummerierte Absätze erfüllen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erfüllt Österreich die Voraussetzungen für die Ratifizierung, da 73 nummerierte Absätze der rev. ESC mit der österreichischen Rechtsordnung konform gehen, wobei folgende Art vollinhaltlich umgesetzt sind: Art 1 (Recht auf Arbeit), Art 5 (Vereinigungsrecht), Art 12 (Recht auf soziale Sicherheit), Art 13 (Recht auf Fürsorge), Art 16 (Recht der Familie auf sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz) und Art 20 (Recht auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts).

Hinsichtlich des Rechts auf Würde am Arbeitsplatz gemäß Art 26 rev. ESC hat der Nationalrat befunden, dass Abs 1 der Bestimmung in Österreich durch das GlBG bzw das BGlBG (iVm § 43 BDG) und durch die Einrichtung der Gleichbehandlungsanwaltschaften ausreichend Genüge getan hat. Hingegen sei die Erfüllung von Art 26 Abs 2 rev. ESC nicht vollständig gewährleistet, zumal das GlBG bzw B-GlBG nicht alle Formen von Mobbing umfassen würde und auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgestellt werden müsste. Abs 2 wurde daher nicht ratifiziert. 437

Vgl Neubeck, Die Europäische Sozialcharta 81. Vgl Breitenmoser, Europarecht Band II – Binnenmarkt- und Außenwirtschaftsrecht der EG, Europäischer Grundrechtsschutz (EU, Europarat, OSZE) II2 (2002) §17 Rz 1690. 435 ErläutRV 1068 BlgNR 24. GP 16. 436 ErläutRV 1068 BlgNR 24. GP 15. 437 ErläutRV 1068 BlgNR 24.GP. 433 434

65

Weder die ESC noch die rev. ESC garantieren allerdings subjektive Rechte, auf die sich eine Privatperson beziehen könnte. Die in der ESC statuierten sozialen Grundrechte stellen daher lediglich eine völkerrechtliche Verpflichtung dar, 438 deren Einhaltung durch die Obliegenheit zur regelmäßigen Berichterstattung seitens der Mitgliedstaaten von einer Gruppe von unabhängigen Sachverständigen, dem Europäischen Ausschuss für soziale Rechte, überwacht wird. 439 Als stärkstes Durchsetzungsinstrument im Fall von Nichteinhalten der Pflichten steht dem Ministerrat des Europarates lediglich eine “individuelle Empfehlung” zur Verfügung. 440 Eine gerichtliche Kontrolle existiert nicht. 441 Die Möglichkeit einer Kollektivbeschwerde durch “nongovernmental” Organisationen und Koalitionen wurde in Österreich bis dato noch nicht ratifiziert.442 1.3

Sonstige internationale Verträge im Zusammenhang mit sozialen Grundrechten

Im Jahr 1972 wurde das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassischer Diskriminierung 443 in die österreichische Rechtsordnung, allerdings unter Erfüllungsvorbehalt, übernommen. Artikel 1 und 2 stehen im Verfassungsrang. Art 5 lit e (i) sieht das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen vor. Das Komitee für die Beseitigung von rassischen Diskriminierungen überprüft die Einhaltung des Übereinkommens (Art 9), wobei auch Einzelbeschwerden zulässig sind. 444 Im Jahr 1973 wurde das BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung erlassen. 445 Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 446 wurde am 16. 12. 1966 von den Vereinten Nationen verabschiedet 447 und im Jahr 1978 als einfaches Gesetz mit Erfüllungsvorbehalt in die österreichische Rechtsordnung übernommen.

448

Mit

Ratifizierung des Paktes hat sich Österreich zur Gleichstellung zwischen Männern und Frauen (Art 3), gerechten und günstigen Arbeitsbedingungen (Art 7), welche auch gesunde Arbeitsbedingungen mit einschließen (Art 7 lit b), sowie zu einer Gleichbehandlung, insbesondere im Zusammenhang mit der Abstammung (Art 10 Z 3), verpflichtet. Der Pakt

Vgl Breitenmoser, Europarecht II2 §17 Rz 1683. Vgl Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 45. 440 Vgl Neubeck, Die Europäische Sozialcharta 83. 441 Vgl Breitenmoser, Europarecht II2 §17 Rz 1714. 442 Vgl Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 45; www.coe.int (17. 05. 2010). 443 BGBl 1972/377 zuletzt geändert durch BGBl I 2008/2. 444 K BGBl III 2002/40. 445 BGBl 1973/390. 446 BGBl 1978/590. 447 Vgl VfGH 02. 07. 2009, B 559/08. 448 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 50. 438 439

66

gewährt dem Einzelnen aber keine subjektiven Rechte. 449 Er verpflichtet die Vertragsstaaten lediglich zur Vorlage von Berichten an den Ausschuss für Menschenrechte (Art 40 Abs 1). Die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau 450 ist ein Produkt der Vereinten Nationen und wurde im Jahr 1982 in die österreichische Rechtsordnung übernommen, wobei die ersten vier Artikel im Verfassungsrang stehen. Sämtliche Bestimmungen wurden jedoch unter Erfüllungsvorbehalt gestellt. 451 Art 11 verpflichtet Österreich zur Gleichstellung der Frau am Arbeitsmarkt. Die Einhaltung des Vertrages wird vom UN-Komitee für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau beobachtet (Art 17). Die Vertragsstaaten haben in periodischen Jahresabständen Berichte vorzulegen (Art 18). Beschwerden können auch von natürlichen Personen an das Komitee herangetragen werden (Art 2, Fakultativprotokoll). Österreich ist im Jahr 2008 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 452 beigetreten und hat damit die Verpflichtung zur Förderung, zur Protektion und zur Garantie der Menschenrechte von behinderten Menschen übernommen. Mit der Ratifizierung des Fakultativprotokolls hat Österreich darüber hinaus die Kompetenz des Monitoring Ausschusses für die Prüfung von individuellen Beschwerden gegen Verletzungen zuerkannt. Der Monitoring Ausschuss kann aber nur Empfehlungen abgeben. 453 Am 23. 12. 2010 wurde die Konvention von der Union ratifiziert. 454 2.

UNIONSRECHTLICHE EBENE

2.1

Primärrecht – Schutz vor Diskriminierungen

Als politischer Vorreiter der Berücksichtigung der sozialen Grundrechte im Unionsrecht kann die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer gesehen werden. Sie wurde am 09. 12. 1989 von 11 der damals 12 Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Großbritannien) der Union unterzeichnet und enthält 30 Artikel, die unter anderem die Gleichbehandlung der Geschlechter sowie die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit in der

Arbeitswelt

behandeln.

Gemeinschaftscharta

der

Ihr

fehlt

sozialen

allerdings

jegliche

Grundrechte

der

449

Bindungswirkung. Arbeitnehmer

Vgl VwGH 15. 12. 1999, 98/09/0208. BGBl 1982/443. 451 Vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 1361. 452 BGBl III 2008/155. 453 http://www.monitoringausschuss.at (23. 08. 2011). 454 http://www.un.org/disabilities/countries.asp?navid=12&pid=166 (14 .01. 2012). 450

67

Die

statuiert

Mindestanforderungen an die Mitgliedstaaten, denen grundsätzlich die Zuständigkeit über die Verwirklichung der sozialen Grundrechte obliegt. Einige Regelungen finden sich in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wieder und haben somit doch ihren verbindlichen Niederschlag gefunden. 455 Art 151 AEUV verweist in seinem Abschnitt X, Sozialpolitik, auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer. 

Schutz vor Diskriminierung in den Verträgen

Die Gleichstellung von Männern und Frauen gehört gemäß Art 8 AEUV zu den Grundprinzipien der Union. 456 Gemäß Art 19 Abs 1 AEUV kann der Rat einstimmig und unter der Voraussetzung der Zustimmung des Parlaments Maßnahmen treffen, „um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“. 457 Eine Kompetenzgrundlage des Rates und des Parlaments zur Festsetzung eines umfassenden Schutzes vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts findet sich darüber hinaus in Art 157 Abs 3 AEUV. 

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Am 07. 12. 2000 wurde die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ 458 , im Folgenden GRC, vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission kundgemacht.

Sie

beinhaltet

Grundrechte,

die

als

Ausdruck

gemeinsamer

Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und allgemeiner europarechtlich anerkannter Grundsätze stehen.

459

Die Entscheidung über ihre Verbindlichkeit wurde einstweilig

vorbehalten. Die GRC war zum Zeitpunkt ihres in Kraft Tretens rechtlich unverbindlich.

460

Mit dem Vertrag von Lissabon ist die GRC gemäß Art 6 EUV in ihrer Fassung vom 12. 12. 2007 Primärrecht geworden. 461 Die GRC ist dadurch die wesentliche Rechtsquelle der europäischen Grundrechte. 462 Die in ihr gewährleisteten Grundrechte sind verbindlich 463 und

Vgl Geppert, DRdA 2009/2, 83 (93). Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 66. 457 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 65. 458 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl C 2000/364, 1. 459 Vgl Vranes, Der Status der Grundrechtscharta der Europäischen Union, rechtliche Fragen und Optionen für die Zukunft, JBl 2003, 630 (633); siehe Näheres zur Unterscheidung von Grundrechten und Grundsätzen bei Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010) Art 6 EUV Rz 50 ff. 460 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 2. 461 Vgl Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU – Einführung mit Synopse2 (2008) 96. 462 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 6. 463 Siehe Näheres zur Verbindlichkeit der Grundrechte bei Jarass, EU-Grundrechte – ein Studien- und Handbuch (2005) § 3 Rz 3 ff. 455 456

68

- soweit sie als Rechte konzipiert sind - unmittelbar 464 anwendbar. 465 Darüber hinaus besitzen sie Vorrang gegenüber sekundärem und innerstaatlichem Recht. 466 Alle natürlichen Personen sind ab ihrer Geburt und unabhängig von ihrer Nationalität Grundrechtsträger. 467 Bestimmte Grundrechte stehen jedoch nur den Unionsbürgern zu. Privatrechts) werden nur vereinzelt erwähnt. die keine subjektiven Rechte enthalten.

469

468

Juristische Personen (des

Die GRC beinhaltet zum Teil nur Grundsätze,

470

Sämtliche Institutionen der Union, auch solche, die privatrechtlich konzipiert sind, aber von der Union beherrscht werden, haben die Grundrechte der GRC zu beachten. 471 Die Bindung gilt sowohl für hoheitliches als auch für privatrechtliches Handeln. 472 Die Anwendung der Grundrechte darf aber nicht eine Erweiterung der Zuständigkeiten der Union zur Folge haben. 473 Diese Einschränkung wirkt sich insbesondere bei jenen Grundrechten aus, aus denen sich Handlungspflichten ergeben. 474 Die praktische Anwendung mancher Grundrechte fällt aufgrund dessen eher bescheiden aus. 475 Die Verpflichtung zur Einhaltung der Grundrechte der Union besteht bei den Mitgliedstaaten nur soweit, als sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts handeln, 476 dh Verordnungen anwenden, Richtlinien umsetzen,

etwaige

Ergänzungs-

und

Ausführungsnormen

erlassen

oder

Einzelfallentscheidungen im Bereich der Verwaltung fällen. 477 Adressaten sind nicht nur die Mitgliedstaaten selbst, sondern, als Folge der unmittelbaren Anwendbarkeit der Grundrechte, auch alle ihre Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen. 478 Privatpersonen zählen nicht zu den Grundrechtsadressaten. Eine Bindung könnte nur im Wege der nationalen Umsetzung oder deren Auslegung in Betracht kommen. 479

Siehe Näheres zur unmittelbaren Anwendung von Grundrechten bei Jarass, EU-Grundrechte § 3 Rz 6. Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 6; vgl aber das Protokoll über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich, ABl C 2007/306, 156. 466 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 54; vgl aber das Protokoll über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich, ABl C 2007/306, 156. 467 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 51 Rz 35. 468 Vgl Kapitel V GRC. 469 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 51 Rz 35. 470 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 6. 471 Vgl Jarass, GRCh Art 51 Rz 3. 472 Vgl Jarass, GRCh Art 51 Rz 4. 473 Vgl Jarass, GRCh Art 51 Rz 7. 474 Vgl Jarass, GRCh Art 51 Rz 8. 475 Vgl Jarass, GRCh Art 51 Rz 9. 476 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 51 Rz 24. 477 Vgl Jarass, GRCh Art 51 Rz 15. 478 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 51 Rz 25. 479 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 51 Rz 25. 464 465

69

Die Prüfung, ob nationales Recht mit den Grundrechten der GRC vereinbar ist, obliegt allen Gerichten und Behörden (inzidente Kontrolle). Nationales Recht, selbst wenn es im Verfassungsrang steht, ist nicht anzuwenden, wenn es unmittelbar anwendbarem Unionsrecht widerspricht. 480 Selbst der Verfassungsgerichtshof, im Folgenden VfGH, dem gemäß Art 139, 140 und 140a B-VG die Kompetenz zu einem Normprüfungsverfahren zukommt, 481 ist nicht befugt, ein nationales Gesetz oder eine Verordnung aufzuheben, weil es dem Unionsrecht widerspricht, da dieses weder Gesetzesrecht noch Verfassungsrecht darstellt. 482 Bestehen Bedenken hinsichtlich der Interpretation eines unmittelbar anwendbaren Grundrechts, können Gerichte ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art 267 AEUV vor dem EuGH einleiten. Für höchstinstanzliche Gerichte besteht diesbezüglich eine Pflicht. 483 Widerspricht nationales Recht nicht unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, ist das nationale Recht trotzdem anzuwenden.

Dem Grundrechtsträger stehen im Hinblick auf grundrechtswidrige Gesetze keine nationalen Rechtsmittel

zur

Verfügung.

Die

Europäische

Kommission

kann

ein

Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 258 ff AEUV einleiten, wenn ein Mitgliedstaat ein Grundrecht der GRC verletzt.

484

Die in der GRC gewährten Rechte sind aber großteils

unmittelbar anwendbar und genießen in diesem Fall den Vorrang vor widersprechendem nationalem Recht. 485

Einzelfallentscheidungen im Rahmen der Verwaltung, die gegen die EU-Grundrechte verstoßen, sind rechtswidrig, soweit nicht eine grundrechtskonforme Auslegung möglich ist. 486 Gegen grundrechtswidrige Einzelfallentscheidungen, die sich auf grundrechtskonforme nationale Umsetzungsgesetze stützen, kann der Grundrechtsträger mit den Rechtsmitteln vorgehen, die ihm nach nationalem Recht gegen die jeweilige Entscheidung zustehen. 487 Der VfGH kann die Rechtsakte insbesondere wegen Willkür und denkunmöglicher Anwendung des Umsetzungsgesetzes aufheben. 488 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 69. Siehe Näheres zum Normenprüfungsverfahren bei Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 1001 ff. 482 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 195. 483 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 145. 484 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 73; siehe Näheres zum Vertragsverletzungsverfahren bei Thiele, Europäisches Prozessrecht (2007) 41 ff. 485 Vgl Klingenbrunner/ Raptis JRP 2008, 139 (143). 486 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 69. 487 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 71. 488 Vgl Klingenbrunner/ Raptis, JRP 2008, 139 (143). 480 481

70

2.2

Genauere Betrachtung der Grundrechte der GRC im Zusammenhang mit Mobbing

Art 1 GRC hält fest: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“ In der Erläuterung, die sich auf die Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 stützt, heißt es wie folgt: „Die Würde des Menschen ist nicht nur ein Grundrecht an sich, sondern bildet das eigentliche Fundament der Grundrechte. […] Die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte bildet die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt. Daraus ergibt sich insbesondere, dass keines der in dieser Charta festgelegten Rechte dazu verwendet werden darf, die Würde eines anderen Menschen zu verletzen, und dass die Würde des Menschen zum Wesensgehalt der in dieser Charta festgelegten Rechte gehört. Sie darf daher auch bei Einschränkungen eines Rechtes nicht angetastet werden.“ 489

Art 1 GRC setzt somit einen Grundwert des Unionsrechts und den Grundstein aller Grundrechte der GRC fest. Als ein solcher ist Art 1 bei der Auslegung aller Grundrechte zu beachten.

490

Kein in der GRC gewährleistetes Recht darf derart eingeschränkt werden, dass

die Würde des Menschen beeinträchtigt wird. 491 In der Lehre wird vertreten, dass die Garantie der Menschenwürde nicht nur einen Grundsatz darstellt, sondern ein einforderbares Recht ist. 492 Diese Ansicht wurde vom EuGH in seinen zwei Grundsatzentscheidungen bestätigt. 493 Unter Menschenwürde wird der „soziale Wert- und Anfechtungsanspruch verstanden, der dem Menschen wegen seines Menschseins“ zukommt. 494 Die Konkretisierungstatbestände gemäß Art 2 bis 5 GRC illustrieren die notwendige Schwere des Eingriffs. 495 Ein Verstoß gegen die Menschenwürde wird auch in einer unsachlichen Diskriminierung gesehen. 496 Das Grundrecht der Menschenwürde darf nicht durch Handeln der Grundrechtsadressaten eingeschränkt werden. Art 1 GRC im Sinn einer Schutzpflicht statuiert darüber hinaus die

489

http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/04473_de.pdf (02. 11. 2008). Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 (2010) Art 1 Rz 28. 491 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 1 Rz 31. 492 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 1 Rz 32b; Jarass, GRCh Art 1 Rz 2. 493 EuGH 09. 10. 2001, C-377/98, Niederlande/Parlament und Rat, Slg 2001, I-7079; EuGH 14. 10. 2004, C36/02, Omega, Slg 2004, I-9609. 494 Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 1 Rz 36. 495 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 1 Rz 35. 496 Vgl Jarass, EU-Grundrechte § 8 Rz 9; EuGH 30. 04. 1996, C-13/94, P / S and Cornwall County Council, Slg 1996, I-2143 Rz 22. 490

71

Pflicht der Grundrechtsadressaten, die Menschenwürde der Grundrechtssubjekte vor Grundrechtsverletzungen Dritter bzw Privater zu schützen. Darunter fällt die Pflicht, Normen zu erlassen und diese im Lichte von Art 1 GRC auszulegen und anzuwenden. 497 Art 21 GRC verbietet Ungleichbehandlungen „insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung,

des

Alters

oder

der

sexuellen

Ausrichtung

(Abs

1)

sowie

der

Staatsangehörigkeit (Abs 2)“, die zu einer Schlechterstellung des Grundrechtsträgers führen. Die Aufzählung ist demonstrativ. 498 Dabei handelt es sich um Eigenschaften, die zu einer Person gehören und von dieser nur schwer oder überhaupt nicht beeinflusst werden können. 499 Der Schutz vor einer Diskriminierung wegen personenbezogener Merkmale ist eng mit § 1 GRC verbunden. 500 Erfasst vom Geltungsbereich ist sowohl die unmittelbare501 als auch die mittelbare Diskriminierung. 502 Die Ungleichbehandlung muss sich auf ähnliche Sachverhalte beziehen. 503 Sie kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn das verfolgte Ziel in keinem Zusammenhang mit dem bestimmten personenbezogenen Merkmal steht; weiters, wenn der Eingriff dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. 504 Art 21 stellt ein durchsetzbares Grundrecht dar. 505 Ob aus § 21 GRC eine Schutzverpflichtung abzuleiten ist, wird in der Literatur eher verneint. 506 Bei einem Verstoß gegen Art 21 GRC besteht ein Anspruch auf Beseitigung der Ungleichbehandlung durch Ausweitung der Begünstigung auf die benachteiligte Person oder Erstreckung der Schlechterbehandlung auf die bisher Bevorteilten. Bei einer Diskriminierung durch ein Gesetz gebührt dem Benachteiligten bis zu einer neuerlichen Regelung die günstigere Behandlung. 507

Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 1 Rz 39. Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 3. 499 Vgl Jarass, GRCh Art 21 Rz 2. 500 Vgl Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union3 (2007) Rn 3. 501 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 21 Rz 28a. 502 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 21 Rz 28b. 503 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 21 Rz 28. 504 Dh, wenn er geeignet und erforderlich und nicht genauso gut auch ohne Ungleichbehandlung erreicht werden könnte. Die Diskriminierung und das Ziel müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Vgl Kingreen in Ehlers (Hrsg) Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten3 (2009) § 17 Rz 21. 505 Vgl Jarass, GRCh Art 21 Rz 3. 506 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 21 Rz 31; siehe aber aA bei Jarass, GRCh Art 21 Rz 16. 507 Vgl Jarass, GRCh Art 21 Rz 5 iVm Art 23 Rz 23. 497 498

72

Ziel von Art 23 GRC ist die Gleichbehandlung von Frauen und Männern, gerade auch im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses.508 Art 23 geht Art 21 Abs 1 als speziellere Norm vor. 509 Vom Schutzbereich erfasst sind sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Diskriminierung durch ein und denselben Grundrechtsadressaten, 510 die zu einem Nachteil beim

Benachrangten

führt.

511

Diskriminierungsverbots ein Recht.

Art 512

23

GRC

beinhaltet

hinsichtlich

des

Ausdrücklich ausgenommen vom Verbot der

Ungleichbehandlung sind gemäß Abs 2 Diskriminierungen zugunsten eines stark unterrepräsentierten Geschlechts. Dabei handelt es sich aber um einen bloßen Grundsatz.513 Ein Eingriff in das Grundrecht kann gerechtfertigt sein, wenn er ein vom Merkmal unabhängiges Ziel verfolgt und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Insbesondere im Fall einer unmittelbaren Diskriminierung bedarf eine gerechtfertigte Diskriminierung einer gesetzlichen Grundlage. 514 Neben dem Abwehranspruch resultiert aus Art 23 Abs 1 GRC die Pflicht, Diskriminierungen Privater, insbesondere im Arbeitsverhältnis, abzuwehren. 515 Bei einem Verstoß gegen Art 23 GRC besteht ein Anspruch auf Beseitigung der Ungleichbehandlung

durch

Erstreckung

der

Bevorteilung

oder

Ausweitung

der

Benachteiligung auf das andere Geschlecht. Bei einer Diskriminierung durch ein Gesetz gebührt dem Benachteiligten bis zu einer neuerlichen Regelung die günstigere Behandlung. 516 Art 31 GRC enthält zwei Bereiche: einerseits das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen (Abs 1), anderseits Leitlinien zur Begrenzung der Höchstarbeitszeit, zu täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten sowie zu einem bezahlten Jahresurlaub (Abs 2). 517 Art 31 GRC normiert wohl ein Grundrecht. 518 Vom Geltungsbereich umfasst sind die würdigen Arbeitsbedingungen: Diese verlangen ua ein Arbeitsklima ohne „sexuelle Belästigung“ oder „wiederholten, missbilligungswerten, eindeutig negativen und anstößigen Handlungsweisen“. Unter den Geltungsbereich des Art 31 GRC fallen auch gesunde und sichere Arbeitsbedingungen, sofern sie die menschliche Würde tangieren. 519 Jede Person – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft -, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 2. Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 8. 510 Nämlich Normgeber oder Verwaltungsstelle, siehe Näheres bei Jarass, GRCh Art 23 Rz 10. 511 Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 13. 512 Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 3. 513 Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 4. 514 Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 15. 515 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 23 Rz 18. 516 Vgl Jarass, GRCh Art 23 Rz 7. 517 Vgl Jarass, GRCh Art 31 Rz 1. 518 Vgl Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 Art 31 Rz 12. 519 Vgl Jarass, GRCh Art 31 Rz 7. 508 509

73

inklusive Praktikanten und Lehrlinge, kann sich auf Art 31 GRC berufen. Ausgenommen sind nur Hausangestellte.

520

Im Bereich des Grundrechts statuiert Art 31 GRC sowohl

Abwehransprüche als auch Schutzpflichten.

Art 47 GRC verpflichtet die Grundrechtsadressaten zu einem effektiven Rechtsschutz für die Durchsetzung von Unionsrecht. Dazu zählt insbesondere auch das Sekundärrecht. 521 Die Verletzung des Unionsrechts kann durch eine öffentliche Stelle, aber auch durch eine private Person erfolgt sein. 522 Art 47 Abs 2 GRC 523 sieht ein Grundrecht auf ein „faires“ und „öffentliches Verfahren“ innerhalb einer vernünftigen Frist durch ein unbefangenes, unabhängiges

und

durch

Gesetz

konstituiertes

Gericht

vor,

in

welchem

dem

Grundrechtsträger ein umfassendes Beratungs-, Verteidigungs- und Vertretungsrecht gewährt werden sollen. Die Verhandlung ist grundsätzlich mündlich und öffentlich durchzuführen. 524 Der Rechtsschutz gilt nur dann als gewährt, wenn das Gericht sowohl die Sach- als auch die Rechtslage überprüfen darf. 525 In jenen österreichischen Verwaltungsverfahren, in denen erst der VwGH in letzter Instanz die Kriterien eines Gerichts erfüllt, ist zweifelhaft, ob er den Voraussetzungen des Art 47 GRC, insbesondere hinsichtlich der Sachverhaltskontrolle, genügt. Die in § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG normierte Kompetenz des VwGH, Bescheide aufzuheben, sofern der der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt in elementaren

Teilen

ergänzungsbedürftig

ist,

wird

daher

weit

auszulegen

sein.

Kontrollbehörden nach Art 133 Z 4 B-VG werden im Anwendungsbereich des Art 47 GRC eine

mündliche

Verhandlung

durchzuführen

haben,

welche

das

Allgemeine

Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, 526 im Folgenden AVG, zwar nicht vorschreibt, aber auch nicht ausdrücklich verbietet. 527

Vgl Riedel in Meyer, Charta der Grundrechte der Euopäischen Union3 Art 31 Rz 12. Vgl Jarass, GRCh Art 47 Rz 6. 522 Vgl Jarass, GRCh Art 47 Rz 10. 523 Art 47 Abs 2 GRC entspricht inhaltlich Art 6 EMRK, ist aber nicht auf zivilrechtliche Streitigkeiten und Strafverfahren begrenzt, siehe Näheres bei Jarass, GRCh Art 47 Rz 39. 524 Vgl Jarass, GRCh Art 47 Rz 39. 525 Vgl Obwexer, Der Vertrag von Lissabon und die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, ÖJZ 2010/110, 1043 (1048). 526 AVG BGBl 1991/51. 527 Vgl Obwexer, ÖJZ 2010/110, 1043 (1049); Klingenbrunner/ Raptis, Die Justiziabilität der GrundrechteCharta nach dem Reformvertrag von Lissabon, JRP 2008, 139 (145). 520 521

74

2.3

Sekundärrecht

2.3.1

Richtlinien im Zusammenhang mit Gesundheits- und Diskriminierungsschutz

Gemäß Art 6 der Richtlinie des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit528 , im Folgenden ArbeitsschutzrahmenRL, trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, mittels geeigneter Mittel seine Mitarbeiter vor Risikofaktoren zu schützen. Die angewendeten Maßnahmen haben sich dabei an sich wandelnde Umstände zu orientieren. Nach der Ansicht von Smutny und Hopf stellt Mobbing einen Risikofaktor bei der Arbeit dar, den der Arbeitgeber durch geeignete Mittel abzuwenden bzw zu verkleinern hat. 529

Ein umfassendes Diskriminierungsverbot im Bereich der Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern wurde vom EuGH bereits in den 70er Jahren aus Art 141 EGV, der den Grundsatz des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit normiert, entwickelt. 530 Hinsichtlich der Chancengleichheit von Frauen und Männern wurde ab den 70er Jahren auf Grundlage dieser EuGH Rechtsprechung zu Art 141 EGV eine Fülle von Richtlinien erlassen. 531 Eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes fand ab dem Jahr 2000 auf Grundlage von Art 13 Abs 1 EGV (nunmehr Art 19 Abs 1 AEUV) durch folgende Richtlinien statt, welche sowohl im privaten Arbeitsrecht als auch im öffentlichen Dienstrecht umzusetzen waren: 

Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG 532

Ziel der Richtlinie 2000/43/EG vom 29. 06. 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, im Folgenden Antirassismusrichtlinie, ist die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft. Die Antirassismusrichtlinie musste von den Mitgliedstaaten bis zum 19. 07. 2003 umgesetzt werden. 533 528

RL 89/391/EWG ABl L 1989/183, 1. Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (113). 530 Vgl Breitenmoser, Europarecht II2 § 17 Rz 1810 mit Verweis auf EuGH 08. 04. 1976, Rs 43/75, Defrenne II, Slg 1976, 455. 531 Vgl Breitenmoser, Europarecht II2 § 17 Rz 1811; zB Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. 02. 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, ABl L 1975/45, 19; Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 09. 02. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen , ABl L 1976/39, 40. 532 AntirassismusRL 2000/43 ABl L 2000/180, 22. 533 Vgl Breitenmoser, Europarecht II2 § 17 Rz 1812. 529

75



Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG 534

Ziel der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, im Folgenden Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, ist die Gleichbehandlung hinsichtlich der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 02. 12. 2003 umzusetzen. 535 

Änderungsrichtlinie zur Gleichbehandlungsrichtlinie 2002/73/E 536

Mit der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 09. 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, im Folgenden

Änderungsrichtlinie

zur

Gleichbehandlungsrichtlinie,

wurde

die

aktive

Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gleichstellung von Mann und Frau unterstrichen (vgl Art 1a). Darüber hinaus enthält sie Definitionen und Begriffsklärungen von unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung sowie von Belästigung (vgl Art I, Art 2 Abs 2). Die Mitgliedstaaten hatten die Änderungsrichtlinie bis spätestens 05. 10. 2005 umzusetzen (vgl Art II). 

Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen 537

Mit der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 07. 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern

und

Frauen

in

Arbeits-

und

Beschäftigungsfragen,

im

Folgenden

Änderungsrichtlinie II, wurden die Mitgliedstaaten beauftragt, insbesondere auf präventiver Ebene Maßnahmen zu ergreifen, um Belästigung am Arbeitsplatz zu unterbinden und darüber hinaus Rechtsfolgen im Falle von Verstößen zu normieren. 538 Die Mitgliedstaaten hatten die Änderungsrichtlinie bis spätestens 15. 08. 2008 umzusetzen (vgl Art 33).

534

GleichstellungsrahmenRL 2000/78 ABl L 2000/303, 16. Vgl Breitenmoser, Europarecht II2 § 17 Rz 1813. 536 ÄnderungsRL zur GleichbehandlungsRL 2000/73 ABl L 2002/269, 15. 537 ÄnderungRL II 2006/54 ABl L 2006/204, 23. 538 Vgl ÄnderungRL II 2006/54 ABl L 2006/204, 23 Rz 6. 535

76

2.3.2

Unverbindliche Rechtsakte der Organe der Union hinsichtlich Mobbing, Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz



Entschließung des Europäischen Parlaments zu Mobbing am Arbeitsplatz 539

In der Entschließung des Parlaments vom 20. 09. 2001 vertrat dieses die Auffassung, dass Mobbing

am

Arbeitsplatz

aufgrund

seines

beachtenswerten

Auftretens

größerer

Aufmerksamkeit bedürfe. Aus diesem Grund forderte es Rat und Kommission auf, den Faktor Mobbing im Hinblick auf Verbesserungen der Qualität am Arbeitsplatz mit einzubeziehen. 540 Darüber hinaus forderte es die Kommission ua auf, den Anwendungsbereich der Rahmenrichtlinie über die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in Hinblick auf Mobbing zu erweitern oder eine eigene Mobbing-Richtlinie auszuarbeiten. 541 Zudem müssten die europäischen Organe als Vorbild im Umgang mit Mobbing wirken. 542 Die Mitgliedstaaten forderte das Parlament auf, ihre Gesetze im Zusammenhang mit Mobbing und sexueller Belästigung einer Prüfung zu unterziehen und bei Bedarf den Schutz erweitern und für eine einheitliche Definition von Mobbing Sorge zu tragen. 543 

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz 544

In seiner Entschließung zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz vom 01. 12. 2005 forderte das Parlament die Kommission auf, in ihr „Aktionsprogramm Männer und Frauen betreffende geschlechterspezifische Probleme aufzunehmen“ und dabei ein Hauptaugenmerk auch auf Stress und Gewalt, Mobbing und Belästigung am Arbeitsplatz zu legen. 545 Die Kommission sollte darüber hinaus umgehend einen Aktionsplan entwickeln, der die nächsten Lösungsschritte zur Bekämpfung der eben genannten psychischen Belastungen am Arbeitsplatz erklärt, mit Hilfe dessen mittel- und langfristige Strategien ausgefeilt werden könnten. Die Sozialpartner eines jeden Mitgliedstaates sollten indes auf bilateraler und unionsrechtlicher Basis eigene Maßnahmen gegen Mobbing und Gewalt am Arbeitsplatz ausarbeiten bzw ihre Erfahrungen zu diesen Themen austauschen. 546

539

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. 09. 2001 zu Mobbing am Arbeitsplatz 2001/2339/INI, ABl C 2001/77E, 138. 540 Vgl Entschl des Europäischen Parlaments 2001/2339/INI ABl C 2001/77E, 138 Rz 9. 541 Vgl Entschl des Europäischen Parlaments 2001/2339/INI ABl C 2001/77E, 138 Rz 13. 542 Vgl Entschl des Europäischen Parlaments 2001/2339/INI ABl C 2001/77E, 138 Rz 17. 543 Vgl Entschl des Europäischen Parlaments 2001/2339/INI ABl C 2001/77E, 138 Rz 10. 544 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz 2004/2205/INI, ABl C 2005/304E, 400. 545 Enschl des Europäischen Parlaments 2004/2205/INI, ABl C 2005/304E, 400 Rz 16. 546 Vgl Entschl des Europäischen Parlaments 2004/2205/INI ABl C 2005/304E, 400 Rz 26.

77



Entschließung des Europäischen Parlaments zur Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007–2012 547

In seiner Entschließung vom 15. 01. 2008 zur Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz betonte das Europäische Parlament, dass die Notwendigkeit eines allumfassenden Schutzes, der auch die psychische Gesundheit mit einschließt. Aus diesem Grund sollte ein noch größeres Augenmerk auf die Ursachen von psychischen Krankheiten gelegt werden, nämlich auf Stress, Mobbing, Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz. 548 

Mitteilung der Kommission über die Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft: Eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 549

In ihrer Mitteilung der Kommission über die Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft vom 11. 03. 2002 stellt diese fest, dass „Ziel der Gemeinschaftspolitik für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz die ständige Verbesserung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens sein muss“. 550 Dazu müsste noch ein größeres Augenmerk auf die Präventionskonzepte, vor allem auch hinsichtlich sozialer Risiken wie Mobbing, gesetzt werden. Darüber hinaus würde sie „die Angemessenheit und der Umfang eines Gemeinschaftsinstruments betreffend Mobbing und Gewalt am Arbeitsplatz prüfen“. 551 

Mitteilung

der

Kommission

-

Die

Arbeitsplatzqualität

verbessern

und

die

Arbeitsproduktivität steigern: Eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012 552 In ihrer Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 21. 02. 2007 nannte diese unter den größten Herausforderungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz die „neuen Risikofaktoren“, wie „Gewalt am Arbeitsplatz

547

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2008 zu der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007–2012 2007/2146/INI; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. 09. 2001 zu Mobbing am Arbeitsplatz 2001/2339/INI, ABl C 77E, 138. 548 Vgl Entschl des Europäischen Parlements 2007/2146/INI ABl C 77E, 138, Rz 48. 549 Mitteilung der Kommission über die Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft vom 11. 03. 2002 KOM (2002) 118 endgültig. 550 KOM (2002) 118 endgültig Rz 9. 551 KOM (2002) 118 endgültig Rz 15. 552 Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 21. 02. 2007 - Die Arbeitsplatzqualität verbessern und die Arbeitsproduktivität steigern: Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012. KOM (2007) 0062 endgültig Rz 1.

78

einschließlich sexueller und psychischer Belästigung“. 553 Sie forderte die Mitgliedstaaten auf, einen Schwerpunkt auf die Verhütung von psychischen Problemen zu setzen. Im Zuge dessen unterstrich sie die Bedeutung der Verhandlungen der Sozialpartner über „Belästigung“ und „Gewalt am Arbeitsplatz“. 554 

Entschließung des Rates über eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (2002-2006) 555

In seiner Entschließung über eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, hielt der Rat fest, dass soziale Risiken wie zB „Schikanierung am Arbeitsplatz“ berücksichtigt werden müssen, um das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern. 556 

Entschließung des Rates über eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (2007-2012) 557

In seiner Entschließung über eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz vom 25. 06. 2007 forderte der Rat die Sozialpartner auf, „Belästigung“ und „Gewalt am Arbeitsplatz“ in ihre Verhandlungen weiterhin mit einzubeziehen. 558 2.4

Spezialisierte europäische Einrichtungen und Agenturen auf dem Gebiet Gesundheit am Arbeitsplatz

Unter dem Oberbegriff „Agenturen der Union“ werden Körperschaften des europäischen öffentlichen Rechts verstanden. Dazu gehören europäische Stiftungen, Beobachtungsstellen und Agenturen. Sie sind keine Organe, haben aber eine eigene Rechtspersönlichkeit. Zweck ihrer Errichtung ist die Behandlung spezifischer technischer, wissenschaftlicher oder verwaltungstechnischer Themen. 559

553

KOM (2007) 0062 endgültig Rz 5. KOM (2007) 0062 endgültig Rz 16. 555 Entschließung des Rates vom 03. 06. 2002 über eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, ABl C 2002/161, 1. 556 Entschl des Rates ABl C 2002/161, 1 Rz I.1. 557 Entschließung des Rates vom 25. 06. 2007 über eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, ABl C 2007/145,1. 558 Entschl des Rates ABl C 2007/145,1 (4). 559 http://europa.eu/agencies/community_agencies/index_de.htm (24. 01. 2011). 554

79



Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen 560

Die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, im Folgenden Eurofound, wurde bereits im Jahr 1975 errichtet. Ihre Aufgaben bestehen darin, Informationen und Expertise der Bereiche Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Handhabung mit Veränderungen in diesen Bereichen zur Verfügung zu stellen. 561

Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in folgenden Bereichen: → Betrachtung des Menschen in der Arbeitswelt; → Organisation der Arbeit, Ausgestaltung der Arbeitsplätze; → Spezifische Probleme von einzelnen Arbeitsnehmergruppen; → Nachhaltige Perspektiven hinsichtlich Verbesserung der Umwelt; → Betrachtung menschlicher Aktivitäten in Bezug auf Raum und Zeit.562 Dem Eurofound steht die Europäische Beobachtungsstelle für die Entwicklung der Arbeitsbedingungen, im Folgenden EWCO, seit dem Jahr 2003 unterstützend zur Seite. Die EWCO stellt laufend Informationen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den Mitgliedstaaten und auf Unionsebene zur Verfügung. Dazu führt sie in periodischen Abständen europaweite Studien zu den Arbeitsbedingungen durch. Sie wird dabei von einem Netzwerk an nationalen Ansprechpartnern unterstützt. 563 

Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz 564

Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, im Folgenden EU-OSHA, wurde 1996 errichtet. Sie ist Hauptakteur der Union im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Den Mitgliedstaaten soll die EU-OSHA als ein Informationspool zu allen Fragen der Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitplatz dienen und damit einen Beitrag zur Verbesserung des Erwerbslebens innerhalb der Union leisten. Das Hauptaugenmerk ihrer Tätigkeiten liegt dabei in der Prävention und im

560

EG VO 1365/75 über die Gründung einer Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ABl L 1975/139, 1. 561 http://www.eurofound.europa.eu/about/index_de.htm (27. 06. 2010). 562 Nöstlinger, Handbuch Arbeitnehmerschutz – Vermeidung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen – wer ist wofür verantwortlich (2006) 351. 563 http://www.eurofound.europa.eu/ewco/about.htm (27. 06. 2010). 564 VO (EG) 1994/2026 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ABl L 1994/216, 1; zuletzt geändert durch EG 1995/1643 ABl L 1995/156, 1.

80

Aufdecken neuer Risiken. Dabei fungiert sie als Netzwerk zwischen den Mitgliedstaaten sowie deren Arbeitgebern und Arbeitnehmern. 565

Die Europäische Beobachtungsstelle für Risiken der EU-OSHA, im Folgenden ERO, befasst sich mit der Erkennung von neuen Risiken hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Die Beobachtungsstelle wurde aufgrund der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006 566 eingerichtet. Ihre Aufgaben liegen in der Sammlung, Analyse und Verwertung von Daten, welche an die jeweilige Zielgruppe weitergeleitet werden. Sie soll auch als eine Art „Diskussionsplattform“ dienen. 567 

Die Europäische Agentur für Grundrechte568

Die Europäische Agentur für Grundrechte, im Folgenden FRA, wurde am 15. 02. 2007 errichtet. Sie soll sowohl den Mitgliedstaaten als auch den Organen der Union ein Experte für Grundrechtsfragen sein und diesen bei der Einhaltung der europäischen Grundrechte eine Stütze sein. Dazu sammelt sie Informationen, erstellt Gutachten, arbeitet Methoden aus und führt Öffentlichkeitsarbeit durch. Ihren Stellungnahmen und Berichten kommt keine rechtverbindliche Wirkung zu. 569



Beratender Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz 570

Der beratende Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz wurde am 22. 07. 2003 ins Leben gerufen, 571 um die Kommission in sämtlichen Angelegenheiten zum Thema Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ständig zu beraten. Im Zusammenhang mit den gemeinschaftlichen Aktionsprogrammen legt der Ausschuss fest, auf welche Weise Unfälle und Gefahren für die Gesundheit in einem Betrieb vermieden werden können, entwickelt Vorgehensweisen, um das Schutzniveau leichter einschätzen und optimieren zu können und fungiert darüber hinaus als Netzwerk zwischen den nationalen Behörden und Organisationen. Die Stellungnahmen des Ausschusses sind nicht rechtsverbindlich. 572 565

http://osha.europa.eu/fop/germany/de/about/faq_zur_europaeischen_agentur (27. 06. 2010). KOM/2007/0062 endg. 567 http://osha.europa.eu/de/riskobservatory (27. 06. 2010). 568 VO (EG) 2007/168 ABl L 2007/53, 1. 569 Vgl Jarass, GRCh Art 6 EUV Rz 75. 570 Beschluss 2003/C 218/01 des Rates vom 22. 07. 2003 zur Einsetzung eines Beratenden Ausschusses für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und zur Aufhebung der Beschlüsse 74/325/EWG und 74/326/EWG, ABl C 2003/218. 571 Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 352. 572 http://europa.eu/legislation_summaries/employment_and_social_policy/health_hygiene_safety_at_work/c111 46_de.htm (24. 01. 2011). 566

81



Ständige Ausschüsse des Europäischen Parlaments

Beim Europäischen Parlament sind eine Vielzahl von Ausschüssen eingerichtet, welche die wesentliche Arbeit verrichten. Zu ihren Hauptaufgaben zählen die Befassung mit den Gesetzesentwürfen der Europäischen Kommission und die Ausarbeitung neuer Ideen und Verbesserung bestehender politischer Bereiche. Als ständige Ausschüsse sind unter anderem der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und der Unterausschuss für Menschenrechte eingerichtet. 573 3.

RECHTLICHE BEWÄLTIGUNG VON MOBBING AUF NATIONALER EBENE – PRIVATES ARBEITSRECHT

3.1

Einleitung

Die österreichische Gesetzgebung kennt aufgrund von unterschiedlichen Dienstverhältnissen mehrere Dienstrechtskonstrukte. 574 Zunächst kann zwischen dem Arbeitsrecht, welchem private Arbeitsverhältnisse unterliegen, und dem öffentlichen Dienstrecht, welches Dienstverhältnisse zu einer Gebietskörperschaft regelt, unterschieden werden. Das öffentliche Dienstrecht differenziert wieder zwischen den durch Hoheitsakt ernannten Beamten und den Vertragsbediensteten. 575

Mit

01.

01.

2010

wurde

in

sämtlichen

Dienstrechtsgesetzen

von

öffentlichen

Bundesbediensteten ein neuer Tatbestand unter dem Titel „Achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot)“ eingeführt (vgl § 43a BDG, § 5 Abs 1 VBG iVm § 43a BDG, § 57a RStDG, § 29a LLDG 1985). Im privaten Arbeitsrecht fehlt eine derartige Bestimmung. 576

Seit längerem wird in Österreich diskutiert, ob der Rechtsordnung ein Anti-Mobbing-Gesetz fehlt. Die AK Salzburg stellte im Jahr 2006 ein diesbezügliches Verlangen. 577 Im Februar 2008 wurde von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs eine Debatte über die

573

http://www.europarl.at/view/de/PARLAMENT/organisation/committees.html;jsessionid=45D41245AEE34DF 50303EBF935194CEE (24. 01. 2011). 574 Vgl Berka, Die Grundrechte (1999) Rz 948. 575 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 (2010) 17. 576 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (114). 577 Brauer/Rattey/Weiß/Hinterseer, transparent 2/2006, 4 http://www.ak-salzburg.at/online/transparent-nr-2200628034.html (17. 07. 2009).

82

Einführung eines Anti-Mobbing-Gesetzes nach dem Vorbild des Anti-Stalking Gesetzes entfacht. Zu einem Gesetzeseinleitungsverfahren ist es allerdings nicht gekommen. 578

Es wurde auch eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen, die den Entwurf eines Anti-MobbingGesetzes erstellte und im Juni 2009 dessen positive Behandlung im Nationalrat beantragte. 579 Eckpunkte des Gesetzesentwurfes sind eine Verlängerung der Verjährungsfrist, hohe Strafen für Täter und eine Erleichterung der Beweisführung. 580 Der Nationalrat forderte daraufhin mittels Entschließung vom Juli 2010 die Bundesregierung auf, den derzeitigen Rechtsbestand an Anti-Mobbing-Regeln sowie diesbezügliche Lücken aufzuzeigen. 581 In Folge dessen setzte sich

die

Bundesregierung

mit

möglichen

Anspruchsgrundlagen

im

Bereich

der

Mobbingintervention sowohl im öffentlichen Dienstrecht als auch im privaten Arbeitsrecht auseinander. Das Ergebnis der rechtlichen Auseinandersetzung wurde dem Nationalrat am 05. 07. 2011 vorgelegt. Die Bundesregierung kam zu dem Schluss, dass kein Bedarf an einem Anti-Mobbing-Gesetz bzw weiteren Regelungen im Zusammenhang mit Mobbing bestehe. Es sei allerdings notwendig, das Bewusstsein über den Problemkreis „Mobbing“ zu schärfen und den Wissensstand über die möglichen rechtlichen Anknüpfungspunkte zu optimieren. Gerechtfertigt wurde die Schlussfolgerung insbesondere damit, dass durch die Fürsorgepflicht des privaten Arbeit- bzw öffentlichen Dienstgebers eine Abhilfe bei Mobbing auf gesetzlicher Ebene gewährleistet sei. Darüber hinaus biete auch das GlBG bzw B-GlBG Schutz vor Belästigungen im Zusammenhang mit bestimmten Merkmalen. Im Übrigen würden auch bestimmte Tatbestände des allgemeinen Zivilrechts und Strafrechts Schutz bieten. 582

Im Folgenden soll nun eingehend untersucht werden, ob der Ansicht der Bundesregierung zu folgen ist und ob insbesondere im Hinblick auf die geforderten Punkte des Gesetzesentwurfes ein ausreichender Schutz durch bereits bestehende Anspruchsgrundlagen gesichert erscheint. Dabei sollen auch die Regelungen des privaten Arbeitsrechts und des öffentlichen Dienstrechts miteinander verglichen und ein Exkurs in das Dienstrecht der Bediensteten der Union gemacht werden.

578

http://www.news.at/articles/0806/10/196923/spoe-anti-mobbing-gesetz-verankerung-strafrecht (17. 07. 2009). http://www.antimobbinggesetz-buergerinitiative.at/ (17. 07. 2009). 580 Vgl Hoza, SozSi 2010 558 (570). 581 E 119 BlgNR 24. GP. 582 Vgl B III-253 BlgBReg 24. GP 8. 579

83

3.2

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Art 2 des Staatsgrundgesetzes 583 , im Folgenden StGG, statuiert, dass „alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind“. Dieser Grundsatz wurde auch in Art 7 B-VG übernommen und noch weiter konkretisiert. Art 7 Abs 1 B-VG verbietet eine Besserstellung aufgrund „der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses“, weiters jegliche Diskriminierung von Behinderten. Der Gleichheitssatz legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, „Gleiches gleich“ und „Ungleiches ungleich“ zu behandeln, wobei in diesem Zusammenhang auf die Tatsachenebene abgestellt wird. 584

Selbst gleiche Sachverhalten können aber

verschieden ausgestaltet werden, wenn die Ungleichbehandlung „sachlich gerechtfertigt“ ist. Sachlich gerechtfertigt ist eine Differenzierung anhand von objektiven Maßstäben. 585

Gemäß Art 1 Abs 1 BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung haben „Gesetzgebung und Vollziehung jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen.“

Art 8 Abs 1 EMRK versteht unter dem Begriff „Privatleben“ den ganz persönlichen Bereich eines Menschen als „Ausdruck seiner Persönlichkeit“.

586

Davon umfasst sind das

„Selbstbestimmungsrecht über den Körper“, der „Schutz der Privatsphäre“ und die „freie Gestaltung der Lebensführung“. 587 Das Selbstbestimmungsrecht über den Körper schützt sowohl die körperliche Integrität 588 als auch die sexuellen Neigungen einer Person. 589 Vom Schutz der Privatsphäre umfasst sind einerseits Eingriffe durch staatliche Überwachung 590 und andererseits jene, die sich gegen die Ehre eines Menschen richten. 591 Die Lebensführung inkludiert sowohl den Kleidungsstil als auch die Frisur und insbesondere auch die besondere Lebensgestaltung von Minderheiten. 592 Grundrechtsadressat ist grundsätzlich der Staat, 593

583

StGG RGBl 1867/42 zuletzt geändert durch BGBl 1920/1. Mayer/Kuckso-Stadlmayer, Bundesverfassungrecht10 Rz 1357 mit Verweis auf VfSlg 8217, 8806, 13.558, 13.965. 585 Mayer/Kuckso-Stadlmayer, Bundesverfassungrecht10 Rz 1357 mit Verweis auf VfSlg 2088, 4140, 4392, 10.492, 13.178, 17.143, 586 Adamovic, Mobbing und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, ARD 5608/13/2005, 84. 587 Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 22 Rz 6. 588 Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 22 Rz 7. 589 Vgl Adamovic, ARD 5608/13/2005, 84. 590 Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 22 Rz 10. 591 Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 22 Rz 11. 592 Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 22 Rz 12. 593 Vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 17 Rz 6. 584

84

wenn er hoheitlich tätig wird oder privatwirtschaftlich öffentliche Aufgaben besorgt. 594 Zwischen Privaten wird die unmittelbare Wirkung von Grundrechten grundsätzlich verneint. 595 Besondere Bedeutung kommt den Grundrechten aber bei der Auslegung und Lückenfüllung von Generalklauseln des Privatrechts zu, wodurch diese mittelbar zwischen Privaten wirken können. 596 Sie können auch durch ein einfaches Gesetz mittelbar wirken. Art 8 EMRK kann insbesondere durch den Schutz der Menschenwürde in § 16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches 597 , im Folgenden ABGB, mittelbar seine Wirkung entfalten. 598 Der OGH vertritt inzwischen in stRsp die Ansicht, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht, welche als Konkretisierung der Menschenwürde gesehen wird, jegliche Eingriffe in die Intimsphäre seines Arbeitnehmers zu unterbinden habe. 599 Darin komme die „mittelbare Drittwirkung von Art 8 EMRK zum Ausdruck“. 600 Die Rechtsprechung gewährt bei Eingriffen in absolut geschützte Persönlichkeitsrechte, zB bei Verletzung des Rechts auf Geheimnissphäre, selbst dann Unterlassungsansprüche, wenn diese nicht ausdrücklich gesetzlich zustehen. 601 Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK hat ein Tribunal über „civil rights“ zu entscheiden. 602 Ein Tribunal ist gekennzeichnet durch seine „rechtsprechende“ 603 Funktion und durch seine unabhängigen und unparteilichen Mitglieder, welche ihr Amt für eine bestimmte Dauer ausüben.604 Art 6 EMRK garantiert aber auch allgemeine Verfahrensgrundsätze, nämlich die Öffentlichkeit des Verfahrens, das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer. 605 Der VfGH differenziert bei den „civil rights“ zwischen dem Kern- und dem Randbereich.

606

Zum Kernbereich werden zivilrechtliche Ansprüche mit einem

Schwerpunkt auf privatrechtlichen Interessen gezählt.

607

Nur über Rechtssachen des

Kernbereichs hat ein Tribunal iSd Art 6 Abs 1 EMRK zu entscheiden.608 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 737. Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 741. 596 Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 743. 597 Patent vom ersten Junius 1811(Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) JGS 1811/946, zuletzt geändert durch BGBl I 2009/75. 598 OGH 19. 12. 2005, 8 Ob 108/05y. 599 OGH 17. 03. 2004, 9 ObA 143/03z; OGH 8 ObA 3/04f Adamovic, ARD 5608/13/2005, 84. 600 OGH 20. 12. 2006, 9 ObA 109/06d. 601 OGH 19. 12. 2005, 8 Ob 108/05y. 602 Vgl Fellner, BDG (Stand 01. 06. 2011) § 20 B-GlBG Anm 2 (www.rdb.at). 603 Entscheidung einer Angelegenheit auf Grund von Rechtsvorschriften nach Durchführung eines förmlichen Verfahrens; siehe Näheres bei Mayer, Das Österreichische Bundesverfassungsrecht4 (2007) Art 6 MRK C.II.1. 604 Vgl Mayer, B-VG4 Art 6 MRK C.II.1. 605 Vgl Mayer, B-VG4 Art 6 MRK D.I. 606 Vgl Mayer, B-VG4 Art 6 MRK A.I. 607 Vgl Mayer, B-VG4 Art 6 MRK A.II.1. 608 Vgl Mayer, B-VG4 Art 6 MRK A.I. 594 595

85

Art 14 EMRK normiert einen Diskriminierungsschutz im Zusammenhang mit „dem Geschlecht, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, den politischen oder sonstigen Anschauungen, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, dem Vermögen, der Geburt oder dem sonstigen Status“. Dieser Schutz gilt aber in der Anwendung der durch die EMRK gewährleisteten Grundrechte. 609 3.3

Vertragliche Ansprüche des Opfers im Bereich des privaten Arbeitsrechts gegenüber dem Arbeitgeber bei Mobbing durch Kollegen

Arbeitnehmer im privaten Arbeitsrecht werden im Wesentlichen nach Arbeitern und Angestellten unterschieden. 610 Arbeiter im Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1859 611 , im Folgenden GewO 1859, sind „alle Personen, die bei Gewerbeunternehmungen in regelmäßiger Beschäftigung stehen“ (§ 73 GewO 1859). Unter den Angestelltenbegriff iSd § 1 Abs 1 Angestelltengesetz 612 , im Folgenden AngG, fallen sämtliche Arbeitnehmer, „die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes 613 vorwiegend zur Leistung kaufmännischer oder höherer nicht kaufmännischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten angestellt sind“. Daneben finden sich noch Sondergesetze, wie zB das Hausbesorgergesetz 614 , im Folgenden HausbG, welche nicht näher behandelt werden.

In der Folge werden die möglichen Ansprüche des privaten Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber untersucht. Zu unterscheiden ist dabei einerseits zwischen dem Arbeitgeber als Drahtzieher von Mobbing und dem Arbeitgeber als Person des Beschützers vor Mobbing durch einen Kollegen. Zunächst wird vom Regelfall Arbeitgeber als Beschützer ausgegangen und Bossing in der Folge als Sonderform behandelt. 3.3.1

Grundlage sämtlicher Ansprüche des Arbeitnehmers - die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist für Arbeiter in ihrer allgemeinen Form in § 1157 ABGB und für Angestellte in § 18 AngG normiert.

615

Der Arbeitgeber hat die

Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit, aber auch andere Vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 1353. Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 174. 611 GewO 1859 RGBl 1859/227 zuletzt geändert durch RGBl 1885/22. 612 AngG BGBl 1921/292. 613 Unter den Angestelltenbegriff fallen auch Personen, welche eine Angestelltentätigkeit in einem Verein, bei einem Rechtsanwalt, einem Notar etc ausüben; vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 177. 614 HausbG BGBl 1970/16 zuletzt geändert durch BGBl 1983/ 81. 615 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (115). 609 610

86

immaterielle und materielle Interessen der Arbeitnehmer gewahrt werden. 616 Die Gesundheit des Arbeitnehmers soll dabei sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht geschützt werden. 617 Die Fürsorgepflicht wird als Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes gemäß § 16 ABGB gesehen. § 1157 ABGB bzw § 18 AngG normieren eine Art Generalklausel. Von der Rechtsprechung wird sie dazu genützt, um den Katalog der Arbeitnehmerrechte durch Konkretisierung weiterzuentwickeln. 618 Spezielle Bestimmungen zur Fürsorgepflicht finden sich beispielsweise im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 619 , im Folgenden ASchG, im GlBG und im BEinstG. 620 Die Fürsorgepflicht darf aber nicht dazu führen, dass legitime Interessen des Arbeitgebers vernachlässigt werden. 621 Nach der neueren Rsp des OGH “geht es bei der Fürsorgepflicht nicht nur punktuell um die Rechtsgüter

Leben,

Gesundheit,

Sittlichkeit

und

Eigentum,

sondern

um

die

Persönlichkeitsrechte in ihren diversen Ausstrahlungen schlechthin [...] Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und damit zusammenhängende immaterielle Interessen nicht gefährdet werden. 622

Die Rechtsfolgen der Verletzung seiner Fürsorgepflicht hängen von den aus ihr resultierenden Pflichten ab und werden in der Folge näher behandelt. In Frage kommen Ansprüche auf Erfüllung 623 , Unterlassung 624 und/oder Schadenersatz 625 sowie ein Zurückbehaltungsrecht der Arbeitsleistung 626 .

Nach der stRsp des OGH ist der Schutz vor unsachlichen Belästigungen („Mobbingverhalten“) von der Fürsorgepflicht 627 des Arbeitgebers umfasst. In seiner Entscheidung 9 ObA 86/08z hat der OGH diese Ansicht explizit für Mobbing bestätigt.628

616

Vgl OGH 04. 12. 2002, 9 ObA 230/02t; OGH 17. 03. 2004, 9 ObA 143/03z; OGH 05. 06. 2008, 9 ObA 18/08z. 617 Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 239. 618 Vgl Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB online (Stand 2000) § 1157 Rz 1. 619 ASchG BGBl 1994/450, zuletzt geändert durch BGBl I 1999/ 70. 620 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 240. 621 Vgl Pačić, Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Lichte der Rechtsprechung, ZAS 2010/26, 144 (146). 622 OGH 17. 03. 2004, 9 Ob A 143/03z. 623 Vgl Krejci in Rummel3 § 1157 ABGB Rz 47 (www.rdb.at). 624 Vgl Krejci in Rummel3 § 1157 ABGB Rz 48 (www.rdb.at). 625 Vgl Krejci in Rummel3 § 1157 ABGB Rz 50 (www.rdb.at). 626 Vgl Krejci in Rummel3 § 1157 ABGB Rz 49 (www.rdb.at). 627 Vgl Krejci in Rummel3 § 1157 ABGB Rz 9 (www.rdb.at). 628 OGH 04. 08. 2009, 9 ObA 86/08z.

87

3.3.2 

Rechtliche Möglichkeiten des Arbeitnehmers im Detail

Unterstützung der Arbeitnehmer - Organe der Arbeitnehmerschaft

Wichtigstes Organ der Arbeitnehmer ist der Betriebsrat, der einzurichten ist, wenn in einem Betrieb dauernd fünf Arbeitnehmer über 18 Jahren tätig sind. 629 Die Mitglieder werden alle vier Jahre neu gewählt. 630 Ihre Anzahl hängt von der Zahl der Arbeitnehmer in einem Betrieb ab. 631 In größeren Unternehmen, die aus mehreren Betrieben bestehen, ist darüber hinaus ein Zentralbetriebsrat, in Konzernen einen Konzernvertretung zu wählen. 632

Gemäß § 38 Arbeitsverfassungsgesetz,

633

im Folgenden ArbVG, hat der Betriebsrat die

„wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen“ der Arbeitnehmer zu schützen. Diesbezüglich kommt den Mitgliedern auch ein umfassendes Beratungs-, Informations-, Überwachungs- und Interventionsrecht zu, welches im ArbVG genau und absolut zwingend geregelt ist. Der Betroffene könnte sich daher zunächst hilfesuchend an den Betriebsrat wenden. 634 Im Zusammenhang mit Versetzungen, Kündigungen und Entlassungen kann der Betriebsrat ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. 635 In der Folge wird dazu im Detail noch näher darauf eingegangen. 

Ersuchen um Abhilfe bei Mobbing durch Kollegen

Voraussetzung für die Schadenersatzpflicht eines Arbeitgebers ist in vielen Fällen, dass das Opfer um Abhilfe ersucht und der Arbeitgeber diese unterlassen hat (vgl § 12 Abs 11 iVm § 6 Abs 1 Z 2 GlBG). Die Haftung des Arbeitgebers setzt daher die Kenntnis von den Belästigungen voraus. Gesetzlich ist für das Ersuchen um Abhilfe keine Form vorgesehen. Bei Kenntnis ist der Arbeitgeber aber verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu setzen. Die Angemessenheit der vom Arbeitgeber gewählten Intervention hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist.636 Dasselbe muss auch für Mobbing außerhalb des Anwendungsbereichs des GlBG bzw BEinstG gelten. 637 Der Arbeitgeber muss sich dessen bewusst sein, dass er sich gemäß § 879 Abs 1 ABGB zum Vgl Dittrich/Tades, Arbeitsrecht (Stand März 2011) § 40 ArbVG E 3 (www.rdb.at). Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht – Ein systematischer Grundriss4 (2008) 85. 631 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 82. 632 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 79. 633 ArbVG BGBl 1974/22 zuletzt geändert durch BGBl 1996/601. 634 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (560). 635 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 617 ff. 636 Vgl OGH 29.09.2010, 9 ObA 12/10t; siehe ausführlich zum Meinungsstand und Judikatur im Zusammenhang mit angemessenen Abhilfemaßnahmen bei Majoros, Mobbing, Belästigung und andere unerwünschte Verhaltensweisen. Arbeits- und schadenersatzrechtliche Ansprüche, 103 ff. 637 OGH 05. 06. 2002, 9 Ob A 124/02d. 629 630

88

Beitragstäter durch Unterlassung machen kann, wenn er nicht dafür sorgt, dass die Schikane am Arbeitsplatz beendet wird. 638 Binder vertritt die Ansicht, dass es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, im Rahmen seiner Fürsorgepflicht bereits bei Konflikten zwischen seinen Mitarbeitern einzuschreiten, wenn diese den Betriebsfrieden stören. 639 

Klage auf Erfüllung

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, eine aus der Fürsorgepflicht resultierende Erfüllungs- bzw Unterlassungsverpflichtung einzuklagen, sofern diese hinreichend begründet werden kann. 640

In der Entscheidung 8ObA3/04f des OGH hat der Kläger ein Unterlassungs- bzw mehrere Eventualbegehren im Hinblick darauf gestellt, dass es die beklagte Partei als Arbeitgeber bei sonstiger Exekution zu unterlassen habe, dass sie ihren Fürsorgepflichten nicht nachkomme und Diskriminierungen gegen den Kläger seitens Kollegen dulde. Da es sich bei der beklagten Partei um ein ausgegliedertes Unternehmen handelte, welchem der Kläger von der Gemeinde Wien lediglich zugewiesen war, wurden diese Begehren vom Erst- und vom Rechtsmittelgericht wegen mangelnder Passivlegitimation der beklagten Partei abgewiesen. Der OGH hat die Fürsorgepflicht der beklagten Partei gegenüber dem zugewiesenen Kläger aber bejaht und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. 641

Weitere Entscheidungen des OGH im Zusammenhang mit Mobbing und der klagsweisen Einforderung der Fürsorgepflicht liegen nicht vor. Man könnte daraus schließen, dass in der Praxis ein privater Arbeitnehmer eher abgeneigt ist, seinen Arbeitgeber auf Einhaltung der Fürsorgepflicht zu klagen. 

Versetzung

Eine Versetzung ist „jede nicht ganz unwesentliche Änderung des Inhalts (Art, Ort und Zeit) der Arbeitspflicht“ 642 . Sie kann oft zu Nachteilen in verschiedensten Lebensbereichen des

Vgl Mazal im Rahmen des Feedback Gesprächs am 13. 02. 2012. Vgl Binder, Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht, 82. 640 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 392. 641 OGH 26. 08. 2004, 8 ObA 3/04f. 642 Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern aus arbeitsvertraglicher und betriebsverfassungsrechtlicher Sicht (2003) 25; Siehe Näheres zu den Merkmalen einer Versetzung im arbeitsvertraglichen Sinn bei Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 27 ff. 638 639

89

Arbeitnehmers führen 643 und ist daher von der Zustimmung des Arbeitnehmers abhängig, wenn sie im Arbeitsvertrag keine Deckung mehr findet.644

Eine Versetzung kann für das Mobbingopfer einen Weg darstellen, dem Mobbing zu entkommen ohne seinen Arbeitsplatz aufgeben zu müssen. Sie stellt auch für den Arbeitgeber eine Möglichkeit dar, die Situation zu beruhigen. Ein Anspruch auf eine bestimmte bevorzugte Position besteht aber jedenfalls nicht, zumal es dem Arbeitgeber freisteht, wie und wo er für den Arbeitnehmer innerhalb der Grenzen des Dienstvertrages Verwendung findet. 645 

Kündigung

Daneben steht dem Arbeitnehmer bei unbefristeten Dienstverhältnissen das Instrument der Kündigung zu, das eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung von Fristen zu bestimmten Terminen möglich macht. 646 Befristete Dienstverhältnisse können nur dann gekündigt werden, wenn diese Möglichkeit ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. 647 

Einvernehmliche Auflösung

Eine Beendigung des Arbeitverhältnisses kann natürlich auch einvernehmlich ohne Bindung an Fristen oder Termine erfolgen. Die Auflösung benötigt keine Begründung, dafür aber den Konsens beider Vertragsparteien. 648 Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages mit besonders geschützten Eltern oder Präsenz- und Zivildienern 649 ist allerdings an die Schriftform gebunden. 650 Lehrlinge, minderjährige Eltern im Anwendungsbereich des MSchG und VKG sowie Präsenz- und Zivildiener sind vor Unterzeichnung vom Gericht oder einer gesetzlichen Interessensvertretung über ihren besonderen Schutz zu informieren. 651

In seiner Entscheidung 8 ObA 285/97 vom 18. 09. 1997 hat der OGH festgehalten, dass „den Arbeitgeber nicht ein aus der Fürsorgepflicht sich ergebender Kontrahierungszwang zur Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 16. Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 21. 645 RIS-Justiz RS0112755. 646 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 288. 647 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 293. 648 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 284. 649 Zur Wirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung ist bei Zivildienern darüber hinaus eine Bescheinigung des Gerichts oder der gesetzlichen Interessensvertretung notwendig, dass gegenüber dem geschützten Arbeitnehmer eine Belehrung über den Bestandschutz erteilt wurde, siehe Näheres bei Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen (2002) 81. 650 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 81. 651 Siehe Näheres bei Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 321. 643 644

90

einvernehmlichen Auflösung oder zur Zahlung einer Abfertigung im Fall einer Kündigung durch den Arbeitnehmer, der bei der Auflösung auch nicht auf das Vorhandensein eines Austrittsgrundes hingewiesen hat, trifft“. 

Vorzeitiger Austritt

Der vorzeitige Austritt bedeutet die „einseitige, grundsätzlich fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ 652 . Eine solche ist nur möglich, wenn wichtige, „mit den im Gesetz angeführten identische oder gleichwertige Gründe“ 653 vorliegen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum ordentlichen Kündigungstermin unmöglich machen. Im Fall eines berechtigten Austritts aus Verschulden des Arbeitgebers gebührt dem Arbeitnehmer die „Kündigungsentschädigung“, dh das Entgelt inklusive Sonderzahlungen, das er bei einer Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist für die restliche Arbeitszeit erhalten hätte, sowie eine allfällige Abfertigung und eine Ersatzleistung für offenen Urlaub. Bei einem berechtigten Austritt ohne Verschulden des Arbeitgebers gebührt hingegen keine Kündigungsentschädigung. 654 Ein Austritt ist nur berechtigt, wenn er „unverzüglich“ nach Kenntnis des Auflösungsgrundes erklärt wird. 655 3.3.3

Nähere Betrachtung der möglichen Austrittsgründe bei Mobbing

Das Tatbild Mobbing entspricht keinem eigenen Austrittsgrund. Das heißt, der Umstand, dass jemand gemobbt wird, muss diesen nicht automatisch zu einem vorzeitigen Austritt berechtigen. 656 Folgende Austrittsgründe könnten bei Mobbing in Frage kommen: 

Austritt aus gesundheitlichen Gründen (§ 26 Z 1 AngG, ähnlich § 82a lit a GewO 1859)

Wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen dauernd nicht mehr fähig ist, seine Arbeit fortzusetzen bzw dies nicht mehr ohne Schaden an seiner Gesundheit tun könnte, ist er berechtigt, vorzeitig aus dem Dienstverhältnis auszutreten. Dies allerdings nur dann, wenn die Gesundheitsgefährdung kausal mit der Dienstverrichtung zusammenhängt und nicht ausschließlich bzw vorwiegend von der privaten Sphäre herrührt. Unter die Ausübung der Arbeit fallen auch die Rahmenbedingungen und das Betriebsklima.657 Das Recht zum Austritt steht dem Arbeitnehmer verschuldensunabhängig zu. Vor der Austrittserklärung muss der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über seinen Zustand aufklären (soweit dieser nicht ohnehin Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 328. Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 (2006) § 26 AngG E2. 654 Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 328. 655 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 329. 656 Vgl Rauch, ASoK 2007, 373. 657 OGH 25. 01. 2011, 8 ObA 82/10g. 652 653

91

bekannt ist bzw bekannt sein müsste) und diesem so die Chance geben, ihm einen anderen Arbeitsplatz bzw eine andere Beschäftigung anzubieten. 658

In der Judikatur wurde die Berechtigung zum Austritt wegen „gesundheitsgefährdenden Mobbings“ bereits bejaht.

659

Ebenso wurde eine „psychische Belastungssituation“ bzw ein

„negatives Arbeitsklima“ am Arbeitsplatz - insbesondere, wenn eine Trennung der in den Konflikt involvierten Beteiligten bzw eine Streitbereinigung nicht erreicht werden konnte als legitimer Grund für einen Austritt beurteilt. 660 

Austritt wegen Angriffe gegen die körperliche Integrität, Ehre oder Intimsphäre (§ 26 Z 4

AngG, § 82a lit b GewO 1859) Vom Austrittsgrund

Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche

Ehrverletzungen gemäß § 26 Z 4 AngG bzw der tätlichen Misshandlung oder groben Ehrenbeleidigung gemäß § 82a lit b GewO sind sowohl Angriffe seitens des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer oder dessen Angehörige erfasst, als auch solche durch Dritte, gegen die der Arbeitgeber trotz Kenntnis keine Abhilfe schafft. Das heißt, der Umstand allein, dass jemand von seinem Kollegen beleidigt oder körperlich angegriffen wird, berechtigt die betroffenen Person noch nicht zu einem Austritt aus dem Arbeitsverhältnis, sondern erst die Unterlassung einer Abhilfe seitens des Arbeitgebers. 661 Abhilfepflichtig ist dabei der Unternehmensinhaber bzw bei juristischen Personen das vertretungsbefugte Organ und nicht ein weisungsberechtigter Büroleiter.662 Die Verletzung gegen die Ehre muss erheblich sein, dh besonders beleidigend in dem Sinne, dass einer mit einem normalen Ehrgefühl ausgestattete Person als einzige Reaktion darauf nur der Abbruch des Kontaktes übrig bleibt. 663 Unter den gegenständlichen Austrittsgrund fällt auch eine sexuelle Belästigung. 664 Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht Wien, im Folgenden OLG Wien, in seiner Entscheidung 9

Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 331. Vgl bereits OGH 12. 09. 1990, 9 ObA 192/90, OGH 10. 05. 1989, 9 ObA 71/89 und insbesondere LG St. Pölten 30 Cga 83/97m ARD 5114/2/2000. 660 Vgl OGH 11. 05. 2010, 9 ObA 130/09x; OGH 23. 11. 2010, 8 ObA 78/10v. 661 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 331; vgl OLG Wien 9 Ra 27/08v ARD 5868/6/2008. 662 Vgl Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 26 E 159. 663 Vgl Rauch, ASoK 2007, 374 mit Verweis auf OGH 17. 12. 1963, 4 Ob 124/63. 664 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 331. 658 659

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Ra 27/08v vom 28. 03. 2008 die Frage, ob ein Austritt gemäß § 27 Z 4 AngG aufgrund von mangelnder Abhilfe durch den Arbeitgeber bei Mobbing gerechtfertigt sei, bejaht. 665 

Austritt aufgrund wesentlicher Vertrags- oder Gesetzesverletzungen (§ 26 Z 2 und 3

AngG, § 82a lit d GewO 1859) Der Arbeitnehmer ist aufgrund einer wesentlichen Vertrags- oder Gesetzesverletzung seitens des Arbeitgebers berechtigt, seinen Austritt zu erklären. Darunter fällt die unzulässige Versetzung bzw das Beharren darauf; 666 aber auch eine nicht eingehaltene Beförderung trotz Zusage

667

oder eine Herabsetzung des Entgelts 668 . Reissner vertritt die Ansicht, dass die

mangelnde Abhilfe bei Mobbing durch den Arbeitgeber, somit die Verletzung seiner Fürsorgepflicht, unter § 26 Z 3 AngG zu subsumieren sei. 669 3.4

Sonderform: Bossing – Mobbinghandlungen des Arbeitgebers in Rechtsinstrumente gekleidet

Bossing stellt einen massiven Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dar. Die soeben unter Punkt C.3.3, vertragliche Ansprüche des Opfers im Bereich des privaten Arbeitsrechts gegenüber dem Arbeitgeber bei Mobbing durch Kollegen, behandelten rechtlichen Möglichkeiten des Mobbingopfer stehen diesem auch bei Bossing zu. Im Folgenden soll noch ergänzend auf die rechtlichen Abwehrinstrumente gegen spezifische Mobbinghandlungen auf Arbeitgeberseite eingegangen werden. 3.4.1

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine als Mobbinghandlung missbrauchte Weisung

Aus dem Arbeitsvertrag ist der Arbeitgeber berechtigt, seinem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen, welche dieser aufgrund seiner Gehorsamspflicht zu befolgen hat. Mit Hilfe dieses Direktionsrechts ist es dem Arbeitgeber möglich, die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag näher zu präzisieren und Verhaltensregeln aufzustellen. 670 Im Zusammenhang mit den 45 Mobbinghandlungen nach Leymann könnte der Arbeitgeber sein Weisungsrecht dahingehend missbrauchen, dass er einen Mitarbeiter Arbeitsaufgaben überträgt,

welche

diesen

in

seinem

Selbstvertrauen

665

erschüttern;

dass

er

das

OLG Wien 28. 03. 2008, 9 Ra 27/08v. Vgl Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 26 AngG E9. 667 Vgl Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 26 AngG E 143. 668 Vgl Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 26 AngG E 144. 669 Reissner, Austritt eines Fußballtrainers auf Grund von Mobbing, DRdA 2005, 277 (281), aA Dittrich/Tades, Arbeitsrecht (Stand Dezember 2009) § 26 AngG E 142 (www.rdb.at). 670 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 294. 666

93

Arbeitsengagement des Mitarbeiters unrichtig einschätzt oder dass er seinen Mitarbeitern verbietet, mit dem Betroffenen zu sprechen (Angriffe auf das soziale Ansehen). Im Rahmen seiner Vorgesetztenfunktion könnte er einen Arbeitnehmer ständig hinsichtlich seiner Arbeit oder seines Privatlebens kritisieren; er könnte ihm drohen oder ihn anschreien; er könnte ihm auch den Kontakt verweigern und dem Arbeitnehmer ein Äußerungsrecht verwehren (Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen). Weiters könnten sämtliche Handlungen der Gruppe Angriffe auf die Qualität des Berufslebens in eine Weisung verpackt werden. Das Weisungsrecht könnte darüber hinaus dazu missbraucht werden, Mitarbeiter zu Mobbing anzustiften.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers findet seine Grenzen im Gesetz, in den Kollektivverträgen oder in Betriebsvereinbarungen, aber auch im Arbeitsvertrag selbst und nicht zuletzt in der Fürsorgepflicht, aus der ein Schikaneverbot und ein Sittlichkeitsgebot resultieren. 671 Kritik am Privatleben ist vom Weisungsrecht des Arbeitsgebers nicht umfasst. Nur in Ausnahmefällen, zB bei einem besonderen betrieblichen Interesse, kann in diesem Bereich eine Weisung legitim sein, 672 welche dann aber eher als Abmahnung verstanden werden muss. 673 Eine Weisung aus reiner Schikane verletzt daher die Fürsorgepflicht und kann den Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen, wenn das Verhalten zu einem Schaden beim Arbeitnehmer geführt hat. Weisungen, welche nicht begründet sind, muss der Arbeitnehmer nicht befolgen. 674 3.4.2

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Versetzung als Mobbinginstrument

Eine Versetzung innerhalb der Grenzen des Arbeitsvertrages ist ohne Mitsprache des Arbeitnehmers möglich. Eine vertragsändernde Versetzung bedarf hingegen der Zustimmung des Arbeitnehmers. Will dieser einer vertragsändernden Versetzungsaufforderung nicht Folge leisten, steht dem Arbeitgeber das Instrument der Kündigung bzw Änderungskündigung zu. Der Arbeitnehmer kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses abwenden, indem er der Versetzung doch zustimmt. 675 Unabhängig davon, ob die Versetzung zu einer Änderung des Arbeitsvertrages führt oder nicht bzw ob sie vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer gefordert wird, 676 steht dem Betriebsrat auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene gemäß § 101 ArbVG ein Informations- und Beratungsrecht zu jeder beabsichtigten „Einreihung auf Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 50. Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 295. 673 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 296. 674 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 91. 675 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 22. 676 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 120. 671 672

94

einen anderen Arbeitsplatz“ zu, die mindestens 13 Wochen dauern soll. Im Fall, dass mit einer solchen dauernden Versetzung eine Verringerung des Entgelts oder Nachteile bei den sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden sein sollten, ist deren Wirksamkeit von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig. 677 Zu den sonstigen Arbeitsbedingungen zählen ua die Allgemeinsituation am Arbeitsplatz, dessen Gefährlichkeit, die Schwere der Tätigkeit, die Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnsitz sowie das soziale Ansehen im Betrieb. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrates kann jedoch durch ein Gerichtsurteil ersetzt werden, sofern die Versetzung sachlich begründet ist. 678 Eine Versetzung, aufgrund derer das Opfer sein soziales Ansehen im Betrieb verliert, gilt als typisches Mobbingmittel seitens des Arbeitgebers. Von der Rsp wird sie daher als Verschlechterung der Arbeitsbedingung gesehen und bedarf der Zustimmung des Betriebsrates. Ist in einem Betrieb kein Betriebsrat eingerichtet, ist eine Versetzung lediglich anhand des Arbeitsvertrages zu prüfen. 679 Leymann nennt in seiner Liste der 45 Mobbinghandlungen folgende Versetzungsarten: „Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen“ (Angriff auf die sozialen Beziehungen); „Zuweisung von sinnlosen oder stark unterfordernden Aufgaben“ (Angriff auf die Berufssituation); Aufgaben“

„Zuweisung

(Angriff

auf

die

von

quantitativ

Berufssituation);

oder

qualitativ

„Zuteilung

von

überfordernden

überhaupt

keinen

Arbeitsaufgaben“ (Angriff auf die Berufssituation). 

Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen:

Aus arbeitsvertraglicher Sicht ist zunächst auf den Inhalt des Vertrages abzustellen. 680 In diesem ist zumeist der Ort der Leistungserbringung festgelegt. 681 Dabei handelt es sich in der Regel um die Betriebsstätte.

682

Die Zuteilung zu einem anderen Raum erfüllt den

Versetzungsbegriff wohl nicht. Aus dem Arbeitsvertrag ist der Arbeitgeber berechtigt, seinem Arbeitnehmer innerhalb gesteckter Grenzen Weisungen zu erteilen. 683 Im Rahmen seiner Treuepflicht kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, Änderungen, die nicht von Dauer sind, aufgrund von (wirtschaftlichen) Notsituationen hinzunehmen. 684 Die Zuteilung zu einem anderen Raum aus Schikanegründen könnte – selbst wenn sie keine Versetzung darstellt - das Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 24; siehe Näheres zum betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutz bei Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 115 ff. 678 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 82. 679 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 181. 680 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 27. 681 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 100. 682 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 101. 683 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 50. 684 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 41. 677

95

Weisungsrecht des Arbeitgebers überschreiten und wäre der Arbeitnehmer daher nicht gehalten, der Weisung zu folgen. 685

Aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht stellt die Veränderung des Arbeitsraumes innerhalb desselben Gebäudes noch keine Versetzung dar und bedarf daher nicht (einmal) der Information des Betriebsrates. 686 

Zuweisung von über- oder unterfordernden Arbeitsaufgaben; Anweisung zum „Nichtstun“

Aus arbeitsvertraglicher Sicht ist die Zuweisung von qualitativ über- bzw unterfordernden Arbeitsaufgaben ohne Zustimmung des Arbeitnehmers möglich, sofern die Änderung noch von der im Arbeitsvertrag umschriebenen Tätigkeit gedeckt ist und keinen schweren Nachteil für den Arbeitnehmer nach sich zieht. Hinsichtlich einer quantitativen Änderung ist auf die Zumutbarkeit und die individuellen Verhältnisse des Arbeitnehmers abzustellen. 687 Die Anweisung zum „Nichtstun“ ist keinesfalls vom Arbeitsvertrag gedeckt und darüber hinaus wohl als unzumutbar zu werten.

Aus betriebsverfassungrechtlicher Sicht liegt eine Versetzung durch Änderung des Arbeitsinhaltes dann vor, wenn dem Arbeitnehmer Tätigkeiten entzogen werden, die den Schwerpunkt seiner Arbeit darstellen. Die bloße Einschränkung vom bisherigen Aufgabenbereich stellt hingegen noch keine Versetzung dar. 688 Die Zuweisung von überoder unterfordernden Arbeitsaufgaben wird, wenn sie über einen Zeitraum von mindestens 13 Wochen erfolgen soll, ab einen einzelfallbezogenen Schwellenwert eine Versetzung iSd § 101 ArbVG darstellen. 689 Ob eine zustimmungsbedürftige Versetzung vorliegt, ist durch einen Vergleich der Situationen davor und danach zu beurteilen. Eine Herabsetzung des Ansehens 690 wird ebenso unter Verschlechterung der sonstigen Arbeitsbedingungen gezählt wie eine weniger verantwortungsvolle Tätigkeit, ein längerer Anfahrtsweg 691 oder eine höhere psychische oder physische Anforderung. 692 In schweren Fällen ist davon auszugehen, dass die behandelten Angriffe auf die Berufssituation der Zustimmung des Betriebsrates

Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 51. Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 123. 687 Vgl Kuderna, - Eine systematische Darstellung mit Berücksichtigung der in den Sondergesetzen enthaltenen Kündigungstatbeständen2 (1994) 112. 688 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 126. 689 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 133. 690 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 160 691 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 161. 692 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 162. 685 686

96

bedürfen. Die Anweisung zum „Nichtstun“ wird wohl jedenfalls als verschlechternd zu werten sein. 3.4.3

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Kündigung als Mobbingmittel

Tatsächlich enden viele Mobbingverläufe mit der Kündigung des Opfers seitens des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat bei sonstiger Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 105 ArbVG den Betriebsrat – sofern ein solcher eingerichtet ist – über jede beabsichtigte Kündigung zu informieren. Diesem stehen ein Beratungs- und ein Stellungnahmerecht in Form des Widerspruchs oder der Zustimmung zu, welche Rechte innerhalb von einer Woche auszuüben sind. Nach Bekanntgabe über den Ausspruch der Kündigung kann der Betriebsrat diese binnen einer Woche bei Gericht anfechten, vorausgesetzt, dass er dieser zuvor widersprochen hat. Das Recht eines Arbeitnehmers, eine Kündigung gerichtlich gemäß § 105 ArbVG zu bekämpfen, hängt grundsätzlich von der Arbeitnehmereigenschaft und der Größe des Betriebes ab. Es steht ausschließlich Arbeitnehmern iSd § 36 Abs 1 ArbVG, welche in betriebsratspflichtigen Betrieben tätig sind, zu. 693 Der leitende Angestellte ist daher vom allgemeinen

Kündigungsschutz

ausgenommen.

694

Arbeitnehmern

von

nicht

betriebsratspflichtigen Betrieben steht nur ein eingeschränktes Kündigungsrecht wegen Sozialwidrigkeit gemäß § 15 Abs 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz 695 , im Folgenden AVRAG, zu. Das Anfechtungsrecht steht nur Arbeitnehmern bestimmter Jahrgänge (männlich 1935-1942; weiblich: 1940 -1947) zu. Weitere Anfechtungsmöglichkeiten normiert aber auch das GlBG (vgl §§ 12 Abs 7, 26 Abs 7, 51 Abs 7). Gemäß § 58 Abs 1 ASGG haben die Parteien in den ersten beiden Instanzen ihre Kosten selbst zu tragen. 

Anfechtung wegen verpönter Merkmale gemäß § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG

Selbst bei Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung kann diese innerhalb der Frist von zwei Wochen wegen verpönter Merkmale gemäß § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG vom betroffenen Arbeitnehmer angefochten werden. Verpönt ist eine Kündigung im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft (lit a), wegen vergangener Tätigkeiten im Betriebsrat (lit e) oder wegen „der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer“ (lit i). In diesem Fall braucht der Arbeitnehmer gemäß § 105 Abs 5 ArbVG das verpönte Motiv nur glaubhaft machen. Wenn es dem Arbeitgeber in der Folge nicht gelingt, dem Gericht Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 530. Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 531. 695 AVRAG BGBl 1993/459 zuletzt geändert durch BGBl I 2002/52. 693 694

97

glaubhaft zu machen, dass ein anderer Grund für die Kündigung maßgeblich war, ist der Klage stattzugeben. 696 Eine Kündigung als Reaktion auf die berechtigte Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit Mobbing könnte daher gemäß § 105 Abs 3 lit i ArbVG angefochten werden. 

Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG und § 15 Abs 3 AVRAG

Voraussetzungen für die Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit sind eine Mindesttätigkeitsdauer von sechs Monaten und eine wesentliche Interessensbeeinträchtigung des gekündigten Arbeitnehmers.

Eine

wesentliche

Interessenbeeinträchtigung

liegt

vor,

wenn

der

Arbeitnehmer zukünftig eine ins Gewicht fallende schlechtere finanzielle Lage, zB durch lange Arbeitslosigkeit, befürchten muss. 697 Die Kündigung kann aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers, welche sich negativ auf den Betrieb auswirken, 698 oder betriebsbedingt, aufgrund einer schlechten wirtschaftlichen Lage, trotzdem gerechtfertigt sein. 699 Mehrere, jeweils länger dauernde Krankenstände können eine an sich sozialwidrige Kündigung rechtfertigen.

700

Den Rechtfertigungsbeweis hat der Arbeitgeber zu erbringen. Eine

betriebsbedingte Kündigung kann trotzdem sozialwidrig sein, wenn einen anderen Arbeitnehmer im Rahmen eines Sozialvergleichs die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in sozialer Hinsicht weniger hart getroffen hätte als den betroffenen Arbeitnehmer. 701 Das Recht zur Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG steht nicht zu, wenn der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zugestimmt hat. 702 

Besonders geschützte Arbeitnehmer

Besonders geschützt sind darüber hinaus Belegschaftsfunktionäre, dazu zählen insbesondere Betriebsratsmitglieder, 703 Mütter im Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes 1979, 704 im Folgenden MSchG, Väter im Anwendungsbereich des Väter-Karenzgesetzes, 705 im

Vgl Tinhofer in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar (Stand November 2011) Kap XVIII Rz 33. 697 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 311. 698 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 553. 699 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 554. 700 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 557. 701 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 559. 702 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 549. 703 Siehe Näheres zum Bestandschutz von Belegschaftsfunktionären bei Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 10 ff. 704 MSchG BGBl 1979/221. 705 VKG BGBl 1989/651; Siehe Näheres zum Bestandschutz von Eltern bei Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 62 ff. 696

98

Folgenden VKG, Präsenz- und Zivildiener Anwendungsbereich

des

BEinstG

708

.

706

Eltern

707

im

während

der

und behinderte Menschen sollen

insbesondere

Inanspruchnahme des Karenzurlaubes oder einer Teilzeitarbeit bis zur Schulreife des Kindes vor einer grundlosen Kündigung geschützt werden. 709 Für Mütter beginnt der Schutz mit Beginn der Schwangerschaft. 710 Für diese besonders geschützten Arbeitnehmer kann eine Kündigung grundsätzlich nur durch gerichtliche Zustimmung bzw durch Zustimmung durch den Behindertenausschuss beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen und aus bestimmten Gründen wirksam ausgesprochen werden. 711

Ein besonders geschützter Arbeitnehmer kann mit Zustimmung des Gerichts gekündigt werden, wenn er unfähig ist, seine bisherige Tätigkeit laut Arbeitsvertrag zu verrichten und keine positive Zukunftsprognose gestellt wird und dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses selbst, wenn der besonders geschützte Arbeitnehmer mit seinem Einverständnis in einem anderen Bereich eingesetzt werden würde, unzumutbar ist. 712 Auf Eltern ist dieser Kündigungsgrund allerdings nicht anwendbar. 713 Lehrlinge können nach Ablauf der Probezeit überhaupt nicht gekündigt werden 714 und Hausbesorger können nur aus bestimmten Gründen (außergerichtlich) gekündigt werden. 715 

Sittenwidrige Kündigung und Mobbing

Der OGH vertritt in stRsp die Auffassung, dass eine Kündigung dann als sittenwidrig iSd § 879 ABGB zu beurteilen ist, wenn „der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven, Gebrauch macht“. 716 Als Beispiele für sittenwidrige Motive nennt er die Religion oder auch politische Gesinnung.717 § 879 ABGB ist subsidiär zu § 105 ArbVG, oder § 12 Abs 7 GlBG bzw anderen speziellen Bestimmungen zur Kündigungsanfechtung. 718

Siehe Näheres zum Bestandschutz von Zivil- und Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 84 ff. 707 Siehe Näheres zum Bestandschutz von Behinderten bei Weiß,, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 95 ff. 708 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 2. 709 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 62. 710 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 63. 711 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 3. 712 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 4. 713 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 72. 714 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 118. 715 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 141. 716 RIS-Justiz RS0016680. 717 RIS-Justiz RS0016680. 718 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 552. 706

99

Das Recht, eine Nichtigkeit gerichtlich feststellen zu lassen, unterliegt keinen besonderen Fristen. 719 Teile der Lehre sehen eine Analogiefähigkeit der kurzen Fristen nach dem ArbVG bzw GlBG. Der OGH hat sich diesbezüglich bis dato nicht geäußert, 720 vertritt allerdings zu Kündigungsanfechtungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang die Ansicht, dass diese zeitlich nicht unbeschränkt durchsetzbar sind. 721 Ungeklärt ist bis dato auch die Frage, ob im Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung wegen § 879 ABGB analog die Beweislasterleichterung gemäß § 105 Abs 5 ArbVG zum Tragen kommt. 722 Im Feststellungsverfahren werden im Gegensatz zum Anfechtungsverfahren der obsiegenden Partei die gänzlichen Kosten ersetzt. Im Anfechtungsverfahren steht ein Ersatz der Kosten erst beim Verfahren vor dem OGH zu. 723

Nach stRsp des OGH ist eine Kündigung nicht sittenwidrig, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von mehreren Krankenständen lediglich 73f% der möglichen Arbeitszeit in einem Jahr erbringen konnte. Auch bei einem acht Monate andauernden Krankenstand aufgrund eines Arbeitsunfalls, der vom Arbeitgeber mitverschuldet worden war, wurde eine Kündigung als gerechtfertigt bestätigt. 724

Im Zusammenhang mit Mobbing liegen keine Entscheidungen vor. Anlehnend an die bisherige Judikatur muss aber davon ausgegangen werden, dass eine Kündigung bei einem mehrere Monate andauernden Krankenstand aufgrund von Mobbing nicht gegen die guten Sitten verstoßen muss. Anders wird eine Kündigung im Zusammenhang mit Bossing zu beurteilen sein, zumal das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bewusst und gewollt vom Arbeitgeber gesteuert wird. 3.4.4

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine rechtsmissbräuchliche Entlassung

Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung von Fristen aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer in körperlicher, geistiger oder rechtlicher Hinsicht gänzlich unfähig wird, seine Arbeitsaufgaben zu erfüllen.

725

Verschulden bildet dabei keine

Voraussetzung für die Berechtigung zur Entlassung. Die Nichtbefolgung einer unsittlichen

Krejci in Rummel3 (Stand 2000) § 879 Rz 261 (www.rdb.at). Vgl Tinhofer in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XVIII Rz 38. 721 Vgl OGH 11. 10. 2001, 8 ObA 190/01a; OGH 30. 06. 1999, 9 ObA 160/99s, DRdA 2000, 311. 722 Vgl Tinhofer in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XVIII Rz 37. 723 Vgl Tinhofer in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XVIII Rz 35. 724 OGH 19. 02. 2002, 8 ObA 25/02p. 725 Vgl Dittrich/Tades, Arbeitsrecht § 27 AngG E 439 (www.rdb.at). 719 720

100

Weisung kann aber nie eine Entlassung rechtfertigen. 726 Eine Dienstunfähigkeit, welche auf eine unverschuldete Krankheit zurückzuführen ist, kann den Arbeitgeber zu einer Entlassung berechtigen. 727

Eine auf eine Mobbingsituation zurückgeführte dauernde Dienstunfähigkeit wird zu keiner Entlassung berechtigen, wenn der Arbeitgeber - trotz Kenntnis davon - nicht interveniert hat. Selbst bei unverschuldeter Unkenntnis des Arbeitsgebers von der Mobbingsituation wird meiner Ansicht nach eine Entlassung nicht gerechtfertigt sein, zumal Mobbing auf einen Fehler der Organisation, der Gestaltung der Arbeitsaufgaben oder des Führungsverhaltens zurückzuführen und damit letztlich dem Arbeitgeber zuzurechnen ist.

Der Betriebsrat ist von jeder Entlassung umgehend zu benachrichtigen (§ 106 ArbVG) und hat diesbezüglich ein Beratungsrecht mit dem Arbeitgeber. 728 Innerhalb von drei Tagen ab Kenntnis von der Entlassung kann er dieser widersprechen. Aufgrund seines Widerspruchs kann der Betriebsrat die Entlassung innerhalb von einer Woche bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes und Verneinung eines Entlassungsgrundes anfechten.

729

Dem

Arbeitnehmer steht das Anfechtungsrecht wegen Sozialwidrigkeit nur zu, wenn der Betriebsrat der Entlassung nicht zugestimmt hat. Im Falle einer Entlassung aus verpönten Motiven ist eine Anfechtung hingegen auch bei Zustimmung des Betriebsrates möglich. 730 Im Übrigen sind die Bestimmungen über die Kündigungsanfechtung sinngemäß anzuwenden (vgl § 106 Abs 2 iVm § 105 Abs 4 bis Abs 7). Während eines laufenden Anfechtungsverfahrens wird die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund einer unbegründeten Entlassung unterbrochen. 731 Außerhalb des Anwendungsbereichs des ArbVG kann ein Arbeitnehmer bei Nichtvorliegen eines Entlassungsgrundes nur die Umdeutung der Entlassung in eine Kündigung

und

die

daraus

resultierenden

Schadenersatzansprüche

(„Kündigungsentschädigung“) fordern. 732 Im AVRAG (vgl § 8 Abs 2), 733 dem GlBG und dem BEinstG finden sich spezielle Anfechtungsbestimmungen. Die Entlassungsanfechtung nach dem GlBG und dem BEinstG Aicher in Rummel3 (Stand 2000) §16 Rz 26 (www.rdb.at). Vgl Dittrich/Tades, Arbeitsrecht § 27 AngG E 453, § 83 GewO E 36 (www.rdb.at). 728 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 621. 729 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 622. 730 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 621. 731 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 622. 732 Löschnigg, Arbeitsrecht11 617. 733 Zur Anfechtung einer Entlassung wegen Verlassens des Gefahrenbereichs bei ernster und unmittelbarer Gefahr, siehe Näheres bei Löschnigg, Arbeitsrecht11 623. 726 727

101

werden im Folgenden noch näher behandelt. Der Entlassungsgrund der Arbeitsunfähigkeit ist auf besonders geschützte Arbeitnehmer, welche auch einem besonderen Kündigungsschutz unterliegen, nicht anwendbar. Im Übrigen ist die Zustimmung des Gerichts bei sonstiger absoluter Nichtigkeit Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entlassung von besonders geschützten Arbeitnehmern. 734 3.5 3.5.1

Vertragliche Schadenersatzansprüche Prüfung

der

Voraussetzungen

unter

besonderer

Bedachtnahme

auf

mobbingspezifische Problemstellungen Unabhängig davon, ob das Dienstverhältnis aufrecht bleibt oder beendet wird, können dem Opfer gegenüber dem Arbeitgeber vertragliche Schadenersatzansprüche zustehen, wenn dieser das Opfer gemobbt hat oder einer etwaigen Abhilfeverpflichtung nicht nachgekommen ist. Dazu müssen die allgemeinen Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch vorliegen, nämlich eine rechtswidrige und schuldhafte Schadenszufügung.

735

Im

Zusammenhang mit Mobbing ergeben sich dabei folgende Problemstellungen: In der Regel wird der Schaden durch eine Handlung herbeigeführt. 736 Mobbing wird allerdings erst durch mehrere Handlungen über einen längeren Zeitraum realisiert. Für das Mobbingopfer ist es zumeist nicht einfach, ein begründetes Vorbringen zu erstatten, zumal jede einzelne Handlung, welche in Summe Mobbing ausmacht, substantiiert vorgetragen werden muss. 737 Im Rahmen der Abhilfeverpflichtung des Arbeitgebers ist für diesen ein positives Tun geboten. Eine Unterlassung kann in diesem Fall eine Schadenersatzpflicht, unter Umständen sogar als Beitragstäter wegen Verletzung des Schikaneverbots gemäß § 879 ABGB, 738 begründen. 739

Eine weitere Voraussetzung für die Schadenersatzpflicht ist, dass das Verhalten für einen Schaden kausal war, dh der Erfolg wäre ohne das Tun bzw Unterlassen nicht eingetreten (Äquivalenztheorie).

740

Der Beweis, dass das Mobbingverhalten ursächlich für die

Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 624. Siehe Näheres bei Reischauer in Rummel3 (Stand 2007) § 1294 Rz 1 ff (www.rdb.at). 736 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1294 Rz 1 (www.rdb.at). 737 Vgl Benecke, Mobbing: Persönlichkeitsschutz und Haftung des Arbeitgebers, RdA 2008/6, 357 (362). 738 Vgl Mazal, Feedback-Gespräch vom 13. 02. 2012. 739 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1294 Rz 2 (www.rdb.at). 740 Vgl Reischauer in Rummel3 (Stand 2007) § 1295 Rz 1 (www.rdb.at). 734 735

102

Gesundheitsschädigung war, stellt eine besondere Schwierigkeit bei Klagen auf Schadenersatz wegen Mobbing dar. 741

Gemäß § 1295 Abs 1 ABGB ist ein Verhalten ua dann rechtswidrig, wenn es eine Vertragspflicht verletzt. 742 Die Verletzung der Fürsorgepflicht stellt ein vertragswidriges Verhalten dar. Im Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber wirft die notwendige Voraussetzung der Rechtswidrigkeit somit keine großen Probleme auf, anders stellt sich die Rechtslage hingegen bei Schadenersatzansprüchen gegen Kollegen dar. Gemäß § 1295 Abs 2 ABGB haftet jemand für den Schaden, den er „in Ausübung eines Rechtes zum Zweck den anderen zu schädigen“, verursacht hat. Voraussetzungen für eine Haftung nach § 1295 Abs 2 ABGB sind daher das Zustehen eines subjektiven Rechtes und ein klares Überwiegen eines unredlichen Beweggrundes. 743 Von Teilen der Rsp wird eine Haftung überdies bei einer drastischen Diskrepanz zwischen den Interessen des Schädigers auf der einen und des Geschädigten auf der anderen Seite bejaht. 744 Schikane iSd § 879 ABGB fällt unter eine missbräuchliche Rechtsausübung. Unter Schikane könnten unter Umständen nicht nur Bossinghandlungen, sondern auch das absichtliche „Wegschauen“ des Arbeitgebers trotz einem Ersuchen um Abhilfe seitens des Mobbingopfers fallen. 745 Unter Verschulden versteht man die „subjektive Vorwerfbarkeit des rechtswidrigen Verhaltens gegenüber dem konkreten Täter“. 746 Es wird dabei zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden. Vorsatz ist die wissentliche und willentliche Schadenszufügung, wobei bedingter Vorsatz, dh dass der Täter den Eintritt des Erfolges in Kauf nimmt, genügt. 747 Unter Fahrlässigkeit versteht man die „aus subjektiv zu vertretenden Gründen außer Acht gelassene objektiv gebotene Sorgfalt“. Dabei wird noch zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit 748 unterschieden. 749 Bei Bossing ist die Verschuldensfrage leicht zu klären, zumal davon auszugehen ist, dass der Arbeitgeber eine Schadenszufügung seitens des Arbeitnehmers in Kauf nimmt, ja sogar anstrebt. Im Zusammenhang mit Mobbing durch Vgl Benecke, RdA 2008/6, 357 (362). Vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 (2007) 312. 743 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1295 Rz 62 (www.rdb.at). 744 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1295 Rz 64 (www.rdb.at). 745 Mazal, Feedback-Gespräch vom 13.02.2012. 746 Reischauer in Rummel3 § 1294 Rz 20 (www.rdb.at). 747 Vgl Reischauer in Rummel3 (Stand 2004) § 1324 Rz 9b (www.rdb.at). 748 Siehe Näheres zur Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit bei Harrer in Schwimann (Hrsg), ABGB-Praxiskommentar3 VI (2006) § 1324 Rz 3 ff. 749 Reischauer in Rummel3 § 1294 Rz 21(www.rdb.at). 741 742

103

Arbeitskollegen trifft den Arbeitgeber nur dann ein Verschulden, wenn er von den Mobbinghandlungen Kenntnis erlangt bzw erlangen hätte müssen und trotzdem nichts im Rahmen seiner Abhilfeverpflichtung unternommen hat. In Anlehnung an die Rsp zur Haftung des Arbeitgebers im Anwendungsbereich des GlBG wird leichte Fahrlässigkeit genügen. 750 Grundsätzlich kann jeder nur für sein eigenes Verhalten haftbar gemacht werden.751 Anders kann sich die Rechtslage allerdings beim Einsatz von Gehilfen darstellen. Erfüllungsgehilfe gemäß § 1313a ABGB ist, wer „nach dem Willen des Geschäftsherren bei der Erfüllung eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses tätig wird“. 752 Der Geschäftsherr hat für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen wie für sein eigenes zu haften, allerdings nur dann, wenn der Schaden bei der Erfüllung und nicht nur anlässlich der Erfüllung entstanden ist. 753 Adressat der Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber. Dabei handelt es sich um jene Person, welcher der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrages seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. 754 Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, haftet diese auch unmittelbar für das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe. 755 Darüber hinaus muss der Arbeitgeber gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jenes Gehilfen – Vorgesetzten – einstehen, dem er die Verpflichtung zur Abhilfe übertragen hat. 756

Bei Verletzung einer vertraglichen Pflicht obliegt es dem Täter zu beweisen, dass ihm daran kein Verschulden trifft. Den Zusammenhang zwischen Schaden und schädigender Handlung (Kausalität) muss aber weiterhin der Geschädigte aufzeigen. 757 Wirft ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine Verletzung der Fürsorgepflicht vor, muss daher der Arbeitgeber beweisen, dass ihn daran kein Verschulden trifft, indem er zB vorbringt, dass er keine Kenntnis von den Mobbingvorgängen gehabt hat bzw erlangen konnte. Dem Arbeitnehmer obliegt der Kausalitätsbeweis. (Positiver) Schaden ist ein Nachteil, der an einer Person oder an deren Vermögen eintritt.758 Eine physische oder psychische Beeinträchtigung führt zu einem realen Schaden und zwar

750

OGH 05. 06. 2002, 9 Ob A 124/02d. Vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 07. 2010) § 1313 Rz 1 (www.rdb.at). 752 Reischauer in Rummel3 (Stand 2004) § 1313a Rz 8 (www.rdb.at). 753 Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 07. 2010) § 1313a Rz 66 (www.rdb.at). 754 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 170. 755 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1313a Rz 8b (www.rdb.at). 756 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 115. 757 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1298 Rz 1 und 36. 758 Vgl Reischauer in Rummel3, § 1293 Rz 1 (www.rdb.at). 751

104

entweder zu einem immateriellen Schaden oder einem Vermögensschaden. 759 Immaterieller Schaden kann nicht in Geld bestimmt werden.

760

Aus dem immateriellen Schaden

Körperverletzung kann aber auch ein Vermögensschaden, zB Heilungskosten, resultieren. Davon zu unterscheiden ist der ideelle Schaden, der insbesondere „die Beeinträchtigung der Gefühlswelt einer natürlichen Person“ umfasst. 761 Darüber hinaus erwähnt § 1293 ABGB den entgangenen Gewinn. Dabei handelt es sich um Gewinnaussichten, deren Eintritt sehr wahrscheinlich, aber nicht absolut sicher, gewesen wäre. 762 

Körperverletzung gemäß § 1325 ABGB

Eine Körperverletzung ist eine „nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit“

763

. Die Zufügung einer psychischen

Beeinträchtigung macht nur dann schadenersatzpflichtig, wenn diese behandlungsbedürftig bzw zumindest ärztlich diagnostizierbar ist. 764 Unter den Begriff physischer Schaden fällt bereits die Verursachung von Schmerzen. Diese stellen einen immateriellen Schaden dar. Aus der Körperverletzung kann auch ein Vermögensschaden, zB Heilungskosten oder Verdienstentgang, resultieren. Schadenersatzansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, somit ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von der Gesundheitsschädigung Kenntnis erlangt und sie dem Mobbing zuordnen kann 765 

Schädigungen am Vermögen

Als Vermögensschaden wird jener Nachteil bezeichnet, welcher eine „Vermögensänderung nach unten, der kein entsprechendes Äquivalent gegenübersteht“, bewirkt. 766 

Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung gemäß § 1328 ABGB

Eine Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung gemäß § 1328 liegt vor, wenn das Opfer aufgrund „einer strafbaren Handlung oder durch Hinterlist, Drohung bzw Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses zum Geschlechtsverkehr bzw zu geschlechtlichen Handlungen“ gezwungen wird. Hinterlist bedeutet Täuschung über die

Vgl Reischauer in Rummel3, § 1293 Rz 2 (www.rdb.at). Vgl Harrer in Schwimann ABGB3 VI § 1293 Rz 23. 761 Reischauer in Rummel3, § 1293 Rz 15 (www.rdb.at). 762 Vgl Reischauer in Rummel3, § 1293 Rz 12 (www.rdb.at). 763 Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 2. 764 OLG Wien 20. 10. 2005, 10 Ra 88/05t. 765 Vgl Bydlinski in Rummel3 (Stand 2002) § 1489 Rz 1 (www.rdb.at); OGH 27. 03. 2001, 1 Ob 59/01k 766 Reischauer in Rummel3 § 1293 Rz 5 (www.rdb.at). 759 760

105

Person oder die Intentionen des Täters. 767 Eine Drohung liegt bei einem „rechtswidrigen Zwang“

768

vor, der begründete Angst auslöst. 769 Im Zusammenhang mit der Ausnutzung

eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses vertritt der OGH die Ansicht, dass ein unterschiedlicher Rang allein noch kein Abhängigkeitsverhältnis ausmacht. Vielmehr muss ein solches Beweggrund für das Opfer gewesen sein und muss der Täter diese Abhängigkeit bewusst ausgenutzt haben. 770 

Recht auf Wahrung der Privatsphäre gemäß § 1328a ABGB

§ 1328a ABGB ist eine Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 16 ABGB. Er soll vor Eingriffen in die Privatsphäre bzw Offenbarungen aus dem privaten Bereich schützen. Die Privatsphäre umfasst insbesondere „das Familienleben, die Sexualsphäre, den Wohn- und Freizeitbereich, den privaten Telefon-, Brief- und E-MailVerkehr, die Gesundheitsdaten und die persönliche Lebensgeschichte eines Menschen“ 771 . Von der Judikatur wurden Fälle von Telefonterror unter § 1328a ABGB subsumiert. 772 Nach den Materialien zu § 1328a ABGB wäre auch „Tratsch“ über besondere Details aus dem Privatleben eines Arbeitskollegen unter § 1328a ABGB zu subsumieren. 773 

Verletzungen gegen die Ehre gemäß § 1330 ABGB

Jedes Verhalten, welcher der „Ehre nahe tritt“, gilt als Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB. 774 Darunter können Beschimpfungen, wie etwa „Idiot, Trottel“ 775 ebenso wie Aussprüche über Tatsachen, welche getätigt werden, um einen anderen zu verletzen bzw kränken, wie zB die Behauptung, „eine Person sei als Unternehmer glücklos gewesen“ 776 , fallen. Tatsachenbehauptungen werden allerdings in der Regel unter § 1330 Abs 2 ABGB subsumiert werden. 777 § 1330 Abs 2 ABGB verbietet Tatsachenverbreitungen, „die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit der Schädiger kannte oder kennen musste.“ Nur Tatsachen können vom Gericht als wahr oder falsch beurteilt werden, nicht hingegen subjektive Werturteile.778 Unter § 1330 Abs 2 Vgl Tades (Hrsg), Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch37 (2009) § 1328 E 11. Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 01. 2010) § 870 Rz 17 (www.rdb.at). 769 Vgl Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 01. 2010) § 870 Rz 20 (www.rdb.at). 770 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1328 Rz 8 mit Verweis auf OGH 07. 10. 1969, 4 Ob 55/69. 771 Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 01. 2010) § 1328a Rz 2 (www.rdb.at). 772 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1328a Rz 2. 773 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1328a Rz 4 mit Verweis auf RV 173 BlgNR 22. GP 17. 774 Harrer in Schwimann, ABGB3, § 1330 Rz 2. 775 Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 8. 776 Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 8 mit Verweis auf wbl 1991, 106 f. 777 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 4. 778 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 13. 767 768

106

ABGB fällt zB die Behauptung, ein chemisches Produkt sei ein Bluff und Schwindel. 779 Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 1330 ABGB – und zwar sowohl für Abs 1 780 als auch für Abs 2 - ist darüber hinaus eine Mindestpublizität: Die schädigende Aussage muss zumindest für einen Dritten wahrnehmbar gewesen sein. 781

3.5.2

Arten des Schadenersatzes und gerichtliche Geltendmachung

Ersatzfähig ist in der Regel nur der positive Schaden. 782 Das ABGB sieht nur in speziellen Fällen den Ersatz des ideellen Schadens vor. 783 Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz gebührt darüber hinaus der entgangene Gewinn. 784 Im Zusammenhang mit Vermögensschäden kann darüber hinaus der Wert der besonderen Vorliebe zustehen. 785 Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot iSd § 1295 Abs 2 ABGB berechtigt den Geschädigten zur Unterlassungsklage, um den Eintritt eines Schadens zu verhindern. 786

Die

Höhe

des

Schadenersatzanspruches

bei

Verletzung

der

Fürsorgepflicht

im

Zusammenhang mit Mobbing richtet sich nach dem tatsächlichen Schaden. Vor dem OGH wurden bis dato in Schadenersatzprozessen (außerhalb des Anwendungsbereichs des GlBG, B-GlBG und BEinstG) im Zusammenhang mit Mobbing ausschließlich Ansprüche nach § 1325 ABGB geltend gemacht. 787 Es liegt keine Entscheidung vor, in welcher sich ein Mobbingopfer auf § 1328 oder § 1328a ABGB gestützt hätte.

Gemäß § 50 Abs 1 Z 1 und 3 ASGG hat das Arbeits- und Sozialgericht über Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu entscheiden. Passiv klagslegitimiert ist der Arbeitgeber. Damit ist jene natürliche oder juristische Person gemeint, die laut Arbeitsvertrag Vertragspartner des Opfers ist und für den es die im Vertrag festgelegten Pflichten erbringt. 788 Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ist mit zum Teil hohen Kosten verbunden, welche zunächst jedenfalls von jeder Partei selbst zu tragen sind, weiters kann sich das

Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 13 mit Verweis auf SZ 34/76. Grundlegend 6 Ob 37/95 = MR 1997, 202 im Anschluss an Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 45; OGH 21. 06. 2007, 6 Ob 101/07g; OGH 26. 03. 2009, 6 Ob 40/09i; aA Reischauer in Rummel3 (Stand 2004) § 1330 Rz 1 (www.rdb.at). 781 Vgl Kissich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand Dezember 2011) § 1330 Rz 21 (www.rdb.at). 782 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1293 Rz 1 (www.rdb.at). 783 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1293 Rz 15 (www.rdb.at). 784 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1293 Rz 12 (www.rdb.at). 785 Vgl Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 01. 2010) § 1324 Rz 2 (www.rdb.at). 786 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1295 Rz 86 (www.rdb.at). 787 Vgl OGH 23. 04. 2003, 9 ObA 32/03a; OGH 26. 08. 2004, 8 ObA 3/04f; OGH 04. 08. 2009, 9 ObA 86/08z. 788 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 57. 779 780

107

Verfahren in die Länge ziehen.

789

Dem Kläger in einem Schadenersatz- bzw

Unterlassungsverfahren obliegt in der Regel auch die volle Beweispflicht für die Kausalität zwischen schädigendem Verhalten und dem Schaden, er trägt somit das Risiko, dass er den behaupteten

Sachverhalt

nicht

beweisen

kann.

Aus

den

bereits

veröffentlichten

Entscheidungen des OGH lässt sich auch schließen, dass sich dieser Kausalitätsbeweis als schwierig darstellt. 790 Im Übrigen wird sich ein Arbeitnehmer, der an der Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses interessiert ist, trotz des Kündigungsschutzes des § 105 Abs 3 lit i ArbVG gut überlegen seinen Arbeitgeber zu klagen. 

Schadenersatz gemäß § 1325 ABGB

Gemäß § 1325 ABGB gebührt bei der Zufügung einer Körperverletzung ein Anspruch auf Schmerzengeld, auf Ersatz der Heilungskosten und eines etwaigen Verdienstentganges. 791

Das Schmerzengeld wird nach der Erscheinungsform und Zeitdauer der Folgen der Körperverletzung bemessen. Es stellt den Ersatz für den realen immateriellen Schaden dar. 792 Unter Heilungskosten fallen sämtliche Aufwendungen, die zur Genesung notwendig waren, wie zB Kosten für Medikamente, Krankenhausaufenthalte, Honorar für Arztbesuche, aber auch Ausgaben aufgrund vermehrter Bedürfnisse, wie zB Kosten für eine Krankenpflege, Haushaltshilfe, technische Hilfsmittel. 793

Im Zusammenhang mit Mobbing wäre die Frage interessant, ob die Folgen von Mobbing in Form einer Frühpensionierung, einer Berufsunfähigkeits- bzw Invaliditätspension oder von Arbeitslosigkeit einen positiven Schaden – nämlich Verdienstentgang – oder einen entgangenen Gewinn darstellen. In der Entscheidung 2 Ob 82/00y vom 28. 04. 2000, führte der OGH unter Verweis auf die stRsp aus, dass die Erwerbsfähigkeit ein selbständiges und gegenwärtiges Rechtsgut sei. 794 Ein Verdienstentgang würde dann vorliegen, wenn „der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position auf Verdienst gehabt habe oder der Verdienst zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit erzielt worden wäre“. 795 Wenn dem Mobbingopfer der Beweis gelänge, dass es höchstwahrscheinlich bis zum Pensionsantrittsalter gearbeitet hätte, sofern es nicht Mobbing ausgesetzt gewesen wäre, müsste ihm der Differenzbetrag Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (563). Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (561). 791 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 1. 792 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 71. 793 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 6. 794 Reischauer in Rummel3 § 1293 Rz 4a (www.rdb.at). 795 OGH 28. 04. 2000, 2 Ob 82/00y. 789 790

108

zwischen

dem

hypothetischen

Einkommen

und

den

tatsächlichen

monatlichen

Pensionsbeiträgen bzw dem Arbeitslosengeld zugesprochen werden. Der Anspruch auf Verdienstentgang bezieht sich auch auf den zukünftig entgehenden Verdienst, 796 welcher in der Regel in Form einer Rente vergütet wird. 797 

Ansprüche gemäß §§ 1331 ff ABGB

Grundsätzlich gilt der Vorrang der Naturalrestitution. Ist eine solche aber nicht möglich oder unwirtschaftlich bzw vom Geschädigten nicht gewünscht, finden sich in den §§ 1331 ff ABGB Bestimmungen über die abstrakte Wertberechnung einer Sache. Die Höhe des objektiven Ersatzes hängt – wie bei der Naturalrestitution - vom Grad des Verschuldens des Schädigers ab. 798

Eine Schädigung am Vermögen berechtigt den Geschädigten gemäß § 1332 ABGB nach der objektiven Wertberechnung zum Ersatz des gemeinen Wertes, wenn der Schaden leicht fahrlässig herbeigeführt wurde. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit führen darüber hinaus gemäß § 1331 S 1 ABGB zu einer Haftung des Schädigers für den entgangenen Gewinn. Wurde der Schaden hingegen aufgrund einer strafgesetzlich verbotenen Handlung oder aus Mutwillen und Schadenfreude herbeigeführt, gebühren dem Geschädigten gemäß § 1331 S 2 ABGB der Ersatz des Wertes der besonderen Vorliebe. 

Ansprüche gemäß § 1328 ABGB

Bei Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung stehen dem Opfer gegenüber dem Schädiger ein Anspruch auf Ersatz des positiven Schadens, des entgangenen Gewinns sowie der Ersatz des ideellen Schadens für die erlittene Beeinträchtigung unabhängig vom Verschuldensgrad zu. Der Schadenersatzanspruch besteht selbst im Fall einer Einwilligung. 799

Erfüllt die rechtswidrige Handlung gleichzeitig auch den Tatbestand der sexuellen Belästigung

nach

dem GlBG

bzw

B-GlBG,

kann

sich

das

Opfer

auf

beide

Anspruchsgrundlagen stützen. Der im GlBG normierte Mindestschadenersatz für die erlittene

Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 22. Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 40. 798 Vgl Kissich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 01. 2010) § 1331 Rz 1 (www.rdb.at). 799 Vgl Tades (Hrsg), ABGB37 § 1328 E 17a. 796 797

109

Beeinträchtigung gebührt ihm selbst dann, wenn ihm nach § 1328 ABGB ein niedriger Ersatz zuzusprechen wäre. 800 

Ansprüche gemäß § 1328a ABGB

Bei

einer

Verletzung

Vermögensschadens.

801

der

Privatsphäre

gebührt

dem

Opfer

der

Ersatz

des

Bei besonders schweren Eingriffen, die geeignet sind, den

Geschädigten bloßzustellen, gebührt diesem auch der Ersatz des ideellen Schadens. 802 Ein Unterlassungsanspruch ist durch § 382g Exekutionsordnung,

803

im Folgenden EO,

gewährleistet, konnte aber bereits vor dessen Einführung auf § 16 ABGB gestützt werden. 804 

Ansprüche gemäß § 1330 ABGB

Wird jemand Opfer von Ehrverletzungen, stehen ihm gemäß § 1330 ABGB der Ersatz des positiven Schadens sowie des Gewinnentganges zu. Darüber hinaus kann er, bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, Unterlassung fordern. 805 Im Fall des § 1330 Abs 2 ABGB kann das Opfer darüber hinaus Widerruf und Veröffentlichung geltend machen. Ein Anspruch auf ideellen Schaden steht dem Opfer nicht zu. 806 Ersatzansprüche aus einer Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 ABGB – soweit sie nicht aufgrund einer Tätlichkeit entstanden sind – verjähren innerhalb eines Jahres. 807 In den anderen Fällen gilt die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren. 808 3.6 3.6.1

Ansprüche nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Allgemeines

Die Bestimmungen des ASchG, sind gemäß § 1 ASchG auf alle Arbeitnehmer anzuwenden. Ausgenommen vom Geltungsbereich sind Arbeitnehmer der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbänden, die nicht in Betrieben beschäftigt sind, Arbeitnehmer des Bundes in Dienststellen, Arbeitnehmer in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Hausgehilfen und – angestellte in privaten Haushalten sowie Arbeitnehmer nach dem Heimarbeitsgesetz. 809

Vgl Reischauer in Rummel3 (Stand 2004) § 1328 Rz 31 (www.rdb.at). Vgl Reischauer in Rummel3 (Stand 2004) § 1328a Rz 10 (www.rdb.at). 802 Vgl Reischauer in Rummel3 § 1328a Rz 11 (www.rdb.at). 803 EO RGBl 1896/79 zuletzt geändert durch BGBl I 2005/68. 804 Vgl Tades (Hrsg), ABGB37 § 1328a E 1. 805 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 11. 806 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1330 Rz 10. 807 Vgl Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 VI § 1489 Rz 1. 808 Vgl Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 VI § 1489 Rz 2. 809 Heimarbeitsgesetz 1960 BGBl 1961/105 zuletzt geändert durch BGBl 1992/ 836. 800 801

110

Zu

den

wichtigsten

Präventivdiensten

zählen

die

Sicherheitsfachkräfte

und

die

Arbeitsmediziner. 810 Sicherheitsfachkräfte dienen gemäß § 73 ASchG vorwiegend der Unterstützung

des

Arbeitgebers.

Deren

Ausbildung

umfasst

auch

psychologische

Komponenten des Arbeitnehmerschutzes. 811 Speziell für gesundheitliche Belange zuständig sind Arbeitsmediziner. 812

In einem Betrieb mit mindestens elf auf Dauer beschäftigten Arbeitnehmern ist eine Sicherheitsvertrauensperson zu bestellen, welche die Arbeitnehmer, aber auch den Arbeitgeber und die Belegschaftsorgange zu beraten, zu informieren und zu unterstützen hat. 813 Ihr obliegt auch die Verpflichtung, bestehende Mängel aufzugreifen und an den Arbeitgeber weiterzuleiten.

814

Die Sicherheitsvertrauensperson ist in ihrer Tätigkeit

weisungsfrei. 815 Sie ist verpflichtet, sich aus- bzw weiterzubilden. 816

Jede Sicherheitspräventionsperson hat ohne Verzögerung dem Arbeitgeber und den Belegschaftsorganen Missstände zu melden. Unter der Voraussetzung, dass in einem Betrieb kein Arbeitsschutzausschuss

817

gemäß § 88 ASchG eingerichtet ist, hat jede

Sicherheitspräventionsperson das Recht, das Arbeitsinspektorat zu informieren. 818 Ein Arbeitsschutzausschuss ist im Allgemeinen einzurichten, wenn ein Betrieb mindestens 100 Arbeitnehmer beschäftigt. 819 Er dient der Koordinierung und des Informations- sowie Erfahrungsaustausches und hat darüber hinaus ebenfalls Beratungsfunktion. Zu seinen Mitgliedern gehören ua der Arbeitgeber sowie sämtliche Sicherheitspräventivpersonen und die Sicherheitsvertrauensperson. 820 Gemäß § 3 Abs 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 821 , im Folgenden ArbIG, ist eine eigene Behörde, die Arbeitsinspektion, zur Überwachung der Einhaltung der Arbeitgeberpflichten berufen. Daneben kommt ihr auch eine Beratungsfunktion sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite zu. Siehe Näheres zu weiteren Schutzorganen bei Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 249 ff. Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 229. 812 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 238. 813 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 79. 814 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 83. 815 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 79. 816 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 80. 817 Siehe Näheres zum Arbeitsschutzausschuss bei Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 249. 818 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 246. 819 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 249. 820 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 250. 821 ArbIG BGBl 1993/27 zuletzt geändert durch BGBl 1995/871. 810 811

111

Zur Durchführung der Kontrolle stehen ihr ua Betretungs- und Besichtigungsrechte (vgl § 4 ArbIG) sowie das Recht zur Vernehmung (vgl § 7 ArbIG) zu. Stellt sie einen Missstand fest, hat sie den Arbeitgeber schriftlich aufzufordern, diesen innerhalb einer festgesetzten Frist zu beheben. Im Fall der Untätigkeit seitens des Arbeitgebers hat die Arbeitsinspektion Anzeige an

die

örtlich

zuständige

Verwaltungsstrafbehörde,

in

den

meisten

Fällen

die

Bezirksverwaltungsbehörde (vgl § 99 ASchG), zu erstatten (vgl § 9 Abs 1 ArbIG). Bei schwerwiegenden Verstößen kann die Aufforderung zur Behebung auch unterbleiben (vgl § 9 Abs 3 ArbIG).

Abgesehen davon kann das Arbeitsinspektorat einen Antrag bei der zuständigen Behörde stellen, diese möge dem Arbeitgeber bestimmte Maßnahmen „zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitnehmer“ auftragen bzw kann es bei Gefahr in Verzug selbst Bescheide erlassen (vgl § 10 Abs 1 ArbIG). 3.6.2

Pflichten nach dem ASchG und Folgen einer Pflichtverletzung

Das ASchG beinhaltet grundsätzlich technische Schutzvorschriften. 822

§ 3 Abs 1 ASchG normiert die allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers, für den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit „in jeder Hinsicht“ im Zusammenhang mit der Arbeit Sorge zu tragen. Dabei hat er aktiv Schritte zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit seiner Arbeitnehmer zu setzen. 823 § 4 ASchG normiert die Verpflichtung des Arbeitgebers, alle Gefahren der „Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer“ festzustellen, einzuschätzen und gegebenenfalls durch geeignete Mittel auszuräumen. Diese Evaluierung ist von einer Gruppe von in- oder externen Sachkundigen durchzuführen und gemäß § 5 ASchG schriftlich zu dokumentieren.

Das

ASchG

normiert

daher

eine

verwaltungsrechtliche

Verantwortlichkeit

des

Arbeitgebers. 824 Verstößt der Arbeitgeber gegen die nach dem ASchG auferlegten Pflichten, begeht er gemäß § 130 ASchG eine Verwaltungsübertretung. Unter Strafe gestellt ist zB ein Verstoß gegen die Pflicht, Gefahren festzustellen und einzuschätzen (vgl § 130 Abs 1 Z 5

Vgl Heider/Poinstingl/ Schramhauser, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz5 (2006) 25. Vgl Heider/Poinstingl/ Schramhauser, ASchG5 72. 824 Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 216. 822 823

112

ASchG), oder die Untätigkeit hinsichtlich notwendiger Präventivmaßnahmen (Z 6), aber auch ein Verstoß gegen Pflichten im Zusammenhang mit Belastungen (Z 24). Die Strafe kann gemäß § 130 ASchG zwischen € 145,00 und € 7.260,00, bei Wiederholungen das Doppelte, betragen. Die allgemeine Verpflichtung nach § 3 Abs 1 ASchG wird von der Strafbestimmung nicht ausdrücklich erfasst (vgl § 130 Abs 1 ASchG).

Zivilrechtlich ist der Dienstgeber gemäß § 333 Abs 1 ASVG hinsichtlich eines Schadens aus einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit nur dann belangbar, wenn er diesen vorsätzlich herbeigeführt hat. 825 3.6.3

Durchsetzbare Ansprüche der Arbeitnehmer

Den Arbeitnehmern stehen gemäß § 13 Abs 1 ASchG lediglich Anhörungsrechte zu „Fragen betreffend der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz“ zu. Ein klagbarer zivilrechtlicher Anspruch besteht nach dem ASchG hingegen nicht. 826 Die Nichtbefolgung der im ASchG normierten Pflichten stellt aber in der Regel eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dar. 827

Bei Ansprüchen von Arbeitnehmern aus einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit kommt das Dienstgeberhaftungsprivileg gemäß § 333 ASVG zur Anwendung. Passiv legitimiert ist bei Ansprüchen auf Heilungskosten und Verdienstentgang gemäß § 332 ASVG die Unfallversicherung. Schmerzengeldansprüche können grundsätzlich nicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger geltend gemacht werden, gegenüber dem Dienstgeber gemäß § 333 Abs 1 ASVG nur dann, wenn dieser vorsätzlich gehandelt hat. Gemäß § 213a ASVG erhält der Geschädigte von der Sozialversicherung eine „Integritätsabgeltung“, sofern der Arbeitsunfall bzw die Berufskrankheit auf eine „grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften“ zurückzuführen ist und der Geschädigte eine „erhebliche und dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität erlitten hat“. 828 Bei leichter Fahrlässigkeit sowie bei einer nicht dauernden Beeinträchtigung ist ein Anspruch auf Schmerzengeld

sowohl

gegenüber

dem

Arbeitgeber

als

auch

gegenüber

der

Sozialversicherung ausgeschlossen. Unter dem Begriff Arbeitgeber iSd § 333 ASVG fallen auch gesetzliche und bevollmächtigte Vertreter, geschäftsführende Organe von juristischen Personen, persönlich haftende Gesellschafter und Aufseher im Betrieb. Aufseher sind Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 320. Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 329. 827 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 318. 828 Harrer in Schwimann ABGB3 VI § 1325 Rz 70. 825 826

113

Arbeitnehmer mit einer gewissen Verantwortung und Überwachungskompetenzen.

829

Bewirkt der Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit eine Verminderung der Arbeitsfähigkeit, gebührt dem Arbeitnehmer gemäß § 205 ASVG eine Versehrtenrente. Deren Höhe bestimmt sich gemäß § 205 Abs 1 ASVG nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit.

Erfolgt der Eingriff durch einen Kollegen im Rahmen seiner Tätigkeit, kann das Opfer gegen diesen nur nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln gemäß §§ 1293 ff ABGB zur Geltendmachung von Schmerzengeld und Sachschäden vorgehen. Im Fall von leichter Fahrlässigkeit kann der Mitarbeiter gemäß § 3 Abs 2 DHG Regress bei seinem Arbeitgeber nehmen. Darüber hinaus könnte der „verantwortliche“ Mitarbeiter strafrechtlich wegen einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB zur Verantwortung gezogen werden. 830 3.6.4

Anwendung auf Mobbing?

Im ASchG wird die Rücksichtnahme auf psychische Belastungen ausdrücklich nur im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Bildschirmarbeit gemäß § 68 ASchG statuiert. Im Punkt sonstige Belastungen gemäß § 66 ASchG bleiben psychische Faktoren unerwähnt.

Art 6 Abs 1 lit g der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. 06. 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, dem der § 3 ASchG entspricht, normiert die Pflicht des Arbeitgebers, Strategien für die Prävention von Gefahren „mit dem Ziel einer kohärenten Verknüpfung von Technik, Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen, sozialen Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz“ zu entwickeln. 831 Die Formulierung „Schutz in jeder Hinsicht“ in § 3 Abs 1 ASchG wie auch die Einbeziehung der „sozialen Beziehungen“ in Art 6 Abs 1 lit g der RL 89/391/EWG lassen darauf schließen, dass auch psychische Belastungen vom Schutzbereich des ASchG erfasst sind und dass der Arbeitgeber zu

Präventivmaßnahmen

zur

Verhinderung

von

Entstehung

von

Mobbing

und

Interventionsmaßnahmen bei seinem Auftreten verpflichtet sein kann. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs 2 ASchG verpflichtet, sich stetig „über die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung zu informieren“. Gemäß der

Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 269. Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 329. 831 RL 89/391/EWG ABl L 1989/183, 0001. 829 830

114

Regierungsvorlage handelt es sich dabei um Erkenntnisse aus den Gebieten der Arbeitsmedizin, der Arbeitspsychologie und der Organisationspsychologie. 832 Daraus kann man wieder den Schluss ziehen, dass auch psychische Faktoren vom ASchG erfasst sind. 833

Es ist daher davon auszugehen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, etwaige psychische Belastungen am Arbeitsplatz festzustellen und einzuschätzen. Bei Vorliegen von gesundheitsgefährdenden, psychischen Belastungen ist er gemäß § 4 Abs 6 ASchG verpflichtet, Fachkräfte zur Unterstützung zu konsultieren, um mit ihnen gemeinsam geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der Situation zu bestimmen.

Demnach müsste auch das Arbeitsinspektorat zur Kontrolle über Präventions- und Interventionsmaßnahmen des Arbeitgebers hinsichtlich Mobbing berufen sein. 834 Im Endbericht der Bundesregierung „Bericht über den Bestand an Regelungen an Mobbing“ wurde festgehalten, dass sich aus dem ASchG Verpflichtungen für den Arbeitgeber hinsichtlich der Verhinderung bzw Reduzierung von psychischen Belastungen ergeben können. Bei Auftreten von Mobbing sei der Arbeitgeber verpflichtet, eine berufliche Trennung der Beteiligten zu veranlassen. Im Übrigen sei Mobbing im Rahmen der „Gefahrenevaluierung“ zu berücksichtigen. 835

Von der Judikatur wurde Mobbing mit dem ASchG nicht im Zusammenhang gebracht. Würde sich das Opfer im Rahmen der Verletzung der Fürsorgepflicht auf das ASchG stützen, müsste der Arbeitgeber beweisen, dass er hinsichtlich psychischer Belastungen in seinem Betrieb eine umfassende Vorsorge getroffen und bei Kenntnis des Auftretens eine Fachkraft zu Rate gezogen hätte. Das Haftungsprivileg des Dienstgebers würde nicht zur Anwendung gelangen, weil eine psychische Erkrankung aufgrund von Mobbing keine Berufskrankheit darstellt (vgl § 177 Abs 2 ASVG iVm Anlage 1 zum ASVG). 836 Zu bedenken ist allerdings, dass das ASchG

keine

Anspruchsgrundlage

bietet,

sondern

lediglich

einen

etwaigen

Anknüpfungspunkt für die Rechtswidrigkeit. Bleibt der Arbeitgeber bei Auftreten von Mobbing daher untätig, findet sich im ASchG für das Opfer keine Anspruchsgrundlage, den Arbeitgeber zu verpflichten eine entsprechende Interventionsmaßnahme zu setzen, es kann 832

Vgl ErläutRV 1574 BlgNR 20. GP. Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 216. 834 Vgl Nöstlinger, Arbeitnehmerschutz 216. 835 B III-253 BlgBReg 24. GP 4. 836 Vgl OGH 22. 12. 2005, 10ObS 105/04w. 833

115

sich allerdings in diesem Zusammenhang auf die Fürsorgepflicht stützen. 837

Wird ein

Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber dazu gezwungen, Arbeiten zu verrichten, die seine Gesundheit schädigen (Angriff auf die Gesundheit), ist dies jedenfalls als Verstoß gegen das ASchG zu werten. Dem Arbeitnehmer steht bei Gefahr für Leib, Leben und Sittlichkeit ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung zu.838

Weiters könnte sich das Opfer an die Organe des Arbeitsinspektorats wenden, welche eine diesbezügliche

Untersuchung

einleiten

sollten.

Für

die

Betroffenen

stellen

Sicherheitsvertrauenspersonen, Sicherheitsfachkräfte und die Arbeitsmediziner, aber auch die Organe der Arbeitsinspektion, Kontakte dar, mit deren Unterstützung eine außergerichtliche Konfliktbereinigung versucht werden könnte. 839 3.7 3.7.1

Schutz durch das GlBG Allgemeines

Das GlBG ist grundsätzlich auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die auf einem privatrechtlichen Vertrag basieren. Umfasst vom Anwendungsbereich sind auch die Dienstverhältnisse von arbeitnehmerähnlichen Personen sowie von Arbeitnehmern nach dem Heimarbeitsgesetz und von überlassenen Arbeitskräften, deren Arbeitgeber in Österreich keinen Sitz haben. Ausgenommen vom Geltungsbereich sind gemäß § 1 Abs 2 GlBG Arbeitnehmer iSd Landarbeitsgesetzes 1984 840 (Z 1), für die nur Grundsätze aufgestellt werden 841 , sowie Arbeitsverhältnisse zum Bund (Z 3), den Ländern, den Gemeinden oder Gemeindeverbänden (Z 2).

Eine Diskriminierung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis liegt gemäß § 3 Abs 1 und § 17 Abs 1 GlBG vor, wenn eine Person aufgrund „des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, der Alters oder der sexuellen Orientierung, - bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, - bei der Festsetzung des Entgelts, - bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, - bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung, - beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen, Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 392. Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 392. 839 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (560). 840 LAG BGBl 1984/287. 841 Vgl Tomandl (Hrsg), Arbeitsrecht I – Gestalter und Gestaltungsmittel7 (2011) 243. 837 838

116

- bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, - bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und - bei der Kündigungsanfechtung“ mittelbar oder unmittelbar unsachlich benachteiligt wird.

Eine Person wird unmittelbar diskriminiert, wenn sie aufgrund einer durch das GlBG geschützten Eigenschaft schlechter behandelt wird, wurde oder werden könnte als eine andere Person bei vergleichbarer Sachlage. 842 Die Anweisung zur Diskriminierung wird einer solchen gleichgesetzt. 843 Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn „neutral wirkende Vorschriften, Kriterien oder Verfahren“ gerade solche Arbeitnehmer benachteiligt, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale vom GlBG geschützt sind.

844

Eine mittelbare

Diskriminierung liegt zB vor, wenn eine Bestimmung zwar sowohl für Männer als auch für Frauen gilt, in ihrer Umsetzung aber ein Geschlecht benachteiligt wird und dies nicht sachlich gerechtfertig ist. 845 Umfasst vom Tatbestand „sonstige Arbeitsbedingungen“ sind sämtliche rechtliche und faktische Rahmenbedingungen bei der Durchführung der Arbeit,

846

wie zB bei der

Urlaubseinteilung, der Einteilung der Schicht oder des Arbeitsplatzes, aber auch bei der Gestaltung der Arbeitsaufgaben oder aber bei Schikanen wie Mobbing. 847 Der Schutz vor Diskriminierungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen stellt einen Auffangtatbestand dar. 848 3.7.2 

Die neuen, geschützten Merkmale gemäß § 17 GlBG

Ethnische Zugehörigkeit

Unter den Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ fallen Menschen, die aufgrund ihrer Abstammung bzw Zugehörigkeit als Fremde gesehen werden, weil sie sich in bestimmten, nicht veränderbaren Merkmalen – wie zB der Hautfarbe oder der Muttersprache - von der Masse unterscheiden. Ethnien sind Gruppen, die Gemeinsamkeiten in der „Hautfarbe, Herkunft, Religion, Sprache, Kultur oder Sitten“ aufweisen.

849

Die Aussage eines

Vgl Mayr, DRdA 2009, 153 (154). Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (166). 844 Tomandl (Hrsg), Arbeitsrecht I7 243. 845 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung – Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU (2004)129. 846 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 Rz 129. 847 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 Rz 133. 848 Vgl Mayr, Diskriminierungen im betrieblichen Alltag, DRdA 2009, 153 (157). 849 Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG, Gleichbehandlung, Antidiskriminierung (2009) § 17 Rz 15. 842 843

117

Arbeitgebers, er stelle keine „Ausländer“ an, ist nach Ansicht des EuGH eine unmittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Zugehörigkeit. 850 

Religion

„Religion“ im Sinne des GlBG ist als „Leitauffassung vom Leben und von der Welt als ein Sinnganzes“ zu sehen. 851 Vom Diskriminierungsgrund „Religion“ sind daher nicht nur die in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, sondern auch die staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften oder als Verein konstituierte religiöse Gruppen umfasst. 852 Die in Österreich verbotenen Sekten fallen nicht unter den Begriff Religion iSd GlBG 853 , wohl aber Personen ohne Glaubensbekenntnis. 854 Ob das Tragen von religiöser Kleidung – „islamisches“ Kopftuch – bzw Symbolen vom Diskriminierungsschutz erfasst ist, wird eher zu bejahen sein 855 , wobei in diesen Fällen die Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber steht. 856 Eine Diskriminierung scheint aber jedenfalls aus arbeitsschutzrechtlichen Aspekten gerechtfertigt. 857 Tatsächlich wird es auf die Umstände des Einzelfalles ankommen. 858 Gemäß § 20 Abs 2 GlBG ist eine Diskriminierung jedenfalls gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber eine Kirche oder vergleichbare Organisation ist und die Religion eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ für die Tätigkeit darstellt.

Religiöse Feiertage können den Arbeitgeber dazu verpflichten, den Termin für eine Auswahlprüfung an einen anderen Tag festzusetzen, sofern er darüber informiert wurde. 859 

Weltanschauung

Das geschützte Merkmal „Weltanschauung“ ist schwer von jenem der „Religion“ zu unterscheiden

860

, wobei Ersteres auch ideologische und wohl auch politische

Grundvorstellungen von der Welt und vom Leben umfasst. Eine Diskriminierung aufgrund Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 E 1. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 46. 852 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 19. 853 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 20. 854 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 23. 855 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 29; siehe Näheres zu den Entscheidungen deutscher Höchstgerichte zum Thema „Kopftuch“ bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 30 ff. 856 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 35. 857 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 37. 858 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 35; siehe auch zu der Ausnahmebestimmung gemäß § 20 Abs 2 GlBG. 859 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 E2. 860 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 39. 850 851

118

einer religiösen Weltanschauung fällt unter den Begriff Religion. 861 Die Haltung zu einem bestimmten Gesetz bzw dessen Umsetzung in die Praxis fällt nach Ansicht des EuGH noch nicht unter den Begriff. 862 Der Ausnahmetatbestand des § 20 Abs 2 GlBG gilt auch für die Weltanschauung. 

Alter

Vom Diskriminierungsgrund des „Alters“ umfasst sind alle Arbeitnehmer unabhängig von der Höhe ihrer Lebensjahre. Sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Diskriminierung kann unter Bedachtnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, insbesondere zur Erreichung von Zielen „aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“(§ 20 Abs 3 Z 2 GlBG), gerechtfertigt sein.

863

Aufgrund besonderer

Ausbildungserfordernisse kann es zB sachlich gerechtfertigt sein, ein bestimmtes Höchstalter festzusetzen. 864 Lohnstufen, welche ausschließlich auf das Alter abstellen, sind hingegen als diskriminierend zu werten. 865 

Sexuelle Orientierung

Die „sexuelle Orientierung“ beschreibt, von welchem Geschlecht eine Person angezogen wird. Grundsätzlich wird zwischen Hetero-, Homo- und Bisexualität unterschieden. Dem Strafrecht widersprechende sexuelle Neigungen sind nicht vom Schutz erfasst. 866 

Allgemeine Rechtfertigung der Diskriminierung aufgrund der neuen, geschützten Merkmale

Gemäß § 20 Abs 1 GlBG kann eine Diskriminierung aufgrund der neuen, geschützten Merkmale im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt sein, wenn es aufgrund der spezifischen Tätigkeit bzw den Bedingungen rund um deren Ausübung insbesondere auf das betreffende Merkmal ankommt.

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 40. Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 E4. 863 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 26; siehe Näheres zu den Rechtfertigungsgründen bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 23 ff. 864 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 22; siehe zu den weiteren Ausnahmetatbeständen in § 20 Abs 3, 4 und 5 GlBG bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 23 ff. 865 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 34. 866 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 58; siehe zum Ausnahmetatbestand gemäß § 20 Abs 1 GlBG bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 4 ff. 861 862

119



Ausweitung des geschützten Personenkreises

Mit BGBl I 2011/7 wurde der geschützte Personenkreis des GlBG erweitert. Nunmehr sind auch solche Personen vom Geltungsbereich des GlBG erfasst, die aufgrund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen des Geschlechts oder der neuen, geschützten Merkmale diskriminiert bzw belästigt werden (vgl § 5 Abs 4, § 6 Abs 4, § 7 Abs 4, § 19 Abs 4, § 21 Abs 4 GlBG). 3.7.3

Belästigung gemäß §§ 6, 7, 21 GlBG und Mobbing

Der Tatbestand der Belästigung stellt eine spezifische Ausformung des Tatbestands der Diskriminierung dar. Das Gesetz unterscheidet zwischen sexueller und geschlechtsbezogener Belästigung sowie Belästigung aufgrund der neuen, geschützten Merkmale. 867

Um

einen

Belästigungstatbestand

zu

erfüllen,

muss

das

mit

dem

jeweiligen

Belästigungsgrund im Zusammenhang stehende Verhalten → die Würde des Betroffenen beeinträchtigen, → für diesen „unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein“ und → darüber

hinaus

eine

„einschüchternde,

feindselige

oder

demütigende

Arbeitsumgebung“ hervorrufen (§ 6 Abs 2 Z 1, § 7 Abs 2 Z 1, § 21 Abs 2 GlBG).

Die Belästigung kann mündlich, schriftlich, bildlich oder durch Zeichen erfolgen, wobei ein bestimmter Schweregrad erreicht werden muss. 868 Grundsätzlich wird dabei auf das subjektive Erleben der belästigten Person abgestellt. Ein Verhalten kann aber auch dann unter den Tatbestand fallen, wenn es die eben genannten Folgen bezweckt bzw beabsichtigt. 869

Die jeweiligen Verhaltensweisen können verschiedentlich ausgestaltet sein, doch müssen sie nach ihrer Intensität oder ihrer Dauer gravierend sein. 870 Sind die übrigen Voraussetzungen gegeben, kann der jeweilige Tatbestand bereits durch eine einmalige Handlung erfüllt sein. 871

Der Tatbestand der Belästigung ist im Übrigen auch erfüllt, wenn das Ergebnis einer Entscheidung im Zusammenhang mit „Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung,

Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 342. Vgl Hopf, RdW 10/2004, 548 (604). 869 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 18. 870 Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (165). 871 Vgl Hopf, Belästigungsschutz neu, RdW 10/2004, 548 (604). 867 868

120

Beförderung“ etc wesentlich von der Reaktion der belästigten Person auf das verpönte Verhalten abhängig gemacht wird. 872 

Sexuelle Belästigung gemäß § 6 GlBG

Der Tatbestand der sexuellen Belästigung ist erfüllt, wenn das unerwünschte Verhalten die „sexuelle Sphäre“ tangiert, dh sich entweder eindeutig auf sexuelle Sachverhalte oder auf das Geschlecht des Betroffenen bezieht 873 und dazu führen kann, dass die „Intimsphäre“ und die „sexuelle Integrität“ der belästigten Person verletzt werden. 874 Die Rsp hat dazu Folgendes festgehalten: „Es geht im Zusammenhang mit dem Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen, sondern es ist auch die psychische Verletzbarkeit gemeint. Letztlich geht es um die Beeinträchtigung der menschlichen Würde, also um Persönlichkeitsverletzungen […].“ 875

Die vom Tatbestand erfassten Verhaltensweisen reichen von anrüchigen Äußerungen bis hin zu körperlichen Kontakten.

876

Sexuelle Belästigung wird oft als Machtinstrument

eingesetzt. 877 

Geschlechtsbezogene Belästigung gemäß § 7 GlBG

Der Begriff der geschlechtsbezogenen Belästigung gemäß § 7 GlBG bezieht sich auf Handlungen

im

Zusammenhang

Stereotypisierungen,

878

mit

dem

Geschlecht

und

damit

verbundenen

zB Erzählen von Blondinenwitzen. Für die Subsumtion unter § 7

GlBG kann es ausreichen, dass das Motiv hinter einem „neutral“ wirkenden negativen Verhalten geschlechtsbezogen ist, dh dass das Verhalten gerade aufgrund des Geschlechts des Geschädigten gesetzt wird. 879 Die sexuelle Belästigung gemäß § 6 GlBG stellt eine lex specialis zur geschlechtsbezogenen Belästigung gemäß § 7 GlBG dar. 880

Tomandl (Hrsg), Arbeitsrecht I7 245. Hopf, RdW 10/2004, 548 (603). 874 Gahleitner, Der Schutz vor Belästigung im Arbeitsverhältnis, ZAS 2007/24, 148 mit Verweis auf Posch in Rebhahn, GlBG (2005) §§6-7 Rz 18; Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht (2006) § 6 GlBG Rz 5; OGH 10. 01. 2001, 9 Ob A 319/00b; OGH 05. 04. 2000, 9 ObA 292/99b. 875 OGH 05. 04. 2000, 9 ObA 292/99b. 876 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 26. 877 Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (162). 878 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7 Rz 3. 879 Vgl OGH 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x. 880 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7 Rz 4. 872 873

121

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass für den Gesetzgeber eine geschlechtsbezogene Belästigung eine Form von Mobbing darstellen kann. 881 Tatsächlich deckt dieser Tatbestand aber nur einen kleinen Bereich von Mobbing ab. 882 Während Mobbing nämlich durch systematische, wiederkehrende Verhaltensweisen gekennzeichnet ist, kann eine Belästigung durch einen einmaligen, schwerwiegenden Akt verwirklicht werden. 883 Darüber hinaus ist das Motiv bei Mobbing irrelevant. 884 

Belästigung aufgrund der neuen, geschützten Merkmale gemäß § 21 GlBG

Voraussetzung für die Verwirklichung einer Belästigung gemäß § 21 GlBG ist, dass diese im Zusammenhang mit der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, dem Alter oder der sexuellen Orientierung erfolgt. Dabei handelt es sich um eine taxative Aufzählung. 885 Für die Bejahung einer Diskriminierung genügt es, wenn das geschützte Merkmal eines von mehreren Gründen für die Belästigung ist. 886 

Die vier möglichen Konstellationen von Belästigung

Das GlBG unterscheidet vier mögliche Varianten der Diskriminierung durch Belästigung, nämlich zum einen, (1) wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer belästigt, (2) weiters wenn es der Arbeitgeber schuldhaft unterlässt, bei Belästigungen durch Dritte angemessene Maßnahmen zum Schutz des Arbeitnehmers zu ergreifen. (3) Darüber hinaus liegt eine Diskriminierung vor, wenn ein Arbeitnehmer durch Dritte im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis oder (4) außerhalb seines Arbeitsverhältnisses 887 belästigt wird (§ 6 Abs 1, § 7 Abs 1, 21 Abs 1 GlBG). 888

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abhilfe (Variante 2) resultiert aus seiner Fürsorgepflicht. 889 Ist der Arbeitgeber seiner Abhilfeverpflichtung nicht nachgekommen, Vgl Hopf, RdW 10/2004, 548 (604); ErläutRV 307 BlgNr 22. GP 11. Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7 Rz 13. 883 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7 Rz 14. 884 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7 Rz 13. 885 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 21 Rz 8. 886 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 21 Rz 9. 887 Siehe Näheres zum Gleichbehandlungsgebot in der sonstigen Arbeitswelt gemäß § 4 bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 4 Rz 1 ff. 888 Siehe Näheres zu den Belästigungskonstellationen bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 5 ff. 889 Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (163). 881 882

122

haftet er neben dem unmittelbaren Belästiger 890 und zwar kumulativ. 891 Voraussetzung für eine Haftung des Arbeitgebers ist, dass er von der Belästigung Kenntnis erlangt hat. Leichte Fahrlässigkeit genügt für die Haftung. 892 Arbeitgeber iSd GlBG ist jene Person, welcher der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrages seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, haftet diese auch unmittelbar für das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe. 893 Darüber hinaus muss der Arbeitgeber gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jenes Gehilfen einstehen, dem er die Verpflichtung zur Abhilfe übertragen hat. 894 Unter Dritte sind grundsätzlich Arbeitskollegen und Kunden gemeint. 895 Zur Erfüllung der Abhilfeverpflichtung muss die Maßnahme geeignet sein, weitere Belästigungen zu verhindern, wobei verhältnismäßig vorzugehen ist. In Betracht kommen Ermahnung, Verwarnung, Versetzung, Kündigung, Entlassung.

896

Die

mangelnde Abhilfe macht den Arbeitgeber schadenersatzpflichtig und zwar sowohl für den materiellen als auch für den immateriellen Schaden. 897 3.7.4

Rechtsfolgen einer Diskriminierung gemäß §§ 12, 26 GlBG

Die Rechtsfolgen einer Diskriminierung sind zu jedem einzelnen Tatbestand speziell ausformuliert. 898 Aufgrund einer Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen steht es dem Verletzten offen, entweder den Zustand zu fordern, der ohne Diskriminierung eingetreten wäre, oder den Vermögensschaden ersetzt zu verlangen. Zusätzlich hat der Verletzte einen Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens.

899

Der Anspruch ist gegenüber dem

unmittelbaren Schädiger verschuldensunabhängig. 900 Eine Diskriminierung im Zusammenhang mit einer angestrebten Beförderung berechtigt zum Ersatz des vermögensrechtlichen Nachteils und des ideellen Schadens. Ein Anspruch auf Erfüllung besteht nicht. 901

Vgl Hopf, RdW 10/2004, 548 (605). Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 113. 892 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 134. 893 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 7. 894 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 115. 895 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 28. 896 Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (163). 897 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 117. 898 Siehe Näheres zu den Rechtsfolgen bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 1ff. 899 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 70. 900 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 72. 901 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 57. 890 891

123

Eine Diskriminierung im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses berechtigt den in seinen Rechten Verletzten zu einer Anfechtungsklage. Der Verletzte kann stattdessen aber auch den Ersatz des vermögensrechtlichen Nachteils und des ideellen Schadens fordern. 902 Dem Betriebsrat kommt im Anwendungsbereich des GlBG keine Befugnis zur Anfechtung zu. 903 Im Fall einer Belästigung stehen dem Opfer der Ersatz des vermögensrechtlichen Nachteils und

des

ideellen

Schadens

zu,

904

wobei

mit

BGBl

I

7/2011

ein

Mindestschadenersatzanspruch für die erlittene Beeinträchtigung in der Höhe € 1.000,00 festgesetzt wurde. 905 Die Höhe des ideellen Schadenersatzes ist nach der Rsp im Rahmen einer Globalbetrachtung danach zu bemessen, in welchem Zeitraum, auf welche Art und Weise und mit welcher Stärke sämtliche Belästigungshandlungen als Einheit erfolgt sind und welche Wirkung sie erzielt haben. 906

Erfolgt die Ungleichbehandlung bzw die Belästigung aufgrund von verschiedenen Diskriminierungsgründen, hat sich dies entsprechend auf die Höhe des ideellen Schadenersatzes auszuwirken. 907 3.7.5  Bei

Besonderheiten bei der Geltendmachung

Beweislasterleichterung gemäß § 12 Abs 12, § 26 Abs 12 GlBG der

gerichtlichen

Geltendmachung

der

Ansprüche

sieht

das

GlBG

eine

Beweislastverschiebung zugunsten des Klägers vor 908 : Dieser muss die Diskriminierung nur glaubhaft machen. Dann obliegt es der beklagten Partei zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein nicht diskriminierendes Motiv ausschlaggebend war. 909

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 85. Vgl Tinhofer in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XVIII Rz 34. 904 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 143. 905 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG-Novelle 2011 Ergänzungsband (2011) § 19 GlBG Rz 1. 906 OGH 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x; LG Salzburg 14. 07. 2006, 18 Cga 120/05t mit Verweis Hopf, RdW 2004/548 (605). 907 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 140. 908 Vgl Salinger, juridikum 2007, 120 (123). 909 Vgl Tomandl(Hrsg), Arbeitsrecht I7 245. 902 903

124



Fristen gemäß § 15 Abs 1, § 29 Abs 1 GlBG

Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen ist an den jeweiligen Tatbestand geknüpft. Ansprüche aus einer Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen oder beim beruflichen Aufstieg müssen innerhalb von drei Jahren, 910 Ansprüche aus einer Belästigung binnen eines Jahres geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist beginnt ab Kenntnis „von Schaden und Schädiger“ zu laufen bzw beim Anspruch auf Erfüllung ab der objektiven Möglichkeit der Geltendmachung. 911 Eine Anfechtungsklage ist innerhalb von 14 Tagen ab Zugang

der

Kündigungs-

Schadenersatzanspruch

bei

bzw einer

Entlassungserklärung Diskriminierung

im

Dienstverhältnisses verjährt innerhalb von sechs Monaten. 

einzubringen. Zuge

der

912

Der

Beendigung

des

913

Benachteiligungsverbot gemäß §§ 13, 27 GlBG

Das GlBG normiert, dass ein Arbeitnehmer, der Ansprüche nach diesem Gesetz geltend macht, von seinem Arbeitgeber als Reaktion darauf nicht seinen Arbeitsplatz verlieren oder anders benachteiligt werden darf. 914 „Anders benachteiligt“ bedeutet eine Viktimisierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen.

915

Geschützt sind auch Arbeitnehmer, welche die

betroffene Person unterstützen bzw als Zeugen auftreten. 916 

Nebenintervention gemäß § 62 GlBG

Im

Jahr

2004

wurde

Diskriminierungsopfern,

der

Klagsverband

welcher

mittlerweile

zur aus

Durchsetzung 25

der

Rechte

Mitgliedervereinen

von

besteht,

gegründet. 917 § 62 GlBG räumt dem Klagsverband das Recht ein, einem Verfahren nach dem GlBG auf Seiten des Betroffenen beizutreten. 3.7.6

Institutionen

Beim Bundeskanzleramt sind zwei Institutionen eingerichtet, die den Opfern von Diskriminierungen

nach

dem

GlBG

zur

Seite

stehen,

nämlich

die

Gleichbehandlungsanwaltschaft, im Folgenden GAW, und die Gleichbehandlungskommission,

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 15 Rz 14. Hopf, RdW 10/2004, 548 (605). 912 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 15 Rz 6. 913 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 15 Rz 5. 914 Vgl Tomadl (Hrsg), Arbeitsrecht I6 245. 915 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 9. 916 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 10. 917 http://www.klagsverband.at/ueber-uns (25. 08. 2011). 910 911

125

im Folgenden GBK.

918

Ihre Aufgaben und Befugnisse werden im BG über die

Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft,

919

im Folgenden

GBK/GAW-Gesetz, geregelt. Die GAW ist in drei Bereiche untergliedert, nämlich Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt und Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen. Diesen steht jeweils ein/eine Anwalt/Anwältin vor, welche im Rahmen ihrer Kompetenzen frei von Weisungen, selbständig und unabhängig sind. 920

Die Hauptaufgabe der GAW besteht darin, Personen, die sich diskriminiert fühlen, zu unterstützen und zu beraten. 921 Sie ist auch befugt, auf eine außergerichtliche Einigung mit dem betreffenden Arbeitgeber hinzuwirken und hat diesbezüglich ein umfassendes Einsichtsund Auskunftsrecht. 922 Sollte keine Lösung zustande kommen, kann die GAW bei der GBK einen Antrag auf Erstellung eines Gutachtens über allgemeine Fragen der Verletzung eines Gleichbehandlungsgebots 923 oder auf Durchführung einer Einzelfallprüfung stellen. 924 Die GAW wäre in der Folge berechtigt, eine Feststellungsklage einzubringen, sofern der Arbeitgeber auf die Empfehlungen der GBK in ihrem Gutachten nicht reagiert und das Opfer zustimmt. 925 Die GBK erstellt kostenlose und vertrauliche Gutachten, ob ein Diskriminierungs- bzw Belästigungstatbestand vorliegt. Sie ist in drei Senate, welchen den Bereichen der GAW entsprechen, unterteilt. 926 Mitglieder des jeweiligen Senates sind auch Angehörige der Wirtschaftskammer Österreichs, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Vereinigung der Österreichischen Industrie und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, im Folgenden allgemein als Interessenvertretungen bezeichnet. Sinn und Zweck der Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 345. GBK/GAW-Gesetz BGBl 1979/108 zuletzt geändert durch BGBl I 2008/98. 920 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG – Novelle 2011 § 4 GBK/GAW-G Rz 2, § 5 GBK/GAW-G Rz 2, § 6 GBK/GAW-G Rz 3. 921 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 GBK/GAW-Gesetz Rz 6. 922 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 4 GBK/GAW-Gesetz Rz 4. 923 zB Begutachtung von Normen, Branchen, sexistischer Werbung; siehe Näheres bei Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 4 GBK/GAW-Gesetz Rz 12. 924 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 4 GBK/GAW-Gesetz Rz 12. 925 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW-Gesetz Rz 16. 926 Vgl Salinger, juridikum 2007, 120 (124). 918 919

126

Einschaltung der GBK ist die außergerichtliche Einigung mit dem Arbeitgeber. Mit Hilfe eines Gutachtens der GBK können aber darüber hinaus die Erfolgsaussichten für einen etwaig nachfolgenden Prozess geklärt werden. 927

Dem Opfer steht ein eigenständiges Antragsrecht zur Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots im Einzelfall zu. Mit Antragstellung wird die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche des Opfers gehemmt. Nach Zustellung des Prüfberichtes der GBK steht dem Opfer noch zumindest eine Frist von drei Monaten zur Verfügung, um eine Klage

bei

Gericht

einzubringen,

sofern

die

gesetzliche

Frist,

wie

bei

der

Kündigungsanfechtung, nicht kürzer ist. 928

Darüber hinaus steht den im Senat vertretenen Interessenvertretungen ein selbständiges Recht auf Einbringung einer Klage zu, welches nicht von der Zustimmung des Opfers abhängig ist. Dabei handelt es sich um eine Verbandsklage, die einem Leistungsprozess zwischen dem Opfer und seinem Arbeitgeber vorgeschalten sein kann, 929 um die Abschätzung des Risikos einer Klagseinbringung für das Opfer zu erleichtern. 930 Bis zum Ablauf des Monats, in welchem die Entscheidung über die Verbandklage rechtskräftig wurde, ist die Verjährungsfrist für das Opfer erneut gehemmt. 931

Stellt die GBK eine Verletzung des GlBG fest, hat sie dem Arbeitgeber einen Vorschlag zur Beseitigung der Ungleichbehandlung zu unterbreiten, weiters hat sie ihn aufzufordern, binnen einer festgesetzten Frist, eine rechtskonforme Situation herzustellen. 932 Der Arbeitgeber ist daran aber rechtlich nicht gebunden. 933 Dauert die Diskriminierung an, hat der Arbeitgeber der GBK auf ihr Verlangen hin einen Bericht vorzulegen. 934 Ein Nichtentsprechen dieser Aufforderung wird auf ihrer Homepage veröffentlicht. 935

Kommt es zu keiner Einigung, kann ein Gutachten der GBK einem folgenden Gerichtsverfahren als Beweis vorgelegt werden. 936 Es ist allerdings rechtlich nicht verbindlich Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW Rz 1. Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (564). 929 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW-Gesetz Rz 12. 930 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW Rz 14. 931 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW Rz 12. 932 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW Rz 8. 933 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW Rz 9. 934 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 GBK/GAW Rz 1 935 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 GBK/GAW Rz 11. 936 Vgl Salinger, juridikum 2007, 120 (124). 927 928

127

und kann mit einer Empfehlung gleichgesetzt werden. 937 Will das Gericht vom Gutachten der GBK abgehen, hat es dies allerdings in seinem Urteil zu begründen. 938 Die GBK muss nicht zwingend vor Einbringung einer Klage eingeschaltet werden und ist der Gegenstand des Gerichtsverfahrens nicht durch das Vorverfahren bei der GBK begrenzt. 939 3.7.7

Kritische Anmerkungen

Sämtliche in Leymanns Liste genannten Mobbinghandlungen könnten einen Tatbestand nach dem GlBG bzw BEinstG darstellen. Das Opfer muss aber glaubhaft machen, dass die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit einem vom GlBG bzw BEinstG geschützten Merkmal stehen. In der Repräsentativstudie der Bundesrepublik Deutschland nannten 12,5% der befragten Opfer bzw 17,9% der befragten weiblichen Opfer als mögliches Motiv für das Mobbing ihr Geschlecht. Das bedeutet, dass vier Fünftel der befragten Arbeitnehmerinnen nicht aufgrund ihres Geschlechts gemobbt wurden bzw werden. 3,8% der Befragten sahen ihre Nationalität und 2,3% ihre sexuelle Orientierung als Grund für den Terror am Arbeitsplatz. 940 Nach den Ergebnissen der österreichischen Studie „Mobbing – und was öffentliche Organisationen dagegen tun können“ standen lediglich 1-2% der Mobbingfälle im Zusammenhang mit den Diskriminierungsgründen nach dem GlBG und dem BEinstG. 941 Das bedeutet, dass sich Mobbingopfer in den seltensten Fällen auf das GlBG bzw BEinstG stützen können und ihnen dadurch jedenfalls ein ideeller Schadenersatz verwehrt wird bzw ihnen idR die volle Beweispflicht für ihr Vorbringen obliegt.

Dem Arbeits- und Sozialgericht obliegt es, dem Opfer im Fall einer festgestellten Belästigung einen Schadenersatzbetrag zuzusprechen. Dabei standen ihm aber bis zur Novelle des GlBG, BGBL I 2011/7 im Zuge des Beweisverfahrens zwar das Gutachten der GBK, nicht aber die Protokolle von den Vernehmungen der Parteien bzw der Zeugen zur Verfügung. Etwaige Widersprüche zwischen den Aussagen vor Gericht und den Vernehmungen vor der GBK kamen dadurch nicht zum Vorschein. Gahleitner empfahl daher eine bessere Vernetzung zwischen der GBK und den Arbeits- und Sozialgerichten, womit auch eine schnellere

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 11 GBK/GAW Rz 4. Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 11 GBK/GAW Rz 5. 939 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 11 GBK/GAW E 6. 940 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing Report6 111; schriftliche Mobbingbefragung 2001 (n = 1.317) 941 Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 10. 937 938

128

Rechtsdurchsetzung gewährleistet werden könnte. 942 Aufgrund der Novelle des GlBG, BGBl I 2011/7, wurde die Vertraulichkeit des Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission aufgehoben und durch das Prinzip der Öffentlichkeit für die Parteien ersetzt.

943

Darüber

hinaus wurde das Recht auf Akteneinsicht isd § 17 AVG im Verfahren vor der GBK für anwendbar erklärt. 944 Aufgrund dieser Novellierung ist es von nun an möglich, dem Arbeitsund Sozialgericht eine Aktenabschrift vom Verfahren vor der GBK vorzulegen. Gahleitner kritisierte weiters, dass ein weiteres Verfahren eine neuerliche Belastung für das Opfer darstelle und dass die Einschaltung der Gleichbehandlungskommission eine Verlängerung des Verfahrens bedeute. 945 Diesbezüglich hat die Novelle des GlBG keine Veränderungen gebracht. 3.8

Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierungen

Der Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderungen ist grundsätzlich gleich ausgestaltet wie jener im Anwendungsbereich des GlBG. Im Folgenden wird daher lediglich auf Unterschiede bzw Besonderheiten eingegangen. 3.8.1

Allgemeines

Die Bestimmungen über den Schutz vor Diskriminierungen BEinstG finden gemäß § 7a BEinstG auf Dienstverhältnisse aller Art, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen, und auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse und Ausbildungsverhältnisse zum Bund Anwendung. Ausgenommen vom Geltungsbereich sind Arbeitsverhältnisse im Land- und Forstwirtschaftssektor sowie Dienstverhältnisse aller Art zu einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband. Für Bedienstete des Bundes werden teils spezielle Regeln normiert, die unter Punkt C.4.7, Besonderheiten in Bezug auf den Diskriminierungsschutz, behandelt werden. 946

Geschützt vor einer Diskriminierung sind Menschen mit einer Behinderung. Unter Behinderung wird gemäß § 3 BEinstG „die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der

Sinnesfunktionen,

die

geeignet

ist,

die

Teilhabe

Vgl Gahleitner, ZAS 2007/24, 148 (153). Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG – Novelle 2011 § 14 GBK/GAW Rz 4. 944 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG – Novelle 2011 § 16 GBK/GAW Rz 3. 945 Vgl Gahleitner, ZAS 2007/24, 148 (153). 946 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7e BEinstG Rz 1. 942 943

129

am

Arbeitsleben

zu

erschweren“ verstanden. Auf den Grad der Behinderung wird nicht abgestellt,

947

allerdings

hat die Beeinträchtigung voraussichtlich über sechs Monate anzudauern. 948

Vor der Novelle BGBl I 2011/7 war im BEinstG bereits ein Diskriminierungsschutz für Eltern und nahe Angehörige normiert. Dieser wurde nun auf Personen ausgeweitet, die aufgrund der engen Beziehung zum behinderten Menschen diskriminiert werden. 949 3.8.2 

Besonderheiten im Vergleich zum GlBG

Erweiterung der mittelbaren Diskriminierung

Eine mittelbare Diskriminierung liegt im Anwendungsbereich des BEinstG unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch dann vor, wenn „dem Anschein nach neutrale Merkmale gestalteter Lebensbereiche“ zu einer besonderen Benachteiligung gegenüber Menschen mit einer Behinderung zur Folge haben (§ 7c Abs 2). Diese erweiterte Art der mittelbaren Diskriminierung stellt keinen neuen Tatbestand dar, sondern ist nach den Umständen des Einzelfalles unter einen der auch im GlBG aufgezählten Tatbestände zu subsumieren. Mit Gleichbehandlung in „gestalteten Lebensbereichen“ ist insbesondere die so genannte „Barrierefreiheit“ für Menschen mit Behinderungen gemeint. Wird einem Menschen mit einer Behinderung daher das Betreten ein für ihn zur Aufgabenerfüllung notwendigen Arbeitsraumes nicht möglich gemacht, liegt eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen vor. 950 Eine solche kann aber gerechtfertigt sein, wenn die Herstellung der Barrierefreiheit rechtswidrig oder zu aufwendig oder kostenintensiv wäre. 951 

Rechtfertigung einer Diskriminierung

Eine Diskriminierung eines Menschen mit einer Behinderung kann aus denselben Gründen gerechtfertigt sein wie eine Ungleichbehandlung aufgrund der neuen, geschützten Merkmale, nämlich, wenn „das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt, und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt“ (§ 7c Abs 3), wobei die Bestimmung eng auszulegen ist:

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7b BEinstG Rz 1. Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7b BEinstG Rz 2. 949 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Novelle 2011 § 7b BEinstG Rz 1. 950 Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7b BEinstG Rz 3. 951 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7c BEinstG Rz 2. 947 948

130

Die Nichtanstellung eines Menschen im Rollstuhl als Vertreter für Sportsachen stellt unter dem Argument der von den Käufern erwarteten Sportlichkeit eine Diskriminierung dar. 952 

Beispiel einer Belästigung gemäß § 7d BEinstG

In der Entscheidung 8 ObA 8/09y hat der OGH insbesondere die Aussage „Die wird ja immer hässlicher!“ gegenüber einer blinden Kollegin als Belästigung im Zusammenhang mit einer Behinderung beurteilt. 953 Er hat dazu Folgendes ausgeführt: „Belästigung steht dann mit dem geschützten Merkmal (hier: Blindheit) im Zusammenhang, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt, zugerechnet werden kann. Ein derartiger Zusammenhang ist daher jedenfalls dort zu bejahen, wo unangebrachte, die Würde des Behinderten verletzende und ein demütigendes Umfeld schaffende Äußerungen des Belästigers einen Bezug zur Behinderung bzw den damit in Verbindung stehenden Eigenschaften haben. Das Erfordernis des Zusammenhangs darf dabei, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen wegen der Behinderung hintanzuhalten, zu erreichen, nicht zu eng gesehen werden.“ 954 

Rechtsfolgen einer Diskriminierung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 7 f BEinstG

Die Rechtsfolgen einer Diskriminierung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechen grundsätzlich jenen im GlBG normierten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass für begünstigte Behinderte ein besonderer Kündigungsschutz gilt und für diese § 7f BEinstG daher nicht anwendbar ist. Begünstigte Behinderte sind Menschen mit einer Behinderung von mindestens 50%. Der besondere Bestandschutz beginnt ab dem siebenten Monat ihrer Anstellung. 955 

Kriterien für die Bemessung der Höhe des ideellen Schadenersatzes gemäß § 7j BEinstG

Im Unterschied zum GlBG sieht das BEinstG Maßstäbe für die Festsetzung des ideellen Schadenersatzes vor. Demnach soll insbesondere darauf Bedacht genommen werden, wie lang die Diskriminierung/en angehalten hat/haben, wie schwer einerseits das Verschulden und die Beeinträchtigung andererseits zu werten sind, wie groß sich die Beeinträchtigung darstellt und

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7c BEinstG Rz 4. OGH 02. 04. 2009, 8 ObA 8/09y. 954 RIS-Justiz RS0124664. 955 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7f BEinstG Rz 2. 952 953

131

ob der Diskriminierung mehrere geschützte Merkmale zugrunde liegen. Die Aufzählung der Kriterien ist nicht abschließend. 956 

Besonderheiten bei der Geltendmachung der Ansprüche im Rechtsweg

Der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche ist ein Schlichtungsverfahren gemäß § 14ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, 957 im Folgenden BGStG, obligatorisch vorgesetzt. Dies auch dann, wenn gleichzeitig eine Diskriminierung aufgrund des GlBG geltend gemacht wird. Erst wenn im Zuge dieses Verfahrens keine Einigung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erzielt werden kann, ist eine Klage zulässig. 958

Das

Schlichtungsverfahren

ist

bei

einer

Landesstelle

des

Bundessozialamtes

durchzuführen. 959 Es wird gemäß § 14 Abs 2 BGStG auf Antrag der Person eröffnet, die behauptet, Opfer einer Diskriminierung geworden zu sein, und endet gemäß § 14 Abs 3 BGStG entweder mit einer Übereinkunft der Parteien oder mit der Zustellung der schriftlichen Benachrichtigung an das Opfer, dass eine Einigung nicht erfolgt ist. Während der Dauer des Schlichtungsverfahrens ist die Verjährungsfrist gehemmt. Nach erfolgloser Beendigung des Schlichtungsverfahrens steht dem Opfer der Klagsweg innerhalb einer Frist von mindestens drei Monaten bzw bei einer Kündigung oder Entlassung von 14 Tagen offen. 960

§ 7q BEinstG normiert die Möglichkeit der Nebenintervention für die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. Dabei handelt es sich um einen Dachverband, welchem 78 Behindertenorganisationen angehören. 961 3.8.3 

Institutionen

Bundesbehindertenbeirat

Beim

Bundesministerium

für

Arbeit

und

Soziales

ist

gemäß

§

8

Abs

1

Bundesbehindertengesetz 962 , im Folgenden BBG, ein Bundesbehindertenbeirat eingerichtet. Er dient gemäß § 8 Abs 2 BBG als Beratungs- (Z 1) und Unterstützungsorgan (Z 3) des Bundesministers, er kann Gutachten erstatten und Erklärungen abgeben (Z 2) und ist gemäß § 8 Abs 3 BBG in allen wichtigen Fragen der Behindertenhilfe zu hören. Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7j BEinstG Rz 1. BGBStG BGBl I 2005/82 zuletzt geändert durch BGBl I 2010/62. 958 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7k BEinstG Rz 1. 959 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7k BEinstG Rz 2. 960 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7k BEinstG Rz 1. 961 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7q BEinstG Rz 2. 962 B-BG BGBl 1990/283. 956 957

132



Monitoringausschuss

Der Monitoringausschuss wurde gemäß § 13 BBG eingerichtet, um die Einhaltung der UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die öffentliche Hand gemäß § 8 Abs 4 BBG zu kontrollieren. Seine Kompetenzen beschränken sich auf Einholung von Stellungnahmen und auf Abgabe von solchen. 963 

Behindertenanwalt

Der Behindertenanwalt hat gemäß § 13c Abs 1 BBG den Opfern nach §§ 7a-7k BEinstG beratend und unterstützend zur Seite zu stehen. Er kann von sich aus Erhebungen durchführen und deren Ergebnisse veröffentlichen. Seine Empfehlungen sind rechtlich unverbindlich. 964 Ein Initiativ- bzw Teilnahmerecht beim Schlichtungsverfahren steht ihm nicht zu. 965 Sämtliche Aufgaben erfüllt er selbständig, weisungsfrei und unabhängig (vgl § 13c Abs 1 BBG). 

Behindertenvertrauensperson

Hat ein Unternehmen fünf oder mehr begünstigte behinderte Menschen beschäftigt, so ist gemäß § 22a Abs 1 BEinstG eine Behindertenvertrauensperson zu wählen. Diese gilt als Hüter der Erfüllung dieses Gesetzes (vgl § 22a Abs 8 lit a BEinstG). Sie ist auch befugt Vorschläge einzubringen (vgl § 22a Abs 8 lit c BEinstG). Gemäß § 22b BEinstG sind die Bestimmungen des § 22a BEinstG sinngemäß auf den öffentlichen Dienst anzuwenden. 3.9

Rechtliche Folgen von Mobbing für die Betroffenen

Die Rechtslage im Zusammenhang mit einer Versetzung und Kündigung wurde bereits dargestellt. Im Folgenden soll noch überblicksweise auf den Krankenstand, die Konsequenzen einer Kündigung und die Frühpension eingegangen werden, zumal die Ergebnisse des Mobbing-Reports zeigen, dass diese nicht selten Folge von Mobbing für den Betroffenen sind. 966

963

http://www.monitoringausschuss.at (23. 08. 2011). Vgl Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch, Behindertengleichstellungsrecht (2006) 167. 965 Vgl Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch, Behindertengleichstellungsrecht 166. 966 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 78; telefonische Befragung 2001 (n=491) Mehrfachnennungen möglich. 964

133

Mobbingfolgen (abgeschlossene Fälle)

%

Krankheit

43,9

Dauer der Krankheit länger als sechs Wochen

20,1

freiwillige Versetzung

30,8

Eigenkündigung

22,5

Fremdkündigung

14,8

Arbeitslosigkeit

11,4

Arbeitsunfähigkeit / Frühpension

6,9

Zwangsversetzung

5,6

Für ein Fünftel der Mobbingopfer endete der Mobbingverlauf mit einer Krankheit, die länger als sechs Wochen andauerte. Im Rahmen einer schriftlichen Befragung, an welcher sowohl aktuelle als auch vergangene Mobbingopfer teilnahmen, gaben 86,6% der Befragten an, gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. 5,7% der schriftlich Befragten, das wäre jeder 20ste, gaben an, dass die Krankheit (schon) über ein Jahr gedauert habe bzw andauern würde. Als Krankheiten, welche als Folge von Mobbing erlebt wurden, wurden folgende angegeben: „Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Migräneanfälle, Atemnot, Lähmungserscheinungen, Neurodermitis, Depressionen, Erkrankungen im Magen- und Darmbereich“ ua. 967

Für jeden dritten Befragten endete der Mobbingverlauf mit einer beantragten Versetzung. Fast ein Viertel der Opfer kündigten das Arbeitsverhältnis, während jeder Sechste vom Arbeitgeber gekündigt wurde. 968 Im Rahmen der schriftlichen Befragung gaben 25% der Betroffenen an, zumindest einmal vom Arbeitgeber abgemahnt worden zu sein. Einem Fünftel der Befragten drohte der Arbeitgeber mit einer Kündigung. Jeder Zehnte gleitet in die Arbeitslosigkeit ab. 969 3.9.1

Mobbing und Krankenstand

Folgen von Mobbing sind in der Regel länger andauernde Krankenstände seitens des Opfers. Ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit gebührt dem Arbeitnehmer Krankengeld. 970 Der Anspruch ruht aber, solange eine Entgeltfortzahlungspflicht seitens des Arbeitgebers

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing Report6 79. Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing Report6 79. 969 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing Report6 80. 970 Vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialstaat Österreich, Sozialleistungen im Überblick13 (2011) 187. 967 968

134

besteht.

971

Diese ist - abhängig vom Status des Arbeitnehmers, der Dauer des

Arbeitsverhältnisses und der Art der Krankheit - auf eine bestimmte Dauer begrenzt: Grundsätzlich steht Angestellten wie Arbeitern eine Entgeltfortzahlung von zumindest sechs Wochen zu. Arbeitern wird darüber hinaus gemäß § 2 Abs 2 Entgeltfortzahlungsgesetz 972 , im Folgenden EFZG, noch weitere vier Wochen 50% des bisherigen Bezugs gewährt. Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung ist, dass der betreffende Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.973

Die Dauer der Entgeltfortzahlung verringert sich bei Arbeitern gemäß § 2 Abs 4 EFZG um jeden weiteren Krankenstand und beginnt innerhalb eines Arbeitsjahres nicht von vorne zu laufen. Bei Angestellten wird die Anzahl der Dienstabwesenheiten wegen Krankheit in einem halben Jahr ab Wiederantritt des Dienstes nach der ersten Erkrankung zusammengerechnet. Nach Konsumation der Entgeltfortzahlung innerhalb dieses Zeitraumes durch mehrere Krankheitsfälle gebührt dem Angestellten nur noch 50% des Bezugs. Die Dauer der Entgeltfortzahlung beginnt aber auch für die Folgeerkrankung immer neu zu laufen. 974

Bei über die Entgeltzahlungspflicht hinausgehenden Krankenständen steht dem jeweiligen Arbeitnehmer 50%, ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit 60% des Bruttogehaltes an Krankengeld zu. 975 Im Falle einer Entgeltfortzahlung von 50% ruht die Hälfte des Krankengeldanspruches. Der Anspruch auf Krankengeld ist grundsätzlich auf 26 Wochen beschränkt. 976 Eine Wiedererkrankung innerhalb von 13 Wochen nach dem Dienstantritt führt zur Zusammenzählung der Leistungszeit. Ein Anspruch auf Krankengeld gebührt dem Arbeitnehmer nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf Suchtgift- oder Alkoholmissbrauch zurückzuführen ist. 977

Psychische Erkrankungen haben in der Regel einen langen Genesungsprozess. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse des Mobbing-Reports, dass jedes fünfte Mobbingopfer über sechs Wochen in den Krankenstand gehen muss. Dem Mobbingopfer gebührt bereits nach sechs Vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 189. EFZG BGBl 1974/399. 973 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 203. 974 Vgl Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer (Hrsg), AngG-Kommentar (Stand November 2008) § 8 AngG Rz 33. 975 Vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 188. 976 Er kann sich jedoch auf ein Jahr erhöhen, wenn in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit sechs Beitragsmonate erworben wurden¸ siehe Näheres bei Vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 188; 977 Vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 189. 971 972

135

Wochen nur noch 50% seines Gehalts. Das von ihm erlebte Mobbing führt daher zu einem Verdienstentgang, welcher einen positiven Schaden bildet. Im Übrigen kann ein länger andauernder Krankenstand eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. 3.9.2

Mobbing und Abfertigung

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann unter Umständen ein Abfertigungsanspruch entstehen. Arbeitnehmer, die ab 01. 01. 2003 in ein privatrechtliches Dienstverhältnis eingetreten

sind,

unterliegen

dem

Betrieblichen

Mitarbeiter-

und

Selbständigenvorsorgegesetz 978 , im Folgenden BMSVG. 979 Bei ihnen ist ein Verfall der Abfertigungsbeiträge unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Art der Beendigung desselben ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Verfügung über die Abfertigung steht ihnen allerdings erst nach drei vollen Beitragsjahren und zwar nur dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis durch berechtigten Austritt, durch Kündigung durch den Arbeitgeber oder durch einvernehmliche Auflösung beendet wurde. Keine Verfügungsberechtigung über die Abfertigung kommt dem Arbeitnehmer daher zu, wenn er selbst kündigt. 980 Die Höhe der Abfertigung richtet sich nach den bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einbezahlten Beiträgen abzüglich der Kosten für die Verwaltung und zuzüglich etwaiger Erträge aus der Veranlagung. Dem Arbeitnehmer stehen verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich seines Abfertigungsanspruches offen, so kann er zB dessen Auszahlung begehren oder auch dessen Übertragung in eine andere betriebliche Vorsorgekasse eines neuen Arbeitgebers beantragen. 981

Für die sonstigen Arbeitnehmer ist grundsätzlich das „alte“ Abfertigungsrecht anzuwenden – außer, es wurde mit dem Arbeitgeber ein Umstieg in das BMSVG vereinbart. 982 Die Anspruchvoraussetzungen für die Abfertigung „alt“ entsprechen jenen des BMSVG über die Verfügungsmöglichkeit über den Abfertigungsanspruch. Nach altem Abfertigungsrecht steht eine Abfertigung bei Selbstkündigung nicht zu und bedeutet einen Verfall der Beitragsmonate.

983

Die Höhe der Abfertigung richtet sich nach der Dauer des

Arbeitsverhältnisses und der Höhe des im letzten Monat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehenden Arbeitsentgeltes. 984 978

BMSVG BGBl I 2002/100 zuletzt geändert durch BGBl I 2007/102. Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 672. 980 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 675. 981 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 676 982 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 662. 983 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 667. 984 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 662. 979

136

Nach den Ergebnissen des Mobbing-Reports gaben 22,5% der Befragten an, der Mobbingsituation durch Selbstkündigung entflohen zu sein. 985 Für viele dieser Betroffenen bedeutet dies ein Verlust ihrer Abfertigungsansprüche, sofern sie nicht in das neue Abfertigungssystem gewechselt haben. Der Arbeitgeber kann sich bei einer Selbstkündigung daher viel Geld ersparen. Aber selbst für Arbeitnehmer, welche in den Anwendungsbereich des BMSVG fallen, führt eine Selbstkündigung dazu, dass sie eine Auszahlung der Abfertigungsanwartschaft nicht begehren können, welche aber zur Überbrückung einer einstweiligen Arbeitslosigkeit notwendig sein könnte. 3.9.3

Mobbing und Arbeitslosigkeit

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft und wird nur für eine bestimmte Dauer gewährt. Zunächst muss der Arbeitnehmer arbeitsfähig986 und arbeitswillig 987 sein. 988 Weiters muss der Arbeitslose eine bestimmte Beitragsdauer vorweisen können, welche bei der Erstantragsstellung 52 Wochen innerhalb der letzten zwei Jahre betragen muss. 989 Die Dauer der Gewährung von Arbeitslosengeld beträgt in der Regel 20 Wochen 990 und verkürzt sich um vier Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis aus Verschulden des Arbeitnehmers bzw einvernehmlich aufgelöst wurde. 991 Die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt sich grundsätzlich mit 55% des täglichen Durchschnittsnettoeinkommens des letzten 992 bzw vorletzten 993 Kalenderjahres. 994

Nach Bezugsende kann der Arbeitslose einen Antrag auf Notstandshilfe stellen, welche aber nur im Fall einer Notlage gewährt wird, wobei das Einkommen des Ehegatten/eingetragenen Partners/Lebensgefährten mitberücksichtigt wird und höhere Anforderungen

995

an die

Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 78; telefonische Befragung 2001 (n=491) Mehrfachnennungen möglich. 986 Die Arbeitsfähigkeit wird im Falle einer Berufsunfähigkeit bzw Invalidität verneint, vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 155. 987 Die Arbeitswilligkeit schließt auch die Bereitschaft zu einer Umschulung bzw Weiterbildung mit ein; vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 155. 988 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 (2009) 240. 989 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 244. 990 30 Wochen bei 156 Beitragsmonaten innerhalb von fünf Jahren; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 246. 991 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 248. 992 Antragstellung zwischen dem 01.07. und 31.12. eines Jahres; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 247. 993 Antragstellung zwischen dem 01.01. und 30.06 eines Jahres; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 247. 994 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 247. 995 Auch unterqualifizierte und schlechter bezahlte Jobs werden als zumutbar gesehen; 995 vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 250. 985

137

Arbeitswilligkeit gestellt werden. Die Höhe der Notstandhilfe beträgt grundsätzlich 95% des Arbeitslosengeldes und kann für höchstens 52 Wochen gewährt werden, wobei eine Verlängerung bei gleich bleibenden Voraussetzungen möglich ist. 996

Nach den Ergebnissen des Mobbing-Reports war jeder Zehnte der Betroffenen der Arbeitslosigkeit

ausgesetzt.

997

Die

Arbeitslosigkeit

bedeutet

ua

einen

großen

vermögensrechtlichen Einschnitt in das Leben eines Menschen. Eine in Aussicht gestellte Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann daher vom Arbeitgeber als Druckmittel missbraucht werden. Zumal sich laut den Ergebnissen des Mobbing-Reports trotzdem fast jeder vierte Betroffene für eine Eigenkündigung entscheidet, 998 zeigt, wie unerträglich sich die Mobbingsituation darstellen muss. 3.9.4 

Mobbing und vorzeitiger Eintritt in den Ruhestand

Vorruhestandsmodelle

Ein Vorruhestand ist unausweichlich mit Abschlägen verbunden. Tritt ein Mobbingopfer daher vor Erreichen des regulären Antrittsalters in den Ruhestand, um der Mobbingsituation zu entfliehen oder weil es arbeitsunfähig geworden ist, entsteht ihm ein Vermögensnachteil.

Die Höhe der Bemessungsgrundlage für sämtliche Vorruhestandsmodelle richtet sich grundsätzlich nach der Höhe des Einkommens und den Versicherungszeiten, wobei im Falle einer Berufsunfähigkeits- bzw Invaliditätspension eine fiktive Anrechnung bis zum 60. Lebensjahr erfolgt.

999

Bei der Bemessung ist nach dem alten und neuen Recht zu

unterscheiden ist. Dem alten Recht, somit den Regelungen des ASVG, unterliegen gemäß § 1 Abs 3 APG jedenfalls Arbeitnehmer, die vor dem 01. 01. 1955 geboren wurden. Dem APG unterliegen zur Gänze Arbeitnehmer, die nach dem 01. 01. 2005 in ein Dienstverhältnis eingetreten

sind.

Hinsichtlich

der

übrigen

Arbeitnehmer

kommt

es

zu

einer

Parallelrechnung. 1000 Während im alten Recht die durchschnittlich besten 450 Beitragsmonate als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, stellt das neue Recht auf das

Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 250. Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 78; telefonische Befragung 2001 (n=491) Mehrfachnennungen möglich. 998 Vgl Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Report6 78; telefonische Befragung 2001 (n=491) Mehrfachnennungen möglich. 999 Dabei dürfen aber 60% der Bemessungsgrundlage nicht überschritten werden; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 184. 1000 Vgl Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 106. 996 997

138

Durchschnitteinkommen während der gesamten Versicherungsdauer ab. 1001 Die folgende Darstellung orientiert sich vorwiegend nach dem alten Recht. Durch die Pensionsreform 2004 1002 wurde die klassische Form der Frühpension, nämlich die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer – mit einer Auslaufregelung bis zum 01. 10. 2017 abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Antrittsalter sukzessive erhöht. Ausgangspunkt war ein Pensionsalter von 56 ½ Jahren für Frauen und 61 ½ Jahren für Männer bei Vorliegen einer bestimmten Anzahl von Versicherungsmonaten.

1003

Die

Abschläge betragen 4,2% pro Jahr, das bis zum regulären Pensionsalter – bei Frauen das 60 Lebensjahr, bei Männern das 65. Lebensjahr - fehlt, höchstens jedoch 15%. Die neu eingeführte Korridorpension kann erst beantragt werden, wenn der Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl von Versicherungsmonaten 1004 erworben und das 62. Lebensjahr vollendet hat. Der Arbeitnehmer hat dabei zum Frühpensionsabschlag noch einen zusätzlichen Korridorabschlag in Kauf zu nehmen 1005 Auch bei der so genannten Hacklerpension wird das Pensionsantrittsalter sukzessive angehoben. Bis 2013 können Frauen noch mit Vollendung des 55. Lebensjahres und Männer mit Vollendung des 60. Lebensjahres aufgrund einer langen Versicherungsdauer 1006 in die Hacklerpension ohne Abschläge gehen. Nach 2013 wird das Pensionsalter angehoben und sind Abschläge pro fehlendes Jahr zum Pensionsantrittsalter in Kauf zu nehmen. 1007 Das Allgemeine Pensionsgesetz 1008 , im Folgenden APG, kennt darüber hinaus noch die Schwerarbeiterpension, welche mit Vollendung des 60. Lebensjahres und mit Erreichen von 45 Versicherungsjahren gewährt werden kann. Vorraussetzung ist die Ausführung einer Schwerarbeit während einer Dauer von insgesamt 120 Monaten innerhalb der letzten 420 Monate. Die Auflistung von Tätigkeiten, die unter Schwerarbeit fallen, wird durch

Vgl Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 104. BGBl I 2004/142. 1003 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 164. 1004 Mindestens 450; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 169. 1005 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 169. 1006 40 bzw 45 Beitragsjahre; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 165. 1007 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 165. 1008 APG BGBl I 2004/142 zuletzt geändert durch BGBl I 2005/132. 1001 1002

139

Verordnung 1009 geregelt. 1010 Gemäß § 5 Abs 2 APG werden pro Jahr, welches auf das reguläre Pensionsalter fehlen, 1,8% in Abzug gebracht. Grundvoraussetzung für den Erhalt einer Berufsunfähigkeits- bzw Invaliditätspension ist das Vorliegen

einer

Berufsunfähigkeit

bzw

Invalidität

von

wahrscheinlich

zumindest

sechsmonatiger Dauer, welche auch durch eine Rehabilitation nicht geheilt werden könnte. In diesem Zusammenhang ist zwischen Angestellten und Arbeitern zu unterscheiden. Angestellte gelten gemäß § 273 Abs 1 ASVG als erwerbsunfähig, wenn ihre Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf ihre bisherige Tätigkeit über 50% beträgt. Als Beurteilungszeitraum gelten die letzten 15 Jahren, wobei für die Hälfte dieser Zeit eine Angestelltentätigkeit vorliegen sein muss.

Bei Arbeitern wird hinsichtlich der Invalidität zwischen Fach- und Hilfsarbeitern unterschieden. Ist ein Facharbeiter innerhalb des Zeitraums von 15 Jahren die Hälfte davon seiner erlernten Tätigkeit nachgegangen, wird seine Arbeitsunfähigkeit nur anhand von dieser geprüft. Erreicht ein Facharbeiter nicht die gesetzlich vorausgesetzte Dauer der Tätigkeit in seinem erlernten Beruf bzw handelt es sich um einen Hilfsarbeiter, wird bei der Prüfung der Invalidität jede Aufgabenbesorgung in Betracht gezogen, welche ihm noch in Hinblick auf die bisherige Tätigkeit zumutbar ist. 1011

Neben der Voraussetzung der Berufsunfähigkeit bzw Invalidität müssen in der Regel eine bestimmte Anzahl von Versicherungs- bzw Beitragszeiten vorliegen, welche vom Alter des Antragstellers abhängt. 1012 Eine Ausnahme davon bildet dabei eine durch einen Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit herbeigeführt Arbeitsunfähigkeit. Hinsichtlich der Höhe der Pension sind Abschläge pro Jahr, das bis zur Erreichung des Regelpensionsalters fehlt, insgesamt jedoch nicht mehr als 13,8%, in Kauf zu nehmen (siehe aber § 6 Abs 2 APG). 1013 Die Berufsunfähigkeits- bzw Invaliditätspension wird im Fall, dass eine Heilung

1009

VO der BReg BGBl II 2006/105 über besondere belastende Berufstätigkeiten, die ihrerseits auf die SchwerarbeitsV der BM für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz BGBl II 2006/104 verweist. 1010 Vgl Grillberger, Österreichisches Sozialrecht (2010) 94. 1011 Vgl Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hrsg), Sozialleistungen im Überblick13 261. 1012 Vor dem 27. Lebensjahr müssen mindestens sechs Versicherungsmonate, nach dem 27. Lebensjahr aber noch vor dem 50. Lebensjahr müssen in den letzten 120 Monaten mindestens 60 Versicherngsmonate, nach dem 50. Lebensjahr müssen bis zu 180 Versicherungsmonate innerhalb der letzten 360 Monate vorliegen; vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 184. 1013 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 184.

140

ausgeschlossen ist, unbefristet, ansonsten höchstens für die Dauer von zwei Jahren gewährt, kann aber bei Weiterbestehen der Voraussetzungen verlängert werden. 1014 3.10 Rechtliche Folgen für den Täter aus dem Arbeitsverhältnis 3.10.1 

Pflichten des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit Mobbing

Gesetzliche Pflichten des Arbeitnehmers

Das typische Element eines Arbeitsvertrages ist die Weisungsunterworfenheit. Die Befugnis des Arbeitgebers, seinem Arbeitnehmer Anordnungen zu geben, bezieht sich allerdings nur auf die im Arbeitsvertrag festgelegten Rechte und Pflichten. Die Weisungen sind daher auf die Leistungspflicht und das Verhalten im Betrieb beschränkt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den durch die Dienstleistung gerechtfertigten Weisungen des Arbeitgebers nachzukommen. 1015

Weiters besteht seitens des Arbeitnehmers die Pflicht, betriebliche Interessen zu wahren (Interessenwahrungs- bzw Treuepflicht). Primär bezieht sich die Interessenwahrungspflicht auf die zugesagte Arbeitsleistung. Sie ist im Gesetz nicht in allgemeiner Form normiert. § 76 GewO 1859 enthält eine Verpflichtung des Arbeiters, seinem Arbeitgeber Treue, Folgsamkeit und Achtung entgegenzubringen, sich anständig zu verhalten und sich gegenüber den anderen Mitarbeitern kollegial zu benehmen. 1016 Die Treuepflicht findet in diversen Bestimmungen eine Konkretisierung, wobei sich diese vorwiegend in Unterlassungspflichten manifestiert, 1017

wie zB im Konkurrenzverbot 1018 oder in der Verschwiegenheitspflicht 1019 .

Smutny und Hopf vertreten die Ansicht, dass die Interessenwahrungspflicht bei Mobbing verletzt wird, da die dadurch sinkende Arbeitszufriedenheit, die hervorgerufenen Ausfälle durch Krankheit und die dadurch bewirkte Leistungsminderung einen Schaden beim Arbeitgeber bewirken. 1020

Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 186. Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 294. 1016 Vgl Löschnigg/Schwarz, Arbeitsrecht11 308. 1017 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 115. 1018 Siehe Näheres zum Konkurrenzverbot bei Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 119 ff. 1019 Siehe Näheres zur Verschwiegenheitspflicht bei Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 116 ff. 1020 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (115). 1014 1015

141



Pflichten aus einer betrieblichen Disziplinarordnung

Inhalt einer Disziplinarordnung ist die Auflistung möglicher arbeitsrechtlicher Verstöße, deren Sanktionen sowie die Festsetzung eines Verfahrens, in dessen Rahmen die Verletzungen sanktioniert werden. Die Disziplinarordnung kann allerdings nur auf gesetzlicher und kollektivvertraglicher Grundlage ergehen. Sie bedarf gemäß § 96 Abs 1 Z 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates. 1021 Eine Disziplinarordnung kann nur auf Grundlage einer ausdrücklichen Vorsehung im Gesetz, im Kollektivvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag ergehen. Darüber hinaus ist die Wirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig, welche aber durch eine speziell eingerichtete Disziplinarkommission ersetzt werden kann. 1022 Ob eine Versetzung, eine Kündigung oder eine Entlassung eine Disziplinarmaßnahme iSd § 102 ArbVG darstellen kann, ist strittig und wird von der überwiegenden Lehre und stRsp verneint. 1023 Nach Ansicht von Löschnigg können derartige Maßnahmen unter Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates iSd §§ 101 ff ArbVG sehr wohl disziplinär verhängt werden. 1024 

Pflichten aus Ordnungsvorschriften

Ordnungsvorschriften regeln das Verhalten der Mitarbeiter. Sie können im Rahmen einer „erzwingbaren

Betriebsvereinbarung“

festgelegt

werden.

1025

Bei

erzwingbaren

Betriebsvereinbarungen kann die Zustimmung des Betriebsrats von der Schlichtungsstelle ersetzt werden. 1026 3.10.2 

Folgen für den Täter aus dem AngG / GewO 1859

Ermahnung bzw schlichte Verwarnung

Weder das AngG noch die GewO 1859 regeln die Ermahnung bzw schlichte Verwarnung. Sie stellt wohl das mildeste Abhilfemittel des Arbeitgebers dar und ist im Rahmen des Weisungsrechts erlaubt. Zumal davon auszugehen ist, dass unter die Treuepflicht auch ein Wohlverhaltensgebot gegenüber den Kollegen fällt, scheint im Fall des Zuwiderhandelns eine Weisung des Arbeitgebers jedenfalls gerechtfertigt.

Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 635. Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 636. 1023 Vgl Dittrich/Tades, Arbeitsrecht § 96 ArbVG E 7 (www.rdb.at); OGH 17. 03. 2005, 8 ObA 12/04d. 1024 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 810. 1025 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 646. 1026 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 4. 1021 1022

142

Eine schlichte Verwarnung kann Voraussetzung für die Legitimation einer Reaktion des Arbeitgebers auf ein Verhalten des Arbeitnehmers sein. So berechtigt ein gesetz- bzw vertragswidriges Verhalten seitens eines Arbeitnehmers, welches im Einzelfall betrachtet keinen Entlassungsgrund darstellt, wie zB kostspielige Privattelefonate

1027

, als

Dauertatbestand dann zu einer Entlassung, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber entsprechend verwarnt wurde. 1028 Eine Ermahnung unterliegt keinem Formgebot.

1029

Eine

Verwarnung kann je nach Einzelfall vom Arbeitgeber eingesetzt werden, um seiner Abhilfeverpflichtung iRd GlBG nachzukommen. 1030 

Verwarnung als Disziplinarmaßnahme

Eine Verwarnung kann unter der Voraussetzung der Geltung einer Disziplinarordnung als Disziplinarmaßnahme gesetzt werden. 1031 

Versetzung

Eine Versetzung kann selbst, wenn sie aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers erwirkt wird, nach hA keine Disziplinarmaßnahme darstellen 1032 und ist daher nicht nach § 102 ArbVG zu beurteilen. Das bedeutet, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu einer verschlechternden Versetzung notfalls vom Gericht ersetzt werden kann.

1033

Eine

vertragsändernde Versetzung bedarf aber auch bei Fehlverhalten des Arbeitnehmers seiner Zustimmung, wobei dem Arbeitgeber im Fall der Verweigerung das Instrument der Änderungskündigung zusteht. 1034 

Einvernehmliche Auflösung

Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages kann idR jederzeit und formlos durchgeführt werden. 1035 Der Arbeitnehmer kann davor eine Beratung durch den Betriebsrat verlangen.

1036

Besonderheiten

finden

sich

1027

bei

Vgl RIS-Justiz RS0029291. Vgl RIS-Justiz RS0107592. 1029 Vgl OGH 07. 10. 1998, 9 ObA 186/98p. 1030 Vgl RIS-Justiz RS0113529. 1031 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 622. 1032 aA Löschnigg, Arbeitsrecht11 810. 1033 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 180. 1034 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 303. 1035 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 292. 1036 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 841. 1028

143

Arbeitnehmern

mit

besonderem

Kündigungsschutz (siehe Näheres unter Punkt C.3.4.3, rechtliche Möglichkeiten gegen eine Kündigung als Mobbingmittel). 1037 

Kündigung

Eine Kündigung kann grundsätzlich nur bei unbefristeten Arbeitsverträgen ausgesprochen werden. 1038 In Betrieben, in denen ein Betriebsrat eingerichtet ist, ist dieser vor einer beabsichtigten Kündigung zu benachrichtigen. Auch dem Täter steht dabei die Möglichkeit zu, eine Kündigung gemäß § 105 ArbVG anzufechten. Eine Kündigung kann aus Gründen, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat und die sich nachteilig auf den Betrieb auswirken, aber nicht sozialwidrig sein. 1039 Eine sexuelle Belästigung, aber auch ein sonstiges Verhalten, welches das Klima im Betrieb stört, kann die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ausschließen. 1040

Bei Belegschaftsfunktionären wird die Zustimmung zur Kündigung bei schuldhaften, dauernden Pflichtverletzungen erteilt. 1041 Bei Eltern ist eine gerichtliche Kündigung aufgrund von Gründen, welche die besonders geschützten Arbeitnehmer zu vertreten haben, grundsätzlich erst ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes möglich, 1042 bei Präsenz- und Zivildienern findet sich keine derartige Regelung. 1043 

Ultima ratio des Arbeitgebers – die Entlassung

Die Entlassung bedeutet die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber, weil eine Fortführung unzumutbar erscheint. 1044 Sie stellt rechtlich keine Strafe dar 1045 , gilt aber als ultima ratio der dem Arbeitgeber zustehenden Abhilfemöglichkeiten im Rahmen seiner Fürsorgepflicht. 1046 Der OGH hat in seiner Entscheidung 9 ObA 319/00b klargestellt, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entlassung nur darauf ankomme, ob eine Weiterbeschäftigung unzumutbar sei. Bei dieser Prüfung ist es unerheblich, ob die bloße Versetzung des Belästigers auch eine Abhilfe für das Opfer gewesen wäre: „Die eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Entlassung Siehe Näheres bei Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 292. Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 293. 1039 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 311. 1040 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 313. 1041 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 32. 1042 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 74. 1043 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 5. 1044 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 313. 1045 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 314. 1046 Vgl Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 (158). 1037 1038

144

bildende

Unzumutbarkeit

der

Weiterbeschäftigung

auch

nur

bis

zum

nächsten

Kündigungstermin bedeutet lediglich, dass sofortige Abhilfe durch Entlassung erforderlich ist.“ 1047 3.10.3

Besondere Betrachtung der Entlassungsgründe im Zusammenhang mit Mobbing

Mobbing an sich ist von keinem Entlassungstatbestand erfasst. Das Verhalten eines Mobbers kann

den

Arbeitgeber

aber

zu

einer

Entlassung

berechtigen,

wenn

es

einen

Entlassungstatbestand erfüllt, welcher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. 1048 Es kommen in diesem Zusammenhang folgende Entlassungsgründe in Betracht: 

Entlassung aufgrund beharrlicher oder schwerer Pflichtverletzung (§ 27 Z 4 AngG, § 82 lit f GewO 1859)

Umfasst vom Tatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung gemäß § 27 Z 4 AngG und der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung gemäß § 82 lit f GewO 1859 ist nicht nur ein weisungswidriges Verhalten, sondern jede erhebliche oder wiederholt schuldhafte Zuwiderhandlung gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers, 1049 wobei § 27 Z 4 AngG enger gefasst ist als § 82 lit f GewO 1859. Der zweitgenannte Tatbestand findet seine Erfüllung bereits in jeder Art von Vernachlässigung der Pflichten des Arbeitnehmers, der erstgenannte erst in der pflichtwidrigen und schuldhaften Weigerung, den Dienst zu verrichten bzw Anweisungen zu befolgen. 1050 Macht sich ein besonders geschützter Elternteil oder ein Präsenz- oder Zivildiener dieses Entlassungsgrundes schuldig, ist vom Gericht die Zustimmung zur Entlassung zu erteilen. 1051 Für Belegschaftsfunktionäre findet sich hingegen keine derartige Bestimmung im ArbVG. 1052 

Entlassung aufgrund von Angriffen gegen die körperliche Integrität, Ehre oder Intimsphäre (§ 27 Z 6 AngG, ähnlich § 82 lit g GewO 1859)

Die Entlassung aufgrund von Angriffen gegen die körperliche Integrität, Ehre oder Intimsphäre gemäß § 27 Z 6 AngG bzw aufgrund einer groben Ehrenbeleidigung, einer Köperverletzung oder einer gefährlichen Drohung gemäß § 82 lit g GewO 1859 ist berechtigt, wenn der Angriff gegen den Arbeitgeber, dessen Angehörige oder gegen Arbeitskollegen gerichtet ist. 1053 Vom Tatbestand umfasst ist auch die sexuelle und die geschlechtsbezogene 1047

OGH 10. 01. 2001, 9 ObA 319/00b. Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 314. 1049 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 315. 1050 Vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht 2 111. 1051 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 76. 1052 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 9. 1053 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 316. 1048

145

Belästigung iSd GlBG. 1054 Dieser Entlassungsgrund berechtigt auch zur gerichtlichen Entlassung von besonders geschützten Arbeitnehmern. 1055 

Entlassung aufgrund schuldhafter dienstlicher Vertrauensunwürdigkeit und Untreue (§ 27 Z 1 AngG, § 82 lit d GewO 1859)

Der Entlassungsgrund der schuldhaften dienstlichen Vertrauensunwürdigkeit und Untreue liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in zumindest fahrlässiger Weise betriebliche Interessen gefährdet und dies unzumutbar erscheint. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand. Die GewO 1859 normiert als zusätzliche Voraussetzung für diesen Tatbestand ein strafbares Verhalten.

1056

Grundsätzlich davon betroffen sind direkte schädigende Verhaltensweisen

gegen den Arbeitgeber, wie zB die Einbehaltung von Inkasso-Beträgen 1057 oder der versuchte Diebstahl an einem Kunden. 1058 Untreue berechtigt auch zur gerichtlichen Entlassung von besonders geschützten Arbeitnehmern. 1059 Eine strafbare Handlung berechtigt aber nur dann zur Entlassung, wenn sie vorsätzlich begangen wurde und es sich dabei entweder um ein Vermögensdelikt handelt oder die Tat mit einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr bedroht ist. 1060 Darüber hinaus muss es sich entweder um ein Offizialdelikt handeln oder der Betriebsinhaber muss zur Anklage bzw zum Antrag oder zur Ermächtigung berechtigt sein. 1061 Nach Ansicht von Smutny und Hopf fügt ein Arbeitnehmer, der Psychoterror gegen einen Kollegen betreibt, dem Arbeitgeber einen großen Schaden zu. Durch die negativen Handlungen sinke die Arbeitszufriedenheit, die Ausfallsquote aufgrund von Krankheit steige und vermindere dadurch die Leistungen. 1062 3.10.4 

Sonstige Rechtsfolgen

Regress des Geschäftsherren gemäß § 1313 ABGB

Wurde der Arbeitgeber gemäß § 1295 ABGB vom Opfer wegen Verletzung der Fürsorgepflicht in Anspruch genommen, kann er Regress gegen den schädigenden Mitarbeiter Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 317; OGH 10. 01. 2000, 9 ObA 319/00b; OGH 05. 04. 2009, ObA 292/99b; OGH 17. 03. 2004 9 ObA 143/03z; OGH 26. 05. 2004 9 ObA 64/04h. 1055 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 9. 1056 Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 314. 1057 Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer (Hrsg), AngG-Kommentar ( Stand März 2005) § 27 AngG Rz 26 (www.rdb.at). 1058 Vgl Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 27 AngG E 90a. 1059 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 9. 1060 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 38. 1061 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 40. 1062 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (115). 1054

146

nehmen, wenn dieser schuldhaft eine Vertragspflicht verletzt hat. Der Umfang der Ersatzpflicht

des

Mitarbeiters

richtet

sich

vorwiegend

nach

dem

Grad

seines

Verschuldens. 1063 Darüber hinaus spielen weitere Kriterien eine Rolle, wie zB der Umfang der Verantwortung des Mitarbeiters oder der Grad der Ausbildung (vgl § 2 Abs 2 DHG). 

Schadenersatz nach dem GlBG/BEinstG

Im Fall einer Belästigung ist der Täter verpflichtet, dem Opfer den Vermögensschaden und darüber hinaus auch den immateriellen Schaden für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in der Höhe von nunmehr mindestens € 1.000,00 zu ersetzen. 1064 Im Einzelfall sind bei der Bemessung der Höhe nach Ansicht des OGH auf „die Dauer, Art und Intensität der Gesamtheit der Belästigungen, denen ein Arbeitnehmer ausgesetzt sei, sowie die dadurch hervorgerufene einschüchternde und demütigende Arbeitsatmosphäre im Rahmen einer Globalbemessung“ Bedacht zu nehmen. 1065 Die Haftung für eine unmittelbare Belästigung ist verschuldensunabhängig.

1066

Die Anweisung zur Belästigung wird einer solchen

gleichgestellt. 1067 4.

BESONDERE BETRACHTUNG DES ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHTS – ANSPRÜCHE DES MOBBINGOPFERS

Der öffentliche Dienst ist mit der Privatwirtschaft nicht vergleichbar. Während private Unternehmen um Vorteile im Wettbewerb und um eine gute Marktposition kämpfen, untersteht der öffentliche Dienst höchstens der kritischen Bewertung der Bürger bzw dem Druck diverser Lobbyisten. Als oberstes Ziel stehen sich Gewinnmaximierung in der Privatwirtschaft und Rechtsicherheit bzw eine lückenlose Erfüllung der Aufgaben im öffentlichen Dienst, insbesondere in der Verwaltung, gegenüber. Während sich private Unternehmen durch Flexibilität und Prozessorientiertheit auszeichnen, ist die öffentliche Verwaltung starr und hierarchisch aufgebaut. Veränderungen in der Verwaltung werden entweder durch die Politik oder Gesetzesnovellen bewirkt. 1068

Vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1313 Rz 2 (www.rdb.at). Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 143. 1065 OGH 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x. 1066 Vgl Mayr, DRdA 2009, 153 (156). 1067 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 134. 1068 Vgl Ellenhuber, ZfV 2008/3, 344; Siehe Näheres zu den Miwirkungsbefugnissen des Betriebsrates bei Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 92 ff. 1063 1064

147

4.1

Ansprüche des Beamten gegenüber dem Dienstgeber bei Mobbing durch Kollegen

Der Bund als Dienstgeber ist eine juristische Person, welche weder handlungs- noch verschuldensfähig ist. Er handelt durch Organe, welche nur natürliche Personen sein können. 1069 4.1.1

Allgemeine Dienstpflichten gemäß § 43 BDG

§ 43 BDG normiert allgemeine Verhaltenspflichten des Beamten hinsichtlich seines Dienstverhältnisses. § 5 VBG verweist auf § 43 BDG und gelten die folgenden Ausführungen daher für Vertragsbedienstete gleichermaßen.

Abs 1 stellt klar, auf welche Art der Beamte seine Arbeit zu verrichten hat, nämlich „unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem“. Im Zuge der Durchführung der ihm obliegenden Tätigkeiten darf er gemäß § 43 Abs 2 BDG den Glauben der Öffentlichkeit an eine objektive Aufgabenerfüllung nicht erschüttern. Der VwGH vertrat bereits vor Einführung des § 43a BDG in stRsp die Auffassung, dass § 43 Abs 2 BDG auch die Pflicht zum Bewahren eines angenehmen Betriebsklimas und einer guten Zusammenarbeit mit den Kollegen und Vorgesetzten umfasst. 1070 Der VwGH hat bis dato „unkameradschaftliches und teilweise gehässiges Verhalten“ unter § 43 Abs 2 BDG subsumiert, wobei er aber im Gegensatz zum OGH nicht unbedingt auf das für Mobbing charakteristische Zeitelement abgestellt hat. Eine Pflichtverletzung wurde vom VwGH dann gemäß § 43 Abs 2 BDG bejaht, wenn durch das „Verhalten die Würde eines Mitarbeiters verletzt oder der Betriebsfriede und die dienstliche Zusammenarbeit anderweitig ernstlich gestört wurden: Für die gute Zusammenarbeit in einer Behörde ist es wünschenswert, dass jeder Beamte seinen Kollegen und Vorgesetzen mit der Achtung und Hilfsbereitschaft begegnet, die er selbst von ihm erwartet. Nicht jede unpassende Äußerung und nicht jedes Vergreifen im Ausdruck gegenüber einem Vorgesetzten stellt schon eine Dienstpflichtverletzung dar. Es sind die Bedingungen des Einzelfalles entscheidend. An spontane mündliche Äußerungen sind geringere Anforderungen zu stellen als an schriftliche. Einer verständlichen Erregung ist billigerweise Rechnung zu tragen.“ 1071 Vgl Schragel, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz (AHG)3 (2003) Rz 23. Vgl Fellner, BDG § 43 E 19 mit Verweis auf VwGH 02. 07. 1997, 93/12/0122; vgl auch VwGH 02. 07. 1987, 87/09/0084 (www.rdb.at). 1071 VwGH 11. 12. 1985, 85/09/00223; 04. 09. 1989, 89/09/0076; 19. 10. 1995, 94/09/0024; 16. 10. 2001, 2001/09/0096; 20. 11. 2003, 2002/09/0088; 16. 09. 2009, 2008/09/0326. 1069 1070

148

Nur schwere Fälle eines respektlosen Umgangs wurden vom VwGH somit unter § 43 Abs 2 BDG subsumiert, nämlich zB Beschimpfungen und Ehrenbeleidigungen, welche Verstöße gegen das StGB darstellten oder über einen längeren Zeitraum wiederholt wurden oder hinsichtlich ihrer Schwere auf einen Persönlichkeitsmangel schließen ließen, welcher mit der dienstlichen Tätigkeit nicht vereinbar war. 1072 4.1.2

Besondere Dienstpflichten gemäß § 43a BDG – Achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot)

Mit der zweiten Dienstrechtsnovelle 2009 1073 wurde der Tatbestand „Achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot)“ in das BDG eingeführt und damit die bisherige ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes übernommen.

1074

§ 5 VBG erklärt § 43a BDG auch für

Vertragsbedienstete für anwendbar und gelten die folgenden Ausführungen für diese gleichermaßen.

Die Einführung dieses Tatbestandes sollte einerseits das Bewusstsein zu diesem Problem fördern, andererseits schaffte der Gesetzgeber damit eine Möglichkeit, Mobbing zu unterbinden und darüber hinaus zu verfolgen. 1075 Beamte sind gemäß § 43a BDG nunmehr ex lege dazu verpflichtet, „als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind.“

Mobbing wurde damit ausdrücklich als Dienstpflichtverletzung deklariert. In den Materialien zur Regierungsvorlage wird Mobbing definiert als „konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz

unter

Kolleginnen

und

Kollegen

oder

zwischen

Vorgesetzten

und

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 210. BGBl I 2009/153. 1074 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 209. 1075 Vgl Erläut RV 488 BlgNr 24.GP, 9. 1072 1073

149

und/oder Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird“ 1076 . Das Vorliegen von Mobbing ist an objektiven Kriterien zu prüfen. 1077 Tatsächlich geht der Tatbestand des § 43a BDG aber wesentlich weiter und umfasst bereits Vorstufen von Mobbing. So werden Beamte - unabhängig von ihrer Hierarchieebene - zum „achtungsvollen Umgang“ miteinander verpflichtet. Jeder Einzelne hat gemäß § 43a BDG seinen Beitrag für eine gute „dienstlichen Zusammenarbeit“ zu leisten. Der neu eingeführte Tatbestand setzt damit die bisherige Judikatur des VwGH fort. 1078 Er geht sogar noch weiter, indem er generell unkollegiales Verhalten verbietet, sofern es eine bestimmte Schwere erreicht und über längere Zeit gesetzt bzw öfters wiederholt wird. Im Übrigen reicht aber für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 43a eine einmalige Handlung, sofern sie von bestimmter Schwere ist, aus. 1079 Mit dem Wortlaut „sonst diskriminierend“ wird ein Bezug zum B-GlBG hergestellt und damit statuiert, dass Diskriminierungen, welche aus anderen Motiven als aus den im BGlBG Genannten erfolgen, nach § 43a BDG zu ahnden sind.1080 4.1.3

Dienstpflichten des Vorgesetzten gemäß § 45 BDG bei Mobbing durch Kollegen und Folgen einer Pflichtverletzung

Ein Vorgesetzter übt die Dienst- oder Fachaufsicht über die ihm unterstellten Beamten aus und hat dafür zu sorgen, dass sie ihre Arbeitsaufgaben unter Einhaltung der Gesetze „zweckmäßig, wirtschaftlich und sparsam“ erfüllen. 1081 § 5b VBG gibt die Dienstpflichten des Vorgesetzten gemäß § 45 BDG wortgleich wieder und gelten die folgenden Ausführungen daher auch für Vertragsbedienstete. Zweck der Regelung der gegenseitigen Pflichten des Vorgesetzten und seiner Mitarbeiter ist die gute Zusammenarbeit untereinander. 1082 Den Vorgesetzten treffen neben der schon behandelten Weisungspflicht auch Aufsichts- und Fürsorgepflichten, darüber hinaus hat er bei Ausführung der Dienstleistung eine Vorbildfunktion. 1083 Im Rahmen seiner Aufsichtspflicht hat er dafür zu sorgen, dass Missstände

aufgedeckt

und

beendet

werden.

Ein

Untätigsein

stellt

eine

Dienstpflichtverletzung dar, wobei der Eintritt eines Schadens keine Voraussetzung ist. 1084

1076

Erläut RV 488 BlgNR, 24.GP, 9. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 214. 1078 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 210. 1079 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 213. 1080 Vgl B III-253 BlgBReg 24. GP 5. 1081 Vgl Fellner, BDG § 2 DVG E 7 (www.rdb.at). 1082 Vgl Fellner, BDG § 45 E 5 (www.rdb.at). 1083 Vgl Fellner, BDG § 44 E 4 (www.rdb.at). 1084 Vgl Fellner, BDG § 45 E 10 (www.rdb.at). 1077

150

Kann das gesetzte Ziel auch durch gelindere Mittel als durch Weisung, zB durch einfache Ratschläge oder Bitten, erreicht werden, sind diese anzuwenden. 1085

Nach Ansicht der Bundesregierung steht Mobbing im Gegensatz zu einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung und fällt jedenfalls unter Missstand iSd § 45 BDG. In seiner Entscheidung 9 ObA 32/03a hat der OGH die verabsäumte Abhilfe bei Mobbing durch den öffentlichrechtlichen Dienstgeber als Verletzung der Fürsorgepflicht gewertet. 1086 Der VfGH hat in seiner Entscheidung B 2212/00 vom 26. 11. 2001 Folgendes festgehalten: „Schon als Ausfluss seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Dienstnehmer/innen muss sich der Dienststellenleiter einer Wortwahl bedienen, die frei von Anzüglichkeiten ist und die Würde seiner Mitarbeiter/innen wahrt. Seine Aufgabe ist es, einen geordneten Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten und entstehende Spannungsverhältnisse auszugleichen bzw. zu vermeiden, dass durch sein eigenes Verhalten Spannungsverhältnisse entstehen.“ 1087 4.1.4

Unterstützung auf Dienstnehmerseite - die Organe der Personalvertretung

Zentrales Organ der Personalvertretung ist - je nach Anzahl der Bediensteten - die Vertrauensperson oder der Dienststellenausschuss. 1088 In Dienststellen mit mindestens fünf Bediensteten ist eine Vertrauensperson zu wählen. 1089 Ab einer Anzahl von 20 Bediensteten in einer Dienststelle ist hingegen ein Dienststellenausschuss, welcher aus zumindest drei Mitgliedern besteht, einzurichten. Die Anzahl seiner Mitglieder richtet sich nach der Zahl der Bediensteten. 1090 Darüber hinaus bilden sämtliche Bedienstete ab einer Mindestzahl von fünf eine Dienststellenversammlung, welcher allerdings keine direkten Vertretungsrechte zukommt. 1091 Für Dienststellen mit weniger als fünf Bediensteten ist eine gemeinsame Personalvertretung

einzurichten.

1092

In

bestimmten

Dienststellen,

wie

zB

der

Bundespolizeidirektion Wien oder dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sind Fachausschüsse zu bilden (vgl § 11 PVG), welche als

Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 245. OGH 23. 04. 2003, 9 ObA 32/03a. 1087 VfGH 26. 11. 2001 B 2212/00. 1088 Vgl Schragel, Handkommentar zum Bundes-Personalvertretungsgesetz (1993) § 4 Rz 3. 1089 Vgl Schragel, PVG §§ 30, 31 Rz 1. 1090 Vgl Schragel, PVG § 8 Rz 1. 1091 Vgl Schragel, PVG § 3 Rz 2. 1092 Vgl Schragel, PVG § 3 Rz 1. 1085 1086

151

„Zwischeninstanz“ fungieren 1093 und an jeder Zentralstelle ist gemäß § 13 PVG mindestens ein Zentralausschuss einzurichten. 1094

Das

PVG

sieht

Zustimmungsrechte

Mitwirkungs-, der

Informations-,

Personalvertretung

Anregungs-, vor,

Dienststellenausschuss bzw der Vertrauensperson obliegen.

welche

Vorschlagsrechte

und

insbesondere

dem

1095

Die Personalvertretung kann nur dann von selbst an den Leiter der Dienststelle herantreten, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die der Allgemeinheit nützen, zum Vorteil der Bediensteten beitragen und dem Arbeitsgang förderlich sind. 1096

In „Einzelpersonalangelegenheiten“ kann die Personalvertretung einen Bediensteten auf sein Ersuchen hin vertreten. Dieses Recht kann die Personalvertretung aber nur dann ausüben, wenn gerechtfertigte Belange anderer Bediensteter dadurch nicht beeinträchtigt werden.1097 Im Fall einer Interessenkollision hat die Personalvertretung ein derartiges Ersuchen mit Beschluss abzulehnen. Gegen den Ablehnungsbeschluss kann der Betroffene Beschwerde an die Personalvertretungs-Aufsichtskommission, im Folgenden PVAK, erheben.

1098

Eine

Interessenkollision liegt zB bei Konflikten zwischen Bediensteten vor. 1099

Die Unterstützung eines behinderten Menschen, welcher aufgrund von zumindest subjektiv erlebtem Mobbing durch seinen bisherigen Vorgesetzten eine schlechte Beurteilung hinsichtlich seiner Tätigkeit fürchtete, und die Personalvertretung ersuchte, ihn in seinem Ansuchen um Verlängerung der Probezeit wegen Wechsel des Vorgesetzten und geänderter Umstände

zu

unterstützen,

stellt

nach

Ansicht

der

PVAK

jedenfalls

eine

Einzelpersonalangelegenheit dar. 1100

Werden die Vorschriften über die Mitwirkung der Personalvertretung im Zusammenhang mit einer Kündigung oder Entlassung, insbesondere die rechtzeitige Verständigung, nicht eingehalten, kann der Bedienstete diese - je nach Art seines Dienstverhältnisses - durch Schragel, PVG § 11 Rz 1. Vgl Schragel, PVG § 12 Rz 4. 1095 Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 4. 1096 Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 66. 1097 Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 71. 1098 Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 76. 1099 PVAK 28. 09. 2007, A4-PVAK/06. 1100 PVAK 07. 05. 2007, A8-PVAK/06. 1093 1094

152

Antrag oder Klage für unwirksam erklären lassen. Im Falle seiner Untätigkeit ist die Kündigung oder Entlassung trotzdem wirksam. 1101

Die Tätigkeiten der Personalvertretung werden durch PVAK überwacht. Dabei handelt es sich um eine Kollegialbehörde iSd Art 133 Z 4 B-VG, die beim Bundeskanzleramt eingerichtet ist. 1102 4.1.5 

Rechtliche Möglichkeiten des Beamten im Detail

Ersuchen um Abhilfe

Ein Beamter hat ein Ersuchen um Abhilfe im Dienstweg zu stellen und kann daher seine Erfüllungsansprüche auf Einhaltung der Fürsorgepflicht seitens des Dienstgebers nicht vor den Zivilgerichten einklagen. 1103 Hält der Vorgesetzte eine Ermahnung für ausreichend, kann er diese formlos erteilen. 1104 

Ingangsetzung eines Disziplinarverfahrens

Für das Opfer entsteht aus einer von ihm gemachten Anzeige beim Vorgesetzten kein Anspruch auf Tätigwerden der Dienstbehörde, zumal diese nicht als Disziplinaranzeige gewertet wird. 1105 Darüber hinaus hat das Opfer bei der Anzeigenerstattung zu achten, dass sich

die

Kritik

im

sachlichen

Rahmen

bewegt,

damit

es

nicht

selbst

eine

Dienstpflichtverletzung begeht. 1106 Wendet sich das Opfer an den Vorgesetzten, hat dieser im Rahmen seiner Aufsichtspflicht gemäß § 45 Abs 1 BDG im Fall eines „begründeten Verdachts“ einer Dienstpflichtverletzung durch einen Mitarbeiter Vorerhebungen einzuleiten und gegebenenfalls der Dienstbehörde eine Disziplinaranzeige zu erstatten. 1107

Das Opfer kann sich auch an die Mitglieder der Personalvertretung wenden. Diese können dem Dienststellenleiter eine Anzeigenerstattung nach dem BDG bzw StGB empfehlen. 1108 Die Personalvertretung kann dem Leiter der Dienststelle auch Ratschläge hinsichtlich angemessener Reaktionen zu einem Fehlverhalten eines Bediensteten erteilen. Sollten die Mobbinghandlungen vom Leiter der Dienststelle selbst ausgehen, kann die Personalvertretung

Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 38. Vgl Schragel, PVG § 39 Rz 1. 1103 Vgl OGH 08. 09. 2009, 1 Ob 153/09w. 1104 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 11. 1105 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 552. 1106 Vgl VwGH 19. 10. 1995, 94/09/0024. 1107 Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 538. 1108 Vgl Fellner, BDG § 9 PVG E 36 (www.rdb.at). 1101 1102

153

sein Verhalten ihm gegenüber beanstanden. 1109 Der Leiter der Dienststelle ist zwar nicht verpflichtet, den Ratschlägen zu folgen, er ist aber immerhin verpflichtet, sich mit der Personalvertretung darüber zu beraten. Da der Personalvertretung im Zusammenhang mit der Erstattung einer Disziplinaranzeige ein Mitwirkungsrecht gemäß § 9 Abs 3 BundesPersonalvertretungsgesetz 1110 , im Folgenden PVG, zusteht, kann sie bei Nichtentsprechen der Empfehlung die Befassung der höheren Instanz mit der Angelegenheit bewirken. 1111

Zur Disziplinaranzeige legitimiert ist nicht nur der unmittelbare Vorgesetzte, sondern auch jeder „mittelbare“ Vorgesetzte, 1112 wenn er von Amts wegen „begründeten Verdacht“ auf eine

Verletzung

von

Dienstpflichten

hegt.

1113

Weiters

ist

auch

der

Gleichbehandlungsbeauftragte unter der Voraussetzung des Einverständnisses des Opfers zur Erstattung einer Anzeige legitimiert. Die Gleichbehandlungskommission kann, nach Feststellung einer Verletzung nach dem B-GlBG in einem Gutachten die oberste Dienstbehörde dazu auffordern, den Betreffenden disziplinarrechtlich zu ahnden. 1114 

Versetzung

Versetzung iSd § 38 BDG bedeutet eine Änderung der Dienststelle. Dies kann auch einen Wechsel des Ressorts bedeuten. 1115 § 38 BDG kennt nur die Versetzung von Amts wegen. Die Bestimmungen sind aber auch auf einen Antrag auf Versetzung anzuwenden, welcher jedenfalls trotz fehlender Nennung im Gesetz für zulässig erachtet wird. 1116 Ein Beamter hat aber keinen Anspruch auf Versetzung. 1117 § 38a BDG normiert aber eine Verpflichtung eines Ressorts, den Beamten zumindest temporär auf Verlangen eines anderen Ressorts diesem zuzuteilen. Über jede Versetzung ist mit Bescheid abzusprechen. 1118

Nach der stRsp des VwGH berechtigen schwerwiegende Konflikte zwischen Beamten eine Versetzung. 1119 Um nicht einen Kollegen vom anderen abhängig zu machen, seien die

Vgl Schragel, Handkommentar zum Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) samt Durchführungsverordnungen (1993) PVG § 9 Rz 67. 1110 PVG BGBl 1967/133 zuletzt geändert durch BGBl I 2009/77. 1111 Vgl Schragl, PVG § 9 Rz 3. 1112 Mittelbarer Vorgesetzter ist jede übergeordnete Dienststelle, vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 538. 1113 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 538. 1114 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 556. 1115 Vgl Fellner, BDG § 38 ErläutRV 1577 BlgNR 18. GP (www.rdb.at). 1116 Vgl Fellner, BDG § 38 E 17 (www.rdb.at). 1117 Vgl Fellner, BDG § 38 E 70(www.rdb.at). 1118 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 195. 1119 Vgl VwGH 13. 02. 1984, 83/12/0056; 06. 09. 1995, 95/12/0144. 1109

154

Vorkommnisse, auf welche sich der Versetzungsbescheid stützt, festzustellen und damit zu objektivieren. Zu versetzen sei derjenige, auf den die Spannungen überwiegend zurückzuführen sind. 1120 

Kündigung

Für einen Beamten – egal ob im provisorischen Dienstverhältnis oder in Definitivstellung - ist es nicht möglich, das Dienstverhältnis zu kündigen (vgl § 20 Abs 1 Z 2 BDG). 

Austritt gemäß § 21 BDG

Die Beendigung des Dienstverhältnisses scheint aber oft die letzte Möglichkeit des Opfers zu sein, dem Psychoterror am Arbeitsplatz zu entkommen.

Ein Beamter kann schriftlich seinen Austritt erklären. Das Gesetz normiert dabei nur formelle Voraussetzungen des Austritts und lässt inhaltliche Kriterien außer Betracht. Das heißt, ein Austrittsgrund muss nicht gegeben sein. 1121 Nach Ablauf des Monats, in dem der Austritt erklärt wurde, erlischt gemäß § 6 Abs 2 Gehaltsgesetz 1956 1122 , im Folgenden GehG, der Bezugsanspruch des Beamten. Eine Abfertigung steht dem Beamten im Falle eines freiwilligen Austritts gemäß § 26 Abs 2 lit b GehG, grundsätzlich nicht zu (vgl § 26 Abs 3 Geh). Durch den Austritt verliert der Beamte gemäß § 2 Abs 2 lit c PG auch die Anwartschaft auf seinen Pensionsversicherungsanspruch. 

Einvernehmliche Auflösung

Das

BDG

sieht

keine

einvernehmliche

Auflösung

des

öffentlichrechtlichen

Dienstverhältnisses vor (vgl § 20 BDG). 4.2

Sonderfall Bossing - Als Mobbinghandlungen missbrauchte Rechtsinstrumente im Anwendungsbereich des BDG

4.2.1

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Weisung gemäß § 45 BDG

Die Grenzen des Weisungsrechts bilden auf Seiten des Vorgesetzten nicht nur die gegen Strafgesetze verstoßende Anordnungen, sondern darüber hinaus das Willkürverbot und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 1123 Eine Weisung an den Beamten darf nur aufgrund der Vgl Fellner, BDG § 38 E 60 (www.rdb.at). Vgl Fellner, BDG § 21 E 1 (www.rdb.at). 1122 GehG BGBl 1956/54 zuletzt geändert durch BGBl I 2005/80. 1123 Vgl Fellner, BDG § 45 E 2 (www.rdb.at). 1120 1121

155

Gesetze ergehen. 1124 Eine als Mobbinghandlung getarnte Weisung muss daher immer im Gesetz ihre Grundlage finden. Die Bestimmung des § 45 BDG ist wortgleich mit jener des § 5b VBG. Die Ausführungen gelten daher für Vertragsbedienstete gleichermaßen. 

Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen

Ständige Kritik an der Aufgabenerfüllung kann nach Ansicht des OGH unter dem Blickwinkel der Sachlichkeit gerechtfertigt sein. 1125 Selbst eine Weisung hinsichtlich des Privatlebens kann unter Berufung auf § 43 Abs 2 BDG, welches das Vertrauen der Öffentlichkeit in die objektive Ausübung der öffentlichen Aufgaben schützen soll, sachlich gerechtfertigt sein. 1126 

Angriffe auf die sozialen Beziehungen

Selbst die Versetzung in einen Raum weit ab von den Kollegen könnte gerechtfertigt sein, sofern sie sachlich begründet ist. Die Aufforderung an Mitarbeiter, einen bestimmten Kollegen wie Luft zu behandeln, wäre aber wohl nicht mehr nach objektiven Gesichtspunkten erklärbar und damit rechtswidrig. 

Angriffe auf das soziale Ansehen

Die negative Einschätzung der Leistung des Beamten manifestiert sich in der Leistungsbeurteilung, welche in Bescheidform ergeht und daher bekämpfbar ist. 

Angriffe auf die Qualität des Berufslebens

Angriffe auf die Qualität des Berufslebens könnten unter Umständen eine qualifizierte Verwendungsänderung darstellen und müssten in Bescheidform ergehen. Eine Unter- oder Überforderung, welche nicht unter eine qualifizierte Verwendungsänderung fällt, kann nach Ansicht des OGH gerechtfertigt sein, „solange es an einem sachlichen Grund für das Einschreiten des Vorgesetzten nicht mangelt und dessen Maßnahmen angesichts der dafür ausschlaggebenden Gründe nicht an sich als unverhältnismäßig anzusehen sind. Selbst kleine Vergehen und Fehler sind ein solcher sachlicher Grund. Sieht der Vorgesetzte über solche Leistungsmängel bestimmter Dienstnehmer hinweg, so können andere Dienstnehmer daraus nicht für sich das Recht ableiten, dass auch die ihnen anzulastenden kleinen Vergehen und

Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 10. OGH 29. 01. 2002, 1 Ob 12/02z. 1126 Vgl Fellner, BDG § 44 E 6 (www.rdb.at). 1124 1125

156

Fehler ungerügt bleiben.“ Selbst die Zuweisung von unterfordernden Aufgaben, welche das Selbstvertrauen des Beamten erschüttern, kann unter diesem Aspekt gerechtfertigt sein. 1127

Beamte haben die Weisungen ihrer Vorgesetzten – dazu zählen jene, die zur Dienst- und/oder Fachaufsicht befugt sind – ohne Prüfung auf ihre Zweckmäßigkeit zu befolgen. Einzige Ausnahme von der Weisungsunterworfenheit bilden strafgesetzliche Anordnungen bzw Weisungen eines unbefugten Organs. 1128 Hält der Empfänger eine Weisung für gesetzwidrig, kann er – soweit nicht Gefahr im Verzug herrscht – diesbezügliche Bedenken dem Vorgesetzten gegenüber äußern (Remonstrationsrecht). Will dieser an der Weisung festhalten, hat er sie auf schriftlichem Weg zu erteilen, ansonsten gilt sie als zurückgezogen. 1129 Bereits eine verspätete Weisungsbefolgung wird als Dienstpflichtverletzung gesehen. Fahrlässigkeit genügt zur Vorwerfbarkeit. 1130

Zumal Mobbing keinen Straftatbestand nach dem StGB darstellt, ist eine Anweisung des Vorgesetzten zur Ausführung von Mobbinghandlungen grundsätzlich zu befolgen. 1131 4.2.2

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Versetzung gemäß § 38 BDG und gemäß § 40 Abs 2 iVm § 38 BDG

Einer Versetzung gleichzuhalten ist gemäß § 40 Abs 2 BDG eine Abberufung des Beamten, wenn die neue Verwendung zu einer Verschlechterung seiner bisherigen Tätigkeit oder seiner Aufstiegsmöglichkeiten führt oder sie überhaupt keine neue Verwendung des Beamten vorsieht, im Folgenden qualifizierte Verwendungsänderung genannt. Im letzten Fall hat die Dienstbehörde zu begründen, warum eine neue Zuweisung nicht möglich war. 1132 Eine gleichwertige und somit den Regeln der Versetzung nicht zugängliche neue Tätigkeit liegt gemäß § 40 Abs 3 BDG nur dann vor, wenn der Beamte „derselben Verwendungs-, Funktions- oder Dienstzulagengruppe“ zugehörig bleibt.

Eine Versetzung bzw eine qualifizierte Verwendungsänderung ist nur aus wichtigem dienstlichem

Interesse

zulässig.

1133

Lediglich

im

Rahmen

des

provisorischen

Dienstverhältnisses ist eine Versetzung iSd § 39 BDG auch ohne das Vorliegen eines 1127

OGH 29. 01. 2002, 1 Ob 12/02z. Vgl Fellner, BDG § 44 E 2 (www.rdb.at). 1129 Vgl Fellner, BDG § 44, ErläutRV 11 BlgNR 15. GP (www.rdb.at). 1130 Vgl Fellner, BDG § 44 E 10 (www.rdb.at). 1131 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (567). 1132 Vgl Fellner, BDG § 40 E 11 (www.rdb.at). 1133 Vgl Fellner, BDG § 40 E 3 (www.rdb.at). 1128

157

wichtigen dienstlichen Interesses zulässig.

1134

Das Gesetz enthält eine demonstrative

Aufzählung, was es unter einem wichtigen dienstlichen Interesse versteht. Ein solches liegt ex lege zB bei Nichterreichen des Arbeitserfolges oder bei Streichung von Arbeitsplätzen im Rahmen einer Organisationsreform vor.1135 Das 2. Stabilitätsgesetz 2012 sieht vor, dass die Auflassung von Arbeitsplätzen unabhängig von einer Änderung der Organisation zulässig sein soll. 1136 Bei einer Veränderung des Dienstortes sind gemäß § 38 Abs 4 BDG darüber hinaus die „persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse“ des Beamten in Betracht zu ziehen. Dienstortänderungen iSd § 39 BDG, welche keine gleichwertige Verwendung vorsehen, sind als Überstellung zu sehen und bedürfen das schriftliche Einverständnis des Beamten. 1137

Nicht als Versetzung zu werten sind gemäß § 40 Abs 4 BDG Verwendungsänderungen von nicht mehr als drei Monate langer Dauer, nach einer bloß vorläufigen bzw provisorischen höheren oder nach Ablauf einer befristeten

Verwendung. Eine Verschlechterung der

bisherigen Tätigkeit liegt weiters nicht schon dann vor, wenn die Arbeitsaufgaben im Rahmen der neuen Verwendung leichter zu bewältigen sind.

1138

Eine Verringerung der

Arbeitsbelastung um weniger als 25% wurde von der Rsp noch nicht als qualifizierte Verwendungsänderung gewertet. 1139

Gegen eine in Aussicht gestellte Versetzung kann ein Beamter innerhalb von zwei Wochen Einwendungen erheben. Ein wesentlicher wirtschaftlicher Nachteil für den Beamten kann eine Versetzung an einen anderen Dienstort nämlich unzulässig machen, wenn sie für einen anderen Beamten nicht derartige Folgen mit sich bringen würde. 1140 Gemäß dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 soll dieser Einwand gegen eine beabsichtigte Versetzung erschwert werden, indem nur noch Beamte derselben Dienststelle und Verwendungsgruppe in den Vergleich miteinbezogen werden. 1141

Hinsichtlich einer beabsichtigten Versetzung bzw Verwendungsänderung sieht § 9 Abs 3 lit a PVG nur eine Mitteilungspflicht vor. Den Organen der Personalvertretung steht aber auch in Vgl Fellner, BDG § 38 E 10 (www.rdb.at). Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 195. 1136 ErläutRV 1685 BlgNR 24. GP 22. Die Änderung soll mit 01.07.2012 in Kraft treten. 1137 Vgl Fellner, BDG § 39 E 15 (www.rdb.at). 1138 Vgl Fellner, BDG § 40 E 16 (www.rdb.at). 1139 Vgl BerK 17. 05. 2001, 36/8-BK/01. 1140 Vgl Fellner, BDG § 39 E 15 (www.rdb.at). 1141 ErläutRV 1685 BlgNR 24. GP 22. Die Änderung soll mit 01.07.2012 in Kraft treten. 1134 1135

158

diesem Fall das Recht zu, Anträge zu stellen und damit in letzter Konsequenz die Entscheidung über die Angelegenheit auf die nächste Hierarchieebene zu verlagern. 1142

Eine Versetzung kann ein Mittel darstellen, einen Mitarbeiter zu quälen. 

Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen

Die Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen stellt weder eine Versetzung iSd § 38 BDG dar, zumal diese durch eine Änderung der Dienststelle realisiert wird, noch eine qualifizierte Verwendungsänderung iSd § 40 Abs 2 BDG, welche auf die Art der Tätigkeit abstellt, dar. Somit wird es sich dabei lediglich um eine Weisung handeln, welche nicht in Bescheidform ergeht und somit nicht bekämpfbar ist. 

Zuweisung von überfordernden oder unterfordernden Arbeitsaufgaben; Anweisung zum „Nichtstun“

Bei der Zuweisung von über- bzw unterfordernden Arbeitsaufgaben handelt es sich dann um eine qualifizierte Verwendungsänderung, wenn sich das Arbeitspensum um mehr als 25% nach oben oder unten hin verändert.

1143

Damit wird die Rechtmäßigkeit der

Verwendungsänderung von einem öffentlichen Interesse abhängig, welches aber schon bei Nichtvorliegen des Arbeitserfolges bejaht wird. 1144 Die Abberufung von einer Tätigkeit ohne Zuweisung einer neuen Aufgabe bedarf einer besonderen Begründung, ist aber bei Vorliegen eines Grundes zulässig. 1145 Sie stellt bei Beamten wohl ein klassisches Mittel dar, diesen zu zermürben oder zu einem bestimmten Verhalten – zB im Rahmen einer Ausgliederung zum Übertritt in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis – zu zwingen.

Über jede Versetzung bzw über jede qualifizierte Verwendungsänderung ist mit Bescheid abzusprechen. Gegen diesen Bescheid ist eine Berufung möglich, über welche die Berufungskommission

entscheidet.

1146

In

allen

anderen

Fällen

erfolgt

eine

Verwendungsänderung durch Weisung. 1147 Das Nichterreichen des Arbeitserfolges könnte eine gute Begründung darstellen, ein Mobbingopfer, welches bereits physisch und psychisch auf die Mobbinghandlungen reagiert, von seiner Tätigkeit abzuberufen und einer neuen, niederwertigen Tätigkeit bzw überhaupt keiner Tätigkeit zuzuweisen. Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 47. Vgl BerK 17. 05. 2001, 36/8-BK/01. 1144 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 195. 1145 Vgl Fellner, BDG § 40 E 11 (www.rdb.at). 1146 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 195. 1147 Vgl Fellner, BDG § 38 E 3 (www.rdb.at). 1142 1143

159

4.2.3

Rechtliche Möglichkeiten gegen sonstige spezifische aus dem BDG resultierende Mobbinghandlungen



Beförderung

Eine unterlassene Beförderung wird oft als ein Mobbingakt wahrgenommen. Tatsächlich hat ein Beamter keinen subjektiven Anspruch auf einen besseren Posten. 1148 Über ein derartiges Ansuchen muss nicht mit Bescheid abgesprochen werden. 1149 

Negative Leistungsbeurteilung

Für eine negative Beurteilung über den „Arbeitserfolg“ sind zwei vorhergehende Ermahnungen, für die ein bestimmter Mindest- 1150 und Höchstzeitabstand 1151 gilt, notwendig (vgl § 81 Abs 1 Z 3 BDG). Der Zeitraum der Beurteilung beginnt mit der ersten Ermahnung und endet drei Monate nach der zweiten (Vgl § 81a Abs 2 BDG). Dem Beamten kann dabei vorgeworfen werden, zu langsam oder mangelhaft zu arbeiten.

1152

Eine negative

Leistungsfeststellung kann eine Versetzung bzw eine qualifizierte Verwendungsänderung rechtfertigendes öffentliches Interesse darstellen.

Das Verfahren zur Leistungsbeurteilung wird durch einen Bericht des unmittelbaren Vorgesetzten nach Anhörung des Beamten in Gang gesetzt (vgl § 84 Abs 1 BDG). Aufgrund dieses Berichtes und nach Äußerung des Beamten ergeht eine Stellungnahme der Dienstbehörde (§ 87 Abs 1 BDG). Geht die Dienstbehörde in ihrer Stellungnahme von einer mangelnden Arbeitsleistung aus, kann der Beamte innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung die Leistungsfeststellungskommission anrufen (§ 87 Abs 3 BDG). Diese entscheidet mittels Bescheid, 1153 welcher mit Beschwerde beim VwGH angefochten werden kann. 1154 Ein Beamter wird ex lege fristlos mit dem zweiten Leistungsfeststellungsbescheid, dass er seinen Arbeitserfolg trotz Abmahnung nicht erbringt, aus dem Dienstverhältnis entlassen. 1155 4.3

Besonderheiten bei Schadenersatzansprüchen des Beamten gegenüber dem Dienstgeber

Die Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch eines Beamten gegenüber seinem Dienstgeber sind grundsätzlich nach denselben Voraussetzungen zu prüfen wie der Anspruch

Vgl Schragel, AHG3 Rz 299. Vgl Fellner, BDG § 8 E 2 (www.rdb.at). 1150 Drei Monate. 1151 Fünf Monate. 1152 Vgl Fellner, BDG § 81 E 10 (www.rdb.at). 1153 Vgl Fellner, BDG § 87, ErläutRV 1007 BlgNR 16. GP (www.rdb.at). 1154 Vgl Fellner, BDG § 87 E 3 (www.rdb.at). 1155 Vgl Fellner, BDG § 22, ErläutRV 11 BlgNR 15. GP (www.rdb.at). 1148 1149

160

eines privaten Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber aus der Verletzung der Fürsorgepflicht. Dabei sind aber Besonderheiten zu beachten, denn Voraussetzung für die Haftung des öffentlichen Dienstgebers iSd § 1 AHG ist das rechtswidrige und schuldhafte Handeln seiner Organe in Ausübung der Gesetze.

Art 23 Abs 1 B-VG normiert Folgendes: „Der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts haften für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.“ Diese Verfassungsbestimmung ist im AHG näher ausgestaltet.

Passiv legitimiert ist nicht nur der Rechtsträger, für den das betreffende Organ tätig war, sondern auch jener, dem das Organ zugehörig war. Ausgegliederte Einrichtungen sind nicht Rechtsträger iSd § 1 Abs 3 AHG. 1156 Im Rahmen des Amtshaftungsrechts hat sich der Rechtsträger nicht nur das Verhalten seiner unmittelbaren Vertreter bzw Personen in leitender und repräsentativer Position zurechnen zu lassen. Darüber hinaus trifft ihn die Haftung für jede natürliche Person, die im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu einem Tun berechtigt ist. Auf die Art des Dienstverhältnisses wird dabei nicht abgestellt.1157 Der Rechtsträger haftet damit sowohl für das Verhalten des unmittelbaren Vorgesetzten wie für das eines diesem unterstellten Beamten, sofern diese zur Ausübung hoheitlicher Aufgaben berufen sind. 1158 Die Schadenersatzpflicht kann auch durch ein Unterlassen begründet werden, wenn eine Pflicht zum Handeln gegeben war und ein aktives Tun den Erfolg (Schaden) hätte vermeiden können. 1159

Im Bereich der Verwaltung ist eine Haftung nach dem AHG ausgeschlossen, wenn das Organ im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gehandelt hat. Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen der Privat- und der Hoheitsverwaltung nicht klar definiert. 1160 Der VfGH zählt folgende Bereiche zur Hoheitsverwaltung:

Vgl Schragel, AHG3 Rz 22. Vgl Schragel, AHG3 Rz 24. 1158 Vgl Schragel, AHG3 Rz 25. 1159 OGH 25. 06. 1996, 1Ob 2192/96a. 1160 Vgl Schragel, AHG3 Rz 72. 1156 1157

161

→ Anwendung „rechtstechnischer Mittel“ 1161 Unter der Anwendung rechtstechnischer Mittel versteht der VfGH den Erlass eines Bescheids oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags unter Anwendung der für das Verwaltungsverfahren vorgesehenen Gesetze. 1162 → „An sich hoheitliche“ 1163 Tätigkeiten Darunter fallen die klassischen öffentlichen Aufgaben eines Rechtsträgers, dem diesbezüglich die alleinige Ausübungshoheit zufällt, zB die Aufgaben der Polizei. → Die „Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt“ 1164 Darunter fallen Akte zur unmittelbaren Abwendung einer Gefahr. 1165 → Sonstige „verfahrensfreie Verwaltungsakte“ 1166 Dazu zählen Akten, welche nicht unerhebliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, zB „Ausfolgung“ der Begutachtungsplakette.1167

Aus der hoheitlichen Bestellung der Beamten ergibt sich, dass ihr Rechtsverhältnis zum Bund und damit die gegenseitigen Rechte und Pflichten hoheitlich sind. 1168 Der OGH vertritt in stRsp die Auffassung, dass einem Beamten Schadenersatzansprüche gegen den öffentlichen Dienstgeber bei schuldhafter Verletzung der Fürsorgepflicht zustehen.

1169

Die

Fürsorgepflicht stelle seiner Ansicht nach eine hoheitliche Aufgabe dar. Die Zuständigkeit der Gerichte im Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen von Beamten ist im Übrigen immer dann zu bejahen, wenn „von einem Missbrauch eingeräumter Befugnisse durch ein Verwaltungsorgan auszugehen ist“. 1170 Schadenersatzansprüche aufgrund einer Versetzung als Mobbinghandlung fallen unter den eben genannten Voraussetzungen auch in den Anwendungsbereich des AHG. 1171 Der Schadensbegriff richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 1293 ABGB. 1172 Der Ersatz steht nur in Geld zu. 1173 Es wird auf die Ausführungen unter Punkt C.3.5, vertragliche Schragel, AHG3 Rz 73. Vgl Schragel, AHG3 Rz 75. 1163 Schragel, AHG3 Rz 73. 1164 Schragel, AHG3 Rz 73. 1165 Vgl Schragel, AHG3 Rz 79. 1166 Schragel, AHG3 Rz 73 1167 Schragel, AHG3 Rz 80. 1168 Vgl Schragel, AHG3 Rz 92. 1169 Vgl Schragel, AHG3 Rz 299; vgl auch RIS-Justiz RS0021507. 1170 OGH 23. 04. 2003, 9 ObA 32/03a. 1171 Vgl VwGH 15. 02. 1988, 86/12/0252; 17. 11. 1999, 99/12/0272; OGH 17. 12. 2001, 1 Ob 273/01f; 27. 08. 1999, 1 Ob 17/99b; 27. 02. 1996 1 Ob 45/95. 1172 Vgl Schragel, AHG3 Rz 167; siehe allerdings Schragel, AHG3 Rz 169 zum Ersatz des immateriellen Schadens bei Verletzung der persönlichen Freiheit. 1161 1162

162

Schadenersatzansprüche, verwiesen. Ersatzansprüche sind innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis von dem Schaden geltend zu machen. 1174 Den Kläger trifft die volle Beweispflicht für die Kausalität zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Eintritt des Schadens und für die Handlungs- bzw Unterlassungspflicht des Organs. Gelingt der Beweis, wird ein Verschulden vermutet. 1175

Ein dem Opfer erwachsener Vermögensschaden, welcher aus der Verletzung der Fürsorgepflicht entstanden ist, ist als Amtshaftungsanspruch beim örtlich zuständigen Landesgericht geltend zu machen. 1176 Ein Amtshaftungsanspruch kann nur geltend gemacht werden, wenn der Instanzenzug ausgeschöpft wurde und auch – sofern zulässig - eine Beschwerde an den VwGH erhoben wurde. 1177 Die Nichterhebung von Rechtsmitteln schließt den Anspruch nach dem AHG aus. 1178 Zumal über ein Ersuchen um Abhilfe nicht mittels Bescheid abgesprochen wird, ist in diesem Zusammenhang vom Mobbingopfer auch kein Instanzenzug einzuhalten. Anders verhält es sich hingegen bei einer Versetzung aus Schikane, welche zunächst im Verwaltungsweg bekämpft werden muss.

Vor der gerichtlichen Geltendmachung ist der zuständige Rechtsträger – sollte dieser aber der Bund sein, die Finanzprokuratur -

außergerichtlich schriftlich aufzufordern, binnen drei

Monaten Stellung zu nehmen, ob er den geltend gemachten Anspruch anerkennt oder ablehnt. Unterlässt der Beamte die Aufforderung, könnten ihn Kostenfolgen gemäß § 45 ZPO treffen. 1179 Ein Schlichtungsverfahren iSd § 7k BEinstG iVm §§ 14 ff BGStG ersetzt die Aufforderung an die Finanzprokuratur. 1180

Der Regressanspruch des belangten Rechtsträgers gegenüber seinem Organ ist enger gefasst als jener des § 2 Abs 2 DHG. Der betroffene Dienstnehmer ist nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz zum Rückersatz verpflichtet. 1181 Im ersten Fall kann der Rückersatzanspruch herabgesetzt werden. 1182 Der Rückersatz ist ausgeschlossen, wenn das betroffene Organ nur

Vgl Schragel, AHG3 Rz 170. Vgl Schragel, AHG3 Rz 221. 1175 Vgl Schragel, AHG3 Rz 176. 1176 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (568). 1177 Vgl Schragel, AHG3 Rz 182. 1178 Vgl Schragel, AHG3 Rz 180. 1179 Vgl Schragel, AHG3 Rz 236. 1180 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (566). 1181 Vgl Schragel, AHG3 Rz 197. 1182 Vgl Schragel, AHG3 Rz 211. 1173 1174

163

auf Weisung eines nicht offenbar unzuständigen Vorgesetzten gehandelt und die Ausführung nicht gegen das StGB verstoßen hat. 1183 4.4

Besonderheiten bei den Ansprüchen des Vertragsbediensteten gegenüber dem Dienstgeber bei Mobbing durch Kollegen



Ersuchen um Abhilfe

Für ein Ersuchen um Abhilfe ist im VBG keine Form vorgesehen. Im Gegensatz zu Beamten ist eine solche nicht im Dienstweg geltend zu machen, sondern könnte gerichtlich mittels Erfüllungsklage eingefordert werden. 

Versetzung

Bei der Versetzung eines Vertragsbediensteten ist zunächst zu beurteilen, ob eine Änderung hinsichtlich Art und Zeit der Tätigkeit oder hinsichtlich des Dienstortes eintreten soll. § 6 VBG normiert nämlich einen eingeschränkten Versetzungsschutz bei Versetzungen von Amts wegen an einen anderen Dienstort: Diese ist gemäß Abs 1 bei Vorliegen eines dienstlichen Interesses im Rahmen des Versetzungsbereiches der Planstelle, für welche der Vertragsbedienstete tätig ist, zulässig. Zusätzlich ist dabei auf die „persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse“ des Vertragsbediensteten Bedacht zu nehmen. Die Grenzen der Zulässigkeit einer Versetzung bildet die Sachlichkeit. Es ist anzunehmen, dass § 6 VBG auch auf eine vom Vertragsbediensteten angestrebte Versetzung anzuwenden ist.

Gemäß § 6 Abs 2 VBG fallen unter den Versetzungsbereich einer Planstelle neben der Planstelle selbst sämtliche ihr nachgeordneten Dienststellen, sofern sie nicht in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Planstelle fallen oder selbst eine Planstelle darstellen. Dienstort ist die Gemeinde, in welcher die Dienststelle des Vertragsbediensteten liegt. 1184

Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 6 VBG ist eine Versetzung eines Vertragsbediensteten auf arbeitsvertraglicher Ebene grundsätzlich wie eine Versetzung im privaten Arbeitsrecht zu beurteilen. Es ist daher zu klären, ob die Veränderung noch vom Dienstvertrag gedeckt ist, ansonsten bedarf sie der Zustimmung des Vertragsbediensteten. 1185

Vgl Schragel, AHG3 Rz 212. OGH 10. 10. 1961, 4 Ob 51/61. 1185 Vgl Staufer, Die Versetzung von Arbeitnehmern 196. 1183 1184

164

Ein Anspruch auf eine bestimmte bevorzugte Stelle besteht aber nicht, zumal es dem Dienstgeber freisteht, wie und wo er für den Vertragsbediensteten innerhalb der Grenzen des Dienstvertrages Verwendung findet. 1186 

Kündigung gemäß § 32 VBG

Eine

Kündigung

des

Vertragsbediensteten

ist

im

VBG

nicht

geregelt.

Ein

Vertragsbediensteter ist daher nicht auf die im Gesetz angeführten Kündigungsgründe gebunden und kann die Kündigung auch grundlos, aber unter Einhaltung der in § 33 VBG festgesetzten Fristen, aussprechen – sofern sein Dienstverhältnis unbefristet ist. 

Der Austritt gemäß § 34 Abs 5 VBG

Der Vertragsbedienstete ist gemäß § 34 Abs 5 VBG insbesondere dann zum Austritt berechtigt, wenn er dienstunfähig geworden ist oder die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen würde.

Nach der Judikatur ist ein Austritt gerechtfertigt, wenn der Vorgesetzte über einen längeren Zeitraum Schikanen am Opfer ausgeübt hat, die bei diesem schlussendlich zu einer Depression mit Gefahr einer massiven depressiven Störung geführt haben, und höhere Vorgesetzte trotz Kenntnis keine Abhilfe geschaffen haben. 1187 

Einvernehmliche Auflösung gemäß § 30 Abs 1 Z 2 VBG

Gemäß § 30 Abs 1 Z 2 VBG kann das Dienstverhältnis durch „einverständliche Lösung“ beendet werden. Das VBG sieht diesbezüglich keine Form vor. § 30 Abs 5 VBG normiert dazu lediglich, dass in diesem Fall dem Bund unter bestimmten Voraussetzungen etwaige Ausbildungskosten zu ersetzen sind. Darüber hinaus normiert § 84 Abs 2 Z 7 VBG auch den Verlust einer Abfertigung bei einvernehmlicher Auflösung im Fall des Fehlens einer Vereinbarung über die Abfertigung.

1186 1187

RIS-Justiz RS0112755. Vgl Fellner, BDG § 34 Abs 5 VBG E 32 (www.rdb.at).

165

4.5

Sonderfall Bossing - Als Mobbinghandlungen missbrauchte Rechtsinstrumente im Anwendungsbereich des VBG



Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Versetzung

Wie bereits ausgeführt, sieht § 9 Abs 3 lit a PVG hinsichtlich einer beabsichtigten Versetzung nur eine Mitteilungspflicht vor. 1188 Die Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen stellt keine Versetzung iSd § 6 BDG dar, zumal diese durch eine Änderung der Dienststelle realisiert wird. Somit wird es sich dabei lediglich um eine Weisung handeln, welche nicht in Bescheidform ergeht und somit nicht bekämpfbar ist. Aus dienstvertraglicher Sicht stellt die Zuweisung von über- oder unterfordernden Arbeitsaufgaben ab einem bestimmten Schwellenwert eine nicht unwesentliche Änderung der Tätigkeit dar und wäre damit zustimmungspflichtig. Die Anweisung zum „Nichtstun“ wäre wohl

jedenfalls

zustimmungspflichtig.

Die

Grenzen

einer

Versetzung

eines

Vertragsbediensteten finden sich in der Sittenwidrigkeit gemäß § 879 ABGB. 1189 Eine entgegen der Zustimmung des Vertragsbediensteten ausgesprochene vertragsändernde Versetzung muss dieser nicht nachgehen oder kann eine Feststellungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht auf deren Nichtigkeit einbringen. 1190 

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Kündigung

Vor Ablauf eines Jahres kann das Dienstverhältnis mit einem Vertragsbediensteten unter Einhaltung des Schriftlichkeitsgebots unter Nennung eines Grundes aufgelöst werden. Danach kann der Dienstgeber den Vertragsbediensteten insbesondere aus den in § 32 Abs 2 VBG nicht abschließend aufgezählten Gründen kündigen. Hinsichtlich einer beabsichtigten Kündigung sieht § 9 Abs 1 lit i PVG ein Mitwirkungsrecht der Organe der Personalvertretung vor. Folgende Kündigungsgründe kommen im Zusammenhang mit Mobbing in Frage:

Ein Vertragsbediensteter kann gekündigt werden, wenn er aufgrund einer Krankheit dienstunfähig geworden ist (§ 32 Abs 2 Z 2 VBG). Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist dieser aber verpflichtet, im Hinblick auf die durch eine Krankheit

Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 47. Vgl Grof, Die Rechtsstellung des Vertragsbediensteten anlässlich einer Versetzung, RdA 1986, 115. 1190 Vgl OGH 17. 02. 2005, 8 ObA 93/04s. 1188 1189

166

herabgesetzte Leistungsfähigkeit seines Mitarbeiters diesem einfachere Arbeiten zuzuweisen, sofern diese zumutbar sind. 1191

Das Dienstverhältnis zu einem Vertragsbediensteten kann aufgelöst werden, wenn dieser den Arbeitserfolg trotz erteilter Weisungen nicht erbringen kann (§ 32 Abs 2 Z 3 VGB). Der fehlende Arbeitserfolg kann in quantitativer oder qualitativer Hinsicht begründet sein. 1192 Verschulden ist nicht Voraussetzung für die Erfüllung dieses Kündigungsgrundes, 1193 wohl aber eine Ermahnung. Für diese ist keine bestimmte Form notwendig. 1194 Das Gesetz sieht auch keinen bestimmten Mindest- bzw- Höchstzeitabstand zwischen den zwei Ermahnung vor. 1195 Liegt ein Kündigungsgrund nicht vor, kann der Vertragsbedienstete den Dienstgeber auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses klagen. 1196 Eine Kündigung aufgrund einer von Bossing verursachten Dienstunfähigkeit wird als sittenwidrig zu werten sein. Der Kündigungs- bzw Entlassungsschutz von besonders geschützten Arbeitnehmern im privaten Arbeitsrecht findet auch auf Vertragsbedienstete seine Anwendung (vgl 18 Z 1 MSchG, § 1 Z 3 VKG, § 2 Abs 5 lit e BAG, § 12 APSG, § 27 Abs 2 PVG). 

Rechtliche Möglichkeiten gegen eine Entlassung

Die Entlassung kann formlos ohne Angaben von Gründen erfolgen. 1197 Die Organe der Personalvertretung haben bei einer Entlassung gemäß § 9 Abs 1 lit i PVG ein Mitwirkungsrecht. Eine unberechtigte Entlassung gilt erst dann als unwirksam, wenn sie nicht in eine Kündigung umgedeutet werden kann. 1198 Der öffentliche Dienstgeber kann zur Entlassung eines Vertragsbediensteten berechtigt sein, wenn dieser seine Aufgabenerfüllung erheblich vernachlässigt (vgl § 34 Abs 2 lit c VBG) oder Weisungen nicht befolgt (§ 34 Abs 2 lit d VBG). Unter den zweitgenannten Entlassungsgrund kann die beharrliche Weigerung, einer berechtigten Versetzung Folge zu leisten, fallen. 1199 Im Gegensatz zum § 27 Z 2 AngG bzw § 82 lit b GewO 1859 stellt die aufgrund einer Krankheit herbeigeführte dauernde Dienstunfähigkeit keinen Entlassungsgrund iSd § 34 Abs 2 VBG dar. Der Vertragsbedienstete

Vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 208. Vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 209. 1193 Vgl Fellner, BDG § 32 VBG E 74 (www.rdb.at). 1194 Vgl Fellner, BDG § 32 VBG E 76 (www.rdb.at). 1195 Vgl OGH 08. 10. 2008, 9 ObA 49/08h. 1196 Vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 200. 1197 Vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 199. 1198 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 631. 1199 RIS Justiz RS0054887. 1191 1192

167

kann entweder auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses klagen oder die Kündigungsentschädigungsansprüche fordern. 1200 

Schadenersatzansprüche

Eine

Verletzung

der

Fürsorgepflicht

kann

zu

Schadenersatzansprüchen

des

Vertragsbediensteten gegenüber seinem Dienstgeber berechtigen. Diese sind nach §§ 1293 ff ABGB zu prüfen. Es wird auf die Ausführungen unter 3.5 dieses Abschnitts, Vertragliche Schadenersatzansprüche, verwiesen. 4.6

Ansprüche öffentlicher Bediensteter nach dem Bundes-Bedienstetenschutzgesetz

Das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz,

1201

im Folgenden B-BSG, ist das Pendant zum

ASchG für den öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes. Die Bestimmungen des B-BSG gleichen zum Teil wortwörtlich jenen des ASchG. Im Folgenden werden daher lediglich die Unterschiede zum ASchG bzw die Besonderheiten des B-BSG dargestellt. Sämtliche Dienstnehmer öffentlicher Dienststellen, unabhängig von der Art ihres Dienstverhältnisses, fallen in den Anwendungsbereich des B-BSG. Ausgenommen sind Arbeitnehmer von staatlichen Betrieben (§ 1 Abs 1 B-BSG). Auf die Art des Dienstverhältnisses wird gemäß § 2 Abs 1 B-BSG nicht abgestellt.

Die Regelung der Kontrolltätigkeit der Arbeitsinspektorate ist im B-BSG selbst geregelt (vgl §§ 88 ff B-BSG). Ihre Befugnisse gleichen grundsätzlich jenen des ArbIG. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Missachtung einer Aufforderung durch den Arbeitsinspektor im Anwendungsbereich des B-BSG keine Verwaltungsstrafanzeige zur Folge hat. Die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach dem B-BSG wäre aus verfassungsrechtlichen Überlegungen nicht möglich. 1202 In einem solchen Fall wird daher gemäß § 91 Abs 2 B-BSG dem zuständigen Leiter der Zentralstelle die Beanstandung weitergeleitet, welcher sich diesbezüglich zu äußern hat. Im Zuge dieser Stellungnahme hat er auch bereits durchgeführte Schritte bekannt zu geben (vgl § 91 Abs 3 B-BSG).

Kommt der Dienstgeber seinen Pflichten gemäß dem B-BSG nicht nach, begeht er gemäß § 86 Abs 2 B-BSG eine Dienstpflichtverletzung und ist disziplinarisch bzw dienstrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Aus der pauschalen Formulierung des § 86 Abs 2 B-BSG Vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 200. B-BSG BGBl I 1999/70 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/131. 1202 Siehe Näheres bei ErläutRV 1574 BlgNR 20. GP. 1200 1201

168

„Pflichten“ kann man ableiten, dass der Dienstgeber im Gegensatz zum ASchG für jegliche Pflichtverletzung nach dem B-BSG zur Verantwortung gezogen wird kann.

Dienstgeber ist zwar grundsätzlich der Bund, passiv legitimiert aber jener Dienststellenleiter, in dessen Wirkungsbereich eine Pflicht nach dem B-BSG verletzt wurde (vgl § 2 Abs 2 BBSG). Zum ASchG wurde bereits C.3.6.4, Anwendung auf Mobbing?, ausgeführt, dass der Arbeitgeber wohl verpflichtet ist, präventiv und interventiv bei Mobbing tätig zu sein. Zumal die Richtlinie 89/391/EWG auch auf „öffentliche Tätigkeitsbereiche“ ihre Anwendung findet und sich die betroffenen Bestimmungen inhaltlich gleichen, ist davon auszugehen, dass für das B-BSG dieselben Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Daraus folgt, dass der Vertreter des öffentlichen Dienstgebers eine Dienstpflichtverletzung begeht, wenn er im Zusammenhang mit Mobbing untätig bleibt. 4.7 4.7.1

Besonderheiten in Bezug auf den Diskriminierungsschutz Allgemeines zum B-GlBG

Die Bestimmungen des B-GlBG sind zum Teil wortgleich mit jenen des GlBG. Demnach darf niemand gemäß §§ 4, 13 Abs 1 B-GlBG „aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemäß § 1 Abs. 1 B-GlBG mittelbar oder unmittelbar diskriminiert werden und zwar insbesondere nicht bei der Begründung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses (Z 1), bei der Festsetzung des Entgelts (Z 2), bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen (Z 3), bei Maßnahmen der ressortinternen Aus- und Weiterbildung (Z 4), beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen) (Z 5), bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und (Z 6) bei der Beendigung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses (7)“. Im Folgenden wird daher nur auf die Unterschiede bzw Besonderheiten des B-GlBG hingewiesen.

169

Das B-GlBG ist sowohl auf privat- als auch auf öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse, sowie auf freie Dienstverträge zum Bund anzuwenden. Darüber hinaus sind Lehrlinge des Bundes, Praktikanten, Frauen beim Wehrdienst und Berufswerber zum öffentlichen Dienst von seinem Geltungsbereich

umfasst.

Dienstverhältnisse

zu

den

Ländern,

Gemeinden

Gemeindeverbänden werden von eigenen Landes-Gleichbehandlungsgesetzen erfasst. 4.7.2

und

1203

Besonderheiten im Zusammenhang mit den Diskriminierungstatbeständen des BGlBG und des BEinstG



Diskriminierung als Dienstpflichtverletzung

§§ 9, 16a B-GlBG normieren ausdrücklich, dass jede Diskriminierung bzw Anweisung zu einer solchen eine Dienstpflichtverletzung darstellt und als solche zu ahnden ist. In § 7b Abs 6 BEinstG findet sich diese Bestimmung für den Anwendungsbereich des BEinstG wieder. 

Die drei möglichen Konstellationen einer Belästigung gemäß §§ 8, 8a, 16 B-GlBG

Eine Belästigung liegt vor, wenn das Opfer aufgrund eines im Gesetz genannten Diskriminierungsgrundes (1)

vom Vertreter des Dienstgebers oder

(2)

durch Dritte belästigt wird oder

(3)

wenn der Vertreter des Dienstgebers bei Kenntnis der Belästigung die nötige Abhilfe unterlässt. 1204

Zu den Vertretern des Dienstgebers zählen gemäß § 2 Abs 4 B-GlBG -

„jeder Bundesminister,

-

jeder Dienststellenleiter,

-

jeder Vorgesetzte,

-

jeder Bedienstete, der einen maßgebenden Einfluss auf Personalangelegenheiten oder Regelungen gegenüber den Bediensteten hat.“

Der Dienstgeber Bund ist verpflichtet, bei Auftreten einer Belästigung durch seine Vertreter Abhilfe zu schaffen. Bei mangelnder Unterstützung ist der Bund zum Ersatz des erlittenen wie auch des ideellen Schadens verpflichtet. Der Dienstvorgesetzte kann nur als unmittelbarer Schädiger zum Schadenersatz verpflichtet werden. 1205 Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 10. Vgl Vrba/Lampelmayer/Wulff-Gegenbaur, Schadenersatz in der Praxis2 (Stand Mai 2005) Rz 10. 1205 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (568). 1203 1204

170



Rechtsfolgen einer Diskriminierung gemäß §§ 17 ff B-GlBG

Die Rechtsfolgen einer Diskriminierung sind zu jedem einzelnen Tatbestand speziell ausformuliert und entsprechen grundsätzlich den Rechtsfolgen nach dem GlBG (siehe Näheres unter Punkt C.3.7.4, Rechtsfolgen einer Diskriminierung gemäß 12, 26 GlBG) mit folgender Ausnahme: Eine Diskriminierung im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses kann nach dem GlBG entweder zur Anfechtung oder zum Schadenersatz berechtigen (vgl § 12 Abs 7, § 26 Abs 7 GlBG). Im Anwendungsbereich des § 18c Abs 1 B-GlBG kann der Verletzte, wenn er sich für die Geltendmachung der Unwirksamkeit entscheidet, daneben auch noch den Ersatz der persönlichen Beeinträchtigung fordern. Der Ersatz für die erlittene Beeinträchtigung ist im GlBG im Fall der Kündigungsanfechtung nicht ausdrücklich normiert (vgl § 12 Abs 7, § 26 Abs 7 GlBG). Hinsichtlich des Verfahrens zur Kündigungsanfechtung ist zwischen Vertragsbediensteten und Beamten zu unterscheiden: Vertragsbediensteten steht der ordentliche Rechtsweg offen (Vgl § 20 Abs 1, 2 B-GlBG). Beamte haben ihre Ansprüche im Dienstweg geltend zu machen (vgl § 20 Abs 2, 3, 4, 5 B-GlBG. 

Rechtsfolgen einer Belästigung

Fellner geht davon aus, dass der Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens nur gegen den Schädiger selbst geltend gemacht werden kann. Dabei verweist er auf § 1323 ABGB, welcher zwischen dem Ersatz des erlittenen Schadens (Schadloshaltung) und der vollen Genugtuung unterscheidet. 1206 Ausgangspunkt der Ersatzpflicht ist aber § 19 B-GlBG. Aus dieser Bestimmung ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass ein Ersatz des ideellen Schadens gegen den Bund nicht geltend gemacht werden könnte. Die Ansicht von Fellner ist daher nicht zu teilen. 1207 

Fristen gemäß § 20 B-GlBG

Ansprüche aus einer geschlechtsbezogenen Belästigung sowie einer Belästigung aufgrund der neuen geschützten Motive sind gemäß § 20 Abs 1 B-GlBG für Vertragsbedienstete und gemäß § 20 Abs 3 B-GlBG für Beamte innerhalb eines Jahres geltend zu machen. Ansprüche aus einer sexuellen Belästigung sind gemäß § 20 Abs 2 B-GlBG binnen drei Jahren geltend

1206 1207

Vgl Fellner, BDG § 19 B-GlBG Anm 6 (www.rdb.at). Vgl auch VwGH 12. 05. 2010, 2009/12/0151.

171

zu machen. Das GlBG sieht auch hinsichtlich einer sexuellen Belästigung eine Verjährungsfrist von einem Jahr vor. 1208 4.7.3 

Besonderes bei der Geltendmachung von Ansprüchen bei Beamten

Geltendmachung im Dienstweg - Verstoß gegen die Verfassung bzw gegen Unionsrecht?

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen ist zu unterscheiden, ob das Opfer in einem vertraglichen oder in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht.

Vertragsbediensteten steht zur Verfolgung ihrer Rechte der Gerichtsweg offen. Ansprüche eines Beamten gegen den Bund sind hingegen mit Antrag bei der für ihn zuständigen Dienstbehörde geltend zu machen. Außerhalb des Anwendungsbereichs des B-GlBG kann der Betroffene Amtshaftungsansprüche gegen den Rechtsträger geltend machen. 1209 Gegen einen Kollegen oder Vorgesetzten steht dem Beamten der Gerichtsweg offen. 1210

Im Anwendungsbereich des BEinstG bestimmt § 7l BEinstG die zwingende Vorschaltung des Schlichtungsverfahrens vor der Geltendmachung der Ansprüche eines Beamten im Dienstweg. Ansprüche eines Beamten gegenüber den Belästiger selbst, der nicht sein Dienstgeber ist, können gemäß § 7m Abs 1 BEinstG gerichtlich geltend gemacht werden.

Es stellt sich zunächst die Frage, ob mit der Bestimmung über die Geltendmachung der Ansprüche eines Beamten im Dienstweg Art 17 Abs 1 der Änderungsrichtlinie II vollständig umgesetzt wurde. Dieser schreibt den Mitgliedstaaten vor, Regelungen zu schaffen, welche die Durchsetzung von Ansprüchen aus einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts „gegebenenfalls nach Inanspruchnahme anderer zuständiger Behörden oder einem Schlichtungsverfahren auf dem Gerichtsweg“ gewährleisten.

1211

Art 9 Abs 1 der

Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, Art 7 Abs 1 der Antirassismusrichtlinie und Art 6 Abs 1 der Änderungsrichtlinie zur Gleichbehandlungsrichtlinie lassen für die Geltendmachung von Ansprüchen „aus einer Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ hingegen sowohl den Gerichts- als auch den Verwaltungsweg offen.

Vgl Hopf, RdW 10/2004, 548 (605). Vgl OGH 30. 01. 2001, 1 Ob 80/00x; 08. 09. 2009, 1 Ob 153/09w. 1210 Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (568) mit Verweis auf OGH 24. 02. 2009, 9 ObA 122/07t. 1211 ÄnderungsRL II 2006/54 ABl L 2006/204, 23. 1208 1209

172

Damit einher geht wohl die Frage, ob die Geltendmachung von Schadenersatzansprüche im Dienstweg Art 6 Abs 1 EMRK widerspricht. Hinsichtlich der Rechte und Pflichten eines Beamten vertrat der VfGH bis in das Jahr 2003 die Ansicht, dass es sich dabei um keine „civil rights“ im Sinne des Art 6 EMRK handle. 1212

Die Rechtsprechung des EGMR war diesbezüglich nicht einheitlich, doch wurden im Wesentlichen Streitigkeiten über die Aufnahme, die Laufbahn und die Beendigung des Dienstverhältnisses eines Beamten nicht unter den Begriff „civil rights“ subsumiert. Mit der Entscheidung Pellegrin im Jahr 1999 schloss der EGMR in der Folge die Anwendung des Art 6 Abs 1 EMRK nur noch auf hoheitlich tätige, öffentliche Bedienstete – unabhängig von ihrem Status – aus. Eine Ausnahme bildeten dabei Pensionsansprüche, „da durch den Ruhestand das spezielle Band der Treue und Loyalität zerschnitten wird“.

1213

In seiner

Entscheidung Eskelinen vom Jahr 2007 hat der EGMR seine bisherige Judikatur sogar noch weiter ausgedehnt, und festgelegt, dass im Zweifel Art 6 EMRK anwendbar ist. Es läge am betroffenen Staat aufzuzeigen, dass „der Gegenstand der Streitigkeit im Zusammenhang mit der Ausübung staatlicher Gewalt steht oder dass sie das spezielle Band [gemeint: zwischen öffentlichrechtlichen Dienstnehmer und dem Dienstgeber] in Frage stellt“, insbesondere müssten zwei Kriterien vorliegen, nämlich „erstens muss dem beschwerdeführenden Beamten der Zugang zu einem Gericht nach nationalem Recht ausdrücklich verwehrt sein; zweitens muss der Ausschluss von den Garantien des Art 6 EMRK auf objektiven Motiven beruhen, die im Interesse des Staates liegen.“ Bei typisch arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ist dies auszuschließen. 1214

Der VfGH ist der Auslegung des EGMR gefolgt und vertritt nun hinsichtlich dienstrechtlicher Streitigkeiten in stRsp die Ansicht, dass „soweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben, Art 6 EMRK Anwendung findet,“ wobei er die nachprüfende Kontrolle des VwGH für ausreichend sieht, um die Qualifikation „Tribunal“ zu erfüllen. 1215

1212

Vgl VfGH 26. 11. 2000, B 2212/00; G 278/91 VfSlg 13.738; B 4768/96 VfSlg 14.854; B 2066/97 VfSlg 15.052; B 2042/99 VfSlg 15.833; B 2261/00- B62/01 VfSlg 16.274; B 245/01 VfSlg 16.275; B 2212/00 VfSlg 16.338; aA 30. 09. 2005 B 1741/03. 1213 EGMR U 08. 12. 1999 (GK), Pellegrin, Nr 28541/95, Z 64, 1999/VIII. 1214 EGMR U 19. 04. 2007 (GK), Eskelinen, Nr 63235/00, Z 19, 2007/II. 1215 VfGH 29. 06. 2007, B 960/06; 06. 12. 2007 B 639/07 ua; vgl auch hinsichtlich dem Disziplinarverfahren VfGH 03. 12. 2009, B 1008/07; 04. 03. 2010, B 1928/07.

173

Die Geltendmachung der Ansprüche eines Beamten im Dienstweg widerspricht nicht Art 6 EMRK, zumal die Entscheidung der letzten Instanz der Kontrolle des VwGH unterliegt. Damit könnte man auch Art 17 Abs 1 Änderungsrichtlinie II als umgesetzt ansehen, sofern man die in Art 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG normierte Kompetenz des VwGH, Bescheide aufzuheben, wenn der der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt in elementaren Teilen ergänzungsbedürftig ist, weit auslegt. 

Besonderes zur Beweiserleichterung gemäß § 20a B-GlBG

Die Beweiserleichterung, dass das Opfer den Diskriminierungstatbestand nur glaubhaft machen muss, soll nach Ansicht von Fellner nur für das gerichtliche Verfahren gelten. 1216

Sämtliche Anti-Diskriminierungsrichtlinien der Union sehen vor, dass eine Abweichung von der Beweislasterleichterung in Verfahren, in denen die Offizialmaxime gilt, möglich ist. Somit würde kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegen, wenn die Beweislasterleichterung im Rahmen von Dienstrechtsverfahren keine Anwendung findet (vgl Art 8 Abs 5 Antirassismusrichtlinie, Art 10 Abs 5 Gleichstellungsrahmenrichtlinie, Art 19 Abs 3 Änderungsrichtlinie II). 1217 

Entscheidungen zu Ansprüchen von Beamten

In der veröffentlichten Entscheidungssammlung des VwGH findet sich keine Entscheidung im Zusammenhang mit Ansprüchen aus einer Belästigung. Im Wesentlichen kreisen die Entscheidungen über Ansprüche aus einer Diskriminierung im Zusammenhang mit dem beruflichen Aufstieg (vgl § 18c B-GlBG) bzw mit dem Vorrang von Frauen beim beruflichen Aufstieg (vgl § 11c B-GlBG). 1218 In seiner Entscheidung 2009/12/0151 vom 12. 05. 2010 hatte der VwGH zB über Ansprüche wegen der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung aus einer vorgebrachten Diskriminierung des Alters bei einer Postenvergabe gemäß § 18a BGlBG zu entscheiden. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, zumal der Beschwerdeführer kein höheres Gehalt bei dem angestrebten Posten erhalten hätte und die Anwendung des § 18a B-GlBG mit Hinweis auf den mangelnden beruflichen Aufstieg

Vgl Fellner, BDG § 20a B-GlBG mit Verweis auf ErläutRV 285 BlgNR 22. GP (www.rdb.at). Die Änderungsrichtlinie zur Gleichbehandlungsrichtlinie sieht keine Bestimmungen zur Beweislast vor; vgl ÄnderungsRL zur GleichbehandlungsRL 2000/73 ABl L 2002/269, 15. 1218 Vgl VwGH 14. 10. 2009, 2006/12/0185; 14. 10. 2009, 2008/12/0180; 24. 02. 2010, 2009/12/0033; 12. 05. 2010, 2009/12/0151; 20. 03. 2011, 2010/12/0133; 17. 10. 2011, 2011/12/0135. 1216 1217

174

verneint wurde. In diesem Zusammenhang führte der VwGH weiters aus, dass § 18a B-GlBG nicht bei einer verschlechternden Verwendungsänderung herangezogen werden könne. 1219 4.7.4 Als

Institutionen Institutionen

stehen

dem

Opfer

gemäß

§

21

B-GlBG

die

Bundes-

Gleichbehandlungskommission (Z 1), die Gleichbehandlungsbeauftragten (Z 2), die Arbeitsgruppen für Gleichbehandlungsfragen (Z 3 und Z 4) sowie die Kontaktfrauen (Z 5) zur Verfügung. § 21 Z 6 B-GlBG sieht auch Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen gemäß § 21 des Hochschulgesetzes 1220 vor, welche im Folgenden nicht näher behandelt werden. Die Bundes-Gleichbehandlungskommission, im Folgenden B-GBK, ist gemäß § 22 Abs 1 BGlBG beim Bundeskanzleramt konstituiert und setzt sich aus zwei Senaten, der eine ist für den Bereich Gleichbehandlung von Frauen und Männern, der andere für den Bereich Gleichbehandlung aufgrund der neuen geschützten Merkmale zuständig, zusammen (vgl § 22a Abs 1 B-GlBG). Zu ihren Mitgliedern zählen jeweils auch Angehörige der Interministeriellen Arbeitsgruppen für Gleichbehandlungsfragen und des GÖD. Die Aufgabe der B-GBK besteht im Wesentlichen in der Erstellung von Gutachten zu allgemeinen Fragen der Gleichbehandlung und der Frauenförderung, insbesondere auch zu Gesetzesentwürfen in diesen Bereichen. 1221 Jeder Dienstnehmer des öffentlichen Dienstes bzw Bewerber kann gemäß § 23a Abs 1 B-GlBG iVm § 23 Abs 2 Z 1 und 2 B-GlBG die Erstellung eines Gutachtens beantragen, wenn er eine Verletzung nach dem B-GlBG behauptet, wodurch die jeweilige Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Ansprüche gehemmt wird (§ 20 Abs 6 B-GlBG). Das B-GlBG normiert nicht explizit, wann die Hemmung endet, in Anlehnung an das GBK/GAW-Gesetz ist der Endzeitpunkt nach der Ansicht von Fellner mit der Zustellung des Gutachtens der Hemmungsendzeitpunkt anzusetzen. 1222 Im Gegensatz zum GKB/GAWGesetz normiert das B-GlBG keine Mindestfrist, welche dem Opfer nach dem Hemmungsendzeitpunkt für die Einbringung der Klage bzw Geltendmachung der Ansprüche im Dienstweg noch zur Verfügung stehen soll. Darüber hinaus wurde im Anwendungsbereich des B-GlBG die Bestimmung des AVG über die Akteneinsicht noch nicht für anwendbar erklärt. Es ist daher davon auszugehen, dass das Verfahren vor der B-GBK nach wie vor vertraulich ist (vgl § 25 B-GlBG).

1219

Vgl VwGH 12. 05. 2010, 2009/12/0151. Hochschulgesetz 2005 BGBl I 2006/30. 1221 Vgl Fellner, BDG § 23 B-GlBG ErläutRV 285 BlgNR 22. GP (www.rdb.at). 1222 Vgl Fellner, BDG § 20 B-GlBG Anm 4 (www.rdb.at). 1220

175

§ 25 Abs 2 B-GlBG normiert auch die Anwendung der Beweislasterleichterung im Verfahren vor der B-GBK. Sofern die B-GBK das Vorliegen einer Diskriminierung bejaht, hat es dem zuständigen Leiter des betroffenen Ressorts - damit ist wohl die oberste Dienstbehörde gemeint -

1223

schriftlich aufzufordern, diese zu beenden sowie den Verantwortlichen

disziplinarrechtlich zur Verantwortung zu ziehen und darüber hinaus eine Empfehlung zur Herstellung einer diskriminierungsfreien Situation abzugeben (vgl § 23a Abs 8 B-GlBG). Die Nichtbefolgung des Vorschlages findet im Bericht über die Tätigkeit der B-GBK, welcher dem Nationalrat vorgelegt wird, ihren Niederschlag, sofern es sich um eine Angelegenheit der Frauenförderung oder der Gleichbehandlung von Männern und Frauen handelt (vgl § 23a Abs 9 B-GlBG). Zumal das Gutachten aber nicht in Bescheidform ergeht, ist es nicht bindend und kann wohl nur als eine spezielle Form einer Disziplinaranzeige angesehen werden. 1224 Jeder Ressortleiter hat Gleichbehandlungsbeauftragte für zu definierende Vertretungsbereiche zu bestimmen, deren Tätigkeiten mit jenen eines/einer Gleichbehandlungsanwaltes/ Gleichbehandlungsanwältin

nach

dem

GlBG

vergleichbar

sind.

Auch

den

Gleichbehandlungsbeauftragten steht das Recht zu, die B-GBK mit der Erstellung eines Gutachtens zu einem Diskriminierungsfall zu beauftragen. 1225 In diesem Fall können sie als Zeugen

einvernommen

werden

(vgl

§

27

Abs

5

B-GlBG).

Die

Gleichbehandlungsbeauftragten können darüber hinaus mit schriftlicher Zustimmung des Beamten bei begründetem Verdacht einer Diskriminierung nach dem B-GlBG gemäß § 27 Abs 4 B-GlBG Anzeige bei der Disziplinarbehörde erstatten. Ein eigenständiges Klagsrecht ist im B-GlBG nicht vorgesehen. Dafür kann ihnen ein Beratungsrecht bei der B-GBK zustehen (vgl § 27 Abs 6 B-GlBG).

Eine

Arbeitsgruppe

für

Gleichbehandlungsfragen

-

bestehend

aus

Gleichbehandlungsbeauftragten - findet sich bei jeder Zentralstelle. Diese hat sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit Gleichbehandlung im Ressort zu befassen. 1226 Zu den Aufgaben gemäß § 29 Abs 2 B-GlBG zählen vor allem die Rechtsberatung von Dienstnehmern (Z 4), die Weiterleitung eines begründeten Verdachts auf Verletzung der Bestimmungen des B-GlBG an den Leiter einer Zentralstelle (Z 1), weiters die Beauftragung der Gleichbehandlungskommission mit der Erstellung von Gutachten (Z 2).

Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 557. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 557. 1225 Vgl Fellner, BDG § 26 B-GlBG ErläutRV 857 BlgNR 18.GP (www.rdb.at). 1226 Vgl Fellner, BDG § 29 B-BlBG ErläutRV 285 BlgNR 22.GP (www.rdb.at). 1223 1224

176

Darüber hinaus ist beim Bundeskanzleramt gemäß § 32 Abs 1 B-GlBG eine Interministerielle Arbeitsgruppe institutionalisiert, welche ua als Beratungsorgan der Bundesregierung fungiert (vgl § 33 Z 1 B-GlBG).

In jeder Dienststelle mit mindestens fünf weiblichen Dienstnehmern kann - solange ein Frauenförderungsgebot gemäß § 11 B-GlBG besteht Dienstnehmerin

zur

Kontaktfrau

ernannt

1227

werden,

gemäß § 35 Abs 1 B-GlBG eine welche

als

Ergänzung

zur

Personalvertretung im Bereich der Gleichbehandlung von Frauen und Männern tätig werden soll. 1228 Diese hat gemäß § 36 Abs 2 B-GlBG den Dienstnehmerinnen ihrer Dienststelle rechtsberatend und unterstützend zur Seite zu stehen. 5.

BESONDERE BETRACHTUNG DES ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHTS – FOLGEN FÜR DAS MOBBINGOPFER

5.1 

Rechtliche Folgen von Mobbing für den Betroffenen im Anwendungsbereich des BDG Ergebnisse des Mobbing-Reports zu den Folgen von Mobbing bei Beamten 1229

Mobbingfolgen (Mehrfachnennungen möglich; nur abgeschlossene Fälle)

%

Krankheit wegen Mobbing

52,4

Krankheitsdauer mehr als sechs Woche

22,2

freiwilliger Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Ressorts

20,7

Austritt

9,0

Kündigung durch Arbeitgeber

8,5

Arbeitslosigkeit

2,5

Erwerbsunfähigkeit

7,7

zwangsweise Versetzung

7,9

Auffällig ist die hohe Krankenstandsrate bei den Beamten. Im Gegensatz dazu ist die Austrittsrate, verglichen mit den Zahlen bei den privaten Arbeitnehmern, sehr gering. Im Folgenden soll noch ein Überblick über die rechtlichen Folgen für den Betroffenen verschafft werden.

Siehe Näheres zum Frauenförderungsgebot bei Fellner BDG § 11 B-GlBG (www.rdb.at). Vgl Fellner BDG § 36 B-GlBG ErläutRV 285 BlgNR 22.GP (www.rdb.at). 1229 Meschkutat/Stackelbeck/Langehoff, Der Mobbing-Report 84; telefonische Befragung 2001 (n=393). 1227 1228

177



Mobbing und Krankenstand

Beamten gebührt im Krankheitsfall bis zu einer Dauer von 182 Tagen der volle Bezug. Erst danach steht dem Beamten gemäß § 13c Abs 1 GehG nur mehr 80% des bisher bezogenen Gehalts zu. Die Dauer von Folgekrankenständen innerhalb eines halben Jahres nach Rückkehr aus dem Erstkrankenstand wird diesem hinzugezählt (§ 13c Abs 2 GehG).

Aufgrund der gesetzlich zustehenden Entgeltfortzahlung von einem halben Jahr ist es nicht weiter verwunderlich, dass eine hohe Anzahl von Beamten bei Mobbing in den Krankenstand flieht. 

Mobbing und Kündigung

Ein Beamter in Definitivstellung kann vom Dienstgeber nicht gekündigt werden (vgl § 20 Abs 1 Z2 BDG).

Beamte im provisorischen Dienstverhältnis können unter Angaben von Gründen und Einhaltung von Fristen gekündigt werden. Der Dienstgeber könnte das Opfer im fortgeschrittenen Mobbingstadium gemäß § 10 Abs 4 Z 2 BDG aus gesundheitlichen Gründen kündigen, weil es für die Tätigkeit nicht geeignet ist oder keinen zufrieden stellenden Arbeitserfolg aufweist. Beamte im provisorischen Dienstverhältnis haben keinen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. 1230

Mütter und Väter im Anwendungsbereich des MSchG und VKG können nicht – auch nicht mit gerichtlicher Zustimmung - gekündigt werden. 1231 Personalvertreter iSd PVG können nur gekündigt werden, wenn der Ausschuss, dem sie angehören, zustimmt. 1232 Hinsichtlich Zivilund Präsenzdienern 1233 sowie Lehrlingen gilt derselbe Bestandschutz wie im privaten Arbeitsrecht. 1234

Bei einer beabsichtigten Kündigung ist die Personalvertretung rechtzeitig vorher darüber zu informieren. Diese hat das Vorliegen eines gesetzlichen Grundes zu prüfen und eingehend mit dem Dienstgeber zu erörtern. 1235 Ihr steht die Möglichkeit zu, der beabsichtigten Kündigung Vgl Fellner, BDG § 10 E 29 (www.rdb.at). Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 63. 1232 Vgl Schragel, PVG § 27 Rz 4. 1233 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 106. 1234 Vgl Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen 85. 1235 Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 38. 1230 1231

178

zuzustimmen, sich nicht zu äußern oder Einwendungen im Falle einer nicht zustande gekommenen Verständigung zu erheben. Eine unterlassene Äußerung wird ex lege als Zustimmung gewertet. 1236 Aufgrund von Einwendungen kann der Leiter der Dienststelle eine schriftliche

Gegenäußerung

Personalvertretung führen.

1237

erstatten

oder

Verhandlungen

mit

den

Organen

der

Kann ein Konsens trotzdem nicht herbeigeführt werden, hat

der Leiter der Dienststelle seinen Entschluss schriftlich zu begründen.

1238

Dem

Dienststellenausschuss steht es in der Folge zu, die Vorlage der Angelegenheit an die nächsthöhere Dienststelle zu beantragen. 1239 Sollte es sich nicht um eine dringende Maßnahme handeln, kann der Dienststellenausschuss den Aufschub des Vollzugs der Maßnahme beantragen. 1240 Der Leiter der übergeordneten Instanz kann entweder eine Weisung iSd Ansicht der Personalvertretung an den Leiter der Dienststelle erteilen oder sich mit dem Fachausschuss über die Angelegenheit beraten, welcher seine eigene Meinung dazu bilden kann. 1241 Wird kein Einvernehmen erzielt, kann der Fachausschuss den Antrag stellen, dass die Zentralstelle sich der Angelegenheit annimmt. Kommt auch auf Ebene der Zentralstelle mit dem Zentralausschuss keine Einigung zustande, obliegt dem Leiter der Zentralstelle

die

Entscheidungskompetenz,

Sachverständigengutachtens. 

eventuell

nach

Einholung

eines

1242

Mobbing und Abfertigung

Gemäß § 26 Abs 2 GehG gebührt dem Beamten keine Abfertigung, wenn das Dienstverhältnis durch einen freiwilligen Austritt (lit b), ex lege (lit d) oder innerhalb der Probezeit (lit a) aufgelöst wird. § 26 Abs 3 GehG sieht allerdings eine Abfertigung bei freiwilligem Austritt im Zusammenhang mit einer Eheschließung (Z 1), der Geburt eines Kindes (Z 2), innerhalb der Karenz (Z 3) oder Teilzeitbeschäftigung im Anwendungsbereich des MSchG bzw VKG (Z 4) vor. Die Höhe der Abfertigung ist abhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses und kann sich auf bis zu zwölf Monatsbezügen belaufen. 1243

Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 4. Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 20. 1238 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 30. 1239 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 33. 1240 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 36. 1241 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 42. 1242 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 44. 1243 Vgl Mayr, Arbeitsrecht bei diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen – Beamte und Vertragsbedienstete, ÖZPR 2010/121 (136). 1236 1237

179

Ein Beamter ist bei einem freiwilligen Austritt aus dem Dienstverhältnis finanziell nicht durch eine Abfertigung geschützt. Damit ist auch erklärt, warum die Zahl an Austritten bei Beamten im Zusammenhang mit Mobbing sehr gering ist. 

Mobbing und Arbeitslosigkeit

Beamte unterliegen nicht dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1244 , im Folgenden AlVG, (vgl § 1 Abs 2 lit b AlVG). Das Überbrückungshilfegesetz 1245 , im Folgenden ÜHG, verweist allerdings auf die Leistungen der AlVG. Gemäß § 1 Abs 1 ÜHG ist dem ausgeschiedenen Beamten Arbeitslosengeld und gemäß Abs 2 Notstandhilfe iSd AlVG 1977 zu gewähren. Dabei ist er so zu behandeln, als ob er während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses arbeitslosenversichert gewesen wäre. Die Voraussetzungen für die Überbrückungshilfe sind nach den AlVG zu beurteilen (vgl § 2 Abs 1 ÜHG). Der freiwillige Austritt führt zu einer Verkürzung der Überbrückungshilfe von vier Wochen (vgl § 11 Abs 1 AlVG). 

Vorzeitiger Ruhestand und Mobbing

Die Voraussetzungen für den Eintritt in den Vorruhestand sind auch für Beamte kompliziert geregelt und unterliegen auch in diesem Bereich einer Veränderung im Sinne einer Verschärfung der bisher bestandenen Rechtslage. Daneben gibt es eine Reihe von Übergangsbestimmungen, die es fast unmöglich machen, einen Überblick über den Status quo zu geben. Das Pensionsgesetz 1956 1246 , im Folgenden PG 1965, findet seine Anwendung auf Beamte, die vor dem 01.01.1955 geboren wurden. Dem APG unterliegen zur Gänze Beamte, die nach dem 01.01.2005 in ein Dienstverhältnis eingetreten sind. Hinsichtlich der übrigen Beamten findet eine Parallelrechnung statt. 1247 Das 2. Stabilitätsgesetz 2012 sieht eine Erweiterung der Anwendung des APG für Beamte vor, die nach dem 31.12.1975 geboren wurden. 1248 Die Bemessungsgrundlage der Pension berechnet sich aus dem Durchschnitt einer bestimmten Anzahl von besten Dienstjahren, welche bis zum Jahr 2028 sukzessive auf 40 Dienstjahre angehoben wird (vgl § 91 Abs 3 PG 1965). Das APG stellt bei der Bemessungsgrundlage auf den Einkommensdurchschnitt der gesamten Versicherungsdauer ab. 1249 Im Folgenden wird die Rechtslage nach dem PG 1965 dargestellt.

1244

AlVG 1977 BGBl 1977/ 609. ÜHG BGBl 1963/174 zuletzt geändert durch BGBl I 1997/47. 1246 PG 1965 BGBl 1965/340 zuletzt geändert durch BGBl I 2010/62. 1247 Vgl Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 106. 1248 ErläutRV 1685 BlgNR 24. GP 26. Die Änderung soll mit 01.07.2012 in Kraft treten. 1249 Vgl Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 104. 1245

180

Die Dienstbehörde kann den Beamten von Amts wegen ab einem bestimmten Lebensalter (vgl Tabelle in § 236c Abs 1 BDG) und nach einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren aus wichtigen dienstlichen Gründen in den Ruhestand versetzen. Letztere sind anhand von objektiven Kriterien zu prüfen. 1250 § 15a Abs 1 BDG verweist dabei auf die Konkretisierung der wichtigen öffentlichen Interessen in § 38 Abs 3 BDG. Eine amtswegige Versetzung in den Ruhestand wäre daher möglich, wenn der Beamte seinen vorgeschriebenen Arbeitserfolg nicht erbracht hat. § 15a BDG tritt mit 01. 09. 2017 außer Kraft und wird bis dahin das Antrittsalter von ursprünglich 61 ½ Lebensjahren sukzessive angehoben. Für Beamte, welche nach dem 01. 10. 1951 geboren sind, findet § 15 BDG keine Anwendung (vgl § 236c Abs 1 BDG). Gemäß § 5 Abs 2b PG erfolgt keine Kürzung des Ruhegenusses aufgrund der fehlenden Jahre zum Pensionsantrittsalter. § 15 BDG regelt den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand, welcher für den Beamten frühestens ohne Abschläge mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters, welches sukzessive bis zum Regelpensionsalter angehoben wird (vgl Tabelle in § 236c Abs 1 BDG), möglich ist. Für Beamte, welche nach dem 01. 10. 1951 geboren sind, findet § 15 BDG keine Anwendung (vgl § 236c Abs 1 BDG). Diese Bestimmung tritt mit 01. 09. 2017 außer Kraft (vgl § 109 Abs 66 PG 1965).

Nach der Rechtslage vor dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 kann ein Beamter gemäß § 15c BDG im Rahmen der so genannten „Korridorpension“ in den Ruhestand durch Erklärung eintreten, wenn er das 62. Lebensjahr und zumindest 37,5 Beitragsjahre erreicht hat. Er hat dabei aber hohe Abschläge (vgl § 5 Abs 2a PG 1965) in Kauf zu nehmen. Das 2. Stabilitätsgesetz 2012 sieht ab 01. 01. 2013 eine sukzessive Erhöhung der Gesamtdienstzeit vor. 1251

Im Rahmen der so genannten „Hacklerregelung“ kann ein Beamter, welcher vor dem 01. 01. 1954 geboren wurde, bei Erreichen von 40 Dienstjahren bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres (vgl § 236b BDG) bis zum Ende des Jahres 2013 abzugsfrei in den Ruhestand eintreten. Mit 01. 01. 2014 sind Abschläge in Kauf zu nehmen. Nach dem 01. 01. 1954 Geborene können nach 42 Dienstjahren mit Erreichen des 62.Lebensjahres (vgl § 236d BDG) mit Abschlägen in den Ruhestand treten (vgl § 5 Abs 2b iVm Abs 2 PG 1965).

1250 1251

Vgl Fellner, BDG § 38 E 12 (www.rdb.at). ErläutRV 1685 BlgNR 24. GP 23. Die Änderung soll mit 01.07.2012 in Kraft treten.

181

Gemäß § 15b BDG kann ein Beamter den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand stellen, wenn er das 60. Lebensjahr vollendet, eine bestimmte Anzahl von ruhegenussfähiger Dienstzeit aufgewiesen und innerhalb der letzten 240 Monate 120 Monate Schwerarbeit 1252 geleistet hat. Die Abschläge belaufen sich auf 1,44% pro aushaftendem Jahr zum regulären Pensionsalter. 1253

Ein Beamter ist gemäß § 14 Abs 1 BDG von Amts wegen oder aufgrund seines Antrages in den Ruhestand zu versetzen, wenn er auf Dauer dienstunfähig geworden ist. Gemäß Abs 2 ist die Dienstunfähigkeit dann gegeben, wenn der Beamte „infolge seiner gesundheitlichen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann“. Die Definitivstellung ist dabei nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 14 BDG. 1254 Nach der stRsp des VwGH fällt unter Dienstunfähigkeit alles, „was die Eignung des Beamten zur Versehung des Dienstes aufhebt, also nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und geistige Mängel, welche die ordnungsgemäße Führung der dem Beamten übertragenen Geschäfte ausschließen“, 1255 worunter von der Judikatur auch die Unfähigkeit zur Zusammenarbeit bzw Konfliktlösung unter der Voraussetzung des rechtmäßigen Verhaltens der Kollegen und Vorgesetzten subsumiert wurde. 1256 Gerade bei habituellen Charaktereigenschaften und geistigen Mängeln wird daher bei der Frage der Dienstunfähigkeit auf die Art der Tätigkeit abgestellt. Zu den habituellen Charaktereigenschaften zählen Eigenheiten eines Menschen, welche sich dauerhaft im Verhalten oder in der Erscheinung manifestiert haben und zu seinem Wesen gehören. 1257 Auf ein Verschulden wird dabei nicht abgestellt. 1258

In seiner Entscheidung 2009/12/0072 vom 12. 05. 2010 stellte der VwGH klar, dass „eine dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten auf einem bestimmten Arbeitsplatz nicht damit begründet werden kann, dass er dort Mobbing ausgesetzt sei, welches er auf Grund einer 1252

Vgl VO der BReg BGBl II 2006/105 über besondere belastende Berufstätigkeiten, die ihrerseits auf die SchwerarbeitsV der BM für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz BGBl II 2006/104 verweist. 1253 Vgl Fellner, BDG § 15b Anm 1 (www.rdb.at). 1254 Vgl Fellner, BDG § 14 E 76 (www.rdb.at). 1255 VwGH 04. 12. 1958, 1402/57; 09. 07. 1959, 2141/58; 24. 05. 1962, 1272/60; 25. 10. 1962, 1922/61. 1256 VwGH 19. 09. 2003, 2003/12/0068; 17. 10. 2008, 2005/12/0110; 12. 05. 2010, 2009/12/0072. 1257 VwGH 17. 12. 1990, 89/12/0143; 13. 09. 2002, 98/12/0155. 1258 Vgl Fellner, BDG § 14 E 30 (www.rdb.at).

182

Krankheit oder eines nicht krankheitsbedingten habituellen Charakterzuges nur schlechter verarbeiten könnte als andere.“ Dem Beamten gebührt grundsätzlich nach fünfzehn Dienstjahren ein Pensionsanspruch. 1259 § 8 Abs 1 PG 1965 normiert, dass ein Beamter, der dauernd dienstunfähig geworden ist und bereits fünf Jahre an Dienstzeiten gesammelt hat, so zu behandeln ist, als ob er bereits fünfzehn Dienstjahre vollendet hätte. Der Beamte hat Kürzungen von 4,2% pro Jahr, höchstens jedoch 18%, bis zum Regelpensionsalter 1260 hinzunehmen (vgl aber § 6 Abs 2 APG). Im Falle einer Dienstunfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit erfolgen keinerlei Abschläge, sofern eine Versehrtenrente in Anspruch genommen wird, eine Mindestdienstzeit ist weiters nicht erforderlich. Beamten können bis zu zehn Jahre zu ihrem regulären Pensionsantrittsalter angerechnet werden.1261 5.2 

Rechtliche Folgen von Mobbing für den Betroffenen im Anwendungsbereich des VBG Mobbing und Krankenstand

Vertragsbediensteten steht gemäß § 24 Abs 1 VBG, abhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses, zumindest in den ersten 42 Tagen der Berufsunfähigkeit der volle Bezug zu. Für weitere 42 Tage kürzt sich dieser um 50%. Der Anspruch entfällt bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Krankenstandes. Eine erneute Erkrankung innerhalb von sechs Monaten seit der ersten führt zu einer Zusammenzählung der bereits konsumierten Dauer der Entgeltfortzahlung. Vertragsbedienstete unterliegen hinsichtlich des Krankengeldes gemäß § 84 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 Z 17 B-KUVG den Bestimmungen des ASVG und wird daher auf die Ausführungen zum privaten Arbeitsrecht unter Punkt C.3.9.1, Mobbing und Krankenstand, verwiesen. Als Bemessungsgrundlage des Krankengeldes gilt allerdings das um ein Sechstel erhöhte letzte volle Monatsgehalt, berechnet auf einen Tag (vgl § 85 BKUVG).

Darüber hinaus gilt das Dienstverhältnis gemäß § 24 Abs 9 VBG ex lege als beendet, wenn der Vertragsbedienstete in Folge einer Krankheit ein Jahr vom Dienst ferngeblieben ist und der Dienstgeber ihn drei Monate davor hinsichtlich dieser Folgen in Kenntnis gesetzt hat (vgl aber § 8a BEinstG). Vor Ablauf dieser Frist kann mit dem Dienstgeber aber auch Gegenteiliges vereinbart werden (vgl § 24 Abs 9 S 1). Ein Vertragsbediensteter kann Vgl Binder, Österreichisches Sozialrecht (2006) 85. Ablauf des 65. Lebensjahres. 1261 Vgl Binder, Österreichisches Sozialrecht 85. 1259 1260

183

gekündigt werden, wenn er aufgrund einer Krankheit dienstunfähig geworden ist (§ 32 Abs 2 Z 2 VBG). Dauert ein Krankenstand ein Jahr an, gilt das Dienstverhältnis ex lege als aufgelöst, wenn der Vertragsbedienstete drei Monate davor hinsichtlich der Folgen in Kenntnis gesetzt wurde (vgl § 24 Abs 9 VBG).

Die Dauer der Entgeltfortzahlung in voller Höhe ist bei Vertragsbediensteten sogar kürzer als im

privaten

Arbeitsrecht.

Bei

längerem

krankheitsbedingtem

Ausfall

haben

Vertragsbedienstete zwar keine Kündigung bzw Entlassung zu befürchten, dafür tritt ex lege eine Auflösung des Vertragsverhältnisses bei einjähriger Dauer des Krankenstandes ein, wodurch der Abfertigungsanspruch aber nicht verloren geht (vgl § 84 Abs 2 VBG). 

Abfertigung

Gemäß § 35 Abs 2 VBG ist das BMSVG auch auf Vertragsbedienstete, unabhängig von der Dauer ihres Dienstverhältnisses, anwendbar. Das bedeutet, dass Abfertigungsansprüche durch eine Selbstkündigung zwar nicht verloren gehen, aber keine Verfügungsmöglichkeit über sie besteht. 1262 Für Vertragsbedienstete, die vor dem 01. 01. 2003 in ein Dienstverhältnis zum Bund eingetreten sind, gilt § 84 Abs 2 VBG, welcher grundsätzlich dem alten Abfertigungsrecht entspricht. Dieser sieht gemäß Z 3 vor, dass ein Abfertigungsanspruch durch die Selbstkündigung verloren geht. Ein Abfertigungsanspruch besteht trotz Vorliegen eines Verwirkungstatbestandes bei zumindest zehnjähriger Tätigkeit bzw bei Erreichen des regulären Pensionsalters (vgl § 84 Abs 3b VBG) und bei Selbstkündigung im Zusammenhang mit der Eheschließung, der Geburt eines Kindes, der Karenz oder Teilzeit nach dem MSchG bzw VKG (vgl § 84 Abs 3 VBG).

Im Falle einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses normiert § 30 Abs 5 VBG, dass in diesem Fall dem Bund unter bestimmten Voraussetzungen etwaige Ausbildungskosten zu ersetzen sind. Darüber hinaus sieht § 84 Abs 2 Z 7 VBG

auch den Verlust einer

Abfertigung bei einvernehmlicher Auflösung im Falle von Fehlen einer Vereinbarung über die Abfertigung vor.

Vertragsbedienstete, welche dem § 84 VBG unterliegen, verlieren im Falle der Selbstkündigung ihren Abfertigungsanspruch. Damit scheint der freiwillige Ausstieg aus dem Dienstverhältnis nur die ultima ratio. 1262

Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 675.

184



Arbeitslosigkeit

Auf Vertragsbedienstete findet das AlVG Anwendung. Im Falle einer Eigenkündigung wird das Arbeitslosengeld daher um vier Wochen verkürzt.1263 Es wird daher auf die Ausführungen zur Arbeitslosigkeit im privaten Arbeitsrecht unter Punkt C.3.9.3, Mobbing und Arbeitslosigkeit, verwiesen. 

Erwerbsunfähigkeitspension; sonstige Frühpensionen

Vertragsbedienstete unterliegen gemäß § 7 Z 4 lit a ASVG hinsichtlich der Pensionsversicherung dem ASVG bzw dem APG. Es wird daher hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen auf die Ausführungen zum privaten Arbeitsrecht, Punkt C.3.9.4, Mobbing und vorzeitiger Eintritt in den Ruhestand, verwiesen. 6.

GENAUERE BETRACHTUNG VON AUSGLIEDERUNGEN

6.1

Europarechtliche Vorgaben

Im Zusammenhang mit Ausgliederungen ist auf die Richtlinie RL 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen 1264 , im Folgenden BÜ-RL, Bedacht zu nehmen. Zweck der Richtlinie ist der Schutz der Arbeitnehmer vor einem Einschnitt in ihre Rechte. Dieser soll insbesondere durch die Verpflichtung, die Übernahme von zum Zeitpunkt der Ausgliederung aufrechten Arbeitsverträgen durch den Erwerber gesetzlich zu regeln, verwirklicht werden (Art 3 Abs 1 BÜ-RL). Art 4 Abs 1 BÜ-RL untersagt Kündigungen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang. 1265

Im privaten Arbeitsrecht wurde die Richtlinie durch AVRAG umgesetzt. Strittig war, ob die BÜ-RL auf Ausgliederungen im Bereich des öffentlichen Dienstes anwendbar ist. Art 1 Abs 1 BÜ-RL legt den Anwendungsbereich mit Betriebsübergängen durch Vertrag oder Verschmelzung fest. 1266 Inzwischen wird die grundsätzliche Anwendbarkeit im Einklang mit der stRsp des EuGH bejaht. 1267 Vgl Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts6 248. BÜ-RL 2001/23 ABl L 2001/82, 16. 1265 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 462. 1266 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 461. 1267 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 465 mit Verweis auf EuGH 14. 09. 2000, C-343/98, Collino, Slg 2000, I-6659. 1263 1264

185

Hinsichtlich der Art der Tätigkeit hat der EuGH festgehalten, dass die BÜ-RL auf jede Art von wirtschaftlicher Betätigung abzielt. Gewinnabsicht sei keine notwendige Voraussetzung der Anwendung. 1268 Im Bereich des öffentlichen Dienstes kommt die BÜ-RL daher nur dann nicht zur Anwendung, wenn hoheitliche bzw vorwiegend hoheitliche Aufgaben übertragen werden sollen. Im Bereich der Privatwirtschaftverwaltung findet die BÜ-RL grundsätzlich volle Anwendung, 1269 sofern durch die Ausgliederung nicht die Identität „der wirtschaftlichen Einheit“ verloren geht. 1270

Beamte fallen allerdings keinesfalls unter den Arbeitnehmerbegriff der BÜ-RL und sind daher keinesfalls vom Schutzbereich umfasst. 1271

Zusammenfassend sei festgehalten, dass Vertragsbedienstete unter Umständen in den Anwendungsbereich der BÜ-RL fallen können. Tatsächlich wurde die BÜ-RL aber in Österreich im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht gesetzlich umgesetzt. Die jeweiligen Ausgliederungsgesetze haben sich vorwiegend an den Ausgliederungsrichtlinien des Bundeskanzleramtes für die Ausgliederung staatlicher Aufgaben und die Gestaltung von Entwürfen zu Bundesgesetzen betreffend die Ausgliederung 1272 orientiert. Diese entsprechen inhaltlich in den wesentlichen Punkten der BÜ-RL. 1273 Damit wurde diese zumindest punktuell

in

den

einzelnen

Ausgliederungsgesetzen

umgesetzt

und

die

Unionsrechtskonformität grundsätzlich gewahrt. 1274 6.2

Dienstrecht und Ausgliederung

In den speziellen Ausgliederungsgesetzen wird auch die Überleitung des Personals auf den neuen Rechtsträger geregelt. Aufgrund der vorliegenden Gestaltungsvielfalt der Überleitung ist eine allgemeine Betrachtung der Rechtslage bei Mobbing in ausgegliederten Einrichtungen nicht möglich. 1275 Eine grundlegende Unterscheidung findet sich aber jedenfalls zwischen Beamten und Vertragsbediensteten.

Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 467 mit Verweis auf EuGH mit Verweis auf EuGH 08. 06. 1994, C-382/92, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg 1994, I-2435; 14. 09. 2000, C-343/98, Collino, Slg 2000, I-6659. 1269 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 468. 1270 Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 478. 1271 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 481. 1272 Vgl BMF, Augliederungshandbuch2 (2003) 34 ff. 1273 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 486. 1274 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 487. 1275 Vgl Brodil (Hrsg), Ausgliederungen 5. 1268

186

6.2.1 

Die Personalüberleitung von Beamten

Überlassungsmodell (gespaltenes Dienstverhältnis)

Die öffentlichrechtliche Stellung des Beamten bleibt im Allgemeinen von der Ausgliederung unberührt. 1276 Die Verrichtung seiner Tätigkeit beim neuen Rechtsträger erfolgt im Rahmen einer Zuweisung. Eine Schlechterstellung des Beamten hinsichtlich seiner Tätigkeit kann nur in den Grenzen der §§ 38, 40 BDG und mittels Bescheid verfügt werden, sofern im jeweiligen Ausgliederungsgesetz nichts anderes normiert ist. 1277 § 17a Abs 9 PTSG sieht zB vor, dass betriebliche Interessen wichtige dienstliche Interessen iSd § 38 BDG darstellen. Der ausgegliederte Rechtsträger wird allerdings in den meisten Fällen weisungsbefugt und hält die Aufsicht inne, wobei der Instanzenzug idR zu den obersten Organen erhalten bleibt, welche auch weiterhin die dienstrechtlichen Bescheide erlässt. 1278 Die Gebietskörperschaft als „formeller Dienstgeber“ 1279 muss weiterhin den finanziellen Aufwand für den Beamten tragen, welcher aber in der Regel vom neuen Arbeitgeber ersetzt werden muss. Etwas anders stellt sich die Rechtslage bei Auflösung der bisherigen Verwaltungseinheit des Beamten im Rahmen der Ausgliederung dar. In diesem Fall werden die Beamten zunächst durch Gesetz zu einer anderen Dienststelle oder zu einem Amt, welches beim neuen Rechtsträger konstituiert wurde und direkt dem zuständigen Bundesminister untersteht, versetzt, um sodann dem neuen Rechtsträger zugewiesen zu werden. 1280

Die zugewiesenen Beamten unterliegen weiterhin dem BDG, aber auch auf die das Dienstverhältnis abstellenden Gesetze, wie das B-GlBG. Dieses kann auch die Anwendung bestimmter Gesetze, wie zB das ASchG, das grundsätzlich nur auf private Arbeitsverhältnisse anwendbar ist, anordnen. 1281 Ein für den Rechtsträger geltender Kollektivvertrag ist gemäß § 1 Abs 1 ArbVG auf Beamte grundsätzlich nicht anwendbar. 1282 Die Anwendung des ArbVG, insbesondere im Hinblick auf das Betriebsverfassungsrecht, auf zugewiesene Beamte wird mittlerweile grundsätzlich bejaht. 1283 Jabornegg verweist in diesem Zusammenhang auf den Arbeitnehmerbegriff des § 36 Abs 1 ArbVG, unter den auch die bloße Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses

Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 307 mit Verweis auf die Ausnahme in § 4 Abs 3 Schönbrunner SchlosG, das eine Karenzierung der Beamten vorsieht. 1277 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 308. 1278 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 301. 1279 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 304. 1280 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 305. 1281 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 311. 1282 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 307. 1283 Vgl Brodil (Hrsg), Ausgliederungen 6 mit Verweis 43 ff und 162 ff. 1276

187

subsumiert werden kann. 1284 Einschränkungen würden sich allerdings bei Rechten der Gebietskörperschaft als Überlasser, bei Einführung einer Disziplinarordnung oder den Kündigungsschutzbestimmungen schon allein aufgrund des BDG ergeben.

1285

Die

Anwendung des § 101 ArbVG auf Versetzungen ist strittig. 1286 

Optionsrecht

In vielen Ausgliederungsgesetzen wird den betroffenen Beamten das Recht eingeräumt, aus dem

öffentlich-rechtlichen

Dienstverhältnis

innerhalb

eines

bestimmten

Zeitraums

auszutreten und mit dem neuen Rechtsträger einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag abzuschließen, wobei die gesammelten Dienstjahre anzurechnen sind (Vgl zB § 55 Abs 3 Bundesstatistikgesetz 2000 1287 ; § 9 Abs 3 Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz 1288 ; § 22 Abs 7 Wasserstraßengesetz 1289 ). 1290 Der Übertritt kann aber auch an eine Beförderung gekoppelt sein. So wird gemäß § 98 Abs 1 Universitätsgesetz 2002 1291 , im Folgenden UG, die Stelle

eines

Universitätsprofessors

nur

im

Rahmen

eines

privatrechtlichen

Arbeitsverhältnisses vergeben. 6.2.2 

Die Personalüberleitung von Vertragsbediensteten

Übernahmemodell

Vertragsbedienstete werden in der Regel vom neuen Rechtsträger im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge übernommen. 1292 Diese Übernahme erfolgt entweder „ex lege“ oder durch eine „Dienstgebererklärung“. 1293 Damit unterliegt der Vertragsbedienstete fortan dem privaten Arbeitsrecht, außer, es wird gesetzlich die zumeist statische Anwendung des VBG, in der Regel mit einem Optionsrecht, normiert (vgl § 18 Abs 1 Poststrukturgesetz 1294 , § 53 Abs 1, 4 Bundesbahngesetz 1295 ). 1296

Vgl Brodil (Hrsg), Ausgliederungen 52. Vgl Brodil (Hrsg), Ausgliederungen 70. 1286 Vgl Brodil (Hrsg), Ausgliederungen 69; verneinend OGH RIS Jusitz RS0123472; bejahend VwGH 26. 01. 2005, 2004/12/0084. 1287 Bundesstatistikgesetz 2000 BGBl I 1999/163. 1288 BPAÜG BGBl I 2006/89. 1289 Wasserstraßengesetz BGBl I 2004/177 zuletzt geändert durch BGBl I 2010/111. 1290 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 303. 1291 UG BGBl I 2002/120 zuletzt geändert durch BGBl I 2009/81. 1292 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 323. 1293 Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 327. 1294 Poststrukturgesetz BGBl 1996/201. 1295 Bundesbahngesetz 1992 BGBl 1992/852. 1296 Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 328. 1284 1285

188

Selbst bei Anwendung des privaten Arbeitsrechts wird in den Ausgliederungsgesetzen idR bestimmt, dass dem Vertragsbediensteten seine bisherigen Rechte erhalten bleiben bzw auf den Übernehmer übergehen. Ein Rechtsfortbestand des bisherigen Dienstrechts, insbesondere der Rechte des Vertragsbediensteten, bedeutet, dass die Normen des öffentlichen Dienstrechts in ihrer Fassung zum Zeitpunkt der Ausgliederung zum Inhalt des privaten Arbeitsvertrages gemacht werden. 1297 Nur ausnahmsweise finden sich auch „dynamische Verweisungen“ zum öffentlichen Dienstrecht. 1298 Sehen zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen, insbesondere das AngG, hingegen günstigere Regelungen vor, sind diese anzuwenden. 1299 Nachteilige Bestimmungen in Arbeitsrechtsgesetzen bzw Kollektivverträgen gehen dem individuellen Arbeitsvertrag hingegen nicht vor, zumal in den Ausgliederungsgesetzen die Bewahrung der Rechte der Vertragsbediensteten normiert wird.

1300

Dieser Doppel-Begünstigung des

Vertragsbediensteten wird allerdings durch diverse Konstruktionen, zB durch eine Einzelvereinbarung, entgegengetreten. 1301 

Überlassungsmodell

Teilweise wird im Kompetenzbereich der Länder und Gemeinden das Überlassungsmodell in den Ausgliederungsgesetzen normiert. 1302 Meist gilt auch in diesen Fällen das Dienstrecht nur in der Fassung zum Zeitpunkt der Ausgliederung.

1303

Es ist diesbezüglich auf die

Ausführungen zum Überlassungsmodell bei Beamten, Punkt 6.2.1, Personalüberleitung von Beamten, zu verweisen. 1304 6.3

Realität bei Ausgliederungen

Ein wesentliches Ziel von Ausgliederungen ist die Einsparung bzw Verjüngung des Personals einer Gebietskörperschaft. 1305 Durch das Überlassungsmodell kann dieser Zweck aber nicht erfüllt werden, zumal der jeweils überlassene Bedienstete weiterhin zum Personalstand des Rechtsträgers gezählt wird.

1306

Aus diesem Grund werden einerseits in diversen

Ausgliederungsgesetzen und zwar zB durch Aufstiegsnachteile (vgl § 98 Abs 12 UG), Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 332. Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 334. 1299 Vertragsbedienstete können dadurch einen Vorteil im Zusammenhang mit der Höhe der Entgeltfortzahlung oder der Abfertigung erlangen; siehe Näheres bei Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 341. 1300 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 338. 1301 Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 342; siehe Näheres zu den Möglichkeiten der Verhinderung einer Kumulierung der Vorteile bei Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 341. 1302 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 324; siehe Näheres zu den Beispielen unter Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 324, FN 151. 1303 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 345. 1304 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 344. 1305 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 517. 1306 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 513. 1297 1298

189

anderseits vom Übernehmer selbst 1307 Druck erzeugt, damit die übernommenen Bediensteten vom Optionsrecht Gebrauch machen und mit dem Übernehmer einen privaten Arbeitsvertrag abschließen. Ältere Dienstnehmer werden zum Zweck der Verjüngung des Personals von Amts wegen in den Vorruhestand versetzt. „Vorruhestandsmodelle und Sonderabfertigungsbzw Prämienaktionen“ sollen den übernommenen Bediensteten den freiwilligen Austritt schmackhaft machen. 1308 Im Übrigen können Beamte unter der Voraussetzung des § 40 Abs 2 Z 3 BDG („wichtiges dienstliches Interesse“) von ihrer bisherigen Tätigkeit abberufen werden, ohne dass ihnen gleichzeitig eine neue zugeteilt wird („Dienstfreistellung“). Abgesehen von den psychologischen Folgen des „nichts Tun“, führt eine Dienstfreistellung auch zu finanziellen Einschränkungen, zumal nur das Grundgehalt ausgezahlt wird. Tatsächlich finden sich in der Judikatur des OGH einige Fälle von Amtshaftungsklagen aufgrund von jahrelangen Dienstfreistellungen, über die nicht einmal ein (anfechtbarer) Bescheid erlassen worden ist. 1309

Darüber hinaus kann der Erwerber gegenüber den übernommenen Vertragsbediensteten von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Art 4 BÜ-RL verbietet zwar Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang. Er normiert aber gleichzeitig die Zulässigkeit einer Kündigung „aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen“. Vom Übernehmer veranlasste Umstrukturierungen könnten daher eine Kündigung rechtfertigen. 1310

Aufgrund der verschiedenen gesetzlichen und einzelvertraglichen Gestaltungswegen, das Dienstrecht von Bediensteten eines ausgegliederten Rechtsträgers zu regeln, ist eine allgemeine Betrachtung der rechtlichen Möglichkeiten im Fall von Mobbing nicht möglich und muss bei einer Beurteilung jeweils auf den Einzelfall abgestellt und damit auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. Bei Vertragsbediensteten könnte sich im Rahmen des Überlassungsmodells unter Umständen ergeben, dass auch Normen des AngG zur Anwendung kommen, sofern sie günstiger sind, zB bei der Höhe der Entgeltfortzahlung.

1307

Vgl Errichtung und Abspaltung der Telekom Austria Personalmangement GmbH von der Telekom Austria AG, wobei das Personal in erstere übergeleitet wurde, wovon nur zwei Drittel wieder rückübernommen wurden; siehe Näheres bei Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 521 ff. 1308 Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 521. 1309 Vgl Brodil (Hrsg), Ausgliederungen 38; vgl OGH 06. 04. 2005, 9 ObA 32/05d; 25. 01. 2006, 9 ObA 109/05b; 28. 02. 2008, 8 ObA 40/07a; 08. 10. 2008, 9 ObA 74/08k; 23. 11. 2010, 1 Ob 180/10t. 1310 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 352.

190

6.4 

Judikatur im Zusammenhang mit Mobbing in ausgegliederten Einrichtungen Ausgliederung und Fürsorgepflicht

Eine interessante Folge des Überlassungsmodells ist, dass das Opfer nach der stRsp des OGH eine Verletzung der Fürsorgepflicht auch gegen den Beschäftiger geltend machen kann, obwohl es mit diesem in keinem Vertragsverhältnis steht. 1311 .

In der Entscheidung 8 ObA 3/04f vom 26. 08. 2004 hatte sich der OGH mit der Frage zu befassen, inwiefern ein Beschäftiger verpflichtet war, einen ihm von einem Rechtsträger überlassenen Bediensteten vor Mobbinghandlungen zu schützen. Der Kläger stand zunächst in einem Vertragsverhältnis zur Stadt Wien, welche durch die Wiener StadtwerkeVerkehrsbetriebe vertreten wurde. Diese wurden in der Folge aufgrund des Bundesgesetzes über die Maßnahmen anlässlich der Ausgliederung der Wiener Stadtwerke 1312 im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge in die Wiener Stadtwerke Holding AG eingebracht. Die Wiener Stadtwerke Holding AG ist zu 100% Eigentümerin der Wiener Linien GmbH & Co KG, auf welche der Bereich „Wiener Linien“ übertragen wurde. Das Wiener Landesgesetz über die Zuweisung von Bediensteten der Gemeinde Wien

1313

bestimmte hinsichtlich der

Vertragsbediensteten des übertragenden Rechtsträgers das Überlassungsmodell, wobei das fachliche Weisungs- und Aufsichtsrecht den Beschäftigern übertragen wurde. Als Dienstbehörde wurde das Magistrat bestimmt.

Der OGH führte in diesem Zusammenhang aus, dass sich die Fürsorgepflicht auch auf den ausdehne, „in dessen Betrieb der Arbeitnehmer in abhängiger Weise eingegliedert ist“. Zumal der Landesgesetzgeber hinsichtlich der Fürsorgepflicht keine Regelung getroffen hat, muss dieser Grundsatz herangezogen werden. Dieser steht auch im Einklang mit dem AÜG, das auf den vorliegenden Fall allerdings nicht anwendbar ist. 

Ausgliederung und Möglichkeiten gegen eine „Dienstfreistellung“

In der veröffentlichten Judikatur des OGH findet sich eine Fülle von Entscheidungen über Amtshaftungsansprüche im Zusammenhang mit einer zumeist jahrelangen Dienstfreistellung. In der bis dato jüngsten Entscheidung 1 Ob 180/10t vom 23. 11. 2010 wurde dem Kläger, welcher im Rahmen der Ausgliederung der Post und Telegraphenverwaltung der Telekom Austria AG zugewiesen war, Mitte 2004 schriftlich mitgeteilt, dass sein Arbeitsplatz aufgelöst 1311

Vgl 8 ObA 3/04f, ARD 5608/5/2005. Ausgliederung der Wiener Stadtwerke BGBl I 1999/68. 1313 Wr LGBl 1999/17. 1312

191

wird und ihm bis auf Weiteres keine neue Tätigkeit zugewiesen wird. Über diese Verwendungsänderung wurde kein Bescheid erlassen, den der betroffene Beamte hätte bekämpfen können. In seiner Amtshaftungsklage vom Jahr 2008 (!) begehrte er den aus der ungerechtfertigten Versetzung resultierenden Schaden am Körper und am Vermögen. Der OGH wies die außerordentliche Revision zurück und begründete seine Entscheidung damit, dass auch das rechtmäßige Alternativverhalten, nämlich die Erlassung des Bescheids, den Schaden herbeigeführt hätte, zumal die Abteilung des Klägers aufgelöst worden sei und diese Auflösung auch durch die Bekämpfung des Versetzungsbescheids nicht verhindert hätte werden

können.

Im

Übrigen

stehe

die

Überprüfung

der

Rechtmäßigkeit

der

Verwendungsänderung nicht den ordentlichen Gerichten zu. 1314 7.

BESONDERE BETRACHTUNG DES ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHTS – FOLGEN FÜR DIE MOBBENDE PERSON

7.1

Mögliche rechtliche Folgen für den Täter als Beamter im Sinne des BDG

7.1.1 

Dienstpflichten des Beamten

Allgemeine Dienstpflichten

„Der Staatsbürger, der in den öffentlichen Dienst eintritt, muss sich bewusst sein, dass er sich mit diesem Schritt freiwillig bestimmten, gesetzlich festgelegten Beschränkungen unterwirft, die sich aus der Eigenart des öffentlichen Dienstes notwendigerweise ergeben.“ 1315 Wer eine Dienstpflicht verletzt, ist disziplinarrechtlich zu ahnden. 1316 Verstößt ein Beamter durch sein Verhalten darüber hinaus gegen eine Weisung seines Vorgesetzten, verletzt er darüber hinaus seine Gehorsamspflicht. 1317 §§ 43 ff BDG wurden bereits unter Punkt C.4.1.1, allgemeine Dienstpflichten des Beamten gemäß § 43 BDG, und Punkt C.4.1.2, besondere Dienstpflichten des Beamten gemäß § 43a BDG – achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot), näher behandelt und wird ausdrücklich darauf verwiesen.

1314

RIS-Justiz RS0119869. Fellner, BDG E 4 mit Verweis auf VfGH 09. 05. 1927 SlgNF 775 (www.rdb.at). 1316 Vgl Fellner, BDG § 43, ErläutRV 11 BlgNR 15. GP (www.rdb.at). 1317 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 209. 1315

192



Dienstpflichten nach dem B-GlBG und BEinstG

Das B-GlBG (§§ 9, 16a) bzw das BEinstG (7b Abs 6) normieren ausdrücklich, dass jede unmittelbare bzw mittelbare Diskriminierung eine Dienstpflichtverletzung darstellt. Diese Bestimmungen gelten als Präventivmaßnahmen.

1318

Hoza zweifelt die vermeintliche

Tragweite dieser Bestimmung an. Seiner Ansicht nach können sich die Schädiger leicht durch Versetzung oder Beförderung dem Zuständigkeitsbereich der Dienstbehörde entziehen, bevor diese den Sachverhalt durchschaut bzw eine Diskriminierung gerichtlich festgestellt wird. 1319 

Dienstpflichten gegenüber dem Vorgesetzten gemäß § 44 BDG

§ 44 BDG normiert die Weisungsunterworfenheit von Beamten gegenüber ihren Vorgesetzten. Sie findet sicht bereits in Art 20 Abs 1 B-VG und resultiert aus der Unterstützungs- und Gehorsamspflicht des Untergebenen und gilt gemäß § 5a VBG für Vertragsbedienstete gleichermaßen. Unter Weisung wird „eine generelle oder individuelle, abstrakte oder konkrete

Norm,

die

an

einen

Verwaltungsorganwaltern ergeht“

1320

oder

an

eine

Gruppe

von

untergeordneten

, verstanden. Beamte haben die Weisungen ihrer

Vorgesetzten – dazu zählen jene, die zur Dienst- und/oder Fachaufsicht befugt sind – ohne Prüfung

auf

ihre

Zweckmäßigkeit

zu

befolgen.

Einzige

Ausnahme

von

der

Weisungsunterworfenheit bilden strafgesetzliche Anordnungen bzw Weisungen eines unbefugten

Organs.

1321

Bereits

eine

verspätete

Weisungsbefolgung

Dienstpflichtverletzung gesehen. Fahrlässigkeit genügt zur Vorwerfbarkeit.

wird

als

1322

Wird ein Vorgesetzter Opfer von Mobbinghandlungen, ist der schädigende Beamte gemäß § 43a BDG zu verfolgen. 1323 7.1.2 

Mögliche Folgen einer Dienstpflichtverletzung

Die Belehrung oder Ermahnung gemäß § 109 Abs 2 BDG

Das Institut der Belehrung oder der Ermahnung gemäß § 109 Abs 2 BDG entspringt aus dem in Art 20 Abs 1 B-VG normierten Weisungsrecht des Vorgesetzten und ist bei geringfügigen Dienstpflichtverletzungen, als Vorschaltung zum Disziplinarverfahren, einzusetzen. 1324 Es zählt gemäß § 45 BDG zu den Dienstpflichten des Vorgesetzten, seinen „Untergebenen“ im Vgl Fellner, BDG § 9 B-GlBG, ErläutRV 285 BlgNR 22.GP (www.rdb.at). Hoza, SozSi 2010, FN 78. 1320 Vgl Fellner, BDG § 43, ErläutRV 11 BlgNR 15. GP (www.rdb.at). 1321 Vgl Fellner, BDG § 44 E 2 (www.rdb.at). 1322 Vgl Fellner, BDG § 44 E 10 (www.rdb.at). 1323 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 213. 1324 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 63. 1318 1319

193

Fall einer Dienstpflichtverletzung zu ermahnen bzw zu belehren.1325 Die Ermahnung oder die Belehrung kann formlos erfolgen und ist nicht annahmebedürftig. 1326 Sie stellt keine Disziplinarstrafe dar. 1327 

Versetzung und Mobbing

In ihrer Entscheidung vom 05. 04. 2004, 6/10-BK/04, hat die Berufungskommission die Abberufung eines Vorgesetzten von seiner Leitungsfunktion aufgrund von langjähriger sexueller Belästigungen mehrerer seiner Mitarbeiterinnen gemäß § 38 Abs 2 und 3 BDG für gerechtfertigt erkannt. 1328

Schwerwiegende Streitigkeiten zwischen Bediensteten machen eine Versetzung nach der Rsp des VwGH zulässig. Dabei ist derjenige zu versetzen, der die Konflikte aufgrund von rechtswidrigen Handlungen herbeiführt oder auf wen sie (auch bei an sich rechtskonformen Verhalten) eindeutig zurückzuführen sind. 1329

Auch der VfGH hat in seiner Entscheidung B 2212/00 vom 26. 11. 2001 mit Hinweis auf die stRsp des VwGH „als ein wichtiges dienstliches Interesse, das eine Versetzung rechtfertigt, auch das Vorliegen von wesentlichen Konflikten und Spannungen zwischen Beamten einer Dienststelle“ gewertet. Die zuständige Behörde ist in diesem Zusammenhang berechtigt, das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung in der Dienststelle selbst zu beurteilen. 1330

Anlehnend an die bisherige Judikatur ist davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen § 43a BDG eine Versetzung jedenfalls rechtfertigen kann. 

Regress des Rechtsträgers

Gemäß § 3 Abs 1 AHG kann der Rechtsträger, welcher nach dem AHG vom Geschädigten zum Ersatz seines Vermögensschadens herangezogen wurde, vom Schädiger Regress fordern, sofern dieser grob fahrlässig bzw vorsätzlich gehandelt hat. Außerhalb des AHG finden die Regelungen des DHG gemäß § 1 DHG auch auf öffentliche Dienstverhältnisse ihre Anwendung. Vgl Fellner, BDG § 109 E 10 (www.rdb.at). Vgl Fellner, BDG § 109 E 9 (www.rdb.at). 1327 Vgl Fellner, BDG § 109 E 7 (www.rdb.at). 1328 Vgl DOK 05. 04. 2004, 6/10-BK/04. 1329 Vgl Fellner, BDG § 38 E 60, VwGH 06. 09. 1995 SlgNF 14.313 A (www.rdb.at). 1330 VfGH 26. 11. 2001, B 2212/00. 1325 1326

194



Schadenersatz nach dem B-GlBG

Eine Belästigung verpflichtet den Täter – unabhängig ob Beamter oder Vertragsbediensteter zum Ersatz des erlittenen Schadens sowie des ideellen Schadens aufgrund der Beeinträchtigung der Würde. Der ideelle Schadenersatzanspruch gegen den Täter besteht gegebenenfalls neben dem Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens und muss mindestens € 1.000,00 betragen.

1331

Im Übrigen stellt eine Diskriminierung iSd B-GlBG eine

Dienstpflichtverletzung dar und kann daher ein Disziplinarverfahren zur Folge haben (§§ 9, 16a B-GlBG). 

Kündigung des Beamten im provisorischen Dienstverhältnis

Der Beamte steht gemäß § 10 Abs 1 BDG die ersten sechs Jahre ab Aufnahme in das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis in einem provisorischen Dienstverhältnis zum Bund. In dieser Zeit kann er abhängig von der Dauer seiner Tätigkeit zu bestimmten Fristen (vgl § 10 Abs 2 BDG) und nach Ablauf der Probezeit von sechs Monaten nur noch unter Angabe von Gründen (vgl § 10 Abs 3 BDG) gekündigt werden 1332 , wobei eine Kündigung in der Probezeit auch nicht willkürlich erfolgen darf. 1333 Auf Antrag des Beamten wird das Dienstverhältnis bei Erfüllung der „Definitivstellungserfordernisse“ 1334 und nach Vollendung des sechsten Dienstjahres 1335 endgültig. 1336 Die Definitivstellung, durch die der Beamte unkündbar wird, ist per Bescheid festzustellen. 1337

Durch eine Verletzung des § 43a BDG könnte der die mobbende Person den Kündigungstatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens gemäß § 10 Abs 4 Z 4 erfüllen. 1338 Eine strafrechtliche Verurteilung, unabhängig davon, ob das Verhalten im Rahmen der Dienstverrichtung oder außerhalb des Dienstverhältnisses gesetzt wurde, berechtigt auch zu einer Kündigung gemäß Z 4. 1339

Vgl Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid, Antidiskriminierung 143. Siehe Näheres zu den Kündigungsgründen bei Fellner, BDG § 10 E 19 ff (www.rdb.at). 1333 Vgl Fellner, BDG § 10 Anm 5 (www.rdb.at). 1334 Siehe Näheres zu den Definitivstellungserfordernissen bei Fellner BDG § 11 Anm 3 mit Hinweis auf Anlage 1 des BDG (www.rdb.at). 1335 Siehe Näheres zu der Möglichkeit einer Zeiteinrechnung bei Fellner BDG § 11 Anm 6 ff und in § 11 Abs 3 BDG (www.rdb.at). 1336 Vgl Fellner, BDG § 11 Anm 2 (www.rdb.at). 1337 Vgl Fellner, BDG § 11 E 5 (www.rdb.at). 1338 Vgl Fellner BDG § 10 E 49 (www.rdb.at). 1339 Vgl Fellner, BDG § 10 E 44, 45 (www.rdb.at). 1331 1332

195



Amtsverlust gemäß § 20 Abs 1 Z 4 iVm § 27 StGB

Hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Beamten wird gemäß § 20 Abs 1 BDG darauf abgestellt, ob der Beamte bereits die Definitivstellung erlangt hat. Der Verlust des Amtes kann hingegen jeden Beamten, unabhängig von seiner Stellung, treffen, wenn er die Voraussetzungen des § 27 StGB erfüllt. Der Amtsverlust kann gemäß § 27 Abs 1 StGB eintreten, wenn ein Beamter wegen einer oder mehreren Vorsatztaten zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt wird (Z 1) oder die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe ein halbes Jahr ausmacht (Z 2) oder der Beschuldigte auch oder ausschließlich den Tatbestand des Missbrauchs des Autoritätsverhältnisses gemäß § 212 StGB 1340 verwirklicht hat (Z 3).

Diese Rechtsfolge einer Verurteilung kann allerdings gemäß § 44 Abs 2 StGB bedingt nachgesehen werden. 

Einleitung eines Disziplinarverfahrens

Verletzt ein Beamter schuldhaft seine Dienstpflichten, so ist er gemäß § 91 BDG disziplinarrechtlich zu belangen. Das Disziplinarverfahren wird grundsätzlich für alle Beamten des Bundes abschließend im BDG geregelt. Ausgenommen vom Geltungsbereich sind Richter, Richteranwärter (vgl §§ 101 ff RDG) und Heeresbedienstete (vgl §§ 1 ff Heeresdisziplinargesetz 2002

1341

). Für Landes- und Gemeindebedienstete gelten die

jeweiligen Landes-, Gemeinde- und Stadtbeamtengesetze, die zum Teil selbständige Bestimmungen enthalten, zum Teil auf das BDG verweisen. 1342 7.1.3

Genauere Betrachtung des Disziplinarverfahrens – Zuständigkeit gemäß §§ 96 – 104 BDG

Disziplinarbehörden des Bundes sind gemäß § 96 BDG die Dienstbehörden, die Disziplinarkommissionen, die Disziplinaroberkommission sowie die Berufungskommission. 

Die Dienstbehörden

Das BDG trifft keine Regelung hinsichtlich der Dienstbehörden. Gemäß § 2 Abs 2 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, 1343 im Folgenden DVG, sind – soweit nichts anderes

Siehe Näheres zu den Voraussetzungen zu § 212 StGB bei Fabrizy, StGB10 (2010) § 212 Rz 1 ff. HeeresdisziplinarG 2002, BGBl I 167/2002. 1342 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 390. 1343 DVG BGBl 1984/29 zuletzt geändert durch BGBl 1991/362. 1340 1341

196

geregelt ist – die obersten Verwaltungsorgane des Bundes 1344 zuständig. 1345 Eine Übertragung dieser Kompetenz an nachgeordnete Dienststellen ist im Bereich des Bundes möglich. 1346 Die Dienstbehörden können vorläufige Suspendierungen verhängen und Disziplinarverfügungen erlassen. 1347 

Die Disziplinarkommissionen

Bei jeder obersten Dienstbehörde ist eine Disziplinarkommission konstituiert.1348 Sie erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen eines Tribunals iSd Art 6 Abs 1 EMRK. Ihre Mitglieder sind zwar absetzbar, dafür aber „selbständig“ und „unabhängig“. 1349 Die Entscheidungen der Disziplinarkommission werden in Senaten getroffen 1350 und ergehen in Bescheidform. 1351 Sie ist befugt, Disziplinarerkenntnisse zu erlassen und über Suspendierungen zu entscheiden. 1352 

Die Disziplinaroberkommission

Beim

Bundeskanzleramt

ist

eine

Disziplinaroberkommission

konstituiert.

Die

Disziplinaroberkommission bildet grundsätzlich ebenfalls ein Tribunal iSd Art 6 Abs 1 EMRK. Ihre Mitglieder sind „selbständig“ und „unabhängig“, aber absetzbar. 1353 Die Disziplinaroberkommission ist zuständig für Berufungen gegen Disziplinarerkenntnisse und Suspendierungen. 1354 

Die Berufungskommission

Ebenfalls beim Bundeskanzleramt eingerichtet ist die Berufungskommission, welche eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gemäß Art 133 Z 4 B-VG ist. 1355 Die Berufungskommission

entscheidet

über

„Berufungen

gegen

Versetzungs-

und

Verwendungsänderungsbescheide“ und über „Berufungen gegen Einleitungs-, Einstellungs-

1344

der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die Bundesminister ua; siehe Näheres zu den weiteren obersten Verwaltungsorganen des Bundes in Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 392 f. 1345 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 392. 1346 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 393. 1347 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 525. 1348 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 394. 1349 Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 411. 1350 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 406. 1351 Vgl Fellner, BDG § 98 E2 (www.rdb.at). 1352 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 525. 1353 Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 411. 1354 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 418. 1355 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 414.

197

und Verhandlungsbeschlüsse“ im Disziplinarverfahren. 1356 Gegen eine Entscheidung der Berufungskommission steht ein Instanzenzug zum VwGH nicht offen. 1357 7.1.4 

Das Disziplinarverfahren – Verlauf gemäß §§ 105-135 BDG

Einleitung

Besteht der „begründete Verdacht“ einer Dienstpflichtverletzung durch einen Beamten, hat zunächst der Vorgesetzte eine erste Bestandsaufnahme durchzuführen. 1358 Bloße Gerüchte und Vermutungen genügen dabei nicht für das Tätigwerden des Vorgesetzten. 1359 Hält dieser nach einer vorläufigen Sachverhaltsklärung eine Ermahnung und Belehrung für ausreichend, wird ein Verfahren erst gar nicht eingeleitet.

1360

Im anderen Fall erstattet er eine

Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde, welche dem Beschuldigten zuzustellen ist. Aufgrund der Anzeige hat die Dienstbehörde das Ermittlungsverfahren einzuleiten. 1361 Liegt die Vermutung nahe, dass ein Beamter einen Tatbestand nach dem StGB verwirklicht hat, ist die Dienstbehörde umgehend ohne weitere Erhebungen durch den Vorgesetzten mit der Angelegenheit zu befassen. 1362

Die Einleitung des ordentlichen Verfahrens vor der Dienstbehörde kann auch durch Selbstanzeige

des

pflichtverletzenden

Beamten,

bei

Einverständnis

eines

Diskriminierungsopfers durch Anzeige des Gleichbehandlungsbeauftragten, 1363 aufgrund eines Gutachtens der Gleichbehandlungskommission, aufgrund eines Berichtes des Vorgesetzten 1364 oder aufgrund einer Disziplinaranzeige durch eine nachgeordnete bzw oberste Dienstbehörde im Rahmen ihrer „amtlichen Wahrnehmung“ erfolgen. 1365

Erst im Ermittlungsverfahren vor der Dienstbehörde, nämlich mit Zustellung der Disziplinaranzeige, erwirbt der Beschuldigte Parteistellung 1366 und damit das Recht auf Gehör und Einsicht in die Akten. Es kann auf drei verschiedene Arten abgeschlossen werden, nämlich durch Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 420. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 414. 1358 Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 538. 1359 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 538 mit Verweis auf VwGH 16. 11. 1989, 89/16/0091; 15. 12. 1989, 89/09/0113; 04. 09. 1990, 88/09/0013; 30. 10. 1991, 91/09/0192; 27. 10. 1999, 97/09/0105. 1360 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 480. 1361 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 480. 1362 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 539. 1363 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 553. 1364 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 556. 1365 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 555. 1366 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 440. 1356 1357

198

→ Abstandnahme von einer weiteren Verfolgung, → Erlass einer Disziplinarverfügung oder → Weiterleiten der Anzeige an den Vorsitzenden der zuständigen Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt. 1367 

Absehen von der Verfolgung

Von der Verfolgung kann trotz Bestehen eines Verdachts gemäß § 110 Abs 2 BDG dann abgesehen werden, wenn sowohl das Verschulden als auch die Folgen der Tat als gering beurteilt werden können und keine spezialpräventiven Bedenken gegen das Absehen einer weiteren Verfolgung bestehen. Über die Abstandnahme von der Verfolgung ergeht kein Bescheid. 1368 Die Behörde stützt sich in diesem Stadium hinsichtlich des Sachverhalts überwiegend auf die Ergebnisse der Vorerhebungen des Vorgesetzten. 1369 7.1.5 

Verfahren

Abgekürztes Verfahren – die Disziplinarverfügung

Ist der beschuldigte Beamte hinsichtlich einer oder mehrerer Dienstpflichtverletzungen geständig und ist bzw sind diese noch als „geringfügig“ zu sehen, kann von der Dienstbehörde eine Disziplinarverfügung erlassen werden, ohne weitere Beweise zu erheben. Mit einer Disziplinarverfügung können nur ein Verweis und eine Geldbuße bis zu einer bestimmten Höhe 1370 verhängt werden. 1371 Die Disziplinarverfügung wird in Bescheidform erlassen.

1372

Gegen diesen Bescheid können sowohl der Beschuldigte als auch der

Disziplinaranwalt innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung Einspruch bei der Dienstbehörde erheben. 1373 Damit wird die Disziplinarverfügung außer Kraft gesetzt.1374 Es liegt dann an der Disziplinarkommission zu entscheiden, ob sie das Disziplinarverfahren einleitet oder gemäß § 118 BDG einstellt. 1375

Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 550. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 559. 1369 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 480. 1370 10% des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage; siehe Näheres bei Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 561. 1371 Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 561. 1372 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 562. 1373 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 563. 1374 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 619. 1375 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 566. 1367 1368

199



Ordentliches Verfahren

Im ordentlichen Verfahren vor der Disziplinarkommission wird das tatsächliche Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es wird durch den Einleitungsbeschluss eröffnet, gegen den sowohl vom Beschuldigten als auch vom Disziplinaranwalt das Rechtsmittel der Berufung

an

die

Berufungskommission

erhoben

werden

können.

1376

Die

Disziplinarkommission kann das Verfahren aber auch gemäß § 118 Abs 1 BDG mittels Bescheid einstellen. 1377 Eine Einstellung ist zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, welche die Strafbarkeit ausschließen 1378 oder die Verfolgung verhindern, 1379 wenn der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat bzw diese ihm nicht nachgewiesen werden kann, weiters, wenn die Tat nicht als Dienstpflichtverletzung zu qualifizieren oder geringfügig ist. Gemäß § 118 Abs 2 BDG wird das Disziplinarverfahren mit Auflösung des Dienstverhältnisses ex lege eingestellt.

Ansonsten ist nach hinreichender Aufklärung der Fakten mittels Verhandlungsbeschlusses, welcher einer Anklageschrift gleichkommt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, 1380 in welcher die Beweise unmittelbar zu erheben sind. 1381 Die Verhandlung unterliegt der Offizialmaxime. 1382

Sie endet im Fall der Anwesenheit des Beschuldigten mit einem

mündlich verkündeten Disziplinarerkenntnis, andernfalls erfolgt die Entscheidung in schriftlicher Form. 1383 Gegen das Disziplinarerkenntnis kann der Beschuldigte Berufung erheben, über welche die Disziplinaroberkommission zu entscheiden hat. 1384

Selbst im Falle eines Freispruchs bzw einer Einstellung des Verfahrens gebührt dem Beschuldigten kein Kostenersatz. 1385 § 117 Abs 1 BDG bestimmt lediglich, dass die Barauslagen vom Bund zu tragen sind, wenn das Verfahren mittels Freispruch, Einstellung oder Disziplinarverfügung endet. Wird über dem Beschuldigten allerdings ein Straferkenntnis verhängt, ist ihm auch ein Kostenbeitrag aufzuerlegen. 1386

Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 565. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 583. 1378 Darunter fallen die Strafausschließungsgründe ieS, wie zB die berufliche Immunität von Abgeordneten oder die funktionelle Immunität von Personalvertretern; weiters die Strafaufhebungsgründe, wie zB die Strafbarkeitsund die Verfolgungsverjährung; vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 24 f. 1379 Verfolgsungshindernisse sind prozessualer Natur, siehe Näheres bei Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 55. 1380 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 582. 1381 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 588. 1382 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 590. 1383 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 595. 1384 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 609. 1385 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 500. 1386 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 502. 1376 1377

200

Gegen den Beschuldigten muss innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis der Dienstbehörde bzw innerhalb von drei Jahren ab Abschluss der Tat eine Disziplinarverfügung verhängt bzw ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission mittels Beschluss eingeleitet sein (Einleitungsbeschluss), ansonsten tritt eine Verfolgungsverjährung ein und der Beschuldigte kann wegen der Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden. 1387 Die Dienstbehörde erwirbt in der Regel durch die Disziplinaranzeige, durch den Bericht des Vorgesetzten oder durch die Selbstanzeige Kenntnis von der mutmaßlichen Dienstpflichtverletzung. 1388 Bei einem fortgesetzten Delikt wie Mobbing beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst mit Abschluss der letzten Handlung zu laufen. 1389

Das Recht, eine Disziplinarstrafe über einen Beschuldigten zu verhängen, verjährt nach drei Jahren ab Zustellung des Einleitungsbeschlusses. 1390 7.1.6

Die einzelnen Disziplinarstrafen gemäß §§ 92 ff BDG mit Beispielen aus der Judikatur

Das BDG normiert – im Gegensatz zum StGB bzw VStG – keine Strafbarkeit der bloßen Beteiligung an einer Dienstpflichtverletzung. Ein Beteiligter kann daher nur dann disziplinär geahndet werden, wenn er sich selbst einer Dienstpflichtverletzung zu Schulden hat kommen lassen. 1391 Das bloße Zusehen und die unterlassene Hilfeleistung werden daher per se keine Dienstpflichtverletzung begründen. Das BDG kennt gemäß § 92 BDG vier Arten von Disziplinarstrafen, nämlich den Verweis, die Geldbuße, die Geldstrafe und die Entlassung. 1392 Darüber hinaus wird nach der ständigen Rsp des VwGH der Schuldspruch ohne Strafe gemäß § 115 BDG auch als Disziplinarstrafe angesehen. 1393 Trotz Schuldspruch wird gemäß § 115 BDG keine Strafe ausgesprochen, wenn dies aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht erforderlich erscheint. Dies ist meist dann der Fall, wenn sowohl die Folgen der Verletzung als auch das Verschulden als gering einzustufen sind. 1394 Die Verwendung eines Bildschirmschoners mit nackten Frauen, trotz ausdrücklicher Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 65. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 67. 1389 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 68. 1390 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 74. 1391 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 77. 1392 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 78; siehe Näheres zu den Lehrern in § 223 BDG. 1393 Vgl Fellner, BDG § 115 E 2 (www.rdb.at). 1394 Vgl Fellner, BDG § 115 E 3 (www.rdb.at). 1387 1388

201

Bitte einer Kollegin auf Unterlassung, wurde von der DOK in ihrer Entscheidung vom 11. 09. 2000, 63/6-DOK/00, gemäß § 115 BDG geahndet. 1395 Der Verweis stellt die mildeste Disziplinarstrafe nach § 92 BDG dar. 1396 Die DOK hat in ihrer Entscheidung vom 05. 12. 2001, 91/7-DOK/01 einen Verweis gegenüber einem Beamten ausgesprochen, der eine minderjährige Kollegin außer Dienst bedrängt und zu küssen versucht hat, wobei er seine Versuche sofort beendete, als diese ihn dazu aufforderte. 1397 Die Höhe der Geldbuße ist mit dem halben Monatsgehalt, die Höhe der Geldstrafe mit fünf Monatsgehältern des Beamten zur Zeit der Fällung des erstinstanzlichen Erkenntnisses der Disziplinarbehörde unter Ausschluss der Haushaltszulage begrenzt.

1398

Eine sexuelle

Belästigung wurde bis dato zumeist – abhängig vom Schweregrad - mit einer Geldbuße bzw einer Geldstrafe sanktioniert. 1399 In ihrer Entscheidung 17/8-DOK/11 vom 28. 03. 2011 hat die Disziplinaroberkommission für verbale sexuelle Belästigungen eines Vorgesetzten, welche wiederholt gegenüber eine untergeordnete Mitarbeiterin ausgesprochen wurden, insbesondere aus generalpräventiven Überlegungen eine Geldbuße von € 300,00 festgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass Mobbing auch mittels Verhängung einer Geldbuße geahndet wird. Die Entlassung stellt die härteste Maßnahme für eine Dienstpflichtverletzung dar 1400 und ist nur dann zu verhängen, wenn die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses unzumutbar wäre. Die Definitivstellung eines Beamten steht einer Entlassung nicht entgegen. 1401 Häufigster Grund einer Entlassung ist eine gerichtliche Verurteilung des Beamten, zB gemäß § 297 Abs 1 StGB wegen Verleumdung von Kollegen mittels anonymer Anzeigen über die angebliche Verletzung von Dienstpflichten. 1402 Darüber hinaus wird in der Praxis eine Entlassung bei schwerer Alkoholsucht, die zur Dienstunfähigkeit führte,

1403

bei ungerechtfertigter

Dienstabwesenheit über einen längeren Zeitraum 1404 oder bei hartnäckiger Verletzung der

1395

DOK 11. 09. 2000, 63/6-DOK/00. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 80. 1397 DOK 05. 12. 2001, 81/7-DOK/01. 1398 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 81. 1399 Vgl DOK 06. 04. 2000, 10/7-DOK/00; DOK 15. 06. 2000, 2/11-DOK/00, 2/14-DOK/00; DOK 25. 03. 2003, 104/8-DOK/02; DOK 27. 05. 2008, 22/8-DOK/08. 1400 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 83. 1401 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 85. 1402 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 88. 1403 Vgl VwGH 18. 10. 1990, 90/09/0110. 1404 Vgl VwGH 28. 07. 2000, 93/09/0182. 1396

202

Gehorsamspflicht 1405 ausgesprochen. Aus den Einzelfallentscheidungen lässt sich ableiten, dass vor allem schwere Verstöße gegen die allgemeinen Dienstpflichten gemäß § 43 Abs 2 BDG eine Entlassung rechtfertigen. Jedenfalls muss es sich um entsprechend schwere Fälle handeln, um eine Entlassung als Disziplinarstrafe verhängen zu können. 1406 7.1.7 

Mögliche Folgen einer Disziplinarstrafe

Disziplinarstrafe und Versetzung

Ein wichtiges, dienstliches Interesse, welches eine Versetzung bzw einer Versetzung gleichzuhaltenden Verwendungsänderung rechtfertigt, ist ex lege gegeben, wenn der Beamte rechtskräftig zu einer Disziplinarstrafe verurteilt wird und eine Dienstverrichtung in seiner bisherigen Dienststelle aufgrund der begangenen Dienstpflichtverletzung nicht möglich erscheint. 1407 In diesem Fall kann auch ein Mitglied der Personalvertretung ohne seine Zustimmung versetzt bzw zugeteilt werden. 1408 Die Entscheidung über die Versetzung bzw die der Versetzung gleichzuhaltenden Verwendungsänderung ergeht in Bescheidform 1409 und kann vor der Berufungskommission bekämpft werden. 1410 Ein wesentlicher wirtschaftlicher Nachteil oder ein Sozialvergleich ist bei Versetzungen im Rahmen eines disziplinär zu ahnenden Verhaltens nicht zu berücksichtigen, wohl aber die familiäre, soziale und persönliche Situation im Fall einer Änderung des Dienstortes.

Eine Versetzung kann auch schon während eines laufenden Disziplinarverfahrens anstatt einer Suspendierung angeordnet werden. 1411 

Ruhestand von Amts wegen gemäß § 15a BDG

Eine verhängte Disziplinarstrafe (mit Ausnahme der Entlassung) stellt ex lege ein wichtiges dienstliches Interesse dar, einen Beamten von Amts wegen frühzeitig in den Ruhestand zu versetzen. 1412

Vgl DOK 07. 03. 1986, GZ 62/13 – DOK/85; siehe weitere Beispiele aus der Judikatur bei KucskoStadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 98. 1406 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 84. 1407 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 642. 1408 Vgl Schragel, PVG § 27 Rz 1. 1409 Vgl Fellner, BDG § 38 Anm 8 (www.rdb.at). 1410 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 414. 1411 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 642. 1412 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 647. 1405

203

7.1.8 

Sichernde Maßnahmen – die Suspendierung gemäß § 112 BDG

Voraussetzungen einer Suspendierung

Die Suspendierung findet sich im BDG nicht unter den in § 92 aufgezählten Disziplinarstrafen. Sie gilt als sichernde Maßnahme 1413 und ist gemäß § 112 Abs 1 BDG anzuordnen, wenn über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt wird oder wenn aufgrund der Art der dem Beamten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung eine Gefährdung des Ansehens des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes bei Aufrechterhaltung des Dienstes zu befürchten wäre. Um eine Gefährdung des Ansehens des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes annehmen zu können, muss wenigstens ein konkreter Tatverdacht bestehen. 1414 Das Ansehen des Amtes wäre vor allem durch jene Pflichtverletzungen gefährdet, die geneigt sind, einen Skandal in der Öffentlichkeit zu verursachen und das Vertrauen der Allgemeinheit zu erschüttern, zB die Annahme einer größeren Menge von Schmiergeldern. 1415 Wesentliche Interessen des Dienstes können durch Dienstpflichtverletzungen „unter Ausnützung einer Amtsstellung“ gefährdet erscheinen. Weiters berechtigen auch schwere Beeinträchtigungen des Dienstablaufs oder des „Betriebsklimas“ eine Suspendierung. 1416 Die Suspendierung zum Schutz wesentlicher Interessen des Dienstes gilt als Präventivmaßnahme, um vor weiteren schweren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

1417

Als „gelinderes

Mittel“ wird häufig unter den Voraussetzungen des § 38 BDG die Versetzung anstatt der Suspendierung eingesetzt. 1418 

Mobbing als Grund für eine Suspendierung

Die Disziplinaroberkommission vertritt die Ansicht, dass beim konkreten Verdacht einer sexuellen Belästigung eine Suspendierung gerechtfertigt ist. 1419 Weiters hielt sie in der Entscheidung 42/7-DOK/09 eine Suspendierung gegen einen Beamten gerechtfertigt, der im Verdacht stand, Mobbinghandlungen in Form von Einschüchterungen, Manipulationen und Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 505. Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 507. 1415 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 515. 1416 Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 510. 1417 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 510. 1418 Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 525. 1419 Vgl DOK 18. 06.1 999, 42/5-DOK/99; DOK 08. 10. 1999, 102/6-DOK/99; DOK 17. 02. 2005, 5/7-DOK/05; DOK 08. 06. 2009, 38/7-DOK/09. 1413 1414

204

rufschädigenden Handlungen gegen zwei Mitarbeiterinnen zu führen, zumal der „Dienstbetrieb“ dadurch erheblich gestört wurde. Die betreffenden Kolleginnen sollten als Zeuginnen in einem gegen den Beamten laufenden Disziplinarverfahren auftreten. 1420

Der VwGH wertete mehrmalige Beleidigungen in schriftlicher und mündlicher Form, Verspottungen, Herabsetzungen und weitere Ehrverletzungen von Kollegen als eine schwere Beeinträchtigung des Dienstbetriebes. 1421 Aufgrund der bisherigen Judikatur des VwGH ist davon auszugehen, dass zumindest eine schwere Verletzung des neu normierten Mobbingverbots in § 43a BDG zu einer Suspendierung berechtigt. 

Verfahren

Liegen die Voraussetzungen gemäß § 112 BDG vor 1422 und läuft das Disziplinarverfahren nicht bereits vor der Disziplinarkommission, 1423 kann die Dienstbehörde zunächst eine vorläufige

Suspendierung

verhängen.

Über

eine

solche

Entscheidung

ist

die

Disziplinarkommission in Kenntnis zu setzen, die im Rahmen einer sukzessiven Kompetenz über die endgültige Suspendierung verfügen kann.

1424

Die Entscheidung über die

Suspendierung ergeht in Bescheidform. 1425 

Folgen

Bereits mit der vorläufigen Suspendierung geht das Verbot einher, den Dienst zu versehen. Damit entfallen vorerst sämtliche mit der Dienstverrichtung zusammenhängenden Rechte und Pflichten. 1426 Mit der Entscheidung der Disziplinarkommission über die Suspendierung wird ex lege der Dienstbezug um ein Drittel gekürzt. 1427 

Beendigung

Die Suspendierung kann auf zwei Arten beendet werden, nämlich einerseits ex lege, wenn das Disziplinarverfahren

rechtskräftig

beendet

1420

wurde

und

andererseits

mittels

eines

DOK 23. 06. 2009, 42/7-DOK/09. Vgl VwGH 19. 05. 1993, 92/09/0238. 1422 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 525. 1423 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 526. 1424 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 525. 1425 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 527. 1426 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 522; siehe Näheres zu den Rechtswirkungen bei Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 522 ff. 1427 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 523. 1421

205

Aufhebungsbescheides, wenn die Voraussetzungen der Suspendierung vor Beendigung des Verfahrens nicht mehr gegeben sind. 1428 7.2

Besonderheiten

bei

den

rechtlichen

Folgen

für

die

mobbende

Person

im

Anwendungsbereich des VBG 

Ermahnung / schlichte Verwarnung

Im Rahmen des Weisungsrechts eines Vorgesetzten hat dieser seine Mitarbeiter zu ermahnen und zu belehren. Eine bestimmte Form ist nicht vorgesehen.1429 

Versetzung

Die Veranlassung einer Versetzung gemäß § 6 VBG als Abhilfemaßnahme des Dienstgebers ist nach der Judikatur des OGH jedenfalls gerechtfertigt, wenn ein Vertragsbediensteter den Betriebsfrieden erheblich stört. 1430 

Die Kündigung gemäß § 32 f VBG

Anders als Beamte können Vertragsbedienstete von ihrem Dienstgeber gekündigt werden. Wie bereits erwähnt, kann im ersten Dienstjahr eine Kündigung ohne Angabe von Gründen ausgesprochen werden.

1431

Hat das Dienstverhältnis hingegen durchgehend ein Jahr

angehalten, kann der Vertragsbedienstete gemäß § 32 Abs 1 VBG nur noch schriftlich und aus einem im Gesetz normierten Grund gekündigt werden. Im Zusammenhang mit Mobbing könnten folgende Kündigungsgründe in Frage kommen: Gemäß § 32 Abs 2 Z 1 VBG kann ein Vertragsbediensteter bei gröblicher Verletzung der Dienstpflichten gekündigt werden, sofern nicht eine Entlassung in Frage kommt. Dieser Kündigungsgrund gilt als Auffangtatbestand, wenn eine Entlassung nicht berechtigt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses trotz begangener Dienstpflichtverletzung zumutbar ist. 1432 Als Beispiele aus der Judikatur finden sich das wiederholte Zuwiderhandeln gegen Weisungen 1433 , die Beschimpfung eines Arbeitskollegen oder Vorgesetzten 1434 oder das beharrliche Nichteinhalten der Dienstzeit. 1435

Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 528. Vgl OGH 08. 10. 2008, 9 ObA 49/08h. 1430 OGH 14. 05. 1985, 4 Ob 53/85. 1431 Vgl Fellner, BDG § 10 Anm 6 (www.rdb.at). 1432 Vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht2 206. 1433 Vgl Fellner, BDG § 32 Abs 1 VBG E 55 (www.rdb.at). 1434 Vgl Fellner, BDG § 32 Abs 1 VBG E 57 (www.rdb.at). 1435 Vgl Fellner, BDG § 32 Abs 1 VBG E 50 (www.rdb.at). 1428 1429

206

Gemäß § 32 Abs 2 Z 6 VBG kann ein Vertragsbediensteter gekündigt werden, wenn er ein Verhalten setzt, „das nicht geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aufrechtzuerhalten, sofern nicht Entlassung in Frage kommt.“ Die Judikatur hat ein beleidigendes Benehmen gegenüber seinen Kollegen oder dem Vorgesetzten, 1436 unsittliche Verhaltensweisen 1437 oder eine strafgerichtliche Verurteilung (bei Bekleidung einer Vertrauensposition) wegen eines Vermögensdelikts 1438 unter diesen Tatbestand subsumiert. 1439 

Die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 34 VBG

Die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses ohne Einhaltung von Fristen ist gemäß § 34 Abs 1 VBG nur aus wichtigen Gründen möglich. Diese Gründe müssen die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses unzumutbar machen. 1440 Folgende Entlassungsgründe könnten als Grundlage dienen, das Dienstverhältnis wegen Mobbing zu beenden:

Das Dienstverhältnis zu einem Vertragsbediensten kann vorzeitig gemäß § 34 Abs 2 lit b VBG wegen Vertrauensunwürdigkeit aufgelöst werden. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn sich der Vertragsbedienstete einer besonders schweren Dienstpflichtverletzung, einer sonstigen Handlung oder Unterlassung zu Schulden kommen hat lassen, die das Vertrauen seines Dienstgebers zutiefst erschüttern. Davon umfasst sind insbesondere Tätlichkeiten 1441 und erhebliche Ehrverletzungen

1442

gegen Kollegen und Vorgesetzte. Eine sexuelle

Belästigung wurde von der Judikatur unter diesen Tatbestand subsumiert, 1443 wobei vom OGH klargestellt wurde, dass nach „den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden sei“, ob sie eine Entlassung rechtfertigt.1444 Weiters könnte eine Dienstverweigerung entgegen den Anweisungen gemäß § 34 Abs 2 lit d VBG zu einer Entlassung berechtigen. Der Tatbestand gemäß § 34 Abs 2 lit d VBG ist erfüllt, wenn der Vertragsbedienstete schuldhaft zuwider den Anweisungen seines Vorgesetzten handelt oder seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß verrichtet. Die beharrliche Nichtbefolgung Vgl Fellner, BDG § 32 Abs 1 VBG E 90, E 92 (www.rdb.at). Vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht2 211. 1438 Vgl Fellner, BDG § 32 Abs 1 VBG E 93 (www.rdb.at). 1439 Vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht2 211. 1440 Vgl RIS-Justiz RS0105940. 1441 Siehe Näheres zum Begriff Tätlichkeiten bei Fellner, BDG § 34 VBG E 10 ff (www.rdb.at). 1442 Siehe Näheres zum Begriff Ehrverletzung bei Fellner, BDG § 34 VBG E 13 ff (www.rdb.at). 1443 Vgl Fellner, BDG § 34 VBG E 19; OGH 26. 05. 2004, 9 ObA 64/04h (www.rdb.at). 1444 OGH 26. 05. 2004, 9 ObA 64/04h. 1436 1437

207

der Anweisung des Vorgesetzten, einen achtungsvollen Umgang mit den Kollegen zu pflegen, könnte unter Umständen zur Entlassung berechtigen. Eine strafgerichtliche Verurteilung, die nach den gesetzlichen Vorschriften den Amtsverlust zur Folge hat, führt ebenfalls gemäß § 34 Abs 3 VBG zur Auflösung des Dienstverhältnisses. Mit Rechtskraft des Urteils, mit dem ein Vertragsbediensteter wegen einer oder mehreren Vorsatztaten zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt wird oder die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe ein halbes Jahr ausmacht oder die Verurteilung ua wegen § 212 StGB erfolgt (vgl § 27 Abs 1 StGB), gilt der Vertragsbedienstete gemäß § 34 Abs 3 VBG ex lege als entlassen. 

Regress des Dienstgebers

Der Regress des Dienstgebers gegen einen Vertragsbediensteten richtet sich nach § 2 Abs 2 DHG. Der Umfang der Ersatzpflicht richtet sich daher vorwiegend nach dem Verschuldensgrad. 1445 8.

GEGENÜBERSTELLUNG DER REGELUNGEN DES ARBEITSRECHTS MIT DEM ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHT

8.1

Allgemeines

Die wesentliche Unterscheidung zwischen dem privaten Arbeitsrecht und dem öffentlichen Dienstrecht findet sich in der unterschiedlichen Dichte der Regelungen und in der Beendigung des Arbeits- bzw des Dienstverhältnisses. 1446

Das Dienstverhältnis von Beamten ist gesetzlich ausformuliert. Eine vertragliche Ausgestaltung ist ausgeschlossen. Vertragsbedienstete schließen zwar einen Dienstvertrag mit ihrem Dienstgeber ab, doch ist dessen Inhalt in überwiegenden Teilen vom VGB bestimmt. Im Gegensatz dazu bilden die im privaten Arbeitsrecht geltenden Gesetze, Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen lediglich die Grenzen für die inhaltliche Gestaltung der Arbeitsverträge. 1447

Während Arbeitnehmer wiederum von ihrem privaten Arbeitgeber in einem unbefristeten Vertrag ohne Angabe eines Grundes unter Einhaltung von Fristen gekündigt werden Vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1313 Rz 1 (www.rdb.at). Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 523. 1447 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 523. 1445 1446

208

können, 1448 kennt das BDG das Rechtsinstitut der Kündigung gemäß § 20 Abs 1 Z 2 BDG nur bei provisorischen Dienstverhältnissen. Im Anwendungsbereich des VBG sind Kündigungen zwar möglich, allerdings ist der Ausspruch einer solchen gemäß § 32 Abs 1 VBG an gesetzlich normierte Gründe gebunden, sobald das Dienstverhältnis einen bestimmten Zeitraum gedauert hat. Das Dienstverhältnis zum Beamten ist auf „Lebenszeit“ angelegt.1449 Das Institut der Entlassung stellt bei Beamten die schwerste Disziplinarstrafe dar, die nur als ultima ratio verhängt wird. 1450

Erklären lassen sich die unterschiedlichen Wesensmerkmale aus den verschiedenen Funktionen von Arbeitnehmern einerseits und öffentlichen Bediensteten andererseits. Während Arbeitnehmer als Mittel zur Gewinnerzielung fungieren, besorgen Angehörige des öffentlichen Dienstes öffentliche Aufgaben. Ein Unternehmen zielt darauf ab, maximale Leistungen von den Mitarbeitern zu erlangen. Das Wichtigste im Rahmen der Besorgung öffentlicher Aufgaben liegt hingegen im gesetzmäßigen, sachlichen und unbefangenen Handeln der Organe. 1451

Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 293. Vgl Fellner BDG § 1 Anm 1 (www.rdb.at). 1450 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 65. 1451 Vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 524. 1448 1449

209

Beamte

VB

Ang/Arbeiter

Begründung

Hoheitsakt

Vertrag

Vertrag

Rechtsgrundlage

BDG

VBG

AngG/GewO 1859

Dauer

Lebenszeit

bestimmt/unbestimmt

bestimmt/unbestimmt

Mobbingverbot

§ 43a BDG

§ 5 VBG iVm § 43a

nicht gesetzlich

BDG

statuiert

ex lege

ex lege

nach Lehre

Dpflverletzung

Dpflverletzung

Verletzung der

Wesentliche Merkmale

Folgen

Treuepflicht DG-Pflichten

Versetzung

Abhilfeverpflichtung

Abhilfeverpflichtung

Abhilfeverpflichtung

iRd Fürsorgepflicht

iRd Fürsorgepflicht

iRd Fürsorgepflicht

wichtiges dienstliches wichtiges dienstliches Zustimmung bei Interesse;

Interesse bei

Vertragsänderung

Änderung des Dienstortes / Zustimmung bei Vertragsänderung Krankheit

182 Tage voller

42 Tage voller Bezug

mindestens sechs

Bezug

Wochen voller Bezug

Kündigung durch

nur im provisorischen nur unter Angabe von

jederzeit, ohne

DG / AG

Dienstverhältnis

Angaben von

Gründen

Gründen bei unbefristeten AV Arbeitslosenversi- keine (ÜHG)

AlVG

AlVG

cherung Folgen der

keine Abfertigung;

uU Abfertigung;

uU Abfertigung;

Beendigung

Verlust der

Arbeitslosengeld

Arbeitslosengeld

Pensionsansprüche; Überbrückungshilfe

Auf verfassungsrechtlicher Ebene stellt sich zunächst die Frage, ob die unterschiedliche Regelung der verschiedenen Dienstrechtssysteme gleichheitswidrig ist. In diesem Zusammenhang vertritt der VfGH die ständige Ansicht, dass diese einem Vergleich nicht 210

zugänglich sind, zumal sie völlig verschieden sind. Unterschiede in den verschiedenen Arbeitsrechtsgesetzen einerseits und in den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen anderseits können daher nicht anhand ihrer sachlichen Rechtfertigung geprüft werden, zumal es bereits an der Grundvoraussetzung für die Prüfung, nämlich an vergleichbaren Sachverhalten, fehlen würde. 1452 8.2 8.2.1

Möglichkeiten und Folgen für das Opfer Möglichkeiten für das Opfer aufgrund von § 43a BDG, § 5 VBG iVm § 43a BDG

Während in den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen seit 01. 01. 2010 ein ausdrückliches Mobbingverbot normiert ist, fehlt es an einer diesbezüglichen Regelung in den arbeitsrechtlichen Gesetzen. Grundsätzlich vertritt der OGH aber bereits ebenfalls in stRsp die Ansicht, dass der Arbeitgeber bzw Dienstgeber seinem Mitarbeiter den materiellen und immateriellen Schaden ersetzen muss, der diesem aufgrund von Mobbing entstanden ist, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis von Mobbing keine Abhilfe geschaffen hat. 1453 Es stellt sich daher die Frage der Notwendigkeit bzw Zweckmäßigkeit eines ausdrücklichen Mobbingverbots im privaten Arbeitsrecht, wie es in den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen statuiert wurde.

Zunächst ist dazu anzuführen, dass das gesetzliche Mobbingverbot vor allem präventiven Charakter hat. Der öffentliche Dienstgeber hat sich dazu bekannt, dass er jegliche Form von die Würde eines Menschen beeinträchtigenden Handlungen ablehnt. Mit der Klarstellung, dass ein derartiges Verhalten eine Dienstpflichtverletzung darstellt, wurde dieser Haltung noch mehr Ausdruck verliehen und damit die Bewusstseinsbildung, dass Mobbing verboten ist, verstärkt. 1454

In den veröffentlichten Entscheidungen des OGH finden sich im Zusammenhang mit Mobbing

(außerhalb

ausschließlich

des

Klagen

Schadenersatzansprüchen

Anwendungsbereichs

gegen gegen

den

Arbeitgeber.

Kollegen

der

Diskriminierungsschutzgesetze)

1455

außerhalb

Die des

Geltendmachung

von

Anwendungsbereichs

der

Diskriminierungsschutzgesetze gestaltet sich schwieriger, zumal zu diesen eine vertragliche Vgl Merten/Papier (Hrsg), Handbuch der Grundrechte, Grundrechte in Deutschland und Europa, Band VII/1 Grundrechte in Österreich (2009) 292; VfGH 18. 06. 1997, G 304/96, B 613/97. 1453 Vgl OGH 04. 08. 2009, 9 ObA 86/08z. 1454 ErläutRV 488 BlgNR 24. GP. 1455 OGH 29. 01. 2002, 1 Ob 12/02z; 22. 02. 2006, 9 ObA 45/05z; 08. 09. 2009, 1 Ob 153/09w; 28. 06. 2011, 9 ObA 132/10t. 1452

211

Verbindung fehlt.

1456

Mit der Normierung des Mobbingverbots in den öffentlichen

Dienstrechtsgesetzen ist in diesem Zusammenhang auch ein Anknüpfungspunkt für die Rechtswidrigkeit geschaffen worden. Die Verpflichtung zu einem respektvollen Umgang kann zwar auch aus der Treuepflicht im privaten Arbeitsrecht abgeleitet werden, doch wächst einem Kollegen daraus kein Anspruch, zumal der OGH in stRsp verneint, dass der Arbeitsvertrag ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist. 1457

Tatsächlich reichen die Verhaltensverbote iSd § 43a BDG auch wesentlich weiter als der von der Rsp anerkannte Mobbingbegriff und tragen damit dem Umstand Rechnung, dass sich die Beurteilung, ob Mobbing vorliegt oder nicht, zumeist schwierig gestaltet.

Selbst wenn das private Arbeitsverhältnis durch eine geringe gesetzliche Regelungsdichte charakterisiert ist, sollte auch in diesem Bereich eine Klarstellung erfolgen, schon allein zum Zweck, Mobbing und andere unerwünschte Verhaltensweisen einfacher verfolgen und sanktionieren zu können. 8.2.2  Die

Sonstige Unterschiede resultierend aus der Verschiedenheit der Dienstrechtssysteme

Reaktion auf eine Weisung Weisungsunterworfenheit

der

öffentlich

Bediensteten

der

Verwaltung

ist

verfassungsgesetzlich ausformuliert. Die Möglichkeit der Nichtbefolgung ist an enge Voraussetzungen geknüpft, nämlich an die Unzuständigkeit des anweisenden Organs oder an die Strafgesetzmäßigkeit der Ausführung.

Im Rahmen des privaten Arbeitsrechts muss der Arbeitnehmer Weisungen, die nicht gerechtfertigt sind, nicht befolgen. Allerdings läuft er Gefahr, bei beharrlicher Weigerung entlassen zu werden und würde ihn im Falle einer Anfechtung der Entlassung die Beweispflicht, dass kein Entlassungsgrund gesetzt wurde, treffen. Im Übrigen steht es dem Arbeitgeber offen, den Arbeitnehmer zu kündigen. In der Praxis werden somit auch im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses Weisungen nur in Ausnahmefällen nicht ausgeführt werden.

1456

In seiner Entscheidung 9 ObA 80/04m vom 06. 04. 2005 hat der OGH verneint, dass der Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer ein Vertrag zugunsten von Schutzwirkung Dritter darstellt. 1457 OGH 06. 04. 2005, 9 ObA 80/04m; vgl aA von Majoros, Mobbing, Belästigung und andere unerwünschte Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Arbeits- und schadenersatzrechtliche Ansprüche, 74 ff.

212



Versetzung

Nur ein Beamter kann ohne seine Zustimmung abberufen werden, ohne dass ihm eine neue Tätigkeit zugewiesen wird. Damit wird einerseits ein Nährboden für Mobbing geschaffen, anderseits stellt es eine wohl gängige Mobbingmethode für Beamte, insbesondere auch im Bereich der Ausgliederung, dar. Ein Beamter kann dafür gegen jede beabsichtigte Versetzung Einwendungen erheben und den Versetzungsbescheid in der Folge auch bekämpfen. Aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens bei Beamten ist eine sofortige Versetzung derselben nur im Falle ihrer Zustimmung möglich. 

Krankenstand

Beamten gebührt im Krankheitsfall bis zu einer Dauer von 182 Tagen der volle Bezug. Daraus könnte man erklären, warum die Folge „Krankenstand“ aufgrund von Mobbing bei Beamten im Vergleich mit den anderen Statusgruppen besonders häufig ist. Tatsächlich scheint aufgrund der gravierenden Folgen eines Austritts der Krankenstand das „Ausharren“, die einzige Alternative zu sein, das Mobbingverhalten auszuhalten. 

Beendigung des Dienstverhältnisses

Im Rahmen des privaten Arbeitsrechts ist es vergleichsweise einfach, das Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitnehmer zu beenden. Damit wächst einerseits der Leistungsdruck, welcher einen Nährboden für Mobbing schafft, anderseits wird es dem Arbeitgeber leicht gemacht, sich eines unliebsam gewordenen Arbeitnehmers zu entledigen. Gerade Beamte haben diesbezüglich nichts zu befürchten. Interessanterweise führt aber gerade diese Sicherheit zur Demotivation. 

Folgen bei Beendigung des Dienstverhältnisses

Die rechtlichen Folgen der Beendigung des Dienstverhältnisses sind für Beamte weitaus gravierender als für private Arbeitnehmer bzw Vertragsbedienstete. Aber auch auf der Gefühlsebene muss es schwieriger sein, ein Dienstverhältnis „auf Lebenszeit“ zu beenden. Die einzige Alternative scheint das Ausharren bis zur Dienstunfähigkeit. 

Schadenersatzansprüche gegen den Dienstgeber

Im Anwendungsbereich des AHG kann ein Ersatzanspruch gegen den Vorgesetzten als Organ, unabhängig davon, ob er Vertragsbediensteter oder Beamter ist, ex lege nicht geltend gemacht werden. Ein Beamter kann daher bei Mobbing durch seinen Vorgesetzten einen 213

Schmerzengeldanspruch gegen diesen nicht geltend machen. Zwar vertritt der VfGH die Ansicht, dass das Dienstverhältnis eines Beamten nicht mit anderen Systemen vergleichbar und damit einer Sachlichkeitsprüfung nicht zugänglich ist, doch scheint das Ergebnis doch äußerst unbefriedigend. Geht das Mobbing im Übrigen von einem Kollegen aus und kommt der Dienstgeber seiner Abhilfeverpflichtung nach, kann der Beamte gerichtlich gegen den Kollegen vorgehen und vollen Ersatz seines Schadens verlangen. 8.2.3

Ansprüche nach dem GlBG bzw dem B-GlBG Beamte

VB

Ang / Arbeiter

Gesetz

B-GlBG / BEinstG

B-GlBG /BEinstG

GlBG / BEinstG

Zuständigkeit bei

Dienstbehörde

ASG

ASG

Offizialmaxime

Beweislasterleich-

Beweislasterleich-

terung

terung

drei Jahre

ein Jahr

Ansprüchen gegen AG Beweislast

Fristen iZm einer

drei Jahre

sexuellen Belästigung Kündigungsanfechtung zzgl Ersatz des ideellen zzgl Ersatz des ideellen kein Ersatz des

Folgen für Täter

Schadens

Schadens

ideellen Schadens

ex lege

ex lege

gesetzlich nicht

Dienstpflichtverletzung Dienstpflichtverletzung statuiert



Geltendmachung von Ansprüchen im Dienstweg

Im Anwendungsbereich des B-GlBG kann ein Beamter seine Ansprüche aus einer Belästigung gegenüber dem Bund, dem Land bzw der Gemeinde nur im Dienstweg geltend machen (vgl § 20 Abs 2 S 1 B-GlBG), Dienstnehmern mit einem privatrechtlichen Vertrag steht der ordentliche Rechtsweg gegen den Dienstgeber offen (vgl § 20 Abs 1 S 3 B-GlBG; § 26 GlBG). Im Dienstrechtsverfahren kommt die Beweislasterleichterung grundsätzlich nicht zum Tragen. 1458 Nach der Ansicht von Fellner gilt dies auch für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Belästigung iSd B-GlBG. Darüber hinaus findet gemäß § 74 AVG im Dienstverfahren ein Kostenersatz erst im Falle des Obsiegens vor dem Verfahren des VwGH statt. Das Opfer hat somit etwaige Vertretungskosten im Instanzenzug selbst zu tragen. Im

1458

Vgl Fellner, BDG § 20a B-GlBG ErläutRV 285 BlgNR 22.GP (www.rdb.at).

214

Zivilverfahren erfolgt die Kostentragung hingegen gemäß § 41 Abs 1 ZPO nach dem Obsiegensprinzip. In der Literatur findet sich eine kritische Stimme von Fellner, welcher die Konstruktion bedenklich findet. 1459 Hoza zweifelt die Unparteilichkeit der Entscheidungsfindung an, zumal die Dienstbehörde gegen sich selbst entscheiden müsste. 1460 

Beweislast

Hinsichtlich der Beweislast ist sowohl in Art 19 Abs 3 Änderungsrichtlinie II als auch in Art 10

Abs 5 Gleichstellungsrahmenrichtlinie vorgesehen, dass eine Abweichung von der

Beweislasterleichterung in Verfahren, in denen die Offizialmaxime gilt, möglich ist. Somit liegt kein Verstoß gegen Unionsrecht vor. 

Unterschiedliche Fristen bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer sexuellen Belästigung

Die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer sexuellen Belästigung beträgt im öffentlichen Dienstrecht drei Jahr, während sie im privaten Arbeitsrecht nur ein Jahr beträgt. Rechtliche Unterscheidungen von vergleichbaren Sachverhalten sind vom Gesetzgeber nur aus objektiven Gründen zu treffen. Eine Differenzierung zwischen zwei vergleichbaren Sachverhalten ist unsachlich, wenn sie zu einer Schlechterstellung führt, die nach objektiven Gründen nicht gerechtfertigt werden kann bzw willkürlich ist.

1461

Im Folgenden soll nun

geprüft werden, ob vergleichbare Sachverhalte vorliegen, und wenn ja, ob die Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist.

Sowohl Art 9 Abs 3 Gleichstellungsrahmenrichtlinie als auch Art 17 Abs 1 Änderungsrichtlinie II beinhalten eine Regelung über die Fristen für die Mitgliedstaaten.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage über die Änderung des B-GlBG wird die Anhebung auf drei Jahre im B-GlBG wie folgt argumentiert: „Die Erfahrung und wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass viele Frauen das ihnen widerfahrene Unrecht erst verarbeiten müssen, um sich dann zu einem Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen sexueller Belästigung zu entschließen. Die derzeit Vgl Fellner, BDG § 20 B-GlBG Anm 2 (www.rdb.at). Vgl Hoza, SozSi 2010, 558 (568). 1461 Vgl Funk, Einführung in das österreichische Verfassungsrecht14 (2011) 351. 1459 1460

215

geltende Einjahresfrist erscheint hierfür als zu gering bemessen, sodass eine Ausdehnung auf drei Jahre vorgesehen ist.“ 1462

Grundsätzlich vertritt der VfGH die Ansicht, dass die unterschiedliche rechtliche Regelung von öffentlichen und privaten Dienstverhältnissen verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist, zumal diese völlig verschieden und daher einem Vergleich nicht zugänglich sind. 1463 Bei der Frage der Verfassungskonformität unterschiedlicher Pensionsregelungen zwischen Beamten und sonstigen Arbeitnehmern gestand der VfGH zwar zu, dass beide Systeme grundsätzlich denselben Zweck, nämlich die Existenzsicherung, haben, abgesehen davon aber massive Unterschiede bestehen, die einen Vergleich nicht möglich machen. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass das Dienstverhältnis zu einem Beamten durch den Eintritt in den Ruhestand nicht endet und diese weiterhin der Disziplinarordnung untersteht, damit hat der Ruhegenuss eines Beamten Entgeltcharakter. 1464

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer sexuellen Belästigung. Die Bestimmungen über die sexuelle Belästigung sind – mit Ausnahme der Frist für die Geltendmachung – im GlBG und dem B-GlBG gleich ausgeführt. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage über die Änderung des B-GlBG geht eindeutig hervor, dass der Grund für die Verlängerung der Frist nicht aus dem besonderen System des öffentlichen Dienstrechts resultiert, sondern darin, dass Opfer für gewöhnlich eine längere Zeit benötigen, um über die Geschehnisse sprechen und gerichtliche Maßnahmen ergreifen zu können. 1465

Es ist daher davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall sehr wohl vergleichbare Sachverhalte vorliegen, die verschieden geregelt werden. Gerade aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage über die Änderung des B-GlBG ergibt sich auch die unsachliche Differenzierung, zumal die Notwendigkeit zur Verarbeitung des Erlebten unabhängig vom Status ist. Folglich ist davon auszugehen, dass die einjährige Frist für die Geltendmachung von

Ansprüchen

aus

einer

sexuellen

Belästigung

im

Rahmen

eines

privaten

Arbeitsverhältnisses unsachlich ist.

1462

ErläutRV 488 BlgNr 24.GP 21. Vgl Merten/Papier (Hrsg), Handbuch der Grundrechte VII/1 292; VfGH 18. 06. 1997, G 304/96, B 613/97. 1464 VfGH 16. 03. 1988, G 184 - 194/87-19, G 198/87-19, G 200/87-19. 1465 Vgl ErläutRV 488 BlgNr 24.GP 21. 1463

216



§ 18c B-GlBG: erlittene Beeinträchtigung UND Kündigungsanfechtung

Gemäß § 18c Abs 1 B-GlBG stehen einem Dienstnehmer, der bei der Beendigung des Dienstverhältnisses im Zusammenhang mit den Diskriminierungsgründen des B-GlBG in seinen Rechten verletzt wurde, seit 01. 01. 2010 neben dem Instrument der Kündigungsanfechtung auch der Ersatz der persönlichen Beeinträchtigung zu. Gemäß § 12 Abs 7 GlBG steht dem in seinen Rechten Verletzten im Fall der Kündigungsanfechtung ex lege kein Ersatz für den ideellen Schaden zu. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erfolgte die Änderung im B-GlBG in Entsprechung der Änderungsrichtlinie zur Gleichbehandlungsrichtlinie und der Änderungsrichtlinie II. 1466

Art 6 Abs 2 der Änderungsrichtlinie zur Gleichbehandlungsrichtlinie und Art 18 der Änderungsrichtlinie II sehen vor, dass der Gesetzgeber Regelungen schafft, die gewährleisten, dass der dem Opfer durch die Diskriminierung erlittene Schaden „tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt“ wird. Es ist daher davon auszugehen, dass § 12 Abs 7 GlBG gegen Unionsrecht verstößt. 1467 Hopf/Mayr/Eichinger gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass es sich um eine planwidrige Lücke handelt, zumal in sämtlichen anderen Diskriminierungstatbeständen ein ideeller Schadenersatz normiert wird. 1468 Diese Lücke sei „richtlinienkonform zu schließen.“ 1469

Hinsichtlich der Prüfung eines etwaigen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, zumal auch in diesem Fall eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung nicht vorhanden zu sein scheint. Im Übrigen wird wohl auch in diesem Fall von einer nicht objektiv begründbaren Differenzierung auszugehen sein. 

B-GBK versus GBK

Aufgrund der Novelle des GlBG, BGBl I 2011/7, wurde die Vertraulichkeit des Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission aufgehoben und durch das Prinzip der Öffentlichkeit für die Parteien ersetzt. 1470 Darüber hinaus wurde das Recht auf Akteneinsicht isd § 17 AVG im Verfahren vor der GBK für anwendbar erklärt. 1471 Beim Verfahren vor der B-GBK herrscht hingegen weiterhin das Prinzip der Vertraulichkeit des Verfahrens. Im Verfahren vor Vgl Fellner, BDG § 18c B-GlBG ErläutRV 488 BlgNR 24. GP (www.rdb.at). Siehe nähere Ausführungen dazu bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 92 ff. 1468 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 91. 1469 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 94. 1470 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG – Novelle 2011 § 14 GBK/GAW Rz 4. 1471 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG – Novelle 2011 § 16 GBK/GAW Rz 3. 1466 1467

217

der B-GBK werden daher wesentliche Rechte gemäß Art 6 EMRK nicht gewährleistet. Da diese keine Behörde ist, liegt aber kein Verstoß gegen Art 6 EMRK vor. 1472

Den Diskriminierungsschutzrichtlinien des Unionsrechts ist diesbezüglich nichts zu entnehmen, zumal sie nur Mindeststandards normieren.1473 

Gleichbehandlungsbeauftragte versus Gleichbehandlungsanwälte

Die GAW ist unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, eine Feststellungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht auf Vorliegen einer Diskriminierung einzubringen. 1474 Das BGlBG sieht für die Gleichbehandlungsbeauftragten kein derartiges Recht vor. Sie können zwar mit schriftlicher Zustimmung des Beamten bei begründetem Verdacht einer Diskriminierung nach dem B-GlBG gemäß § 27 Abs 4 B-GlBG eine Anzeige bei der Disziplinarbehörde Vertragsbediensteten

erstatten, findet

im sich

Zusammenhang aber

keine

mit

der

Diskriminierung

korrespondierende

Regelung.

von Diese

Differenzierung scheint sachlich nicht gerechtfertigt. 8.2.4

Bedienstetenschutz bzw ArbeitnehmerInnenschutz Beamte

VB

Ang / Arbeiter

Schutzgesetz

B-BSG

B-BSG

AschG

Kontrollinstitution

ArbInsp

ArbInsp

ArbInsp

Folgen für AG

Bekanntgabe an Leiter

Bekanntgabe an Leiter

Verwaltungsstrafe;

der Zentralstelle;

der Zentralstelle;

Verletzung der

Dienstpflichtverletzung Dienstpflichtverletzung Fürsorgepflicht

Während eine Verletzung der Pflichten nach dem Katalog der § 130 ASchG von der Behörde geahndet und bestraft wird, wird eine solche im Rahmen des B-BSG dem Leiter der Zentralstelle lediglich zur Kenntnis gebracht. Die Einleitung von Maßnahmen wird somit auf ihn übertragen. Eine Verletzung der Pflichten des Vorgesetzten ist im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu verfolgen. Dabei hat die Behörde darüber zu entscheiden, ob in ihrem

Zuständigkeitsbereich

Dienstnehmerschutzvorschriften

Objektivität der Entscheidung scheint dabei gefährdet.

Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG – Novelle 2011 § 14 GBK/GAW Rz 3. Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Vor § 1 GBK/GAW-G Rz 5. 1474 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 GBK/GAW-Gesetz Rz 16. 1472 1473

218

verletzt

wurden.

Die

8.3 

Folgen für den Täter – Gegenüberstellung der Judikatur Folgen einer sexuellen / geschlechtsbezogenen Belästigung für den Täter

Im Rahmen des privaten Arbeitsrechts stellt eine sexuelle bzw eine geschlechtsbezogene Belästigung unter der Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung einen Entlassungsgrund dar. 1475 Dasselbe gilt für Vertragsbedienstete. 1476 Im Anwendungsbereich des BDG droht dem Täter eine Suspendierung 1477 und in der Folge disziplinarrechtlich lediglich eine Geldstrafe 1478 . Sein Verhalten kann auch eine Versetzung rechtfertigen. 1479 Ob diese Differenzierung allein aufgrund der Unterschiede der verschiedenen Dienstsysteme gerechtfertigt ist, erscheint fraglich. 

Belästigung als Dienstpflichtverletzung und Verjährung

Gemäß § 94 Abs 1 BDG kann ein Beamter innerhalb von drei Jahren ab Abschluss der Dienstpflichtverletzung bestraft werden. Während eine Entlassung unmittelbar nach Setzen des Entlassungsgrundes ausgesprochen werden muss, kann ein Beamter innerhalb der Verjährungsfrist des § 94 Abs 1 BDG wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 43a BDG verfolgt werden. Im privaten Arbeitsrecht steht es dem Arbeitgeber aber unter den Einschränkungen der Kündigungsschutzbestimmungen frei, einem Dienstnehmer ohne Angabe von Gründen zu kündigen, womit auch eine „nachträgliche“ Reaktion auf Mobbinghandlungen seitens des Arbeitgebers jederzeit möglich wäre. Im Übrigen ist der zeitliche Aspekt auch im Fall einer Entlassung relativ, zumal Mobbing erst über einen längeren Zeitraum verwirklicht werden kann. 

Folgen von Mobbing für den Täter

Der OGH hat sich bis dato nicht dazu geäußert, ob Mobbing einen Entlassungsgrund darstellt. Im Bereich des BDG hat der VwGH bereits die Ansicht vertreten, dass eine Versetzung in Betracht zu ziehen ist, wenn der Täter sein Verhalten nicht abstellt. 1480

1475

Vgl OGH 10. 01. 2000, 9 ObA 319/00b; 05. 04. 2000, 9 ObA 292/99b; 17. 03. 2004, 9 ObA 143/03z; 26. 05. 2004, 9 ObA 64/04h; 29. 09. 2011, 8ObA63/11i. 1476 OGH 26. 05. 2004, 9 ObA 64/04h. 1477 Vgl DOK 18. 06. 1999, 42/5-DOK/99 ua. 1478 Vgl DOK 27. 05. 2008, 22/8-DOK/08; 20. 04. 2010, 93/8-DOK/09; 28. 03. 2011, 17/8-DOK/11; 26. 09. 2011, 42/17-DOK/11 und 43/17-DOK/11. 1479 Vgl VwGH 10. 06. 1991, 91/12/0096. 1480 Vgl VwGH 12. 05. 2010, 2009/12/0072.

219



Das Disziplinarverfahren

Die Beurteilung eines Fehlverhaltens im Anwendungsbereich des BDG ist wesentlich förmlicher

als

im

privaten

Arbeitsrecht.

Dem

Beamten

kommt

bereits

im

Ermittlungsverfahren vor der Dienstbehörde Parteistellung und damit verfassungsrechtlich geschützte Rechte zu. In der Folge entscheidet ein Tribunal (die Disziplinarkommission) nach einer mündlichen Verhandlung über den Sachverhalt. Die Entscheidung ist bekämpfbar. Im privaten Arbeitsrecht entscheidet letztlich der Arbeitgeber über den Verbleib des Arbeitnehmers im Betrieb. Letztlich kann die subjektive Entscheidung des Arbeitgebers aber vor den ordentlichen Gerichten angefochten werden, deren Objektivität aufgrund der Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit ihrer Mitglieder gewährleistet ist. Die Mitglieder der Disziplinarkommission und der Disziplinaroberkommission sind absetzbar und bei der Dienstbehörde (oberste Dienstbehörde bzw beim Bundeskanzleramt) konstituiert, ihre politische Unabhängigkeit scheint damit nicht vollständig garantiert. 9.

RECHTLICHE ANSPRUCHSGRUNDLAGEN FÜR DAS OPFER UND FOLGEN FÜR DEN TÄTER UNMITTELBAR AUS DEM GESETZ (UNABHÄNGIG VON DER ART DES DIENSTVERHÄLTNISSES)

Gegen einen Kollegen bzw Vorgesetzten, mit dem das Opfer naturgemäß in keinem Vertragsverhältnis steht, ist es schwieriger, Ansprüche wegen Mobbing abzuleiten. Der OGH hat in seiner Entscheidung 9 ObA 80/04m vom 06.04.2005 erneut verneint, dass ein Arbeitsvertrag ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist. 1481 Die folgenden behandelten Anspruchsgrundlagen bestehen unabhängig von einem Vertragsverhältnis. 9.1 9.1.1

Schutz durch das Strafgesetzbuch Mobbinghandlungen als Tatbestände des StGB

Mobbing per se fällt nicht unter einen Straftatbestand des StGB. Unter den von Leymann beschriebenen 45 Mobbinghandlungen könnte nur ein Teil von ihnen überhaupt einen objektiven Tatbestand nach dem StGB erfüllen. Im Folgenden finden sich einige Beispiele: „Jemanden lächerlich machen, seine politische/religiöse Einstellung angreifen oder ihn obszön beschimpfen oder anschreien“ könnte den Tatbestand der Beleidigung nach § 115 StGB erfüllen. Dieser kann durch die Verwendung von Schimpfwörtern erfüllt sein. 1482 Vgl aA Majoros, Mobbing, Belästigung und andere unerwünschte Verhaltensweisen. Arbeits- und schadenersatzrechtliche Ansprüche, 74 f. 1482 Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I - §§ 75 bis 168e11 (2010) § 115 Rz 2. 1481

220

Jemanden lächerlich machen im Sinne des § 115 StGB bedeutet, „bestimmte Eigenschaften, das Aussehen oder Gebrechen“ eines anderen in den Mittelpunkt zu heben, zB indem jemand einen Stotterer übertrieben nachahmt. 1483 Stellt die Beschimpfung oder Verspottung einen Eingriff in die Menschenwürde dar und wurde sie aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirchen oder Religionsgemeinschaft, einer Rasse, einem Volk, Volksstamm oder einem Staat getätigt, stellt die Tat gemäß § 117 Abs 3 StGB ein Ermächtigungsdelikt dar. Die Beleidigung gemäß § 115 StGB verlangt eine Mindestpublizität, welche auch vom Vorsatz des Täters umfasst sein muss. 1484 Die Beschimpfungen haben gemäß § 115 StGB entweder öffentlich – dh vor mindestens zehn Personen 1485 – oder vor mehreren Leuten – dh vor mindestens drei unbeteiligten Personen 1486 – stattzufinden, um den Tatbestand zu erfüllen. Im Übrigen enthält § 115 Abs 3 StGB einen Entschuldigungstatbestand. Ist die Beleidigung nämlich nur eine objektiv nachvollziehbare Reaktion auf ein vorangehendes Verhalten des Opfers, ist der Täter entschuldigt. 1487 Eine Beleidigung gemäß § 115 StGB ist grundsätzlich ein Privatanklagedelikt, das heißt, das Opfer trägt das Kostenrisiko. 1488 Die Strafdrohung liegt bei Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten bzw einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen. Im Übrigen könnten die Beschimpfungen oder das Verbreiten von Gerüchten bzw Schlechtreden hinter dem Rücken den Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 111 StGB erfüllen und zwar dann, wenn sie in objektiver Hinsicht geeignet sind, die Ehre des Adressaten zu verletzen. 1489 Dieses Tatbild umfasst grob ehrenrührige Vorwürfe entweder gegen den Charakter oder gegen ein Verhalten des Opfers.

1490

Damit sind solche

Bezichtigungen hinsichtlich der Gesinnung gemeint, die Verachtung unter den Mitmenschen hervorrufen, zB „jemand sei ein Rechtsextremist“ oder „bestechlich“.

1491

Vorwürfe

hinsichtlich eines unehrenhaften oder unsittlichen Verhaltens sind gemäß § 111 StGB tatbildlich, wenn durch sie das Opfer gering geschätzt wird, zB die Behauptung, jemand habe eine vorsätzliche Straftat begangen. 1492 Der Vorwurf muss einem Dritten zugänglich gemacht werden. 1493 § 112 StGB enthält einen Rechtfertigungstatbestand. So ist die üble Nachrede Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 115 Rz 4. Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I 11 § 115 Rz 8. 1485 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 115 Rz 9. 1486 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 115 Rz 10. 1487 Vgl Rami, WK2 (Stand Dezember 2011) § 115 Rz 14. 1488 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 117 Rz 1; siehe aber zu den Ausnahmen bei Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 117 Rz 2 ff. 1489 Vgl Rami in WK2 (Stand Dezember 2011) § 111 Rz 2. 1490 Vgl Rami in WK2 § 111 StGB Rz 4. 1491 Rami in WK2 § 111 StGB Rz 10. 1492 Vgl Rami in WK2 § 111 StGB Rz 11. 1493 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 111 Rz 10. 1483 1484

221

nicht rechtswidrig, wenn ihr Inhalt wahr 1494 bzw der Täter gutgläubig hinsichtlich der Wahrheit des Vorwurfs gewesen ist. 1495 Vorwürfe, die höchstpersönliche Angelegenheiten betreffen, sowie die Bezichtigung einer strafbaren Handlung, die zu einer Privatanklage berechtigen würde, sind hingegen grundsätzlich immer strafbar. 1496 § 111 StGB ist ein Privatanklagedelikt, 1497 welches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bedroht ist. Telefonterror könnte den Tatbestand der beharrlichen Verfolgung gemäß § 107a StGB erfüllen. Voraussetzung ist, dass die Angriffe wiederholt über einen längeren Zeitraum passieren. 1498 Darüber hinaus muss der Telefonterror objektiv geeignet sein, dem Opfer seinen Alltag auf nicht zumutbare Weise zu erschweren. 1499 Eine Unzumutbarkeit liegt zB vor, wenn das Opfer aufgrund des Terrors seine Telefonnummer ändert. 1500 Bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 107a StGB droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Drohungen können den Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB erfüllen. Gefährlich ist die Ankündigung dann, wenn sie sich gegen die Unversehrtheit des Körpers, die Freiheit, die Ehre oder das Vermögen richtet. 1501 Darüber hinaus muss die Drohung objektiv geeignet sein, „gegründete Besorgnis“ hervorzurufen. 1502 Dies muss vom Vorsatz des Täters umfasst sein. 1503 Fehlt es an der „begründeten Besorgnis“ könnte allerdings § 115 StGB verwirklicht sein. 1504 Eine milieubedingte Aussage fällt nicht unter § 107 StGB, 1505 ebenso wenig eine aus „Zorn oder zum Scherz“ ausgesprochene Drohung.

1506

Die

Strafdrohung liegt bei bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Die körperliche Misshandlung könnte den gleichnamigen Tatbestand gemäß § 83 Abs 2 StGB verwirklichen. Voraussetzung ist allerdings, dass durch „die Einwirkung physischer Kraft“ 1507

Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 111 Rz 1. Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 111 Rz 2. 1496 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 111 Rz 5. 1497 Vgl Rami in WK2 (Stand Dezember 2011) § 117 Rz 2. 1498 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 107a Rz 4. 1499 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 107a Rz 5. 1500 Vgl Schwaighofer in WK2 (Stand November 2010) § 107a Rz 12. 1501 Vgl Schwaighofer in WK2 (Stand November 2010) § 107 StGB Rz 2. 1502 Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 107 Rz 4. 1503 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 107 Rz 6. 1504 Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 115 Rz 7. 1505 Schwaighofer in WK2 § 107 StGB Rz 5. 1506 Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 107 Rz 7. 1507 Burgstaller/Fabrizy in WK2 (Stand April 2002) § 83 Rz 23. 1494 1495

222

ein nicht geringfügiger Erfolg eintritt. 1508 Die Verletzung bzw Gesundheitsschädigung muss auch vom Vorsatz umfasst sein. 1509 Bei Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen. Subsidiär kommt § 115 StGB in Betracht, wenn das Opfer nicht verletzt wurde, zB durch eine Ohrfeige oder einen Fußtritt. 1510 Die Zufügung von physischen Schäden am Arbeitsplatz könnte eine Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB verwirklichen. Der Tatbestand ist gemäß § 125 StGB durch die vorsätzliche Beschädigung, Verunstaltung oder durch das vorsätzliche Unbrauchbarmachen einer Sache von einem bestimmten Wert erfüllt.

1511

Eine Sachbeschädigung ist nur strafbar, wenn sie

vorsätzlich erfolgt ist. 1512 Sie muss einen Schaden beim Berechtigten hervorrufen. 1513 Die Strafe für die Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 125 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen festgesetzt. Sexuelle Handgreiflichkeiten könnten eine sexuelle Belästigung gemäß § 218 Abs 1 StGB verwirklichen. Es handelt sich hierbei um ein Antragsdelikt 1514 , das heißt, der öffentliche Ankläger kann nur auf Antrag des Geschädigten tätig werden. 1515 Unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung nach dem StGB fallen geschlechtliche Handlungen am Körper des Opfers bzw an der Person des Täter vor dem Opfer, die geeignet sind, „berechtigtes Ärgernis zu erregen“. Diese Handlungen müssen für das Opfer unerwünscht sein und in ihm eine negative Gefühlserregung von einem bestimmten Schweregrad auslösen. 1516 Die Strafdrohung liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen.

Die Verjährungsfrist für Handlungen, die gegen das StGB verstoßen haben, ist abhängig von der Strafdrohung unterschiedlich geregelt. Die meisten soeben behandelten Straftatbestände haben in ihrem Grunddelikt eine Strafdrohung von drei Monaten bis zu einem Jahr. Gemäß § 57 Abs 3 StGB beträgt die Verjährungsfrist für Delikte mit einer Strafdrohung von bis zu sechs Monaten ein Jahr, mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr drei Jahre.

Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 83 Rz 2. Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 83 Rz 7. 1510 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 115 Rz 6. 1511 Vgl Bertel in WK2 (Stand Dezember 2008) § 125 Rz 9. 1512 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I11 § 125 Rz 8. 1513 Vgl Bertel in WK2 § 125 Rz 8. 1514 Vgl Seiler, Strafprozessreform 2004 – Ergänzungsband zum Lehrbuch Strafprozessrecht2 (2006) Rz 14. 1515 Vgl Fabrizy, Strafgesetzbuch10 § 218 Rz 4. 1516 Fabrizy, StGB10 § 218 Rz 2. 1508 1509

223

Von den häufigsten zehn Angriffen, die im Mobbing-Report genannt werden, kann lediglich eine, nämlich die „Beleidigung“ auf Platz acht, einen Straftatbestand erfüllen. Die Liste zeigt, dass die einzelnen Mobbinghandlungen für sich nicht schwerwiegend sind und damit auch keinen Straftatbestand erfüllen. Hinsichtlich der Gruppen „Angriffe auf die sozialen Beziehungen 1517 “ und „Angriffe auf die Qualität der Arbeits- und Lebenssituation 1518 “ finden sich unter Leymanns Aufzählungen nur Handlungen, die keinesfalls unter einen objektiven Straftatbestand subsumiert werden können. Ein ausreichender Schutz vor Mobbing scheint durch das StGB daher nicht gegeben. 9.1.2

Ansprüche des Opfers

Verwirklicht ein Mobbingangriff gleichzeitig einen Tatbestand des StGB, kann das Opfer Anzeige gegen seine(n) Peiniger erstatten, wodurch von der Staatsanwaltschaft gemäß § 2 Abs 1 Strafprozessordnung 1975, 1519 im Folgenden StPO, ein Ermittlungsverfahren in Gang zu setzen ist. Sollte die Staatsanwaltschaft von der Anklage zurücktreten, kann das Opfer gemäß § 72 Abs 1 StPO als Privatbeteiligter subsidiär die Anklage aufrechterhalten. Bei bestimmten Delikten, wie jenen gegen die Ehre gemäß §§ 111 ff StGB 1520 , kann das Opfer nur Privatanklage gegen seinen Peiniger erheben. 1521 Sowohl als Privat- als auch als Subsidiarankläger trägt das Opfer allerdings das Kostenrisiko, sollte das Verfahren nicht mit einem Schuldspruch enden. 1522

Das Mobbingopfer hat in einem laufenden Strafverfahren gemäß § 66 Abs 1 StPO ein Recht, in die Akten Einsicht zu nehmen, ein Recht auf Information über den Stand des Verfahrens und ein Teilnahme- und Fragerecht in der Hauptverhandlung. Es kann sich darüber hinaus als Privatbeteiligter dem Verfahren anschließen, wenn die Tat einen Schaden verursacht hat und hat damit die Chance, seine Ansprüche ohne Kostenrisiko geltend zu machen. Als Privatbeteiligter im Strafverfahren ist das Opfer allerdings auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, wenn ihm der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht oder die Ergebnisse des Strafverfahrens keine ausreichende Grundlage für eine auch nur teilweise Beurteilung des

Siehe Näheres bei Leymann, Mobbing13 28 ff. Siehe Näheres bei Leymann, Mobbing13 30 f. 1519 StPO BGBl 1975/631 zuletzt geändert durch BGBl I 1997/47. 1520 Delikte gegen die Ehre sind gemäß § 117 Abs 1 StGB Privatanklagedelikte. Zu den Ausnahmen siehe bei Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht – Besonderer Teil I11 § 117 Rz 2 ff. 1521 Vgl Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht – Besonderer Teil I11 § 117 Rz 1. 1522 Vgl Lendl, WK–StPO (Stand November 2011) § 390 Rz 5. 1517 1518

224

Anspruchs bieten und weitere Beweiserhebungen zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen würden, 1523 weiters wenn der Beschuldigte freigesprochen wird. 1524

Die Staatsanwaltschaft könnte im Fall eines ausreichend aufgeklärten Sachverhalts und der Schuldeinsichtigkeit des Täters auch unter den Voraussetzungen des § 198 StPO von der Verfolgung zurücktreten und dem Täter eine Diversionsmaßnahme anbieten, worunter ein außergerichtlicher Tatausgleich gemäß § 204 StPO fällt. In diesem Fall wäre es dem Opfer möglich, im Rahmen eines Mediationsverfahrens die Angelegenheit mit dem Täter aufzuarbeiten, Lösungen für die Zukunft zu suchen und eine Wiedergutmachung zu erlangen. Die Durchführung eines außergerichtlichen Tatausgleichs ist gemäß § 204 Abs 2 StPO von der Zustimmung des Opfers abhängig und kann jederzeit abgebrochen werden. 1525 9.1.3

Mögliche Folgen für den unmittelbaren Täter

Voraussetzungen für eine Verurteilung sind, dass der Beschuldigte den Tatbestand objektiv und subjektiv erfüllt hat, dass die Tat kausal für den Erfolg war und dass keine Rechtfertigungs- 1526 bzw Entschuldigungsgründe 1527 vorliegen. 1528 Gemäß § 15 Abs 1 StGB ist der Versuch hinsichtlich der Rechtsfolgen der Vollendung gleichzusetzen. Darüber hinaus sind nicht nur unmittelbare Täter, sondern auch der Bestimmungs- und der Beitragstäter zu betrafen (§ 12 StGB).

Hat der Täter durch die Mobbinghandlungen einen Straftatbestand objektiv und subjektiv verwirklicht, wird er vom Gericht zu einer Strafe, entweder zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe, verurteilt. 1529 Im Falle einer Verurteilung zu einer geringen Geldstrafe bzw Freiheitsstrafe soweit spezial- bzw generalpräventive Aspekte nicht dagegen sprechen - kann diese unter Festsetzung einer Probezeit (teil)bedingt nachgesehen werden. 1530

Unter Umständen kann von einem formellen Verfahren bzw von einem Gerichtsurteil abgesehen 1531 und dem Täter gemäß § 198 Abs 1 StGB eine Diversionsmaßnahme, nämlich Vgl Lendl, WK–StPO (Stand März 2010) § 366 Rz 2. Vgl Lendl, WK–StPO § 366 Rz 1. 1525 Vgl Schroll, WK-StPO (November 2011) § 204 Rz 1. 1526 Siehe Näheres zu den Rechtsfertigungsgründen bei Kienapfel/Höpfel Grundriss des Strafrechts – Allgemeiner Teil13 (2009) 49 ff. 1527 Siehe Näheres zu den Entschudligungsgründen bei Kienapfel/Höpfel Allgemeiner Teil13 119 ff 1528 Vgl Kienapfel/Höpfel Allgemeiner Teil13 27. 1529 Vgl Maleczky,Strafrecht Allgemeiner Teil II – Lehre von den Verbrechensfolgen14 (2011) 29. 1530 Vgl Maleczky,Strafrecht Allgemeiner Teil II14 54; Siehe Näheres zu den Voraussetzungen einer bedingten Strafnachsicht bei Maleczky,Strafrecht Allgemeiner Teil II14 54 ff. 1531 Vgl Maleczky,Strafrecht Allgemeiner Teil II14 15. 1523 1524

225

Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 StPO), gemeinnützige Leistung (§ 201 StPO), Probezeit mit allfälligen Pflichten (§ 203 StPO), außergerichtlicher Tatausgleich (§ 204 StPO) vorgeschlagen werden. Eine Diversion kommt nur bei Offizialdelikten in Betracht, deren Sachverhalt genügend aufklärt ist, die Schuld des Täters nicht als schwer zu sehen ist und keine spezial- bzw generalpräventiven Gründe dagegen sprechen. 1532 Daneben kommt auch noch die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO) in Betracht. § 191 StPO ist nur auf Offizialdelikte mit einer Geldstrafe bzw Freiheitsstrafe mit einer Strafdrohung von höchstens drei Jahren anwendbar. 1533 Die Geringfügigkeit der Tat ist im Wege einer Gesamtbeurteilung festzustellen, wobei insbesondere auf eine geringe Schuld, geringfügige Folgen und die Wiedergutmachung abgestellt wird.

1534

Die Anwendung des

§ 191 StPO ist ausgeschlossen, wenn general- und spezialpräventive Gründe dagegen sprechen. 1535 9.1.4

Strafbarkeit der Beitragstäter

§ 12 StGB bestimmt, dass sämtliche an der Tat Mitwirkende wie der unmittelbare Täter zu behandeln sind und unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Bestimmungs- und sonstigen Beitragstätern. 1536 Voraussetzung für die Strafbarkeit ist jedoch die Kausalität zwischen der Handlung des Mitwirkenden und der Realisierung des Tatbestandes durch den unmittelbaren Täter. 1537 Schon eine minimale Unterstützung, deren Wirksamkeit bis zur Erfüllung der Handlung des unmittelbaren Täters reicht, kann eine Strafbarkeit nach § 12 StGB begründen. 1538 Die strafbare Mitwirkung kann auch fahrlässig erfolgen. 1539

Im Zusammenhang mit einer Mobbinghandlung stellt sich die Frage der Strafbarkeit für bloße „Zuseher“. Unterlassen begründet nur dann eine Strafbarkeit, wenn dem „Zuseher“ eine besondere Rechtspflicht zum Abwenden der Rechtsgutverletzung trifft. 1540 Eine solche Garantenstellung wird bei Kollegen zu verneinen sein, nicht jedoch beim Arbeitgeber

Vgl Maleczky,Strafrecht Allgemeiner Teil II14 16; Siehe Näheres zu den Voraussetzungen der Diversion bei Maleczky,Strafrecht Allgemeiner Teil II14 15 ff. 1533 Vgl Schroll, WK-StPO (Stand Februar 2009) § 191 Rz 25. 1534 Vgl Schroll, WK-StPO § 191 Rz 34. 1535 Vgl Schroll, WK-StPO § 191 Rz 61. 1536 Vgl Fabrizy in WK2 (Stand Februar 2000) § 12 Rz 1. 1537 Vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 82. 1538 Vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 83. 1539 Vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 106. 1540 Vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 91. 1532

226

aufgrund seiner Fürsorgepflicht 1541 bzw dem Dienstgeber aufgrund von § 45 BDG bzw § 5b VBG. 1542 Eine Garantenstellung kann sich auch aus dem ASchG ergeben. 1543

Unter den Voraussetzungen des § 286 StGB kann eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Unterlassung der Abwendung einer Straftat, welche mit Vorsatz begangen wird und mit einer Strafe von über einem Jahr bedroht ist, in Betracht kommen. 1544 Die Handlungspflicht beginnt dann, wenn die Tat bereits das Versuchsstadium 1545 erreicht hat bzw bereits angefangen hat. 1546 Im Fall von Mobbing wird die Strafbarkeit bereits oft am mangelnden Vorsatz scheitern. Im Übrigen sind sämtliche oben behandelte Straftatbestände höchstens mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht. Wirken mehrere Schädiger vorsätzlich zusammen, haften sie solidarisch als Mittäter. 1547 Ist der Schaden hingegen durch das ungewollte bzw fahrlässige Zusammenwirken mehrerer entstanden und lassen sich die Anteile an der Beschädigung bestimmen, haftet jeder Beteiligte nur für seinen Anteil. Sollte eine Bestimmung nicht möglich sein, tritt auch die solidarische Haftung ein. 1548 Der in Anspruch genommene Schädiger hat jedoch ein Regressrecht gegenüber den anderen Schädigern. 1549 9.2 

Deliktische Schadenersatzansprüche gemäß §§ 1293 ff ABGB Allgemeines

Gemäß § 859 ABGB gründet sich ein Schuldverhältnis unmittelbar auf ein Gesetz, auf ein Rechtsgeschäft

oder

auf

eine

erlittene

Beschädigung,

wobei

der

letztgenannte

Entstehungsgrund zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen gezählt wird. 1550 Im Folgenden werden die gesetzlichen Schuldverhältnisse, welche aus einer Schadenszufügung entstehen, behandelt. Ansprüche daraus können unabhängig vom Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses geltend gemacht werden. 1551 Aus diesem Grund gelten die folgenden Bestimmungen für öffentliche Bedienstete wie für private Arbeitnehmer gleichermaßen. Die Vgl Hilf in WK2 (Stand Dezember 2005) § 2 Rz 95. Vgl RIS-Justiz RS0113819. 1543 Vgl Hilf in WK2 § 2 Rz 80. 1544 Vgl Plöchl in WK2 (Stand Februar 2009) § 286 Rz 5. 1545 Gemäß § 15 Abs 2 StGB beginnt das Versuchsstadium mit einer der Tathandlung unmittelbar vorausgehenden Ausführungshandlung; siehe Näheres bei Hager/Massauer in WK2 (Stand Dezember 1999) §§ 15, 16 Rz 30. 1546 Vgl Plöchl in WK2 § 286 Rz 6. 1547 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI §§ 1301, 1302 Rz 2. 1548 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI §§ 1301, 1302 Rz 3. 1549 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI §§ 1301, 1302 Rz 24. 1550 Vgl Rummel in Rummel3 (Stand 2000) § 859 Rz 1 (www.rdb.at). 1551 Vgl Rummel in Rummel3 § 859 Rz 13 (www.rdb.at). 1541 1542

227

allgemeinen Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch wurden bereits unter Punkt C.3.5, vertragliche Schadenersatzansprüche, behandelt. Im Folgenden werden nur die Besonderheiten

der

Ansprüche

aufgrund

eines

gesetzlichen

Schuldverhältnisses

herausgearbeitet. Insbesondere bei deliktischen Schadenersatzansprüchen ist es schwierig, die Rechtswidrigkeit im Verhalten der mobbenden Person zu finden, zumal diese einzeln und für sich betrachtet in der Regel kein Ge- oder Verbot der Rechtsordnung verletzen bzw auch kein sorgfaltswidriges Verhalten gegenüber absolut geschützten Rechtsgütern darstellen. 

Passivlegitimation

Im Anwendungsbereich des AHG, nämlich bei Zufügung eines Schadens durch ein schuldhaft und rechtswidrig handelndes Organ in Ausübung der Gesetze, ist eine Klage gegen einen Kollegen oder Vorgesetzten im öffentlichen Dienst gemäß § 9 Abs 5 AHG nicht zulässig.1552 Hoheitliches Handeln wird insbesondere im Umgang zwischen Kollegen aber ausgeschlossen sein. Die Passivlegitimation ist daher in der Regel gegeben.

Zumal Mobbing keine Berufskrankheit darstellt, geht die Passivlegitimation nicht auf die Unfallversicherung über. 

Rechtswidrigkeit und Mobbing

Gemäß § 1295 ABGB ist ein Verhalten dann rechtswidrig, wenn es gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstößt, eine Vertragspflicht verletzt oder sittenwidrig ist. 1553

Verhaltensregelungen finden sich vor allem (aber nicht nur) in den Schutzgesetzen gemäß § 1311 ABGB. 1554 Dazu gehören auch Gesetze im materiellen Sinn. 1555 Schutzgesetze sind „abstrakte Gefährdungsverbote, die bestimmte Personen oder Personengruppen vor einer Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen sollen.“ 1556 Rechtswidrig ist insbesondere ein sorgfaltswidriges Verhalten gegenüber absolut geschützten Rechtsgütern,

dazu

gehören

Leben,

Gesundheit,

1552

Vermögen

und

vereinzelte

Vgl RIS-Justiz RS0050139. Vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 312. 1554 Dazu gehören die meisten Bestimmungen der StVO, des KFG, der DienstnehmerschutzVO etc. Siehe Näheres zu den Beispielen für Schutzgesetze bei Harrer in Schwimann ABGB3 VI § 1311 Rz 12 ff. 1555 Vgl Reischauer in Rummel3 (Stand 2007) § 1311 Rz 4 (www.rdb.at). 1556 Harrer in Schwimann ABGB3 VI § 1311 Rz 9. 1553

228

Persönlichkeitsrechte. Die Schädigung eines absolut geschützten Rechtsgutes indiziert bereits die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens. 1557

Ein sittenwidriges Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass es zwar nicht gegen gesetzliche Verbote verstößt, allerdings „Grundprinzipien der Rechtsordnung widerspricht.“ Vorsatz ist dabei Haftungsvoraussetzung. 1558 Eine Hilfe stellt dabei auch die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten dar. Die Berufung auf Sittenwidrigkeit erfolgt insbesondere bei Eingriffen in die Persönlichkeit.

1559

Darüber hinaus wird von der Rsp auch

rechtsmissbräuchliches Verhalten als rechtswidrig gesehen. Rechtsmissbrauch liegt bei Dominieren des „unlauteren Motivs“ vor. 1560

Ansprüche gegen Kollegen sind anhand der allgemeinen Norm des § 16 ABGB, welche den Schutz der Menschenwürde normiert, zu prüfen. Im Bereich des öffentlichen Dienstrechts wurde

diese

durch

das

statuierte

Mobbingverbot

konkretisiert

und

könnte

als

Anknüpfungspunkt für die Rechtswidrigkeit dienen. Ein Verstoß gegen § 16 ABGB begründet die Rechtswidrigkeit des Handelns. 

Schutz der Menschenwürde

Weder die EMRK noch das StGG kennen das Grundrecht der Menschenwürde. Allerdings findet sich eine Bestimmung in § 16 ABGB, welche festhält: „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.“

Diese Norm besteht seit dem Inkrafttreten des ABGB am 01.01.1812 unverändert fort. Sie ist offen konzipiert, da die Verfasser des AGBG eine Aufzählung aller angeborenen Rechte für unmöglich hielten. 1561 Historisch hatte sie das Verbot von Sklaverei zum Ziel, in den letzten Jahren wurde § 16 ABGB von der Rechtssprechung zunehmend zeitgemäß ausgelegt, nämlich als Schutz der Menschenwürde und Anerkennung der Persönlichkeit als Grundwert. 1562 Ob

Vgl Harrer in Schwimann ABGB3 VI § 1294 Rz 9. Reischauer in Rummel3 § 1295 Rz 56 (www.rdb.at). 1559 Vgl Krejci in Rummel3 (Stand 2000) § 879 Rz 69 (www.rdb.at). 1560 Reischauer in Rummel3 § 1295 Rz 61 (www.rdb.at). 1561 Vgl Aicher in Rummel3 §16 Rz 10 (www.rdb.at). 1562 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110 (114); vgl OGH 25. 05. 2000, 1 Ob 341/99z. 1557 1558

229

aus § 16 ABGB ein allgemeines Persönlichkeitsrecht abzuleiten ist, ob es einer Konkretisierung durch spezielle Tatbestände bedarf oder ob es eine Ermächtigungsnorm darstellt, die „den Richter zum Auffinden einzelner Verhaltensnormen zum Schutz der Persönlichkeit legitimiert,“ 1563 ist in der österreichischen Lehre noch nicht geklärt.1564 § 16 ABGB ist jedenfalls die wesentliche Norm in der Diskussion um das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw in der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten. 1565 Letztere finden insbesondere bei außervertraglichen Eingriffen in Persönlichkeitsrecht ihre Auswirkung.

1566

Aus § 16 ABGB haben sich einerseits besondere (positivierte)

Persönlichkeitstatbestände entwickelt, anderseits wurde von der Rsp in einigen Fällen eine Persönlichkeitsverletzung durch Interessenabwägung festgestellt. 1567 § 16 ABGB stellt insbesondere einen Auffangtatbestand hinsichtlich Persönlichkeitsrechten, die nicht in speziellen Tatbeständen ihren Niederschlag gefunden haben, dar, und dient damit als Rechtsgrundlage für eine Reihe von Rechtsfolgen, welche herangezogen werden kann, um Eingriffe in die Persönlichkeit abzuwehren bzw zu sanktionieren. 1568 

Mobbing – ein Eingriff in die Menschenwürde?

In der veröffentlichten Judikatur des OGH findet sich keine Entscheidung über eine Rechtssache, in der ein Mobbingopfer außerhalb des Anwendungsbereichs des GlBG, des BGlBG oder des BEinstG deliktische Schadenersatzansprüche gegen den bzw die Kollegen geltend gemacht hat. Dass Mobbing einen Eingriff in die Menschenwürde darstellt, ist aber allgemein anerkannt. 1569 Der OGH hat bis dato in diesem Zusammenhang nur festgehalten, dass der Arbeitgeber aufgrund der Fürsorgepflicht dazu verhalten ist, „dass die Persönlichkeitssphäre der in seinen Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer nicht durch unsachliche Belästigungen durch andere Arbeitnehmer beeinträchtigt wird.“ 1570 Das Landesarbeitsgericht Erfurt (Deutschland) hat in seinem Grundsatzurteil, 5 Sa 403/00, festgehalten,

dass

„systematischer

Psychoterror

ein

schwerer

Eingriff

Persönlichkeitsrecht und die Gesundheit des Arbeitnehmers ist.“ 1571

Aicher in Rummel3 §16 Rz 14 (www.rdb.at). Vgl Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 (Stand 01. 07. 2010) § 16 Rz 12 (www.rdb.at). 1565 Vgl Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 16 Rz 11 (www.rdb.at). 1566 Vgl Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 16 Rz 15 (www.rdb.at). 1567 Vgl Aicher in Rummel3 §16 Rz 14 (www.rdb.at). 1568 Vgl Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 16 Rz 11 (www.rdb.at). 1569 Vgl Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110. 1570 OGH 26. 08. 2004, 8 Ob A 3/04f. 1571 LAG Erfurt 10. 04. 2001, 5 Sa 403/00. 1563 1564

230

in

das

Der VwGH hielt bis dato in stRsp fest, dass ein Verhalten nur dann disziplinarrechtlich zu verfolgen ist, wenn es „die menschliche Würde eines Kollegen oder Vorgesetzten verletzt“ oder „die dienstliche Zusammenarbeit und damit der Betriebsfriede ernstlich gestört“ wird. 1572 

Einzelne Mobbinghandlungen als Angriff gegen die Menschenwürde

Zu den Angriffen gegen die Kommunikationsmöglichkeiten des Opfers zählen ua auch Telefonterror und Beschimpfungen. Der OGH hat in seiner Entscheidung 4 Ob 99/94 Telefonterror durch anonyme Anrufe als Eingriff in die Persönlichkeit gemäß § 16 ABGB qualifiziert. 1573 Beschimpfungen können den Tatbestand gemäß § 1330 ABGB erfüllen. Zu den Angriffen gegen das soziale Ansehen des Opfers zählen insbesondere Verletzungen gegen die Ehre und Eingriffe in die Privatsphäre. In 8 ObA 187/97a hat der OGH festgehalten, dass „die Verknüpfung der aus gegebenem Anlass erfolgten Versetzung des Klägers (Arbeitnehmers) in einen Geschäftsbereich ohne Kundengeschäft in Verbindung mit der

auszugsweise

(unvollständigen)

Wiedergabe

von

Unterlagen

aus

dem

Disziplinarverfahren gegen den Kläger eine Aspekte eines Mobbing aufweisende, diskriminierende Vorgangsweise darstellt“. Ein etwaiges Informationsinteresse des Arbeitgebers habe hinter das soziale Ansehen des Arbeitnehmers zurückzutreten. Der Tatbestand der Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 2 und § 16 ABGB ist jedenfalls erfüllt.

In diesem Zusammenhang führte der OGH weiters aus: „…Auch das Verbreiten wahrer Tatsachen kann rechtswidrig in den Schutzbereich des Betroffenen eingreifen; das trifft jedenfalls dann zu, wenn dessen Interessen unnötig verletzt werden, also kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder doch des Mitteilungsempfängers vorliegt. Das Recht auf Ehre ist ein Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 16 ABGB und genießt als solches absoluten Schutz gegen jedermann; droht die Gefahr einer Verletzung, so steht bei Wiederholungsgefahr auch ohne Vorliegen der für Widerruf und Veröffentlichung gemäß § 1330 Abs 2 ABGB normierten Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch zu …“ 1574

1572

VwGH 11. 12. 1985, 85/09/0223; VwGH 16. 10. 2001, 2001/09/0096; VwGH 20. 11. 2003, 2002/09/0088, VwGH 03. 07. 2008, 2006/12/0217. 1573 Vgl OGH 18. 10. 1994, 4 Ob 99/94. 1574 OGH 26. 06. 1997, 8 ObA 187/97a.

231

In einer sexuellen Belästigung sieht der OGH eine Verletzung der menschlichen Würde. 1575 

Beweislast

Gemäß § 1296 ABGB hat der Geschädigte die Sorgfaltsverletzung des Täters zu beweisen.

1576

Wird ein Schutzgesetz verletzt, dann reicht für den Beweis des

Kausalzusammenhangs bereits der Anschein.

1577

Darüber hinaus muss bei einer

Schutzgesetzverletzung der Schädiger beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. 1578 

Rechtsfolgen aus der Verletzung der Menschenwürde

Nach ständiger Rsp des OGH ist dem Opfer bei einer Verletzung seiner Persönlichkeit unabhängig von einem Schaden ein Unterlassungsanspruch zu gewähren. 1579 Voraussetzung ist eine drohende Verletzung oder Wiederholungsgefahr. 1580 Der Unterlassungsanspruch besteht grundsätzlich verschuldensunabhängig (vgl aber § 1330 Abs 2 S 3 ABGB). 1581 Ist bereits eine Verletzung eingetreten, stehen dem Verletzten Beseitigungsansprüche zu. Ein ideeller Schadenersatz steht hingegen nicht zu.1582 Gleiches wird wohl für die Verletzung von § 43a BDG bzw § 5 VBG iVm § 43a BDG gelten. Zu den Rechtsfolgen einer Ehrenbeleidigung siehe unter Punkt C.3.5.2, Arten des Schadenersatzes. 

Haftung mehrerer

§ 1301 ABGB statuiert zB, dass mehrere Personen für einen widerrechtlich zugefügten Schaden verantwortlich gemacht werden können, wenn sie durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, zum Schaden beigetragen haben. Ein Bademeister, der einen Nichtschwimmer, welcher von einem Dritten ins Wasser gestoßen wird,

nicht

hilft,

wird

aufgrund

seiner

Unterlassung

gemäß

§

1301

ABGB

schadenersatzpflichtig.

1575

Vgl OGH 05. 04. 2000, 9 ObA 292/99b; OGH 17. 03. 2004, 9 ObA 143/03z; OGH 26. 05. 2004, 9 ObA 64/04h. 1576 Vgl Reischauer in Rummel3 (Stand 2007) § 1296 Rz 2 (www.rdb.at). 1577 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1311 Rz 35. 1578 Vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1311 Rz 36. 1579 RIS-Justiz RS0114307. 1580 Aicher in Rumme 3 § 16 Rz 35a (www.rdb.at). 1581 Aicher in Rummel3 § 16 Rz 35a (www.rdb.at). 1582 OGH 28. 03. 2007, 6 Ob 6/06k.

232

In der Rechtssache 9 ObA 132/10t betreffend Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund von Mobbing

klagte das Mobbingopfer sowohl eine Offene

Gesellschaft, im Folgenden OG, als seine Arbeitgeberin als auch ihre beiden Gesellschafter, welche nicht die Vorgesetztenfunktion ausgeübt hatten. Der OGH verwies in diesem Zusammenhang auf die Feststellungen des Erstgerichts, nämlich dass ein „gemeinsames gezieltes Verhalten“ der Beklagten und der beiden Vorgesetzten vorgelegen wäre und auf die Rsp zur gemeinsamen Haftung. Die Beklagten wurden zur ungeteilten Hand verurteilt. 1583 

Gerichtliche Geltendmachung

Gemäß § 50 Abs 1 Z 1 und 3 ASGG hat das Arbeits- und Sozialgericht über Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern zu entscheiden. Die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts für Schadenersatzansprüche aufgrund von Mobbing ist nach der bisherigen Rsp des OGH auch für Streitigkeiten zwischen Beamten und ihren Kollegen gegeben, sofern die Angelegenheit nicht in den Anwendungsbereich des AHG fällt. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist dabei vor allem nach dem Klagsinhalt zu beurteilen. Sie ist zu bejahen, wenn der betriebene Anspruch privatrechtlicher Natur ist.1584 9.3

Sicherungsansprüche gemäß § 381 Z 2 und § 382e EO und Mobbing

Gemäß § 381 Z 2 EO kann eine einstweilige Verfügung „zur Sicherung anderer Ansprüche“ erlassen werden, sofern Gewalt oder ein nicht wieder gutzumachender Schaden droht. Ein Schaden ist dann unwiederbringlich, wenn eine Rückversetzung in den vorherigen Stand untunlich und ein Ersatz in Geld nicht möglich oder nicht angemessen ist. Der OGH vertritt in stRsp, dass Verletzungen gegen die Privatsphäre oder die Ehre sowie Schäden an der Person nicht wieder gutzumachen sind. 1585 Unter § 381 EO fallen insbesondere Ansprüche nach dem UWG bzw dem Familienrecht. 1586 Unter den Mitteln zur Sicherung fallen gemäß § 382 Abs 1 EO zB das Verbot eine bestimmte Handlung auszuführen, sofern sie zum Nachteil für den Gefährdeten ist (Z 5). Die Aufzählung in § 382 Abs 1 EO ist allerdings nicht abschließend. 1587

Daneben stellt § 382e EO die Rechtsgrundlage für einstweilige Verfügungen als Schutz vor Gewalt dar. Vom Begriff Gewalt sind gemäß § 382e Abs 1 EO auch schwere Angriffe gegen 1583

OGH 28. 06. 2011, 9 ObA 132/10t mit Verweis auf RIS-Justiz RS0112574. RIS-Justiz RS0045584. 1585 Vgl Kodek in Angst (Hrsg) Exekutionsordnung2 (Stand 01. 03. 2008) § 381 Rz 11 (www.rdb.at). 1586 Vgl Kodek in Angst2 § 381 Rz 1. 1587 Vgl Kodek in Angst2 § 382 Rz 1. 1584

233

die psychische Gesundheit, die jede weitere Begegnung nicht zumutbar machen, umfasst. Mit Hilfe der einstweiligen Verfügung kann der Gefährdete beantragen, dass dem Gegner der Zutritt an einem bestimmten Ort bzw jegliche Kontaktaufnahme mit dem Gefährdeten verboten wird.

Nach Ansicht der Bundesregierung in ihrem Bericht über den Bestand an Regelungen gegen Mobbing könnten § 381 Z 2 EO bzw § 382e EO grundsätzlich auch für die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Mobbing herangezogen werden. 1588 10.

KRITISCHE ANMERKUNGEN ZUM BERICHT DER BUNDESREGIERUNG ZUM BESTAND AN REGELUNGEN GEGEN MOBBING

Die Bundesregierung ist in ihrem Bericht über den Bestand an Regelungen gegen Mobbing zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Notwendigkeit an weiteren gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit Mobbing besteht. Die Ansicht steht jener des Nationalrats im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Art 26 Abs 2 rev. ESC („Schutz vor Schikane am Arbeitsplatz“) entgegen, welcher die Erfüllung von Art 26 Abs 2 rev. ESC nicht vollständig gewährleistet sah, zumal das GlBG bzw B-GlBG nicht alle Formen von Mobbing umfassen würde und auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgestellt werden müsste. 1589

Folgende Aspekte wurden mE von der Bundesregierung unberücksichtigt gelassen: 10.1 Statuierung eines Mobbingverbots 

Fehlende Statuierung eines Mobbingverbots im privaten Arbeitsrecht

Im privaten Arbeitsrecht fehlt die gesetzliche Statuierung eines Mobbingverbots. Die Bundesregierung setzt sich nicht damit auseinander, dass im öffentlichen Dienstrecht ein solches besteht, im privaten Arbeitsrecht jedoch nicht. Tatsächlich scheint aufgrund der Tragweite von Mobbing die ausdrückliche Klarstellung, dass ein derartiges Verhalten nicht geduldet wird, allein auf präventiver Ebene von hoher Bedeutung. In diesem Zusammenhang könnte man natürlich argumentieren, dass im privaten Arbeitsrecht im Vergleich zum öffentlichen Dienstrecht die Gesetze lediglich die Grenzen der inhaltlichen Gestaltung der Arbeitsverträge bilden; weiters, dass ausjudiziert ist, dass Mobbing (im privaten wie im öffentlichen Dienstverhältnis) ein Eingriff in die Menschenwürde darstellt und gesetzliche

1588 1589

Vgl B III-253 BlgBReg 24. GP 8. ErläutRV 1068 BlgNR 24.GP.

234

Instrumente gegen Schikanen am Arbeitsplatz ohnehin vorhanden sind. 1590 Ich vertrete hingegen die Ansicht, dass eine ausdrückliche gesetzliche Positionierung zu dieser Problematik den unzähligen Betroffenen, aber auch den Interessenvertretungen, mehr Mut zum Handeln geben könnte, zumal der Gesetzgeber ein klares Zeichen setzen würde, wie ernst und wichtig der Kampf gegen Schikanen am Arbeitsplatz ist. Weiters ist zu befürchten, dass in der Praxis, insbesondere von den älteren Generationen der Richter, Mobbing nach wie vor nicht ernst genommen wird. Eine gesetzliche Umschreibung des Problemkreises könnte den Betroffenen diesbezüglich Abhilfe leisten. 

Kritik im Zusammenhang mit dem Mobbingverbot im öffentlichen Dienstrecht

Die Normierung eines Mobbingverbots im öffentlichen Dienstrecht war ein Schritt in die richtige Richtung, doch scheint mit dieser Bestimmung allein ein ausreichender Schutz des Opfers noch nicht gewährleistet. Tatsächlich bietet § 43a BDG keine Anspruchsgrundlage für das Opfer, sondern lediglich einen Anknüpfungspunkt für die Rechtswidrigkeit. Im Übrigen sind mit § 43a BDG keine dem B-GlBG vergleichbaren Beweislasterleichterungen gegeben. § 43a BDG sieht auch keinen Anspruch auf ideellen Schadenersatz vor. Da gerade bei Mobbing aufgrund seines prozesshaften Geschehens die Schlüssigkeit und Beweisbarkeit des Vorbringens große Probleme bereiten, scheint eine Beweislasterleichterung dringend notwendig. Der Anspruch auf einen ideellen Schadenersatz bei Mobbing scheint aufgrund des zum Teil erschütternden Leidensweges der Betroffenen insbesondere aufgrund des prozesshaften Geschehens mehr als gerechtfertigt. 10.2 Fürsorgepflicht und Mobbing Im Zentrum der Regelungen gegen Mobbing steht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Diese scheint auf den ersten Blick auch eine ausreichende Grundlage gegen Mobbing zu sein. In der praktischen Umsetzung ergibt sich daraus aber eine große Abhängigkeit des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Abhilfe nachkommt. Im Fall von Bossing geht das Mobbing direkt vom Arbeitgeber aus. Im Zusammenhang mit der Durchsetzbarkeit der Fürsorgepflicht muss die Frage aufgeworfen werden, ob ein privater Arbeitnehmer trotz § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, welcher zur Anfechtung einer Kündigung „wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer“ berechtigt, wirklich so weit gehen würde, seinen Arbeitgeber auf Einhaltung der Fürsorgepflicht bei Mobbing gerichtlich zu klagen. In der

1590

Mazal, Feedback-Gespräch vom 13. 02. 2012.

235

Judikatur des OGH liegt keine einzige diesbezügliche Entscheidung für das private Arbeitsrecht vor. Beamte könnten die Einhaltung der Fürsorgepflicht nur im Dienstweg geltend machen und scheint in diesem Zusammenhang die Objektivität des Verfahrens fraglich. Die Judikatur zeigt, dass die Arbeitnehmer in der Regel erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber auf Verletzung der Fürsorgepflicht klagen. Zu diesem Zeitpunkt kann aber bereits eine Gesundheitsschädigung bis zur Arbeitsunfähigkeit eingetreten sein. Es scheint daher nicht ausreichend, im Zusammenhang mit der Mobbingproblematik auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu verweisen. Im Rahmen des Feedback-Gesprächs mit o. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mazal am 13. 02. 12 hat mich dieser darauf hingewiesen, dass in der Praxis ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben an den Arbeitgeber mit Hinweis darauf, dass er sich im Falle seiner mangelnden Abhilfe - trotz Kenntnis von den Mobbingvorwürfen - fortan als Beitragstäter durch Unterlassung schuldig macht, große Wirkung zeigen würde. Ich bleibe trotzdem bei der Ansicht, dass der Schutz der Betroffenen nicht vom Arbeitgeber allein abhängen sollte und verweise in diesem Zusammenhang auf eigene Organe, welche die Einhaltung des ASchG trotz Fürsorgepflicht des Arbeitgebers überwachen. Im Übrigen gibt es gerade bei Mobbing viele subjektiven Opfer, die, objektiv betrachtet, keiner Schikane ausgesetzt sind. Gerade aus diesem Grund wäre es notwendig, außergerichtlich eigene Organe mit der Untersuchung des Sachverhalts zu beauftragen. 10.3 Spezielle Gesetze und Mobbing 

Diskriminierungsschutz und Mobbing

Mit dem Verweis der Bundesregierung auf die bestehenden Diskriminierungsschutzgesetze übersieht sie, dass Mobbing nur in den seltensten Fällen aus einem bestimmten (Diskriminierungs-)grund erfolgt. Das Opfer kann sich daher eher in Ausnahmefällen auf das GlBG, BEinstG bzw B-GlBG mit seinen Beweislasterleichterungen, dem Zeugenschutz und der Normierung des ideellen Schadenersatzes für die erlittene Beeinträchtigung stützen. Tatsächlich müssten die Begünstigungen der Diskriminierungsschutzgesetze für sämtliche Mobbingopfer, unabhängig vom Grund der Belästigungen, zum Tragen kommen. Es wäre sohin ratsam, ein allgemeines Belästigungsverbot in die Diskriminierungsschutzgesetze einzuführen. 1591 Auf diese Weise könnte auch das Problem gelöst werden, dass Mobbing erst

1591

Ich verweise diesbezüglich auch ausdrücklich auf Hofrat Dr. Herbert Hopf, Gespräch vom 28. 11. 2011.

236

nach einem bestimmten Zeitraum als verwirklicht gilt und nach diesem Zeitraum bereits gesundheitliche Probleme beim Opfer eingetreten sein können. 

ASchG / B-BSG und Mobbing

Die Bundesregierung führte in ihrer Stellungnahme aus, dass der private Arbeitgeber bzw der öffentliche Dienstgeber aufgrund des ASchG bzw B-BSG verpflichtet ist, präventiv und interventiv im Zusammenhang mit Mobbing tätig zu sein. Dabei übersieht er, dass weder das ASchG noch das B-BSG Mobbing ausdrücklich erwähnt. Den Sicherheitsfachkräften oder den Arbeitsinspektoren wird ex lege keine ausdrückliche Kompetenz im Zusammenhang mit Mobbing zuerkannt. Auch der OGH hat sich in keiner Entscheidung bis dato auf das ASchG gestützt. Allein aus präventiven Gründen wäre es daher notwendig, Mobbing in den Schutzgesetzen explizit aufzuzählen. Im Übrigen bietet weder das ASchG noch das B-BSG eine Anspruchsgrundlage auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, sondern kann deren Verletzung nur im Rahmen der Fürsorgepflicht geltend gemacht werden. 11.

EXKURS – AUSSCHNITT AUS DEM ÖFFENTLICHEN DIENSTRECHT DER UNION

11.1 Allgemeines Das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft und das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl traten am 01. 01. 1962 in Kraft 1592 und wurden mittels VO (EWG, Euratom, EGKS) 1968/259 des Rates vom 29. 02. 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind, zusammengeführt. 1593

Das BSt regelt im Wesentlichen die Rechte und Pflichten des Beamten (Titel II), seinen beruflichen Werdegang vom Eintritt bis zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis (Titel III), seine Arbeitsbedingungen (Titel IV), sein Gehalt und soziale Sicherungen (Titel V), das Disziplinarverfahren (Titel VI) und Verfahren hinsichtlich Beschwerden und Rechtsschutz 1592 1593

VO 1961/31 (EWG), 1961/30 (EAG) ABl 1962/45, 1365. VO (EWG, Euratom, EGKS) 1968/259 ABl 1968/56, 1.

237

(Titel VII). Die beiden Regelungssysteme haben seit ihrer Einführung einige Änderungen erfahren. 1594 Mit 01. 05. 2004 wurde das BSt bzw die BsB auf geänderte Verhältnisse, insbesondere durch Schaffung eines rechtlichen Rahmens gegen Mobbing und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, angepasst. 1595

Die Beamtenstellung wird durch Ernennung erworben. Die Dienstverrichtung ist „auf Lebenszeit“ ausgerichtet.

1596

Die Definitivstellung erfolgt frühestens nach einer

neunmonatigen Tätigkeit als Beamter „auf Probe“ und aufgrund einer Beurteilung über die Eignung des Bediensteten. 1597 Auf die Art der Tätigkeit wird hingegen nicht abgestellt, zumal hoheitliche Tätigkeiten nicht den Beamten vorbehalten sind. 1598 Ca 90% der Bediensteten der Union sind Beamte. 1599 Art 1d BSt normiert, dass „bei der Anwendung dieses Statuts jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder einer sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten“ ist. Die Bestimmung ist wortgleich mit Art 21 Abs 1 GRC. Art 1d BSt findet auf Vertragsbedienstete keine Anwendung. 1600 11.2 Pflichten des europäischen Beamten gemäß Art 11 ff BSt und der sonstigen Bediensteten Die Rechte und Pflichten der Beamten gelten sinngemäß auch für die sonstigen Bediensteten (vgl Art 11, 54, 79, 81, 124 BsB). Unter dem Titel „Rechte und Pflichten des europäischen Beamten“ findet sich Art 12a BSt, welcher unmissverständlich klarstellt, dass sich ein Beamter von jeglicher Form von Mobbing oder sexueller Belästigung zu enthalten hat. Diese Bestimmung gilt auch für die sonstigen Bediensteten Mobbing wird in Art 12a Abs 3 BSt definiert als „ungebührliches Verhalten, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder Vgl Hailbronner/Wilms, Recht der Europäischen Union (Stand Februar 2010) Art 283 EGV Rz 5. VO 2004/723 ABl L 2004/124, 1 (15). 1596 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.007. 1597 Vgl Rogolla in Gablitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union (Stand Oktober 2007) Art 283 EGV Rz 55 (www.lexisnexis.com). 1598 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.007. 1599 Vgl Hailbronner/Wilms, Recht der Europäischen Union Art 283 EGV Rz 7. 1600 EuGöD 29. 09. 2009, F-75/08, Aparicio u.a. / Kommission Rz 93. 1594 1595

238

schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreift.“ Der Tatbestand des Mobbings gemäß Art 12a Abs 3 BSt stellt ausschließlich auf objektive Kriterien ab. 1601 Vom Tatvorsatz müssen nur die Handlungen, nicht auch die Folgen umfasst sein. 1602

Eine sexuelle Belästigung liegt gemäß Art 12a Abs 4 BSt vor, „wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das von der Person, an die es sich richtet, nicht gewünscht wird und bezweckt oder bewirkt, dass die Würde dieser Person verletzt oder ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, aggressivem oder beschämendem Verhalten geprägtes Arbeitsumfeld geschaffen wird.“

In Abs 2 wird klargestellt, dass weder dem Opfer noch einem etwaigen (gutgläubig handelnden) Zeugen Nachteile gegenüber dem Dienstgeber entstehen dürfen. 11.3 Pflichten der Anstellungsbehörden gemäß Art 24 BSt Die Fürsorgepflicht der Anstellungsbehörde ist insbesondere durch die Normierung der Beistandspflicht in Art 24 BSt ausgestaltet. 1603 Art 24 BSt gilt für die sonstigen Bediensteten sinngemäß (vgl Art 11, 54, 79, 81, 124 BsB). Er verpflichtet die Anstellungsbehörden ihre Mitarbeiter zu unterstützen, wenn diese oder deren Familienangehörigen “auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes Opfer von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen“ geworden sind. Der Beistand soll dabei insbesondere durch die Verfolgung dieser Taten erfolgen. ei Mobbing ist die Anstellungsbehörde gemäß 24 BSt zur Abhilfe verpflichtet. Nach der Rsp hat die Anstellungsbehörde „Beschwerden im Bereich des Mobbings ernsthaft, schnell und unter vollständiger Wahrung der Vertraulichkeit zu prüfen“, 1604 aus den Umständen des Einzelfalles kann sich auch eine Verpflichtung zur sofortigen Veränderung der Situation ergeben, andernfalls die Anstellungsbehörde gegenüber dem Opfer schadenersatzpflichtig

1601

Vgl Beschluss der Kommission vom 26. 04. 2006 über Maßnahmen zum Schutz der Menschenwürde und gegen Mobbing und sexuelle Belästigung bei der Europäischen Kommission C (2006) 1624/3 (23). 1602 EuGÖD 09. 12. 2008, F-52/05, Q/Kommission Rz 134. 1603 Vgl Karpenstein in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union Art 236 EGV Rz 50v (www.lexisnexis.com). 1604 EuGöD 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA Rz 74.

239

werden kann. 1605 Der Ersatzanspruch erfasst in diesem Fall den materiellen und den immateriellen Schaden. 1606 Wird im Disziplinarverfahren die Erfüllung des Tatbestands Mobbing gemäß Art 12a BSt bejaht, haftet die Union gemäß Art 24 BSt neben dem Täter für den materiellen und den immateriellen Schaden, soweit das Opfer diesen nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat und vom Täter keinen Ersatz erlangen konnte. 11.4 Formelles Verfahren bei Mobbing – Rechte des Opfers 

Vorverfahren gemäß Art 90 f BSt

Die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren sind auf die sonstigen Bediensteten sinngemäß anzuwenden (Art 46, 73, 117, 124 BsB). Mit einem Ersuchen um Beistand gemäß Art 24 BSt iVm Art 90 Abs 1 BSt wird das formelle Verfahren bei Mobbing eingeleitet. Aufgrund dessen hat die Anstellungsbehörde innerhalb von vier Monaten geeignete Maßnahmen durchzuführen, insbesondere eine Untersuchung einzuleiten oder das Ersuchen ausdrücklich bzw stillschweigend abzulehnen. 1607 Im Falle einer Ablehnung bzw eines Nichtentsprechens des Antrags stehen dem Beamten gemäß Art 90 Abs 2 BSt innerhalb einer Frist von drei Monaten die Erhebung einer Beschwerde bei der Anstellungsbehörde zu. 1608 Erst wenn auch diese nicht bearbeitet wird, 1609 kann der Beamte bzw der sonstige Bedienstete innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Mitteilung über die Entscheidung bzw ab Verstreichen der Frist für eine Entscheidung gemäß Art 91 Bst (Art 46 BsB iVm Art 91 BSt) eine Anfechtungsklage und bzw eine Schadenersatzklage beim EuGöD einbringen. 1610 Aufgrund einer Weigerung des Beistands der Anstellungsbehörde kann das Opfer eine Pflichtverletzung der Verwaltung wegen unterlassenen Beistands geltend machen. Eine ablehnende Entscheidung eines Antrags auf Schadenersatz ist Gegenstand eines folgenden Aufhebungs- und Schadenersatzprozesses vor dem EuGöD. 1611

Vgl EuG 12. 07. 2011, T-80/09, Kommission/Q Rz 84. Vgl EuGÖD 09. 12. 2008, F-52/05, Q/Kommission Rz 231 ff. 1607 Vgl Beschluss der Kommission vom 26. 04. 2006 über Maßnahmen zum Schutz der Menschenwürde und gegen Mobbing und sexuelle Belästigung bei der Europäischen Kommission C (2006) 1624/3 (23). 1608 Vgl Prieß/Lübbig in Mes (Hrsg), Beck’sches Prozessformularbuch11 (2010) Art 90 Abs 2 Bst Anm 4 (www.beck-online.de). 1609 Innerhalb von vier Monaten; siehe Näheres bei Gaitanides in Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EGVertrag6 (2003) Art 236 EGV Rz 16. 1610 Vgl Prieß/Lübbig in Mes (Hrsg), Beck’sches Prozessformularbuch11 Art 90 Abs 2 Bst Anm 9 (www.beckonline.de). 1611 Vgl Prieß/Lübbig in Mes (Hrsg), Beck’sches Prozessformularbuch11 Art. 236 EG (Art. 270 AEUV) Anm 1 (www.beck-online.de). 1605 1606

240

War der Antrag auf Beistand hingegen auf die Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung gerichtet, dann entscheidet die Anstellungsbehörde aufgrund ihres Ergebnisses, ob ein Disziplinarverfahren gegen den mutmaßlichen Mobber initiiert werden soll oder nicht. 1612

Das Vorverfahren ist eine zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage beim EuGöD und legt bereits den Verfahrensgegenstand fest. Eine Klage darf nur dann vor Beenden des Vorverfahrens erhoben werden, wenn gleichzeitig mit ihr ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt wird. Selbst in diesem Fall wird das ordentliche Verfahren erst nach der Entscheidung über die Beschwerde geführt. 1613 Viele Klagen im Zusammenhang mit

Mobbing

zurückgewiesen. 

wurden

wegen

Nichteinhaltung

des

Rechtsweges

vom

EuGöD

1614

Hauptverfahren

Das EuGöD wurde vom Rat im Jahr 2004 ins Leben gerufen und besteht aus sieben Richtern, welche jeweils in Kammern, bestehend aus drei Richtern, entscheiden. 1615 Es ist nunmehr gemäß Art 270 AEUV (Art 236 EGV) ausschließlich für alle Rechtstreitigkeiten zwischen Beamten bzw sonstigen Bediensteten und der Union zuständig. 1616 Ein Rechtsweg auf nationalem

Weg

ist

damit

ausgeschlossen.

Die

formellen

und

materiellen

Prozessvoraussetzungen sind ausschließlich nach dem BSt bzw dem BSB zu beurteilen. 1617

Passiv klagslegitimiert für dienstrechtliche Klagen ist die jeweilige Anstellungsbehörde, zu welcher der Beamte zum Zeitpunkt der angefochtenen Maßnahme in einem Dienstverhältnis stand. 1618 Das Gericht hat in einem Verfahren zu prüfen, ob die Anstellungsbehörde rechtmäßig gehandelt hat. 1619 Die Entscheidung des Gerichts ist kassatorisch, dh es kann eine

1612

Vgl Beschluss der Kommission vom 26. 04. 2006 über Maßnahmen zum Schutz der Menschenwürde und gegen Mobbing und sexuelle Belästigung bei der Europäischen Kommission C (2006) 1624/3 (23). 1613 Vgl Prieß/Lübbig in Mes (Hrsg), Beck’sches Prozessformularbuch11 Art. 236 EG (Art. 270 AEUV) Anm 15 (www.beck-online.de). 1614 Vgl EuGöD 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA, EuG 12. 07. 2011, T-80/09P, Q/Kommission etc. 1615 Beschluss 2004/752 (EG, Euratom) des Rates vom 02. 11. 2004 ABl L 2004/333, 7. 1616 Vgl Reithmann, EuR 2008, 0270. 1617 Vgl Karpenstein in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union Art 236 EGV Rz 1(www.lexisnexis.com). 1618 Dazu zählen das Europäische Parlament, der Rat, die Kommission, der EuGH, der Rechnungshof, der Ausschuss der Regionen, der Wirtschafts- und Sozialausschuss die Europäische Investitionsbank, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt und die Europäische Umweltagentur; siehe Näheres bei Wegener in Callies/Ruffert/Blanke, EUV / AEUV - Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta4 (2011) Art 270 EGV Rz 4. 1619 Vgl Wegener in Callies/Ruffert/Blanke, EUV / AEUV3 Art 270 AEUV Rz 11.

241

Entscheidung bzw eine fingierte Ablehnung der Anstellungsbehörde aufheben oder bestätigen. Ausnahmen bilden vermögensrechtliche Klagen. 1620

Gegen die Entscheidung des EuGöD ist innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Entscheidung ein Rechtsmittel an das EuG ausschließlich aufgrund von Rechtsrügen zulässig. 1621 11.5 Disziplinarverfahren – Folgen für den Täter Das BSt kennt wie das österreichische BDG das Institut des Disziplinarverfahrens, das bei einer Pflichtverletzung eingeleitet wird. 1622 Die Vorschriften über das Disziplinarverfahren finden sich gemäß Art 86 im Anhang IX des BSt und können sinngemäß auf die Bediensteten auf Zeit und auf die Vertragsbediensteten angewendet werden (Art 49, 119 BsB).

Dem eigentlichen Disziplinarverfahren geht ein Vorverfahren voraus, im Zuge dessen die Anstellungsbehörde unter Anhörung des Beschuldigten den wesentlichen Sachverhalt feststellt. 1623 Ergibt sich aufgrund der Voruntersuchung, dass der betreffende Beamte keine Dienstpflichtverletzung begangen hat bzw dass eine Ermahnung ausreicht, kann sie das Verfahren einstellen (vgl Art 3 Abs 1 lit a und b Anhang IX BSt). Andernfalls hat sie die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu beschließen. Dieses wird auf Entscheidung der Anstellungsbehörde entweder vor dieser selbst oder vor dem Disziplinarrat durchgeführt (vgl Art 3 Abs 1 lit c Anhang IX BSt). Bei Verdacht einer schweren Dienstpflichtverletzung kann sie den Beamten vom Dienst suspendieren (vgl Art 23 Anhang IX BSt). Im Rahmen eines Verfahrens vor der Anstellungsbehörde kann nur eine Verwarnung oder ein Verweis ausgesprochen werden (vgl Art 11 Anhang IX BSt). Bei jedem Organ ist ein Disziplinarrat statuiert, welcher den Sachverhalt objektiv zu beurteilen hat und auch eine Empfehlung hinsichtlich der Disziplinarmaßnahmen macht. Erst im Rahmen des Verfahrens vor dem Disziplinarrat hat der Beschuldigte ein umfassendes Akteineinsichtsrecht (vgl Art 13 Abs 1 Anhang IX BSt). Aufgrund der Stellungnahme des Disziplinarrates entscheidet in der Folge die Anstellungsbehörde über die Verhängung der Strafe. Art 9 Z 1 Anhang IX zum BSt nennt acht verschiedene Disziplinarstrafen, die neben der Verwarnung (lit a), dem Verweis (lit b) und Auswirkungen in der Besoldung (lit c – g), die Entfernung aus dem Dienst (lit h) mit oder Vgl Karpenstein in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union Art 236 EGV Rz 63 (www.lexisnexis.com). 1621 Vgl Reithmann, EuR 2008, 0271. 1622 Vgl Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union Rz 13.012. 1623 Vgl Kalbe in Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag6 (2003) Art 283 EUV Rz 107 (www. beck-online.beck.de). 1620

242

ohne Entfall von Versorgungsansprüchen vorsehen. Bei Geständnis des Beschuldigten können nur lit a bis d verhängt werden, sofern die Schwere der Dienstpflichtverletzung nicht außer Verhältnis zu den milden Disziplinarstrafen steht (vgl Art 14 Anhang IX BSt).

Demgegenüber kann ein auf Zeit Bediensteter bzw ein Vertragsbediensteter entlassen werden, wenn er seine Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

Der

Beamte

bzw

der

sonstige

Bedienstete

kann

gegen

die

Entscheidung

der

Anstellungsbehörde innerhalb einer Frist von drei Monaten gemäß Art 90 Abs 2 BSt eine Beschwerde bei der Anstellungsbehörde erheben. Wird diese Beschwerde abgelehnt, steht ihm gemäß Art 91 Abs 2 BSt der Klagsweg vor dem EuGöD offen. 12.

MOBBING – PRÄVENTION (rechtliche Grundlagen)

In der österreichischen Studie „Mobbing – und was öffentliche Organisationen dagegen tun können“, bestätigten 63% der Befragten die Durchführung von Präventionsmaßnahmen in ihrem Betrieb bzw ihrer Dienststelle. Folgende Instrumente wurden von ihnen genannt 1624 :

Art der Präventionsmaßnahme, die umgesetzt wurde

%

Schulung der Führungskräfte

59

speziell Beauftragte

57

Mitarbeitergespräche

35

im Rahmen von Teambesprechungen

26

Betriebsvereinbarung

25

Leitbild

24

Präventionsstrategie

19

Unter Punkt B.5.1, Präventionsmaßnahmen, wurden bereits die Präventionsmaßnahmen dargestellt. Im Folgenden soll deren rechtliche Basis untersucht werden.

Vgl Kloimüller/Gabriel/Schurian/Ernst/Riedler, Mobbing I 16; ca die Hälfte der Befragten steht in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis und die andere Hälfte in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis. 1624

243

12.1 Unionsrechtliche Ebene - Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz und die österreichische Umsetzung 1625 Am 26. 04. 2007 haben die Europäischen Sozialpartner BUSINESSEUROPE, „the European Association of Craft, Small and Medium-Sized Enterprises“, im Folgenden UEAPME, „the European Centre of Employers and Enterprises providing Public service“, im Folgenden CEEP, und „the European Trade Union Confederation“, im Folgenden ETUC, eine Rahmenvereinbarung über Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz abgeschlossen. Ziel dieser Rahmenvereinbarung ist es, das Bewusstsein und Verständnis für diese Phänomene zu steigern und sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern sowie deren Repräsentanten ein handlungsorientiertes Grundgerüst für die Prävention sowie Intervention anzubieten. In dieser Vereinbarung haben die Vertragsparteien Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in all ihren Formen strengstens verurteilt. Den Unternehmen wird angeraten, ein klares Statement hinsichtlich Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz abzulegen. Weiters sollten sie ein Verfahren festgelegen, wie bei Auftreten von Belästigung und Gewalt vorgegangen wird. Dieses Verfahren könnte in erster Stufe auch informal ausgestaltet sein. Die Vertragsparteien haben sich dazu verpflichtet, die Vereinbarung binnen 3 Jahren in den Mitgliedstaaten zu erfüllen.

Das passende Verfahren sollte dabei von folgenden Grundsätzen untermauert sein: → Wahrung der Würde und Privatsphäre durch die notwendige Diskretion; → Verschwiegenheitspflicht; → Beschwerden werden ohne Verzögerung untersucht; → jeder Betroffene wird unparteiisch gehört und fair behandelt; → Beschwerden beinhalten detaillierte Informationen; → falsche Anschuldigungen werden nicht toleriert und können Disziplinarmaßnahmen hervorrufen; → eventuell Zuhilfenahme einer externen Unterstützung. Sollte sich im Rahmen eines solchen Verfahrens der Verdacht auf Mobbing tatsächlich bestätigen, wären geeignete Maßnahmen, welche bis zur Entlassung reichen können, gegen die Täter zu treffen. Den Opfern soll Unterstützung garantiert werden, falls notwendig, soll ihnen bei der Neuintegrierung geholfen werden.

1625

http://www.etuc.org/a/3574 (30. 10. 2010).

244

Arbeitgeber sollten im Austausch mit ihren Arbeitnehmern bzw deren Vertretern derartige Verfahren entwickeln und deren Effektivität überwachen. Im Umsetzungsbericht der Vertragsparteien vom 16. 06. 2009 wurden für Österreich folgende Ergebnisse präsentiert: Die Sozialpartner würden ihre Diskussionen zur Frage, welche Maßnahmen zur Umsetzung der Vereinbarung geeignet seien, fortsetzen. Im Jahr 2008 seien insgesamt 30 „betriebliche Konfliktlotsen“ ausgebildet worden.

Anfang 2011 präsentierten die Bundes-AK, die Industriellenvereinigung, im Folgenden IV, der ÖGB, der Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs, im Folgenden VÖWG, und die Wirtschaftskammer Österreich, im Folgenden WKÖ, einen Ratgeber zu „Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz – Instrumente zur Prävention“, welcher an Arbeitgeber, Betriebsrats- bzw Personalvertretungsmitglieder, aber auch Betroffene und Mitarbeiter gleichermaßen adressiert ist. Neben einer Begriffs- und einer Ursachenklärung

finden

sich

in

dem

Ratgeber

auch

Präventions-

sowie

Interventionsratschläge. Im Anhang werden auch die notwendigen Elemente einer Betriebsvereinbarung zu „Belästigung und Gewalt“ angeführt. 1626 12.2 Präventionsmaßnahmen im privaten Arbeitsrecht Dem privaten Arbeitsrecht sind gesetzlich angeordnete Präventionsmaßnahmen zur Schaffung eines guten Betriebsklimas und zur Verhinderung von Mobbing fremd. Dem Arbeitgeber steht aber die Möglichkeit offen, mit dem Betriebsrat, dem Betriebsausschuss bzw dem Zentralbetriebsrat

eine

schriftliche

Vereinbarung,

eine

sog

Betriebsvereinbarung,

abzuschließen, welche zu ihrer Wirksamkeit innerhalb des Betriebes zu veröffentlichen ist. 1627 Diese Vereinbarung kann nur in bestimmten, im Gesetz bzw durch Kollektivvertrag 1628

ausdrücklich geregelten Fällen geschlossen werden.

Die Voraussetzungen für die

Wirksamkeit und das Zustandekommen einer Betriebsvereinbarung richtet sich nach der Schwere ihres Eingriffes in die Rechte der Arbeitnehmer.

Die Regelung über einen achtungsvollen Umgang im Betrieb könnte im Rahmen einer Disziplinarordung gemäß § 96 Abs 1 Z 1 ArbVG schriftlich vereinbart werden. Die Zustimmung des Betriebsrates ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit

1626

http://www.voewg.at/2010/12/31/belastigung-und-gewalt-am-arbeitsplatz/ (26. 08. 2011). Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 681. 1628 Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 682. 1627

245

einer Disziplinarordnung (notwendige, nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung). 1629 In einer Disziplinarordung wird festgelegt, welches Verhalten im Betrieb verboten ist und welche Konsequenzen bei Zuwiderhandeln zu befürchten sind. 1630 Durch eine Disziplinarordnung kann zB unpünktliches Erscheinen oder schlechtes Benehmen unter Strafe gestellt werden. Zu den Sanktionen zählen idR die Verwarnung oder der Verweis, aber auch ein nicht gewährter beruflicher

Aufstieg

und

Geldstrafen.

Im

Zuge

dessen

kann

eine

eigene

Disziplinarkommission errichtet werden. 1631 Eine Disziplinarordung kann weder durch Weisung noch durch einzelvertragliche Vereinbarung geschlossen werden. 1632

Mit der Frage, ob ein Mobbingverbot als erzwingbare Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG (“Verhaltensregeln”) ausgestaltet werden kann, hat sich der VfGH im Erkenntnis vom 04. 03. 2011, B 1338/10, befasst. Darin führt er aus, dass eine Betriebsvereinbarung zur Vorbeugung gegen Mobbing und Diskriminierung keinesfalls erzwingbar ist, wenn sie auch das Verhalten des Arbeitgebers regelt, zB in der Form einer Pflicht zur Einleitung einer Untersuchung bei Verdacht von Mobbing. 1633 Bei einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung kann die Zustimmung des Betriebsrats von der Schlichtungsstelle ersetzt werden. 1634

Als weitere Möglichkeit für die Regelung eines achtungsvollen Umgangs im Betrieb könnte eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit gemäß § 97 Abs 1 Z 8 bzw zur menschengerechteren Arbeitsgestaltung gemäß § 97 Abs 1 Z 9 ArbVG in Betracht kommen. 1635 Eine solche Maßnahme kann nur einvernehmlich beschlossen werden, der Weg zur Schlichtungsstelle steht nicht offen (freiwillige Betriebsvereinbarung). Gegenstand einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 9 ArbVG sind zumeist technische oder organisatorische Maßnahmen. Dazu gehören insbesondere Mobbingpräventionsmaßnahmen, wie

die

Abhaltung

von

Mitarbeitergesprächen,

Transparenz

hinsichtlich

der

Arbeitsgestaltung, Forcierung der sozialen Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern durch Einrichtung von Gemeinschaftsräumen. 1636 Regelungsinhalte, welche einer freiwilligen

Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 622. Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 635. 1631 Vgl Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen (2001) 44. 1632 Vgl Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen 42. 1633 Mit Dank für den Hinweis auf die Entscheidung des VfGH an meinen Betreuer, o. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mazal. 1634 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 4. 1635 Vgl Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen 42. 1636 Vgl Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen 118. 1629 1630

246

Betriebsvereinbarung unterliegen, können auch im Einzelvertrag vereinbart werden. 1637 Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht über den Bestand an Regelungen gegen Mobbing festgehalten,

dass

Maßnahmen

zur

Mobbingprävention

im

Rahmen

einer

Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs 1 Z 8 oder 9 ArbVG beschlossen werden können. 1638 § 97 Abs 1 Z 20 ArbVG sieht weiters ein betriebliches Beschwerdewesen vor, welches das allgemeine Recht der Arbeitnehmer, sich gemäß § 37 Abs 2 ArbVG beim Betriebsrat bzw Arbeitgeber zu beschweren, hinsichtlich des Verfahrensablaufes konkretisieren kann. Arbeitnehmern, die sich subjektiv benachteiligt oder belästigt fühlen, wird damit die Möglichkeit geboten, ihren Unmut zu äußern. 1639 Im Zuge dessen kann eine eigene Ansprechsperson ins Leben gerufen werden. 1640 12.3 Präventionsmaßnahmen im öffentlichen Dienst 12.3.1 

Gesetzlich angeordnete Präventionsmaßnahmen im öffentlichen Dienstrecht

Das Mitarbeitergespräch gemäß § 45a BDG, § 5 Abs 1 VBG iVm § 45a BDG

§ 45a BDG, welcher gemäß § 5 Abs 1 VBG iVm § 45a BDG auch auf Vertragsbedienstete anzuwenden ist, regelt das Mitarbeitergespräch. Diese Bestimmung trat mit 01. 01. 1998 in Kraft. Primäres Ziel des Mitarbeitergesprächs ist eine Leistungssteigerung, und zwar sowohl auf Seiten des Vorgesetzten als auch auf Seiten des Mitarbeiters durch Definition der Rollen und Aufgaben, Anbringung von Kritik und Aufzeigen von Möglichkeiten zur persönlichen Verbesserung. 1641

Das Gespräch ist von einem der beiden Gesprächspartner zu dokumentieren und von beiden zu unterzeichnen. Sollte keine Einigkeit bestehen, kommt es zu einem zweiten Gespräch, in dem jeder eine Vertrauensperson hinzuziehen kann (vgl § 45a Abs 4 BDG bzw § 5 Abs 1 VBG iVm § 45a Abs 4 BDG). Eine Abschrift des zweiten Protokolls ist dem Personalakt beizulegen und der personalführenden Stelle vorzulegen (vgl § 45a Abs 6 BDG bzw § 5 Abs 1 VBG iVm § 45a Abs 6).

Weder das AngG noch die GewO 1859 kennen eine derartige

Bestimmung.

1637

Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 43. Vgl B III-253 BlgBReg 24. GP 4. 1639 Vgl Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen 168. 1640 Vgl Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen 169. 1641 Vgl Fellner, BDG § 45a ErläutRV 1577 BlgNR 18. GP (www.rdb.at). 1638

247



Die Teamarbeitsbesprechung gemäß § 45b BDG, § 5 Abs 1 VBG iVm § 45b BDG

Nach Durchführung des Mitarbeitergesprächs sieht § 45b Abs 1 BDG eine Besprechung mit dem gesamten Team einer Einheit vor. Vorrangiges Ziel der Teamarbeitsbesprechung ist eine Qualitätssteigerung bzw –erhaltung (vgl § 45b Abs 2 BDG). § 5 Abs 1 VBG verweist auf § 45b BDG. 12.3.2

Frauenförderungspläne der Bundesminister gemäß § 11a B-GlBG

Die Bundesminister haben für ihre Ressorts gemäß §11a B-GlBG per Verordnung Frauenförderungspläne erlassen, in denen sie Maßnahmen zur Sicherstellung der Chancengleichheit für Frauen und Männer normieren. Inhalt all dieser Verordnungen ist auch die Verbürgung zur Prävention von Mobbing. In der Folge wird als Beispiel die Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den Frauenförderungsplan des Justizressorts für den Zeitraum bis 01.01.2012 dargestellt. 1642

Bereits im ersten Punkt des Maßnahmenplans der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den Frauenförderungsplan des Justizressorts vom 10. 12. 2008, findet sich die Verbürgung zum „Schutz der Menschenwürde am Arbeitsplatz“. Dazu wird in § 2 Folgendes ausgeführt: (1)

„Die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz ist zu schützen. Verhaltensweisen, herabwürdigende

welche

die

Äußerungen

Würde sowie

des

Menschen verletzen, insbesondere

Darstellungen

(Poster,

Kalender,

Bildschirmschoner usw), Mobbing und sexuelle Belästigung, sind zu unterlassen. Der Dienstgeber wird geeignete Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung treffen. (2)

Die Mitarbeiter/innen sind über die rechtlichen und sonstigen Möglichkeiten, sich gegen sexuelle Belästigung oder Mobbing zur Wehr zu setzen, auch anlässlich des Mitarbeiter/innengesprächs zu informieren.

(3)

Es ist auf eine Arbeitsatmosphäre zu achten, die von gegenseitigem Respekt getragen ist.“

12.3.3

Dienstvereinbarungen zu Mobbing im öffentlichen Dienst

§ 9 PVG sieht eine Reihe von Mitwirkungsrechten der Organe der Personalvertretung vor, die, je nach Art, verschieden ausgestaltet sind. 1643 Sie sind aber wesentlich schwächer als jene des 1642 1643

Frauenförderungsplan für das Justizressort für den Zeitraum bis 01. 01. 2012 BGBl II 2008/459. Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 4.

248

Betriebsrates. Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet daher letztlich der Leiter der Zentralstelle allein. 1644

§ 9 Abs 1 lit e PVG sieht ein Mitwirkungsrecht dahingehend vor, dass beabsichtigte Maßnahmen betreffend die Gesundheit der Dienstnehmer den Organen der Personalvertretung spätestens zwei Wochen vor der geplanten Realisierung bekannt zu machen sind. 1645 Diesen obliegt es, eine Verhandlung zu beantragen, Einwendungen zu erheben oder Gegenvorschläge zu erstatten, andernfalls ex lege eine Zustimmung angenommen wird. 1646 Kann eine Verständigung trotzdem nicht herbeigeführt werden, hat der Leiter der Dienststelle seinen Entschluss schriftlich zu begründen. 1647 Den Organen der Personalvertretung steht bei Verletzungen des Mitspracherechts die Anrufung der Aufsichtsbehörde offen. Scheint den Organen der Personalvertretung die Setzung einer Maßnahme notwendig, können sie auch von selbst an den Dienststellenleiter herantreten. 1648 Gemäß

§

9

Abs

2

lit

a

PVG

hat

die

Personalvertretung

zu

„allgemeinen

Personalangelegenheiten“ im Zuständigkeitsbereich des Dienststellenausschusses ihre Zustimmung zu erteilen. Dabei handelt es sich um grundlegende Entscheidungen über eine zukünftige Herangehensweise oder eine intendierte Gesetzesanwendung, die sämtliche Dienstnehmer einer Dienststelle betreffen. 1649 Strategien zur Prävention und Handhabe von Mobbing könnten aufgrund der Wichtigkeit der Bekämpfung von Mobbing unter Umständen darauf gestützt werden. Die Zustimmung des Dienststellenausschusses kann in diesem Fall in letzter Instanz nur durch den Leiter der Zentralstelle ersetzt werden. 1650

Die letzte Entscheidung in allen Bereichen des Dienstbetriebes obliegt dem zuständigen Leiter der Zentralstelle nach Anhörung des Zentralausschusses, gegebenenfalls nach Einholung eines Gutachtens der Personalvertretungs-Aufsichtskommission gemäß §§ 39 ff PVG.

Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 2. Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 15. 1646 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 17. 1647 Vgl Schragel, PVG § 10 Rz 30. 1648 Vgl Schragel, PVG § 9 Rz 31. 1649 Fellner, BDG § 9 PVG E 21 (www.rdb.at). 1650 Vgl Fellner, BDG § 10 PVG E 6 (www.rdb.at). 1644 1645

249

12.3.4

„Fair Play“ – Beispiel für eine Dienstvereinbarung im öffentlichen Dienst

„Fair Play“ ist eine Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, als Dienstgeber, und den Personalvertretungsorganen, als Vertreter der Dienstnehmer, in der sich beide Seiten zur Unterbindung von Mobbing und Schaffung eines kameradschaftlichen Klimas im BMASK verpflichten. Diese Vereinbarung gilt seit 01. 07. 2004 und ist Teil der vom BMASK zum Ziel gesetzten Mobbingpräventionsstrategien. Gegenstand von „Fair Play“ ist neben Präventionsmaßnahmen wie Aufklärung auch die Einführung eines informellen Verfahrens, dem so genannten „Fair Play – Modus“, bei Auftreten eines Konflikts. 1651 Dazu wurde das Institut des Mobbing(präventions-)beauftragten geschaffen (vgl § 6). Dieser dient als Schaltstelle zwischen dem betroffenen Opfer und dem(n) vermeintlichen Täter(n) (vgl § 6 Abs 2). Seine Aufgaben bestehen sowohl in der Beratung und Unterstützung des Opfers (vgl § 5 Abs 3 Z 1) als auch in der Aufklärung der vermeintlichen Täter über die Folgen ihres Psychoterrors (vgl § 5 Abs 3 Z 2). Darüber hinaus hat der Mobbing(präventions-)beauftragte mit Hilfe aller Beteiligten den Sachverhalt zu ermitteln (vgl § 5 Abs 3 Z 3). In Kooperation mit dem nächst höheren, nicht involvierten Vorgesetzten, kann er, im Auftrag des vermeintlichen Opfers, eine Lösung ausarbeiten (vgl § 5 Abs 3 Z 4).

Sollten die Beteiligten eine einvernehmliche Lösung finden, liegt es am Mobbing(Präventions-)beauftragten, diese schriftlich festzuhalten und nach drei Monaten deren erfolgreiche Implementierung zu überprüfen (vgl § 5 Abs 3).

Sollten sich die Beteiligten nicht innerhalb von zwei Monaten einigen, ist ihnen eine vom Dienstgeber finanzierte Mediation durch einen außenstehenden Mediator zu ermöglichen (vgl § 5 Abs 3). 12.4 Exkurs: Präventions- und informelle Interventionsmaßnahmen innerhalb

der

europäischen Kommission Seit dem 23. 02. 1996 gilt innerhalb der Kommission ein „Verhaltenskodex zum Schutz der Menschenwürde“. Die Verhaltensanordnungen gelten für alle Mitarbeiter der Kommission unabhängig von ihrem Status.

1651

http://www.bmsk.gv.at/cms/site/search.html?locator=CH0002&query=Fair+Play&suche=bereich (06. 04. 2009).

250

Im Oktober 2003 erging eine „Mitteilung über das Vorgehen gegen Mobbing.“ 1652 Aufgrund der Einführung der Art 12 und 12a BSt wurden diese beiden Kodices mit „Beschluss der Kommission vom 26. 04. 2006 über Maßnahmen zum Schutz der Menschenwürde und gegen Mobbing und sexuelle Belästigung bei der Europäischen Kommission“ aktualisiert bzw ersetzt. 1653 Hauptaugenmerk dieser Maßnahmen ist einerseits ein präventiver Ansatz, anderseits ein informelles Verfahren, das einer Person zur Verfügung gestellt wird, wenn sie sich gemobbt bzw belästigt fühlt. Der große Unterschied zum formellen Verfahren liegt darin, dass dieses eingeleitet werden kann, wenn sich ein Mitarbeiter gemobbt fühlt, ohne dass objektiv die Kriterien geprüft werden. 1654 Im Detail sieht der Beschluss Folgendes vor: Punkt 2. des Anhangs zum Beschluss gibt nicht nur die Definition von Mobbing und sexueller Belästigung gemäß Art 12a BSt wieder, sondern untermauert die Begriffe auch jeweils anhand von Beispielen. Der Tatbestand des Mobbing kann demnach erfüllt sein durch → „abfällige, erniedrigende Bemerkungen, insbesondere im Beisein anderer, Schikanen, abfällige Behandlung, Ausübung von Druck, Demütigungen, gezielte Nichtbeachtung; → Beleidigende Äußerungen über die charakterliche oder die berufliche Qualifikation → Beleidigungen und Drohungen, mündlich oder in Schriftform; → Ignorierung der Leistungen der betroffenen Person [….]“ 1655 Die Kommission stellt weiters klar, dass Zeugen derartiger Handlungsweisen aus moralischen Gründen verpflichtet sind, ihr Wissen an ein zuständiges Organ – sei es eine Vertrauensperson, die Mediationsstelle oder der Vorgesetzte - weiterzuteilen.

Der Schwerpunkt der Präventionsmaßnahmen innerhalb der Kommission liegt in der Aufklärung und Schulung der Mitarbeiter hinsichtlich der Problemkreise Mobbing und sexuelle Belästigung. 1656

Für die Umsetzung der Maßnahmen und für die Durchführung des informellen Verfahrens sind eigene Organe zuständig. Die Generaldirektion Personal und Verwaltung ist damit betraut, diese Maßnahme auszufeilen und deren Ausführung zu organisieren. 1657 Eine bei jeder leitenden Dienststelle eingerichtete „Mobbingstelle“ übernimmt die Organisation des

1652

KOM C (2003) 3644. KOM C (2006) 1624/3. 1654 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (7). 1655 KOM C (2006) 1624/3 (8). 1656 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (17). 1657 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (13). 1653

251

informellen Verfahrens und führt auch eine Statistik zu den Fällen. 1658 Eigens gewählte Vertrauenspersonen stehen dem Opfer als Unterstützer und Berater zur Verfügung. Sie können auch als Kontaktstelle zwischen „Opfer“ und „Täter“ fungieren. 1659 Daneben dient auch die Ombudsperson bei der Mediationsstelle als Ratgeber. Gleichzeitig soll mit Hilfe der Mediationsstelle eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. 1660 Daneben steht dem Betroffenen das Gespräch mit dem direkten Vorgesetzten offen. Diesem obliegt es dann, umgehend die adäquaten Schritte einzuleiten.1661

Die Kommission rät ihren Mitarbeitern, sofort und unmissverständlich aufzuzeigen, wenn eine Verhaltensweise als ungebührlich erlebt wird. Wird diese trotzdem fortgesetzt, sollte das Opfer eine Art Tagebuch über die Vorkommnisse führen. 1662

Daneben steht es einer Person, die sich gemobbt fühlt, zu, im Rahmen des informellen Verfahrens mit einer Vertrauensperson oder der Mediationsstelle Kontakt aufzunehmen. Die Vertrauensperson gilt vorwiegend als Ansprechsperson und als Unterstützer. Sie kann aber auch vom „Opfer“ beauftragt werden, mit dem potentiellen Täter Kontakt aufzunehmen. Sollte nicht innerhalb von einem Monat eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, kann das „Opfer“ entweder das formelle Verfahren mit Unterstützung der Vertrauensperson einleiten oder die Mediationsstelle einschalten. 1663 Die Mediationsstelle fungiert einerseits als objektiver Ratgeber, anderseits als Konfliktvermittler zwischen den Parteien mit dem Ziel, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Sie kann der zuständigen Dienststelle auch schriftliche Empfehlungen abgeben. Im Falle der Nichtentsprechung dieser Empfehlungen kann eine Rechtfertigung verlangt werden. 1664 Sollte auch der Mediationsstelle eine Lösung der Situation nicht gelingen, steht dem „Opfer“ der formelle Weg offen. 1665

1658

KOM C (2006) 1624/3 (15). KOM C (2006) 1624/3 (14). 1660 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (15). 1661 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (16). 1662 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (11). 1663 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (20). 1664 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (21). 1665 Vgl KOM C (2006) 1624/3 (22). 1659

252

D.

JUDIKATURAUSWERTUNG

1.

AUSGEWÄHLTE ENTSCHEIDUNGEN ZUM PRIVATEN ARBEITSRECHT

1.1

OGH 17. 10. 2002, 8 ObA 196/02k – ungerechtfertigte Entlassung wegen Vorwurf von Mobbing



Sachverhalt

Die Klägerin war Leiterin einer örtlichen Niederlassung einer Reinigungsfirma, welche von der beklagten Partei erworben wurde. Der Geschäftsführer der beklagten Partei teilte der Klägerin zu Beginn der Übernahme mit, dass sie „zu teuer käme“ und ihre Tätigkeit bei der beklagten Partei nicht von Dauer sein werde. In weiterer Folge leitete er ihr Informationen entweder gar nicht oder falsch weiter, erteilte ihr nicht durchführbare Anweisungen und griff in ihre Kompetenzen gegenüber ihren Mitarbeitern ein. Einen Monat nach Unterzeichnung des neuen Dienstvertrages wurde die Klägerin gekündigt. Daraufhin übermittelte sie ein Schreiben an sämtliche Geschäftsführer der an der beklagten Partei beteiligten Gesellschafter, in dem sie diesen von den Schikanen des Geschäftsführers berichtete und ihn unter anderem der „kalten Lüge“ bezichtigte. Daraufhin wurde die Klägerin fristlos unter dem Vorwurf der erheblichen Ehrverletzungen gemäß § 27 Z 6 AngG entlassen.

Die Klägerin brachte daraufhin fristgerecht eine Klage auf Zahlung der Abfertigung, der Kündigungsentschädigung und der Urlaubsersatzleistung ein und brachte dazu vor, dass sie unberechtigt entlassen worden ist. 

Entscheidung

Das Erstgericht gab der Klage vollinhaltlich statt. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der OGH gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz. Nach Ansicht des OGH stellt der Vorwurf der „kalten Lüge“ zwar jedenfalls ein über eine Tatsachenbehauptung hinausgehendes Werturteil dar, welches die Ehre des Geschäftsführers der beklagten Partei beeinträchtigen kann. Die vorangegangenen Verhaltensweisen des Geschäftsführers der Beklagten würden aber jedenfalls typische Mobbinghandlungen darstellen, die mit dem Ziel betrieben worden seien, die Klägerin aus dem Dienstverhältnis zu vertreiben. Die Klägerin habe ein „berechtigtes Interesse“ gehabt, gegen diese Schikanen vorzugehen. Die Mobbinghandlungen hätten darüber hinaus auch zu einer Beeinträchtigung von Gesellschaftsinteressen geführt. Die an der

253

Beklagten beteiligten Gesellschaften hätten ein berechtigtes Interesse gehabt, davon zu erfahren.

Obwohl der Vorwurf der Klägerin isoliert betrachtet eine erheblichen Ehrverletzung darstelle, erfülle er unter Betrachtung der Gesamtumstände keinen Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 6 AngG. 

Anmerkung

Im vorliegenden Fall hat der OGH die Handlungen des Vertreters des Arbeitsgebers als „typische Mobbinghandlungen“ bezeichnet, die scheinbar das Ziel gehabt haben, die Mitarbeiterin aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. Damit spricht der OGH den von der Literatur geprägten Begriff Bossing an. Ziel des Mobbing war wohl ein strategischer Personalabbau. Die Mitarbeiterin hat das Verfahren zwar gewonnen, doch hat sie dennoch Phase V des Mobbingphasenprozesses, nämlich das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, erreicht. 1.2

OGH 22. 02. 2006, 9 ObA 42/05z

1666

- berechtigter Austritt aufgrund einer

Ehrverletzung hinsichtlich der Herkunft 

Sachverhalt

Der Kläger war einige Jahre über als Trainer bei der beklagten Partei, einem Bundesligaclub, angestellt. Der Präsident der beklagten Partei setzte aufgrund von mehreren Niederlagen den Kläger über ein Jahr hindurch mehrmals öffentlich herab. Er warf ihm konkret mangelnde fachliche Kompetenz vor und griff ihn zuletzt auch hinsichtlich seiner bosnischen Herkunft an. In seinem letzten diesbezüglichen Interview meinte er, der Kläger sei ein „Cevapcici, welches nur mit Cevapcici- und Raznici-Kickern arbeiten wolle“. Der Kläger erklärte einem Tag nach Kenntnisnahme von diesem Interview, nachdem er noch ein Abschlusstraining geführt und ein Spiel geleitet hatte, seinen Austritt aus dem Dienstverhältnis.

Die Klage lautete zunächst auf Zahlung der Abfertigung, der Kündigungsentschädigung und der Urlaubsersatzleistung. In der Folge dehnte der Kläger das Klagebegehren um die vereinbarte Prämie für die Teilnahme an der Championsleague-Runde aus. Dazu brachte er vor, dass sein Austritt berechtigt gewesen sei, zumal er über einen längeren Zeitraum hindurch gemobbt und mehrmals in seiner Ehre verletzt worden sei.

1666

Vgl auch Reissner, DRdA 2005, 277.

254



Entscheidung

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, zumal es die Ansicht vertrat, dass der Austritt nicht unverzüglich erfolgt ist. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass der Klage hinsichtlich der Zahlung der Abfertigung, der Kündigungsentschädigung und der Urlaubsersatzleistung stattgegeben wurde. Der OGH wies die Revision der beklagten Partei zurück und bestätigte damit das Urteil der Rechtsmittelinstanz.

Er begründete seine Entscheidung damit, dass der Austrittsgrund der erheblichen Ehrverletzung gemäß § 26 Z 4 AngG insbesondere durch die unsachlichen Angriffe auf die Herkunft des Klägers, welche die Grenzen sachlicher Kritik erheblich sprengen würden, erfüllt sei. Ein Austritt sei zwar nach Kenntnis vom Auflösungsgrund unverzüglich geltend zu machen, doch sei dem Arbeitnehmer eine Überlegungsfrist zu gewähren, die im vorliegenden Fall keinesfalls überschritten worden sei. Dass sich der Kläger erst in seiner Klage hinsichtlich der Berechtigung seiner Ansprüche auf die Ehrverletzungen stützt, schade nicht. Ein Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, bei der Austrittserklärung den Grund für die fristlose Beendigung zu nennen. Einen solchen könne er auch erst in einer später eingebrachten Klage geltend machen (Nachschieberecht). 

Anmerkung

In der gegenständlichen Rechtssache hat der Vertreter des Arbeitgebers einen Mitarbeiter über ein Jahr lang öffentlich herabgesetzt. Der Mitarbeiter hat diese verbalen Attacken als psychisch belastend und ehrverletzend empfunden. Trotz mehrmaliger Aussprachen zwischen den beiden hat der Vertreter des Arbeitsgebers den Mitarbeiter in öffentlichen Interviews immer wieder angegriffen und zwar vorwiegend durch Herabwürdigung seines sozialen Ansehens. Aus den Feststellungen könnte man schließen, dass es sich bei den verbalen Attacken um Mobbing im Sinne der Definition von Leymann handelt. Der OGH hat sich diesbezüglich nicht geäußert. In der Literatur wurde das Vorliegen von Mobbing im vorliegenden Sachverhalt bejaht. 1667 Ursache für die Mobbinghandlungen wird wohl vor allem Frustration gewesen sein. Das Opfer hat schlussendlich seinen Austritt erklärt, womit Phase V des Mobbingprozesses erreicht worden ist. Ihn traf im folgenden Gerichtsverfahren die volle Beweislast für das Vorliegen des Austrittsgrundes.

1667

Reissner, DRdA 2005, 277.

255

Aufgrund der Attacken gegen seine Herkunft wäre es ihm frei gestanden, ein Verfahren auf Ersatz des ideellen Schadens wegen Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit gemäß § 26 Abs 11 GlBG anzustrengen. 1.3

LG Salzburg 14. 07. 2006, 18 Cga 120/05t und 18 Cga 121/05i - ideeller Schadenersatz aufgrund von Belästigungen wegen der sexuellen Orientierung durch Kollegen



Sachverhalt

Der Kläger ist als LKW-Fahrer für ein Unternehmen tätig. Dieses ist Frachtführer für einen Betrieb, in welchem die beiden Beklagten beschäftigt sind. Der Kläger fährt diesen Betrieb fast jeden Tag, zum Teil mehrmals täglich, mit seinem LKW an. Der LKW wurde bis zur Klagseinbringung regelmäßig von den beiden Beklagten ent- und wieder beladen. Mit Beginn des Jahres 2004 begannen die Beklagten sowie weitere Mitarbeiter den Kläger regelmäßig hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung und seiner hohen Stimme zu verspotten. Die Situation verschlimmerte sich mit der Zeit. Kollegen, welche mit dem Kläger sprachen, wurden ebenfalls homosexuelle Neigungen nachgesagt. Als Folge davon wollten einige dieser Kollegen keinen Kontakt mehr mit dem Kläger. Dieser musste sich obszöne Bezeichnungen gefallen lassen. Die Belästigungen erfolgten oft im Beisein von mehreren Kollegen. Im Mai 2004 erbat der Kläger Abhilfe durch seinen Arbeitgeber. Dieser forderte daraufhin ua die Beklagten mehrmals auf, von etwaigen Belästigungen zukünftig Abstand zu halten. Der Kläger selbst versuchte die Angriffe der Beklagten aus Angst, die Angelegenheit ansonsten noch zu verschlimmern, zu ignorieren. Mit Mai 2005 endeten die Angriffe der Beklagten.

Der Kläger begehrte in zwei Klagen jeweils den Zuspruch € 400,00 als ideellen Schadenersatz für jahrelange Belästigungen aufgrund seiner sexuellen Orientierung. 

Entscheidung

Den Klagen wurde stattgegeben. Das LG Salzburg führte dazu aus, dass „das Verhalten der Beklagten

sowohl in Bezug auf die körperliche Integrität der betroffenen Person, ihre

geschlechtliche Selbstbestimmung, aber auch ihre psychische Verletzbarkeit im körperlich sexuellen Bereich zu prüfen ist“. Dem Kläger sei der Beweis gelungen, dass die Belästigung auf seine sexuelle Orientierung gründete. Durch das Verhalten der Beklagten sei „in das Ansehen, die soziale Wertschätzung und das Ehrgefühl“ des Klägers eingegriffen worden. Die Höhe des ideellen Schadenersatzes sei im Rahmen einer Globalbetrachtung danach zu

256

bemessen, in welchem Zeitraum, auf welche Art und Weise und mit welcher Stärke sämtliche Belästigungshandlungen als Einheit erfolgt seien und welche Wirkung sie erzielt hätten. 

Anmerkung

In der vorliegenden Rechtssache wurde ein Mitarbeiter mehrere Jahre hindurch auf verbaler Ebene verspottet und gequält. Die Belästiger waren Mitarbeiter eines Unternehmens, welches mit dem Arbeitgeber des Klägers in einem Transportdienstleistungsvertrag stand. Ursache der Ehrverletzungen war das „Anderssein“ des Klägers. Die Angriffe waren auf verbaler Ebene und zielten insbesondere auf das soziale Ansehen des Klägers. Sie hatten seine soziale Ausgrenzung zur Folge. Obwohl das LG Salzburg sich diesbezüglich nicht äußerte, handelt es sich hier um einen klassischen Mobbingfall. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger „Glück“. Sein Arbeitgeber hat sich für ihn eingesetzt, und das Mobbing wurde schlussendlich beendet, ohne dass es zu negativen rechtlichen Konsequenzen für den Kläger gekommen ist. 1.4

OGH 02. 09. 2008, 8 ObA 59/08x – ideeller Schadenersatz aufgrund von geschlechtsbezogener Belästigung



Sachverhalt

Die Klägerin ist als Reinigungskraft in einem Unternehmen tätig. Der Beklagte war im selben Unternehmen beschäftigt und war befugt, ihr in bestimmten Bereichen ihrer Arbeit Weisungen zu erteilen. Über eine Dauer von 15 Monaten war sein Ton der Klägerin gegenüber „unangebracht“ und sein Verhalten „gehässig“. Sie wurde beleidigt, herabgesetzt und gleichzeitig einer kontinuierlichen quantitativen Überforderung ausgesetzt. Darüber hinaus drohte der Beklagte ihr wiederholt mit Kündigung. Zu guter Letzt forderte er sie auf, eine sexuelle Beziehung mit einem Arbeitskollegen einzugehen, was diese auch gegen ihren Willen aus Angst machte.

Der Terror wurde aufgedeckt, als die Klägerin dem Geschäftsführer des Unternehmens erzählte, der Beklagte habe sie zum Oralverkehr gezwungen. Ob dies der Beklagte tatsächlich gefordert hatte, konnte vom Gericht nicht festgestellt werden. Mit dem Beklagten wurde daraufhin das Dienstverhältnis einvernehmlich, aber fristlos, aufgelöst.

In ihrer Klage begehrte die Klägerin, der Beklagten möge zu einem Schadenersatz in der Höhe von € 5.000,00 wegen Verletzung der §§ 6, 7 GlBG verpflichtet werden. Dazu brachte sie vor, dass sie in einem Zeitraum von über einem Jahr vom Beklagten zu sexuellen

257

Handlungen an ihr, ihm und einem Arbeitskollegen gezwungen worden sei. Darüber hinaus habe er sie über ein halbes Jahr beleidigt und herabgesetzt. 

Entscheidung

Das Erstgericht gab der Klage vollinhaltlich statt. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahingehend, dass es der Klage hinsichtlich € 2.500,00 stattgab, im Übrigen abwies. Der OGH bestätigte das Urteil der Rechtsmittelinstanz und verpflichtete den Beklagten gemäß § 12 iVm § 7 GlBG zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages in der Höhe von € 2.500,00.

Da nicht festgestellt werden konnte, ob die Klägerin tatsächlich zum Oralverkehr bzw zu weiteren sexuellen Handlungen gezwungen worden ist, handle es sich nach Ansicht des OGH im vorliegenden Fall um keinen Tatbestand der sexuellen Belästigung gemäß § 6 GlBG.

Hinsichtlich einer Subsumierung unter § 7 GlBG sei zu prüfen, welches Motiv die Beschimpfungen, Bedrohungen und Gehässigkeiten gehabt hätten, weil sie für sich allein nicht offensichtlich geschlechtsbezogen waren. Das Erstgericht habe dazu festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin deswegen gequält hatte, weil sie „eine Frau sei“, somit sei das Verhalten geschlechtsbezogen gewesen. Da auch die übrigen Voraussetzungen einer Belästigung vorliegen würden – unerwünschtes Verhalten, das die Würde beeinträchtigte und ein einschüchterndes und demütigendes Arbeitsumfeld schaffte – sei § 7 GlBG erfüllt und ein Schadenersatzanspruch in der Höhe von € 2.500,00 angemessen. 

Anmerkung

Im vorliegenden Fall hat ein Vorgesetzter in Ausnützung seines Machtverhältnisses seine Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum hindurch gequält. Aufgrund der Feststellungen kann man davon ausgehen, dass der Vorgesetzte Mobbing im Sinne der Definition von Leymann gegen die Klägerin ausgeübt hat, und zwar in der Form des vertikalen Mobbings, welches von der Literatur als Bossing bezeichnet wird. Der OGH hat sich diesbezüglich allerdings nicht geäußert. Das Opfer hat nicht den Arbeitgeber, sondern den Vorgesetzten geklagt.

Die Angriffe waren gemäß den Feststellungen des Erstgerichts vorwiegend auf die Kommunikationsmöglichkeiten

(Beschimpfen,

Anschreien),

die

Berufssituation

(Überforderung) und ihre Gesundheit (Drohungen) gerichtet und haben die Mitarbeiterin 258

sowohl in ihrem Arbeitsverhalten als auch in ihrem psychischen Wohlbefinden beeinträchtigt. Als Ursache für die Angriffe könnte Machtbesessenheit eine Rolle gespielt haben. Im vorliegenden Fall hatte die Mitarbeiterin „Glück“: Der Geschäftsführer des Unternehmens hat das Dienstverhältnis mit dem Vorgesetzten beendet. Der Mobbingverlauf wurde damit gestoppt.

Hätte der OGH die Handlungen des Vorgesetzten nicht als geschlechtsmotiviert im Sinne des § 6 GlBG beurteilt, wäre das GlBG auf diesen Sachverhalt nicht zur Anwendung gekommen. Hinsichtlich der Aufforderungen zur geschlechtlichen Beziehung zu einem Kollegen hätte sich die Klägerin eventuell auf die Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung gemäß § 1328 ABGB stützen können, welche auch einen Ersatz für den ideellen Schaden vorsieht. Einen Mindestschadenersatz sieht diese Bestimmung nicht vor. Weiters wären die allgemeinen Beweislastregeln zum Einsatz gekommen. 1.5 

ASG Wien 09. 03. 2009, 34 Cga 84/08h 1668 – ungerechtfertigter Vorwurf von Mobbing Gegenstand der Rechtssache

Der Kläger machte in seiner Klage einen Schmerzengeldbetrag von € 5.000,00 sowie den Ersatz der Behandlungskosten für die durch die Mobbinghandlungen seines Vorgesetzten aufgetretenen psychischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert geltend. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, dass sein Vorgesetzter - nachdem er erfahren habe, dass der Kläger eine Elternteilzeitregelung anstrenge - versucht habe, ihn aus dessen Team „hinauszuekeln“: Er habe mehrmals E-Mails unbeantwortet gelassen, Termine unbegründet abgesagt, mehrmalige Ersuchen seitens des Klägers um einen Termin ignoriert, Anträge auf Weiterbildung nicht genehmigt, seine Leistungen unrichtig und in verletzender Art beurteilt und zudem den Kläger im Teamorganigramm nicht miteinbezogen. Der Kläger befinde sich in Krankenstand.

Das Arbeits- und Sozialgericht, im Folgenden ASG, Wien hat folgenden Sachverhalt festgestellt: 1.)

Der Name des Klägers im Teamorganigramm war lediglich links außen anstatt über die gesamte Seite zu lesen.

2.)

Der Vorgesetzte des Klägers hat mehrere E-Mails des Klägers ignoriert. Er bekommt aber ca. 2.800 E-Mails pro Quartal. Die 14-tägigen Online-Meetings haben in der Regel stattgefunden.

1668

ARD 5965/5/2009, Aktuelle Entscheidungen des ASG, 5.

259

3.)

Dem Kläger wurde ein Seminar nicht genehmigt, weil es der Vorgesetzte nicht für zweckmäßig hielt. Darüber hinaus wurde auch sein Wunsch auf ein Fernstudium abgelehnt.

4.)

Sein Antrag auf Gewährung der Elternteilzeit wurde erst nach Ausschöpfung der gänzlichen gesetzlich dafür vorgesehenen Zeitspanne bearbeitet.

5.) 

Der Kläger erhielt eine gute bis sehr gute Jahresbeurteilung.

Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen. Das ASG Wien sah in den jeweiligen Verhaltensweisen kein Mobbingverhalten seitens des Vorgesetzten. Zwar gestand es zu, dass das Organigramm „unglücklich gestaltet war“, doch sei daraus nicht schon Mobbing abzuleiten. Auch das Nichtbeantworten von E-Mails sei aufgrund der Menge, die der Vorgesetzte zu beantworten habe, nachvollziehbar, zumal ein gegenseitiger Austausch durch die 14-tägigen OnlineMeetings gewährleistet sei. Aus der Ablehnung eines Seminars sei noch keine grundsätzliche Negativhaltung des Vorgesetzten abzuleiten. Die Aufnahme eines Fernstudiums während der Elternteilszeit würde dem Zweck der Arbeitszeitherabsetzung widersprechen. Auch im Ausnützen der gesamten gesetzlich vorgesehen Frist sei keine Diskriminierung zu sehen. 

Anmerkung

Im vorliegenden Fall behauptet ein Mitarbeiter, Opfer von Bossing zu sein. Dazu bringt er vor, sein Vorgesetzter würde die Qualität seiner Berufssituation und sein soziales Ansehen untergraben. Den Mitarbeiter traf die volle Beweispflicht. Nach Ansicht des Gerichts sind die jeweiligen Handlungen sachlich gerechtfertigt bzw nachvollziehbar und liegt kein Mobbing vor. Dem Mitarbeiter ist es damit nicht gelungen, aufzuzeigen, dass die Handlungen seines Vorgesetzten rechtswidrig gewesen seien bzw dass im Wege einer Gesamtbetrachtung Mobbing vorgelegen sei. Laut Vorbringen des Mitarbeiters resultieren aus dem zumindest subjektiv empfundenen Mobbing Panikattacken, länger dauernde depressive Reaktionen, Tagesmüdigkeit

mit

Konzentrationsstörungen

sowie

ein

Burn-out-Syndrom

mit

Krankheitswert. Aus der Entscheidung geht nicht hervor, ob der Mitarbeiter sein Arbeitsverhältnis wieder aufnehmen konnte bzw wird können.

260

1.6

OGH 28. 06. 2011, 9 ObA 132/10t – Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Fürsorgepflicht bei Mobbing



Sachverhalt

Die Klägerin, eine Staatsbürgerin der Bundesrepublik Deutschland, arbeitete neun Monate für die erstbeklagte Partei, eine OG, als Buchhalterin. Sie hatte diese Tätigkeit in Österreich bis dato nicht ausgeübt und war dies den Gesellschaftern der OG, den Zweit- und Drittbeklagten, bekannt. Nach ihrer Einschulung erledigte sie ihre Arbeit selbständig. Seitens der Kunden gingen keine Beschwerden über ihre Arbeit ein. Bereits kurz nach Beginn ihrer Tätigkeit wurde ihr im Rahmen von Mitarbeitergesprächen vorgeworfen, sie würde zu langsam arbeiten. Tatsächlich wurde der Klägerin aber ein gewaltiges Arbeitspensum auferlegt, welches sie zum Teil zu Hause erledigen musste. Die Kritiken hinsichtlich ihrer Arbeitsgeschwindigkeit und der durch sie entstehenden Kosten wurden kontinuierlich heftiger. Nicht nur seitens ihrer Vorgesetzten sondern auch seitens ihrer Kollegen wurde sie hinsichtlich ihrer Nationalität als „Ostdeutsche“ herabgewürdigt. In der Folge musste die Klägerin aufgrund von psychosomatischer Beschwerden in Krankenstand gehen. Von der Erstbeklagten wurde ihre Krankheit offen angezweifelt. Unter Androhung der Kündigung wurde sie zum Wiederantritt aufgefordert. Nach der Rückkehr vom Krankenstand wurde sie angeschrien, herabgewürdigt und stand unter ständiger Beobachtung ihres Vorgesetzten, woraufhin erneut gesundheitliche Beschwerden bei der Klägerin auftraten, und sie wieder in Krankenstand gehen musste. Daraufhin erhielt sie ein Schreiben seitens der erstbeklagten Partei. In diesem wurde sie ua als unfähig beschimpft und wurden ihr gravierende Fehler vorgeworfen, deren Veröffentlichung im Internet angedroht wurde. Darüber hinaus wurde ihr bekannt gegeben, dass eine Strafanzeige wegen Fahruntüchtigkeit erstattet sowie ihr zuständiger Arzt bei der Ärztekammer angezeigt worden sei. Die Klägerin litt daraufhin an posttraumatischen Belastungsstörungen

und

Symptomen

von

Burn-out.

Daraus

entwickelten

sich

Anpassungsstörungen von Krankheitswert, die sich auch im vegetativen System auswirkten und behandelt werden mussten. Zusammengefasst in 24 Stunden litt die Klägerin drei Tage an starken Schmerzen, zehn Tage an mittelstarken Schmerzen und dreißig Tage an leichten Schmerzen.

Die Klägerin begehrte in ihrer Klage ua die Zahlung von € 9.570,00 an Schmerzengeld. Sie führte dazu aus, dass die von der erstbeklagten Partei und ihren Gesellschaftern sowie ihren beiden Vorgesetzten Mobbing ausgesetzt gewesen sei, das zu einer Gesundheitsschädigung geführt habe. 261



Entscheidung

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Höhe von € 5.900,00 statt. Gegen diese Entscheidung erhoben die Beklagten Berufung, welcher nicht stattgegeben wurde. Die dagegen erhobene Revision wurde zurückgewiesen. Der OGH bestätigte die Ansicht der beiden ersten Instanzen, dass das Verhalten der Gesellschafter der Erstbeklagten sowie des Vorgesetzten der Klägerin klassische Mobbinghandlungen darstellen würden, wobei einzelne davon bereits die Grenzen der Nötigung erreicht hätten, und bejahte eine Haftung wegen planmäßiger Verletzung der Fürsorgepflicht. 

Anmerkung

Der vorliegende Fall handelt von Bossing, wobei das Mobbing die letzte Phase erreicht hat, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hätte die Klägerin von den Schikanen keinen psychischen Schaden erlitten, der zu messbaren und behandlungsbedürftigen Schmerzen geführt hat, wäre die Klägerin „leer“ ausgegangen, zumal ein ideeller Schadenersatz bei Mobbing gesetzlich nicht vorgesehen ist. 2.

ENTSCHEIDUNGEN IM ZUSAMMENHANG MIT MOBBING UND DEM ÖFFENTLICHRECHTLICHEN DIENSTVERHÄLTNIS ZUM BUND

2.1 

OGH 29. 01. 2002, 1 Ob 12/02z – Amtshaftungsklage - Mobbing verneint Sachverhalt

Der Kläger arbeitete als Erzieher von schwererziehbaren Kindern für die beklagte Partei, das Land Oberösterreich. Er war in seiner Tätigkeit als Erzieher offenbar überfordert, wodurch auch seine Kollegen in ihrer Arbeit beeinträchtigt wurden. Im Zuge der Dienstbesprechungen wurden die Schwierigkeiten des Klägers des Öfteren erörtert, wobei er keinerlei Fähigkeiten bzw Bereitschaft zur Konfliktbewältigung an den Tag legte und keinen Ratschlag annehmen wollte, sondern diesen in paranoider Art und Weise als Angriff deutete. Mitarbeitergespräche unter vier Augen wurden mit dem Kläger hingegen nicht geführt. Im Zuge seiner Dienstzuteilung wurde er vom zuständigen Vorgesetzten besonders ins Visier genommen: Er verlangte viel vom Kläger und thematisierte jeden noch so kleinen Fehler bzw bewertete diese weit negativer als vergleichbare Fehler seiner Kollegen. Der Vorgesetzte hat schlussendlich seine Position zurückgelegt, weil er dieser offensichtlich nicht gewachsen war. Danach wurde der Kläger als Nachhilfelehrer eines Kindes eingesetzt.

262

Der Kläger leidet unter psychischen Belastungsstörungen von Krankheitswert und ist inzwischen arbeitsunfähig. Es liegt die Vermutung nahe, dass er durch am Arbeitsplatz erlebte Konfliktsituationen starkem Stress ausgesetzt war, der schlussendlich „ausgeprägte psychosomatische Störungen“ bis hin zur Dienstunfähigkeit hervorrief. Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, ob die erlebten Stresssituationen durch konkrete Handlungen der jeweils zuständigen Vorgesetzten hervorgerufen wurden.

Der Kläger begehrte in seiner Amtshaftungsklage Zahlung von € 98.540,73 und Feststellung der

Haftung

der

beklagten

Partei

für

zukünftige

Schäden,

welche

aus

den

Mobbinghandlungen resultieren. 

Entscheidung

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Der OGH wies die außerordentliche Revision des Klägers zurück. Der OGH führte in seiner Entscheidung aus, dass ein Vorgesetzter gemäß § 48 Abs 1 Oö LandesbeamtenG 1993

1669

darauf zu achten habe, dass seine Mitarbeiter „ihre

dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen.“ Gegebenenfalls habe er Instruktionen und sogar Weisungen zu erteilen und „Fehler und Missstände abzustellen.“ Ein Vorgesetzter habe seine Mitarbeiter in der Weise einzusetzen, die ihren Fähigkeiten am ehestens entsprechen würden. Er sei nicht verpflichtet, ein Mitarbeitergespräch unter vier Augen zu führen und könne nach eigenem Ermessen die für ihn richtig erscheinende Methode für den jeweiligen Einzelfall wählen.

Dass der für den Kläger während seiner Dienstzuteilung zuständige Vorgesetzte diesen besonders im Visier gehabt habe und seine Fehler schwerer bewertet habe als die von seinen Kollegen, könne noch nicht als Schikane gewertet werden, „solange es an einem sachlichen Grund für das Einschreiten des Vorgesetzten nicht mangelt und dessen Maßnahmen angesichts der dafür ausschlaggebenden Gründe nicht an sich als unverhältnismäßig anzusehen sind. Selbst kleine Vergehen und Fehler sind ein solcher sachlicher Grund. Sieht der Vorgesetzte über solche Leistungsmängel bestimmter Dienstnehmer hinweg, so können andere Dienstnehmer daraus nicht für sich das Recht ableiten, dass auch die ihnen anzulastenden kleinen Vergehen und Fehler ungerügt bleiben.“ Selbst die Tatsache, dass der Vorgesetzte besonders viel vom Kläger abverlangte, könne – „im Rahmen bestehender 1669

LGBl 1994/11 zuletzt geändert durch LGBl 2002/81.

263

Dienstpflichten“- noch nicht als Schikane gewertet werden. Auch die Verwendung als bloßer Nachhilfelehrer sei nach Ansicht des OGH aus sachlichen Gründen gerechtfertigt gewesen. 

Anmerkung

Im vorliegenden Fall hat der OGH das Vorliegen von Mobbing verneint. Die Handlungen – zB Überforderung, ständige Kritik – stellen nach der Liste von Leymann eindeutig Angriffe auf die berufliche Situation des Mitarbeiters dar und wurden über einen längeren Zeitraum ausgeführt. Nach Ansicht des Höchstgerichts waren sie aber - sogar eine festgestellte Ungleichbehandlung zwischen Kollegen - sachlich gerechtfertigt. Der Grund für die Entscheidung war die Rolle des Mitarbeiters als Ursache für die erlebten Konfliktsituationen bzw die „strengere Behandlung“ durch den Vorgesetzten. Nach den Feststellungen war er für die Tätigkeit als Erzieher un- bzw schlecht geeignet und konnte darüber hinaus nicht mit Kritik umgehen. Der vorliegende Fall zeigt die Grenze zwischen dem subjektiv empfundenen und dem objektiv tatsächlich stattgefundenen Mobbing auf. Schwierig wird die Beurteilung insbesondere dadurch, dass auch das subjektiv empfundene Mobbing zu den gleichen, charakteristischen Krankheitsbildern, wie Burn-out oder einer Depression, führen kann. 2.2

VwGH 04. 09. 2003, 2000/09/0152 – Disziplinarverfahren aufgrund von Mobbing

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Über mehrere Jahre hindurch hat der Beschwerdeführer seine Kollegin, im Folgenden das Opfer, sexuell belästigt und zwar verbal, in Briefen und durch körperliche Annäherungsversuche. Andere Kollegen haben die Vorfälle zum Teil mitbekommen, geholfen hat dem Opfer niemand.

Das Opfer hat sich schlussendlich an seinen Vorgesetzten gewandt. Die Dienstbehörde hat eine Disziplinaranzeige erstattet, wodurch ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Der Beschwerdeführer wurde zu einer Geldstrafe in der Höhe von € 726,73 verurteilt. Im Disziplinarverfahren wurde auch ein Gutachten der Gleichbehandlungskommission vorgelegt.

Das Opfer hat um Versetzung angesucht.

Die Disziplinarkommission hat den Beschwerdeführer für schuldig befunden und über ihn die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 726,73 verhängt. Dagegen erhoben sowohl der

Disziplinaranwalt

als

auch

der

Beschwerdeführer

Berufung

bei

der

Disziplinaroberkommission, welche die Entscheidung der Disziplinarkommission bestätigte. 264

Der VwGH wies die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe sich durch sein Verhalten eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 BDG zu Schulden kommen lassen. § 7 Abs 1 Z 2 B-GlBG stelle dabei eine Konkretisierung der Pflichtverletzung dar. Mehrere Tathandlungen würden einen Erschwerungsgrund bei der Bemessung der Strafe darstellen. Die verhängte Geldstrafe erreiche die Höhe von 75% des Monatsbezuges und sei damit als niedrig anzusehen. Ein Mitarbeitergespräch iSd § 45a BDG hätte schon aus generalpräventiven Gründen nicht ausgereicht.

Das Opfer wurde von einem Kollegen über mehrere Jahre hindurch sexuell belästigt. Die Handlungen entsprechen der Mobbingdefinition von Leymann. Sämtliche Kollegen haben einzelne Belästigungen zwar wahrgenommen, aber „ignoriert“. Die Angriffe des Täters waren auf die Gesundheit des Opfers gerichtet.

Das Opfer hat schlussendlich seinen Vorgesetzten davon verständigt und um Versetzung gebeten. Es hat damit Phase IV erreicht. Aus dem Erkenntnis des VwGH lässt sich weder entnehmen, ob das Opfer in seiner Gesundheit geschädigt wurde, noch ob es Schadenersatz geltend gemacht hat. Der Täter wurde in einem Disziplinarverfahren zu einer Geldstrafe in der Höhe von 75% seines Monatsbezuges verurteilt. Für die Zeugen, welche die Angriffe „ignoriert“ hatten, hatten die Handlungen offensichtlich keinerlei Konsequenzen.

Es entspricht bereits der stRsp des OGH, dass eine sexuelle Belästigung im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses einen Entlassungsgrund darstellt. 1670 Auch wenn die vorliegende Entscheidung bereits zehn Jahre zurückliegt, hat sich an der Judikatur der Disziplinarbehörden keine Wende gezeigt und werden sexuelle Belästigungen weiterhin „nur“ mit einer Geldstrafe geahndet. 1671 2.3

OGH 08. 09. 2009, 1 Ob 153/09w – berechtigte Amtshaftungsansprüche bei Verletzung der Fürsorgepflicht



Gegenstand der Rechtssache

Die Klägerin, Beamtin der Stadt Wien, beantragte im gegenständlichen Verfahren aufgrund einer

Verletzung

der

Fürsorgepflicht

(Mobbingverhalten)

die

Zahlung

des

Vermögensschadens, welcher ihr ua aufgrund des diskriminierenden Entzugs der 1670

Vgl OGH 10. 01. 2000, 9 ObA 319/00b; 05. 04. 2000, 9 ObA 292/99b; 17. 03. 2004, 9 ObA 143/03z; 26. 05. 2004, 9 ObA 64/04h; 29. 09. 2011, 8ObA63/11i. 1671 Vgl DOK 27. 05. 2008, 22/8-DOK/08; 20. 04. 2010, 93/8-DOK/09; 28. 03. 2011, 17/8-DOK/11; 26. 09. 2011, 42/17-DOK/11 und 43/17-DOK/11.

265

Leiterposition gebühre und die Feststellung für die Haftung zukünftiger Schäden. Weiters begehrte sie, das Gericht möge die beklagte Partei verpflichten, dem Direktor per Weisung anzuordnen, in Zukunft Verstöße gegen das B-GlBG zu unterlassen.

Sie brachte dazu vor, dass sie über einen bestimmten Zeitraum die Leitung einer Abteilung eines Krankenhauses innehatte. Eines Tages hätte der Direktor dieses Krankenhauses einer jüngeren Kollegin wichtige Aufgaben, die bis dato von der Klägerin verrichtet worden seien, übertragen. Dieses Vorgehen stelle eine Diskriminierung aufgrund des Alters dar. Darüber hinaus hätte er die Klägerin mittels Drohungen dazu bringen wollen, die Situation zu akzeptieren und schlussendlich ihre Versetzung in eine schlechter bezahlte Position zu beantragen, was diese schlussendlich auch gemacht hätte. 

Entscheidung

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren und das Unterlassungsbegehren zurück, verwarf aber die Einrede der Unzuständigkeit hinsichtlich des Zahlungsbegehrens. Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts hinsichtlich der Zurückweisung des Unterlassungsbegehrens und der Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede, änderte den Beschluss des Ersturteils aber dahingehend ab, dass es das Feststellungsbegehren für zulässig erachtete. Der OGH hat dem Revisionsrekurs der beklagten Partei keine Folge gegeben und die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz bestätigt. Der ordentliche Rechtsweg hinsichtlich der Schadenersatzansprüche sowie des Feststellungsbegehrens sei zulässig, weil die Klägerin einen Amtshaftungsanspruch wegen „Missbrauch der eingeräumten Befugnisse“ geltend mache. Dass eine Diskriminierung des Alters nach der Wiener DO im Dienstweg geltend zu machen sei, stehe dem gegenständlichen Anspruch nicht entgegen. Ansprüche nach dem BGlBG bzw den entsprechenden Landesgesetzen würden neben Amtshaftungsansprüchen bestehen. 1672

Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens sei der Rechtsweg nicht zulässig. 

Anmerkung

Der OGH musste sich im vorliegenden Fall nicht damit auseinandersetzen, ob das Verhalten Mobbing darstellte. Gegenstand des Vorbringens waren zwei Vorkommnisse, nämlich die Entziehung von Kompetenzen und eine Drohung, welche dazu geführt haben, dass sich die 1672

Vgl auch OGH 30. 01. 2001, 1 Ob 80/00x.

266

Mitarbeiterin diskriminiert bzw schikaniert gefühlt hat. Nach der Definition von Leymann liegt im Hinblick auf die notwendige Zeitkomponente kein Mobbing vor. Klammert man die Zeitkomponente aus, würden hier die klassischen Anfänge von Bossing vorliegen, nämlich der Versuch, Mobbing als Mittel einzusetzen, um eine Mitarbeiterin aus dem Arbeitverhältnis zu drängen. Diese „gibt allerdings auf“, bevor etwaige Schikanen fortgesetzt werden können. 2.4

VwGH 12. 05. 2010, 2009/12/0072 – Dienstunfähigkeit wegen Mobbing – amtswegige Versetzung in den Ruhestand



Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist im Jahr 1991 in ein Dienstverhältnis zum Bund eingetreten. Seit Beginn ihrer Tätigkeit fühlte sie sich von ihren beiden Vorgesetzten herabgewürdigt und sabotiert, Vorgänge, die sie im Laufe der Zeit als Mobbing wahrnahm. Ein Ereignis im März 2006, bei dem sich ein unbekannter Mitarbeiter Zugang zu ihrem Computer verschaffte, um einen Geschäftsfall während ihrer Abwesenheit erledigen zu können, nahm sie als Eskalation der Konfliktsituation am Arbeitsplatz wahr und sah sich fortan als unfähig, ihren Dienst zu verrichten.

Sie

litt

an

einer

Anpassungsstörung,

depressiven

Zuständen

und

psychosomatischen Beschwerden, wie Magenschmerzen, und wurde vom Amtsarzt bis Jänner 2007 für dienstunfähig erklärt. Im Jänner 2007 erschien die Beschwerdeführerin wieder an ihrem Arbeitsplatz. Sie nahm allerdings ihre dienstlichen Aufgaben nicht wahr und erfüllte nicht ihre Arbeitszeit. Ende März 2007 musste die Beschwerdeführerin erneut in Krankenstand gehen. Die belangte Behörde entschied daraufhin, dass der Beschwerdeführerin für die Dauer ihrer Dienstabwesenheit keine Bezüge zustehen würden, zumal aufgrund eines ärztlichen Gutachtens feststehe, dass die Beschwerdeführerin dienstfähig sei, sofern sämtliche Konflikte bereinigt seien und nach Prüfung der Behörde Konflikte nicht vorliegen würden. Dieser Bescheid wurde aufgrund von Verletzung von Verfahrensvorschriften vom VwGH in seiner Entscheidung vom 28. 04. 2008, 2007/12/0102, aufgehoben. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass eine Konfliktbereinigung nicht stattgefunden habe und dies nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden könne bzw die belangte Behörde ein solches Verschulden nicht begründen konnte.

Aufgrund der eben zitierten Entscheidung des VwGH wurde ein weiteres medizinisches Gutachten von der belangten Behörde eingeholt. Aus diesem ging hervor, dass das subjektiv erlebte Mobbing nicht objektivierbar sei und dass sich aus den Unterlagen der belangten Behörde keinerlei Hinweise für Mobbing finden würden. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin schlechter psychisch belastbar sei. 267

In einem weiteren von der Bundesversicherungsanstalt in Auftrag gegebenen Gutachten wurde die prinzipielle Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt. Daraufhin wurden der Beschwerdeführerin im Jahr 2008 erneut die Bezüge gestrichen, welche Entscheidung vor dem Verwaltungsgerichtshof zu 2008/12/0159 angefochten wurde. Die belangte Behörde hob den Bescheid nach Einholung eines erneuten Gutachtens über den Zeitpunkt des Beginns der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin von Amts wegen auf, zumal darin eine Dienstunfähigkeit ab März 2007 festgestellt wurde und versetzte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. 02. 2009 gemäß § 14 Abs 1 BDG zum 01. 03. 2009 in den Ruhestand. Sie führte dazu aus, dass die Beschwerdeführerin gesundheitlich auf Dauer nicht fähig sei, ihre dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen. Die belangte Behörde führte aus, dass eine einzelne Handlung, nämlich die Inbetriebnahme ihres Computers während ihrer Abwesenheit, welcher sich als rechtmäßig bzw als Systemfehler aufgeklärt hätte, kein Mobbing darstellen könne. Konflikte nach ihrer Wiederkehr aus ihrem Krankenstand im Jänner 2007 seien allein auf das Verhalten der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Aufgrund ihrer habituellen Charakterzüge sei sie nicht ich der Lage, „mit Kollegen und Vorgesetzten zusammen zu arbeiten und allenfalls auftretende Konflikte zu bereinigen.“ Eine Konfliktbereinigung sei nicht zu erwarten, zumal bereits eine Supervision scheiterte. Es sei daher davon auszugehen, dass die Dienstunfähigkeit von Dauer sei. Eine Versetzung sei nicht möglich, zumal sich die Beschwerdeführerin für die zur Verfügung stehenden offenen Posten nicht eignen würde und ihr diese darüber hinaus nicht zumutbar wären.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den VwGH.

In ihrer Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Bescheids vom 16. 02. 2009, mit welchen sie von Amts wegen in den Ruhestand versetzt wurde. 

Entscheidung

Der VwGH hat die Entscheidung der belangten Behörde wegen Verfahrensmängel aufgehoben. Eine habituelle Charaktereigenschaft, welche einvernehmlich in den Gutachten festgestellt worden war, führe nur dann zu einer Dienstunfähigkeit, wenn sie zur Folge habe, dass die Beschwerdeführerin ihre dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Bei der Prüfung sei darauf abzustellen, ob die Beschwerdeführerin bei rechtmäßigem Verhalten ihrer Kollegen und Erfüllung der Fürsorgepflicht durch den Vorgesetzten an ihrem Arbeitsplatz 268

ihre Tätigkeit ausführen könne. Die belangte Behörde habe sich in ihrer Entscheidung nicht damit auseinandergesetzt, ob die Beschwerdeführerin im Jahr 2005 Mobbing ausgesetzt gewesen sei. Die belangte Behörde hätte somit nicht schlüssig begründen können, inwiefern eine dauernde Dienstunfähigkeit bei der Beschwerdeführerin gegeben sei.

Würde sich ergeben, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2005 tatsächlich Mobbing ausgesetzt

war,

dann

müsste

jedenfalls

eine

Wiedergutmachung

gegenüber

der

Beschwerdeführerin von Seiten der Mobber stattfinden. Es wäre weiters zu prüfen, ob die Dienstfähigkeit nach einer Entschuldigung seitens der Mobber und Beseitigung des Mobbingzustandes wiederhergestellt werden könnte. Im Fall der fehlenden Einsichtigkeit der Mobber und Fortfahren der Mobbinghandlung müsste eine Versetzung der Mobber angedacht werden. „Die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten auf einem bestimmten Arbeitsplatz kann nicht damit begründet werden, dass er dort Mobbing ausgesetzt wäre, welcher er auf Grund einer Krankheit oder eines nicht krankheitsbedingten habituellen Charakterzuges nur schlechter verarbeiten könnte als andere.“ 

Anmerkung

Im vorliegenden Fall war die Beschwerdeführerin über mehrere Monate hindurch Mobbingattacken durch ihre Vorgesetzten ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin fühlte sich regelmäßig in ihrer Arbeit, ihrer Arbeitsweise und ihrer Persönlichkeit kritisiert. Die Angriffe zielten insbesondere auf die berufliche Situation, aber auch auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen, auf das soziale Ansehen und die sozialen Beziehungen ab. Es handelte sich dabei um horizontales Mobbing, zumal es von den Vorgesetzten ausging. Die Beschwerdeführerin hat bereits die Phase V des Mobbingprozesses erreicht. Der Arbeitgeber wollte sie in den Ruhestand versetzen. Ob die Dienstunfähigkeit durch eine „Entschuldigung der Täter“ wiederhergestellt werden kann, bleibt wohl offen und ist aufgrund des Krankheitszustandes der Beschwerdeführerin wohl zu verneinen.

269

3.

ENTSCHEIDUNGEN ZU MOBBING IM ZUSAMMENHANG MIT EINEM PRIVATRECHTLICHEN DIENSTVERHÄLTNIS ZUM BUND

3.1

LG St. Pölten 02. 07. 1998, 30 Cga 83/97m 1673 – berechtigter Austritt aufgrund von Mobbing



Sachverhalt

Der Kläger ist ein Vertragsbediensteter des Bundes. Er wurde über einen längeren Zeitraum von seinem Vorgesetzten schikaniert. Obwohl der Kläger mehrmals um Abhilfe bei weiteren Vorgesetzten ersucht hatte, blieben diese untätig. Aufgrund des fortdauernden Terrors stürzte der Kläger in eine psychogene Depression. Eine Weiterbeschäftigung hätte zu einer totalen Dienstunfähigkeit geführt. Der Kläger hat daher seinen Austritt gemäß 34 Abs 5 VBG erklärt.

Der Kläger begehrte in seiner Klage die Auszahlung seines Abfertigungsanspruches gemäß § 35 (1) und (4) VBG 1674 . 

Entscheidung

Dem Klagebegehren wurde stattgegeben. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass ein Austritt gemäß § 34 Abs 5 VBG nicht nur dann berechtigt sei, wenn die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Arbeit an sich gefährdet ist. Kommt der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht im Fall von Mobbing nicht nach und führt der Terror am Arbeitsplatz zu einer Gesundheitsgefährdung des Opfers, sei der Austritt gemäß § 34 Abs 5 VBG berechtigt. 

Anmerkung

Ein Mitarbeiter wurde über einen längeren Zeitraum – auf welche Art lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen – von seinem Vorgesetzten schikaniert. Das Landesgericht hat die Handlungen als Mobbing beurteilt. Es handelte sich dabei um Bossing

Die Schikanen haben das Opfer in seiner Gesundheit geschädigt. Das Mobbing hat Phase V erreicht, da das Opfer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Ob das Verhalten des Täters für diesen (arbeitsrechtliche) Folgen hatte, geht aus dem Urteil nicht hervor.

1673 1674

ARD 5114/2/2000. Vgl nunmehr § 84 VBG.

270

3.2 

OGH 26. 08. 2004, 8 ObA 3/04f – Verletzung der Fürsorgepflicht bei Belästigung Gegenstand der Rechtssache

Der Kläger war als Vertragsbediensteter der erstbeklagten Partei, einem ausgegliederten Rechtsträger, zugewiesen. Die erstbeklagte Partei war Beschäftiger, die Gemeinde Wien war Arbeitgeber des Klägers.

In seiner Klage begehrte der Kläger von der erstbeklagten Partei und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin Schadenersatz in der Höhe von € 2.500,00 aufgrund von Verletzung der Fürsorgepflicht. Dazu brachte er vor, dass er regelmäßig über einen längeren Zeitraum hindurch aufgrund seiner sexuellen Orientierung von seinen Kollegen herabgesetzt und

schikaniert

worden

sei.

Aufgrund

dessen

leide

er

an

Depressionen

und

Erschöpfungszuständen. Die erstbeklagte Partei habe die Belästigungen nicht unterbunden.

Daneben stellte er diverse Unterlassungsbegehren, die im Wesentlichen darauf gerichtet waren,

dass

der

Dienstgeber

seine

Fürsorgepflicht

nicht

weiter

verletze

und

Diskriminierungen gegenüber dem Kläger nicht weiter dulde. 

Entscheidung

Die Klage wurde vom Erstgericht zur Gänze aufgrund der mangelnden Passivlegitimation der beklagten Parteien abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der OGH gab der Revision des Klägers Folge und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung zurück, um zu klären, ob im vorliegenden Fall tatsächlich Mobbinghandlungen gesetzt worden seien, der Kläger gegenüber der erstbeklagten Partei um Abhilfe ersucht habe, diese unterblieben sei und ob aus der Verletzung der Fürsorgepflicht eine psychische Beeinträchtigung von Krankheitswert resultiert sei. Das Erstgericht hatte diesbezüglich keine Feststellungen getroffen, da es davon ausgegangen war, dass die beklagten Parteien nicht passiv legitimiert seien, zumal der Kläger weiterhin Bediensteter des Landes Wien sei. Nach Ansicht des OGH fällt der Kläger in den Anwendungsbereich der (Wiener) Vertragsbedienstetenordnung,

1675

im Folgenden VBO. Das VBO sah zum

tatgegenständlichen Zeitpunkt noch keinen Belästigungsschutz hinsichtlich der neuen Diskriminierungsgründe vor. Das Wiener GlBG, welches nur die sexuelle und die geschlechtsbezogene Belästigung verbietet, sei auf eine Belästigung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht analog anwendbar. 1675

VBO 1995 LGBl 1995/50.

271

Dem Beschäftiger obliege neben dem Arbeitgeber die Fürsorgepflicht. In der VBO finde sich keine Regelung über die Fürsorgepflicht, aus diesem Grund würden die allgemeinen arbeitsvertraglichen Regeln gelten. Hat eine Verletzung der Fürsorgepflicht eine gesundheitliche Schädigung von Krankheitswert zur Folge, gebühre dem Arbeitnehmer Schadenersatz gegenüber dem Arbeitgeber. 

Anmerkung

Ein Mitarbeiter fühlt sich von seinen Kollegen über mehrere Monate hindurch aufgrund seiner sexuellen Orientierung schikaniert. Der OGH hat in der gegenständlichen Entscheidung bejaht, dass dem Arbeitnehmer Schadenersatz gebührt, wenn der Arbeitgeber, bzw in diesem Fall der Beschäftiger, seine Fürsorgepflicht durch Dulden der Schikanen verletzt hat. Ob tatsächlich Mobbing vorlag, konnte der OGH aufgrund fehlender Feststellungen nicht beurteilen.

Allein nach dem Vorbringen müsste man davon ausgehen, dass Mobbing ausgeübt wurde. Beim vermeintlichen Opfer sollen durch die Schikanen bereits gesundheitliche Probleme eingetreten sein. Es wäre somit Stufe IV des Mobbingprozesses erreicht.

Das vermeintliche Opfer trifft aber der volle Beweis für die Mobbinghandlungen, dem erfolglosen Ersuchen um Abhilfe und deren Kausalität für den Eintritt des Schadens in Form von Erschöpfungszuständen und Depressionen. Im Anwendungsbereich des GlBG bzw BGlBG

würde

die

Beweislasterleichterung

zum

Tragen

kommen.

Aus

den

Unterlassungsbegehren, die der OGH als Leistungsbegehren deutete, kann man ableiten, dass das vermeintliche Opfer nicht gewillt ist, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, sondern, dass er ein belästigungsfreies Arbeitklima einfordert. 3.3 

OGH 02. 04. 2009, 8 ObA 8/09y – Anwendungsfall des BEinstG Sachverhalt

Die Klägerin ist blind und stand im klagsgegenständlichen Zeitraum in einem Dienstverhältnis zum Bund. Sie wurde während ihrer Tätigkeit wiederholt Opfer von gehässigen und beleidigenden Bemerkungen seitens der Beklagten, einer Kollegin einer anderen Abteilung. Diese äußerte sich ua wie folgt: „Ah, die Depperte!“, „Die Gstörte kommt a schon wieder!“ oder „Die wird ja immer hässlicher!“ Diese Äußerungen wurden von anderen Kollegen wahrgenommen und ebenfalls als störend empfunden. Die inkriminierten 272

Handlungen belasteten die Klägerin derart, dass sie psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Nach Kenntnisnahme des Vorgesetzten von den Vorfällen wurde ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, in welchem jedoch keine Einigung erzielt werden konnte.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin den Ersatz der Kosten der therapeutischen Behandlung sowie einen ideellen Schadenersatz in der Höhe von € 720,00 gemäß §§ 7d iVm 7i BEinstG. 

Entscheidung

Das Erstgericht sprach in einem Teilurteil der Klägerin den ideellen Schadenersatz in der Höhe von € 720,00 zu. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der OGH gab der ordentlichen Revision nicht Folge und bestätigte die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz. Ob ein inkriminierendes Verhalten im Zusammenhang mit einer Behinderung (bzw einem vom GlBG bzw B-GlBG geschützten Diskriminierungsgrund) steht, dürfe nicht zu eng ausgelegt werden. Es reiche aus, wenn die belästigende Person an „bestimmte Eigenschaften, Handlungen, Verhaltensweisen oder Zustände“ knüpfe, die sich aus der Behinderung (bzw einem vom GlBG bzw B-GlBG geschützten Diskriminierungsgrund) ergeben würden. Im Übrigen genüge es, wenn das Motiv „Behinderung“ eines von mehreren für die herabsetzenden Verhaltensweisen sei.

Ein Zusammenhang mit der Behinderung der Klägerin sei im vorliegenden Fall gegeben und zwar (insbesondere) durch die Äußerung „Die wird ja immer hässlicher“, welche eine blinde Person besonders treffen muss. Im Übrigen habe die Beklagte die aufgrund der Behinderung der Klägerin bedingte „Schwäche im Hinblick auf soziale Beziehungen in einer Gruppe ausgenützt und verstärkt“. Als Kollegin sei sie vom Diskriminierungsverbot umfasst, selbst wenn sie auch nicht in derselben Abteilung arbeite. Der Mindestschadenersatz in der Höhe von € 720,00 sei angemessen. 

Anmerkung

Im vorliegenden Sachverhalt war eine Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum Opfer von Herablassungen seitens einer Kollegin. Die Handlungen können als Mobbing im Sinne der Definition von Leymann gesehen werden und zwar als Mobbing unter Arbeitnehmern derselben Hierarchieebene. Der OGH hat sich diesbezüglich nicht geäußert.

273

Die Angriffe waren darauf gerichtet, das soziale Ansehen der Mitarbeiterin zu degradieren. Diese musste aufgrund des Terrors therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Es wurde somit Stufe IV des Mobbingprozesses erreicht.

Als sich die Mitarbeiterin an ihren Vorgesetzten wandte, wurde ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, welches jedoch nicht erfolgreich beendet werden konnte. Welche Folgen das Verfahren auf das Arbeitsverhältnis der Beteiligten hatte, ob die „Täterin“ versetzt oder entlassen wurde, ist aus der Entscheidung nicht ersichtlich.

Wäre der Zusammenhang zwischen der Behinderung des Opfers und den Quälereien der Täterin vom OGH nicht bejaht worden, wäre dem Opfer ein ideeller Schadenersatz aufgrund der persönlichen erlittenen Beeinträchtigung nicht zugestanden. 4.

AUSGEWÄHLTE URTEILE DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION

Das EuGöd hat bisher in keiner einzigen Rechtssache das Vorliegen von Mobbing bejaht. Begründet wurde die Abweisung des Klagebegehrens zumeist mit einem Hinweis auf die mangelnde Schwere der Eingriffe.

1676

In einigen Entscheidungen wurde bereits die

Einhaltung des vorprozessualen Verfahrens verneint und wurde damit gar nicht erst auf die Mobbingproblematik eingegangen. 1677 Tatsächlich erscheint der Schutz der Mobbingopfer durch Art 12a BSt damit eher bescheiden auszufallen. Auffallend ist wiederum die immense Höhe

des

zugesprochenen

immateriellen

Schadenersatzes

bei

Verletzungen

der

Fürsorgepflicht, welcher dem österreichischen Dienstrecht grundsätzlich fremd ist. 4.1 

EuGöD 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA Sachverhalt

Die Klägerin schloss im Februar 2002 mit der beklagten Partei, der Europäischen Arzneimittel-Agentur, im Folgenden EMEA, einen auf fünf Jahre befristeten Vertrag. Sie fiel in den Anwendungsbereich des BSB. 1678 Im Zuge ihrer Tätigkeit fühlte sie sich von ihren beiden Vorgesetzten des Öfteren hinsichtlich ihrer Leistungen angegriffen und degradiert, Vgl EuGöD 29. 03. 2007, F-31/05, Cwik/Kommission; 10. 07. 2008, F-61/06, Sapara/Eurojust.; 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA ; 02. 12. 2008, F-15/07, K/Parlament; 09. 12. 2008, F-52/05, Q/Kommission; 18. 05. 2009, F-138/06 und F-37/08, Meister/HABM; 24. 02. 2010, F-2/09, Menghi/ENISA; 09. 03. 2010, F-26/09, N/Parlament; 08. 03. 2011, F-59/09, De Nicola/Europäische Investitionsbank; 13. 09. 2011, F-100/09, Michail/Kommission. 1677 Vgl EuGöD 01. 02. 2007, F-42/05, Ferreras/Kommission; 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA; EuG 12. 07. 2001, T-80/09 P, Kommission/Q; 1678 Vgl EuGöD 27. 11. 2008, F-35/07, Klug/EMEA, Rz 1. 1676

274

darüber hinaus wurde ihre Arbeit einer besonderen Kontrolle unterzogen. 1679 Sie stellte diesbezüglich bei ihrer Arbeitgeberin aber keinen Antrag auf Beistand. 1680 Der Entwurf zur Leistungsbeurteilung für den Zeitraum 2004 bis 2006 (2004/06) enthielt auch Kritikpunkte hinsichtlich der Leistungen der Klägerin und wurde von der Klägerin mehrmals beanstandet. 1681 Im Dezember 2006 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihr Vertrag nicht verlängert

wird.

1682

Im

November

2007

stand

die

endgültige

Fassung

der

Leistungsbeurteilung 2004/06 fest. 1683

Die Klägerin erhob gegen die Entscheidung vom Dezember 2006 über die Nichtverlängerung ihres Vertrags Beschwerde gemäß Art 46 BSB iVm Art 90 BSt. Sie führte darin aus, dass ihr Vertrag ausschließlich wegen der Leistungsbeurteilung 2004/06 nicht verlängert werden würde. 1684 Diese Beschwerde wurde zurückgewiesen, ein Zusammenhang zwischen der Leistungsbeurteilung und der Nichtverlängerung wurde verneint, insbesondere zumal das Verfahren hinsichtlich der Leistungsbeurteilung zum Zeitpunkt der Entscheidung im Dezember 2006 noch nicht abgeschlossen war. 1685 

Klagebegehren

In ihrer Klage beantragte die Klägerin, das EuGöd möge die beklagte Partei dazu verpflichten, ihren Dienstvertrag zu verlängern und ihre Leistungsbeurteilung für den Zeitraum 2004/06 aufzuheben. 1686 Darüber hinaus beantragte sie den Zuspruch von Schmerzensgeld in der Höhe von € 200.000. 1687 Dazu brachte sie vor, dass ihre Leistungen für den Zeitraum 2004/06 aus dem alleinigen Grund schlecht beurteilt worden seien, um ihren Vertrag nicht verlängern zu müssen. Tatsächlich entspreche es der ständigen Praxis, dass befristete Verträge verlängert werden würden. Im Übrigen sei sie Mobbing durch ihre Vorgesetzten ausgesetzt gewesen. 1688

1679

Ebd Rz 53. Vgl ebd Rz 92. 1681 Vgl ebd Rz 24 ff. 1682 Vgl ebd Rz 20. 1683 Vgl ebd Rz 32. 1684 Vgl ebd Rz 21. 1685 Vgl ebd Rz 22. 1686 Vgl ebd Rz 1. 1687 Ob sich der Schmerzengeldanspruch auf die angeblich rechtswidrige Nichtverlängerung des Vertrages oder auf Mobbing stützt, lässt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen, vgl Rz 88. 1688 Vgl ebd Rz 70. 1680

275



Entscheidung

Das EuGöD wies die Anträge zurück. 1689 Den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der beklagten Partei hinsichtlich der Nichtverlängerung des Vertrags wies es zurück, zumal ein Ermessensmissbrauch oder eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht vorliegen würde. Die Leistungsbeurteilung

2004/06

sei

zum

Zeitpunkt

der

Entscheidung

über

die

Nichtverlängerung noch gar nicht definitiv gewesen, und hätte die Klägerin einen Zusammenhang daher nicht beweisen können. 1690 Hinsichtlich des Vorwurfs von Mobbing führte das EuGöD aus, dass die Klägerin keinen Antrag auf Beistand gestellt habe. Selbst in der Beschwerde der Klägerin sei ein etwaiges Mobbingverhalten unerwähnt geblieben. Der beklagten Partei könne damit kein Vorwurf auf eine Beistandsverletzung gemacht werden. 1691 Den Schmerzengeldanspruch, sofern er sich auf Mobbing stützte, wies das EuGöD mit der Begründung zurück, dass der vorprozessuale Rechtsweg nicht eingehalten wurde, 1692 im Übrigen wies das EuGöD die Klage ab, sofern sich die klagende Partei auf den Ermessensmissbrauch stützte, weil ein solcher nicht vorliegen würde. 1693 Hinsichtlich der Leistungsbeurteilung führte es aus, dass die definitive Fassung der Leistungsbeurteilung erst nach Erhebung der Klage der Klägerin fertig gestellt worden sei, woraus sich die Unzulässigkeit des Antrages ergeben würde. 1694 

Anmerkung

Im vorliegenden Sachverhalt fühlte sich eine Mitarbeiterin von ihren Vorgesetzten subjektiv gemobbt. Die Angriffe zielten dabei vorwiegend auf die Berufssituation der Betroffenen ab und endeten mit der Nichtverlängerung ihres Vertrages. Das EuGöD konnte in diesem Fall nur prüfen, ob ein Ermessensmissbrauch vorlag. Ob die Klägerin tatsächlich Mobbing ausgesetzt war, wurde vom EuGöd nicht einmal geprüft, zumal die Anstellungsbehörde keine Kenntnis von dem angeblichen Mobbing erlangt hat und der vorprozessuale Rechtsweg nicht eingehalten wurde. Hinsichtlich der Einhaltung des vorprozessualen Rechtsweges liegt ein wesentlicher Unterschied zum österreichischen Rechtssystem, welches ein außergerichtliches vorprozessuales Verfahren gesetzlich – weder im privaten Arbeitsrecht noch im öffentlichen Dienstrecht - vorsieht.

1689

Vgl ebd Rz 81, 94, 102. Vg ebd Rz 80. 1691 Vgl ebd Rz 76. 1692 Vgl ebd Rz 91. 1693 Vgl ebd Rz 90. 1694 Vgl ebd Rz 102. 1690

276

4.2 

EuGöD 02. 12. 2008, F-15/07, K/Parlament Sachverhalt

Die Klägerin arbeitet seit 1978 als Übersetzerin für die beklagte Partei. 1695 Zwischen 1993 und 2002 fühlte sie sich subjektiv als Mobbingopfer, 1696 wobei dazu lediglich folgender Sachverhalt festgestellt wurde: 1.)

Ab dem Jahr 1996 durften Ausbildungskompetenzen nicht mehr von ihr wahrgenommen werden.

2.)

Im Jahr 1997 wurde eine Kollegin vom gemeinsamen Vorgesetzten angewiesen, diesem unzufrieden stellende Arbeiten der Klägerin vorzulegen, da ihm Beschwerden über die Klägerin zu Ohren gekommen waren.

3.)

Der Vorgesetzte bemängelte im selben Jahr die Leistungen der Klägerin gegenüber einem Dritten. 1697

4.)

Im Jahr 1999 wurde nach Durchführung einer Petition gegen die Beförderung einer Kollegin die Klägerin - trotz ihrer Bestreitung - zur Urheberin erklärt. Wer tatsächlich Initiator der Petition gewesen ist, konnte im gegenständlichen Verfahren nicht festgestellt werden. Fest steht aber, dass die Klägerin daraufhin Opfer von “massiven Einschüchterungskampagnen” 1698 seitens ihres Vorgesetzten geworden ist.

5.)

Die Klägerin wurde in Beurteilungen schlecht benotet und bewertet, wobei von der Klägerin nicht bewiesen werden konnte, dass diese unfair und unrichtig und mit dem Ziel, sie in Misskredit zu bringen, durchgeführt worden sind. 1699

Zum 01. 01. 2003 wurde die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit aufgrund einer „Major Depression” 1700 in den Ruhestand versetzt. Die Klägerin beantragte daher bei der beklagten Partei, dass die Depression, an der sie leide, als Berufskrankheit anerkannt werde. In einem aufgrund des Antrags erstellten Gutachten im Jahr 2005 wurde festgestellt, dass die psychische Krankheit der Klägerin auf Konflikte, welche am Arbeitsplatz aufgetreten sind bzw von ihr als solche wahrgenommen wurden, zurückzuführen sind. Die Beschwerden sind dem Gutachten zufolge klassisch für erlebtes Mobbing. Die Invalidität der Klägerin wurde mit 40% bestimmt.

1701

Aufgrund dieses Gutachtens wurde die Depression, an der die

Klägerin leidet, als Berufskrankheit anerkannt und aufgrund der daraus entstandenen Vgl EuGöD 02. 12. 2008, F-15/07, K/Parlament, Rz 2. Ebd Rz 27. 1697 Vgl ebd Rz 38. 1698 Ebd Rz 39. 1699 Vgl ebd Rz 39. 1700 Ebd Rz 6. 1701 Vgl ebd Rz 8. 1695 1696

277

Teilinvalidität der Klägerin eine pauschale Entschädigung in der Höhe von € 152.041,46 gezahlt. 1702

Im Dezember 2005 stellte die Klägerin gemäß Art 24 Bst den Antrag auf Schadenersatz aufgrund des materiellen und immateriellen Schadens, der ihr entstanden sei, dass während ihrer Tätigkeit bei der beklagten Partei diese keinerlei Abhilfe zur Beseitigung der „erheblichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts” getätigt habe.

1703

Dieser

Antrag wurde von der beklagten Partei abgelehnt. 1704 Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde zurückgewiesen. 1705 

Klagebegehren

In ihrer Klage beantragte die Klägerin Ersatz des materiellen Schadens in der Höhe von € 120.000,00 und des immateriellen Schadens in der Höhe von € 150.000,00, welche ihr aufgrund von Mobbinghandlungen am Arbeitsplatz, denen sie zwischen 1993 und 2001 ausgesetzt gewesen sei, entstanden seien. 1706 Der materielle Schaden resultiere daraus, dass der Klägerin lediglich 50% von ihrer privat abgeschlossenen Versicherung wegen ihrer dauernden Invalidität erhalte, weil es sich um eine psychische Krankheit handle und ihr gemäß der Versicherungspolizze daher lediglich 50% der Versicherungssumme zustehen würden. 1707 

Entscheidung

Das EuGöD wies das Klagebegehren ab. 1708

Das EuGöD hatte zu klären, ob in der gegenständlichen Rechtssache Mobbing vorgelegen ist, und im Fall des Bejahens, ob der Klägerin ein über den bereits zugesprochenen Betrag hinausgehender Schadenersatzanspruch zusteht. 1709 Da sich der Sachverhalt vor Inkrafttreten des Art 12a Bst abgespielt hatte, musste das EuGöD diesen nach der Definition der Rsp

1702

Vgl ebd Rz 9. Vgl ebd Rz 11. 1704 Vgl ebd Rz 12. 1705 Vgl ebd Rz 13. 1706 Vgl ebd Rz 1. 1707 Vgl ebd Rz 20. 1708 Vgl ebd Rz 45. 1709 Vgl ebd Rz 35. 1703

278

prüfen als ein “Verhalten, das objektiv darauf abzielt, jemanden in Misskredit zu bringen oder seine Arbeitsbedingungen absichtlich zu verschlechtern.” 1710

Das EuGöD kam anhand seiner Prüfung zum Ergebnis, dass die festgestellten Verhaltensweisen für sich allein nicht Mobbing iSd Rsp darstellten.1711 Daran könne auch das von der beklagten Partei im Auftrag gegebene Sachverständigengutachten, das die Symptome der Klägerin als typsiche Folgen von Mobbing beschreibt, nichts ändern. Schließlich hätte der Sachverständige eingeräumt, dass die von der Klägerin subjektiv erlebten Konflikte objektiv nicht unbedingt stattgefunden haben müssen. 1712 Selbst die von der Klägerin vorgelegten Atteste eines Neurologen und eines Psychotherapeuten, die beide zu dem Schluss kamen, dass ihre Krankheit als offensichtliche Folge von Mobbing seitens des Vorgesetzten der Klägerin zu sehen sei, könne das Vorliegen von Mobbing nicht beweisen, da sich diese lediglich auf die Angaben der Klägerin stützen würden. 1713 Der beklagten Partei könne daher ein Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden und sei das Schadenersatzbegehren daher unbegründet. 

Anmerkung

In der vorliegenden Entscheidung hat subjektiv erlebtes Mobbing zu einer Dienstunfähigkeit geführt. Die Handlungen des Vertreters des Arbeitgebers, welche vorwiegend auf die Berufssituation der betroffenen Mitarbeiterin gerichtet waren, befanden sich nach Ansicht des EuGöD im gesetzlichen Rahmen. Ein von der beklagten beauftragter medizinischer Gutachter hat die Krankheit der Klägerin als “klassisches Mobbing-Syndrom” bezeichnet. 1714 Damit liegt ein Schaden vor, welcher aber nicht durch ein rechtswidriges Handeln verursacht worden sein soll. Gerade in dieser Entscheidung wird verdeutlicht, welche gravierenden Unterschiede zwischen dem subjektiven Empfinden und der objektiven Beurteilung im Zusammenhang mit Mobbing liegen. Weiters zeigt die Entscheidung auch die zurückhaltende Haltung des EuGöD im Zusammenhang mit Mobbing.

EuG 16. 05. 2006, T-73/05, Magone/Kommission, Slg ÖD 2006, I-A-2-107, II-A-2-485, Rn 79. Vgl ebd Rz 37 ff. 1712 Vgl ebd Rz 40. 1713 Vgl ebd Rz 41. 1714 Ebd Rz 8. 1710 1711

279

EuGöD 09. 12. 2008, F-52/05 ABl C 2009/102, 28, Q/Kommission

4.3 4.3.1 

Entscheidung erster Instanz

Sachverhalt 1715

Die Klägerin trat im Jahr 2000 als Beamtin, zunächst auf Probe, in ein Dienstverhältnis zur Beklagten, der Europäischen Kommission, ein. 1716 Im Laufe der folgenden fünf Jahre wurde sie Opfer einiger Rechtsverletzungen seitens ihrer Arbeitgeberin, die sich in fünf Punkte unterteilen lassen: 1.

Während ihrer Zeit als Beamtin auf Probe äußerte sich ihr direkter Vorgesetzter gegenüber dem zur Erstellung ihrer ersten Leistungsbeurteilung Betrauten kritisch hinsichtlich ihrer Leistungen, obwohl er ihr gegenüber nichts beanstandet hatte. 1717 Darüber hinaus wurde ihre Probezeit unter dem unrichtigen Einwand, sie sei damit einverstanden, verlängert, ohne sie vorher anzuhören. 1718

2.

Die Klägerin saß nach ihrer Probezeit für einen längeren Zeitraum als Einzige von ihrer Abteilung abgeschieden in einem anderen Stockwerk.

1719

Dies hatte allerdings

umbautechnische Gründe. Es wurden seitens der Vorgesetzten zwar Versuche unternommen, die Situation zu verbessern, doch sind diese mehr oder weniger gescheitert. 1720 3.

Sechs Monate lang wurden der Klägerin ihre Arbeitsaufgaben nicht bekannt gegeben. Darüber hinaus wurde ihr in diesem Zeitraum keine Arbeit zugewiesen. 1721 Begründet wurde dies seitens der beklagten Partei damit, dass die Klägerin in eine andere Abteilung versetzt werden hätte sollen und im Übrigen während dieses Zeitraum häufig krank bzw auf Urlaub gewesen sei. 1722

4.

Anträge auf Urlaub wurden entweder nicht oder zu spät genehmigt. 1723

5.

Mehrere

Krankheitstage

wurden

nicht

anerkannt

und

stattdessen

auf

Urlaubsanspruch aufgerechnet. 1724

1715

Die Beurteilung der beruflichen Entwicklung der Klägerin für die Zeiträume 01. 01. 2003 - 31. 10. 2003, welche ebenfalls Bestandteil des Verfahrens waren, wird im Folgenden nicht behandelt. 1716 EuGöD 09. 12. 2008, F-52/05, Q/Kommission, Rz 18. 1717 Ebd Rz 20. 1718 Vgl ebd Rz 121. 1719 Vgl ebd Rz 122. 1720 Vgl ebd Rz 166 f. 1721 Vgl ebd Rz 123. 1722 Vgl ebd Rz 171. 1723 Vgl ebd Rz 125. 1724 Vgl ebd Rz 126.

280

den

Im April und Mai 2004 stellte die Klägerin an die Beklagte ein Ersuchen um Beistand gemäß Art 24 Bst. Darin führte sie aus, dass sie ein Opfer von Mobbinghandlungen sei. Die Klägerin beantragte daher, diesen Umstand durch eine neutrale Instanz untersuchen zu lassen. Unabhängig davon sollten von der Beklagten vorbeugende Maßnahmen, insbesondere eine Versetzung der Klägerin, veranlasst werden. Darüber hinaus begehrte die Klägerin Schadenersatz in der Höhe von € 250.000,00 für den erlittenen Schaden. 1725 Da die Beklagte über diese Anträge nicht binnen vier Monaten entschied, galten sie gemäß Art 90 Abs 1 Bst als stillschweigend abgelehnt. Gegen die stillschweigende Ablehnung ihres Antrages auf Beistand, ihrer Anträge auf Erlass vorbeugender Maßnahmen und auf Schadenersatz erhob die Klägerin im November 2004 Beschwerde, welche zurückgewiesen wurde. 1726 Darüber hinaus stellte sie einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand, da sie, aufgrund von jahrelangem Mobbing, dienstunfähig geworden sei. 1727

Die Dienstunfähigkeit wurde vom Invaliditätsausschuss bestätigt. Die Klägerin wurde mit 31. 08. 2005 in den Ruhestand versetzt. 1728 Ein darüber hinaus eingeleitetes Verfahren zur Anerkennung

ihres

„anxio-depressiven

Syndroms“

aufgrund

von

Mobbing

Berufskrankheit war zum Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens noch offen. 

als

1729

Klagebegehren

Die Klägerin beantragte, das EuGöD möge ua die stillschweigend ergangene ablehnende Entscheidung der beklagten Partei hinsichtlich ihres Antrages auf Beistand wegen Mobbing, auf Schadenersatz sowie des Antrags auf Erlass sofortiger vorbeugender Maßnahmen aufheben und die beklagte Partei zu Schadenersatz (in der Höhe von € 250.000,00) verurteilen. Der Schadenersatzanspruch stehe ihr einerseits aufgrund der erlebten Mobbingsituation und andererseits aufgrund der rechtswidrigen stillschweigenden Ablehnung des Beistands zu. 1730 

Entscheidung

Das EuGöD hat die stillschweigend ablehnende Entscheidung der Kommission hinsichtlich ihrer Weigerung, präventiv einen Abstand zwischen den Beteiligten zu schaffen,

1725

Vgl ebd Rz 40. Vgl ebd Rz 76. 1727 Vgl ebd Rz 81. 1728 Vgl ebd Rz 85. 1729 Vgl ebd Rz 88. 1730 Vgl ebd Rz 1. 1726

281

aufgehoben. 1731 Aufgrund dieser Verletzung der Fürsorgepflicht wurde der Klägerin ein Betrag von € 15.000,00 als immaterieller Schadenersatz zugesprochen. 1732 Hinsichtlich weiterer kleinerer rechtlicher Verstöße, die zwar nach Ansicht des EuGöD kein Mobbing, aber eine Verletzung der Fürsorgepflicht darstellten, wurde der Klägerin ein immaterieller Schadenersatz von € 500,00 gewährt. 1733

Das EuGöD hat den gegenständlichen Sachverhalt unter Anwendung des Bst, insbesondere der Art 12a und 24 1734 sowie der Mitteilung der Kommission vom 22. 10. 2003 über „Politik gegen die Belästigung am Arbeitsplatz“, beurteilt. 1735 Insbesondere prüfte es, ob die einzelnen Handlungen geeignet waren, „objektiv die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität der Klägerin anzugreifen“. 1736

Zu den Mobbingvorwürfen Hinsichtlich Punkt 1. – Verlängerung der Probezeit - führte das EuGöD aus, dass ein Verstoß der Fürsorgepflicht dahingehend vorliege, dass gegenüber der Klägerin ihre Leistungen nicht beanstandet worden seien 1737 und dass die Probezeit verlängert worden sei, ohne sie vorher dazu anzuhören. 1738 Es handle sich dabei um Rechtsverletzungen, die für sich allein aber nicht die Schwere von Mobbing im Sinne des Art 12a Bst erreichen können. 1739 Hinsichtlich Punkt 2. – Isolierung – stellte das EuGöD eine Rechtsverletzung fest, 1740 die allerdings für sich allein nicht unter den Tatbestand des Art 12a Bst subsumiert werden könne. 1741 Hinsichtlich Punkt 3. – Nichtzuweisung von Arbeit – kam das EuGöD zum gleichen Ergebnis wie zu Punkt 1. und 2. 1742 Hinsichtlich Punkt 4. – verspätete Genehmigung bzw Ablehnung von Urlaubsanträgen – stellte das EuGöD im Zusammenhang mit dem Urlaubsantrag, der erst nach dem beantragten Urlaubsantritt genehmigt wurde, eine Rechtsverletzung fest. Weiters sei als Rechtsverletzung anzusehen, dass Urlaubstage abgezogen worden seien, obwohl sich die Klägerin im 1731

Vgl ebd Rz Vgl ebd Rz 254. 1733 Vgl ebd Rz 242. 1734 Vgl ebd Rz 2. 1735 Vgl ebd Rz 4. 1736 Vgl ebd Rz 147. 1737 Vgl ebd Rz 156 f. 1738 Vgl ebd Rz 158 f. 1739 Vgl ebd Rz 160. 1740 Vgl ebd Rz 164. 1741 Vgl ebd Rz 169. 1742 Vgl ebd Rz 172. 1732

282

Krankenstand befunden hatte. 1743 Diese Rechtsverletzungen würden aber nach Ansicht des EuGöD aufgrund mangelnder Schwere den Tatbestand des Art 12a Bst nicht erfüllen. 1744 Die Nichtanerkennung von Krankheitstagen gemäß Punkt 5. wurde vom EuGöD ebenfalls als Rechtsverletzung gewertet. 1745

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin, dass Gerüchte über ihre mangelnde berufliche Qualifikation verbreitet worden seien, fehlte es nach Ansicht des EuGöD an weiteren Vorbringen bzw Beweisen, welche die Behauptung untermauern hätten können. 1746

Die Frage, ob die Rechtsverletzungen insgesamt den Tatbestand des Art 12a Bst erfüllen, hat das EuGöD ebenfalls mit dem Hinweis auf die mangelnde Schwere verneint. 1747 Aufgrund der Verletzung der Fürsorgepflicht, die zu einer Ausgrenzung der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz geführt habe, sei der Klägerin aber ein immaterieller Schadenersatzbetrag von € 500,00 zuzusprechen gewesen.

1748

Da das Verfahren zur Anerkennung des „anxio-

depressiven Syndroms“, an dem die Klägerin leiden soll, als Berufskrankheit noch nicht abgeschlossen war, konnte über den geltend gemachten materiellen Schadenersatzanspruch noch nicht entschieden werden. 1749

Zum Vorwurf der Verletzung der Beistandspflicht Da das EuGöd zum Ergebnis kam, dass die Klägerin kein Opfer von Mobbing gewesen ist, konnte der Beklagten diesbezüglich auch keine Verletzung der Beistandspflicht vorgeworfen werden. 1750 Allerdings hätte ein Verdacht auf Mobbing bestanden und wäre die Beklagte aufgrund der Mitteilung der Kommission von 2003 daher verpflichtet gewesen, „Maßnahmen zu treffen, um zwischen den beteiligen Parteien Distanz zu schaffen“. 1751 Da die Kommission tatsächlich auf das Beistandsersuchen der Klägerin nicht (angemessen) reagiert und keine vorsorgliche Maßnahme getroffen habe, sei ihre eine Verletzung gemäß Art 24 Bst vorzuwerfen. Die Klägerin sei dadurch „in einen Zustand der Unsicherheit und Beunruhigung

1743

Vgl ebd Rz 180. Vgl ebd Rz 181. 1745 Vgl ebd Rz 182. 1746 Vgl ebd Rz 173. 1747 Vgl ebd Rz 188. 1748 Vgl ebd Rz 242. 1749 Ebd Rz 88. 1750 Vgl ebd Rz 206. 1751 Ebd Rz 209. 1744

283

versetzt

worden“,

welcher

einen

immateriellen

Schadenersatz

von



15.000,00

rechtfertigte. 1752 

Anmerkung

Im vorliegenden Sachverhalt hat sich eine Mitarbeiterin subjektiv als Mobbingopfer von Vertretern ihrer Arbeitgeberin empfunden. Die inkriminierten Handlungen stellten klassische Mobbingaktivitäten nach der Liste von Leymann dar. Sie richteten sich insbesondere gegen die sozialen Beziehungen, das soziale Ansehen und auf die Berufssituation der betroffenen Mitarbeiterin und dauerten mehrere Jahre an. Die betroffene Mitarbeiterin ist schlussendlich aus dem Dienstverhältnis wegen Dienstunfähigkeit ausgeschieden.

Das Vorliegen von Mobbing wurde von Seiten des EuGöD mit der Begründung der mangelnden Schwere verneint. Diese Rechtsansicht deutet auf eine strenge Auslegung des Mobbingbegriffs hin. Meiner Ansicht nach wird Art 12a BSt durch seine strenge Auslegung quasi ausgehöhlt, zumal Mobbing gerade aus vielen kleinen Rechtsbrüchen besteht, welche für sich nicht als schwerwiegend zu beurteilen sind. Allerdings wurde der Mitarbeiterin eine nicht unbeträchtliche Summe an immateriellen Schadenersatz zugesprochen, weil der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten „in gewisser Art und Weise“ verletzt haben soll. Vergleicht man den im GlBG bzw B-GlBG normierten ideellen Schadenersatz in der Höhe von mindestens € 1.000,00 bei Belästigung, steht dieser in keiner Relation zu dem zugesprochenen Betrag. 4.3.2 

Rechtsmittelentscheidung EuG 12. 07. 2011, T-80/09 P, Kommission/Q

Rechtsmittel

Gegen diese Entscheidung wurde von der Kommission ein Rechtsmittel wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. 1753 Beantragt wurde die Aufhebung des Urteiles, in eventu die Neudurchführung des Verfahrens vor dem EuGöD. Dazu wurde ausgeführt, dass das EuGöD das Urteil nicht begründet habe; dass die Voraussetzungen für eine außervertragliche Haftung nicht vorgelegen seien, weil eine „gewisse Missachtung der Fürsorgepflicht“ keinen qualifizierten Rechtsverstoß darstelle und das Vorliegen von Mobbing verneint wurde; weiters, dass das EuGöD Art 90 Bst verletzt habe, indem es den Streitgegenstand modifiziert habe. 1752

Ebd Rz 253. EuG T-80/09 P - Rechtsmittel, eingelegt am 23. 02. 2009 von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst vom 9. 12. 2008 in der Rechtssache F52/05, Q/Kommission ABl C 2009/102, 0028.

1753

284

Dem Rechtsmittel wurde teilweise stattgegeben und das Urteil des EuGöD hinsichtlich des Zuspruchs eines immateriellen Schadens von € 500,00 (wegen einer gewissen Missachtung der Fürsorgepflicht) bzw von € 15.000,00 (wegen der stillschweigenden Ablehnung des Antrags auf vorbeugende Maßnahmen) aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung ua über die Höhe des immateriellen Schadens, welcher der Klägerin aufgrund der stillschweigenden Ablehnung des Antrags auf vorbeugende Maßnahmen entstanden ist, an das EuGöD zurückverwiesen. 1754

Hinsichtlich des Zuspruchs der € 500,00 wegen einer gewissen Missachtung der Fürsorgepflicht führte das EuG aus, dass das EuGöD dabei seine Entscheidungskompetenz überschritten habe, zumal die festgestellten Rechtsverletzungen nicht Klagsgegenstand aber auch nicht Gegenstand eines Antrags gemäß Art 24 Bst gewesen seien. 1755 Das EuGöD könne nicht aus einzelnen Punkten im Vorbringen des Beistandsersuchens eine gewisse Missachtung der Fürsorgepflicht ableiten. Im Übrigen seien die Handlungen nicht der beklagten Partei als Dienstgeber zuzuschreiben gewesen. 1756

Hinsichtlich des Zuspruchs der € 15.000,00 wegen der stillschweigenden Ablehnung des Antrags auf vorbeugende Maßnahmen führte das EuG aus, dass die Anstellungsbehörde umgehend und angemessen zu reagieren habe, wenn einer ihrer Bediensteter einen Anscheinsbeweis für einen Missstand erbringe. 1757 Im Rahmen ihrer Beistandspflicht habe die Anstellungsbehörde insbesondere den Sachverhalt aufzuklären. Aus der Mitteilung der Kommission ergebe sich sogar eine Handlungspflicht beim leisesten Verdacht von Mobbing und eine Pflicht zu umgehenden Veränderungen, insbesondere zu einer räumlichen Trennung der

Beteiligten.

1758

Diesbezüglich

stehe

der

Anstellungsbehörde

ein

breiter

Ermessensspielraum zu, der nur bei offensichtlichen Fehlern vom Gericht aufgegriffen werden kann. In der vorliegenden Rechtssache hätte die Beklagte aufgrund mehrerer vorliegender ärztlicher Gutachten, welche alle einen Stellenwechsel angeraten bzw auf soziale Konflikte hingewiesen hätten, vorläufige Maßnahmen treffen müssen und habe aufgrund der

EuG 12. 07. 2011, T-80/09 P, Kommission/Q, Rz 171. Vgl ebd Rz 73. 1756 Vgl ebd Rz 71. 1757 Vgl ebd Rz 84. 1758 Vgl ebd Rz 89. 1754 1755

285

Nichtentsprechung des Antrags Art 24 Bst verletzt. Sie müsse daher der Klägerin den daraus resultierenden Schaden ersetzen. 1759

Entgegen der Ansicht des EuGöD könne der beklagten Partei aber keine verspätete Einleitung der Verwaltungsuntersuchung vorgeworfen werden, zumal die Klägerin auf eine unabhängige Instanz bestanden habe, was unüblich sei und daher mehr Zeit in Anspruch nehme. 1760 Da aus dem Urteil des EuGöD nicht ersichtlich sei, welcher Teil des zugesprochenen Betrags (von € 15.000,00) der Klägerin aufgrund der Nichtvornahme vorläufiger Maßnahme und welcher Teil aufgrund der angeblich verspäteten Einleitung der Untersuchung gebühre, sei der Zuspruch des gesamten Betrages aufzuheben gewesen. 1761

Im Übrigen habe das EuGöD auch hinsichtlich der Prüfung, ob Mobbing vorgelegen sei, das Vorverfahren gemäß Art 90 Bst verletzt und seien die diesbezüglichen Feststellungen aufzuheben gewesen. 1762 

Anmerkung

Die Rechtsmittelentscheidung zeigt erneut auf, dass der Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGöD durch das Vorverfahren unumstößlich festgelegt ist. 4.4 

EuGöD 09. 03. 2010, F-26/09, N/Parlament Sachverhalt

Der Kläger trat im August 2006 in ein Dienstverhältnis zum Parlament ein.1763 Ob er von Beginn an mit einem feindlichen und aggressiven Verhalten seines Vorgesetzten und dessen Sekretärin konfrontiert war bzw ob er von seinen Kollegen isoliert wurde, konnte nicht festgestellt werden. Tatsächlich wurde er aber im Zuge einer parlamentarischen Ausschusssitzung von Seiten seines Vorgesetzten und dessen Sekretärin öffentlich herabgewürdigt. Festgestellt wurde auch, dass dem Kläger keine Einarbeitungszeit gewährt wurde und seine Arbeitsaufgaben zu keinem Zeitpunkt klar festgelegt waren. Sein Vorgesetzter übte des Öfteren harte Kritik hinsichtlich seiner Arbeit in E-Mails aus. 1764 Im Dezember 2006 riet er dem Kläger, sich nach einem Postenwechsel umzusehen. 1765 Im Jänner 1759

Vgl ebd Rz 100. Vgl ebd Rz 107. 1761 Vgl ebd Rz 109. 1762 Vgl ebd Rz 142. 1763 EuGöd 09. 03. 2010, F-26/09, N/Parlament, Rz 4. 1764 Ebd Rz 75. 1765 Vgl ebd Rz 8. 1760

286

2007 wendete sich der Kläger an die nächsthöhere Instanz seines Vorgesetzten und gab bekannt, dass er Opfer von Mobbinghandlungen sei. Im Zuge dessen beantragte er eine unabhängige Untersuchung seines Falles und ersuchte um eine Versetzung. Er wurde vor einem Mobbingausschuss gehört. 1766 Zwei Wochen danach wurde ihm ein Antrag auf Urlaub von seinem Vorgesetzten nicht genehmigt. Begründet wurde dies damit, dass die Anwesenheit des Klägers aufgrund einer anstehenden Sitzung des parlamentarischen Ausschusses notwendig war. 1767 Wochen später legte der Kläger eine Bestätigung seines Arztes vor, dass er täglich eine Therapie wahrnehmen müsse und daher seinen Dienstschluss früher antreten müsse. 1768 Sein Vorgesetzter wollte ihm die Erlaubnis nur unter der Bedingung geben, dass der Amtsarzt die Notwendigkeit dieser Therapie bestätigt. 1769 Der Kläger ging danach in einen längeren und immer wieder fortgesetzten Krankenstand, welcher ärztlich bestätigt und vom Vorgesetzten nicht beanstande wurde. 1770 Während sich der Kläger in Krankenstand befand, erhielt er von Seiten seines Vorgesetzten per E-Mail Informationen zum Stand der Dinge, damit er sich auf den erneuten Arbeitsantritt vorbereiten konnte. 1771 Seine Arbeitsbeurteilungen für das Jahr 2006 und 2007 fielen sehr negativ aus. 1772 Aufgrund der Anhörung beim Mobbingausschuss und einem nachfolgenden Gespräch mit dem Vorgesetzten wurde die Arbeitsbeurteilung für das Jahr 2006 um einiges positiver formuliert. 1773 Im Mai 2007 wurde er schlussendlich in eine Abteilung der Europäischen Kommission versetzt. 1774

Im Jänner 2008 machte der Kläger gegenüber der beklagten Partei gemäß Art 90 Abs 1 Bst einen Schadenersatzbetrag von € 10.000,00 aufgrund von Mobbing geltend. 1775 Dieser Antrag wurde von der beklagten Partei zurückgewiesen. 1776 Gleichzeitig mit der Beschwerde gegen diese Entscheidung machte der Kläger einen Schadenersatzanspruch 1777 gegen die beklagte Partei aufgrund von Verletzung von Beistandspflichten geltend, weil die beklagte Partei es verabsäumt hatte, eine unabhängige Verwaltungsuntersuchung einzuleiten. 1778 Dieser Antrag

1766

Vgl ebd Rz 10. Vgl ebd Rz 12. 1768 Vgl ebd Rz 14. 1769 Vgl ebd Rz 15. 1770 Vgl ebd Rz 13, 18. 1771 Vgl ebd Rz 81. 1772 Vgl ebd Rz 85. 1773 Vgl ebd Rz 86. 1774 Vgl ebd Rz 21. 1775 Vgl ebd Rz 36. 1776 Vgl ebd Rz 37. 1777 Die Höhe dieses Schadenersatzanspruches lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, vgl ebd Rz 38. 1778 Vgl ebd Rz 38 1767

287

wurde ebenfalls zurückgewiesen. 1779 Die Leistungsbeurteilung für das Jahr 2006 wurde in einem gesonderten Verfahren bekämpft und mit Urteil vom 10. 11. 2009, F 71/08, aufgehoben. 1780 

Klagebegehren

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei einen Schadenersatzbetrag von € 12.000,00 aufgrund von Mobbing zwischen August 2006 und Mai 2007 und aufgrund des Unterbleibens einer unabhängigen Verwaltungsuntersuchung.1781 

Entscheidung

Die beklagte Partei wurde verpflichtet, der klagenden Partei einen Betrag von € 2.000,00 an immateriellen Schadenersatz aufgrund der Rechtswidrigkeit der inzwischen aufgehobenen Leistungsbeurteilung 2006 zu bezahlen. 1782 Der Antrag auf Schadenersatz aufgrund des Unterbleibens einer unabhängigen Verwaltungsuntersuchung wurde wegen Nichteinhaltung des außergerichtlichen Rechtsweges als unzulässig zurückgewiesen. 1783 Hinsichtlich der festgestellten Verhaltensweisen urteilte das EuGöD, dass diese isoliert und auch zusammen betrachtet nicht geeignet seien, den Tatbestand des Mobbing zu erfüllen. Aus diesem Grund sei der beklagten Partei eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht vorzuwerfen. 1784

Im Zuge dessen hat es zunächst klargestellt, dass eine konfliktreiche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten bzw zwischen Kollegen noch kein Vorliegen von Mobbing indiziere. Einer einmaligen öffentlichen Herabwürdigung fehle das charakteristische zeitliche Element. Die Kritiken des Vorgesetzten hinsichtlich der Leistungen des Klägers hätten sich noch im gesetzlichen Rahmen befunden.

1785

Auch die Nichtgenehmigung eines

Urlaubsantrages sei im Falle der Notwendigkeit zum Fortlauf des Betriebes gerechtfertigt.1786 Die Frage, ob es gerechtfertigt sei, eine Bestätigung durch einen Amtsarzt vorzulegen, wenn man eine Therapie während der Arbeitszeit vornehmen wolle, habe sich erübrigt, da der Kläger in Krankenstand gegangen sei, welcher vom Vorgesetzten nicht beanstandet worden

1779

Vgl ebd Rz 39. Vgl ebd Rz 30. 1781 Vgl ebd Rz 1. 1782 Vgl ebd Rz 109. 1783 Vgl ebd Rz 51. 1784 Vgl ebd Rz 87. 1785 Vgl ebd Rz 77. 1786 Vgl ebd Rz 78. 1780

288

sei. 1787 Auch die E-Mails während des Krankenstandes seien nicht als Schikane zu werten, wenn sie lediglich der Information, zur Vorbereitung, dienen würden. 1788 Aus der Tatsache, dass die beklagte Partei umgehend nach dem Versetzungsantrag des Klägers nach Alternativen gesucht hätte und er schlussendlich bereits im Mai 2007 versetzt worden sei, könne auch diesbezüglich eine Fürsorgepflichtverletzung nicht vorgeworfen werden. 1789 Lediglich in der Leistungsbeurteilung für das Jahr 2006 habe die beklagte Partei ihre Fürsorgepflicht und die Pflicht auf eine gute Verwaltung verletzt, zumal nicht nach objektiven Kriterien geurteilt worden wäre. 1790 Grundsätzlich sei die Aufhebung der Beurteilung bereits eine adäquate Entschädigung, weil die Beurteilung nicht veröffentlicht wurde. Da es unmöglich sei, die Objektivität rückwirkend zu gewähren, sei der immaterielle Schadenersatz gerechtfertigt. 1791 

Anmerkung

In der vorliegenden Rechtssache hat das EuGöD das Vorliegen eines Mobbingtatbestands verneint. Die Angriffe gegen den betroffenen Mitarbeiter waren vorwiegend gegen seine Berufssituation gerichtet. Wie bereits in österreichischen Entscheidungen aufgezeigt, ist es schwierig zu beweisen, dass Kritik – sofern sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegt und an sich sachlich gerechtfertigt ist – als Mobbinginstrument ausgeübt wird. Darin liegt aber wiederum das grundsätzliche Problem von Mobbing, nämlich, dass sich die einzelnen Handlungen regelmäßig im gesetzlichen Rahmen bewegen. 4.5 

EuGöD 08. 02. 2011, F-95/09, Skareby/Kommission Sachverhalt

Die Klägerin trat im Jahr 1996 in ein Dienstverhältnis zur heutigen Union ein. Zwischen 2003 und 2007 war sie in einer Delegation der beklagten Partei in Kasachstan tätig. Im Jahr 2007 kehrte sie nach Brüssel zurück. 1792 Ende 2008 ersuchte sie um Beistand gemäß Art 24 BSt wegen Mobbing durch zwei ihrer direkten Vorgesetzten und beantragte die Durchführung einer Verwaltungsuntersuchung zum Sachverhalt. Dazu brachte sie vor, dass sie zwischen 2003 und 2005 Opfer von Mobbinghandlungen durch ihren Vorgesetzten, im Folgenden erster Vorgesetzter, und zwischen 2005 und 2007 durch den nachfolgenden Vorgesetzten, im

1787

Vgl ebd Rz 80. Vgl ebd Rz 82. 1789 Vgl ebd Rz 84. 1790 Vgl ebd Rz 85. 1791 Vgl ebd Rz 109. 1792 EuGöD 08. 02. 2011, F-95/09, Skareby/Kommission, Rz 5. 1788

289

Folgenden zweiter Vorgesetzter, gewesen sei. 1793 Diese hätten regelmäßig ihre Autorität untergraben, sie herabgesetzt und sie dadurch gegenüber den Verhandlungspartnern regelmäßig herabgewürdigt und in peinliche Situationen gebracht. 1794 Die beklagte Partei leitete eine Untersuchung gegen den zweiten Vorgesetzten ein, lehnte den Antrag der Klägerin jedoch hinsichtlich des ersten Vorgesetzten mit dem Hinweis auf die verspätete Antragstellung ab. 1795 Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin eine Beschwerde, welche abgewiesen wurde. 1796

Im Zuge der Verwaltungsuntersuchung hinsichtlich des zweiten Vorgesetzten konnte kein vorwerfbares

Verhalten

seinerseits

Disziplinarverfahren eingeleitet.

1797

festgestellt

werden

und

wurde

daher

kein

Auch gegen diese Entscheidung hat die Klägerin

Beschwerde erhoben, die ebenfalls abgewiesen wurde. 1798 Ein diesbezüglich angestrengtes gerichtliches Verfahren gegen die ablehnende Entscheidung der beklagten Partei ist noch offen. 1799 

Klagebegehren

Die Klägerin begehrte in ihrer Klage, das EuGöD möge die ablehnende Entscheidung der beklagten Partei hinsichtlich des Antrags auf Einleitung einer Untersuchung gegen den ersten Vorgesetzten zu den Mobbingvorwürfen der Klägerin aufheben. 1800 

Entscheidung

Das EuGöD hat die Entscheidung der beklagten Partei aufgehoben. 1801

Das EuGöd führte aus, dass es insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit auch bei Mobbing notwendig sei, innerhalb einer vernünftigen Zeit den Antrag auf Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung zu stellen. 1802 Da Mobbing erst durch ein sich wiederholendes, systemisches Verhalten tatbestandsmäßig werde, beginne die Frist für eine Antragstellung seitens des Opfers erst nach Beenden der letzten feindseligen Handlung bzw jedenfalls dann, 1793

Vgl ebd Rz 6. Vgl ebd Rz 7. 1795 Vgl ebd Rz 8. 1796 Vgl ebd Rz 10. 1797 Vgl ebd Rz 12. 1798 Vgl ebd Rz 13. 1799 Vgl ebd Rz 14; EuGöD 06. 04. 2011, F-42/10. 1800 Vgl ebd Rz 1. 1801 Vgl ebd Rz 59. 1802 Vgl ebd Rz 41. 1794

290

wenn der Schädiger nicht mehr länger in der Position ist, um Mobbing auszuüben, zu laufen. Da das Opfer zumeist nicht sofort realisiert, was passiert (ist) und die Folgen von Mobbing erst nach einiger Zeit auftreten können, 1803 scheint nach Ansicht des EuGöd in Analogie zum Art 46 des Statuts des Europäischen Gerichtshofs 1804 hinsichtlich der außervertraglichen Haftung der Union eine Frist von fünf Jahren, welche jedoch im Anbetracht des Einzelfalles verkürzt oder verlängert werden könne, angemessen. 1805 Im vorliegenden Fall habe die Klägerin innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der Handlungen den Antrag auf Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung gestellt. Die beklagte Partei wäre daher verpflichtet gewesen, diesem Antrag zu entsprechen. 1806 

Anmerkung

Eine Verwaltungsuntersuchung im Rahmen des BSt kann mit einem Disziplinarverfahren im Anwendungsbereich des BDG verglichen werden. Die Verfolgungsverjährung für Dienstpflichtverletzungen tritt aber jedenfalls drei Jahre ab Abschluss der Tat ein. 1807 Der Beginn der Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche aufgrund von Mobbing beginnt nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln ab Kenntnis des Schädigers und des Schadens und nicht ab Beendigung des Prozesses.

1803

Vgl ebd Rz 47. Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, Protokoll Nr 3, Über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ABl C 83/2010, 270. 1805 Vgl ebd Rz 54. 1806 Vgl ebd Rz 59. 1807 Vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 65. 1804

291

E.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Diverse Studien, in Österreich zuletzt die Studie „Mobbing – und was öffentliche Organisationen dagegen tun können“, haben belegt, dass Mobbing unabhängig von der Art des Dienstverhältnisses auftritt. Die Annahme, dass Mobbing im öffentlichen Dienst nicht vorhanden ist, wäre daher verfehlt. Im Rahmen der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik

Deutschland

wurde

für

Mitarbeiter

der

öffentlichen

Verwaltung,

Verteidigung und Sozialversicherung sogar ein überdurchschnittliches Mobbingrisiko festgestellt. Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben wurde in den letzten Jahrzehnten zum Teil auf ausgegliederte Einrichtungen übertragen. Die Umschreibung des Begriffs „öffentlicher Dienst“ mit „Inbegriff für sämtliche Dienstnehmer der Gebietskörperschaften“ erscheint nicht mehr zeitgemäß.

Es liegen keine Ergebnisse von europäischen Studien zu Mobbing vor, welche die Ursachen nach der Art des Dienstverhältnisses aufschlüsseln. Anhand der Charakteristika der unterschiedlichen Dienstrechtssysteme und der möglichen Ursachen von Mobbing könnte man allerdings Schlussfolgerungen ziehen. So müssten insbesondere eine (quantitative oder qualitative) Überforderung bei den Arbeitsaufgaben, ein wettbewerbsförderndes System sowie eine schlechte Wirtschaftslage klassische Ursachen von Mobbing in privaten Arbeitsverhältnissen sein. Im öffentlichen Dienst werden im Gegensatz dazu eher Monotonie, Unterforderung und gezwungene Zusammenarbeit zu den charakteristischen Ursachen zählen.

Nach den Ergebnissen der Repräsentativstudie der Bundesrepublik Deutschland ist Mobbing durch den Vorgesetzten bei Beamten am häufigsten verbreitet. Allerdings findet sich vergleichsweise auch eine beachtenswerte Zahl an untergeordneten Mitarbeitern, die ihren Vorgesetzten

schikanieren.

Anscheinend

gibt

es

auch

spezifische

Beamtenmobbinghandlungen. Am häufigsten sollen demnach Beamte ihre Mitarbeiter bzw Kollegen dadurch schikanieren, indem sie ihnen wesentliche Informationen vorenthalten. Sticheleien

sollen

hingegen

vergleichsweise

selten

auftreten.

Eine

spezifische

Bossinghandlung bei Beamten könnte eine schlechte Leistungsbeurteilung darstellen, welche sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen kann; weiters eine Abberufung ohne neuerliche Zuteilung einer neuen Aufgabe, welche insbesondere im Rahmen von Ausgliederungen ein Problem darstellt.

292

In den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen findet sich ein gesetzlich normiertes Mobbingverbot, welches einen achtungsvollen Umgang miteinander - frei von Diskriminierungen - normiert und damit weiter gefasst ist als der von der Lehre geprägte und von der Judikatur übernommene Mobbingbegriff. Für die Prüfung, ob der Tatbestand verwirklicht ist, ist daher die schwierige Frage, ob Mobbing mit seinen vielen Voraussetzungen vorliegt, nicht von Relevanz. Das gesetzliche Mobbingverbot trat mit 01. 01. 2010 in Kraft und schreibt die bisherige Rsp des VwGH fort. Es richtet sich an Vorgesetzte und Kollegen gleichermaßen. Dem Mobbingopfer wächst aus dieser Bestimmung aber kein Recht auf Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen die mobbende Person. Das Mobbingverbot bietet dem Opfer auch keine neue Anspruchsgrundlage gegen den mobbenden Kollegen. Es normiert keine Beweislasterleichterungen und auch keinen Ersatz eines ideellen Schadens für die persönliche erlittene Beeinträchtigung und hat damit vorwiegend präventiven Charakter. Entscheidungen des VwGH zum Mobbingverbot liegen noch nicht vor. Die Tragweite der Bestimmung ist daher zum Zeitpunkt des Abschlusses meiner Dissertation nicht absehbar.

Im Zentrum der Ansprüche eines Mobbingopfers gegenüber seinem Arbeitgeber steht unabhängig von der Art des Dienstverhältnisses die Fürsorgepflicht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei Mobbing Abhilfe zu leisten. Die Fürsorgepflicht ist je nach Art des Dienstverhältnisses im Dienst- oder im Gerichtsweg geltend zu machen. Bei der Geltendmachung der Ansprüche im Dienstweg scheint die Objektivität gefährdet. Die Dienstbehörde müsste in diesem Fall darüber entscheiden, ob in ihrem Zuständigkeitsbereich Schikanen gegen einen Mitarbeiter ausgeführt werden. Den Beamten trifft dafür im Vergleich mit einem Gerichtsverfahren nur ein geringes Kostenrisiko. Schadenersatzansprüche wegen Verletzung

der

Fürsorgepflicht

können

von

Beamten

nur

im

Rahmen

des

Amtshaftungsverfahrens gegenüber der zuständigen Gebietskörperschaft geltend gemacht werden. Dabei ist zu beachten, dass der zuständige Rechtsträger zunächst außergerichtlich zur Zahlung aufzufordern ist. Gegen den Vorgesetzten als Vertreter des Dienstgebers stehen im Anwendungsbereich des AHG Ersatzansprüche nicht zu.

Im Zusammenhang mit Bossinghandlungen findet sich im öffentlichen Dienstrecht ein Unterscheid zum privaten Arbeitsrecht bei der möglichen Reaktion auf Weisungen. Beamte und Vertragsbedienstete haben Weisungen grundsätzlich auszuführen, so lange sie nicht gegen das StGB verstoßen. Gegen gesetzwidrige Weisungen steht ihnen nur ein Remonstrationsrecht zu. Ein privater Arbeitnehmer muss dagegen unbegründete Weisungen 293

nicht befolgen. Darüber hinaus ist der Versetzungsschutz bei privaten Arbeitnehmern stärker als

bei

Vertragsbediensteten

und

Beamten.

Die

Versetzung

bzw

qualifizierte

Verwendungsänderung eines Beamten muss sich grundsätzlich nur aus einem wichtigen dienstlichen Interesse ergeben. Zulässig ist sogar eine Abberufung eines Beamten, ohne ihm eine neuerliche Tätigkeit zuzuteilen, welche insbesondere im Rahmen von Ausgliederungen ein Problem darstellt, sofern dies begründet werden kann. Eine Dienstortänderung, die mit einer verschlechternden Verwendung verbunden ist, benötigt allerdings die Zustimmung des Beamten. Aufgrund der Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen ist die sofortige Versetzung eines Beamten nur mit seiner Zustimmung möglich.

Bei einem Vergleich des B-GlBG mit dem GlBG fällt auf, dass die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer sexuellen Belästigung im Anwendungsbereich des B-GlBG drei Jahre beträgt, während das GlBG eine Verjährungsfrist von einem Jahr vorsieht. Es ist davon auszugehen, dass diese Ungleichbehandlung unsachlich ist. Die Unanwendbarkeit der Beweislasterleichterung im Dienstverfahren wäre grundsätzlich unionskonform. Die Objektivität scheint im Dienstverfahren aber nicht ausreichend gewährt. Die Parteienöffentlichkeit und das Recht auf Akteneinsicht wurden bis dato nur im Verfahren vor der GBK eingeführt. Auch diese Ungleichbehandlung ist als unsachlich zu werten.

Aus dem ASchG bzw B-BSG kann die Verpflichtung des Arbeitgebers abgeleitet werden, psychische Belastungen, somit auch Mobbing, zu verhindern bzw zu reduzieren. Daraus sollte sich auch die Pflicht ergeben, bei Kenntnis von Mobbingvorgängen die räumliche Trennung der Beteiligten zu veranlassen.

Beamte in Definitivstellung haben die Auflösung des Dienstverhältnisses nicht zu befürchten, wenn sie aufgrund der Schikane am Arbeitsplatz krank werden. Eine Kündigung aus gesundheitlichen Gründen ohne Verschulden ist hingegen sowohl bei Vertragsbediensteten als auch bei Beamten im provisorischen Dienstverhältnis möglich. Bei privaten Arbeitnehmern kann eine Arbeitsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen sogar eine Entlassung rechtfertigen, wobei diese allerdings bei Kenntnis des Arbeitgebers von den Mobbingvorgängen wohl als sittenwidrig beurteilt werden sollte. Der freiwillige Austritt eines Beamten führt zum Verlust seiner Abfertigungsansprüche. Für private Arbeitnehmer und Vertragsbedienstete, welche ab dem 01. 01. 2003 in ein Dienstverhältnis eingetreten sind, hat eine Selbstkündigung hingegen nur den Verlust der Verfügungsmöglichkeit über den 294

Anspruch zur Folge. Ein berechtigter Austritt des privaten Arbeitnehmers bzw Vertragsbediensteten

führt

keinesfalls

zum

Verlust

der

Abfertigung

bzw

der

Verfügungsmöglichkeit über den Anspruch.

Hinsichtlich der Folgen von Mobbing für den Betroffenen findet sich nach den Ergebnissen der Repräsentativstudie der Bundesrepublik Deutschland unter den Beamten eine signifikant hohe Zahl an Krankenständen wegen Mobbing. Die Beendigung des Dienstverhältnisses kommt bei Beamten hingegen vergleichsweise selten vor. Diese Unterschiede in den Folgen lassen sich leicht damit erklären, dass das Dienstverhältnis eines Beamten grundsätzlich auf Lebenszeit ausgerichtet ist und die Hemmschwelle, das Dienstverhältnis zu beenden, von Seiten des Beamten damit sicher größer ist. Der Austritt des Beamten aus dem Dienstverhältnis ist mit dem Verlust etwaiger Abfertigungsansprüche, Verlust der Pensionsanwartschaft und der Verkürzung der Überbrückungshilfe verbunden. Eine Flucht in den Krankenstand kann bei privaten Arbeitnehmern erhebliche Einkommenseinbußen zur Folge haben, zumal die Dauer der Entgeltzahlungspflicht auf mehrere Wochen beschränkt ist, während Beamte über ein halbes Jahr Anspruch auf ihren vollen Bezug haben. Darüber hinaus kann im privaten Arbeitsrecht ein längerer Krankenstand eine Kündigung rechtfertigen; bei Vertragsbediensteten kann ein Krankenstand von einjähriger Dauer ex lege zur Auflösung des Dienstverhältnisses führen. Dem BDG ist eine derartige Regelung unbekannt.

Mobbing

wird

in

den

öffentlichen

Dienstrechtsgesetzen

ausdrücklich

als

Dienstpflichtverletzung tituliert, welche im Anwendungsbereich des BDG im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu verfolgen ist. Bei Verdacht auf Mobbing kann eine Suspendierung während des Laufs des Disziplinarverfahrens gerechtfertigt sein. Hinsichtlich der zu verhängenden Disziplinarstrafe bei Mobbing liegen noch keine Entscheidungen der Disziplinaroberkommission vor. Zumal im Zusammenhang mit einer sexuellen Belästigung bis dato idR die Disziplinarstraße der Geldbuße verhängt wird, ist davon auszugehen, dass Mobbing ebenfalls „nur“ mit einer Geldbuße bestraft werden wird. Mobbing kann aber jedenfalls eine Versetzung eines Beamten rechtfertigen. Im privaten Arbeitsrecht kann nach der hA eine Versetzung nicht als Disziplinarmaßnahme herangezogen werden. Mobbing könnte unter Umständen aber eine Entlassung rechtfertigen. Diesbezüglich liegt keine veröffentlichte Entscheidung des OGH vor. Eine sexuelle Belästigung kann nach der Rsp des OGH zum Ausspruch einer Entlassung berechtigen.

295

Aufgrund der Vielfalt der gesetzlichen Ausgestaltungen im Hinblick auf die Überleitung des Personals bei Ausgliederungen ist eine allgemeine Betrachtung der Rechtslage nicht möglich. Beamte werden aber in der Regel dem neuen Rechtsträger nur zugewiesen, während Vertragsbedienstete meistens vom neuen Rechtsträger übernommen werden. Selbst im Falle einer Überlassung kann ein Dienstnehmer die Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschäftiger geltend machen. Unabhängig vom gewählten Modell der Personalüberleitung finden sich in den Ausgliederungsgesetzen Optionen zum Wechsel in das private Arbeitsrecht. Die Beibehaltung des Beamtenstatus kann oft mit Nachteilen behaftet sein, da beispielsweise ein höherer Posten nur im Rahmen eines privaten Arbeitsvertrages vergeben wird. Missbräuche finden sich auch immer wieder bei der Abberufung von überlassenen Beamten ohne neuerliche Zuteilung eines neuen Postens.

Für die Bediensteten der Union wurde ein Mobbingverbot bereits im Jahr 2004 eingeführt. Dieses bietet auch eine Rechtsgrundlage für Ansprüche gegen mobbende Kollegen. Für die Geltendmachung der Ansprüche der Bediensteten gegen die Anstellungsbehörde ist ein streng formales außergerichtliches Verfahren vorgesehen. Die Durchführung des Vorverfahrens ist zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. Der Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird bereits im Vorverfahren bestimmt und kann in der Folge nicht mehr erweitert bzw modifiziert werden. Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem europäischen und dem nationalen öffentlichen Dienst bilden einerseits ein eigens für dienstrechtliche Streitigkeit eingerichtetes Gericht, welches nicht nur über Amtshaftungsansprüche entscheidet, und andererseits der Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens wegen Mobbing, der in den bisherigen beim EuGöD eingebrachten Klagen in beträchtlichen Beträgen geltend gemacht wurde. Weiters kann eine europäische Anstellungsbehörde ihrem Dienstnehmer gegenüber bereits dann schadenersatzpflichtig werden, wenn sie sich bei Verdacht auf Mobbing weigert, eine Verwaltungsuntersuchung einzuleiten oder vorläufige Maßnahmen zu ergreifen und nicht erst dann, wenn aufgrund der mangelnden Abhilfe ein materieller und immaterieller Schaden beim Opfer eingetreten ist. Es liegt keine veröffentlichte Entscheidung des EuGöD vor, in welcher dieses das Vorliegen von Mobbing bejaht. Tatsächlich erscheint der Schutz der Mobbingopfer durch das gesetzliche Mobbingverbot eher bescheiden auszufallen. Auffallend ist wiederum die immense Höhe des zugesprochenen immateriellen Schadenersatzes bei Verletzungen der Fürsorgepflicht, welcher dem österreichischen Dienstrecht grundsätzlich fremd ist. Die Verletzung der Fürsorgepflicht wurde bereits durch das fehlende Einleiten einer Verwaltungsuntersuchung bejaht. 296

ME besteht Bedarf an weiteren gesetzlichen Regelungen zur Bewältigung von Mobbing und zwar auch im öffentlichen Dienstrecht. Eine wesentliche Schwäche des gesetzlich normierten Mobbingverbots in den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen ist meiner Ansicht nach die fehlende Normierung des Anspruchs auf ideellen Schadenersatz für die persönliche erlittene Beeinträchtigung bei Mobbing. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass eine einmalige Belästigung aus einem bestimmten Grund zu einem ideellen Schadenersatz aufgrund der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung berechtigt, während Schikanen über einen längeren Zeitraum hinweg, welche nicht aus einem Diskriminierungsgrund heraus betrieben wird, nach den §§ 1323 ff ABGB zu beurteilen sind. Die Einführung eines Tatbestandes Schikane, unabhängig von der Art des Grundes, in das GlBG bzw B-GlBG wäre mE zu befürworten. Damit würden Mobbingopfer auch von den weiteren Sonderbestimmungen (Zeugenschutz, Beweislasterleichterungen etc) der Gleichbehandlungsgesetze profitieren und könnten ihre Ansprüche auch leichter gegen mobbende Kollegen geltend machen. Weiters wäre es ihnen möglich, das Vorliegen von Mobbing ohne Kostenrisiko im Rahmen eines Verfahrens von der Gleichbehandlungskommission prüfen zu lassen. Sie könnten sich weiters an die Gleichbehandlungsbeauftragten

bzw

GleichbehandlungsanwältInnen

als

unabhängige

Ansprechpersonen wenden.

Dennoch sollte die klare Haltung des Gesetzgebers beim statuierten Mobbingverbot nicht unterschätzt werden. ME liegt die Tragweite der Bestimmung in der Stärkung der Betroffenen, in der Sensibilisierung der Kollegen, Vorgesetzten bzw Dienstbehörden und in der Warnfunktion für mobbende Personen. Eine gleichgelagerte Regelung im privaten Arbeitsrecht wäre daher mE wünschenswert, zumal gerade die fehlende Sensibilisierung des Arbeitsgebers und ein verspätetes Aufschreien der Betroffenen eines der Hauptprobleme von Mobbing sind. ME könnte ein Gesetz aufgrund seiner Gewichtung diesbezüglich schneller und effektiver einwirken als Aufklärungskampagnen durch die Interessenvertretungen.

In diesem Sinne wäre mE auch die Einführung eines verpflichtenden Mitarbeitergespräches – wie es in den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen vorgesehen ist – im privaten Arbeitsrecht im Hinblick auf die Notwendigkeit der Prävention von Mobbing und auf die Schwierigkeit, die Anfänge von Mobbing aufzudecken, ratsam.

297

Im Übrigen scheint es mir aus Präventivzwecken wünschenswert, dass im ASchG bzw im BBSG die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Verhütung und Beseitigung von Schikanen am Arbeitsplatz ausdrücklich normiert wird.

Im Zusammenhang mit den Ansprüchen gegen den mobbenden Kollegen erscheint mir sowohl im privaten Arbeitsrecht als auch im öffentlichen Dienstrecht Nachholbedarf. Außerhalb

des

Anwendungsbereichs

der

Gleichbehandlungsgesetze

kann

die

Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen einen Kollegen nur auf ein gesetzliches Schuldverhältnis gestützt werden. Tatsächlich hat in der Praxis eher das Mobbingopfer als die mobbende Person Konsequenzen zu befürchten. Die gesetzlich statuierte Haftung des Kollegen für den materiellen und ideellen Schaden wegen Mobbing erscheint mir sowohl im öffentlichen

Dienstrecht

als

auch

im

privaten

Arbeitsrecht

wünschenswert.

Die

Sanktionierung einer sexuellen Belästigung durch einen Beamten in Form einer Geldstrafe ist mE eher unangemessen.

298

F.

ANHANG

I.

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308

II.

Kurzzusammenfassung

Mobbing tritt unabhängig von der Art des Dienstverhältnisses auf. Ein sicherer Arbeitsplatz ist offensichtlich keine Garantie für ein mobbingfreies Umfeld – ganz im Gegenteil: Nach den Ergebnissen der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland ist das Mobbingrisiko im Bereich der Verwaltung höher als im privaten Sektor.

In den öffentlichen Dienstrechtsgesetzen wurde im Jahr 2010 ein Mobbingverbot, welches einen achtungsvollen Umgang miteinander - frei von Diskriminierungen - normiert, eingeführt. Dieses ist weiter gefasst als der von der Lehre geprägte und von der Judikatur übernommene Mobbingbegriff. Ein Verstoß gegen das Mobbingverbot stellt eine Disziplinarverletzung dar, die zu ahnden ist. Das Opfer hat allerdings keinen einklagbaren Anspruch auf Einleitung des Disziplinarverfahrens. Mobbing kann ein wichtiges dienstliches Interesse darstellen, das eine Versetzung oder eine Suspendierung eines Beamten rechtfertigt.

Im privaten Arbeitsrecht ist ein Mobbingverbot nicht gesetzlich statuiert. Der OGH vertritt allerdings in stRsp die Auffassung, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verpflichtet ist, Abhilfe bei Mobbing zu leisten. Die Pflicht zum Einschreiten trifft auch den öffentlichen Dienstgeber. Die mangelnde Hilfe des Arbeitgebers kann den privaten Arbeitnehmer bzw den Vertragsbediensteten zum Austritt aus dem Arbeitsverhältnis berechtigen. Der Austritt aus dem Dienstverhältnis, egal ob begründet oder nicht, führt bei einem Beamten zum Verlust seiner Abfertigungs- und Pensionsanwartschaftsansprüche. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass nach den Ergebnissen der Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland Beamte bei Mobbing überwiegend in den Krankenstand flüchten. Im Gegensatz zu privaten Arbeitnehmern und Vertragsbediensteten müssen Beamte bei einem langen Krankenstand nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten und erhalten vergleichsweise über einen langen Zeitraum ihr volles Grundgehalt weiter gezahlt.

Die Verletzung der Fürsorgepflicht berechtigt nach der stRsp des OGH unabhängig von der Art des Dienstverhältnisses zum Ersatz des entstandenen Schadens zu. Ein ideeller Schadenersatz für die erlittene Beeinträchtigung steht nur dann zu, wenn die Mobbinghandlungen im Zusammenhang mit einem im GlBG bzw B-GlBG normierten Diskriminierungsgrund stehen. Auch das gesetzliche Mobbingverbot hat diesbezüglich keine Neuerung gebracht. Beamte können ihre Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Fürsorgepflicht im Rahmen des AHG gegenüber der Gebietskörperschaft geltend machen. Im 309

Anwendungsbereich des B-GlBG steht ihnen die Geltendmachung ihrer Ansprüche nur im Dienstweg zu.

Ansprüche

gegen

Kollegen

können

außerhalb

des

Anwendungsbereichs

der

Diskriminierungsschutzgesetze weiterhin nur aufgrund von gesetzlichen Schuldverhältnissen geltend gemacht werden.

Das Dienstrecht der Bediensteten der Union sieht ebenfalls ein Mobbingverbot vor. Dieses bietet auch eine Rechtsgrundlage für Ansprüche gegen mobbende Kollegen. Für Streitigkeiten zwischen den Bediensteten und der Union ist ein eigenes Gericht, das EuGöD, zuständig. Vor Einbringung der Klage hat der Bedienstete seine Ansprüche im Rahmen eines außergerichtlichen Vorverfahrens geltend zu machen. Der Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird bereits im Vorverfahren bestimmt und kann in der Folge nicht mehr erweitert bzw modifiziert werden. Die Verletzung der Fürsorgepflicht berechtigt einen Bediensteten der Union zur Geltendmachung des materiellen und ideellen Schadens.

310

III.

Abstract

Psychological harassment takes place both in the private sector and in the civil service. Obviously, job security does not guarantee an environment without harassment. According to the results of a German survey about psychological harassment in Germany, the risk to become a victim of harassment is higher in the civil service than in the private sector.

Public services law provides an explicit prohibition of harassment, including psychological harassment. Harassment violates an official’s duty and gets prosecuted. It can also be a justified reason for a relocation or a suspension of an official. Though, the prohibition does neither provide the right to ask for compensation for non-material damage suffered, nor does it ease the burden of proof. In the application area of labour law there is no explicit prohibition of bullying. Though, the Supreme Court advances the case law that the employer – private or public - in regard of his duty of care is obliged to find a remedy to stop the harassment. If the employer does not help the victim, the private employee and the contract servant have the right to quit without notice. For an established official the termination of service is combined with the loss of severance pay and the loss of pension benefits. Therefor officials rather flee from the situation by being on sick leave. The Austrian Stuff Regulation for Officials provides continued renumeration for half a year. This period is immensely longer compared with the continued renumeration for private employees and contract servants.

A breach of the duty of care entitles the victim – regardless of his or her employment status – to seek for material compensation. If the victim seeks for non-material damage it has to bring the prima-facie proof that the harassment was conducted on any ground such as sex, ethnic origin, religion or belief, age, sexual orientation or disability, because only special Equal Treatment Laws provide for employees - regardless of their employment status - a compensation for non-material damage suffered and an easement in the burden of proof. In the area of application of the Equal Treatment Laws officials have to assert a claim through official channels. A Civil Service Tribunal does not exist in Austria.

The Stuff Regulations of Officials of the European Communities and the Conditions of employment of other servants of the European Communities also provide a legal prohibition of psychological and sexual harassment which entitles a servant to claim his colleague as initiator of the harassment. In the case of a breach of duty of care the servant can sue his employer and seek for material and non-material damage at the European Union Civil Service 311

Tribunal which has jurisdiction to decide on legal conflicts between the European Union and its servants.

312

IV.

Lebenslauf

Persönliche Daten Mag. Ursula Janesch Bernoullistraße 4 1220 Wien [email protected]

Schulbildung 1990 – 1994

Volksschule Grafenstein/Klagenfurt

1994 – 2002

Alpen-Adria Gymnasium Völkermarkt

Studium 09. 2002 – 03. 2007

Universität Wien Rechtswissenschaften

03. 2007 – voraussichtlich 2012

Universität Wien / Institut für Arbeitsrecht Doktoratsstudium

Zusätzliche Qualifikationen 09. 2005 – 01. 2007

Universität Wien Wahlfachkorb Mediation & andere Formen alternativer Konfliktbeilegung

WS 2006

Universität Maastricht, faculty of law Auslandssemester (Unterrichtssprache: Englisch)

11. 2007 – 03. 2009

ARGE Bildungsmanagement GmbH Wien Lehrgang Mediation & Konfliktregelung

Berufserfahrung 02. 08. 2004 – 20. 08. 2004

Rechtsanwalt Dr. Hans Georg Mayer

03. 07. 2006 – 14. 07. 2006

Klagenfurt Rechtspraktikantin

01. 04. 2007 – 31. 03. 2008

Oberlandesgericht Wien Rechtspraktikantin

01. 04. 2008 – 30. 06. 2010

Rechtsanwaltskanzlei Benesch & Meusburger Wien 313

Rechtsanwaltsanwärterin 01. 07. 2010 – dato

Rechtsanwaltskanzlei Mag. Stefan Benesch Wien Rechtsanwaltsanwärterin

Wien, 10. 03. 2012

314

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