Einfach leben ist nicht einfach Konsum ist heute alles

October 24, 2017 | Author: Lucas Bösch | Category: N/A
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1 Einfach leben ist nicht einfach Konsum ist heute alles Zwischen diesen beiden Meldungen feiern wir Erntedank: WZ vom :...

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Einfach leben ist nicht einfach – Konsum ist heute alles Zwischen diesen beiden Meldungen feiern wir Erntedank: WZ vom 29.9.2010: Verbraucher haken die Krise ab. Konsumfreudige Bürger kurbeln die Konjunktur an. Zum Schluss der Meldung heißt es: „Alle haben im letzten Jahr den Gürtel enger geschnallt, dann können sie in diesem Jahr auch wieder eine Schnalle aufmachen.“ © Westdeutsche Zeitung vom 29. September 2010, Seite 1

WZ vom 1.10.2010: Mehr Deutsche geraten in die Schuldenfalle. Spätfolgen der Krise treffen private Haushalte mit Wucht. Insgesamt sollen rund 3 Millionen Haushalte in Deutschland überschuldet sein. © Westdeutsche Zeitung vom 1. Oktober 2010, Seite 5

Interessant ist auch die Platzierung dieser beiden Nachrichten. Die Konsumfreudigkeit finden wir direkt auf Seite 1. Die Konsequenzen auf Seite 5. Einfach leben ist nicht einfach. Konsum ist heute alles. Angesichts von Erntedank fehlt in beiden Zeitungsberichten der Gottesbezug. Dass ist aber symptomatisch für unsere Gesellschaft, in der wir uns zwischen Konsumfreudigkeit und Überschuldung bewegen. Man kann auch Konsumrausch dazu sagen. Dabei kommt das Menschliche unter die Räder, wenn wir lediglich noch als Konsumenten und Verbraucher wahrgenommen werden und nicht mehr als einzigartige und von Gott geliebte Wesen. Die Diskussion um die Ladenöffnungszeiten hat genau damit zu tun. Wir können heute alles sofort kaufen und besitzen und werden dadurch auch nicht zufriedener mit unserem Leben. Dabei stürzen sich immer mehr Menschen – und die Zahl von 3 Millionen ist geradezu alarmierend – in Schulden, die ihnen zusätzlich ihre Ruhe raubt. Dahinter steckt die durch Konsum unstillbare Sehnsucht nach Lebenserfüllung. In dem Lied von Elenore von Reuß „Ich bin durch die Welt gegangen“ heißt es: „Ich habe die Menschen gesehen, und sie suchen spät und früh. Sie schaffen, sie kommen und gehen, und ihr Leben ist Arbeit und Müh. Sie suchen, was sie nicht finden in Liebe und Ehre und Glück, und sie kommen belastet mit Sünden und unbefriedigt zurück.“ © Text: Eleonore Fürstin Reuß (1835-1903)

Diese Strophen sind heute noch genauso aktuell wie damals – 1867 – als sie dieses Lied schrieb. Daneben steckt hinter dem Konsumrausch unserer Tage aber auch unübersehbar die Habgier. Letztes Jahr hatte das Hauskreismagazin die sieben Todsünden in ihrer Aprilausgabe behandelt.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Predigt in der Freien evangelischen Gemeinde Krefeld vom 3. Oktober 2010 // © Pastor Siegfried Ochs — http://www.siegiochs.de

Im Februar diesen Jahres zog der Spiegel nach und im Juli brachte die „Zeit“ eine Grafik zu den Todsünden, die sie einzelnen deutschen Städten zuordnete. Hamburg ist demnach die Stadt der Habgier und des Geizes. Allerdings sollten wir diese Grafik nicht persönlich, sondern satirisch nehmen, wie die Zeitschrift dabei anmerkte. Der Spiegelartikel war daneben schon von ganz anderem Niveau. Zur Habgier heißt es dort: „Habgier ist die salonfähigste Todsünde, und dabei eine, die soeben fast die ganze Welt an die Wand gefahren hätte. Sie wird als Motor unseres Wirtschaftssystems verstanden. Wir haben die Habgier als Ansporn gefeiert, als Cleverness gerühmt, und plötzlich hat es „wrumms“ gemacht, quer durch alle Schichten. Bis zu 30 Billionen Dollar sind in der Finanzkrise an Aktienkapital zwischenzeitlich

verbrannt

worden,

rund

60

Prozent

des

Aktienvermögens. Die Insolvenzen allein in Europa stiegen um 22 Prozent. Noch leicht benommen stehen wir da und fragen uns: Wie konnten wir diesem Dämon gegenüber, den die Alten „Mammon“ nannten, so blind sein? Schütteln den Schmutz aus der Jacke und machen weiter. Unter den Todsünden ist die Habgier des Menschen die verlässlichste. Sie entzweit Familien, führt Heere gegeneinander, legt Städte in Asche, rottet Völker aus, zerstört die Natur. Worauf man sich am ehesten verlassen kann bei der Habgier, ist ihre immense Schädlichkeit. ... Wie sehr die Habgier die Systeme an den Rand des Abgrunds gebracht hat, haben besonders die vergangenen Monate gezeigt. Die Welt erstrahlte im Zeichen universeller Habgier. Habgier bei den Börsenzockern und Habgier bei den Kleinanlegern.” © Spiegel vom 13.2.2010, Seite 64 - 65

Interessant, nicht wahr? In diesem Artikel werden sogar Bibelverse zitiert. 1. Timotheus 6, Vers 10 (Hoffnung für alle): Denn alles Böse wächst aus der Habgier. Schon so mancher ist ihr verfallen und hat dadurch seinen Glauben verloren. wie viel Not und Leid hätte er sich ersparen können! Weshalb machen wir das? Und kaufen Sachen, die wir eigentlich gar nicht brauchen um damit Menschen zu beeindrucken, die wir in Wirklichkeit gar nicht mögen? „Habgier ist erstens tief im menschlichem Wesen verankert,“ - zitiert Heiko Ernst Gordon Gekko - „und Habgier ist, zweitens, gut für die Wirtschaft.“ © Heiko Ernst, Wie uns der Teufel reitet, Seite 106

Und die Werbung nutzt schamlos diese Unart von uns aus und verkauft uns so immer neue Produkte.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Predigt in der Freien evangelischen Gemeinde Krefeld vom 3. Oktober 2010 // © Pastor Siegfried Ochs — http://www.siegiochs.de

Der Begriff „Habgier“ bedeutet sowohl Habsucht wie auch Geiz. Immanuel Kant unterschied in seiner Metaphysik der Sitten (1797) drei Arten des Geizes: - den habsüchtigen, auf das Anhäufen Bedachten - den knauserigen, hartherzigen gegenüber anderen - den gegen sich selbst gerichteten Geiz © Heiko Ernst, Wie uns der Teufel reitet, Seite 123

„Die oft beklagte Beschleunigung des Lebens geht in hohem Maße auf die Habgier zurück. ... Wir haben immer weniger Zeit, uns für nicht-produktive und nicht-lukrative Dinge zu engagieren. Mußestunden und andere „vertane Zeit“ werden mit schlechtem Gewissen bezahlt.“ © Heiko Ernst, Wie uns der Teufel reitet, Seite 10

Geld an sich ist neutral. Aber unser Umgang mit dem Besitz ist das Problem, wie Paulus unterstreicht, 1. Timotheus 6, Vers 10a (Hoffnung für alle): Denn alles Böse wächst aus der Habgier. Davon können alle, Reiche, Arme und auch Durchschnittsverdiener, Nichtchristen wie Christen befallen werden. „Unsere persönliche Haltung entscheidet darüber, ob das Geld zum Gottesdienst oder Götzendienst wird.“ © Finanzielle Freiheit, Seite 6

Das Habenwollen, das Festhalten am Besitz ist das Problem. Dabei geht die Habgier Hand in Hand mit der Gottvergessenheit, wie Jesus im „alten Evangelium zum Erntedanktag“ deutlich macht. Lukas 12, Vers 15 bis 21 (Einheitsübersetzung): Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt. Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist. Habgier und Gottlosigkeit gehen Hand in Hand. Und wir werden dabei von unserem Besitz regelrecht besessen. Auch der Prediger kennt diese dunkle Seite des Geldes, wenn er schreibt, Prediger 5, Vers 9 (Gute Nachricht): Wer am Geld hängt, bekommt nie genug davon. Wer ein ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Predigt in der Freien evangelischen Gemeinde Krefeld vom 3. Oktober 2010 // © Pastor Siegfried Ochs — http://www.siegiochs.de

üppiges Leben liebt, dem fehlt immer noch etwas. Auch das ist sinnlos. Daneben merkt er allerdings auch an, Prediger 10, Vers 19 (Gute Nachricht): Gut essen macht Freude, Wein trinken macht lustig, und Geld macht beides möglich. Geld hat also auch durchaus eine positive Seite und kann uns auch zum Segen werden. Deshalb rät Jesus seinen Jüngern, dass sie sich Freunde mit dem ungerechten Mammon machen sollen (Lukas 16, Vers 9). Teilen macht uns in Wahrheit also nicht ärmer, sondern lässt uns befreit leben. Die Frage nach unserem Umgang mit Konsum und mit dem, was wir besitzen, ist also eine zutiefst geistliche Frage. Deshalb brauchen wir diesen Tag: Erntedank. Heute vielleicht noch viel nötiger als je. 1. Thessalonicher 5, Vers 18 (Luther): seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. Nun blicken wir heute nicht nur auf die Ernte im allgemeinen und unsere persönliche Ernte im besonderen, sondern auch auf 20 Jahre Deutsche Einheit zurück. Aber auch dabei gehen die Meinungen auseinander. Laut dem Sozialreport 2010 wollen immerhin noch 9% der Ostdeutschen und 11% der Westdeutschen die Mauer zurück. 42% der Westdeutschen schreiben die negative wirtschaftliche Entwicklung weitestgehend der deutschen Einheit zu. © http://www.tagesschau.de/inland/mauerimkkopf100.html

Danken ist nicht einfach. Danken scheint immer schwerer zu werden. Je nachdem worauf man schaut und wer da zum Danken animiert werden soll. Nun gehört das Danken für uns zum christlichen Standardprogramm und zur guten Tradition, die uns davor bewahrt als Macher zu verkommen und Gott als den Geber aller guter Gaben zu vergessen – wie Jakobus 1, Vers 17 (Luther: Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.) deutlich macht. Daneben kommt Danken in unserer postmodernen hektischen Gesellschaft fast einer Entschleunigung gleich. Denn Danken ist auf der Überholspur nicht möglich. Dafür muss man zurückschalten, zurückblicken, und das geht nur im Stehen bleiben. Danken hat mit Denken zu tun, mit Nachdenken über das Gute. Danken ist daneben eine Frage der Blickrichtung und der Perspektive. Da wir als Christen nicht losgelöst von der Gesellschaft existieren, wird auch bei uns das Danken immer leiser und das Jammern immer lauter. Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch lädt uns zu einem anderen Lebensstil ein. Das ist nicht einfach. Schließlich ist Konsum heute alles. Gottes erklärter Wille ist laut Paulus ein dankbares Leben seiner Kinder, die durch Jesus erlöst sind und deshalb getreu Nitsche eigentlich auch erlöster aussehen müssten. Ein dankbarer ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Predigt in der Freien evangelischen Gemeinde Krefeld vom 3. Oktober 2010 // © Pastor Siegfried Ochs — http://www.siegiochs.de

Lebensstil macht uns zu Hoffnungsträgern in einer zerrissenen und jammernden Welt. Ein dankbarer Lebensstil bedeutet auch ein langsamerer und bewussterer Lebensstil. Denn danken ist auf der Überholspur nicht möglich. Dankbarkeit bewahrt uns vor dem Konsumrausch und lässt uns zufrieden das genießen, was wir haben. Ein dankbarer Lebensstil orientiert sich an dem, was da ist und nimmt wahr, was Gott getan und geschenkt hat, ohne dabei Schönfärberei zu betreiben. Dankbarkeit hat nichts mit Nostalgie und einem Verhaftetsein in der guten alten Zeit zu tun. Ein dankbarer Lebensstil nimmt wahr, was Gott jetzt tut, ohne die Augen vor den Defiziten zu verschließen. Gleichzeitig entsteht aus der Dankbarkeit Gott gegenüber Gelassenheit für die vielen unerledigten Baustellen in unserem Leben und im Leben der Gemeinde. Dankbarkeit muss keine Appelle loslassen, sondern nimmt die vorhandenen Möglichkeiten und Grenzen bei mir, meiner Familie und meinen Brüdern und Schwestern wahr und geht von dem aus, was geht und nicht von dem, was ideal wäre. Das hört sich gut an. Das lässt sich auch viel leichter sagen als leben. Ich weiß, wovon ich rede. Aber ich will mich dennoch immer wieder für diesen Lebensstil entscheiden. Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. Damit die Dankbarkeit konkret wird in unserem Alltag, noch acht Anregungen: 1. Tischgebet und dankbar das Essen genießen 2. Tagesabschluss mit einem Dankgebet 3. Menschen danke sagen 4. Bewusst einmal durch die Wohnung gehen und Gott für das alles danken, was man hat. 5. Ein dankbarer Blick vor dem Spiegel für den eigenen Körper und die Gesundheit 6. Rote Ampeln, Warteschlangen und Staufahrten für dankbare Gebete nutzen 7. Dankbar bewusst auf Konsum verzichten 8. Kollekte und Mitgliederbeitrag als Dankopfer an Gott geben Dankbarkeit ist die Entscheidung, Jesus alltäglich in den Blick zu nehmen und sich nicht mehr von den Umständen leben zu lassen. Dankbarkeit ist die Entscheidung für die andere Blickrichtung. Weg von dem, was mir laut Werbung fehlt und hin zu dem, was Gott mir alles geschenkt hat. Dankbarkeit ist die Entscheidung, weder das Auto noch das neueste Handy wie einen Hausgott zu behandeln, sondern alles von meinem Retter Jesus zu erwarten. Dankbarkeit entzieht der Habgier in mir den Nährboden. Einfach leben ist nicht einfach. Wir können uns leben lassen oder aber uns statt für den Konsum für die Dankbarkeit entscheiden und so aus dem Hamsterrad aussteigen. Alles beginnt mit einer Entscheidung und dem praktischen Einüben im Alltag. Und das jeden Tag auf’s Neue.

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