Fallstudie Freiherr-vom-Stein-Albani-Schule in Hessisch Lichtenau (Pilotstudie) / Deutsch

May 16, 2017 | Author: Roland Beckenbauer | Category: N/A
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Fallstudie Freiherr-vom-Stein-Albani-Schule in Hessisch Lichtenau (Pilotstudie) / Deutsch ________________________________________________________________________________________________

OECD/CERI ICT PROGRAMME ”ICT and the Quality of Learning”

A Case Study of ICT and School Improvement als Pilotstudie durchgeführt vom 27. bis 31. August 2000

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Fallbeispiel Freiherr-vom-Stein-Schule Hess. Lichtenau

FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Grünwald b. München Dr. Uwe Haass, Team Leader Franziska Seeber Ulrike Weininger

Inhaltsverzeichnis Overview...............................................................................................................................................3 The Past ...............................................................................................................................................4 Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)................................................................... 4 Schulinnovationen und -verbesserungen............................................................................................. 7

The Present ..........................................................................................................................................9 Evaluation of Change ............................................................................................................................ 9 Diffusion Patterns ......................................................................................................................................9 Staff development & involvement ...........................................................................................................12 Role of leadership ....................................................................................................................................13 ICT-Innovation Connections ...................................................................................................................14

Outcomes .............................................................................................................................................. 16 ICT Infrastructure ....................................................................................................................................16 Effectiveness............................................................................................................................................17

Probleme und Nachteile der Innovationen........................................................................................ 21 Raum und Zeit .........................................................................................................................................21 Kommunikation .......................................................................................................................................22 Veränderte Lehrerrollen...........................................................................................................................22 Reflexionsfähigkeit..................................................................................................................................23 Übernahme von Vorgefertigtem ..............................................................................................................23 Missbräuchlicher Umgang .......................................................................................................................24 Academic Rigour .....................................................................................................................................25 Equity.......................................................................................................................................................26

Projections............................................................................................................................................ 28 Sustainability and Scalability...................................................................................................................28

Conclusion to the Hypotheses ...........................................................................................................29 Projection to the future and extension to other schools ..................................................................32 Appendix A: Methodology.................................................................................................................34 Appendix B: ICT Practices Survey for Teachers .............................................................................35 Appendix C: List of References ........................................................................................................37

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Overview Die Freiherr-vom-Stein-Schule ist eine staatliche Schule in einer deutschen Kleinstadt. Sie liegt in Hessisch Lichtenau, im Bundesland Hessen, in der Mitte von Deutschland. Insgesamt ist die Gegend sehr ländlich und von kleinbürgerlicher Struktur. Die Eltern der Schüler sind überwiegend im technischen Bereich als Facharbeiter tätig. Die größten Arbeitgeber im Umfeld sind eine Klinik und die Bundeswehr. Als Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe wird ab der fünften Klasse unterrichtet. Die anderen Schulzweige, Realschule, Hauptschule und Gymnasium sind jahrgangsweise bis zur Klasse zehn auf einem gemeinsamen Flur untergebracht, die Oberstufe hat ein eigenes Gebäude auf dem Gelände. Derzeit gibt es an der Schule 59 Klassen. Die Schule hat ca. 1200 Schüler/innen1. Von diesen sind 15-20 körperbehindert und 130 Aussiedlerkinder aus Russland. An der Schule selbst unterrichten derzeit 105 Lehrer. Das Lehrerkollegium ist von der Altersstruktur hauptsächlich zwischen vierzig und fünfzig Jahren anzusiedeln. Zu diesem Schuljahr sind erstmals seit längerer Zeit elf neue Lehrer gekommen, nachdem Lehrer auf Grund von Krankheit und Pensionierung die Schule verlassen haben. Hessisch Lichtenau ist eines der Zentren in Hessen, die mit Aussiedlern zu tun haben. Diese Personen, die laut Pass Deutsche sind, können häufig jedoch nicht mehr deutsch sprechen, da sie bereits die dritte bzw. vierte Generation Deutscher sind und in Russland aufgewachsen sind. Hiermit sind für die Schule gerade im soziologisch mitmenschlichen Bereich viele Probleme verbunden. In der Freiherr-vom-Stein-Schule wird für diese Schüler, wenn sie neu nach Deutschland kommen, ein halbes Jahr zusätzlich Deutschunterricht in einer eigenen Fördergruppe von sechs bis zehn Aussiedlerkindern angeboten. Dies wird vom Sozialministerium in Hessen für diese Zeit unterstützt. Die Freiherr-vom-Stein-Schule, die 1946 gegründet wurde, hat bereits seit 1953 körperbehinderte Kinder aufgenommen, die im normalen Unterricht integriert wurden und werden. Dies hing damals damit zusammen, dass ein Internat von körperbehinderten Kindern in der unmittelbaren Nachbarschaft existierte. Aus diesem Internat kamen die Kinder auf die Schule. Der Umgang mit Körperbehinderten an dieser Schule ist für die Schule und ihr Selbstverständnis heute noch prägend. Die Schule ist körperbehindertengerecht ausgestattet. Inzwischen hat die Anzahl der körperbehinderten Kinder an der Freiherr-vom-Stein-Schule abgenommen, da besagtes Internat aufgelöst worden ist. Inzwischen kommen die körperbehinderte Schüler fast nur noch aus der Region.

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Für die Formulierung: "Schülerinnen und Schüler" und "Lehrerinnen und Lehrer" wird in diesem Bericht "Schüler" bzw. "Lehrer" verwendet, was beide Geschlechter einbezieht und nicht diskriminierend gemeint sein soll.

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Der jetzige Schulleiter kam vor sechs Jahren an die Freiherr-vom-Stein-Schule. Als staatliche Schule stehen ihr vom Schulträger 110.000,- DM Jahresbudget für die Verwaltungshaushalt zur Verfügung. Von diesem Budget gibt die Schule ungefähr 5.600,- DM im Jahr für Informations- und Kommunikationstechnologien aus. Die normale Unterrichtszeit ist in der Regel von 8.00 bis 13.00 Uhr, nur für die Oberstufe ist der Unterricht länger. Nachmittags finden auf freiwilliger Basis Arbeitsgemeinschaften für die Schüler statt. Dies sind z.B. Sonne-Wind, Fahrrad, Gitarre, Chor, Leichtathletik, Computer, Datenfernübertragung für die Mittel- und Oberstufe, Schülerzeitung.

The Past Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) Vor ungefähr fünfzehn Jahren wurden in der Freiherr-vom-Stein-Schule die ersten Computer angeschafft, C 64er. Damals begannen sich erste Kollegen für die Bedienung des Computers weiterzubilden. Es gab nur einen Raum, der sehr spärlich ausgerüstet war. Vor zwölf Jahren wurden die ersten Computer mit Diskettenlaufwerken eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt kam der Lehrer an die Schule, der die technische Verantwortung für den Computerbereich bis heute übernahm und hier Technische Spezialist genannt wird. Mit ihm haben sich IKT an der Schule ausgeweitet (vgl. Infrastruktur). Gab es anfänglich nur eine Arbeitsgemeinschaft (AG) von Schülern für Computer, die der Technische Spezialist leitete, kam später Informatik als Unterrichtsfach hinzu. Mit der Arbeitsgemeinschaft von Schülern begann der Technische Spezialist vor ca. drei, vier Jahren die Computer in einem Raum zu vernetzen und die Homepage der Schule zu machen. Den Beginn der Innovationen sowohl im Umgang mit Neuen Medien als auch mit den pädagogischen Innovationen, sehen der Schulleiter und auch der Technische Spezialist mit dem Start der Erarbeitung eines Schulprogramms vor drei, vier Jahren. Hier setzte sich das gesamte Lehrerkollegium an einen großen Tisch und begann per Brainstorming zu erarbeiten, welche Bereiche der Schule weiter entwickelt werden sollten. Es wurden vier bis fünf Schwerpunkte heraus gearbeitet. Einer davon war, wie Computer, Datenfernübertragung (DFÜ) und Internet in der Schule zu integrieren sind, sodass schrittweise alle Schüler an PC, Internet und Neue Medien heran geführt werden können. Zu den Schwerpunkten wurden Konzepte der Umsetzung erarbeitet. Der Schulleiter betonte im Interview jedoch eine Fortschreibung dieses Programms für die Zukunft. Ein Curriculum bezüglich IKT im Unterricht existiert z.Zt. noch nicht von staatlicher Seite. Es wur4

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de für Schulen in Hessen nur ganz allgemein die Vorgabe formuliert, dass Informations- und Kommunikationstechniken in die Schulen integriert werden sollen. Wie dies geschehen sollte, ist nicht vorgegeben und damit auch den Schulen überlassen, wie sie diese Integration in die Schule ausfüllen. Dies wird vom Technischen Spezialisten jedoch positiv gesehen: Vorgaben, in dem Sinne, dass sie (Politik/Regierung) uns helfen oder schaden, gibt es nicht. Ich weiß auch nicht, ob es erstrebenswert wäre diese (Vorgaben) stärker zu kriegen. Wie weit nicht im Prinzip man so offen fortschreiten sollte, dass Schulentwicklung unterschiedlich laufen kann.

Auf Initiierung des Technischen Spezialisten und des Schulleiters bewarb sich die Freiherr-vomStein-Schule vor drei/ vier Jahren bei „Schulen ans Netz“. „Schulen ans Netz“ ist ein seit 1996 deutschlandweit angelegtes Förderungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Deutschen Telekom AG. Die Schulen können sich bewerben, ihre Projekte werden überprüft und begutachtet. Werden sie als förderungswert erachtet, dann erhalten die Schulen finanzielle und materielle Unterstützung bei der Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Freiherr-vom-Stein-Schule hat sich für drei Bereiche beworben, in denen sie mit Unterstützung von Informations- und Kommunikationstechnologien Projekte durchführen wollten und will: Erstens Projekte mit ökologischen Fragestellungen, wo IKT bei der Auswertung von Daten, Informationsbeschaffung und dem Ergebnisvergleich helfen sollte, zweitens künstlerische Projekte, die medial für das Internet aufgearbeitet werden sollten und drittens für den Aufbau einer neuen Freiherr-vom-Stein- Schülerzeitung. Diese Projekte wurden als förderungswürdig eingestuft, sodass die Freiherr-vom-Stein-Schule 1997 Modellprojektschule von „Schulen ans Netz“ wurde. „“Schulen ans Netz“ war für uns eine Erschließung von Ressourcen im Wert von 40/50 Tausend Mark. Sonst wären diese Projekte gar nicht gegangen.“ (Schulleiter) Die Freiherr-vom-Stein-Schule konnte durch die Förderung von „Schulen ans Netz“ sehr moderne Computer kaufen. Darüber hinaus erhielt sie einen gut ausgestatteten Windows-NT-Server (im Wert von ca. 8.500 DM), eine Digitalkamera (Wert ca. 1.000 DM) und eine Freiaccount der OnlineAnbieter T-Online, AOL und WinShuttle. Zudem wurde die Freiherr-vom-Stein-Schule durch die Förderung von „Schulen ans Netz“ eine Microsoftpartnerschule. Durch diese Kooperation erhält sie weitgehend alle schulisch notwendige Software für den Unterricht, die Vernetzung und die Datenfernübertragungs-Arbeitsgemeinschaft kostenlos. Die Datenfernübertragungs-Arbeits- gemeinschaft, kurz DFÜ AG ist eine freiwillige AG, die von dem Technischen Spezialisten geleitet wird. Hier werden die Schüler intensiver mit dem Internet, der Arbeit an der Homepage, und Wartungsaufgaben an den Computer vertraut gemacht. Für die Klassen sieben bis zehn, der Mittelstufe und die Klassen elf bis zwölf, der Oberstufe gibt es je eine DFÜ AG. Schüler können freiwillig am Nachmittag an ihr teilnehmen. Die Mittelstufen-AG beschäftigt sich dabei mit der Überarbeitung 5

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der Schul-Homepage, während die Oberstufen-AG als Computer-Hotline fungiert und für die gesamten technischen Reparaturen, Instandhaltungsarbeiten und Vernetzung der Schule zuständig ist. Der verantwortliche Lehrer sieht sich dabei in seinen Kompetenzen und Verantwortungsbereichen seinen Schülern völlig gleichwertig und stellt sich sogar bewusst hinter die Schüler. Generell wird die Förderung von „Schulen ans Netz“ vom Schulleiter und vom Technischen Spezialisten als eine der treibende Kräfte gesehen, um innovative Projekte im Umgang mit Neuen Medien an der Freiherr-vom-Stein-Schule umzusetzen. Die Schule hat einen ersten Internetzugang zwischen 1996/97, kurz vor der Förderung durch „Schulen ans Netz“ bekommen. Mit Einrichtung eine Computerraumes und der gesamten Vernetzung der Schule durch den Technischen Spezialisten und Schüler aus seiner AG konnte ab Ende 1997 jeder Schüler den Internetzugang nutzen. Wurden in den ersten Jahren die Kosten für die Internetnutzung der Schüler mit ca. 350,- bis 450,- DM monatlich aus dem Haushalt der Schule bezahlt, was der Schulleiter vor dem Kollegium durchsetzen und vertreten musste, ist der Internetanschluss seit ungefähr einem Jahr kostenlos aufgrund staatlicher Unterstützung. Die Schüler können von acht bis sechzehn Uhr in den Computerraum gehen, wenn er nicht für den Unterricht benutzt wird. Sie müssen sich nur bei einem Lehrer für die Computer- bzw. Internetbenutzung anmelden und sich den Schlüssel für den Raum bei einem Lehrer holen. Diese Möglichkeit der Nutzung des Internets und der Computer für die Schüler kennzeichnet die Grundhaltung des Technischen Spezialisten und auch des Schulleiters. Ich wollte noch etwas zur Philosophie sagen. Ich halte es für extrem wichtig, dass eine Schule eine Ausstattung, die sie für teures Geld bekommen hat, den Schülern so oft zur Verfügung stellt als irgend möglich. D.h. bei uns galt schon immer, wenn der Computerraum nicht unterrichtsmäßig benutzt wird, muss er für Schüler offen stehen und dazu kommt, dass die Schüler von vorn herein gesagt bekamen, nicht wir Lehrer machen die Computer und ihr nutzt sie, sondern die Schüler machen Computer, die, die das Wissen haben für Euch. Und ich bin überzeugt, dass diese Philosophie sehr massiv dazu beigetragen hat, dass wir ein ganz niedriges Potenzial an Softwarezerstörung oder gar Hardwarezerstörung, wie Klauen von Mäusen, haben. (Technischer Spezialist)

Jedem Schüler wurde, als der Internetanschluss vorhanden war, ein E-Mail Account über eine schuleigene Domain ermöglicht. Da mit der Administration der E-Mails jedoch viel Arbeit verbunden war, wurden die Schüler gebeten, sich ihre E-Mail Adressen bei Anbietern anzulegen, die kostenlose E-Mail Accounts bereitstellen. Das wird von den Schülern viel genutzt und positiv aufgenommen, da diese Accounts sowohl in der Schule als auch zu Hause genutzt werden können. Für das Schulhalbjahr Sommer 2000 wurde erstmals eine Gebühr von 10,- DM für die Nutzung der Computer angefordert. Das stößt jedoch sowohl bei Schülern als auch bei Eltern auf positive Resonanz, da dieses Geld für die Reparaturkosten der Computer aufgebracht werden soll. 6

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Ein generelles Problem an der Schule bei der Einführung von IKT als auch bei der Einführung von pädagogischen Innovationen ist immer wieder die Frage der Finanzierung von Projekten und Materialien, wie z.B. neuen Computern. Hier haben sich der Schulleiter und der Technische Spezialist stark um Gelder von Sponsoren bemüht. Erst gewonnene Wettbewerbe, wie z.B. der der Boschstiftung (vgl. S.20), konnten Gelder für Projekte ermöglichen. Schulinnovationen und -verbesserungen Ebenso wie im IKT Bereich zeigen sich im pädagogischen Bereich der Freiherr-vom-Stein-Schule, viele innovative Veränderungen, die in Projekten durchgeführt werden. Vor allem drei Themenschwerpunkte der Schule kristallisieren sich dabei heraus. Einmal wird viel Wert auf den Einbezug des äußeren Umfeldes gelegt. Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt ist der innovative Umgang mit Kunst an der Schule und als weiterer Schwerpunkt ist ein Bemühen um einen verantwortungsvollen Umgang mit Ökologie zu nennen. Unter einer Vielzahl von Projekten, die an der Schule in Zusammenarbeit mit ihrem Umfeld durchgeführt worden sind, lassen sich folgende hervorheben: 1. Seit drei Jahren spielen Schüler der Freiherr-vom-Stein-Schule mit Soldaten der Bundeswehr aus Hessisch Lichtenau einmal im Jahr fünf Tage lang das Simulationsspiel „Polis“ im Rahmen des Unterrichtsfaches Gemeinschaftskunde. Es werden Probleme der UNO simuliert und Konflikte durchgespielt. Schüler haben vor zwei Jahren drei Monate lang für ein Optikergeschäft die Dekoration gemacht. Die Schule macht regelmäßig Bewerbungstrainings zusammen mit den Krankenkassen und Banken für Schüler. Vor einem halben Jahr ist die Stadt an die Freiherr-vom-Stein-Schule herangetreten und hat um Mitarbeit der Schule bei der Belebung der Innenstadt gebeten. Als letztes Projekt, in dem die Schule mit dem Umfeld zusammenarbeitet, wird hier die Betreuung eines Stücks deutschen Märchenweges erwähnt. Über einen ehemaligen Schüler trat die Nachbargemeinde an zwei Kunstlehrer der Schule mit der Bitte heran, ob sie diesen Wanderweg nicht attraktiver machen wollen. Das hat dieses Jahr begonnen. Geplant ist, dass die Schüler aus dem Kunstunterricht Skulpturen an diesem Wanderweg errichten. Kommentiert werden soll dieses Projekt, wie auch das bereits oben genannte zur Belebung der Innenstadt, mit der Digitalkamera. Diese Projekte, in denen die Schule mit Partnern und Institutionen des äußeren Umfeldes zusammenarbeitet, sieht der Schulleiter als eine die Innovationen an der Schule sehr fördernde Komponente an. „Wir versuchen über Projekte nach außen zu gehen, überall wo Berührungen sind mit außen, wo Schule die Lebenswelt mit hinein nimmt, da entwickeln sich Innovationen, da gibt es Anstöße, da wird etwas in Frage gestellt.“ (Schulleiter) 7

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Hauptverantwortlich für diese Projekte nach außen ist vor allem der Schulleiter. Für den nächsten innovativen Schwerpunkt, einen neuen Umgang mit Kunst an der Schule, zeigen sich besonders zwei Kunstlehrer hauptverantwortlich. Diese beiden Kunstlehrer haben in den letzten Jahren neue Formen von Kunstarbeit für ihre Schüler entwickelt. So gab es z.B. die Projekte „Kunst und Kirche“ oder „Kunst und Natur“. In Zusammenarbeit mit der Kirche und dem Förster wurden Installationen in der Kirche bzw. im Wald mit Schülern gemacht. Dokumentationen hiervon sind auf der Homepage zu betrachten. Kennzeichen dieser Kunstlehrer ist, dass sie sich nicht eng an die Richtlinien über Kursinhalte halten, sondern individuelle Formen entwickeln und darin auch von dem Schulleiter unterstützt werden. Das wohl derzeit spannendste pädagogische Projekt der Freiherr-vom-Stein-Schule ist das „Tschechienprojekt“. Dieses Projekt begann vor vier Jahren, als ein Schulleiter einer Schule aus Tschechien mit dem Schulleiter der Freiherr-vom-Stein-Schule Kontakt aufnahm. Der Wunsch war, mit einer deutschen Schule zusammenzuarbeiten, die Erfahrungen mit körperbehinderten Schülern hat. Hieraus erwuchs ein gemeinsames Projekt. Dabei wurde die Idee des Kunstprojektes „Kunst und Natur“ aufgegriffen. Durch das praktische Tun und das gemeinsame Kunstschaffen sollten vor allem die Sprachbarrieren zwischen deutschen und tschechischen Schülern leichter überwunden und verändert werden. Das Tschechienprojekt läuft im Rahmen einer Projektgruppe von Schülern unter der Leitung der Kunstlehrer. Die Schüler aus beiden Gruppe verbringen wechselweise jeweils eine Woche in Tschechien und in Hessisch Lichtenau. Mit Schülern beider Schulen wird vor Ort in den Wald gegangen. Die Arbeiten, die z.B. in der Natur entstanden sind, wurden in sehr schönen Kunstkatalogen dokumentiert. Mit dem Projekt bewarben sich beide Schulen zunächst bei der EU und wurden ein Jahr von ihr finanziell unterstützt. Später bewarb sich die Freiherr-vom-Stein-Schule bei der Boschstiftung. Diese finanziert bundesweit Projekte, die den Austausch von Deutschland mit den osteuropäischen Ländern verbessern. Von der Boschstiftung erhält die Freiherr-vom-Stein-Schule derzeit ca. 15 bis 18 tausend Mark für ihr Tschechienprojekt. Diese finanzielle Unterstützung ist aus Sicht der Schulleitung wie auch der Kunstlehrer sehr wichtig für eine gute Arbeit an dem Projekt. Vor eineinhalb Jahren war die Freiherr-vom-Stein-Schule mit ihrem Projekt einer von vierzehn Bundessiegern in Deutschland. Durch die direkte Konfrontation mit der tschechischen Lebenswelt, die ärmer und sehr verschieden ist zu der deutschen, können die Schüler besser eine neue Sicht von Lebenswelten entwickeln als durch Erzählungen.

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Ein weitere wichtiger, innovativer Bereich ist der Umgang mit der Ökologie an der Schule. In der gesamten Schule gibt es seit 1997/98 Mülltrennung. Ausgegangen sind diese Projekte von einer Gruppe von ca. 20 Lehrern, die sich überlegt haben, was man an der Schule mit alternativen Energieformen machen könnte. So wurde u.a. die Arbeitsgemeinschaft Sonne-Wind gegründet, die sich sehr stark mit dem Thema Energie auseinander setzte. Schüler und Lehrer haben in diesem Projekt ein Windrad in der Schule auf dem Dach befestigt und eine Fotovoltaikanlage als auch Sonnenkollektoren installiert. Dadurch kann ein Chemieraum mit Strom versorgt werden. Durch eine Wasseraufbereitungsanlage auf dem Dach steht für zwei Fachräume Wasser zur Verfügung. Die Schüler dieser AG habe in der Schule sehr stark Aufklärung betrieben. Sie sind selbst in alle Klassen gegangen und haben die anderen Schüler über Energiesparen und die neuen Energieerzeuger aufgeklärt. Inzwischen ist dieser ökologiefreundliche Umgang an der Schule selbstverständlich geworden. 1998/99 war die Freiherr-vom-Stein-Schule zur "Umweltschule in Europa" ausgewählt worden. Auch ist noch zu erwähnen, dass es für die Siebt- und Achtklässler aller Schulzweige jedes Jahr ein Selbstständigkeitstraining gibt. Sie fahren nach Belgien und müssen sich in einem Land, wo sie die Sprache nicht kennen, zurechtfinden, Essen einkaufen und kochen, alleine schlafen, etc. Die Volkshochschule hat die Möglichkeit, abends Kurse im Computerraum der Freiherr-vom-SteinSchule durchzuführen. Sie braucht für diese Nutzung keine Gebühren an die Schule zahlen.

The Present Evaluation of Change Diffusion Patterns Vor allem der Technische Spezialist mit seinen Schülern aus der Datenfernübertragungs Arbeitsgemeinschaft (DFÜ AG) sowie drei/vier weitere Lehrer sind für die Einführung der IKT an der Freiherr-vom-Stein-Schule verantwortlich. Innerhalb der letzten drei bis vier Jahre hat sich vor allem die DFÜ AG des Technischen Spezialisten als eine wichtige Kraft bei der Einführung und Wartung der Neuen Medien erwiesen. Für die Schüler dieser AG als auch die anderen Schüler, die diese Schüler für Hilfe in Anspruch nehmen können ist diese AG ein wichtiger Bestandteil der Schule geworden. Vor allem die gesamte Wartung der Computer und des Internets obliegt dem Technischen Spezialisten und seiner AG. Aus dieser DFÜ AG sind seit den letzten drei, vier Jahren immer zwei Schüler 9

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offizielle Administratoren der Schule. Sie haben dieselben Rechte wie der Technische Spezialist, kennen sämtliche Passworte und besitzen die Schlüssel. Der Technische Spezialist sagte auch, dass diese beiden Administratoren auf dem Gebiet meistens mehr wüssten als er selber. Er sagte uns, dass er keine Wartungsarbeiten an den PCs ohne einen dieser Administratoren oder einem anderen Schüler aus der AG mache, auch um sich selbst davor zu schützen, noch mehr zu arbeiten. Es wird mit einem großen Teil an Sympathie aufgenommen, was am Anfang nicht zu erwarten war, denn zunächst war die Kritik gegen Computer und CD-Rom in der Schule sehr, sehr stark. Erst wurde es abgelehnt von vielen, eigentlich gehört das nicht in die Schule. Wenn ich mir diese drei, vier Jahre überlege, wie über bestimmte Sachen heute nicht mehr diskutiert wird, das ist etwas, das wurde durch eine kleine Gruppe von engagierten Schülern und Lehrern zum Schulalltag. (Schulleiter)

Der Technische Spezialist ist Lehrer an der Freiherr-vom-Stein-Schule. Er unterrichtet Mathematik, Gemeinschaftskunde und Informatik. Obgleich er nie Informatik studiert hat, ist sein Wissen über den Umgang mit Computern sehr gut, sei es sowohl mit der Wartung als auch mit der Handhabung von Programmen. Er wird auch von den befragten Eltern als sehr initiativ und engagiert beschrieben. Sehr wichtig für die Akzeptanz seiner Person und Ideen im Lehrerkollegium scheint, dass er nicht nur Naturwissenschaften unterrichtet. Überhaupt sind an der Freiherr-vom-Stein-Schule nicht die Mathematiklehrer das alleinige Innovationspotenzial, sondern ist eine Englischlehrerin maßgeblich mit daran beteiligt, dass Software im Unterricht Eingang hatte. Sie hat früh begonnen, diese und das Internet im Unterricht auszuprobieren und einzusetzen. Der Schulleiter spricht von einer Steuerungsgruppe aus weiblichen und männlichen Kollegen, die über die Schulzweige hinweg breit gestreut ist und als Innovationsmotor gesehen wird. Die Lehrer, die die Innovationen in Gang gesetzt haben, werden durch den Schulleiter als neugierig und offen beschrieben. Diese Gruppe, die die Innovationen stützt und trägt, nehmen Weiterentwicklungen der Gesellschaft und der Schüler auf und versuchen sie in ihrem Unterricht zu integrieren. Sowohl bei der Implementierung der Neuen Medien als auch der pädagogischen Innovationen ist eine treibende und motivierende Kraft die, dass die Hauptverantwortlichen Spaß an der Sache haben. Intrinsische Motivation scheint ein Kennzeichen der Hauptverantwortlichen und Befürworter von Innovationen zu sein und ist ausschlaggebend für die Zeit und das Engagement, das diese Personen in ihre Projekte investieren. Die andere Gruppe der Lehrer, die sich eher ablehnend verhält, vor allem gegenüber der Implementierung Neuer Medien, wird als ängstlich beschrieben. Diese Angst ist meistens dadurch begründet, dass sich die Lehrer nicht genügend mit den Computern und dem Internet auskennen und Angst haben vor den Schülern zu versagen, die häufig weiter und besser sind als sie selbst. 10

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Es gibt mittlerweile natürlich eine hohe Anzahl an Schülern, die einen Pentium zu Hause haben. Die inzwischen schon eine weiteren haben, den Pentium drei. Wenn dann nur ein Kollege kommt und er hat nur wenig Ahnung und will mit denen was machen, dann steht ein hohes Maß an Angst da. (Technische Spezialist)

Es gibt aber auch eine Ablehnung des Computers aus ideologischen Gründen. Solche Lehrer lehnen den Computer kategorisch ab, ebenso wie auch den Fernseher. Diese Lehrer werden beschrieben als Personen, die nicht wissen, wieso sie etwas an der Art ihres Unterrichts ändern sollten, da sie sich als erfolgreich in ihrer Arbeit einschätzen. Vor allem wurde immer wieder betont, dass die Ablehnung gegenüber den Computern und dem Internet eine Altersfrage sei. So hat ein Kunstlehrer, der hauptverantwortlich für das Tschechienprojekt ist, sehr offen zugegeben, dass er selbst sich mindestens drei bis vier Jahre massiv gewehrt habe, das „Ding“ anzufassen, weil er es nicht gewohnt gewesen sei, mit dem Computer umzugehen. Über den Einbezug der Lehrer an der Schule in die Innovationen pädagogischer Art und den Umgang mit Neuen Medien wurden unterschiedliche Aussagen gemacht. Als Beobachter erhält man den Eindruck, dass eine Vielzahl von Lehrern in die Innovationsprozesse integriert sind, aber nicht mehr als dreißig Prozent des Kollegiums. Nach Aussagen des Schulleiters wird diese Gruppe jedoch stetig größer. Generell kann gesagt werden, dass sowohl die pädagogischen Innovationen als auch die Innovationen im Umgang mit Neuen Medien nur durch das persönlichem Engagement der Hauptverantwortlichen zu Stande kommen. „Ohne Initiative von Kollegen läuft da nichts“ (Technische Spezialist) Konsens aller in die Innovationen und Implementierung von Neuen Medien einbezogener Lehrer ist, dass ohne die starke Unterstützung der Schulleitung dieser Prozess so nicht möglich gewesen wäre. Das größte Problem bei der Implementierung von Innovationen und IKT scheint, dass die Hauptverantwortlichen sehr viel Zeit aufwenden und investieren müssen. Von fast allen Hauptverantwortlichen, wie dem Technischen Spezialisten, den Kunstlehrern, dem Schulleiter und auch zwei, drei weiteren engagierten Lehrern, wurde vor allem der enorm hohe zeitliche Aufwand genannt, der mit ihrem Engagement verbunden ist. Dieser wird teilweise als sehr belastend erlebt. Der Technischen Spezialist sprach davon, dass seine Motivation in letzter Zeit stark nachgelassen habe, weil er das Verhältnis zwischen seinem Aufwand und dem, was herauskomme, persönlich immer weniger positiv beurteile. Als letztes Problem bei der Aufrechterhaltung und Einführung von IKT und pädagogischen Innovationen muss beachtet werden, dass die Schüler, die in die Einführung der Neuen Medien, die Wartung oder die Homepagepflege (DFÜ AG) aber auch in pädagogisch innovative Projekte (Sonne11

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Wind AG) sehr stark involviert sind, die Schule bei Abschluss ihrer Schulzeit verlassen. Es müssen dann mühsam neue Schüler zur Mitarbeit motiviert werden und sich diese Fertigkeiten aneignen. Damit sind sehr wichtige Ressourcen immer wieder nur für eine begrenzte Zeit in der Schule vorhanden. Staff development & involvement Gerade im Umgang mit Computer und Internet ist das Kennzeichen dieser Schule, dass hier eine Form schulinterner Fortbildung stetig stattfindet. In den letzten drei, vier Jahren organisierte der Schulleiter in kleinen Gruppen interne Fortbildungen. Drei, vier sehr versierte Lehrer im Umgang mit IKT haben für eine kleine Gruppe von drei bis sechs interessierte, weniger im Umgang mit IKT erfahrenen Lehrer, Einführungskurse für PC und Internet gegeben. Dadurch kam es in der Freiherrvom-Stein-Schule zu einer langsamen, aber allmählichen Fortbildung und Wissensvermehrung von immer mehr Lehrern an der Schule. Der Schulleiter bezeichnet die Form der Personalentwicklung nicht als „typische Lehrerfortbildung, sondern eher eine unschulische, informelle Informationsvermehrung.“ Er sieht „diesen Prozess als eine Art Alphabetisierung“. Eine wichtige Komponente dieser Form von Fortbildung scheint zu sein, dass diejenigen Lehrer, die diese Fortbildung durchführen, den anderen Lehrern vertraut sind. Wichtig ist, dass man jemandem dafür hat, den andere Personen erkennen, dem man vertraut, der ihnen etwas erklären kann, wo sie nicht wegfahren müssen zu einer Fortbildung. Das ist eine Form der Vertrauensbasis und Akzeptanz, die enorm viel gebracht hat, das ist ein personelles Innovationskonzept. (Schulleiter)

Generelles Kennzeichen aller Lehrer an der Freiherr-vom-Stein-Schule im IKT Bereich ist, dass sie sich ihre Fähigkeiten überwiegend autodidaktisch angeeignet haben. Nur wenige Lehrer sprachen den Wunsch nach weiteren Fortbildungen an, da diese in der Regel immer mit weiterem Zeitaufwand verbunden sind und sie sich davor scheuen. In der Schule läuft viel über ein informelles Unterstützungssystem. Die Schüler der DFÜ AG, der Technische Spezialist und drei bis vier andere Lehrer, die sich gut auskennen, stehen als Ansprechpartner bei Problemen von Lehrern und Schülern zur Verfügung, sei es bei der Wartung oder bei der Unterstützung von Anwendungsprogrammen. Der Fragebogen zur Nutzung von IKT der Lehrer zeigt, wie die Lehrer der Freiherr-vom-SteinSchule ihre IKT Fähigkeiten beurteilen. Hierzu muss erwähnt werden, dass nur 16 von 105 Lehrern diesen Fragebogen ausfüllten. Hiervon beurteilen 31,5 % ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Computer als gut, 50 % als ganz ordentlich, nur 18,5 % als schlecht. 75 % der Lehrer, die einen

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Fragebogen ausgefüllt haben, nutzen ihren Computer mehrmals in der Woche zu Hause für die Vorbereitungen auf den Unterricht. Auf die Frage: „Wie wichtig ist jede der folgenden computerbezogenen Fähigkeiten für ihr Lehren?“ antworteten 81,25 % der Lehrer, dass einen Text mit einem Textverarbeitungsprogramm zu schreiben sehr wichtig für ihr Lehren sei und 18,75 % der Lehrer fanden diese Fähigkeit wichtig. Diese Fertigkeit sticht als die wichtigste hervor. Als gar nicht wichtig wurden „Ein Programm schreiben“ (60 %) und „Eine Webseite erstellen“ (56,25 %) beurteilt. Informationen zu präsentieren empfanden noch 46,65 % der Lehrer wichtig für ihr Lehren, wenngleich die Lehrer angaben, mit Informationspräsentation 43,75 % vertraut, 31,25 % etwas vertraut und 25 % gar nicht vertraut zu sein. Über die Referendare und neuen Lehrer, die an die Schule kommen, wurde gesagt, dass sie „eine ganze Menge von Selbstverständlichkeit“ in den Umgang mit Neuen Medien hinein brächten. Sie werden als eine Chance für die Innovationen gesehen und können neue Ressourcen für die weitere Aufrechterhaltung der Innovationen sein. Role of leadership Alle interviewten Lehrer und Hauptverantwortlichen betonten ausnahmslos die Unterstützung, die sie durch die Schulleitung erhalten. Der Schulleiter wird als „treibende Kraft“ beschrieben, der die Projekte finanziell und auch verbal sehr unterstützt. Er ermutigt die Lehrer sehr, die bereit sind, sich auf die Innovationen einzulassen, versucht ihnen Freiräume zu schaffen und bemüht sich auch sehr um Sponsoren und Gelder. Ich glaube, als Verantwortlicher in diesem Bereich kann ich nur so agieren, wie ich es tue, weil ich die volle Unterstützung vom Schulleiter habe, wesentlich mehr als vom gesamten Kollegium, weil er dahintersteht, mir Freiräume schafft, mir immer ein paar Mittel zuschanzt. (Technische Spezialist)

Der Schulleiter bemüht sich um eine Atmosphäre und Kultur an der Freiherr-vom-Stein-Schule, die Innovationen unterstützt. So unterstützt der Schulleiter die Kunstlehrer darin, über den vorgeschriebenen Lehrplan hinaus zu experimentieren oder stellt dem Technischen Spezialisten extra Stunden zur Verfügung, die er vor dem Gesamtkollegium vertreten muss. Für den Technischen Spezialisten gestaltet sich das so, dass der Schulleiter ihm zwei zusätzliche Stunden für die zwei DFÜ AGs zuteilt. Diese verlaufen eigentlich zweistündig, aber der Schulleiter gibt dem Technischen Spezialisten zweimal drei Stunden für diese Arbeitsgemeinschaften, sodass zumindest zwei Stunden von der Zeit, die der Technische Spezialist in die Wartung und Einführung der Computer steckt, damit vergolten sind. Auch stellt der 13

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Schulleiter dem Technischen Spezialisten und einer Kollegin zwei Stunden zur Verfügung, in denen sie nicht unterrichten sondern nachmittags für sechs bis sieben Lehrer eine Fortbildung geben. Der Schulleiter versteht sich selber als Moderator, der die Gedanken, Überlegungen und Impulse aus einer Gruppe von Schülern und Lehrern aufnimmt. Er versucht die Schwerpunkte herauszufinden, und die dafür vorhandenen Stärken zu mobilisieren und Schwächen zu kompensieren. Wichtig ist es für ihn, ein Gefühl von Solidarität zu erzeugen, sodass die Zusammenarbeit leichter wird und auch eher verhalteneren Lehrern die Schwellenängste genommen werden, sich auf den Innovationsprozess einzulassen. Hierfür setzt er sich sehr ein und es ist mit einem starken persönlichen Engagement von seiner Seite verbunden, ohne das die Entwicklung der Schule nicht so verlaufen wäre. ICT-Innovation Connections Der Einsatz Neuer Medien, wie z.B. Computer, Internet, CD-Rom oder auch die Digitalkamera hat an der Schule zugenommen. Sogar einige Lehrer, die vorher dem Einsatz Neuer Medien im Unterricht skeptisch entgegensahen, haben angefangen, IKT in den Unterricht einzubeziehen, wo es ihnen sinnvoll erscheint. Auf die Frage, wie hoch der Prozentsatz der Lehrer an der Schule ist, die mit PC und Neuen Medien arbeiten, antwortete ein Lehrer: „Ich glaube maximal 50 zu 50, wenn nicht sogar weniger als 40 Prozent, wovon von den 60 Prozent sicherlich einige den Rechner zu Hause stehen haben." (Lehrer) Der Technische Spezialist beurteilt die Situation ganz anders: „Mir fällt dazu ein, dass meine Kollegen, wenn man es genau nimmt, keine Kompetenz haben, mit dem Computer zu arbeiten. Ich glaube, siebzig Prozent der Kollegen können nicht mit dem Computer umgehen.“ (Technischer Spezialist) Über den Einsatz Neuer Medien im Unterricht antwortete ein Schüler: Es ist ziemlich abhängig von dem Lehrer. Es gibt Lehrer, die machen noch ganz konventionell Unterricht. Die kommen rein, man bekommt einen Zettel, arbeitet die durch, bespricht sie, dann schreibt man irgendwann die Arbeit. Es gibt auch die, das geht dann von Film zeigen, oder dass sie sagen: „Ja gut, Ihr habt eine Stunde Zeit, Ihr könnt machen, was ihr wollt. Aber Ihr müsst ein Thema ausgearbeitet haben. Hier ist der Computerraum, geht rein, sucht Euch im Internet was raus!“ Das gibt es schon. Das ist recht normal, d.h. nicht, dass es jede Woche passiert. (Schüler)

Es fällt an der Freiherr-vom-Stein-Schule auf, dass insbesondere Mathematik- und Physiklehrer CD-Roms im Unterricht einsetzen oder mit Programmen arbeiten z.B. zur Veranschaulichung von dreidimensionalen Teilchen, Simulation von radioaktiven Reaktionen und Versuchen, für die Berechnung von Messreihen, den Computer zur Datensammlung nutzen oder für Mathematikberechnungen. Obgleich diese Lehrer nicht für den Einsatz der Medien an der Schule besonders aktiv ein14

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traten, scheinen sie diese Medien dennoch einzusetzen. Auch liefen schon früh Versuche einer Lehrerin, den Computer in den Unterricht zu integrieren, in dem sie Kurse anbot wie z.B. „Deutsch und Computer“. Es kann jedoch eher von einem Gebrauch des PCs als Werkzeug denn als innovatives Unterrichtsmittel gesprochen werden. Dennoch ist sehr positiv zu erwähnen, dass an anderen Schulen in Deutschland noch weniger mit PC, Software und Internet gearbeitet wird als an der Freiherrvom-Stein-Schule und ist daher zu Fragen, ob dieser Unterricht mit dem Neuen Medium an sich nicht bereits innovativ ist. Ein innovativer Umgang mit Neuen Medien an der Freiherr-vom-Stein-Schule ist durchaus zu beobachten. Es gibt Unterrichtseinheiten oder Projekte, wie z.B., dass eine Lehrerin mit einer Klasse ein Buch über eine typische Jugendproblematik, das Weglaufen von zu Hause, gelesen hat. In dem Buch gab es eine Szene, in der eine Vermisstenanzeige von den Eltern gestellt wurde. Die Lehrerin hat mit den Schülern im Internet zum Thema Vermisstenanzeigen nachgesehen. Dort haben die Schüler herausgefunden, dass tatsächlich viele Eltern Vermisstenanzeigen von ihren Kindern ins Internet stellen. „Das war Einbruch von Wirklichkeit in eine literarische Fiktion. Das gibt am Ende eine ganz andere Qualität. Von vornherein sind Neue Medien nicht gleich innovativ. Sie gehören nur zum Kontext.“ (Schulleiter) Auch hat ein Informatikkurs das letzte Schuljahr mit einem Kunstkurs fächerübergreifend bei einem Wettbewerb von Siemens zusammengearbeitet. Die Schüler des Informatikkurses haben Kunstarbeiten der Schüler aus dem Kunstkurs, u.a. von dem Tschechienprojekt, medial aufgearbeitet, daraus eine CD-Rom erstellt und dies ins Internet gestellt. Auch der Umgang mit dem Internet und der Digitalkamera an der Freiherr-vom-Stein-Schule erscheint sehr innovativ. Ebenso, wie jeder Schüler ohne Beschränkungen ins Internet darf, können sie sich die Digitalkamera ausleihen und Situationen und Dinge damit dokumentieren. Mit der Digitalkamera laufen die Schüler alleine, z.B. in der Schule herum oder fotografieren für Projekte, die sie dann ins Internet stellen. Diese freie und vertrauensvolle Haltung gegenüber den Schülern ist ein generelles Kennzeichen der Freiherr-vomStein-Schule. Durch die verschiedenen pädagogischen Innovationen und Projekte mit IKT ergeben sich gleichzeitig neue Fragestellungen für die Schul- und Unterrichtsorganisation. Der Schulleiter ist überzeugt, dass diese Neuen Medien den Unterrichtsalltag und „das traditionelle Lehrer-\ Schülerverhältnis, den Zeittakt und die Fächergrenzen verändern“ werden. Beispiele für die Veränderung des Unterrichtszeittaktes gibt es sowohl im medialen als auch im pädagogischen Bereich. So konnte das Schreiben eines Internetromans im Fach Deutsch nicht im normalen Schulalltag integriert werden, sondern musste in eine Projektwoche ausgelagert werden, da dies nicht im normalen Stundentakt 15

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unterzubringen war. Dasselbe gilt besonders auch für den Fachbereich Kunst, der von Haus aus einen hohen Praxisanteil beinhaltet. Dort wird in der Freiherr-vom-Stein-Schule gegebenenfalls der Unterricht "geblockt" abgehalten, d.h. der 45 Minuten Rhythmus wird verlassen und der Unterricht kompakt an zwei Tagen, einem Wochenende, oder wie z.B. bei dem Tschechien-Projekt in einer ganzen Woche durchgeführt. So kann konsequent inhaltlich an einem Thema gearbeitet werden, was zu einer neuen Qualität im Unterricht führt. Outcomes ICT Infrastructure Die Schule verfügt über drei Räume, die mit PCs ausgestattet sind, die von den Schülern genutzt werden können: •

Der DFÜ-Raum kann als die Steuerzentrale des Computersystems der Schule betrachtet werden. Dort stehen zwei Win-NT-Server und fünf weitere Rechner, die Administrationszwecken dienen. Von hier aus arbeitet der Technische Spezialist mit seinem Team aus den Schülern der zwei DFÜ-AGs. Diese haben jederzeit Zugang zu diesem Raum. Auch die Computer im Verwaltungsbereich werden von hier aus administriert.



Im „Oberstufenraum“, der sich im Oberstufengebäude befindet, stehen neun Pentium PCs (3 x P_I 133 und 6 x P_II 266) zur Verfügung, die miteinander in einem Windows-NT-Netz verbunden und als NT-Clients konfiguriert sind. Über die Verbindung zu zwei Win-NT-Servern im DFÜ-Raum kann an allen PCs Internet und E-Mail genutzt werden. In diesem Raum werden der Informatikunterricht der Oberstufenschüler bzw. die Unterrichtsstunden, in denen Computer eingesetzt werden, abgehalten. In der freien Zeit können alle Schüler den Raum zwischen 8 und 16 Uhr privat nutzen. Für den Unterricht stehen den Schülern diese neun Computer zur Verfügung, sodass bei einer geteilten Klasse immer ein bis zwei Jugendliche an einem PC sitzen. Gelegentlich bringen Schüler im Informatikunterricht auch ihre eigenen Laptops von zu Hause mit. Schulweit gesehen kommen bei ca. 1200 Schülern auf einen Computer 58 Schüler.



Ein so genannter „Mittelstufenraum“ ist im Gebäude der Mittelstufen untergebracht, in dem sich die älteren Rechner befinden, die in erster Linie den Mittelstufenschülern das Erlernen von elementaren Grundkenntnissen ermöglichen sollen. Außerdem können hier mithilfe eines X-YTisches kleine Figuren aus Styroporplatten erstellt werden, wobei die Schüler einen Programmablauf zur automatischen, computerunterstützten Fertigung programmieren. Der Raum ist ausgestattet mit vier älteren Computern (386er) und fünf neueren (3 x 486 und 2 x Pentium PI 133). 16

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Insgesamt wird die Computerausstattung durch die Interviewten zwar nicht als gut, aber im Verhältnis zu anderen Schulen doch überdurchschnittlich bezeichnet. Die Lehrer haben die Möglichkeit, im Lehrerzimmer und in einem Lehreraufenthaltsraum je einen PC zu nutzen oder das Internet zu erproben. Im den Fachräumen für Biologie und für Kunst stehen darüber hinaus je eigene Computer bereit. Lehrer berichteten immer wieder von technischen Problemen mit den Geräten in der Schule. Dies löste bei noch unerfahreneren Lehrern Berührungsängste mit den Computern und dem Internet aus. Dieses Problem resultiert daraus, dass es in Deutschland keine offiziell vorgesehene Stelle an einer Schule gibt, die für die technische Wartung der Geräte zuständig ist. An der Freiherr-vom-SteinSchule ist der Technische Spezialist daher mit seinen Schülern für die Wartungs- und Reparaturarbeiten allein verantwortlich, er muss aber "nebenbei" noch seinen Unterrichtsverpflichtungen nachkommen. Dies bedeutet überdurchschnittlich viel Aufwand durch Wartungsarbeiten und beinhaltet eine Überlastung für den Technischen Spezialisten. Zu Bedenken bleibt dabei auch, dass somit die Einführung und Aufrechterhaltung des Innovationsprozesses an der Schule im Computerbereich mit den Kompetenzen und der Bereitschaft eines persönlichen Engagements von einzelnen Schülern steht und fällt. Abhängig ist dies auch von der starken Persönlichkeit eines Lehrers, der seine AGs zu führen, zu leiten und zu motivieren versteht und darüber hinaus ebenfalls ein erhebliches persönliches Engagement in seine Tätigkeit einbringt. Im Bereich der Software ist die Schule als Microsoft Partnerschule mit der gängigen Text- und Datenverarbeitungssoftware ausgestattet. Darüber hinaus existieren an der Schule einige einfachere Grafikprogramme in Kunst, Programme zur Erstellung von Web-Sites und fachspezifische CDRoms in Kunst und Mathematik. Effectiveness Lernmotivation durch IKT im Unterricht In der Freiherr-vom-Stein-Schule wird der Computer von einigen Lehrern unabhängig vom Informatikunterricht in das normale Unterrichtsgeschehen einbezogen. Was die daraus resultierende Lernmotivation der Schüler betrifft, haben die Lehrer unterschiedlich positive und negative Erfahrungen gemacht. Teilweise sind die Lehrer überzeugt, dass der Einsatz von Computern im Unterricht bei den Schülern sofort Motivation hervorruft, teilweise wird jedoch auch die Erfahrung mitgeteilt, dass Schüler durch den Einsatz von PC und Internet nicht unbedingt besser zu motivieren sind. Zwar sind Spiele und Chatrooms durchaus attraktive Abwechslungen im Schulalltag. Die Bereitschaft, ernsthaft zu lernen wird aber durch IKT bei diesen Schülern nicht erhöht. „Das ist eigent17

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lich meine Haupterfahrung. Es ist nicht die Lösung, dass wir sagen, jetzt arbeiten die Kinder gerne weiter. Die sonst auch nicht arbeiten wollen, die arbeiten auch nicht am Computer, das ist eigentlich so die wichtigste Sache.“ (Lehrerin) Zwischen den Schülern bestehen auch gewaltige Unterschiede. Während die einen viel Freude am Arbeiten mit dem PC haben, ist er bei anderen ebenso wenig beliebt wie bei manchen Erwachsenen. Es ist im Prinzip so, es sind vielleicht andere Schüler, die vielleicht mal arbeiten, aber dann verliert man wieder andere. Also d.h. wenn ich eine Klasse von 30 Leuten habe, dann habe ich genau denselben Prozentsatz von Leuten, der in der Klasse nicht arbeiten will und der, der dort nicht arbeiten will. Es sind nicht immer dieselben, aber es ist nicht so, dass sie lieber am Computer arbeiten. (Lehrerin)

Bei den Stundenbeobachtungen zeigte sich die Schülergruppe recht diszipliniert. Meist beschäftigten sie sich in Partnerarbeit mit dem gestellten Thema. Wobei wir trotz unserer Anwesenheit (vier Beobachter) auch Schüler beobachten konnten, die nebenbei abweichend vom Thema im Internet surften und sich nicht der gestellten Aufgabe widmeten. Die befragten Schüler gaben bzgl. ihrer Lernmotivation durchwegs sehr positive Einschätzungen ab, wobei es sich bei allen Befragten um computerbegeisterte Schüler handelte. Sie nannten zum einen positiv, dass man am Computer bei Hausaufgaben weniger Überwindung braucht, um z.B. Referate zu verfassen, da man leichter etwas umstellen oder löschen kann. Zum anderen schätzten sie im Unterricht besonders, dass sie durch die Arbeit am PC selbst aktiv werden können und nicht „45 Minuten auf einem Stuhl zu sitzen und jemanden zuzuhören“ müssen. Das Lernen würde ihrer Ansicht nach dadurch attraktiver werden. Vor allem ist ihnen ein wichtiger Punkt, dass sie am PC selber ausprobieren und mehr zum Unterrichtsgeschehen beitragen können und es insgesamt lockerer zugeht. Eine Schülerin der Mittelstufe meint: „Wenn man dann sagt: „probiert mal aus, wie ihr das und das hinkriegen würdet, oder wie man das macht“, da ist es einem offen gestellt, und es wird nicht gesagt: „das machst Du so und so“, man kann lernen durch probieren.“ Besonders bei der eher kreativen Arbeit an dem so genannten X-Y-Tisch, bei dem die Schüler ihre eigenen Initialen durch den Computer aus Styropor ausschneiden lassen konnten, fanden wir bei unserem Unterrichtsbesuch eine sehr konzentrierte und engagierte Schülergruppe vor. Ein begünstigender Faktor war dabei sicher auch, dass in dieser Stunde jeder Schüler seinen eigenen PC zur Verfügung hatte und darüber hinaus die PCs keine abweichenden Funktionen boten (wie z.B. Internet), da es sich dabei um die alten Rechner handelte. Diese Eigenschaft, am Unterricht selbst aktiv werden zu können heben die Schüler jedoch auch positiv an anderen innovativen Unterrichtsformen hervor. So beschreiben die gleichen Schüler, dass

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ihnen Diskussionen Führen oder das Nachspielen von Buchliteratur in Deutsch bzw. einer Gerichtsverhandlung in Sozialkunde viel Spaß gemacht haben. Lerneffekte Die Schüler nennen als besonders positiven Effekt durch solche Lernformen, im Vergleich zu dem sonstigen Frontalunterricht, den größeren Lerneffekt: „Das ist meistens noch mal zur Verdeutlichung, dass man sich das besser einprägt.“ Eine Mittelstufenschülerin erzählt, dass sie sich an den Unterricht der letzten zwei Wochen eigentlich kaum erinnern kann, aber ein Projekttag hat sich ihr eingeprägt: dort haben sie, nachdem sie das Buch „Die Welle“ gelesen haben, dies einen ganzen Tag lang nachgespielt. Der Schulleiter greift als positive Lerneffekte im Zusammenhang mit dem Computer heraus, dass die Schüler meist zu zweit davor sitzen und so viel mehr in Partnerarbeit geschult werden und selbstverständlicher bereit sind, sich gegenseitig Hilfestellungen zu geben. Der Nutzen für die Schüler durch den selbstverständlichen Umgang mit IKT und Internet, den natürlichen Einbezug ins Unterrichtsgeschehen, die Grundlagenschulung am PC für die gesamte Mittelstufe bzw. das Angebot an diversen Wahlkursen in Informatik, ist von allen Lehrern unbestritten. Dies ist eine Vorbereitung für die Zukunft, ohne die man in keinem späteren Arbeitsbereich mehr auskommen kann. Lehrer, Schüler und Eltern sind sich einig, dass diese PC-Grundbildung von der Schule geleistet werden sollte. Bei den Mitgliedern der DFÜ-AG geht die Wirkung über eine Grundbildung noch hinaus und zwei der interviewten Schüler dieser AG berichten, dass sie bereits jetzt in ihrer Freizeit Webseiten erstellen bzw. kleinere Programme für eine Firma schreiben. Der Technische Spezialist erzählt mit einem gewissen Stolz und Freude über die Früchte seiner Arbeit, dass einige seiner ehemaligen Schüler heute im Informatikbereich arbeiten. Lernmotivation durch Kontakte mit der Außenwelt Durchwegs positiv äußern sich die Beteiligten über pädagogische Innovationen oder Projekte im Zusammenhang mit IKT, die einen Kontakt mit der Öffentlichkeit entstehen ließen. Insgesamt wertet der Schulleiter die Erfolge durch die Arbeit mit einer eigenen Homepage und anderem innovativem Umgang mit Neuen Medien auch für die gesamte Schule und deren Selbstverständnis als sehr positiv, denn, „obwohl sie hier wirklich auch in so einer Provinz liegt, (...), die Schule hat dadurch eigentlich das Gefühl entwickelt, sie kann etwas, und sie kann mit ihren Qualifikationen weiterarbeiten, sie braucht sich nicht verstecken.“ Ein sehr prägnantes Beispiel ist z.B. im Zusammenhang mit dem Tschechien-Projekt in Kunst zu nennen, deren Ergebnisse die Schüler beim Wettbewerb der Boschstiftung in Berlin vorstellten. 19

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Dort wurden von den meisten anderen Schulen Arbeiten über Beamer an die Wand projiziert. Die Schüler der Freiherr-vom-Stein-Schule führten im Gegensatz dazu eine Live-Performance auf, wobei sie verhüllt vor ihren Bildern agiert und getanzt haben. Die Kunstlehrer beschreiben, dass sie dafür von den Zuschauern (ca. 200 Teilnehmer) bejubelt wurden und eine sehr große, positive Resonanz bekamen. Der Kunstlehrer führt den Erfolg auch darauf zurück, dass der überwiegend medialen Aufbereitung eine sinnliche Live-Erfahrung gegenübergestellt wurde. Die Gruppe wurde anschließend als eine von zehn Wettbewerbern von 100 teilnehmenden Gruppen für ihr Projekt ausgezeichnet. Der Schulleiter hebt an dieser Erfahrung besonders die Wirkung der positiven Rückkoppelung auf die Motivation von Lehrern und Schülern hervor, wie auch die Kunstlehrer für sich bestätigen. Lehrmotivation Insgesamt lässt sich sagen, dass die Lehrer, die in hohem Maße pädagogische oder technische Innovationen initiieren, daraus für sich auch einen persönlichen Vorteil ziehen. Der Schulleiter beschreibt: „Bei den Innovationen ist es so, dass diejenigen die mitmachen, ein hohes Maß an Zufriedenheit haben, sich bestätigt fühlen, dass sie das Gefühl haben, sie entwickeln sich weiter. Das ist die Form von Zufriedenheit, die auch Stress vergessen lässt.“ Die Freude an der Arbeit und durch die Eingebundenheit bei den Innovationen bewegt die Lehrer auch dazu, sich über das normale Maß hinaus zu engagieren und Zeit zu investieren. Einer der Kunstlehrer sagt über den immensen zusätzlichen Arbeitsaufwand und die zeitliche Mehrbelastung, den sie durch die vielseitigen Projekte in ihrem Bereich haben: „viele Lehrer scheuen sich davor, das muss man ganz nüchtern sehen. Das machen wir auch nur, weil uns das Spaß macht.“ Und beide sind überzeugt: „das macht aber die Qualität von Unterricht letztlich aus, was sich natürlich dann auch in der Schülermotivation widerspiegelt.“ Einbezug der Eltern Der Einbezug der Eltern in das Schulgeschehen ist in der Freiherr-vom-Stein-Schule weitgehend noch nicht gelungen. Nach Aussagen der befragten Eltern und des Schulleiters halten sich die meisten Eltern zurück mit ihrem Engagement. Sie erwarten von der Schule bestimmte Serviceleistungen, aber die Bereitschaft ist eher gering, sich personell oder finanziell einzubringen. Vorteile und Nutzen der Innovationen Da die Freiherr-vom-Stein-Schule auf dem Land gelegen ist, bedeutet die Bereitstellung des Internet für Lehrer und Schüler immense Vorteile. Die Schule und der Ort verfügen über keine Bibliothek und die nächstgelegene ist für die Schüler erst über eine weite Strecke mit dem Bus zu errei20

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chen. Durch das Internet wird ein Zugriff auf Informationen erleichtert und die Lehrer bemerken einstimmig einen Wandel bei der Bereitschaft der Schüler, sich für Recherchen bereit zu erklären. Wenn es darum geht, Informationsmaterial zu besorgen oder Referate und Arbeitsblätter auszuarbeiten, wurden Schüler wesentlich selbstständiger und souveräner. Die Schüler selbst loben am Internet die größere Auswahl an Quellen und die schnellere und einfachere Zugriffsmöglichkeit. Darüber hinaus wird die Verwaltung der ermittelten Daten vereinfacht, da sie ohnehin schon im Computer gespeichert sind und nur noch ausgedruckt oder überarbeitet werden müssen. Die Form der stupiden Handarbeit, sowohl beim Schreiben, als auch beim Rechnen, kann zu Gunsten von eigenen Verständnisleistungen vernachlässigt werden. So erstellte Materialien sind in ihrer äußeren Form sowohl für Lehrer als auch für Schüler angenehmer. Für Mathematik wird als weiterer Vorteil genannt, dass mithilfe der entsprechenden Software mathematische Sachverhalte besser veranschaulicht werden können. So können Defizite durch Übungsprogramme von Schülern selbstständig kompensiert und neue Lernkanäle eröffnet werden, indem unterschiedliche Lerntypen durch die Visualisierung angesprochen werden. Schüler wie Lehrer loben außerdem die Aktualität der Informationen aus dem Internet und dass man nicht mehr nur auf veraltete Schulbücher angewiesen ist. Eine Lehrerin betont als weiteren Vorteil die Möglichkeit, durch verschiedene Schwierigkeitsgrade bei Lernprogrammen, auf unterschiedliche Schülervoraussetzungen und -leistungen differenziert eingehen zu könne. Probleme und Nachteile der Innovationen Raum und Zeit Als Nachteil von IKT wird betrachtet, dass dafür extra Räume eingerichtet werden müssen und diese gesonderten Computerfachräume Platz brauchen, der an anderen Stellen gekürzt werden muss. Ein Problem ist auch immer wieder, dass das Arbeiten mit dem PC gewisse Fähigkeiten erfordert, denn andernfalls kann man sehr viel Zeit damit verbringen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Ein Schüler meint: „Man braucht viel Zeit und man muss es alles bedienen können, sonst bringt es alles nichts.“ Speziell beim Einsatz von IKT im Unterricht stellt sich immer wieder das Problem der Klassengrößen. Die Frage ist, ob Schule hier nicht langfristig gesehen umdenken muss. Die Computerräume sind nicht auf eine traditionelle Klassengröße von 25 – 33 Schülern ausgelegt, weil vielfach eine ausreichende Anzahl an Geräten fehlt (siehe 4.2.1). Mehr als ein bis zwei Schüler vor einem PC ermöglicht jedoch kein sinnvolles Lernen mehr. Bisher wird dieses Problem so gelöst, dass die entsprechenden Stunden in Randstunden verlegt und die Klassen dafür geteilt werden. Auch für die 21

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Nutzung des Computerraums in einer normalen Unterrichtsstunde muss danach verfahren werden. Daraus ergibt sich, dass einige Lehrer von diesen Umständen so abgeschreckt sind, dass sie lieber auf traditionelle Lernformen zurückgreifen. Nach Ansicht des Schulleiters bringen die Neuen Medien eine Eigendynamik in das Feld hinein, die neue Lernstrukturen erfordert: Die Form der Neuen Medien verlangt kleinere Gruppen, die Möglichkeit, dass Lehrer beratend, moderierend sind. (...) Wir suchen uns Möglichkeiten, diese Lernmöglichkeiten durchzuführen, aber auf einem Hintergrund von Zeit und Raum - das ist ein großer Innovationsfeind.

Kommunikation Schüler und Lehrer nannten gleichermaßen als Gefahr von Computer und Internet im Unterricht, dass die Kommunikation der Schüler untereinander geringer werden könnte. Unseren eigenen Beobachtungen zufolge ließ sich feststellen, dass ein Unterrichtsgespräch in der Gruppe nicht vorkam, sondern nach einer direktiven Einleitung des Lehrers jeder Schüler meist in Einzel- oder Partnerarbeit in seine eigenen Aufgaben vertieft war. Ein Lehrer befürchtete eine Gefahr für den Gruppenprozess, wenn sich z.B. ein Schüler aus dem Klassengefüge ausschließt, um „schnell mal“ im Nebenraum etwas im Internet zu recherchieren. Veränderte Lehrerrollen Es lassen sich zwei Linien von veränderten Rollen unterscheiden: zum einen eine Nivellierung der traditionellen Rollenverhältnisse im Bereich der DFÜ-AG und zum anderen eine Veränderung der Rollengewichtung durch steigende Qualifikationen der Schüler am PC. Im Rahmen der DFÜ-AG heben sich die alten Lehrer-Schüler-Grenzen auf, was der Technische Spezialist sehr positiv beurteilt. Anderen Lehrern macht dieser Kompetenzverlust in der veränderten Lehrerrolle jedoch auch Angst, denn sobald ein Lehrer IKT im Unterricht einsetzt, wird es immer Schüler in seiner Klasse geben, die ihm an Fähigkeiten überlegen sind. Ein Schüler der Oberstufe bestätigt, dass manchmal die Lehrer von einigen Schülern mehr lernen können, als umgekehrt und deswegen andere Schüler nun zu den entsprechenden Schülern gehen, anstatt zu dem Lehrer. Die Mitbestimmung durch den Schüler wird somit im Verhältnis größer und das frühere Hierarchieverhältnis, dass der Lehrer derjenige mit mehr Wissen ist und somit auch seine Macht legitimiert, nimmt ab. Eine Lehrerin beschreibt diese Angst bei Kollegen: Wobei es natürlich einfach so ist, dass bei vielen Leuten einfach die Angst davor da ist und die sagen: "ach, ich will das nicht". Die auch Angst haben vor dieser neuen Lehrerrolle: „ich bin jetzt nicht mehr derjenige, der so alles im Griff hat“. Da gibt´s schon welche, die das eben nicht so sehr gerne sehen.

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Wenn die Schüler im technischen Bereich dem Lehrer jedoch teilweise überlegen sind, so kommt diesem doch verstärkt die Aufgabe zu, den medienkritischen Umgang zu lehren: Auch in der Mittelstufe, glaube ich, dass die kritische Reflexion von solchen Materialien weiterhin einer gewissen Lehrer-/ Schülerrolle beibehalten ist. Im technischen Bereich sind die Schüler teilweise weiter, da bringen sie auch Sachen ein. Das verändert die Lehrerrolle in Form von Verunsicherung oder von Ergänzung. Das läuft bei jedem verschieden ab. Aber das grundsätzliche System wird sich nicht verändern, denn den kritischen Umgang mit solchen Dingen werden Schüler lernen müssen.

Reflexionsfähigkeit Eine Schwierigkeit bei den Schülern war teilweise, die Flut an Informationen, die sich im Internet findet, sinnvoll zu selektieren, zu differenzieren und auf ihren Gehalt hin kritisch zu reflektieren und zu bewerten. Im Internet befinden sich extrempolitische Meinungen scheinbar gleichwertig neben wissenschaftlichen, wie ein Beispiel aus der Kunst zum Thema „Guernica“ zeigte. Hier sind die Schüler oftmals hilflos und überfordert. Es ist dann die vorrangige Aufgabe eines Pädagogen, nicht nur Fakten zu vermitteln, sondern mit diesen umzugehen. Die Schüler neigen dazu, alles was im Internet steht, erst einmal für glaubwürdig und gut zu halten und es ist wichtig, den kritischen Umgang mit diesen Quellen einzuüben. Doch der sinnvolle Umgang mit dem Internet ist auch vom Lehrer abhängig und sollte nicht zum Ersatz für eine pädagogisch überlegte und durchdachte Unterrichtsgestaltung werden, wie ein Lehrer deutlich sagt: Die zweite Feststellung ist, dass, bis man mit dem Internet umgehen kann, ein Prozess stattfinden muss, ein Lernprozess, wie kann ich Internet sinnvoll nutzen! Ich sage jetzt mal skeptisch, 80 Prozent der Kollegen, die das Internet benutzen, machen das, weil sie Unterricht nicht vorbereitet haben. Eine ganz harte These, aber ich merke das immer deutlicher, nach dem Motto: „du gehst heute mal mit denen da rein, sagst ihnen ein Stichwort nach dem sie recherchieren sollen, die sind beschäftigt“. Die machen das gerne, es ist noch nicht so gewohnt, (...), und man ist aus dem Schneider. Da geht die Sucherei los und etwas Ungeplantes los, und in der Richtung habe ich manchmal richtig Wut, weil die Schüler einen falschen Eindruck vom Internet bekommen. Die Kollegen, die es nutzen um ihre Faulheit zu übertünchen, also denen stehe ich sehr skeptisch gegenüber, da bringe ich auch entsprechende Bemerkungen.

Übernahme von Vorgefertigtem Besonders im Fach Kunst ergeben sich Konflikte zwischen individuellem Gestaltungsanspruch und vorfertigten Möglichkeiten des Computers. Während die Schüler mit Vorliebe auf die schnelleren und einfacheren Angebotes des Rechners zurückgreifen wollen, propagieren die Kunstlehrer eine gezielte Planung des Vorhabens und einen Nutzen des Computers als Instrument auf diesem Weg 23

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dorthin: „Wenn wir etwas gestalten wollen, dann wollen wir das so gestalten, wie es sein soll und nicht so, wie es der Computer kann.“ Sie sehen die Gefahr, dass Schüler sich zu sehr auf die fertigen Programme und nicht auf ihre eigenen originellen Ideen verlassen. Der Rückgriff auf vorgefertigte Dinge, ohne Eigenleistung, ist ein Problem jeden Faches. Eine Englischlehrerin erläutert dazu, dass Schüler nicht mehr sorgfältig genug arbeiten, d.h. sie kopieren etwas aus dem Internet und verlassen sich darauf, dass sie es irgendwo haben, aber es vertieft sich nicht mehr automatisch, weil sie es manchmal nicht einmal mehr richtig durchlesen. Missbräuchlicher Umgang Hier schließt sich eine Form des Missbrauchs an, die als Problem im Zusammenhang mit IKT zu sehen ist: Lehrer können bei Hausaufgaben, Referaten und auch bei der Jahresarbeit in der gymnasialen Oberstufe immer weniger unterscheiden, was vom Schüler selbst erarbeitet wurde, und was sie einfach aus dem Internet abgeschrieben oder herauskopiert haben. Eine Schülerin nennt im Interview schmunzelnd als Vorteil des Computers: „Und man kann schön schleimen mit fertigen Referaten aus dem Internet.“ Damit ist die Gefahr verbunden, dass das Lernen der Schüler oberflächlicher wird. Eine wirkungsvolle Kontrolle ist, eine mündliche Prüfung zu Hausarbeiten durchzuführen. Doch nicht alle Lehrer wissen um die Möglichkeiten, die das Internet bietet und andere fühlen sich demgegenüber machtlos. Eine Lehrerin kommentiert: Wir geben ihnen Jahresarbeiten und der Lehrer braucht mehr Zeit um sie durchzugucken, als mancher Schüler, um sie zu schreiben. Und das ist natürlich dann sehr fragwürdig. Und ich denke mal, da müssen wir auch die Lehrer vielleicht ein bisschen mehr darauf ansetzen. (...) Viele Lehrer müssen einfach noch ein bisschen mehr geschult werden, was überhaupt heute schon möglich ist. Manche Schüler, wie gesagt manche, sind da schon sehr viel weiter.

Darüber hinaus werden an der Freiherr-vom-Stein-Schule wenig Formen des Missbrauchs mit den Computern festgestellt. Obwohl der PC von den Schülern den ganzen Tag über ohne Aufsicht genutzt werden kann, sind zerstörerische Elemente gering, sowohl was die Hardware, als auch die Software betrifft. Die verantwortlichen Lehrer sind überzeugt davon, dass dies daran liegt, dass den Schülern bzgl. des selbstständigen Umgangs mit den Computern viel Vertrauen entgegengebracht wird. Im Wesentlichen sind auch keine Internetseiten gesperrt, bis auf einige rechtsextremistische, zu denen die Schüler keinen Zugang haben. Außerdem wissen sie, dass alles in Eigenleistung von anderen Schülern erstellt wird und sie sich somit selbst schaden, wenn etwas verschwindet oder kaputt gemacht wird. Die darüber hinausgehende Verwendung der Seiten wird nur stichprobenhaft kontrolliert, indem der Technische Berater im Rechner im DFÜ-Raum nachlesen kann, welche Seiten aufgerufen werden. 24

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Wenn er dort unerwünscht Seiten liest, geht er in den Computerraum und macht demonstrativ klar, dass dies nicht erwünscht ist. Diese stichprobenhaften Aktionen genügen in ihrer abschreckenden Wirkung. Der PC-Schein, den die Schüler seit diesem Jahr haben müssen für einen Zugang zum PC-Raum, enthält einen formalen Hinweis, dass die Schüler nicht berechtigt sind, bestimmte Seiten im Internet aufzurufen. Der Computerraum ist durch Fenster von außen einsichtig und die Bildschirme sind von dort einsehbar, da sie an der Wand entlang aufgereiht sind. Gelegentlich kommt dann ein Lehrer zur Kontrolle vorbei. Eine eingebaute Kontrolle im Computer ist die CD-WächterKarte, die das Gerät vor Eingriffen schützt, indem der Benutzer den PC beliebig manipulieren kann und nach dem Ausschalten der Ursprungszustand aber wieder hergestellt wird. Insgesamt sagt eine Lehrerin jedoch: Was die Schüler in der Regel interessiert, wenn man das als Missbrauch sieht, das sind halt irgend so niveaulose Chat-Seiten, oder irgend so was, aber ich meine, das kann man im Grunde genommen auch nicht als Problem ansehen. Also eigentlich denke ich, haben wir die Schüler weniger als Gegner und wir versuchen schon mit ihnen an einem Strang zu ziehen, ich glaube, das liegt einfach daran, dass sie im Grunde genommen ja alles nutzen können. Sie haben ja nichts verboten. Also wenn sie die Computer anstellen, dann haben die im Grunde genommen völlig freie Hand.

Academic Rigour Welchen Einfluss IKT auf das Leistungsniveau der Schüler allgemein genommen hat, ist nicht eindeutig zu sagen. Die Neuerungen sind noch nicht schulweit implementiert, sondern betreffen lediglich bestimmte Schülerkreise (AGs, Wahlfächer, Mittelstufengrundbildung oder Projekte vor allem im gymnasialen Oberstufenbereich). Über den Einsatz der Neuen Medien im normalen Fachunterricht und deren Auswirkungen wurden bislang keine konkreten Evaluationen angestellt, wobei dies vom Schulleiter sehr begrüßt würde. Eine konkrete Verbesserung wird vom Schulleiter dadurch vermutet, dass Schüler mit Leistungsschwächen in bestimmten Bereichen, dies gezielt und selbstständig am Computer trainieren können, z.B. durch Lernprogramme im Bereich Grammatik und Rechtschreibung in Deutsch oder einer Fremdsprache und für Mathematik. Solche Lernprogramme stehen teilweise auf den Rechnern in der Schule zur Verfügung, oder werden den Schülern empfohlen, sich für zu Hause zuzulegen. Ein Mathematiklehrer ist der Meinung, dass der Einsatz von PCs im Unterricht anspruchsvollere Aufgabestellungen ermöglichen würde, weil marginale Tätigkeiten verstärkt wegfallen würden. Weitere zeitliche, personelle und finanzielle Investitionen müssten getätigt werden, um die Innovationen schulweit im Unterrichtsgeschehen und in den Lehrplänen zu verankern. Bisher scheint es, 25

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dass die Innovationen eher eine zusätzliche Qualität in Form einer weiteren Dimension ins Schulgeschehen einbringen würden, nämlich eine Veranschaulichung von Sachverhalten, neue Lernformen oder Erfahrungen durch die Kontakte nach außen. Einen Leistungsvorteil kann man bei den Russland-Aussiedlerschülern bei der Arbeit mit dem PC feststellen. Eine Lehrerin berichtet, dass diese durch ihre mangelnden Deutschkenntnisse in anderen Fächern vielfach Probleme haben. Die Computerarbeit bietet ihnen jedoch die Chance, das Gleiche zu leisten, wie die anderen Schüler auch, da die Sprachbarriere hier nicht mehr so ins Gewicht fällt. Auch für die Körperbehinderten an der Schule eröffnet der Computer ganz neue Chancen. Equity Eine Besonderheit an der Freiherr-vom-Stein-Schule ist, dass die Schüler in den täglichen Öffnungszeiten des Computerraumes von 8.00 – 16.00 Uhr diesen völlig unabhängig und selbstständig nutzen können, was die Schüler im Interview positiv erwähnen. In anderen benachbarten Schulen scheint es üblich zu sein, diesen Zugang weitaus mehr zu reglementieren und einzuschränken. Durch die durchgehenden Öffnungszeiten haben alle Schüler gleichermaßen die Möglichkeit ihre Aufgaben am Computer zu machen, Lernprogramme zu nutzen oder vom Internet Gebrauch zu machen. Dies ist jedoch offensichtlich noch nicht der Fall, denn ansonsten würde der Computerraum mit seinen neun Computerplätzen nicht für eine Schülerzahl von knapp 1200 Schülern ausreichen. Die Lehrer schätzen, dass in der gymnasialen Oberstufe fast jeder Schüler einen eigenen PC oder zumindest einen Zugang über die Eltern daheim hat. In den unteren Klassen wird diese Zahl auf lediglich die Hälfte der Schüler geschätzt und im Hauptschulbereich sogar noch niedriger. Der Schulleiter meint: Es nimmt enorm ab, wenn ich jetzt runter gehe auf den Real-/ Hauptschulzweig, ich denke, da fehlen die finanziellen Ressourcen zu Hause, da haben weniger Leute einen Computer, das ist schon eine Form von Zweiklassensystemen, die da entstehen, es gibt eine immer größere Kluft dazwischen.

Der Schulleiter meint zwar schon, dass diejenigen, die einen Computer zu Hause haben, bevorzugt sind, ist aber überzeugt, dass dies nicht gleichzeitig zu schlechteren Leistungen dieser Schüler führen muss, denn „die beste Ausrüstung nutzt nichts, wenn derjenige der sich daran setzt, mit minimalen Aufwand wegkommen will.“ Er sieht die Möglichkeiten der Schule eingeschränkt, diese Unterschiede allein durch das Vorhandensein eines PC-Raumes in der Schule auszugleichen, denn im Augenblick sei der Computerraum in den Freistunden oft zu voll und viele wollten dann auch nicht länger in der Schule bleiben. Eine angestrebte Möglichkeit dem entgegenzuwirken ist, sich in Zukunft auf diese Gruppe zu konzentrie26

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ren, die finanziell benachteiligt sind und keinen Computer haben. Sein Ziel ist es, durch gezielte Fördermaßnahmen speziell diesen Schülern Unterstützung zu bieten. Eine Grundbildung am PC ist allen Schülern in der Mittelstufe möglich. Diese findet jedoch, wie auch alle weiterführenden Informatikkurse, auf freiwilliger Basis statt. Die Kurse haben auch eine begrenzte Anzahl an Plätzen. Es wird jedoch darauf geachtet, die Schüler, die noch wenig Wissen am Computer haben, in die Kurse hineinzunehmen und die anderen mit Vorkenntnissen auf später zu vertrösten. So können vorhandene Unterschiede nach und nach ausgeglichen werden. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass immer nur die besseren Schüler mit dem Computer vertrauter sind. Ein Lehrer hat die Erfahrung gemacht, dass sich teilweise auch die im Informatikbereich besonders hineinknien, die sonst nicht als so gut auffallen, weil PC teilweise ihr großes Hobby ist. Was die Gruppe der Hauptschüler betrifft, hat eine Lehrerin beobachtet, dass „Hauptschüler zwar schon Computer nutzen wollen, aber dass sie ihn ganz anders nutzen, als sie es hier können und deswegen sieht man sie nicht.“ Sie interessieren sich mehr für Spiele und entsprechende Chat- oder Internetseiten und sind mit einem sinnvollen Umgang mit IKT weniger vertraut. Sie berichtet: Also mit einem habe ich mal gesprochen, der konnte nicht damit umgehen. Mit dem bin ich dann mal rübergegangen, d.h., die haben also auch nicht immer das Vorwissen. Sie haben auch nicht immer zu Hause einen Computer, d.h. sie vertuschen auch hinter ihrem ganzen Gehabe manchmal die Tatsache, dass sie´s nicht können. D.h., da muss man dann auch ganz feinfühlig mal versuchen, durchzugehen, wie das Ganze funktioniert.

Eine weitere Gruppe, der in Zukunft evtl. eine gesonderte Förderung zukommen soll, sind die Mädchen. Von der Mehrheit der Befragten wurden hier Unterschiede festgestellt, nämlich in der Form, dass Mädchen generell weniger Erfahrung mit dem Computer mitbringen, als Jungen. Unter den so genannten Computer-Freaks konnte man bisher auch keine Mädchen finden, entsprechend waren in der Oberstufen-DFÜ-AG bisher keine. Hier fand jedoch inzwischen eine Verschiebung statt, denn in der Mittelstufen-AG sind augenblicklich sogar mehr Mädchen als Jungen. Im Informatikkurs ist die Verschiebung immer noch zu Gunsten der Jungen. Jungen und Mädchen nutzen den Computer offenbar auch zu unterschiedlichen Zwecken, während beide Gruppen im Bereich Textverarbeitung gleich gut sind, scheinen sich Mädchen darüber hinaus mehr für die Gestaltung von Inhalten zu interessieren und Jungen eher mit dem System und der Technik zu beschäftigen. Von einigen Lehrern wurde dabei beobachtet, dass Jungen insgesamt eher dominant agieren, sehr selbstbewusst und manchmal auch überheblich herangehen, was die Mädchen eher einschüchtert, da sie selbst viel bescheidener mit ihrem Wissen umgehen, auch wenn es kaum schlechter ist, als das der Jungen. Deshalb bestehen Überlegungen, für beide Geschlechter getrennte Informatikkurse anzubieten und eine Lehrerin hat damit bereits gute Erfahrungen gemacht. 27

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Fallbeispiel Freiherr-vom-Stein-Schule Hess. Lichtenau

Projections Sustainability and Scalability Vonseiten der Bundesbildungsministerin in Deutschland kommt die Forderung, dass jeder Schüler in Deutschland bis 2006 sein eigenes Notebook haben sollte. Um so ein Unterfangen durchzusetzen, bräuchte es abgesehen von dem kaum zu bewerkstelligenden finanziellen Aufwand neue pädagogische Konzepte, eine zeitgleiche Einrichtung von umfangreichen Lehrerfortbildungsmaßnahmen und einen professionellen schulischen Wartungsbetrieb. Dies sind die Hauptpunkte, die auch bei der Weiterführung der Innovationen in der Freiherr-vomStein-Schule eine entscheidende Rolle spielen werden. Denn sinnvoll eingesetzt wird IKT nur dort, wo Lehrer kompetent damit umgehen können, ausreichende technische Möglichkeiten gegeben sind, sie sich keine Sorgen um die technischen Details machen müssen und überdachte didaktische und methodische Konzepte vorhanden sind. Was die technische Betreuung betrifft, ist der aktuelle Technische Spezialist selbst der Überzeugung, dass die Wartungsarbeiten in der Hand von Spezialisten und nicht von Lehrern liegen sollten und würde sich hier eine entscheidende Unterstützung wünschen: Das ist eigentlich ein Bereich, der Pädagogen gar nicht zustehen sollte, das sollten wirklich Fachleute machen, die das gelernt haben. Und die Anleitung muss funktionieren, ohne dass ein Pädagoge einen Handschlag macht, meine ich, dass ist eigentlich nicht meine Hauptaufgabe, dass ich administrativ tätig bin. Aber ich glaube, dass ist ein Wunschtraum.

Mehrere Lehrer weisen darauf hin, dass es besonders wichtig ist, in Zukunft eine Medienkompetenz bei den Schülern anzustreben, die über die technische Anwendung hinausgeht und vor allem die kritische Reflexionsfähigkeit fördert. Dies muss gezielt geschult werden. Wichtig bleibt auch für die Zukunft, dass IKT keinen Selbstzweck darstellen und man sie nur um ihrer selbst willen einsetzt, oder weil gerade eine bestimmte Software vorhanden ist, sondern dass kritisch überlegt wird, in welchem Umfeld sie Sinn machen. Der Schulleiter hält es für wichtig, mit der Fortschreibung des Schulprogramms weiterzumachen und zu überlegen, welche Wirkung von Neuen Medien ausgehen und welche davon erwünscht sind und welche in Frage gestellt werden müssen. Sein Ziel ist regelmäßig eine Evaluation der Innovationen durchzuführen. Dies ist bereits einmal extern durch das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt geschehen und soll mit denselben Instrumenten in ein/ zwei Jahren erneut aufgegriffen werden, um unerwünschte Entwicklungen korrigieren zu können 28

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Fallbeispiel Freiherr-vom-Stein-Schule Hess. Lichtenau

und Schwerpunkte zu bilden. Die Steuerungsgruppe ist ein solcher Motor, der diese Aufgaben weiterhin übernimmt. Der Schulleiter nimmt sich selbst in seiner Rolle etwas zurück, wird aber von vielen Lehrern als wichtige Figur gesehen bei der weiteren Aufrechterhaltung von Innovationen, indem er Lehrer ermutigt und auch finanziell unterstützt und zeitliche Freiräume ermöglicht. Im Einzelnen sind es aber die jeweiligen Lehrer, die ihre eigenen Ideen verfolgen, verwirklichen und sich engagiert in ihr Schulfeld einbringen. Weitere Entwicklungen in der Zukunft hängen auch entscheidend von den finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen ab, die zur Verfügung stehen. Ein Ziel für die nächste Zeit, ungeachtet der tatsächlichen Möglichkeiten, ist für den Schulleiter, die Schaffung von Computer-Stützpunkten in Inselform mit Schwerpunkten verschiedener Fachgebiete, wie z.B. Kunst, Biologie und Umwelt. Auch die Ausstattung mit neuer Lernsoftware wäre für ihn wünschenswert. Die Lehrer/innen, die bisher mit Neuen Medien gearbeitet haben, haben viele Ideen für weitere Projekte, sodass die Innovationen sicher weitergeführt werden, sofern die Ressourcen es zulassen.

Conclusion to the Hypotheses 1.

Hypothesis: Technology is a strong catalyst for educational innovation and improvement, especially when the World Wide Web is involved. The rival hypothesis is that where true school-wide improvement is found, technology served only as an additional resource and not as a catalyst, that the forces that drove the improvements also drove the application of technology to specific educational problems.

Bei der Freiherr-vom-Stein-Schule ist festzustellen, dass die starken innovativen Elemente nicht im Bereich von IKT zu finden sind, sondern eher von den pädagogischen Neuerungen ausgehen. Neue Medien werden vorrangig als Instrument zur Informationsrecherche, als mediale Veranschaulichung von Unterrichtsthemen, zum Erlernen von Informatikinhalten und zur Ausgestaltung von Texten genutzt. Damit haben sie stärker den Charakter von Instrumenten und dienen dem innovativen Potenzial an der Schule zur weiterführenden Ausgestaltung ihrer Ideen. Man kann davon ausgehen, dass der innovative Einsatz Neuer Medien mit steigenden technischen Möglichkeiten und personellen Fähigkeiten noch zunehmen wird. Das innovative Grundpotenzial der Freiherr-vom-SteinSchule scheint vor allem vonseiten der Pädagogik bzw. von den Kontakten mit der Außenwelt zu kommen. IKT wird bisher eher von diesen als Erweiterung ihrer Zwecke vereinnahmt, d.h. Innovationen müssen nicht zwingend mit Neuen Medien zusammenhängen. Dennoch etablieren sich die IKT an der Schule zunehmend als eigener Zweig der Innovationen.

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2.

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Hypothesis: The diffusion of the innovation/improvement (and therefore of ICT) followed the traditional diffusion pattern for innovations, as outlined by ROGERS (1995). The rival hypothesis is that technology functions differently from traditional innovations and that therefore different patterns occur.

Die Diffusionstheorie geht davon aus, dass Innovationen sich innerhalb einer Organisation erst allmählich ausbreiten. Eine neue Idee oder Technologie muss zunächst Mitgliedern einer Organisation mitgeteilt werden über verschiedene Informationskanäle. Dies benötigt Zeit. Die Innovation wird vor allem durch eine einzelne Person angeregt, die massiv die Innovationen unterstützt und mit dafür verantwortlich ist, dass sie sich allmählich verbreitet. Hier kann ganz eindeutig gesagt werden, dass sich die Einführung Neuer Medien in der Freiherrvom-Stein-Schule im Sinne der Diffusionstheorie verbreitet hat. Ausgelöst durch den Schulleiter und den Technischen Spezialisten wurden in den letzten drei bis vier Jahren zunehmend IKT in der Schule verankert. Durch das Engagement des Technischen Spezialisten und seiner Schüler fanden IKT immer mehr Anwendung in der Schule und wurden kommuniziert. Die schulinternen Fortbildungen unterstützen diesen Prozess sehr und tragen zur weiteren Verbreitung bei. 3.

Hypothesis: Successful implementation of ICT depends mostly upon staff competence in the integration of ICT into instruction and learning. This hypothesis assumes that teachers mediate ICT applications when they are successful, and that ICT`s academic value relates positively to teacher competence. The rival hypothesis is that the school technological infrastructure and student ICT competence rather than staff competence determine ICT implementation outcomes.

Bei der Freiherr-vom-Stein-Schule hing die Einführung von IKT sehr stark von dem Engagement des Schulleiters, des Technischen Spezialisten, von Lehrern und von Schülern ab. Weitere Faktoren sind die Fortbildung der Lehrer und die technische Infrastruktur. Besonders zu beobachten war das Engagement des Schulleiters, der sich für die Umschichtung der Kosten zur Finanzierung des Internetzugangs, für die zeitliche Freistellung von Lehrern für ihre Tätigkeiten im Bereich IKT oder für innovative Projekte und stark für die persönliche Unterstützung und Ermutigung von Lehrern einsetzte. Interne Lehrerfortbildungen führten dazu, dass sich das persönliche Interesse von einzelnen Lehrern auch auf andere Lehrer ausbreiten konnte und die entsprechenden Fähigkeiten dafür weitergegeben wurden. Die technische Infrastruktur ist ein weiterer wichtiger Faktor, der auf den Kompetenzen und der Einsatzbereitschaft einzelner Schüler aufbaut, ohne die die gesamten Neuerungen nicht möglich wären. Das Erreichen eines kritischen Schwellenwertes der Infrastruktur ist insofern von Bedeutung, da Lehrer und Schüler motivierter mit Neuen Medien arbeiten, wenn die Ausstattung modern, funktionstüchtig und ausreichend ist. 30

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Fallbeispiel Freiherr-vom-Stein-Schule Hess. Lichtenau

Ferner hängt die Implementierung gleichermaßen von den Kompetenzen der Lehrer und den Schülerfähigkeiten im Wartungsbereich ab. Insgesamt kann gesagt werden, dass die erfolgreiche Einführung von IKT an der Freiherr-vomStein Schule von der Unterstützung des Schulleiters, den Kompetenzen des Technischen Spezialisten und seinen Schülern, sowie drei bis vier weiteren Lehrern abhing. Sie fand jedoch nicht über die Kompetenzen der Lehrer statt. Diese erhielten erst im Innovationsprozess zunehmend Fähigkeiten, IKT auch im Unterricht zu nutzen. Eine erfolgreiche Einführung von IKT scheint zunächst unabhängig von den Fähigkeiten der Lehrer zu sein. Diese wächst erst mit der Ausweitung der Infrastruktur. Wobei die Infrastruktur alleine keine erfolgreiche Implementierung von IKT herbeiführen kann. 4.

Hypothesis: Gaps in academic performance between high and low poverty students will not increase when all students have equal access to ICT. The rival hypothesis is that equal access to ICT will lead to more advantaged students increasing the performance gap with disadvantaged (high poverty) students.

Es scheint, dass durch den offenen und gleichberechtigten Zugang zu IKT an der Schule die Unterschiede zwischen armen und reichen Schülern nicht abnehmen. Vielmehr werden sie größer, da die Kinder von wohlhabenderen Eltern auch zu Hause einen Computer haben können, was bei den Schülern aus benachteiligten Familien nicht der Fall ist. Dadurch können die einen zu Hause üben, während die anderen diese Möglichkeit nicht haben. Auch die gleichen Zugangschancen an der Schule reduzieren diesen Abstand von sich aus nicht, da der Computerraum bisher in den Freistunden sehr überfüllt ist und viele Schüler nach Schulschluss keine Lust haben, länger zu bleiben. Das Problem der Selbstselektion bedeutet auch häufig, dass die, die sich für Computer interessieren, auch in der Schule eher diejenigen sind, die den Computer nutzen. Dabei erwerben sie Kompetenzen hinzu, die andere Schüler allein durch das schulinterne Angebot nicht unbedingt erlangen, da sie weniger darauf zugreifen. Ohne ein spezielles Förderprogramm für die Schwächeren wird hier angenommen, dass sich die Abstände zwischen armen und reichen Schülern eher vergrößern, statt minimieren: Meine Erfahrung ist, dass leider bessere Schüler einen besseren Umgang mit Computern gepflegt haben als schlechtere Schüler, das ist nicht generell, sondern als Tendenz gesehen. Es gibt natürlich auch Schüler, die sich gern damit beschäftigen, wie sie eine Chance sehen, sich dort zu profilieren, wenn sie andere Möglichkeiten nicht haben. (Technischer Spezialist) 5.

Hypothesis: Successful implementation of ICT will lead to the same or higher academic standards in spite of the low quality of many ICT materials. Academic standards are a function of teacher and school expectations and not of the standards of textbooks, ICT materials and the like. The alternative hypothesis is that

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ICT use will lead to a lowering of academic standards as students spend more time on marginally beneficial searches and in browsing poor quality Web and courseware content.

Die Qualität des Lernens von Schülern durch IKT muss sehr unterschiedlich beurteilt werden. Die Erfahrungen einiger Lehrer zeigen, dass die Verwendung von IKT im Unterricht nicht automatisch zu besseren schulischen Leistungen führt. Die Motivation für das Lernen, die einen wichtigen Beitrag zur Lernleistung bietet, wird durch IKT nicht zwangsläufig erhöht. Wenn Neue Medien außerdem nicht didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, können sie auch eine „Lückenbüßerfunktion“ einnehmen, die negativ zu beurteilen wäre. Die Vorteile, die sich aus dem leichteren Zugang zu Informationen ergeben, müssen nicht zu guten Lernleistungen führen, denn nicht jede Information ist qualitativ hochwertig. Häufig bearbeiten die Schüler ihre Informationen, die sie aus dem Internet heraussuchen auch nicht mehr so intensiv, wie sie das ohne Medien tun müssten. Sie übernehmen die Inhalte nur ohne sie zu überdenken. Das führt zu qualitativen Einbußen im Lernprozess. Das Lernen steht so in Gefahr oberflächlich zu werden, da Vorgefertigtes einfach ohne Überprüfung übernommen wird.

Projection to the future and extension to other schools Die Übertragbarkeit der Innovationen auf andere Schulen ist durchaus möglich, wenngleich sie sehr von dem persönlichem Engagement des Technischen Spezialisten, des Schulleiters, einzelner engagierter Lehrer und der Schüler abhängen. Weiterhin ist gerade die schulinterne Fortbildung in Kleingruppen, wie sie die Schule betreibt, ein wesentliches Moment der Verbreitung der Innovationen, da sie Hemmungen nimmt und mit vertrauten Personen geschieht. Dies ist auf andere Schulen übertragbar und scheint eine gute Möglichkeit der Ausbreitung von Innovationen in einer Organisation zu sein. Für andere Schulen ist auch zu überlegen, ob sie nicht genauso versuchen können, eine auf Vertrauen basierende Zusammenarbeiten mit Schülern zu übernehmen. Dies würde wesentliche Ressourcen erschließen, die in jeder Schule immer vorhanden sind. Wichtig bleibt außerdem ein Schulleiter, der Innovationen unterstützt, Freiräume schafft und finanzielle und zeitliche Unterstützung ermöglicht sowie Personen, die interessiert, motiviert und engagiert sind. Überdies erscheinen als zwei wesentliche Bedingungsfaktoren einer Übertragbarkeit auf andere Schulen die zusätzliche Erschließung finanzieller Ressourcen, z.B. durch Sponsoren und Auftraggeber, sowie der Aufbau von Kontakten und die Zusammenarbeit mit dem sozialen und lokalen Netzwerk der Schule.

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Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

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Appendix A: Methodology Die Schule wurde über die Homepage ausgewählt. Hierbei wurde nach den Kriterien der Schulauswahl aus dem OECD Workbook vorgegangen. Das Forscherteam bestand aus zwei Forscherinnen, Franziska Seeber und Ulrike Weininger, FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht aus Grünwald bei München, die für die OECD Studie arbeiten und zwei Forscherinnen aus dem Institut für Schulentwicklung der Universität Dortmund, Rebekka Dalmer und Birgit Fuchs, die an der SITES Studie arbeiten. Insgesamt wurde die Schule an vier aufeinander folgenden Tagen, vom 27.08. bis 31.08.2000 untersucht. Die Forscherinnen für die SITES Studie waren nur an den ersten zwei Tagen beteiligt. Es wurden die kombinierten Instrumente der IEA /OECD für die Interviews verwendet. Die Veränderungen der OECD an ihren Fragen von Ende August, waren eingearbeitet worden und die Interviews ins Deutsche übersetzt. Es wurden Interviews geführt mit dem Schulleiter (Dauer ca. 3 Stunden), mit dem Technischen Spezialisten (Dauer ca. 2 Stunden), zwei Kunstlehrern (Dauer ca. 2 ½ Stunden) einem Lehrer und einer Lehrerin, die Informatikkurse anbieten, mit einer Lehrerin, die aktiv mit IKT im Unterricht arbeitet und einem Lehrer, der auch für die Verwaltung tätig ist (Dauer jeweils ca. 1 Stunde). Dazu kamen Interviews mit zwei Elternteilen (Dauer ca. 1 ½ Stunden) und zwei Schülergruppen mit insgesamt vier Schülern und zwei Schülerinnen (Dauer ca. 45 Minuten). Alle Interviews wurden auf Mini-Disc-Rekorder aufgenommen. Bei den Beobachtungen wurde das vorgeschlagene Beobachtungsprotokoll von Norwegen aus dem OECD Workbook verwendet. Es wurden drei Unterrichtsstunden beobachtet: eine Englischstunde im Computerraum, eine Informatikstunde und einer Stunde Arbeitslehre mit dem X-Y-Tisch. Darüber hinaus wurden 16 Fragebögen zur „IKT Nutzung von Lehrern“ eingesammelt und das Auswahlformular für Schulen, das der Schulleiter ausgefüllt hat. Material aus dem Schulentwicklungsprogramm, ein Buch über 50-Jahre Freiherr-vom-Stein-Schule und zwei Kataloge über das Tschechien-Projekt wurden als Material mitgenommen. Fotos der Schule wurden gemacht und die Homepage angesehen. Die Interviews wurden von Mini-Discs transkribiert und von beiden Forscherinnen des OECDTeams kodiert. Die Kodierung erfolgte über WinMax, ein deutsches Software-Programm zur Analyse qualitativer Daten. Es ist angelehnt an die Grounded Theory von ANSELM STRAUß und in diesem Sinne wird auch offen kodiert. Die Auswertung wurde diskutiert und der Bericht arbeitsteilig verfasst. 34

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Appendix B: ICT Practices Survey for Teachers Wie vertraut sind Sie mit der Nutzung eines Computers für die folgenden Tätigkeiten? sehr vertraut

vertraut

etwas vertraut

gar nicht vertraut

Einen Text schreiben

13

3

-

-

Informationen im World Wide Web suchen

8

5

2

1

Web-Seiten erstellen und betreuen

1

1

6

8

Datenbanken verwenden

5

5

4

2

E-Mails schreiben oder empfangen

11

1

2

2

Ein Programm schreiben

3

1

3

9

Ein Bild oder Diagramm zeichnen

5

6

4

1

Information präsentieren (z.B. mit Power Point)

-

7

5

4

Basiert auf den Antworten von 16 Lehrern/Lehrerinnen

Wie häufig haben ihre Schülerinnen und Schüler im letzten Schuljahr durchschnittlich die folgenden Tätigkeiten ausgeführt, um damit von Ihnen erteilte Aufgaben zu erledigen? mehrmals jede Woche

mehrmals jeden Monat

selten

niemals

Auf das World Wide Web zugreifen

1

3

9

2

Web-Seiten erstellen

1

3

1

10

E-Mails schreiben oder empfangen

1

2

4

8

Ein Textverarbeitungsprogramm verwenden

1

10

3

1

Einen Computer für Spiele verwenden

-

-

2

13

Eine Tabellenkalkulation verwenden

-

3

6

6

Ein Grafikprogramm verwenden

1

3

6

5

Sich in einem Online-Forum oder einem Chatroom beteiligen

-

1

2

12

Ein Programm für die Präsentation von Informationen verwenden (z.B. Power Point)

-

1

4

10

ein Lernprogramm verwenden (einschließlich Simulationen)

1

2

8

4

uneingeschränkt

etwas eingeschränkt

nur bestimmte Seiten

7

3

3

Basiert auf den Antworten von 15 Lehrern/Lehrerinnen

Frage Wenn Sie Aufgaben zur Recherche im World Wide Web erteilten, wie viel Freiheit haben Sie Ihren Schülerinnen und Schülern in der Auswahl der Seiten, die sie besuchten, gegeben?

Basiert auf den Antworten von 15 Lehrern/Lehrerinnen

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Antworten basieren auf den Erfahrungen des letzten Schuljahres Fragen

ja

nein

Wurde die Nutzung der Computer durch die Schülerinnen und Schüler für ihre Benotung herangezogen?

6

9

Haben Sie mit einer von Ihnen unterrichteten Klasse eine Web-Seite erstellt oder verändert?

3

12

Haben Sie jemals als Schüler/in oder Lehrer/in an einem virtuellen Seminar im Internet/ World Wide Web teilgenommen?

-

15

Haben Sie Ihre Schülerinnen und Schüler zusammen mit Schülern aus anderen Klassen über das Internet/ World Wide Web gemeinsam lernen lassen?

-

14

Basiert auf den Antworten von 15 Lehrern/Lehrerinnen

Fragen

völlig

zum großen Teil

etwas

gar nicht

Wenn Sie den Computer im Unterricht nutzen, in welchem Umfang bezieht sich die Computernutzung in Ihrem Unterricht direkt auf den Unterrichtsstoff?

3

5

5

2

In welchem Umfang erledigen die Schülerinnen und Schüler Aufgaben, für die eine Computernutzung erforderlich ist, individuell?

1

11

2

1

Basiert auf den Antworten von 15 Lehrern/Lehrerinnen

Frage

mehrmals in der Woche

mehrmals im Monat

selten

niemals

12

2

1

-

Haben Sie eine der folgenden Tätigkeiten schon einmal gemacht?

ja

nein

-

Änderungen an der Hardware eines Computers vorgenommen

9

6

-

Ein Update eines Anwendungsprogramms (Textverarbeitung, Grafikprogramm, etc.) vorgenommen

13

2

-

Einen zerstörten File wiederhergestellt

5

10

-

Eine Web-Seite erstellt

6

9

-

Eine Datenbank erstellt

10

5

Wie häufig verwenden Sie einen Computer zu Hause, um sich auf den Unterricht vorzubereiten?

Basiert auf den Antworten von 15 Lehrern/Lehrerinnen

Basiert auf den Antworten von 15 Lehrern/ Lehrerinnen

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Appendix C: List of References Schulmaterialien -

Schulprogramm der Freiherr-vom-Stein-Schule

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Monatsplaner August 2000 der Freiherr-vom-Stein-Schule

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Dokumentation 50 Jahre Freiherr-vom-Stein-Schule

-

Katalog: „Kunst und Natur“, Bilder über Schülerarbeiten aus dem Tschechienprojekt

-

Katalog: „Eigenheiten, Fremdheiten“, Bilder und Texte von Schülern aus dem Tschechienprojekt

-

Fotografien von der Schule

-

Schulhomepage: http://www.fvss.de

Weitere Quellen -

http://bert.eds.udel.edu/oecd

-

http://www.san-ev.de/default.asp

-

http://www.schulweb.de

1.)

ROGERS, EVERETT M. (1995). Diffusion of Innovations. New York: Free Press.

2.)

YIN, ROBERT K. (1993). Applications of case study research. Newbury Park, CA: Sage.

Abbildungen Die Abbildung der Schule auf dem Deckblatt entstammt der Schulhomepage.

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