Kriminalitätsphänomene. Langzeitvergleich. am Beispiel einer deutschen Großstadt. BKA Polizei + Forschung. Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich

April 26, 2018 | Author: Laura Kappel | Category: N/A
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BKA

zung der Polizeilichen Kriminalstatistik die Entwicklung der Kriminalitätswirklichkeit näher zu beschreiben. Professor Schwind und sein Leitungsteam haben nunmehr die dritte empirische und kriminalgeographisch orientierte Dunkelfelduntersuchung in Bochum durchgeführt. Damit kann ein knappes Vierteljahrhundert Kriminalität im Hell- und Dunkelfeld, Anzeigeverhalten und Kriminalitätsfurcht im Längsschnitt betrachtet werden.

Schwind/Fetchenhauer/ Ahlborn/Weiß

Bochum 1975 – 1986 – 1998

Ziel der Dunkelfeldforschung ist es, in Ergän-

Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt

Polizei + Forschung

Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt Bochum 1975 – 1986 – 1998

www.luchterhand.de

Luchterhand

Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt

Polizei + Forschung Bd. 3 herausgegeben vom Bundeskriminalamt (BKA) Kriminalistisches Institut

Beirat:

Prof. Dr. Hans-Jürgen Kerner Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen Wolfgang Sielaff Leiter der Landespolizeiinspektion Hamburg Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Klaus Tiedemann Direktor des Instituts für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht der Universität Freiburg i. Br. Klaus Jürgen Timm Direktor des Hessischen Landeskriminalamts

Hans-Dieter Schwind Detlef Fetchenhauer Wilfried Ahlborn Rüdiger Weiß

Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt Bochum 1975 – 1986 – 1998

in Zusammenarbeit mit: Ines Anders Daniel Freier Nikola Gossling Georg Lohmann Regina Stuchlik

Luchterhand

Norman Ehlert Brigitta Goldberg Nicole Susanne Helmer Matthias Rosenkranz Franziska Wieczorek

BKA

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt : Bochum 1975 – 1986 – 1998 / Hans-Dieter Schwind .... Neuwied ; Kriftel : Luchterhand , 2001 ISBN 3-472-04550-7

Gesamtredaktion:

Hans-Dieter Schwind Brigitta Goldberg Schreibarbeiten:

Silvia Marek Die Untersuchung wurde mit Mitteln der Volkswagen-Stiftung und des Bochumer Vereins für Rechtswissenschaft e. V. finanziell unterstützt.

Alle Rechte vorbehalten © 2001 by Hermann Luchterhand Verlag GmbH, Neuwied und Kriftel. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: arttec grafik simon & wagner, St. Goar Satz: Satz Offizin Hümmer, Waldbüttelbrunn Druck: Druckerei Wilhelm & Adam, Heusenstamm Printed in Germany, Februar 2001 ∞ Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem und chlorfreiem Papier

Bearbeiter: Prof. Dr. jur. Hans-Dieter Schwind (Projektleiter) Lehrstuhl für Kriminologie, Strafvollzug und Kriminalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum Dipl.-Psych. Dr. Detlef Fetchenhauer Institut für Sozial- und Organisationspsychologie an der Universität Groningen, Niederlande Prof. Dr. Ing. Dr. rer. pol. Wilfried Ahlborn Institut für Statistik und Ökonometrie an der Georg-August-Universität Göttingen Dipl.-Math. Rüdiger Weiß Kriminalistisch-kriminologische Forschungsgruppe im Bundeskriminalamt Wiesbaden

In Zusammenarbeit mit: Ines Anders Rechtsreferendarin

Norman Ehlert cand. psych.

Daniel Freier Geprüfter Rechtskandidat

Brigitta Goldberg Diplom-Sozialarbeiterin, Geprüfte Rechtskandidatin

Nikola Gossling Diplom-Psychologin

Nicole Susanne Helmer stud. jur.

Matthias Rosenkranz cand. jur.

Regina Stuchlik Rechtsassessorin

Franziska Wieczorek Rechtsreferendarin alle vom Lehrstuhl für Kriminologie, Strafvollzug und Kriminalpolitik der Ruhr-Universität Bochum und Georg Lohmann Erster Kriminalhauptkommissar vom Polizeipräsidium Bochum

Als Interviewer wirkten Studentinnen und Studenten der Rechtswissenschaft und Psychologie der Ruhr-Universität Bochum mit: Sange Addison-Agyei, Timo Ahland, Judith Asiama, Müzeyyen Avci, Ingmar Baatz, Christoph Badde, Stephanie Bammel, Christof Barwitzki, Vincent Basteck, Raphaela Bastkowski, Nadine Becker, Maja Begemann-Frank, Sandra Berghof, Heiko Blumenthal, Havva Bozdogan, Julia Breidenbroich, Susanne Budde, Judith-Marie Bufe, Dragica Cavar, Nazmi Cengiz, Benjamin Chouka, Paulo Costa, Anke Czerwinski, Jan Czopka, Gundula Dalhoff, Sandra Daniel, Esther Daus, Tobias Degener, Aytac Demir, Thorsten Dercar, Yvonne Dettke, Yvonne Dewerne, Maria Antonietta Di Maggio, Marion Dobersek, Susanne Drüge, Margarethe Dubas, Kristina Dubljevic, Irmhild Dudda, Lars Ehm, Tülay Eken, Arne Engels, Britta Epbinder, Filiz Ercan, Karolin Ernst, Tina Esdar, Tobias Falk, Gerrit Frerk, Miriam Funk, Patrik Gau, Marko Gerusel, Hinnerk Gölnitz, Tobias Gräber, Nadine Gräwe, Marc Grollmann, Sandra Günther, Sonja Hagedorn, Timo Hagemeier, Sayeh Hakemi, Anna Carina Hansen, Melanie Hartmann, Matthias Hauer, Sebastian Heidtkamp, Christiane Heiß, Jens Heller, Nicole Susanne Helmer, Stefan Hinz, Vera Hoxha, Dorothee Humbach, Katharina Hummert, Thorsten Husemann, Fatma Inönü, Sarah Janböcke, Katrina Jonigkeit, Björn Kahler, Gülten Kahraman, Yasmin Kämper, Tina Käpernick, Derya Karadavut, Kerem Karaefe, Eren Kavuk, Timo Kazmierczek, Halil Keskin, Antje Kirschberg, Julia Kittel, Nadine Klein, Jens Kleinschmidt, Saskia Klug, Verena Koeller, Sven Komning, Stefan Koske, Michael Kramer, Sandra Kray, Melanie Kretzer, Nadine Künstler, Katharina Küpper, Clarissa Kurrat, Thorsten Kurzawe, Thomas Lachner, André Latour, Melissa Leis, Agnes Leskiewicz, Carmen Lesniak, Britta Lüger, André Luther, Lars Martin, Vanessa Mauthe, Michaela Menke, Katja Menzel, Sebastian Mesek, Patrick Meyer, Jakob Michalak, Heike Mohr, Annette Münch, Mathias Münstermann, Miriam Noeppel, Nicole Nowak, Anita Nowka, Nick Oberheiden, Alex Öndül, Thorsten Opitz, Stephan Orth, Daniela Pech, Sonja Piecuch, Gabriele Piltz, Vera Popp, Thomas Prößdorf, Christine Püls, Kai-Thorsten Radtke, Thomas Rasche, Marta Razniak, Sonja Recker, Melanie Renkel, Sandra Riedl, Matthias Rosenkranz, Elisabeth Schafirski, Astrid Schmid, Mareike Schmidt, Frederik Schneider, Julia Scholl, Thorsten Schubert, Nicolas Schwarze, Eva Sondersorg, Oguz Sönmez, Ina Sroka, Marlies Stegert, Ilona Stettner, Verena Struth, Katharina Summann, Carsten Tamm, Ihsan Tanyolu, Agapi Taska, Christian Tenthoff, Muammer Turak, Bülent Ucar, Anika Ullrich, Gülsah Ulus, Patrick van den Hövel, Kai Vogelsang, Nicole Walters, Marc Wandt, Stefanie Wenzel, Norman Werner, Katrin Winkler, Kerstin Witthüser, Karolin Ziaja, Melanie Ziemer, Svetlana Zivkovic. Die Interviewerschulungen wurden durchgeführt von Margret Beßler, Norman Ehlert, Detlef Fetchenhauer, Daniel Freier, Nikola Gossling, Karin Roitsch und Regina Stuchlik.

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Vorwort Verlässliche Aussagen zur Kriminalitätsentwicklung sind auf der Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik allein nicht möglich. Erst die Dunkelfeldforschung hat neue Wege und Erkenntnisse über die Kriminalitätswirklichkeit erbracht. Professor Schwind ist einer der Pioniere dieser Forschungsrichtung. Bereits 1973/74 in Göttingen sowie 1975/76 und 1986/87 jeweils in Bochum hat er kriminalgeographisch orientierte empirische Untersuchungen zum Dunkelfeld und zum Anzeigeverhalten durchgeführt. Mit der jetzt vorliegenden Studie ergibt sich erstmals in der kriminologischen Forschung in Deutschland die Möglichkeit eines Langzeitvergleichs. Fast 25 Jahre Kriminalitätsentwicklung im Hell- und im Dunkelfeld sowie eine umfassende Analyse des Anzeigeverhaltens, der Kriminalitätsfurcht und des Ansehens der Polizei sind nunmehr exemplarisch für die Stadt Bochum darstellbar. Die Notwendigkeit statistikbegleitender Dunkelfeldforschung wird durch die Arbeiten von Professor Schwind nachdrücklich unterstrichen. Auch das Bundeskriminalamt unterstützt die Realisierung solcher Vorhaben und fördert im Rahmen seiner Möglichkeiten weitere Projekte der Dunkelfeldforschung. Dr. Ulrich Kersten Präsident des Bundeskriminalamts

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Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung: Ausgangspunkt, Aufgaben und Aufbau dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Erster Teil: Zur Methodik der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §1 Zur Methode der Bochumer Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §2 Statistische Methoden der Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 33

Zweiter Teil: Die offiziell registrierte Kriminalität (Hellfeld) . . . . . . . . . . §3 Entwicklung der registrierten Kriminalität in der Bundesrepublik, in Nordrhein-Westfalen und in Bochum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §4 Kriminalgeographische Verteilung der registrierten Kriminalität in Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

Dritter Teil: Die Dunkelfeldbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §5 Methoden, Probleme und Ergebnisse von Opferbefragungen . . . §6 Ergebnisse der Dunkelfelduntersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . §7 Bisherige Untersuchungen zum Anzeigeverhalten im Überblick . §8 Bestimmungsgründe des Anzeigeverhaltens in der Untersuchung Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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51 73

. 95 . 95 . 129 . 157

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Vierter Teil: Kriminalitätsfurcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 §9 Bisherige Untersuchungen zur Kriminalitätsfurcht (Sekundäranalyse) . . 215 § 10 Ergebnisse der Bochumer Befragung zur Kriminalitätsfurcht . . . . . . . . 247 Fünfter Teil: Das Ansehen der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 § 11 Bisherige Untersuchungen zum Ansehen der Polizei (Sekundäranalyse). 285 § 12 Ergebnisse zum Ansehen der Polizei in der Bochumer Bevölkerung . . . 309 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialien zur Konzipierungsphase Materialien aus der Erhebungsphase Pressespiegel . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnisse und Glossar. . . . . . .

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371 372 393 405 415

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Vorbemerkung Ausgangspunkt, Aufgaben und Aufbau dieser Untersuchung Gliederung 1 1.1 1.1.1 1.1.2

Langzeitbetrachtung über drei Jahresmeûpunkte . . . . . . . . Untersuchungen zur Kriminalitätsentwicklung . . . . . . . . . . . . Hellfelderhebung (Erhebung der registrierten Kriminalität) . . . Dunkelfeldforschung (Untersuchung der der Polizei nicht bekannt gewordenen Kriminalität). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Veränderungen des Anzeigeverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4 Veränderungen bzgl. des Ansehens der Polizei . . . . . . . . . . . . 1.1.5 Veränderungen in der Ausprägung von Kriminalitätsfurcht . . . 1.2 Untersuchungen der Rückkoppelungsmechanismen . . . . . . . . . 1.3 Statistikbegleitende Dunkelfeldforschung als Zukunftsaufgabe .

.. .. ..

2 2 3

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4 4 5 5 6 6

2.1 2.2

Von der Kriminalgeographie zur kriminologischen Regionalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu deutschen kriminalgeographischen Arbeiten . . . . . . . . . . . . . Zur kriminologischen Regionalanalyse (¹KRAª). . . . . . . . . . . . .

7 8 8

3

Aufbau der Untersuchung Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2

Mit der Untersuchung ¹BOCHUM IIIª Kriminalitäts-Phänomene im Langzeitvergleich (1975/86/98) am Beispiel einer deutschen Groûstadt (Bochum) werden (bezogen auf das Jahr 1998) die kriminalgeographisch orientierten Arbeiten fortgesetzt, die 1975 erstmalig (¹BOCHUM Iª) durchgeführt und 1986 (mit demselben Leitungsteam und gleicher Methodik) wiederholt worden sind (¹BOCHUM IIª), nämlich die folgenden Studien: Z

Z

Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Bestandsaufnahme und Weiterführung am Beispiel von Bochum (¹Kriminalitätsatlas Bochumª). BKA-Forschungsreihe Bd. 8. Wiesbaden 1978 und Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Eine Replikationsstudie. BKA-Forschungsreihe Bd. 21. Wiesbaden 1989.

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Langzeitbetrachtung über drei Jahresmeûpunkte

Die dritte Untersuchung (Bochum III) räumt also die Möglichkeit ein, im zeitlichen Längsschnitt über drei Jahresmeûpunkte (1975, 1986 und 1998) hinweg kriminalpolitisch relevante Entwicklungen in einer durchschnittlichen deutschen Groûstadt mit zur Zeit rund 396.000 Einwohnern (über fast ein Vierteljahrhundert hinweg) zu betrachten. Die Ergebnisse resultieren wiederum (wie in den vorausgegangenen Untersuchungen) aus einer speziellen Hellfelderhebung und aus einer Bevölkerungsumfrage bzw. Opferbefragung. Im Vordergrund stehen die folgenden Themen: Z

Z Z Z

Veränderungen der Kriminalität im Hellfeld (registrierte Kriminalität) und im Dunkelfeld (den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt gewordene Straftaten); Veränderungen des Anzeigeverhaltens; Veränderungen in der Ausprägung von Kriminalitätsfurcht und Veränderungen, die sich auf das Ansehen der Polizei beziehen.

Im Rahmen der Opferbefragung wurde in Bochum für die face-to-face Befragung (wiederum) eine Zufallsstichprobe aus der Einwohnermeldekartei (0,5 % der Bevölkerung ab 14 Jahren einschlieûlich der nicht-deutschen Einwohner Bochums) gezogen (1.758 Pbn). Parallel wurde (zu Vergleichszwecken) eine zweite Stichprobe von 0,1 % für eine telefonische Befragung erhoben (351 Pbn). Für die Interviews, die durch speziell ausgewählte und geschulte Studenten1 (aus der Kriminologievorlesung des Wintersemesters 1998/99) der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wurden, standen (wahlweise) Fragebögen in deutscher, türkischer sowie russischer Sprache und Interviewer mit entsprechenden Sprachkenntnissen zur Verfügung. Die Erhebung(en) fand(en) vom 7. Januar bis 5. März 1999 statt. Die Informationen über das Hellfeld und über das Dunkelfeld beziehen sich (rückblickend) auf das Jahr 1998, die Meinungsäuûerungen der Befragten (zur Kriminalitätsfurcht und zum Ansehen der Polizei) auf den Befragungszeitpunkt, also auf 1999. Zu den einzelnen Themen: 1.1

Untersuchungen zur Kriminalitätsentwicklung

Seit einigen Jahren beginnen die ¹Vorbemerkungenª der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)2, die das Bundeskriminalamt (BKA) jährlich veröffentlicht, mit dem Hinweis, daû ¹die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik besonders 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Unterscheidung aller in diesem Band genannten Personengruppen verzichtet. So umfaût der Begriff ¹Studentª gleichermaûen Studenten und Studentinnen usw. Die ¹Verwendung des groûen Binnen-I ist (in Nordrhein-Westfalen) durch Erlaû ausgeschlossenª (GABl.NW I Nr. 7/83). 2 So z. B. BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 7.

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dadurch eingeschränkt wird, daû der Polizei ein Teil der begangenen Straftaten nicht bekannt wirdª. Dementsprechend heiût es bei Heinz3: ¹Die Crux einer jeden Aussage zur Kriminalitätsentwicklung ist, daû unklar ist, ob die statistischen Zahlen die Entwicklung der ¸Kriminalitätswirklichkeit` widerspiegeln oder lediglich eine vor allem durch das Anzeigeverhalten beeinfluûte Verschiebung der Grenze zwischen Hell- und Dunkelfeldª. 1.1.1

Hellfelderhebung (Erhebung der registrierten Kriminalität)

Die registrierte Kriminalität wurde (wie in den Untersuchungen Bochum I und II) auf gesonderten Formblättern durch die Bochumer Polizei erhoben. Die dritte Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. 1. 1998 bis zum 31. 12. 1998. Diese von der Bochumer Polizei durchgeführte Sondererfassung für alle 46 Polizeibezirke der Stadt hat einen erheblichen Mehrerfassungsaufwand mit sich gebracht, der einen wesentlichen Teil des Forschungsprojekts erst möglich gemacht hat. Das Forschungsteam möchte sich dafür auch auf diesem Wege bedanken. Wenn diese Zahlen nicht mit den offiziellen PKS-Zahlen für die Stadt Bochum übereinstimmen, so hat das damit zu tun, daû die noch im Januar 1998 aus dem Vorjahr (1997) angefallenen statistischen Fall-Überhänge sinnvollerweise nicht mit berücksichtigt werden durften; auf der anderen Seite wurden die erst im Jahr 1999 erfaûten Delikte für den Tatzeitraum 1998 eingerechnet. Die Hellfeldzahlen, die in die Untersuchung Bochum III eingingen, sind also für das Bezugsjahr (1998) genauer als die PKS-Zahlen. Deshalb werden die PKS-Zahlen im Rahmen dieser Studie auch nur in dem Paragraphen (§ 3) verwendet, in dem die Langzeitentwicklung in Bund, Land und Stadt vorgestellt wird. In allen anderen (empirischen) Paragraphen (§§ 4± 12) werden hingegen die Hellfeldzahlen der polizeilichen Sondererfassung zugrunde gelegt. Untersucht werden in dieser Hellfeld-Sondererhebung und mit Hilfe der Dunkelfeldforschung folgende Straftaten: Diebstahl ohne erschwerende Umstände (¹einfacher Diebstahlª), Diebstahl unter erschwerenden Umständen (¹schwerer Diebstahlª), die verschiedenen Formen der (vorsätzlichen) Körperverletzung sowie Raubtaten.

3 Heinz, Wolfgang: Reformbedarf des Jugendstrafrechts. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 6, 1998, S. 401.

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1.1.2

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Dunkelfeldforschung (Untersuchung der der Polizei nicht bekannt gewordenen Kriminalität)

Bei der Dunkelfeldforschung, die (in Form der Opferbefragung) ab Anfang der 70 er Jahre in Deutschland eingeführt wurde, handelt es sich um Studien aufgrund lokal begrenzter Stichproben (¹Inselbefragungenª) z. B. 1973 in Göttingen (Schwind/Ahlborn/Eger u. a. 4), Stuttgart (Stephan 5) und Emmendingen (Villmow/Stephan 6), 1975 und 1986 in Bochum (Schwind/Ahlborn/ Weiû 7), 1981 in Solingen (Plate/Schwinges/Weiû 8), 1984 in Hamburg von Sessar 9, 1987 im Raum Heidelberg von Baurmann/Herrmann/Störzer/Streng 10 und 1991/92 in Jena von Kräupl/Ludwig 11. Von da ab (nach der Wiedervereinigung unseres Landes) sind solche Opferbefragungen in den Vordergrund der Forschung gerückt, die sich auf das gesamte Bundesgebiet (einschlieûlich der neuen Bundesländer) beziehen. Insoweit sollen z. B. erwähnt werden: 1990 eine Untersuchung von Kury/Dörmann/Richter/Würger 12, 1991/93/95 entsprechende Studien von Boers 13, 1992 Arbeiten (des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens) von Wetzels/Greve/Mecklenburg/Bilsky/ Pfeiffer 14 und 1996 eine Arbeit von Heinz 15. 1.1.3

Veränderungen des Anzeigeverhaltens

Im Rahmen der Betrachtung der Entwicklung der Kriminalitätszahlen im Langzeitvergleich wird auch die von Heinz16 (vgl. unter Punkt 1.1) gestellte Frage nach dem Anzeigeverhalten untersucht, und zwar nicht nur 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

4

Schwind, Hans-Dieter u. a.: Dunkelfeldforschung in Göttingen 1973/74. Wiesbaden 1975. Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976. Villmow, Bernhard/Stephan, Egon: Jugendkriminalität in einer Gemeinde. Freiburg i. Br. 1983. Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I); Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II). Plate, Monika/Schwinges, Ulrich/Weiû, Rüdiger: Strukturen der Kriminalität in Solingen. Wiesbaden 1985. Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder strafen? Pfaffenweiler 1992. Baurmann, Michael C. u. a.: The Heidelberg Victimization Survey. In: Kaiser, Günther/Kury, Helmut/Albrecht, Hans-Jörg (eds.): Victims and Criminal Justice. Freiburg i. Br. 1991, S. 441±467. Kräupl, Günther/Ludwig, Heike: Wandel kommunaler Lebenslagen, Kriminalität und Sanktionserwartungen. Freiburg i. Br. 1993. Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992. Boers, Klaus: Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. MschrKrim, Jg. 79, Heft 5, 1996, S. 314±337. Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995. Heinz, Wolfgang: Kriminalprävention auf kommunaler Ebene. In: DVJJ-Journal, Jg. 8, Heft 1, 1997, S. 61±68 und Heft 2, 1997, S. 155±162. Heinz, Wolfgang: Reformbedarf des Jugendstrafrechts. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 6, 1998, S. 401.

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um abschätzen zu können, inwieweit zu- oder abnehmende Hellfeldzahlen mit zunehmender oder abnehmender Anzeigebereitschaft (der Opfer) zu tun haben, sondern auch um zu ermitteln, ob bzw. inwieweit abnehmende Anzeigebereitschaft auf Vertrauensverluste in bezug auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Justiz) zurückgeführt werden muû; oder ob umgekehrt zunehmende Anzeigebereitschaft mit entsprechenden Vertrauensgewinnen zu tun hat.

Trifft die Vermutung von Heinz17 zu, daû vor allem die Zunahme der Gewaltkriminalität maûgeblich darauf beruht, ¹daû immer häufiger minderschwere Fälle angezeigt werdenª? Hat sich z. B. das Anzeigeverhalten deliktsspezifisch verändert? 1.1.4

Veränderungen bzgl. des Ansehens der Polizei

Das Anzeigeverhalten hat auch mit dem Ansehen der Polizei zu tun. Unter diesem ¹Ansehenª läût sich der (vermutete) ¹Rufª der Polizei bei der Bevölkerung verstehen, aber auch die persönliche Bewertung (der Polizei) durch die Befragten.18 Wenn sich insoweit Defizite ergeben, (z. B. Probleme für das Opfer bei der Erstattung der Anzeige), sollte der Kriminalpolitiker an Abhilfe denken. Eine entsprechende Pilot-Untersuchung, die sich allerdings ausschlieûlich auf Anzeigeerstatter bezieht, hat (fast zeitgleich) z. B. die Bochumer Polizei (im Auftrag des Innenministeriums NRW) durchgeführt; die Ergebnisse werden im Kontext der eigenen Befragung mitdiskutiert. 1.1.5

Veränderungen in der Ausprägung von Kriminalitätsfurcht

Darüber hinaus sind aus kriminalpolitischer Sicht Stand und Entwicklung von Kriminalitätsfurcht von Interesse, weil möglicherweise Z Z

Z

Kriminalitätsfurcht die Lebensqualität der Bevölkerung einschränken kann19; das Gefühl, der Rechtsstaat sei mit der Kriminalitätsbekämpfung überfordert, zu entsprechenden Vertrauensverlusten führt und unerwünschte Entwicklungen wie Privatjustiz begünstigt20 und Kriminalitätsfurcht politische Forderungen auslöst 21, die jeder Kriminalpolitiker ernst nehmen sollte.

17 A. a. O. (FN 16). 18 Vgl. schon Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 116. 19 Vgl. z. B. Kerner, Hans-Jürgen: Verbrechensfurcht und Viktimisierung. In: Haesler, Walter T. (Hg.): Viktimologie. Diesenhofen 1996, S. 155. 20 Dazu Kunz, Karl-Ludwig: Die Verbrechensfurcht als Gegenstand der Kriminologie und als Faktor der Kriminalpolitik. In: MschrKrim, Jg. 66, Heft 3, 1983, S. 163±174. 21 Dazu Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. In: MschrKrim, Jg. 76, Heft 2, 1993, S. 65 ff.

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1.2

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Untersuchungen der Rückkoppelungsmechanismen

Alle fünf Themen (Punkte 1.1.1 bis 1.1.5) hängen miteinander zusammen (vgl. Übersicht 1). Ob eine Straftat im Hellfeld registriert werden kann oder im Dunkelfeld verbleibt, hängt primär davon ab, ob sie angezeigt wird oder nicht. Das Anzeigeverhalten wiederum wird u. a. durch das Vertrauen der Opfer in die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden beeinfluût. Das Vertrauen hat jedoch auch mit der Beurteilung der konkreten Arbeit der Polizeibeamten zu tun oder mit dem ¹Rufª der Polizei, den diese genieût. Schlieûlich wird die Kriminalitätsfurcht, was man oft übersieht, auch durch das Dunkelfeld mitbestimmt. Eine zuverlässige kriminalpolitische Lagebeurteilung setzt deshalb zwingend voraus, daû die beschriebenen Abhängigkeiten nicht nur bekannt sind, sondern auch analysiert werden. Diese Aufgabe will die Untersuchung Bochum III (soweit das möglich ist) auch wieder zu erfüllen versuchen. Übersicht 1:

Rückkoppelungsmechanismen

1.3

Statistikbegleitende Dunkelfeldforschung als Zukunftsaufgabe

Schlieûlich: Anders als z. B. in den USA und in den Niederlanden fehlt es in Deutschland noch immer an einer regelmäûigen statistikbegleitenden Dunkelfeldforschung, die zu den Voraussetzungen einer realistischeren kriminalpolitischen Lagebeurteilung rechnet.22 22 Vgl. schon Dörmann, Uwe: Dunkelfeldforschung im Dunkeln. In: Kriminalistik, Jg. 42, Heft 7, 1988, S. 403±405; Heinz, Wolfgang: Reformbedarf des Jugendstrafrechts. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 1, 1998, S. 1 ff.

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In den niederländischen Crime Surveys werden jährlich rund 11.000 Haushalte (ein Promille der Bevölkerung) interviewt 23, die Stichprobe des amerikanischen ¹National Crime Surveyª (NCS) erfaût 60.000 Wohneinheiten mit rund 136.000 Personen (0,5 Promille der Bevölkerung) und (zusätzlich) 15.000 Geschäfte bzw. Gewerbebetriebe, die zweimal jährlich (nach einem bestimmten Rotationssystem) gefragt werden, ob sie in den letzten sechs Monaten Opfer bestimmter Straftaten wurden. 24 Dementsprechend wird immer wieder gefordert25, statistikbegleitende Dunkelfeldforschung auch für unser Land einzuführen. Für den Fall, daû solche Postulate akzeptiert werden, stellt sich die weitere Frage, ob das Vorbild dafür regional begrenzte Untersuchungen bilden sollen oder Groûflächenumfragen, die sich auf ein Bundesland oder auf die gesamte Bundesrepublik beziehen. Könnten regelmäûige Befragungen auf der Ebene ausgewählter Kommunen bzw. Städte (also Inselbefragungen), wie sie die Bochumer Untersuchungen darstellen, ein Modell sein?26 Welche Argumente würden dafür sprechen? Die Frage wird in der Zusammenfassung vor dem Hintergrund der Erfahrungen auch mit diesem Forschungsprojekt wieder aufgenommen. 2

Von der Kriminalgeographie zur kriminologischen Regionalanalyse

Alle drei Bochumer Arbeiten (Bochum I, II und III) bauen, soweit sie kriminalgeographisch orientiert sind, auf den Studien von Burgess27 (1926) sowie Shaw und McKay28 (1942) auf. In Deutschland sind diese (auûer in Bochum) vor allem von Opp29 (1968), Herold30 (1968), Hellmer31 (1972), Helldörfer32 (1974), Frehsee33 (1978), Lewkowicz u. a.34 (1979), Behder35 (1979), Langer36 (1983) und Plate/

23 Dörmann, Uwe: Dunkelfeldforschung im Dunkeln. In: Kriminalistik, Jg. 42, Heft 7, 1988, S. 403. 24 Vgl. dazu Kreuzer, Arthur: Kriminologische Dunkelfeldforschung. In: NStZ, Jg. 14, Heft 1, 1994, S. 14. 25 Dörmann, Uwe, a. a. O. (FN 23), S. 403 ff. 26 So der Vorschlag von Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 46 f. 27 Burgess, Richard W.: The Urban Community. Chicago 1926. 28 Shaw, Clifford R./McKay, Henry D.: Juvenile Delinquency and Urban Areas. Chicago 1942 and London 1969 (2nd ed.). 29 Opp, Karl-Dieter: Zur Erklärung delinquenten Verhaltens von Kindern und Jugendlichen. München 1968. 30 Herold, Horst: Kriminalgeographie. In: Schäfer, Herbert (Hg.): Grundlagen der Kriminalistik. Bd. 4. Hamburg 1968, S. 201±243. 31 Hellmer, Joachim: Kriminalitätsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins. Wiesbaden 1972. 32 Helldörfer, Heinrich.: Nürnberg ± Kriminalgeographie einer Groûstadt. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.): Stadt und Stadtraum. Hannover 1974, S. 151±169. 33 Frehsee, Detlev: Strukturbedingungen urbaner Kriminalität. Göttingen 1978. 34 Lewkowicz, Marina u. a.: Sozialatlas. Saarbrücken 1979. 35 Behder, Uwe: Die Saison- (Urlaubs-)Kriminalität in Schleswig-Holstein 1972/73. Kiel 1979. 36 Langer, Peter: Kriminalität als Indikator sozialgeographischer Raumstrukturen. München 1983.

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Schwinges/Weiû37 (1985) fortgesetzt worden, und zwar (bereits) mit dem Anliegen, Planungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen (zur Geschichte der Kriminalgeographie vgl. ausführlicher die Untersuchung Bochum I38). 2.1

Zu deutschen kriminalgeographischen Arbeiten

Opp39 z. B. hat die räumliche Verteilung der Kinder- und Jugendkriminalität im Kölner Stadtgebiet untersucht mit dem Ziel (ähnlich wie schon Shaw und McKay40) den Einsatz von Sozialarbeitern (in den sozialen Brennpunktgebieten) steuern zu helfen. Plate/Schwinges/Weiû41 ¹ging es darum, bauliche bzw. infrastrukturelle Maûnahmen auf ihre Auswirkungen auf Kriminalität hin zu untersuchenª. Herold42 und Helldörfer43 lag in Nürnberg daran, den Einsatz der dortigen Polizei zu verbessern. So hat sich (wie bei Shaw und McKay44) eine deutliche Massierung der Kriminalität in der Stadtmitte gezeigt, während die Auûenzonen kaum Belastungen aufwiesen. Diese Beobachtungen haben (zunächst in Nürnberg) zu organisatorischen Konsequenzen für den polizeilichen Einsatz geführt: Rückkehr zum ausschlieûlichen Fuûstreifendienst in der Kernzone (City), Beibehaltung des kombinierten Fahr- und Fuûstreifendienstes in der Mittelzone und Einführung bloûer Fahrstreifen in den kriminell weniger gefährdeten Auûenzonen der Stadt. Schon an diesen wenigen Beispielen ist deutlich zu erkennen, daû die kriminalgeographische Forschung praktisch verwertbare Resultate erbringt. 2.2

Zur kriminologischen Regionalanalyse (¹KRAª)

Deshalb wird sie auch (als ¹Kriminologische Regionalanalyseª) im Rahmen der Lagebeurteilung im Vorfeld der Kommunalen Kriminalprävention eingesetzt. Mit dieser werden die Aktivitäten bezeichnet, die die Kommunen inzwischen in Kooperation mit den Bürgern und ressortübergreifend im behördlichen Rahmen ein37 Plate, Monika/Schwinges, Ulrich/Weiû, Rüdiger: Strukturen der Kriminalität in Solingen. Wiesbaden 1985. 38 Schwind in der Untersuchung Bochum I, S. 6 ff. 39 Opp, Karl-Dieter: Zur Erklärung delinquenten Verhaltens von Kindern und Jugendlichen. München 1968. 40 Shaw, Clifford R./McKay, Henry D.: Juvenile Delinquency and Urban Areas, Chicago 1942 and London 1969 (2nd ed.). 41 Plate, Monika/Schwinges, Ulrich/Weiû, Rüdiger: Strukturen der Kriminalität in Solingen. Wiesbaden 1985, S. 24. 42 Herold, Horst: Kriminalgeographie. In: Schäfer, Herbert (Hg.): Grundlagen der Kriminalistik. Bd. 4. Hamburg 1968, S. 201±243. 43 Helldörfer, Heinrich: Nürnberg ± Kriminalgeographie einer Groûstadt. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.): Stadt und Stadtraum. Hannover 1974, S. 151±169. 44 Shaw, Clifford R./McKay, Henry D.: Juvenile Delinquency and Urban Areas, Chicago 1942 and London 1969 (2nd ed.).

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setzen, um vorbeugend selbst etwas gegen (ausufernde) Kriminalität, Verwahrlosung des öffentlichen Raumes und steigende Unsicherheitsgefühle zu tun.45 Die KRA stellt also eine Art ¹Marktanalyse im Bereich Sicherheitª dar, die nicht nur die Kriminalitätsverteilung erfaût, sondern auch soziale Strukturen und Präventionsangebote bis hin zu wohnquartierbezogener Ursachenforschung.46 Entsprechende Regionalanalysen sind z. B. durchgeführt worden: Z Z

Z

Z

Z Z

in Schleswig-Holstein (in Lübeck) von Papendorf/Neth47 (1991); in Baden Württemberg (in Calw, Freiburg im Breisgau, Ravensburg) von Dölling/Feltes48 (1993), Feltes49 (1995) und Heinz50 (1996/1997); in Niedersachsen 1992 von Bröring51 (im Kreis Lippe) sowie im selben Jahr (in Delmenhorst) von Allhusen-Siemer und Schütte52 sowie (in Osnabrück) 1998 von Hunsicker/Bruns/Oevermann/Ratermann53; in Nordrhein-Westfalen (in Hamm) von Reichertz/Misterek54 (1995) und (in Essen) von Wälter/Pannenbäcker/Rosenkranz55 (1996); in Hamburg-Altona von Legge56 (1996) und in Bayern (in Landau) von Ammer57 (1990) und von Tekles58 (1998) in Passau.

Einige dieser Projekte werden (wie z. B. in Baden-Württemberg) auch durch Forschung begleitet.59 Nur ein Teil der Regionalanalysen weist im übrigen auf die kriminalgeographischen Wurzeln hin, die auf das Chicago Area Project (CAP) zurückgeführt werden. 45 Überblick z. B. bei Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 338 ff. 46 Vgl. schon 1976 Jäger, Herbert: Die Kriminologische Regionalanalyse. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 4, 1976, S. 63 ff. 47 Papendorf, Kurt/Neth, Axel: Kriminologische Regionalanalyse. Lübeck 1991. 48 Dölling, Dieter/Feltes, Thomas (Hg.): Community Policing. Holzkirchen/Obb. 1993. 49 Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/Obb. 1995. 50 Heinz, Wolfgang: Kriminalprävention auf kommunaler Ebene. In: Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminalprävention und Strafjustiz. Kriminologie und Praxis Bd. 17. Wiesbaden 1996, S. 55±119 sowie in DVJJ-Journal, Jg. 8, Heft 1, 1997, S. 61±68 und Heft 2, 1997, S. 155±162. 51 Bröring, Dorothea: Kriminologische Regionalanalyse des Kreises Lippe. In: Koch, Karl-Friedrich (Hg.): Kriminalitätslagebild auf der Basis von kriminologischen Regionalanalysen. Wiesbaden 1992, S. 181±235. 52 Allhusen-Siemer, Marion/Schütte, Gerd: Planung und Umsetzung der Kriminalitätsvorbeugung. In: Koch, Karl-Friedrich (Hg.): Kriminalitätslagebild auf der Basis von kriminologischen Regionalanalysen. Wiesbaden 1992, S. 243±303. 53 Hunsicker, Ernst u. a.: Kriminologische Regionalanalyse Osnabrück 1996/97. Osnabrück 1998. 54 Reichertz, Jo/Misterek, Wolfgang: Subjektives Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsbelastung. Essen 1995. 55 Wälter, Helmut/Pannenbäcker, Frank/Rosenkranz, Martin: Kriminologische Regionalanalyse Essen. Bd. 1. Essen 1996. 56 Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg. Bd. I. Hamburg 1994 und Bd. II. Hamburg 1996. 57 Ammer, Andreas: Kriminalität in Landau. Holzkirchen/Obb. 1990. 58 Tekles, Herbert: Jugendhilfeplan der Stadt Passau. Teil I Sozialraumanalyse. Unterhaching 1998. 59 Heinz, Wolfgang: Kriminalprävention auf kommunaler Ebene. In: DVJJ-Journal, Jg. 8, Heft 1, 1997, S. 61±68 und Heft 2, 1997, S. 155±162.

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Insoweit ist daran zu erinnern, daû die erste Regionalanalyse schon ab Ende der dreiûiger Jahre von Shaw und McKay in Chicago durchgeführt wurde, und zwar mit dem heute wieder aktuell gewordenen Ziel, Primärprävention vor Ort zu initiieren. Dazu wurde für die erkannten ¹delinquency areasª der Stadt das Chicago Area Projekt (CAP) etabliert: Kriminalitätsvorbeugung vor Ort unter Einbindung der dort lebenden Menschen, nicht zuletzt der Geschäftsleute, die die Aktivitäten als Sponsoren unterstützt haben. 60 Die Ergebnisse der KRA werden, soweit sie sich auf Bochumer Themen beziehen, in dieser Untersuchung grundsätzlich mit berücksichtigt, aber nur dann, wenn diese Studien methodischen Mindestansprüchen genügen. 3

Aufbau der Untersuchung Bochum III

Die Untersuchung Bochum III verbindet die schon bisher beschriebenen Aufgaben nicht zuletzt mit dem Anliegen, auch Informationen für die Kommunale Kriminalprävention vor Ort zur Verfügung zu stellen. Deshalb sind z. B. die Bochumer Polizei und das Jugendamt durch Vertreter im interdisziplinären Team (Kriminologie/Rechtswissenschaften, Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Sozialarbeit, Mathematik und Statistik) vertreten. Der erste Teil der Untersuchung befaût sich mit der Beschreibung der Vorgehensweise bzw. mit (ausführlichen) methodischen Hinweisen (§§ 1 und 2). Im zweiten Teil wird zunächst die Entwicklung der registrierten Kriminalität (Hellfeldkriminalität) in der Stadt Bochum untersucht (§ 3), und zwar im Kontext der Entwicklung der PKS-Zahlen im Bund und in Nordrhein-Westfalen. Sodann wird die in der Stadt Bochum 1998 registrierte Kriminalität in ihrer geographischen Verteilung erfaût und mit den entsprechenden Resultaten der Untersuchungen Bochum I und II verglichen (§ 4). In diesem Rahmen werden auch ¹delinquency areasª andiskutiert. Ohne die Unterstützung, die das Team dabei durch städtische Behörden (Sozialamt, Jugendamt, Amt für Statistik, Einwohneramt, Jugendamt) und Arbeitsamt gefunden hat, wäre das nicht möglich gewesen; wir möchten uns bei dieser Gelegenheit dafür bedanken. Die folgenden Teile drei bis fünf (§§ 5 bis 12) enthalten die jeweils themenbezogenen Sekundäranalysen zu den bisher schon genannten Untersuchungsfeldern (Dunkelfeld, Anzeigeverhalten, Kriminalitätsfurcht und Ansehen der Polizei) sowie die entsprechenden Resultate der Untersuchung Bochum III. Der letzte (sechste) Teil der Studie schlieût mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und dem Versuch einer entsprechenden Diskussion ihrer praktischen Relevanz.

60 Vgl. ausführlich dazu Schwind in der Untersuchung Bochum I, S. 9 ff.

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Im Anhang befinden sich u. a. der verwendete Gesprächsleitfaden sowie die Materialien zur Konzipierungs- und Erhebungsphase und ein Glossar. Auf die Glossarbegriffe wird im laufenden Text durch Pfeile (Ü) hingewiesen.

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Erster Teil: Zur Methodik der Untersuchungen §1

Zur Methode der Bochumer Untersuchung

Gliederung 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Hellfelduntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Hellfelderhebung. . . . . . . . . . . . . Sondererfassungsbeleg der Untersuchung Bochum III Erfassungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchte Straftatbestände. . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfassungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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13 14 14 16 17 20

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5

Dunkelfelduntersuchung . . . . . . . . . Konzipierungsphase. . . . . . . . . . . . . . Unterschiedliche Erhebungsmethoden . Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . Pretest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl und Schulung der Interviewer Erhebungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . Stichprobenziehung . . . . . . . . . . . . . . Realisierte Erhebung . . . . . . . . . . . . . Ausschöpfungsquote . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Befragungsarten . . . . . . Gründe für Telefonbefragungen . . . . .

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20 20 20 21 22 22 23 23 24 27 29 30

3 3.1 3.2

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Hellfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Dunkelfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

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Die in diesem Paragraphen erläuterte Methodik bezieht sich zunächst auf die Hellfelduntersuchung (registrierte Kriminalität) und dann auf die Dunkelfeldforschung (nicht registrierte Kriminalität). 1

Hellfelduntersuchung

Wie bereits in den vorangegangenen Untersuchungen Bochum I1 und II2 wurden auch im Rahmen des Forschungsprojekts Bochum III die Erhebungen über das Hellfeld (registrierte Kriminalität) in Zusammenarbeit mit der Bochumer Polizei 1 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I). 2 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II).

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durchgeführt. Die an der Untersuchung beteiligten Dienststellen der Polizeibehörde Bochum sind (seit der Neuorganisation der Polizeibehörden in NRW) die Polizeiinspektionen (PI) Bochum-Mitte (vormals Schutzbereich Mitte), PI Bochum-Ost (vormals Schutzbereich Langendreer) und PI Bochum-West (vormals Schutzbereich Wattenscheid). 1.1

Durchführung der Hellfelderhebung

Im Rahmen einer polizeilichen Sondererfassung füllten Bochumer Polizeibeamte für jede angezeigte Straftat einen speziell konzipierten Erfassungsbeleg (= modifizierter ADV 2-Vordruck3) aus.4 Zum Teil wurden die Daten von den Sachbearbeitern manuell auf dem Papiervordruck registriert, zum Teil erfolgte die Eingabe durch den Eintrag in eine auf dem Monitor erscheinende Datenmaske. Die so entstandenen Belege wurden vor ihrer Auswertung zunächst zentral im Dezernat für Kriminalitätsangelegenheiten GS 2 (GS = Gefahrenabwehr/Strafverfolgung) gesammelt und einer Plausibilitätskontrolle hinsichtlich Vollständigkeit und Schlüssigkeit unterzogen. Durch die computergerechte Konzipierung des ADV-Vordrucks mit den behördenspezifischen Bezirks- und Straûenschlüsselnummern war es möglich, die Verteilung von Kriminalität auf Polizeibezirksebene mit Hilfe des Regio-Graph-Programmes optisch darzustellen (siehe dazu auch § 4±1.4.2). 1.2

Sondererfassungsbeleg der Untersuchung Bochum III

Durch die oben genannten ADV 1- und ADV 2-Vordrucke wurden von der Bochumer Polizei generell folgende Informationen erfaût: Z

Z

Angaben zur Straftat (Art des Delikts, Erfassung des Tatorts mit gesondertem Tatortschlüssel5) und Informationen zum Tatverdächtigen (Geschlecht, Alter, Nationalität, Wohnort, Arbeitslosigkeit, Alkoholeinfluû, Tatbeteiligung bzw. Alleintäterschaft, Tatzeit, Anzahl der begangenen Straftaten). Jedoch konnten beispielsweise für die Stadt Bochum 1998 nur in ca. der Hälfte der Fälle (gerundet 14.000 von 28.000) Tatverdächtige ermittelt werden.

3 ADV = Allgemeine Datenverarbeitung; ADV 2 = Datenerfassungsbeleg bei Tatklärung. 4 Der modifizierte ADV 2-Vordruck ist Bestandteil der polizeilichen Erfassungsbelege, die sich aus dem ADV 1-Vordruck (Angaben zur Straftat, zum Opfer und zum Schaden) und dem ADV 2-Vordruck (Angaben zum Tatverdächtigen) zusammensetzen. 5 Der Tatortschlüssel gibt an, in welcher Stadt der Kreispolizeibehörde (KPB) die Straftat begangen wurde. Die statistischen Erfassungen durch die Bochumer Polizei erfolgen für die Städte Bochum, Witten und Herne, die in ihrer Gesamtheit die Kreispolizeibehörde Bochum bilden. Bis einschlieûlich 1993 sind die Daten für die Stadt Bochum insgesamt aus einer Addition der Zahlen für ¹Bochum ohne Wattenscheidª und ¹Wattenscheidª zu errechnen. Erst seit der Neuorganisation der KPB Bochum im Jahr 1994 werden die Daten für die gesamte Stadt Bochum einheitlich ausgewiesen.

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Übersicht 2:

Sondererfassungsbogen

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Zusätzlich wurden bei bestimmten Delikten die folgenden Informationen erfaût: Z

Z

Angaben zum Opfer (Geschlecht, Alter, Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung) und Bezifferung des Schadens.

Die Erfassung der Kategorien Opfer und Schaden ist in der üblichen statistischen Erfassung für die PKS nur dann obligatorisch, wenn die PKS-Richtlinien diese Zusatzerfassung für bestimmte Delikte vorsehen.6 Zu den Delikten mit ergänzenden Angaben zum Opfer, zählt beispielsweise die Körperverletzung. Bei Delikten mit ergänzenden Angaben zum Schaden, wie z. B. beim Diebstahl, muûte die Schadenssumme angegeben werden. Bei einigen Delikten wie dem Raub muûten sowohl Angaben zum Opfer, als auch zum Schaden gemacht werden. Für den Erhebungszeitraum der Untersuchung Bochum III wurden 1998 für die Stadt Bochum 28.001 Straftaten registriert. In 4.000 Fällen sind Angaben zum Opfer ausgefüllt worden. Die Anzahl der Delikte, bei denen Angaben über die Schadenshöhe erfaût wurden, lag bei 17.400. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Sondererfassung für die Untersuchung Bochum III weitere wichtige Zusatzinformationen zur Straftat, zum Tatverdächtigen und zum Opfer in einen Sondererfassungsbeleg (siehe Übersicht 2) aufgenommen7: Z

Z

Z

Erfassung des genauen Tatorts anhand eines Bezirks- und eines Straûenschlüssels, Erfassung des Tatverdächtigenwohnsitzes anhand desselben Bezirks- und Straûenschlüssels, Staatsangehörigkeit des Opfers (bei Körperverletzungen).

Wie dem Auszug aus dem Sondererfassungsbogen (vgl. Übersicht 2) zu entnehmen ist, wurden diese Informationen nicht (wie sonst üblich) getrennt gesammelt, sondern für die Untersuchung Bochum III auf einem Blatt zusammengestellt. Dadurch war es einfacher möglich, alle Angaben zueinander in Bezug zu setzen (wie z. B. den Zusammenhang zwischen Nationalität des Opfers und des Täters). 1.3

Erfassungseinheiten

In der Untersuchung Bochum III muûten andere geographische Einheiten als in den Untersuchungen Bochum I und II zugrunde gelegt werden, weil die ursprünglich von den Behörden der Stadt Bochum verwendeten Gebietseinheiten nicht mehr benutzt werden. Die frühere Unterteilung wies 171 Statistische Wohnplätze (SWP) aus, zu denen auch andere statistische Informationen (z. B. Ergebnisse 6 Vgl. hierzu PKS-Richtlinien NRW Nr. 4.5 (Opfer) und 4.6 (Schaden). 7 Von den zahlreichen kriminologischen Fragestellungen sind in dem Erfassungsbeleg aufgrund des vorgegebenen Platzumfangs vor allem diejenigen berücksichtigt worden, die für die Vergleichbarkeit mit den Untersuchungen Bochum I und II relevant waren.

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aus Volkszählungen und weiteren Erhebungen der Stadt Bochum) vorlagen. Die SWP umfaûten meist mehrere Wohnblöcke, wobei sich ihre Einteilung an historisch gewachsenen Gegebenheiten orientierte. Inzwischen ist bei den Bochumer Behörden eine Erfassung von Informationen auf der Ebene von Statistischen Wohnplätzen nicht mehr üblich. Als kleinste räumliche Einheiten im Stadtgebiet, für die Angaben über die Zusammensetzung der Bevölkerung (Alter, Geschlecht, Nationalität) zur Verfügung stehen, können nunmehr nur noch die 46 Polizeibezirke ausgewiesen werden. Der damalige Vorschlag des Bochumer Teams, bei künftigen kriminalgeographischen Arbeiten noch weiter ¹auf die statistische Blockebene herunterzugehenª8, lieû sich für das Jahr 1998 also nicht verwirklichen. Zur Veranschaulichung der aktuellen (Polizeibezirke) und der ursprünglichen Gebietseinteilungen (SWP) siehe die abgedruckten Karten (Übersicht 4 und Übersicht 5). 1.4

Untersuchte Straftatbestände

Die Auswertung der Hellfelddaten bezieht sich grundsätzlich (wie bei den Untersuchungen Bochum I und II) nur auf solche Delikte, die auch in der Dunkelfeldbefragung erfaût wurden. Sie sind im einzelnen der Übersicht 3 zu entnehmen. Übersicht 3:

Die untersuchten Straftatbestände 9 Polizeilicher Deliktsschlüssel

Untersuchte Straftatbestände

21**

Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249±252, 255; 316 a StGB)

22** ohne 225*

Körperverletzung (§§ 223±227, 229, 231 StGB) ohne fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)

3*** ohne 326* und 327*

Diebstahl ohne erschwerende Umstände (§§ 242, 247, 248 a-c StGB) ohne einfachen Ladendiebstahl und einfachen Diebstahl aus sonstigen Geschäften

4***

Diebstahl unter erschwerenden Umständen (§§ 242±244 a StGB)

* = Platzhalter für die Ziffern 1 bis 9

Diese Delikte decken über die Hälfte aller in Bochum 1998 registrierten Straftaten ab.

8 Schwind in der Untersuchung Bochum I, S. 89. 9 Laut Straftatenkatalog der PKS NRW vom 1. 1. 1998 in der Fassung vom 1. 4. 1998.

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Übersicht 4:

S. 18

Polizeibezirke der Stadt Bochum 1998

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S. 19

Übersicht 5:

Statistische Wohnplätze der Stadt Bochum 1975 und 1986

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1.5

S. 20

Erfassungszeitraum

Der Erfassungsszeitraum in der Untersuchung Bochum III erstreckt sich vom 1. 1. 1998 bis einschlieûlich zum 31. 12. 1998. Abweichungen der für diesen Tatzeitraum erfaûten Zahlen in den offiziellen PKS-Landesdaten des Landeskriminalamtes NRW erklären sich u. a. daraus, daû die im Januar 1998 angefallenen statistischen ¹Überhängeª (sog. ¹Nacherfassungenª) für den Tatzeitraum des Vorjahres (1997) aussortiert wurden. Insofern wurden also nur die bereinigten Daten für das Jahr 1998 zugrunde gelegt. Die seitens des Landeskriminalamtes für 1998 vorgelegten PKS-Datenübersichten konnten daher nicht ohne weiteres herangezogen werden, da diese die Überhänge aus dem Jahre 1997 mit ausweisen.10 Dagegen bleiben für die vorliegende Untersuchung die ebenfalls in den PKS-Datenübersichten enthaltenen PKS-Fallzahlen auûer Betracht, die durch andere Behörden (z. B. Zoll und Bundesgrenzschutz) für die Kreispolizeibehörde Bochum erfaût wurden. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine von den genannten Behörden erfaûte Straftat aufgeklärt wurde und der Tatort11 innerhalb der KPB12 Bochum lag (z. B. bei Betäubungsmitteldelikten). 2

Dunkelfelduntersuchung

Dunkelfelduntersuchungen ergänzen das Zahlenwerk der Polizeilichen Kriminalstatistik und tragen damit zu einer realistischeren Lagebeurteilung bei. Der Umfang des Dunkelfeldes ist in hohem Maûe deliktsabhängig und wird darüber hinaus noch von weiteren Faktoren wie z. B. von der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung bestimmt. 2.1

Konzipierungsphase

2.1.1

Unterschiedliche Erhebungsmethoden

Die unterschiedlichen Erhebungsverfahren in der Dunkelfeldforschung haben sich in den letzten Jahren verändert. Telefonbefragungen und face-to-face13 (sowie auch postalische) Umfragen wurden geprüft (vgl. hierzu § 5±1.2). Es scheint je10 Die durch die Polizeibehörden dem LKA NRW im Laufe eines Jahres per ADV-Vordruck übermittelten PKS-Daten werden seitens des LKA in unterschiedlichen inhaltlichen Zusammensetzungen sowie zeitlichen Intervallen (z. B. monatlich, vierteljährlich, halbjährlich und ganzjährig) den Polizeibehörden in Form von Papierausdrucken oder auch per EDV-Datenübermittlung übersandt. 11 Die Straftaten werden nach dem Tatortprinzip der jeweiligen Tatortbehörde unter Verwendung der statistischen Schlüsselzahl der Tatortbehörde zugeordnet. Dadurch erfolgt keine Zuordnung zu einer statistischen Untereinheit, z. B. für die PI-Mitte in der Stadt Bochum. Für das Jahr 1998 wurden auf diesem Wege 1.331 Fälle, das entspricht 2,19 % der Gesamtzahl von 60.851 erfaûten Straftaten, für die Tatortbehörde Bochum durch andere Behörden erfaût. 12 Siehe dazu FN 5. 13 Von ¹Angesicht zu Angesichtª, also direkte mündliche Befragung; leider läût sich der englische Ausdruck nicht kurz und adäquat ins Deutsche übersetzen.

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doch, als mangele es in Deutschland an Vertrauen zum neuen Verfahren der telefonischen Befragung. Zu deren Effektivität und Aussagekraft fehlt es im deutschsprachigen Raum an empirischen Befunden.14 Für die Untersuchung Bochum III wurde ± wie schon bei den Untersuchungen Bochum I und II ± als Hauptbefragungsmethode die face-to-face Befragung gewählt. Zu Vergleichszwecken wurde zusätzlich eine kleinere Stichprobe telefonisch befragt. Damit war die Untersuchung Bochum III die erste viktimologische Untersuchung im deutschsprachigen Raum, in der beide Verfahren nebeneinander eingesetzt wurden. Hiermit sollte u. a. getestet werden, ob entsprechende Ausschöpfungsquoten erreicht werden könnten. Die Frage ist auch für die Zukunft bedeutsam, da angesichts ständig steigender Kosten die Finanzierung einer faceto-face Umfrage zunehmend schwieriger wird. 2.1.2

Erhebungsinstrumente

In der Untersuchung Bochum III wurde in weiten Teilen der gleiche Fragebogen verwendet wie in den Untersuchungen Bochum I und Bochum II (vgl. den Bochum III-Fragebogen im Anhang). Dies war schon deshalb notwendig, um die Vergleichbarkeit über die drei Meûzeitpunkte (1975, 1986, 1998) sicherzustellen. Einige Fragen wurden zusätzlich aufgenommen, um neueren Erkenntnissen der Kriminologie Rechnung zu tragen. Der Fragebogen bestand aus standardisierten Fragen, die durch den Interviewer wörtlich (sowohl face-to-face als auch telefonisch) gestellt wurden. Der für jedes Interview benutzte Fragebogensatz bestand aus einem Mantelfragebogen und zwei verschiedenen Deliktsfragebögen. Der weiûe vierseitige Mantelfragebogen enthielt diejenigen Fragen, die den Pbn unabhängig davon, ob sie im letzten Jahr Opfer geworden waren, gestellt wurden. Alle Fragen zu einer Viktimisierung im Jahr 1998 wurden auf zwei Deliktsfragebögen erfaût: Diebstahls- und Raubdelikte auf gelbem, Körperverletzungen auf rotem Papier. Anhand des Deliktsbogens wurden der Tathergang, die Tatzeit, der Tatort (postalische Adresse) und die Tatörtlichkeit (z. B. Wohnung, Keller, Arbeitsplatz) erfaût; der Interviewer nahm eine rechtliche Qualifizierung des jeweiligen Delikts vor. War ein Pb im letzten Jahr mehrfach Opfer geworden, wurde für jede der an ihm verübten Straftaten ein Deliktsbogen ausgefüllt (analog zum bei der Polizei erhobenen Hellfeld: Diebstahl/Raub bzw. Körperverletzung). Die Tatortadresse muûte anschlieûend vom Interviewer dem jeweiligen Stadtteil zugeordnet werden.

14 In einer der wenigen entsprechenden Untersuchungen erreichten Baurmann u. a. 1987 in einer Pilotstudie in Heidelberg eine Ausschöpfungsquote von 61 %: Baurmann, Michael C. u. a.: Telefonische Befragung von Kriminalitätsopfern. In: MschrKrim, Jg. 74, Heft 3, 1991, S. 171.

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Der Fragebogen wurde in die türkische und russische Sprache übersetzt, um Pbn, die nicht deutsch sprechen, besser erreichen zu können. 2.1.3

Pretest

Der Fragebogen wurde im November 1998 in einem Pretest sowohl mündlich als auch telefonisch getestet. Einige Fragen muûten danach geringfügig geändert werden. Als Fazit aus dem Pretest lieûen sich folgende wesentlichen Punkte festhalten: Z

Z

Das für die Untersuchung ursprünglich vorgesehene Motto ¹Untersuchung zur Lebensqualität in Bochumª wurde fallengelassen, da sich viele Pbn unter dieser Formulierung nicht Fragen über Kriminalität vorgestellt hatten und deshalb in ihren Erwartungen oftmals enttäuscht wurden. Das neue Motto lautete nunmehr: ¹Wie können wir unsere Stadt sicherer machen?ª Zur Steigerung der Akzeptanz in der Bevölkerung muûte noch deutlicher gemacht werden, daû die Befragung von der Universität und nicht von der Polizei durchgeführt wurde. Es ergaben sich Hinweise darauf, daû einige Pbn Angst vor der Weitergabe ihrer Daten an die Polizei hatten. Die Universität hingegen genieût insofern vermutlich einen gewissen Vertrauensvorschuû.

Z

Z

Einige Fragen samt Antwortmöglichkeiten wurden nochmals umformuliert, um sie verständlicher zu machen. Die Erfahrungen aus dem Pretest wurden bei der Vorbereitung der Interviewer einbezogen, um die Qualität der Interviewerschulung zu verbessern.

2.1.4

Auswahl und Schulung der Interviewer

Die Bereitschaft von Pbn, sich an einer Untersuchung zu beteiligen, wird im hohen Maûe von der Person des Interviewers beeinfluût. Durch entsprechendes Auftreten und kommunikatives Verhalten trägt er maûgeblich zu einer höheren Ausschöpfungsquote bei. Hierzu ist es allerdings erforderlich, durch eine intensive Interviewerschulung Kompetenz und Vorgehensweisen zu vermitteln, die letztendlich zum Erfolg führen. Weiterhin ist plausibel, daû durch das Auftreten und Verhalten des Interviewers das Antwortverhalten des Pbn (unbewuût) beeinfluût und somit die Validität (Ü Glossar) der Aussagen gefährdet werden kann.15 Ein Fehlverhalten des Interviewers im Moment der Durchführung der Befragung ist jedoch bei der späteren Auswertung nicht mehr reparabel. Deshalb ist das korrekte Verhalten des Interviewers von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Untersuchungsergebnisse. Da je15 Vgl. Reuband, Karl-Heinz: Zur Rekrutierung und sozialen Zusammensetzung von Interviewerstäben. In: Meulemann, Heiner/Reuband, Karl-Heinz (Hg.): Soziale Realität im Interview. Frankfurt 1984, S. 61±80.

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doch vor allem bei face-to-face Befragungen im Wohnumfeld der Pbn wirksame Maûnahmen zur Kontrolle des Interviewerverhaltens nur schwerlich ergriffen werden können, muû im Rahmen der Interviewerschulung ein Problembewuûtsein für die Gefahren der Manipulation des Pbn erzeugt werden; darüber hinaus können Methoden aufgezeigt werden, wie verzerrende Einflüsse durch trainierte Verhaltensregeln weitgehend eliminiert werden können. Die Interviewer wurden aus diesen Gründen sehr sorgfältig ausgewählt und geschult. Aus den ca. 250 studentischen Bewerbern, die ganz überwiegend aus der Kriminologie-Vorlesung der Ruhr-Universität Bochum im Wintersemester 1998/ 99 stammten, wurden in 20 minütigen Einzelgesprächen von den Mitarbeitern des Forschungsteams 148 Studenten ausgesucht, die aufgrund ihres Auftretens und ihrer Motivation als geeignete face-to-face Interviewer erschienen. Weitere 18 Bewerber, die darüber hinaus über eine angenehme Stimme und eine besonders gute Rhetorik verfügten, wurden für das telefonische Interviewerteam eingesetzt. Kurz vor Beginn der Feldphase wurden alle Interviewer in Gruppen mit jeweils etwa 20 Teilnehmern von den Teammitgliedern geschult. Die 18 Telefoninterviewer wurden auf die Besonderheiten der telefonischen Befragung durch einen erfahrenen Personaltrainer vorbereitet. Die Schulungen umfaûten für alle Interviewer mindestens zwei Einheiten zu je vier Zeitstunden. In den Schulungen wurden die theoretischen Grundlagen der sozialen Situation im Interview erläutert und die Studenten u. a. in den Bereichen Gesprächsführung, Rhetorik und Einwandbehandlung trainiert. Darauf aufbauend wurde in Rollenspielen das Verhalten im Interview sowie der Umgang mit dem Fragebogen praxisnah eingeübt. Um die rechtliche Qualifizierung der Delikte nach den Erzählungen der Pbn selbst vornehmen zu können, wurden die (bereits juristisch vorgebildeten) Interviewer gezielt geschult. Damit wurde eine mögliche Fehlerquelle, nämlich die rechtliche Einordnung durch juristische Laien, weitgehend vermieden (vgl. § 5±1.5.2). Auszüge aus dem Gesprächsleitfaden, die eine Übersicht über die Inhalte der Interviewerschulung ermöglichen, sind im Anhang dieses Buches aufgeführt. 2.2

Erhebungsphase

2.2.1

Stichprobenziehung

Die Stichprobe wurde ± wie in den früheren Untersuchungen ± aus der Einwohnerdatei der Stadt Bochum gezogen. Stichtag war der 1. Dezember 1998. Es sollten erneut 0,5 % der Bochumer Einwohner ab 14 Jahren befragt werden (1.758 vorgesehene Interviews). Das Bochumer Einwohneramt fertigte eine Liste an, die von jedem 50. Bochumer Bürger folgende Angaben enthielt: Name, Vorname, Adresse, Nationalität und Alter. Jeweils vier aufeinanderfolgende Pbn bildeten einen sog. ¹Viererpackª. Davon wurde der erste in die Stichprobe aufgenommen; die restlichen drei waren Ersatz-Pbn.

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Für die Telefonbefragung (0,1 % der Bevölkerung) wurde eine zweite Stichprobe gezogen, mit der jeder 250. Einwohner Bochums erfaût wurde (351 vorgesehene Interviews). Das weitere Verfahren war identisch mit dem der face-to-face Befragung. 2.2.2

Realisierte Erhebung

Die Erhebung fand vom 7. Januar bis zum 5. März 1999 statt. Der Besuch bzw. der Anruf durch einen Interviewer wurde den Pbn in einem Brief in deutscher (vgl. Anhang) bzw. türkischer Sprache angekündigt. Der Brief erklärte den Zweck der Untersuchung und warb um Beteiligung. Auûerdem enthielt er für eventuelle Rückfragen die Telefonnummern des Lehrstuhls, der Polizei und des Jugendamtes. Die örtliche Presse berichtete mehrfach über die Umfrage. Die Presseberichte waren durchweg positiv und riefen zur Teilnahme an der Untersuchung auf (vgl. Übersicht 6 und Anhang). Auch im Lokalteil der türkischen Zeitung Hürriyet wurde auf die Befragung hingewiesen. Eingesetzt wurden (wie bereits erwähnt) bei den face-to-face Befragungen schlieûlich 148 Interviewer (86 Frauen und 62 Männer) sowie bei den telefonischen Befragungen 18 Interviewer (14 Frauen und vier Männer). Bei ausländischen Pbn wurde Wert darauf gelegt, daû sie von Landsleuten befragt wurden. Frauen wurden nur von Frauen interviewt. In der von der Stadt Bochum übermittelten Liste war auch das Alter der Einwohner enthalten. Zur internen Kontrolle darüber, ob das Interview auch tatsächlich stattgefunden hatte, muûten die Interviewer das ihnen unbekannte Geburtsjahr der Pbn erfragen. Dieses Geburtsjahr wurde anhand der Pbn-Nummer mit dem in der Liste verglichen. Dabei zeigte sich, daû drei der 166 Interviewer die Befragungen teilweise nicht ordnungsgemäû durchgeführt haben; betroffen waren elf Interviews. Die Interviewer, die diese Fragebögen ausgefüllt hatten, wurden zum Gespräch einbestellt, und die gefälschten Interviews wurden aus der Stichprobe herausgenommen, was zur Verminderung der Ausschöpfungsquote führte. Der Anteil der gefälschten Interviews betrug etwa 0,7 %. Auch dieser (relativ) niedrige Anteil hat jedoch überrascht, weil die als Interviewer eingesetzten Studenten in der Schulung ausdrücklich auf die möglichen strafrechtlichen Folgen einer Fälschung (versuchter oder vollendeter Betrug) hingewiesen wurden. In der Literatur 16 wird allerdings von einer Fehlermarge von bis zu 6 % berichtet.

16 Schnell, Rainer: Der Einfluû gefälschter Interviews auf Survey-Ergebnisse. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 20, Heft 1, 1991, S. 27; Wasmer, Martina u. a.: Konzeption und Durchführung der ¹Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaftenª (ALLBUS) 1996. Mannheim 1996, S. 65 ff.

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Übersicht 6:

Zeitungsartikel: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 6. 1. 1999

Wurde ein Pb für das face-to-face Interview während des gesamten Befragungszeitraums zu unterschiedlichen Tageszeiten fünfmal nicht angetroffen, wurde versucht, ihn telefonisch zu befragen. Bei den nicht erreichbaren Pbn handelte es sich auffällig häufig um Personen zwischen 25 und 35 Jahren, also um eine aktive Altersgruppe, die nur selten tagsüber zuhause ist. Immerhin konnten 79 dieser 216 Personen doch noch per Telefon befragt werden; dadurch erhöhte sich die Ausschöpfungsquote um 4,6 Prozentpunkte. Bei einer erstmaligen Verweigerung der Teilnahme erhielten die Pbn ein neues Schreiben mit der eindringlichen Bitte um Kooperation sowie zwei Presseberichte über die Untersuchung. Danach suchten die Interviewer die Pbn erneut auf; 87 Interviews konnten auf diese Weise erfolgreich abgeschlossen werden. Verweigerte sich ein Pb wiederum, wurde er gegen Ende des Befragungszeitraums von 25

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S. 26

einem Mitglied der sog. ¹Herkulesgruppeª17 nochmals aufgesucht; immerhin wurden so noch 29 Interviews realisiert. Die ¹Herkulesgruppeª mit ihrem martialischen Namen bestand nicht etwa aus einer Gruppe aggressiver oder gar gewalttätiger Interviewer ± ganz im Gegenteil: es handelte sich vielmehr um Interviewer, die durch ihre freundliche Art besonders erfolgreich waren und ± ob mit oder ohne Voranmeldung blieb ihnen überlassen ± versuchten, die Verweigerer zu motivieren, doch noch an der Befragung teilzunehmen. Diese Bochumer Vorgehensweise ist in der empirischen Sozialforschung nicht unumstritten. So vermuteten beispielsweise Kury u. a.18, daû die Befragungen durch solche Herkulesgruppen zu viele ¹weiû nichtª-Antworten erbrächten, ohne diese Annahme allerdings empirisch belegen zu können. Auf die zweite Person (Ersatz-Pb) des Viererpacks wurde nur dann übergegangen, wenn der Pb Z Z Z Z

verstorben, nicht interviewfähig, unbekannt verzogen oder zwar in Bochum gemeldet war, sich aber auf Dauer auûerhalb der Stadt aufhielt (z. B. Seefahrer, Wehrdienstleistende, Studenten, im Ausland Lebende).

Als nicht interviewfähig galten Pbn bei Z Z Z Z

geistiger Behinderung, Aufenthalt auf einer Intensivstation, angeordneter Betreuung (früher Vormundschaft) oder Vorliegen eines echten Pflegefalls.

Pbn galten als verzogen, wenn Z Z

Z

kein Name mehr auf der Klingel und dem Briefkasten stand, ausdrückliche Informationen von Nachbarn vorlagen, daû der Pb dort nicht mehr wohnte, erkannt werden konnte (z. B. durch das Fenster), daû die Wohnung leer stand.

Es kam auch vor, daû sich ein Angehöriger eines Pbn meldete und von der Befragung abzusehen bat (Sicherheitsgründe, Angst vor Fremden etc.). In diesem Fall wurde zunächst ein Telefongespräch über die Gründe geführt; dann wurde angeboten, den bzw. die Angehörigen während der Befragung anwesend sein zu lassen. Stieû auch dies nicht auf Zustimmung, galt dieser Fall als Verweigerung.

17 Vgl. hierzu Untersuchung Bochum II, S. 40 f. 18 Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 29 f. Vgl. auch Sessar, Klaus: The Forgotten Nonvictim. In: International Review of Victimology, 1, 1990, S. 113 ff.

26

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S. 27

Angemerkt sei schlieûlich noch, daû grundsätzlich mit Interviewerausweisen gearbeitet wurde, was u. a. möglichen ¹Trittbrettfahrernª vorbeugen sollte. Entsprechende Versuche, sich Zugang zu den Adressaten zu verschaffen, gab es tatsächlich. Bei der Telefonbefragung stellte sich ein weiteres Problem: Bei Pbn, die in keinem verfügbaren Verzeichnis (Telefonbuch, Internet, CD-ROM, Auskunft) gefunden werden konnten, wurde ein Schreiben mit der Bitte um Zusendung der Telefonnummer und ein frankierter Rückumschlag zugeschickt; falls sie nicht antworteten, erhielten sie ein zweites Schreiben mit der Kopie der Zeitungsartikel über die Umfrage. Auf diese Weise konnten zehn von 50 Personen mit anonymen Anschlüssen bzw. ¹Handysª befragt werden. Von den 2.109 ausgedruckten Viererpacks auf den Listen des Einwohneramts Bochum konnten nur 2.065 bearbeitet werden. In 44 Fällen stellte sich gegen Ende des Befragungszeitraums heraus, daû die Erstadressaten verzogen, verstorben oder dauerhaft erkrankt waren, so daû ± nach eigenen restriktiven Bedingungen ± nicht mehr auf Ersatzpbn übergegangen werden durfte; diese Fälle wurden als stichprobenneutral gewertet. Eine Besonderheit sei abschlieûend noch erwähnt: Der moslemische Fastenmonat Ramadan 19 fiel in den Anfang des Befragungszeitraums. Während dieser Zeit wurden keine Interviews mit türkischen Pbn durchgeführt. Erst nach den anschlieûenden viertägigen Feiern zum Ende des Fastenmonats wurde mit den Befragungen begonnen. 2.2.3

Ausschöpfungsquote

Die Ausschöpfung bei beiden Befragungsarten in der Untersuchung Bochum III zeigt Übersicht 7. Auffallend ist, daû beide Gruppen insgesamt nicht sehr weit auseinander liegen. Die Verweigerungsquote war hingegen bei der Telefonstichprobe deutlich niedriger als bei der face-to-face Gruppe. Mit insgesamt 80,4 % realisierten Interviews bietet die Untersuchung Bochum III eine verwertbare Grundlage für Interpretationen. Im Vergleich zu den Untersuchungen Bochum I (84,8 %) und Bochum II (80,0 %) erscheint die Quote der vorliegenden Untersuchung angesichts ständig ungünstiger werdender Rahmenbedingungen (Datenschutz, Individualisierungstendenzen in der Bevölkerung etc.) hoch.

19 20. 12. 1998 bis 18. 1. 1999.

27

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S. 28

Übersicht 7:

Ausschöpfungsquoten der beiden Befragungsarten in der Untersuchung face-to-face Stichprobe

Telefonstichprobe

insgesamt

insgesamt realisiert 1.399 81,3 % 262 76,2 % 1.661 80,4 % ±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±± face-to-face realisiert 1.320 76,7 % ± 1.320 63,9 % ±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±±± am Telefon realisiert 79 4,6 % 262 76,2 % 341 16,5 % Verweigerungen Telefon-Nr. unbekannt

160

9,3 %

±

21

6,1 %

181

8,8 %

52

15,1 %

52

2,5 %

Pb nicht erreicht

137

8,0 %

8

2,3 %

145

7,0 %

sonstige Ausfälle

25

1,5 %

1

0,3 %

26

1,3 %

1.721

100 %

344

100 %

2.065

100 %

Summe

Übersicht 8 zeigt, daû sich Beharrlichkeit lohnt. Bei den face-to-face Befragungen konnten zwar 83,4 % aller mit Versuchsangaben dokumentierten Interviews mit höchstens drei Kontaktversuchen erfolgreich abgeschlossen werden. Für 16,6 % waren jedoch mehr als drei Versuche nötig. Das Maximum waren elf Anläufe. Auch bei der telefonischen Befragung wird deutlich, wie sinnvoll es war, viele Kontaktversuche zu unternehmen: 12,8 % der Interviews wurden erst ab dem sechsten Kontaktversuch realisiert. Ebenso wurde bei den Verweigerern Überzeugungsarbeit geleistet. 87 Pbn (4,2 %) konnten zur Teilnahme gewonnen werden, obwohl sie zunächst die Mitarbeit verweigert hatten. Die Interviewer konnten sogar weitere 29 Pbn (1,4 %) zu einer Teilnahme überzeugen, obwohl diese zuvor zweimal erklärt hatten, nicht teilnehmen zu wollen. Durch die besonderen Anstrengungen der Interviewer (mehr als dreimaliges Aufsuchen der Probanden, mehr als fünf Telefonversuche, Überzeugen von anfänglichen Verweigerern) konnte die Ausschöpfungsquote von knapp 63 % auf über 80 % gesteigert werden.

28

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S. 29

Übersicht 8:

Kontaktversuche bei den realisierten Interviews face-to-face Stichprobe

Telefonstichprobe

Anzahl der Versuche

Häufigkeit

kumulierte %

Häufigkeit

kumulierte %

1

497

38,1

96

37,4

2

377

67,0

61

61,1

3

215

83,4

40

76,7

4

121

92,7

20

84,4

5

77

98,6

7

87,2

6

13

99,6

10

91,1

5

100,0

23

100,0

>6 Summe

1.305

arithm. Mittel*

257 2,2

2,9

Median*

2

2

Maximum

11

18

Bei 15 face-to-face und fünf telefonischen Interviews war die Versuchsanzahl nicht angegeben. * Zu den Begriffen Ü Glossar

Als Gründe für das insgesamt gute Ergebnis dürften folgende Faktoren maûgeblich sein: Z

Z Z Z

sorgfältige Schulung und Betreuung der Interviewer, was sich positiv auf deren Motivation auswirkte, die beschriebene Beharrlichkeit der Interviewer, die Presseberichterstattung und die wiederholten Anschreiben an die Pbn.

2.2.4

Vergleich der Befragungsarten

Da die Stichprobenziehung und der Fragebogen in beiden Befragungsarten nahezu gleich waren, können die Ergebnisse direkt miteinander verglichen werden. Die durchschnittliche Dauer der Telefoninterviews lag deutlich unter der der faceto-face Befragungen (vgl. Übersicht 9). Zwei mögliche Gründe bieten sich dafür an: Z

Z

Gesprächspausen werden am Telefon als peinlich empfunden, weil sie nicht durch Blickkontakte und Gesten überbrückt werden können, und deshalb vermieden. Bei den face-to-face Befragungen wurden den Pbn zu einigen Fragen (z. B. entwendetes Gut, Gründe für eine Nichtanzeige) vorgefertigte Antwortkärtchen (siehe Anhang) vorgelegt, für deren Durchlesen Zeit beansprucht wurde. Bei den telefonischen Interviews war das nicht möglich. 29

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S. 30

Übersicht 9:

Dauer der Interviews (in Minuten) face-to-face Befragung

telefonische Befragung

31,1

21,6

30

20

Minimum

8

10

Maximum

120

45

arithmetisches Mittel Median

Ferner ist festzuhalten, daû die Telefonbefragungen deutlich preiswerter waren als die face-to-face Befragungen. Bei gleichem Budget könnten per Telefon somit wesentlich mehr Interviews durchgeführt werden. Für die Entscheidung, die Befragungsarten zu einer Gesamtstichprobe zusammenzufassen, muûte auch noch die Substichprobe der Pbn berücksichtigt werden, die ursprünglich face-to-face, dann aber telefonisch befragt wurden. Die Altersverteilung der drei Unterstichproben zeigte keine signifikanten Unterschiede. Auffallend war allerdings ± wie bereits beschrieben ± der hohe Anteil der 26- bis 35 jährigen Pbn in der Substichprobe, die von der face-to-face in die telefonische Befragung übernommen wurden. Die Unterschiede zwischen deutschen, türkischen und sonstigen ausländischen Pbngruppen sind ebenfalls statistisch nicht signifikant. Entsprechendes gilt für die Geschlechtsverteilung innerhalb der Unterstichproben. Dieses Ergebnis gibt Anlaû dazu, die drei Substichproben für die weitere Datenauswertung zu einer Gesamtstichprobe zusammenzufassen. 2.2.5

Gründe für Telefonbefragungen

Einige Wochen nach Abschluû der Befragung wurde jedem Interviewer schriftlich mitgeteilt, wie viele Interviews er geführt hatte und welcher Betrag ihm überwiesen wurde. Diesem Schreiben lag ein kurzer Fragebogen über seine Erfahrungen als Interviewer bei. 87 der 166 Interviewer antworteten (Rücklaufquote ca. 52 %). Hierbei ergaben sich folgende Ergebnisse: Z

Z Z

Z

Die Telefoninterviewer hatten signifikant mehr Lust, noch einmal an einer ähnlichen Befragung teilzunehmen. Die Arbeit hat den Telefoninterviewern mehr ¹Spaûª gemacht. Die Telefoninterviewer fühlten sich stärker als Mitglied des Forschungsteams und fühlten sich durch die hauptamtlichen Mitarbeiter des Lehrstuhls sowie durch die anderen Interviewer stärker unterstützt als die face-to-face Interviewer. Das Nichterreichen eines Pbn wurde von den face-to-face Interviewern als belastender erlebt als von den Telefoninterviewern.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daû die Zufriedenheit der Telefoninterviewer mit ihrer Tätigkeit höher war als die der face-to-face Interviewer. 30

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S. 31

Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung Bochum III spricht sehr viel dafür, telefonische Interviews als Möglichkeit der Datenerhebung in Zukunft verstärkt einzusetzen. Es ergaben sich: Z Z

Z Z Z

keine Unterschiede in den Ausschöpfungsquoten, keine Unterschiede in der soziodemographischen Zusammensetzung der Stichproben, deutlich niedrigere Kosten pro realisiertem Interview bei der Telefonbefragung, eine signifikant höhere ¹Arbeitszufriedenheitª der Telefoninterviewer und deutliche Vorteile bei der Kontrolle und Supervision der Interviewer in der Telefonbefragung.

3

Zusammenfassung

3.1

Hellfeld

Die Erhebung über das Hellfeld wurde ± wie in den früheren Untersuchungen ± auch im Forschungsprojekt Bochum III in Zusammenarbeit mit der Bochumer Polizei durchgeführt. Im Rahmen einer Sondererfassung füllten Polizeibeamte für jede angezeigte Straftat einen speziell konzipierten Erfassungsbeleg mit Angaben über die Straftat, den Tatverdächtigen, das Opfer und den Schaden aus. Für die Untersuchung Bochum III konnten die kleinräumlichen geographischen Einheiten (171 Statistische Wohnplätze), wie sie in den vorangegangenen Untersuchungen verwendet wurden, nicht mehr zugrunde gelegt werden: Die Bochumer Behörden benutzen diese Einteilung nicht mehr. Kleinste räumliche Einheiten sind nunmehr die 46 Polizeibezirke. Aus den erhobenen Hellfelddaten wurden nur solche Delikte ausgewählt, die sich für eine Dunkelfeldbefragung eignen und auch bei der Bochumer Dunkelfeldforschung abgefragt wurden. Es sind dies: Z Z Z

Z

Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer; (vorsätzliche) Körperverletzung; Diebstahl ohne erschwerende Umstände (ohne einfachen Ladendiebstahl bzw. einfachen Diebstahl aus sonstigen Geschäften); Diebstahl unter erschwerenden Umständen.

Der Erfassungszeitraum umfaûte das Kalenderjahr 1998. 3.2

Dunkelfeld

Die Dunkelfelderhebung erfolgte ± wie schon in den Untersuchungen Bochum I und II ± mit einer face-to-face Befragung. Zusätzlich wurde eine kleinere Stichprobe telefonisch befragt. Diese Kombination ist für den deutschsprachigen Raum ± soweit uns bekannt ist ± ein Novum. Es sollte u. a. getestet werden, ob sich Unterschiede in der Ausschöpfungsquote und im Antwortverhalten ergaben. 31

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S. 32

Der Fragebogen entsprach im wesentlichen dem der früheren Untersuchungen. Er bestand aus einem Mantelfragebogen für alle Befragten und im Falle einer berichteten Viktimisierung aus zwei unterschiedlichen Deliktsfragebögen (Diebstahl/ Raub bzw. Körperverletzung). Nach einem Pretest wurde der Fragebogen noch geringfügig modifiziert. Der Auswahl und der Schulung der Interviewer wurde besondere Bedeutung beigemessen. In Einzelgesprächen sind 148 Studenten für die face-to-face Befragung und weitere 18 für die Telefonbefragung ausgesucht worden. Diese intensive Schulung umfaûte u. a. Interviewertechniken und Rhetorik, aber auch die rechtliche Qualifizierung bestimmter Fallkonstellationen. Die Stichprobe für die Dunkelfelderhebung wurde zum Stichtag 1. Dezember 1998 aus der Einwohnermeldedatei der Stadt Bochum gezogen. Es sollten 0,5 % der Einwohner (ab 14 Jahren) face-to-face befragt werden (1.758 vorgesehene Interviews). Für die Telefonbefragung wurden 0,1 % der Bochumer Bevölkerung ausgewählt (351 vorgesehene Interviews). Die Erhebung fand vom 7. Januar bis zum 5. März 1999 statt. Referenzzeitraum war das Kalenderjahr 1998. Bei der face-to-face Befragung suchten die Interviewer die Pbn nach vorheriger schriftlicher Anmeldung auf. Wurde ein Pb während des gesamten Befragungszeitraums zu unterschiedlichen Tageszeiten fünfmal nicht angetroffen, wurde versucht, ihn telefonisch zu interviewen. 79 Personen konnten so noch per Telefon befragt werden, was die Ausschöpfungsquote um 4,6 Prozentpunkte erhöhte. Auch bei der Telefonbefragung waren die Bemühungen intensiv: So erhielten diejenigen Pbn, die in keinem verfügbaren Verzeichnis (z. B. Telefonbuch, Internet) gefunden werden konnten, ein Schreiben mit der Bitte um Mitteilung ihrer Telefonnummer. Auf diese Weise konnte auch mit zehn dieser 50 Personen noch ein Interview geführt werden. Die Ausschöpfungsquoten der beiden Befragungsarten lagen eng beieinander. Insgesamt konnten 80,4 % der geplanten Interviews realisiert werden ± eine mit den Untersuchungen Bochum I und II vergleichbare Quote. Ein methodisches Ziel der Untersuchung, nämlich die Klärung der Frage, ob mit telefonischen Interviews ähnliche Erfolge wie mit face-to-face Befragungen erzielt werden könnten, wurde erreicht. Die Telefonbefragung zeigte keine Unterschiede in der Ausschöpfungsquote, war pro Interview deutlich kostengünstiger und motivierte die Interviewer stärker. Es spricht daher sehr viel dafür, diese Methode in Zukunft vermehrt zu erproben.

32

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§2

S. 33

Statistische Methoden der Datenauswertung

Gliederung 1 1.1 1.2 1.3

Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . Arithmetisches Mittel und Median. Der Korrelationskoeffizient . . . . . Partialkorrelationskoeffizienten. . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

34 34 35 38

2

Konfidenzintervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3 3.1 3.2

Signifikanztest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Die Interpretation der Testergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Verfahren nach Bonferroni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4

Regressionsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

5

Skalenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

6 6.1 6.2

Erforderliche Stichprobengröûen bei Opferbefragungen. . . . . 47 Stichprobenumfang bei gegebenen Genauigkeitsanforderungen . . 47 Genauigkeitsabschätzung bei gegebenem Stichprobenumfang . . . 49

Auch in der Untersuchung Bochum III wurden wiederum (wie in den Untersuchungen Bochum I1 und II2) Z

Z Z Z Z Z

Kennzahlen (wie z. B. Mittelwerte und Korrelationsmaûe) in der Stichprobe bestimmt und für die entsprechenden Kennzahlen in der Grundgesamtheit Konfidenzintervalle berechnet und Signifikanztests durchgeführt. Zusätzlich wurden Fragen untersucht, die mit der Regressionsrechnung beantwortet werden können. Des weiteren waren die Skalenanalyse und die Bestimmung der erforderlichen Stichprobengröûe von Bedeutung.

Worum es dabei geht, soll dem Leser, der mit statistischen Methoden nicht vertraut ist, neben knappen theoretischen Erklärungen anhand von Beispielen aus den vorangegangenen Studien und der hier vorgelegten kurz erläutert werden.

1 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I). 2 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II).

33

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S. 34

1

Kennzahlen

1.1

Arithmetisches Mittel und Median

Häufig wird die Verteilung eines Merkmals (einer Variablen) durch einfache Kennzahlen beschrieben. Hierzu zählen vor allem verschiedene Mittelwerte, sog. ¹Maûzahlen der zentralen Tendenzª. Beispiele: Wie hoch ist das durchschnittliche Alter eines Opfers einer Körperverletzung? Welche Note wird der Polizei im Hinblick auf ihre Aktivitäten zur Kriminalitätsbekämpfung im Durchschnitt gegeben? Zur Veranschaulichung dieses Problems sind in Übersicht 10 die Schadenssummen einer Stichprobe von fünf fiktiven Diebstahlsopfern aufgeführt. Die Frage ist nun: Durch welchen Wert läût sich in dieser Stichprobe die ¹typischeª Schadenssumme bei einem Diebstahl am besten beschreiben? Zur Lösung dieser Frage gibt es in der Statistik eine Vielzahl von ¹Maûen der zentralen Tendenzª, von denen im folgenden zwei etwas näher erläutert werden sollen, nämlich das arithmetische Mittel und der Median. Z

Das arithmetische Mittel einer Stichprobe wird errechnet, indem alle Werte einer Variablen in einer Stichprobe addiert werden und diese Summe anschlieûend durch die Gröûe der Stichprobe dividiert wird. Für das Beispiel aus Übersicht 10 bedeutet dies: Arithmetisches Mittel =

50 DM ‡ 100 DM ‡ 200 DM ‡ 300 DM ‡ 10:000 DM 5

Hieraus errechnet sich ein Wert von 2.130 DM. Übersicht 10:

Ein fiktives Beispiel für unterschiedliche Schadenssummen bei Diebstahlsopfern

Z

34

Name des Opfers

Schadenssumme

Herr M.

50 DM

Herr L.

100 DM

Frau S.

200 DM

Herr K.

300 DM

Frau B.

10.000 DM

Der Median als alternatives Maû der zentralen Tendenz bezeichnet den mittleren der der Gröûe nach geordneten Merkmalswerte.

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Im Hinblick auf die Zahlen aus Übersicht 10 beträgt der Median somit 200 DM: Zwei Werte sind kleiner, zwei Werte sind gröûer als diese Schadenssumme. Im Vergleich zum arithmetischen Mittel hat der Median den Nachteil des Informationsverlustes, denn nicht alle Beobachtungswerte flieûen explizit in die Berechnung ein. Ein wichtiger Vorteil des Medians gegenüber dem arithmetischen Mittel liegt jedoch darin, daû dieser sehr viel weniger von einzelnen Extremwerten abhängig ist. Hätte z. B. Frau B. in Übersicht 10 nicht einen Schaden von 10.000 DM, sondern einen von 300 DM zu beklagen gehabt, bliebe der Median unverändert ± das arithmetische Mittel betrüge dann jedoch nicht mehr 2.130 DM, sondern nur noch 190 DM. Zu den tatsächlichen Werten in der Untersuchung Bochum III siehe § 6±6.1. Ob man das arithmetische Mittel, den Median oder eine andere Kennzahl der zentralen Tendenz benutzt, hängt im wesentlichen von der Art der Fragestellung sowie von der Beschaffenheit des Datenmaterials ab. 1.2

Der Korrelationskoeffizient

In vielen kriminologischen Untersuchungen ist es wichtig zu überprüfen, ob bestimmte Variablen (Merkmale) systematisch (d. h. nicht zufällig) miteinander zusammenhängen. Beispiele: Z

Z

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Alter einer Person und ihrer Einstellung zur Polizei? (Vgl. dazu § 12±5.6) Zeigen Frauen mehr Kriminalitätsfurcht als Männer? (Vgl. dazu § 10±3.1.1)

In vielen Fällen ist es möglich, den Zusammenhang zwischen zwei Variablen durch eine Maûzahl auszudrücken, die als Korrelationskoeffizient (ausgedrückt durch r) bezeichnet wird. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Korrelationsmaûe. Die Wahl eines bestimmten Korrelationskoeffizienten hängt hierbei in erster Linie vom Skalenniveau (Ü Glossar) der beiden Variablen ab. Auf diese Aspekte soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden. Korrelationskoeffizienten geben die Stärke des Zusammenhangs an und haben einen Wert zwischen ± 1 und + 1. Das ¹Vorzeichenª des Korrelationskoeffizienten drückt aus, in welcher ¹Richtungª die beiden Variablen miteinander zusammenhängen: Z

Ein positiver Korrelationskoeffizient (d. h. ein Korrelationskoeffizient zwischen 0 und + 1) bedeutet, daû hohe Werte der einen Variablen tendenziell auch mit hohen Werten der anderen Variablen einhergehen. 35

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S. 36

Ein Beispiel aus der Untersuchung Bochum III: Je mehr Straftaten in einem Bezirk Bochums 1998 verübt wurden, desto höher war auch die Anzahl der Tatverdächtigen in diesem Bezirk. Der Korrelationskoeffizient zwischen beiden Variablen betrug r = 0,77 (vgl. dazu § 4±2). An dieser Stelle sei angemerkt, daû in der Untersuchung Bochum III die deutsche Symbolik zur Bezeichnung von Dezimalzahlen verwendet wird. Es wird also z. B. r = 0,46 geschrieben und nicht, wie es der amerikanischen Schreibweise entsprechen würde, r = 0.46 bzw. r = .46. Z

Ein negativer Korrelationskoeffizient (d. h. ein Korrelationskoeffizient zwischen ± 1 und 0) bedeutet, daû hohe Werte der einen Variablen tendenziell mit niedrigen Werten der anderen Variablen einhergehen. So zeigte sich in der Untersuchung Bochum III (vgl. § 10±3.1.3) ein negativer Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und dem Unsicherheitsgefühl, d. h.: Je geringer der (formale) Bildungsstand einer Person, desto höhere Unsicherheitsgefühle wurden angegeben).

Neben dem Vorzeichen eines Korrelationskoeffizienten ist vor allem sein Betrag von Bedeutung: Je gröûer der Betrag eines Korrelationskoeffizienten ist (d. h. je näher er an einem Wert von ± 1 bzw. + 1 liegt), desto stärker ist der lineare Zusammenhang zwischen den beiden untersuchten Variablen. Diese Eigenschaft des Korrelationskoeffizienten soll durch ein (fiktives) Beispiel verdeutlicht werden. Eine Stichprobe von 60 Diebstahlsopfern wird danach gefragt, wie hoch der Geldbetrag war, der ihnen gestohlen wurde und als wie ¹schlimmª sie den Diebstahl empfunden haben. Aus Gründen der einfacheren Darstellung soll angenommen werden, daû beide Variablen dreistufig gemessen wurden: Die Höhe der Schadenssumme ist entweder ¹niedrigª, ¹mittelª oder ¹hochª; der Schaden wird von den Opfern als entweder ¹nicht schlimmª, ¹etwas schlimmª oder ¹sehr schlimmª empfunden. Im folgenden werden mögliche Muster des Zusammenhangs zwischen den Variablen dargestellt und diskutiert. Die Werte in den Zellen der drei Übersichten 11 bis 13 entsprechen dabei jeweils der Anzahl an Pbn, auf die eine bestimmte Merkmalskombination zutrifft. Beispiel: In Übersicht 11 sind 14 Pbn Opfer eines Diebstahls mit einer niedrigen Schadenssumme geworden und haben ihre Viktimisierung als ¹nicht schlimmª empfunden.

36

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S. 37

Die Daten aus Übersicht 11 zeigen, daû es einen positiven Zusammenhang zwischen den beiden Variablen gibt. Je höher der Schaden, desto ¹schlimmerª wurde er ± zumeist ± empfunden. Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen: So gab es z. B. drei Pbn, die Opfer eines Diebstahls mit einer niedrigen Schadenssumme wurden und diesen gleichwohl als ¹sehr schlimmª empfunden haben. Die Daten aus Übersicht 10 ergeben einen Korrelationskoeffizienten von r = 0,56. Dieser Wert entspricht im übrigen weitgehend dem tatsächlichen Zusammenhang zwischen objektiver Schadenssumme und subjektivem Schadensempfinden (siehe § 8±1.3.3.1). Übersicht 11:

Beispiel I für den Zusammenhang zwischen zwei Variablen Subjektive Schwere der Viktimisierung

Schadenssumme

¹nicht schlimmª

¹etwas schlimmª

¹sehr schlimmª

niedrig

14

3

3

mittel

3

14

3

hoch

3

3

14

In Übersicht 12 gibt es hingegen in der Stichprobe einen ¹perfektenª Zusammenhang zwischen den beiden Variablen: Alle Pbn mit einer niedrigen Schadenssumme bewerten den Schaden als ¹nicht schlimmª. Alle Pbn mit einer mittleren Schadenssumme geben an, ihre Viktimisierung als ¹etwas schlimmª empfunden zu haben, und alle Pbn mit einer hohen Schadenssumme haben ihre Opferwerdung als ¹sehr schlimmª empfunden. Aufgrund dieses ¹perfektenª Zusammenhangs zwischen den beiden Variablen in der Stichprobe erreicht der Korrelationskoeffizient den maximal möglichen Wert von r = 1,0. Übersicht 12:

Beispiel II für den Zusammenhang zwischen zwei Variablen Subjektive Schwere der Viktimisierung

Schadenssumme

¹nicht schlimmª

¹etwas schlimmª

¹sehr schlimmª

niedrig

20

0

0

mittel

0

20

0

hoch

0

0

20

Übersicht 13 schlieûlich gibt ein Beispiel für einen eher schwachen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen. So empfinden in diesem Beispiel acht Diebstahlsopfer mit einer niedrigen Schadenssumme den Schaden als ¹nicht schlimmª. Sechs der Opfer mit objektiv niedrigem Schaden gaben jedoch an, den Schaden als ¹etwas schlimmª empfunden zu haben, weitere sechs fanden ihn sogar ¹sehr schlimmª. Dementsprechend beträgt der Korrelationskoeffizient zwischen beiden Variablen lediglich r = 0,10. 37

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S. 38

Übersicht 13:

Beispiel III für den Zusammenhang zwischen zwei Variablen Subjektive Schwere der Viktimisierung

Schadenssumme

1.3

¹nicht schlimmª

¹etwas schlimmª

¹sehr schlimmª

niedrig

8

6

6

mittel

6

8

6

hoch

6

6

8

Partialkorrelationskoeffizienten

Häufig bestehen signifikante Korrelationen zwischen zwei Variablen, ohne daû zwischen diesen irgendeine kausale Beziehung existiert. Beispiel: Ein Polizeipräsident möchte die Effizienz seiner Polizeibeamten bei Verkehrsunfällen überprüfen. Hierzu läût er (von einem Unternehmensberater) unter anderem die Zeitdauer messen, für die es aufgrund eines Unfalls zu Verkehrsbehinderungen kommt, sowie die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten. Der beauftragte Unternehmensberater findet zwischen beiden Variablen eine positive Korrelation von r = 0,50. Das heiût: Je mehr Polizeibeamte zum Einsatz kommen, desto länger kommt es nach einem Unfall zu einer Behinderung des Verkehrs. Seine Empfehlung an den Polizeipräsidenten lautet daraufhin, bei zukünftigen Verkehrsunfällen grundsätzlich immer nur einen Streifenwagen einzusetzen, da der Einsatz weiterer Beamter nur zu überflüssigen Verkehrsbehinderungen führe. Dieser Zusammenhang sei statistisch bewiesen. Diese Argumentation ist vermutlich jedoch unsinnig, da beide Variablen in keiner Weise kausal miteinander verknüpft sind, sondern maûgeblich von einer dritten Variablen beeinfluût sein dürften: der Schwere des Unfalls. Je schwerer ein Unfall, desto mehr Polizeibeamte werden in aller Regel eingesetzt und desto gröûer sind die Verkehrsbehinderungen, die durch den Unfall verursacht werden. Solche Scheinkorrelationen (Ü Glossar) können mit Hilfe von sog. Partialkorrelationen aufgedeckt werden. Hierbei wird der Zusammenhang zwischen zwei Variablen von der Wirkung einer dritten Variablen ¹befreitª, die einen Einfluû auf beide ursprünglich untersuchten Variablen ausübt. Im obigen Beispiel bedeutet dies: Wird im Rahmen einer Partialkorrelation der Zusammenhang zwischen der Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten und dem Ausmaû an Verkehrsbehinderungen unter Berücksichtigung der Schwere eines Unfalls untersucht, so wird sich zwischen beiden Variablen wahrscheinlich keine Korrelation mehr ergeben, d. h., der Partialkorrelationskoeffizient wird einen Wert nahe Null annehmen. Unter Umständen wird der Zusammenhang sogar negativ, weil Verkehrsbehinderungen um so eher aufgehoben werden können, je mehr Polizeibeamte bei einem Unfall im Einsatz sind. 38

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2

S. 39

Konfidenzintervalle

Ein wesentliches Ziel der Dunkelfeldforschung ist es, die ¹wahreª Anzahl der tatsächlich (in der Grundgesamtheit) begangenen, aber im Dunkeln gebliebenen Delikte (die Dunkelziffer) zu schätzen.3 Da es praktisch nicht möglich ist, diese Anzahl durch eine Totalerhebung zu ermitteln, wird versucht, anhand von Stichproben (Ü Glossar) Informationen über diese unbekannte Dunkelfeldgröûe zu bekommen. Will man beispielsweise für ganz Bochum die Anzahl der im Dunkeln gebliebenen Delikte aus der Stichprobe schätzen, dann muû die in der Stichprobe gefundene Anzahl auf die Einwohnerzahl Bochums hochgerechnet werden: Beispiel: Die Daten der Stichprobe in der Untersuchung Bochum III ergaben 32 Fälle beim einfachen Diebstahl. Da ungefähr jeder 211. Einwohner Bochums befragt wurde, beträgt die Schätzung für das Jahr 1998 in ganz Bochum 6.784 Fälle (vgl. § 6±3, Übersicht 40). Die so ermittelte Anzahl entspricht wohl nie der ¹wahrenª Dunkelziffer, da die zufällig gezogene Stichprobe eben nur ein Ausschnitt aus der Gesamtzahl der Bochumer Einwohner (Grundgesamtheit Ü Glossar) ist und diese nicht genau beschreiben kann. Die geschätzte Dunkelziffer wird ¹Punktschätzerª genannt, da das Ergebnis der Schätzung ein einziger Wert, ein Punkt auf der Zahlengerade ist. Ein solches Ergebnis ist allerdings nicht sehr aussagekräftig, wenn nicht zusätzlich etwas über den möglichen Fehler der Schätzung gesagt wird. Um beurteilen zu können, wie genau dieser Punktschätzer ist, gibt man ein Schätzintervall an, in dem sich der ¹wahreª Wert der zu schätzenden Gröûe mit ¹groûerª Wahrscheinlichkeit befindet.4 Dann ist das Ergebnis einer solchen Intervallschätzung für die im obigen Beispiel genannte Dunkelziffer, daû die Anzahl der im Dunkeln gebliebenen Diebstahlsdelikte mit ¹groûer Wahrscheinlichkeitª zwischen 4.442 und 9.075 liegt. Gleichzeitig wird damit folgendes ausgedrückt: Bei ¹sehr vielenª Stichproben der Gröûe wie in der Untersuchung Bochum III ergäbe sich bei ¹fast allenª ein Bereich, der die unbekannte Dunkelziffer überdeckt. In vielen Fällen ist es möglich anzugeben, wie groû die Wahrscheinlichkeit ist, daû die zu schätzende Gröûe in dem angegebenen Bereich liegt: Man nennt diese Wahrscheinlichkeit Konfidenz- oder Vertrauensniveau, manchmal auch Sicherheitsgrad. Übliche Konfidenzniveaus (Ü Glossar) sind 90 %, 95 % oder 99 %. Im genannten Beispiel wurde ein Konfidenzniveau von 95 % zugrunde gelegt. Damit ist eine Schätzung immer dann besonders ¹gutª, wenn das Konfidenzintervall bei gegebenem Konfidenzniveau möglichst schmal ist. 3 Das Problem der Mehrfachopfer wird bei dieser einführenden Betrachtung nicht berücksichtigt; es wird also angenommen, daû die Anzahl der Delikte der Anzahl der Opfer entspricht. 4 Zu Punkt- und Intervallschätzern siehe beispielsweise Linhart, Heinz/Zucchini, Walter: Statistik Eins. Basel 1986 (2. Aufl.), S. 71 ff oder auch Bohley, Peter: Statistik. München 1991 (4. Aufl.), S. 527 ff.

39

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S. 40

Soll ein möglichst hoher Sicherheitsgrad erreicht werden, so daû das angegebene Intervall die zu schätzende Kennzahl überdeckt, wird diese Sicherheit mit einem entsprechend breiten Konfidenzintervall erkauft. Ist das gewählte Konfidenzniveau hingegen niedrig und somit die Überdeckungswahrscheinlichkeit geringer, dann wird das Konfidenzintervall schmaler. Die Breite des Konfidenzintervalls wird auûerdem durch den gewählten Stichprobenumfang beeinfluût: Unter sonst gleichbleibenden Bedingungen werden die Konfidenzintervalle mit steigendem Stichprobenumfang immer schmaler und umgekehrt.5 3

Signifikanztest

Im ersten Abschnitt dieses Paragraphen wurden Kennzahlen wie Mittelwerte und Korrelationskoeffizienten besprochen, die eine Grundgesamtheit (Ü Glossar) grob beschreiben können. Oft besteht eine Vorstellung über die Gröûe dieser Kennzahlen. Solche Vermutungen (Hypothesen Ü Glossar) über die Grundgesamtheit lassen sich mit Hilfe von Stichproben statistisch prüfen. Ein entsprechendes statistisches Verfahren zur Überprüfung solcher Hypothesen6 ist der Signifikanztest. Wie auch bei der Problematik der Bildung von Konfidenzintervallen ist es bei der Beurteilung von Hypothesen mitunter nicht möglich, die Daten der Grundgesamtheit vollständig zu erheben, sondern man muû sich auf Stichproben beschränken. Damit sind zwangsläufig Fehler verbunden, und es kommt darauf an zu bestimmen, ob bestehende Abweichungen als zufällige Schwankungen zu erklären sind oder systematischen Charakter besitzen. Beispiel: In der Übersicht 13 wurde der Zusammenhang zwischen der Variablen ¹Schadenssumme bei Diebstahlª und ¹Subjektive Schwere der Viktimisierungª mit fiktiven Stichprobendaten dargestellt. Die Stärke des Zusammenhangs wurde durch den Korrelationskoeffizienten von r = 0,10 beschrieben. Rechtfertigt dieser ¹niedrigeª Korrelationskoeffizient von r = 0,10 die Vermutung, daû für den tatsächlichen Korrelationskoeffizienten in der Grundgesamtheit wirklich ein Zusammenhang besteht, oder ist die Abweichung in der Stichprobe mit r = 0,10 auf zufällige Einflüsse zurückzuführen? Solche Fragen lassen sich in vielen Fällen durch Signifikanztests beantworten.

5 Um Konfidenzintervalle berechnen zu können, müssen Verteilungsannahmen oder Verteilungssimulationen (Verteilung Ü Glossar) für den Schätzer vorliegen. In der Literatur existieren zahlreiche Vorschläge für Vorgehensweisen zur ¹Konstruktionª von Konfidenzintervallen. Vgl. auch die Methodenkapitel in den Untersuchungen Bochum I und II. 6 Zu Signifikanztests siehe beispielsweise Linhart, Heinz/Zucchini, Walter: Statistik Eins. Basel 1986 (2. Aufl.), S. 91 ff oder auch Bamberg, Günter/Baur, Franz: Statistik. München 1985 (4. Aufl.), S. 173 ff.

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S. 41

Häufig besteht Interesse daran, die Richtigkeit bestimmter Aussagen zu beurteilen. Eine solche Aussage wird Hypothese genannt. In einer statistischen Hypothese kommen Erfahrungen, Vermutungen oder theoretische Überlegungen über eine unbekannte Grundgesamtheit zum Ausdruck. Das Stichprobenergebnis stellt eine sog. Prüfgröûe dar (in dem obigen Beispiel beträgt die Prüfgröûe r = 0,10). Natürlich ist hierbei ein Irrtum über die tatsächlichen ¹Verhältnisseª in der Grundgesamtheit nicht ausgeschlossen, da die gezogene Stichprobe nur einen Ausschnitt aus der Grundgesamtheit darstellt oder, anders ausgedrückt, nur mit Teilinformationen über die Grundgesamtheit auskommen muû. Es ist allerdings oft möglich, die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines solchen Irrtums anzugeben. Diese Wahrscheinlichkeit heiût ¹Irrtumswahrscheinlichkeitª. Die maximale Irrtumswahrscheinlichkeit wird Signifikanzniveau (Ü Glossar) genannt. In der Praxis ist man dazu übergegangen, statt der alleinigen Angabe des Signifikanzniveaus des Tests auch den p-Wert des Tests zu nennen. Der p-Wert eines Tests gibt die Wahrscheinlichkeit an, bei Gültigkeit der getroffenen Annahme (Nullhypothese Ü Glossar) extremere Werte als die Prüfgröûe zu beobachten. Die Wahl der Höhe des Signifikanzniveaus liegt im Prinzip im Ermessen des Testenden. Daher kann es durchaus sein, daû ein nicht ¹seriösª arbeitender Statistiker das Signifikanzniveau erst nach Durchführung des Tests in Abhängigkeit der Testergebnisse festlegt, so daû er das Signifikanzniveau gerade so hoch wählt, daû seine Daten das gewünschte Ergebnis liefern. Durch die zusätzliche Angabe des p-Wertes würde eine solche Strategie insofern offengelegt, daû der Leser sieht, daû eine Hypothese zu dem genannten Signifikanzniveau ¹gerade soª verworfen wurde und daû ein derart gewonnenes Testergebnis zurückhaltend interpretiert werden muû. Übersicht 14:

Interpretation des p-Wertes

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S. 42

Kurz: Die Angabe des p-Wertes soll die Manipulation der Testergebnisse einschränken. Übersicht 14 zeigt die Interpretation eines p-Wertes von 0,12, wenn als Prüfgröûe (PG) der Wert 25.000 bei einer unter der Hypothese gültigen Normalverteilung (Ü Glossar) mit einem arithmetischen Mittelwert (Ü Glossar) von 22.000 und einer Standardabweichung (Ü Glossar) von 2.500 erhalten wurde. Beispiel: In § 8±1.3.2 wird untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der subjektiven Einschätzung der Schwere eines erlittenen Schadens und der Anzeigebereitschaft des Opfers besteht. Es ergab sich bei Diebstahlsdelikten ein Korrelationskoeffizent von r = 0,32 bei einem p-Wert von p < 0,001. 3.1

Die Interpretation der Testergebnisse

Grundlage für die Interpretation der Testergebnisse ist also der p-Wert: Kleine pWerte zeigen ein signifikantes Ergebnis für die Hypothese (Ü Glossar) an. Anhand des obigen Beispiels mit einem Korrelationskoeffizienten von r = 0,10 in der Stichprobe läût sich dies folgendermaûen erläutern: Ob ein Korrelationskoeffizient statistisch signifikant ist, hängt wesentlich von zwei Gröûen ab: Z

Z

von seiner absoluten Höhe: Je höher der Betrag eines Korrelationskoeffizienten ist (d. h. je näher sein Wert bei ± 1 bzw. + 1 liegt), desto eher ist er statistisch signifikant. von der Gröûe der Stichprobe, in der ein Korrelationskoeffizient berechnet wurde: Je gröûer die Stichprobe ist, desto eher ist ein Korrelationskoeffizient statistisch signifikant. So wird z. B. der in Übersicht 12 dargestellte Zusammenhang mit einem Korrelationskoeffizienten von r = 0,10 bei einer Stichprobengröûe von n = 60 nicht signifikant. Ergibt sich jedoch ein gleich groûer Zusammenhang (d. h. r = 0,10) bei einer Stichprobe von n = 2.000, so erhält man ein signifikantes Ergebnis.

Bei der Interpretation eines Korrelationskoeffizienten ist deshalb nicht nur das Signifikanzniveau von Bedeutung, sondern auch die Stichprobengröûe, d. h. auch bei kleineren Werten eines Korrelationskoeffizienten ist bei gegebenem Niveau ein signifikantes Testergebnis durch eine groûe Stichprobe zu erreichen. Dieser Aspekt sollte bei der Interpretation auch der in dieser Untersuchung berichteten Korrelationen stets mitberücksichtigt werden.

42

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3.2

S. 43

Verfahren nach Bonferroni

Oftmals ist bei einer Untersuchung nicht nur eine einzige Gröûe von Interesse, sondern es sollen verschiedene Hypothesen über mehrere Gröûen zugleich getestet werden. In diesem Zusammenhang spielt das Signifikanzniveau eine besondere Rolle. Beispiel 7: Ein Bergsteiger knotet ein langes Bergsteigerseil aus mehreren Einzelstücken zusammen. Die einzelnen Knoten sind hierbei ziemlich sicher: Die Wahrscheinlichkeit, daû der Knoten hält, beträgt jeweils 95 %. Für den Bergsteiger ist allerdings nicht wichtig zu wissen, wie groû die Wahrscheinlichkeit dafür ist, daû ein Knoten hält, ihn interessiert vielmehr die Wahrscheinlichkeit, daû der erste, der zweite, . . . und der letzte Knoten halten, also daû alle Knoten gleichzeitig halten. Die Wahrscheinlichkeit, daû zwei Knoten gleichzeitig halten ± Unabhängigkeit des ¹Verhaltensª der beiden Knoten vorausgesetzt ±, ist beispielsweise schon bedeutend kleiner, nämlich nur noch 0,95 ´ 0,95 = 90,25 %. Benutzt der Bergsteiger folglich ein Seil mit zwanzig Knoten, beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, mit dem Seil nicht abzustürzen, noch 0,9520  35,85 %, d. h. die Gegenwahrscheinlichkeit für einen Absturz beträgt fast 64 % ± und nicht etwa 5 %. Für wissenschaftliche Untersuchungen bedeuten diese Ausführungen, daû das Risiko einer falschen Schluûfolgerung für eine gesamte Studie, die aus mehreren Hypothesen besteht, immer gröûer ist als das Risiko, eine falsche Schluûfolgerung für eine einzelne Hypothese zu ziehen. Beispiel: Angenommen, eine Studie untersucht drei Nullhypothesen H1, H2 und H3, und es haben sich die zugehörigen p-Werte p1 = 0,02, p2 = 0,02 und p3 = 0,03 ergeben. Werden die drei Nullhypothesen als Einzelhypothesen betrachtet, so sind alle Hypothesen bei einem Signifikanzniveau von 5 % statistisch abgesichert. Wird jedoch nach Bonferroni untersucht, so beträgt das Signifikanzniveau 5 % : 3=1,67 % (vgl. Punkt 3.1), und die drei Nullhypothesen können nicht verworfen werden. Werden diese Überlegungen berücksichtigt, so erhält der p-Wert als Interpretationsgrundlage noch eine weitere Bedeutung: Da die Anzahl der Hypothesen einer Studie bekannt ist, können neben der Einzelbetrachtung einer Hypothese auch die Bonferroni-Überlegungen in die Bewertung mit einbezogen werden.

7 Nach Beck-Bornholdt, Hans-Peter/Dubben, Hans-Hermann: Der Hund, der Eier legt. Reinbek 1998, S. 57 ff.

43

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S. 44

Aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen anderer Studien wird in der Untersuchung Bochum III bei den einzelnen Tests der p-Wert trotzdem auf das 5 %-Niveau bezogen. 4

Regressionsanalyse

In der Regressionsanalyse wird versucht, den Zusammenhang zwischen Merkmalen durch einfache mathematische Funktionen zu beschreiben (vgl. § 8±1.3.3.1 und § 12±3.3). Im einfachsten Fall handelt es sich um lediglich zwei Merkmale, die miteinander in Beziehung gesetzt werden sollen. Oftmals ist es plausibel, davon auszugehen, daû eines der beiden Merkmale das andere beeinfluût. Das Merkmal, das beeinfluût wird, wird dann als abhängiges Merkmal (hier mit dem Buchstaben Y abgekürzt) bezeichnet. Das Merkmal, das Einfluû nimmt, wird unabhängiges Merkmal (hier durch den Buchstaben X gekennzeichnet) genannt. Ein sog. Streuungsdiagramm (wie in Übersicht 16 dargestellt) liefert einen ersten Eindruck über den Zusammenhang zwischen den Merkmalen X und Y. Beispiel: Bei einer Stichprobe von 20 Erwachsenen sind Körpergewicht und Körpergröûe gemessen worden. Die Resultate sind in der Übersicht 15 dargestellt. Übersicht 15:

Zusammenstellung von Körpergröûe X und Körpergewicht Y (fiktives Beispiel) Körpergröûe X (in cm)

169

182

190

172

163

160

169

158

185

168

Körpergewicht Y (in kg)

66

80

92

74

61

54

72

51

83

70

Körpergröûe X (in cm)

168

193

172

175

160

188

185

170

166

181

Körpergewicht Y (in kg)

64

97

69

78

62

85

89

72

65

77

Es liegt nahe anzunehmen, daû das Körpergewicht durch die Körpergröûe maûgeblich beeinfluût wird. Somit lieûen sich das Körpergewicht als abhängiges Merkmal Y und die Körpergröûe als unabhängiges Merkmal X auffassen. Die 20 Beobachtungen sind als Punkte in dem abgebildeten Streuungsdiagramm (vgl. Übersicht 16) zu erkennen.

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Übersicht 16:

Streuungsdiagramm (fiktives Beispiel)

Mit Hilfe des Streuungsdiagramms kann eine Entscheidung darüber getroffen werden, welcher Art die mathematische Funktion sein sollte, um den Zusammenhang zwischen X und Y in geeigneter Weise darzustellen. Häufig ist zu beobachten, daû schon eine einfache lineare Funktion, also eine Gerade, eine zufriedenstellende Anpassung an die Punkte des Streuungsdiagramms gewährleistet. Manchmal ist es aber auch erforderlich, komplizierte, nichtlineare Funktionen zu verwenden. Im obigen Beispiel läût das Streuungsdiagramm erkennen, daû eine Gerade den Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Körpergröûe durchaus angemessen wiedergibt. Übersicht 17:

Streuungsdiagramm mit angepaûter Regressionsgerade

45

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S. 46

Mit Hilfe einer besonderen Methode8 läût sich die Gerade finden, die die beste Anpassung an die Daten liefert. Wird die Gerade in das Streuungsdiagramm eingezeichnet (Übersicht 17), kann mit deren Hilfe z. B. abgelesen werden, welcher y-Wert für einen gegebenen x-Wert zu erwarten wäre. Wie die Pfeile in Übersicht 16 verdeutlichen, kann für das obige Beispiel bei einer Körpergröûe von 180 cm auf ein durchschnittliches Körpergewicht von etwa 80,1 kg geschlossen werden. Abschlieûend sei bemerkt, daû die Regressionsanalyse grundsätzlich nur dann eine sinnvolle Methode ist, wenn man alle Merkmale, deren Zusammenhänge man betrachten möchte, als metrisch skaliert (Skalenniveau Ü Glossar) ansehen kann. 5

Skalenanalyse

Häufig ist es sinnvoll, eine Variable nicht nur durch einen, sondern durch mehrere Indikatoren zu messen, da auf diese Weise die Messung genauer wird. Beispiel: Zur Messung des Unsicherheitsgefühls wurden in der Untersuchung Bochum III die Pbn danach gefragt, wie unsicher sie sich nachts bzw. tagsüber in ihrer Wohnung bzw. auûerhalb ihrer Wohnung fühlen (siehe § 10±1.4). Das Unsicherheitsgefühl einer Person wurde somit durch insgesamt vier Indikatoren gemessen. Nun stellt sich die Frage, in welchem Maûe diese vier Indikatoren zusammenhängen. Anders ausgedrückt: Messen diese vier Variablen (grundsätzlich) das gleiche oder messen sie unterschiedliche Eigenschaften eines Pbn? Solche Fragen können mit Hilfe einer sog. Skalenanalyse überprüft werden. Hierbei wird überprüft, inwiefern eine Reihe von Variablen zu einer Skala zusammengefaût werden können. Der Meûwert, der bei einer solchen Skalenanalyse berechnet wird, wird als Cronbachs alpha bezeichnet. Neben der Berechnung von Cronbachs alpha gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Verfahren zur Skalenanalyse, die hier jedoch aus Platzgründen nicht näher erläutert werden sollen. Es gilt: Je höher die Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen einer Skala, desto höher ist der Wert für Cronbachs alpha, der zwischen 0 und 1 liegen kann. Nach Schnell/Hill/Esser9 sind Werte von über 0,80 als zufriedenstellend zu bezeichnen. Bauer10 hält bereits Werte von 0,70 für akzeptabel.

8 Es handelt sich hierbei um die sog. Methode der kleinsten Quadrate, die in diesem Rahmen jedoch nicht näher erläutert werden soll. 9 Schnell, Rainer/Hill, Paul B./Esser, Elke: Methoden der empirischen Sozialforschung. München 1999 (6. Aufl.), S. 147. 10 Bauer, Felix: Datenanalyse mit SPSS. Berlin 1986 (2. Aufl.), S. 243.

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In der Untersuchung Bochum III ergab sich für die vier Indikatoren des Unsicherheitsgefühls ein Wert für Cronbachs alpha von 0,80, die aufgrund dieses Ergebnisses zu einer Skala zusammengefaût wurden (siehe § 10±1.4). Die Zusammenfassung verschiedener Variablen zu einer Skala hat u. a. den Vorteil, daû hierdurch die Anzahl notwendiger Rechenoperationen vermindert werden kann. So kann z. B. der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Unsicherheitsgefühl durch einen einzigen Korrelationskoeffizienten gemessen werden, während ansonsten vier verschiedene Korrelationen zu berechnen wären. 6

Erforderliche Stichprobengröûen bei Opferbefragungen

Wie bei den Konfidenzintervallen und Signifikanztests erwähnt, gibt es einen Zusammenhang zwischen Schätzgenauigkeit und Stichprobenumfang. 6.1

Stichprobenumfang bei gegebenen Genauigkeitsanforderungen

Die gewünschte Genauigkeit einer Schätzung, ausgedrückt durch die Breite der Konfidenzintervalle, ist eine wesentliche Einfluûgröûe bei der Bestimmung der notwendigen Stichprobengröûe.11 Andere Faktoren sind: Z

Z

Z

die Fülle und Detailliertheit der Zusammenhänge, die mit Hilfe der Befragung untersucht werden sollen, die Häufigkeit des Auftretens der Delikte, die in der Untersuchung von Bedeutung sind, die Detailliertheit bei der Abgrenzung der Delikte, die untersucht werden sollen. Beispiele: Wenn nur die Altersgruppe als Einfluûmerkmal betrachtet werden soll, genügen weniger Befragte als wenn bei gleicher Schätzgenauigkeit der gemeinsame Einfluû von Altersgruppe, Geschlecht und Staatsangehörigkeit von Interesse ist. Wird nur zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen unterschieden, reichen weniger Beobachtungen aus, als wenn bei gleicher Genauigkeit die Gruppe der Nicht-Deutschen zusätzlich nach Nationalitäten differenziert werden soll. Je seltener die Delikte sind, über die Aussagen getroffen werden sollen, desto gröûer muû die notwendige Stichprobe ausfallen. 12

11 Zu der Problematik der erforderlichen Stichprobengröûe siehe Ahlborn, Wilfried/Böker, Fred/Lehnick, Dirk: Stichprobengröûen bei Opferbefragungen in der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1999. 12 Dies gilt zumindest dann, wenn man das Konzept relativ zu bestimmender Konfidenzintervallbreiten verfolgt. Darüber hinaus benötigt man bei seltenen Delikten allein schon deshalb eine gröûere Stichprobe, um überhaupt eine gewisse Anzahl an Fällen aufzuspüren.

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Wird das Delikt ¹Diebstahlª insgesamt untersucht, reichen weniger Beobachtungen aus, als wenn in ¹Diebstahl ohne erschwerende Umständeª und ¹Diebstahl unter erschwerenden Umständenª unterteilt werden soll. Zur Bestimmung einer erforderlichen Stichprobengröûe sind daher neben der Breite der Konfidenzintervalle gegebenenfalls die ¹minimale Opferwahrscheinlichkeitª sowie die ¹maximale Detailliertheit der gewünschten Informationenª vorzugeben. Die zu ermittelnden Mindeststichprobengröûen sind ¹Nettostichprobengröûenª ohne Berücksichtigung einer je nach Befragungsmethode möglicherweise spürbaren Ausfallquote. Die ¹Bruttostichprobengröûeª liegt je nach erwarteter Ausfallquote entsprechend höher. Die Planung des Stichprobenumfangs erfolgt auf der Grundlage von Prävalenzraten (Ü Glossar). Prävalenzraten sind ausschlieûlich personenbezogene Kennziffern und im Gegensatz zu Inzidenzraten (Ü Glossar) daher Anteilswerte.13 Sie ermöglichen so die Anwendung der bekannten statistischen Theorie über die Punkt- und Intervallschätzung von Anteilswerten. Beispiel: Es sollen aus einer Befragung die Prävalenzraten bestimmter Deliktsarten geschätzt werden. Als Genauigkeit für die Intervallschätzung wird vorgegeben, daû die halbe Breite eines Konfidenzintervalls das 0,5 fache des Wertes der Punktschätzung nicht übersteigen soll. Beträgt die geschätzte Prävalenzrate z. B. 10 %, so soll das zugehörige Konfidenzintervall nicht breiter als [10 % ± 0,5 ´ 10 %; 10 % + 0,5 ´ 10 %] = [5 %; 15 %] werden können. Es wird auûerdem davon ausgegangen, daû Prävalenzraten unter 1 % nicht vorkommen. Dabei soll ein Konfidenzniveau von 95 % eingehalten werden. Aus diesen Angaben läût sich eine Mindeststichprobengröûe von 1.522 errechnen.14 In der Untersuchung Bochum III wurde ein Stichprobenumfang von 1.661 verwendet. Es lieûen sich somit sogar noch etwas strengere Anforderungen an die Schätzgenauigkeit erfüllen.

13 So sind Prävalenzraten z. B. nie gröûer als eins, da es nicht mehr Opfer als Befragte geben kann. Inzidenzraten können dagegen theoretisch auch gröûer als eins sein. Wenn es viele Mehrfachopfer gibt, könnte nämlich die Anzahl der berichteten Delikte gröûer als die Anzahl der Befragten sein. 14 Genauere Angaben zu der Berechnungsweise der Mindeststichprobengröûe können Ahlborn, Wilfried/Böker, Fred/Lehnick, Dirk: Stichprobengröûen bei Opferbefragungen in der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1999 entnommen werden.

48

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6.2

S. 49

Genauigkeitsabschätzung bei gegebenem Stichprobenumfang

Die Stichprobenumfänge, die sich aus dieser Berechnungsweise ergeben, können sehr groûe Werte annehmen. Es sind Stichprobengröûen, die auch im Extremfall die Einhaltung der geforderten Schätzgenauigkeit garantieren. In den meisten Fällen wird dabei sogar wesentlich genauer geschätzt, als im vorhinein gefordert wurde. Daher kann es sinnvoll sein, bei der Stichprobenplanung von dieser ¹Luxusstrategieª der Absicherung des Extremfalls abzusehen und das Problem der zu wählenden Stichprobengröûe aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ohnehin stehen bei vielen empirischen Untersuchungen eher die beschränkten finanziellen Ressourcen als die gewünschte Schätzgenauigkeit im Vordergrund. Es wird dann nicht gefragt, welche Stichprobengröûe notwendig ist, um bestimmte Anforderungen an die Schätzgenauigkeit unter allen Umständen zu erfüllen. Statt dessen wird der Stichprobenumfang vorgegeben und erst danach gefragt, welche Schätzgenauigkeit damit erreicht werden kann. Beispiel: Gewählt wurde der Stichprobenumfang von n = 2.000. Beträgt der Anteil in der Stichprobe p = 20 % = 0,2, dann ergibt sich als 95 %-Konfidenzintervall [18,25 %; 21,75 %]. Es ist anzumerken, daû für kleinere Werte des Stichprobenanteilswertes p die Breite der zugehörigen Konfidenzintervalle abnimmt. Auf dieselbe Weise lassen sich die entsprechenden Berechnungen für jeden beliebigen Wert 15 des Stichprobenanteilswertes p durchführen. In der Übersicht 18 sind die 95 %-Konfidenzintervalle für einige weitere Werte von p angegeben. Übersicht 18:

Intervallschätzungen bei festgelegtem Stichprobenumfang, Konfidenzniveau: 95 % n

p

Konfidenzintervall

2.000

1%

[0,56 %; 1,44 %]

2.000

2%

[1,39 %; 2,61 %]

2.000

5%

[4,04 %; 5,96 %]

2.000

10 %

[8,69 %; 11,31 %]

2.000

20 %

[18,25 %; 21,75 %]

2.000

30 %

[27,99 %; 32,01 %]

n: Stichprobengröûe p: Anteil in der Stichprobe

15 Einschränkend ist anzumerken, daû p als Anteil in der Stichprobe naturgemäû nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann.

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Zweiter Teil: Die offiziell registrierte Kriminalität (Hellfeld) §3

Entwicklung der registrierten Kriminalität in der Bundesrepublik, in Nordrhein-Westfalen und in Bochum

Gliederung 1

Entwicklung der registrierten Gesamtkriminalität (Hellfeld) in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

1.1 1.2

Allgemeine Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik. . . . . . . . . . . . . 53 Relevanz von Häufigkeitszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

2

Entwicklung der registrierten Gesamtkriminalität (Hellfeld) in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

3

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4

Entwicklung der registrierten Kriminalität (Hellfeld) in Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtkriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriminalitätsbelastung Bochums im Vergleich zu NordrheinWestfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik auf kommunaler Ebene am Beispiel von Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diebstahlsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diebstahlsdelikte insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diebstahl ohne erschwerende Umstände. . . . . . . . . . . . . . . . . Diebstahl unter erschwerenden Umständen. . . . . . . . . . . . . . . Raubdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsätzliche Körperverletzungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

3.1 3.1.1 3.1.2

. . 60 . . 60 . . 62 . . . . . . .

. . . . . . .

62 63 63 65 66 66 69

Zu den Zielen der Langzeitstudie Bochum III (1998) gehört es, die Kriminalitätslage zu beschreiben und im Vergleich zu den Untersuchungen der Arbeiten Bochum I (1975)1 und Bochum II (1986)2 Veränderungen zu betrachten.

1 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I). 2 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II).

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Dafür reicht es nicht aus, lediglich die Entwicklung der registrierten Kriminalität (Hellfeld3) anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS4) zu untersuchen. Denn nicht alle verübten Straftaten gelangen auch zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Justiz) und finden somit Eingang in die Statistik. Vielmehr bleibt ein Teil der Straftaten unentdeckt (Dunkelfeld5). Die Entwicklung des Hellfeldes wird in diesem Paragraphen beschrieben, die des Dunkelfeldes in § 6. Betrachtet man die Hellfeldzahlen der drei Jahresmeûpunkte 1975, 1986 und 1998, hat die Kriminalität auf allen Ebenen (Bund/Land/Stadt Bochum) stetig zugenommen (vgl. Übersichten 19 bis 25). So stiegen die Fallzahlen für die Bundesrepublik von mehr als 2,9 Millionen im Jahr 1975 um 49,6 % auf knapp 4,4 Millionen im Jahr 1986 und erreichten 1998 einen Stand von über 6,4 Millionen, was im Vergleich zum Jahr 1986 einem Zuwachs von 47,9 % und im Vergleich zum Jahr 1975 einem Anstieg von 121,2 % entspricht. Die starke Zunahme der absoluten Zahlen im Bund hat u. a. damit zu tun, daû sich der Bezugsrahmen der Statistik ab 1991 durch die Wiedervereinigung unseres Landes erheblich vergröûert hat: Die Bevölkerung ist um mehr als ein Viertel auf über 80 Millionen gewachsen (vgl. unter Punkt 1.2). Für Nordrhein-Westfalen wurde 1986 im Vergleich zu 1975 ein Zuwachs der registrierten Straftaten von 48,8 % und von 1986 bis 1998 ein Anstieg um 10,0 % verzeichnet. Im Meûzeitraum zwischen 1975 und 1998 nahm die Zahl der bekannt gewordenen Fälle um 63,6 % zu. In der Stadt Bochum stiegen die Hellfeldzahlen von 1975 bis 1986 um 41,8 % und von 1986 bis 1998 um 12,7 % an. 1998 wurden damit 59,9 % mehr Straftaten registriert als 1975. Insgesamt kann also eine starke Zunahme der bekannt gewordenen Fälle in allen Erfassungsräumen über das letzte Vierteljahrhundert hinweg festgestellt werden. Jedoch hat sich der Anstieg der Fallzahlen im zweiten Untersuchungszeitraum

3 Das Hellfeld bezeichnet die bekannt gewordene registrierte Kriminalität. Siehe hierzu z. B. Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 17. 4 Die PKS wird vom Bundeskriminalamt seit 1953 herausgegeben und erfaût alle von der Polizei bearbeiteten rechtswidrigen (Straf-)Taten einschlieûlich der mit Strafe bedrohten Versuche und der vom Zoll bearbeiteten Rauschgiftdelikte. Nicht registriert werden Ordnungswidrigkeiten, Staatsschutz- und Verkehrsdelikte, wohl aber die §§ 315, 315 b StGB und § 22 a StVG, die nicht als Verkehrsdelikte i. S. d. PKS-Richtlinien gelten: BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 8. 5 Das Dunkelfeld bezeichnet die Summe derjenigen Delikte, die den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt werden und daher in der PKS auch nicht erscheinen. Vgl. dazu u. a. Schwind, Hans-Dieter, a. a. O. (FN 3), S. 27 f.

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zwischen 1986 und 1998 im Vergleich zum ersten von 1975 bis 1986 deutlich verlangsamt. 1

Entwicklung der registrierten Gesamtkriminalität (Hellfeld) in der Bundesrepublik

Bei Betrachtung der Entwicklung der registrierten Kriminalität auf Bundesebene von 1975 bis 1998 sind vier Entwicklungsstufen zu erkennen (Übersicht 19): Z Z Z

Z

Bis 1983 nahmen die Fallzahlen zu. Ab Mitte der 80 er Jahre stagnierte die Entwicklung. Zwischen 1991 und 1993 fällt nach der Wiedervereinigung ein massiver Zuwachs der bekannt gewordenen Fälle um rund 20 Prozentpunkte auf.6 So weist die PKS 1993 mit 6.750.613 Fällen ihren bislang höchsten Stand aus. Seitdem haben sich die Fallzahlen auf einem nahezu konstant hohen Niveau eingependelt.

Allerdings muû das Bild kommentiert werden, weil im Langzeitvergleich neben der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung auch andere Faktoren an Einfluû gewinnen. 1.1

Allgemeine Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik

Zu diesen Faktoren, die die Hellfeldstatistik beeinflussen können, gehören vor allem: Z

Demographische Entwicklungen

Veränderungen der Wohnbevölkerung wirken sich auf das Ausmaû der registrierten Kriminalität aus. Mit der Zunahme der Bevölkerung ± bedingt vor allem durch die Wiedervereinigung, durch Zuwanderungen von Nicht-Deutschen sowie durch den Zuzug von Aus- und Übersiedlern ± steigt die Anzahl der erfaûten Straftaten. Verringert sich dagegen die Einwohnerzahl, beispielsweise aufgrund schwächerer Geburtenjahrgänge oder gesetzlicher Regelungen (wie z. B. den Asylkompromiû7), nimmt die Anzahl der registrierten Delikte ab.

6 Die Zahlen für die Jahre 1991 und 1992 bilden wegen erfassungstechnischer Schwierigkeiten aufgrund der Wiedervereinigung keine taugliche Basis für die Berechnung von Steigerungsraten: BKA (Hg.), a. a. O. (FN 4), S. 27. 7 Zur Begrenzung eines weiteren Zuzugs von Ausländern wurde 1993 ein neues Asylrecht verabschiedet (BGBl. I 1002). Dieser sog. Asylkompromiû beinhaltet u. a. eine rasche und konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber sowie die Einführung der Drittstaatenregelung.

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Übersicht 19:

Bundesrepublik Deutschland Registrierte Gesamtkriminalität (bekannt gewordene Fälle)

Quelle: BKA (Hg.): PKS 1975±1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1976±1999.

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Z

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¾nderungen des Strafrechts

Zudem beeinflussen Neukriminalisierungen (Einführung neuer Straftatbestände z. B. im Bereich der Umwelt-8 oder Wirtschafts- und Computerkriminalität9) die Entwicklung der Hellfeldstatistik.10 Aufgrund neu geschaffener Straftatbestände erhöht sich naturgemäû die Zahl der bekannt gewordenen Fälle, ohne daû sich die Zahl der sozialschädlichen Verhaltensweisen verändert. Geändert hat sich nur die Bewertungsebene des Gesetzgebers, der zuvor straflose Handlungen nunmehr unter Strafe stellt. Z

¾nderungen der Versicherungsausstattung und -bedingungen

Auch ¾nderungen von Versicherungsausstattung und -bedingungen haben Einfluû auf die Erfassung von Kriminalität. Ist der Geschädigte gegen die an seinen Rechtsgütern verübte Straftat nicht versichert (z. B. gegen Fahrraddiebstahl, Diebstahl aus Kraftfahrzeugen oder Einbruch) oder verzichten die Versicherungen in bestimmten Fällen auf eine Anzeigepflicht, wird der Betroffene eher von der Erstattung einer Anzeige bei der Polizei absehen mit der Folge, daû die registrierte Kriminalität abnimmt (vgl. § 7±1.1.2 und 2.1.1.1 sowie § 8±1.2). Umfaût dagegen die Versicherungsausstattung des Geschädigten die Kompensation des erlittenen Schadens und verlangt der Versicherer wegen der Schadenshöhe die Vorlage eines polizeilichen Protokolls (beim Diebstahl von/aus Kraftfahrzeugen beispielsweise liegt die Grenze derzeit bei 600 DM11), wird der Geschädigte Strafanzeige stellen (müssen).12 Z

Erfassungsprobleme

Die Aussagekraft der PKS hängt letztlich auch davon ab, mit welcher Genauigkeit die Behörden das Datenmaterial erfassen.13 Dabei spielen insbesondere die Intensität der Ausgangskontrolle, die Beachtung von Erfassungsrichtlinien, statistische Minder- bzw. Mehrerfassungen14 und die Umstellung der Kriminalstatistik in den neuen Bundesländern auf eine Ausgangsstatistik15 in den Jahren 1991 und 199216 eine Rolle. 8 Die wichtigsten Strafvorschriften des Umweltschutzrechts fanden 1980 mit den §§ 324±330 d StGB Eingang in das StGB (BGBl. I 373). 9 Zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Computerkriminalität wurden 1986 u. a. die §§ 202 a, 263 a, 264 a, 266 a, 266 b, 269, 270, 303 a, 303 b in das StGB eingefügt (BGBl. I 721). 10 Daneben wirken auch ± allerdings in weitaus geringerem Maûe ± Entkriminalisierungen (wie z. B. Gotteslästerung, Ehebruch, homosexuelle Handlungen und Auswanderungsbetrug) auf die Entwicklung der PKS ein. 11 Vgl. § 7 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (Stand 1. 8. 1999). 12 Untersuchung Bochum II, S. 234, 260 f. 13 Gundlach, Thomas/Menzel, Thomas: Fehlerquellen der PKS und ihre Auswirkungen am Beispiel von Hamburg. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1, 1992, S. 60 f. 14 Zur Mindererfassung von Straftaten 1984 bedingt durch landesinterne Maûnahmen in Baden-Württemberg sowie zu Nacherfassungen 1994 in Mecklenburg-Vorpommern vgl. BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 28. 15 Ausgangsstatistik meint, daû die Straftaten erst nach Abschluû der polizeilichen Ermittlungen vor Aktenabgabe an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht erfaût werden: BKA (Hg.), a. a. O. (FN 14), S. 8. 16 BKA (Hg.), a. a. O. (FN 14), S. 27.

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1.2

S. 56

Relevanz von Häufigkeitszahlen

Besser geeignet als Fallzahlen für die Untersuchung der Zu- oder Abnahme von Hellfeldkriminalität ist die Berechnung von Häufigkeitszahlen17. Dadurch, daû sich Häufigkeitszahlen immer auf die gleiche Bezugsgröûe (100.000 Einwohner) beziehen, können Bevölkerungsschwankungen ± und somit zumindest einer der Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik ± ausgesteuert werden. Bei den Häufigkeitszahlen ist zu berücksichtigen, daû u. a. Stationierungskräfte, ausländische Durchreisende, Touristen und grenzüberschreitende Berufspendler sowie Nicht-Deutsche, die sich illegal im Bundesgebiet aufhalten, in der Einwohnerzahl der Bundesrepublik nicht enthalten sind, die von ihnen begangenen Straftaten aber gleichwohl in der PKS gezählt werden. 18 Übersicht 20 ist zu entnehmen, daû sich die Häufigkeitszahl (vgl. linke y-Achse) von 4.721 im Jahr 1975 um 51,5 % auf 7.154 im Jahr 1986 und bis 1998 um 10,0 % auf einen Wert von 7.869 erhöht hat. Im Vergleich zum ersten Meûpunkt 1975 liegt demnach 1998 eine Zunahme von 66,7 % vor. Der Aufwärtstrend der registrierten Fallzahlen (vgl. rechte y-Achse) findet sich auch bei der Entwicklung der Häufigkeitszahlen wieder. Der deutliche Anstieg der bekannt gewordenen Straftaten um mehr als zwei Millionen Fälle (51,5 %) im Jahr 1993 im Vergleich zu 1990 kann demnach nicht nur Folge der Tatsache sein, daû seit der Wiedervereinigung mehr Menschen und damit auch mehr potentielle Straftäter in der Bundesrepublik leben. Denn auch die Häufigkeitszahl, die aufgrund ihrer konstanten Bezugsgröûe Bevölkerungsschwankungen ausgleicht, hat sich 1993 gegenüber 1990 um 17,3 % erhöht.

17 Die Häufigkeitszahl (Ü Glossar) ist die Zahl der bekannt gewordenen Fälle insgesamt oder innerhalb einer Deliktsgruppe, errechnet auf 100.000 Einwohner: BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 12. 18 BKA (Hg.), a. a. O. (FN 17).

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Übersicht 20:

Bundesrepublik Deutschland Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen und bekannt gewordene Fälle)

Quelle: BKA (Hg.): PKS 1975±1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1976±1999.

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2

S. 58

Entwicklung der registrierten Gesamtkriminalität (Hellfeld) in Nordrhein-Westfalen

Wie Übersicht 21 zeigt, hat sich die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen (gemessen in Häufigkeitszahlen) entsprechend dem Verlauf auf bundesdeutscher Ebene entwickelt: Z Z

Z

Bis 1990 verliefen die Kurven beider Erfassungsräume nahezu identisch. Bedingt durch organisatorische und programmtechnische Probleme in den neuen Bundesländern lag 1991 die Häufigkeitszahl Nordrhein-Westfalens deutlich über der der Bundesrepublik. Seit 1992 hat sich die Häufigkeitszahl Nordrhein-Westfalens unter dem Bundesdurchschnitt eingependelt, der sich allerdings seit der Wiedervereinigung durch die höheren Kriminalitätszahlen in den neuen Bundesländern erhöht hat.19

Neben den allgemeinen Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik (vgl. unter Punkt 1.1), wie z. B. demographischen Entwicklungen, ¾nderungen des Strafrechts, der Versicherungsausstattung und -bedingungen sowie Erfassungsproblemen, spielen für die Entwicklung der registrierten Kriminalität auf Landesebene darüber hinaus auch ortsbezogene polizeistrategische Zielsetzungen20, die landesweit gelten, eine wichtige Rolle. So findet jährlich zwischen den Polizeibehörden und den Aufsichtsbehörden (Bezirksregierung und Innenministerium) nach festgelegten Regularien ein ¹Zielvereinbarungsprozeûª statt. Dabei werden in einem sog. ¹Gegenstromverfahrenª (Top-down/Bottom-up-Verfahren, d. h. hierarchischer Prozeûablauf über Zielthemen und -vorschläge von oben nach unten und umgekehrt) Prioritäten in der Verbrechensbekämpfung vereinbart. Seit 1996 ist z. B. die vermehrte Ermittlungsarbeit im Rahmen des Wohnungseinbruchs und seit 1997 die intensivere Bekämpfung bestimmter Gewaltdelikte begangen durch Kinder, Jugendliche und Heranwachsende (Kinder- und Jugendkriminalität) festgeschrieben. Die damit verbundene erhöhte Ermittlungsaktivität hat die Erlangung zusätzlicher Ermittlungserkenntnisse zur Folge, so daû hinsichtlich der jeweiligen Delikte die Zahl der registrierten Straftaten zunimmt.

19 Die Hz in den neuen Bundesländern hat sich zwischen 1993 und 1998 um fast 2.000 Punkte gegenüber der der alten Bundesländer mit Gesamt-Berlin vergröûert. 20 Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1996 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1997, S. 5.

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Übersicht 21:

Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen)

Quellen: LKA NRW (Hg.): PKS Nordrhein-Westfalen 1975±1998. Düsseldorf 1976±1999 und BKA (Hg.): PKS 1975±1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1976±1999.

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Diese in bestimmten Deliktsbereichen verstärkt vorgenommene Kontrolltätigkeit der Behörden beeinfluût insbesondere die Entwicklung der Fallzahlen von sog. Kontrolldelikten, wie z. B. der Betäubungsmittelkriminalität. Da der Anteil der durch Dritte angezeigten Straftaten in diesem Bereich sehr gering ist, wird die Zu- bzw. Abnahme der registrierten Fälle hauptsächlich durch die seitens der Polizei zusätzlich unternommenen Maûnahmen bestimmt.21 3

Entwicklung der registrierten Kriminalität (Hellfeld) in Bochum

Für die Betrachtung der Kriminalitätsentwicklung in der Stadt Bochum22 werden neben der Gesamtkriminalität in Bochum solche Delikte näher erörtert, die auch durch die Bochumer Dunkelfeldforschungen erfaût worden sind. Dies sind Diebstahlsdelikte insgesamt, Diebstahl ohne erschwerende Umstände (mit Ausnahme des Laden- und Warenhausdiebstahls) und Diebstahl unter erschwerenden Umständen sowie Raub und vorsätzliche Körperverletzung. 3.1

Gesamtkriminalität

Um einen Eindruck von der Kriminalitätsbelastung der Stadt Bochum im Vergleich zum Landesdurchschnitt zu gewinnen, werden in Übersicht 22 neben den Häufigkeitszahlen Bochums zusätzlich auch die Nordrhein-Westfalens ausgewiesen.

21 Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1996 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1997, S. 25. 22 Es ist darauf hinzuweisen, daû alle Daten, die sich auf die Stadt Bochum beziehen, streng von denen der Kreispolizeibehörde (KPB) Bochum zu trennen sind, die in ihrer Gesamtheit die Städte Bochum, Witten und Herne umfaût. Bis einschlieûlich 1993 sind die Daten für die Stadt Bochum aus einer Addition der Zahlen für ¹Bochum ohne Wattenscheidª und ¹Wattenscheidª zu errechnen. Erst seit der Neuorganisation der KPB Bochum im Jahr 1994 werden die Daten für die gesamte Stadt Bochum einheitlich ausgewiesen.

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Übersicht 22:

Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen)

Quellen: Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS der Jahre 1975±1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1976±1999 und LKA NRW (Hg.): PKS Nordrhein-Westfalen 1975±1998. Düsseldorf 1976±1999.

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3.1.1

S. 62

Kriminalitätsbelastung Bochums im Vergleich zu NordrheinWestfalen

Die Gegenüberstellung der Häufigkeitszahlen Bochums23 mit denen NordrheinWestfalens zeigt, daû im Langzeitvergleich die registrierte Kriminalität entsprechend dem landesweiten Trend auch in Bochum zunimmt. Insbesondere seit Beginn der 80 er Jahre weist Bochum sogar eine überdurchschnittlich hohe Häufigkeitszahl im Vergleich zum Landesmittel auf. Zum ersten Jahresmeûpunkt 1975 betrug die Häufigkeitszahl für Bochum 5.354, während sie in Nordrhein-Westfalen bei 4.739 lag. 1986 erhöhte sich die Häufigkeitszahl in Bochum um 45,9 % auf 7.809, in Nordrhein-Westfalen um 53,3 % auf 7.267. Zur Zeit des dritten Meûpunkts 1998 war für Bochum ein weiterer Anstieg um 14,9 % auf 8.972 und für Nordrhein-Westfalen um 2,0 % auf 7.409 zu verzeichnen. Die etwas gröûere Kriminalitätsbelastung Bochums kann u. a. dadurch erklärt werden, daû in Städten generell mehr Straftaten verübt werden als auf dem Land (StadtLand-Gefälle der Kriminalität).24 Mit rund 396.000 Einwohnern gehört Bochum zu den Groûstädten (vgl. § 4±1.2) und weist insoweit auch die typischen Merkmale einer Groûstadt in bezug auf die Kriminalitätsstruktur auf: Besondere Tatgelegenheitsstrukturen, bessere Fluchtmöglichkeiten und eine geringere informelle Kontrolle. 25 3.1.2

Spezielle Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik auf kommunaler Ebene am Beispiel von Bochum

Auch die Entwicklung der registrierten Kriminalität auf kommunaler Ebene wird (wie in Bund und Land) von allgemeinen Einfluûfaktoren der Hellfeldstatistik (vgl. unter Punkt 1.1) sowie von landesweit geltenden polizeistrategischen Maûnahmen (vgl. unter Punkt 2) beeinfluût.

23 Grundlage für die Berechnung der Häufigkeitszahlen der Stadt Bochum sind die vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen angegebenen Einwohnerzahlen jeweils zum Stichtag 31.12. Da die diesbezüglichen Daten der KPB Bochum auf einer anderen Quelle basieren, divergieren die hier angegebenen Zahlenwerte geringfügig von den in der Bochumer PKS ausgewiesenen Häufigkeitszahlen. Die Quelle der KPB Bochum kann indes nicht übernommen werden, da diese Daten nur noch ab 1986 vorhanden sind, die vorliegende Untersuchung aber den Zeitraum ab 1975 beschreibt. 24 BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 47; Schwind, HansDieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 24. 25 Vgl. Kube, Edwin: Städtebau als Aspekt kommunaler Kriminalprävention. In: Albrecht, Hans-Jörg u. a. (Hg.): Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht. Erster Halbband. Berlin 1998, S. 854.

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Darüber hinaus ist die Entwicklung der Fallzahlen in einer Stadt aber auch davon abhängig, ob und gegebenenfalls über welche Schwerpunktdienststellen (spezialisierte Dienststellen) die jeweilige Polizeibehörde verfügt.26 So ist der sprunghafte Anstieg der registrierten Kriminalität in Bochum von einer Häufigkeitszahl von 8.877 im Jahr 1995 um 35,1 % auf einen Wert von 11.992 im Folgejahr und die daraus resultierende Abnahme um 27,2 % im Jahr 1997 (vgl. Übersicht 22) vor allem damit zu erklären, daû das Kriminalkommissariat für Wirtschaftskriminalität zwei umfangreiche mehrjährige Ermittlungsverfahren im Bereich der organisierten Wirtschaftskriminalität mit insgesamt 6.340 Fällen 1996 zum Abschluû gebracht hat. 27 Ohne diese zusätzlichen Straftaten hätte die Steigerungsrate der Häufigkeitszahl für das Jahr 1996 im Vergleich zum Vorjahr 17,2 % betragen. 3.2

Diebstahlsdelikte

Übersicht 23 stellt anhand von Häufigkeitszahlen die Entwicklung der registrierten Diebstahlsdelikte insgesamt bzw. die Entwicklung des Diebstahls ohne erschwerende Umstände (mit Ausnahme des Laden- und Warenhausdiebstahls) sowie die des Diebstahls unter erschwerenden Umständen in der Stadt Bochum und in Nordrhein-Westfalen dar. 3.2.1

Diebstahlsdelikte insgesamt

Diebstahl ist die mit Abstand am häufigsten vertretene Deliktsart innerhalb der PKS. 1998 beispielsweise betrug sein Anteil am Gesamtaufkommen der Kriminalität in Bochum 49,0 %, in Nordrhein-Westfalen sogar 55,6 %.

26 Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1999, S. 7. 27 Polizeipräsidium Bochum (Hg.), a. a. O. (FN 26), S. 6, 31.

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Übersicht 23:

Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen Diebstahlsdelikte (Häufigkeitszahlen)

Quellen: Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS der Jahre 1975±1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1976±1999 und LKA NRW (Hg.): PKS Nordrhein-Westfalen 1975±1998. Düsseldorf 1976±1999.

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Bei Betrachtung der Entwicklung aller bekannt gewordenen Diebstahlsdelikte in Bochum im Vergleich zu der in Nordrhein-Westfalen liegen auch hier ± ebenso wie im Bereich der Gesamtkriminalität (vgl. Übersicht 22) ± die Häufigkeitszahlen zumindest ab 1979 deutlich über dem Landesdurchschnitt, was wiederum z. T. auf das Stadt-Land-Gefälle der Kriminalität zurückzuführen ist (vgl. unter Punkt 3.1.1). Tendenziell weisen beide Erfassungsräume jedoch den gleichen Verlauf auf. So stieg im ersten Untersuchungszeitraum von 1975 bis 1986 die Häufigkeitszahl für Bochum um 49,9 % und für Nordrhein-Westfalen um 44,3 % an, wohingegen sie sich im zweiten Meûzeitraum von 1986 bis 1998 für Bochum um 16,7 % und für Nordrhein-Westfalen um 14,3 % verringerte. Nachdem 1993 sowohl in Bochum als auch in Nordrhein-Westfalen einer der bisherigen Höchstwerte erreicht wurde, ist seitdem (mit Ausnahme von 1996 in Bochum) ein stetiger Rückgang der bekannt gewordenen Diebstahlsdelikte zu verzeichnen. Die Verringerung der registrierten Diebstahlskriminalität wird indes durch eine Zunahme der Fallzahlen in anderen Deliktsbereichen ± vor allem im Rahmen von Körperverletzungen (vgl. unter Punkt 3.4) und Betrug ± kompensiert. Die rückläufigen Diebstahlsdelikte führen daher nicht zu einer Abnahme der Gesamtkriminalität (vgl. Übersicht 22). 3.2.2

Diebstahl ohne erschwerende Umstände

Unter den Begriff ¹Diebstahl ohne erschwerende Umständeª28 (¹einfacher Diebstahlª) fallen folgende Straftatbestände des StGB: Diebstahl (§ 242 StGB), Hausund Familiendiebstahl (§ 247 StGB), Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen (§ 248 a StGB), Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs (§ 248 b StGB) sowie Entziehung elektrischer Energie (§ 248 c StGB). In die Berechnung der Häufigkeitszahlen des einfachen Diebstahls für Übersicht 23 wurde der Laden- und Warenhausdiebstahl29 nicht mit eingestellt, um eine Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen der Dunkelfelderhebung zu ermöglichen. Denn dort wurden nur solche Opferwerdungen erfragt, bei denen der Pb selbst und nicht ein Dritter Geschädigter des einfachen Diebstahls war.30 Bei isolierter Betrachtung des Laden- und Warenhausdiebstahls im Rahmen des einfachen Diebstahls wurde für Bochum zwischen 1986 (Hz: 821) und 1998 (Hz: 1.049) ein Anstieg der Häufigkeitszahl um 27,8 % und für Nordrhein-Westfalen um 36,4 % verzeichnet. 28 Deliktsschlüssel der PKS: 3***. 29 Als Ladendiebstahl (Deliktsschlüssel der PKS: 326*) werden alle Diebstahlsfälle von ausgelegten Waren durch Kunden während der Geschäftszeit erfaût (BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 13). Demgegenüber meint Warenhausdiebstahl (Deliktsschlüssel der PKS: 327*) alle sonstigen Diebstahlsdelikte in/aus Warenhäusern, Verkaufsräumen und Selbstbedienungsläden. 30 Vgl. § 5±1.5.1.

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Auffallend ist, daû die Häufigkeitszahlen des einfachen Diebstahls (mit Ausnahme des Laden- und Warenhausdiebstahls) über die Jahre hinweg sowohl in Bochum als auch in Nordrhein-Westfalen relativ konstant geblieben sind. Von 1986 bis 1998 ergab sich für Bochum sogar eine Abnahme von 7,9 %, für Nordrhein-Westfalen von 14,7 %. 3.2.3

Diebstahl unter erschwerenden Umständen

¹Diebstahl unter erschwerenden Umständenª31 (¹schwerer Diebstahlª) umfaût die nachfolgenden Straftatbestände: Besonders schwerer Fall des Diebstahls (§ 243 StGB), Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 StGB) und Schwerer Bandendiebstahl (§ 244 a StGB). Wie schon für die Diebstahlsdelikte insgesamt beschrieben, läût sich auch im Bereich des schweren Diebstahls seit Beginn der 90 er Jahre sowohl für Bochum als auch für Nordrhein-Westfalen eine deutlich fallende Tendenz erkennen. 1998 ist die Häufigkeitszahl im Vergleich zu 1986 in Bochum um 30,6 % und in NordrheinWestfalen um 24,3 % gesunken. Ein Grund für diese rückläufige Diebstahlskriminalität sind neben der ¾nderung von Versicherungsbedingungen vor allem verbesserte Sicherungsmaûnahmen32. Dazu zählen nicht nur die herstellungsbedingten industriell installierten Schutzmaûnahmen gegen Diebstahl, wie z. B. elektronische Wegfahrsperren an Kraftfahrzeugen und der Einbau kodierter Autoradios, sondern auch die immer häufiger von Privatpersonen getroffene Vorsorge gegen Wohnungseinbruch.33 Die Untersuchung Bochum III gelangte bezüglich der Vorsorgefrage allerdings zu einem anderen Ergebnis (vgl. § 10±1.3). 3.3

Raubdelikte

Zu Raubdelikten34 i. S. d. PKS zählen folgende Straftatbestände: Raub (§ 249 StGB), Schwerer Raub (§ 250 StGB), Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB), Räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB), Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) und Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB).

31 Deliktsschlüssel der PKS: 4***. 32 Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1994 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1995, S. 3. 33 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.): Bulletin Nr. 29 ± Die Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1999, S. 304. 34 Deliktsschlüssel der PKS: 21**.

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Raubstraftaten gehören zur Gewaltkriminalität 35 und machen hinter Körperverletzungsdelikten den zweitgröûten Anteil dieser Kategorie aus. In der Stadt Bochum entfielen 1998 beispielsweise 31,2 % aller Gewaltdelikte (ohne einfache Körperverletzung) auf Raubstraftaten. Darüber hinaus werden Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung und besonders schwere Fälle der sexuellen Nötigung, Körperverletzung mit Todesfolge sowie Gefährliche und Schwere Körperverletzung, Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr der Gewaltkriminalität zugerechnet. 36 Die Anzahl der registrierten Raubdelikte in der Stadt Bochum hat von einer Häufigkeitszahl von 40 im Jahr 1975 um 62,5 % auf 65 (nämlich von 164 auf 247 Fälle) im Jahr 1986 zugenommen und stieg zwischen 1986 und 1998 um 58,5 % weiter auf einen Wert von 103 (nämlich auf 406 Fälle) an, was einem Zuwachs von 157,5 % im Verhältnis zum ersten Jahresmeûpunkt 1975 entspricht.

35 Als Gewaltkriminalität (Summenschlüssel der PKS: 8920) bezeichnet man i. S. d. PKS verschiedene Straftaten, die jeweils unter Anwendung von Gewalt gegen Personen verübt werden: Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1999, S. 13. 36 BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 15.

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Übersicht 24:

Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen Raubdelikte (Häufigkeitszahlen)

Quellen: Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS der Jahre 1975±1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1976±1999 und LKA NRW (Hg.): PKS Nordrhein-Westfalen 1975±1998. Düsseldorf 1976±1999.

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Damit ist zwar ein deutlicher Anstieg feststellbar. Vergleicht man jedoch einzelne Berichtsjahre miteinander, weist die Hellfeldstatistik für Raubstraftaten extreme Schwankungen auf, wie sich aus Übersicht 24 entnehmen läût. Ursache dafür ist der relativ geringe Anteil von Raubdelikten an der Gesamtkriminalität. Mit durchschnittlich nur rund 1 % am Aufkommen aller Straftaten zählt der Raub nicht nur in Bochum, sondern generell zu den selteneren Delikten. 1998 beispielsweise entfielen von den 35.514 bekannt gewordenen Fällen in Bochum nur 406 auf Raubdelikte. In Nordrhein-Westfalen waren es 14.528 von insgesamt 1.331.777 registrierten Straftaten. Das hat zur Folge, daû einmalige Kriminalitätsgeschehen, wie z. B. das Tätigsein einzelner Banden, die innerhalb kurzer Zeit überdurchschnittlich viele Delikte begehen, starke ± auf ein Berichtsjahr begrenzte ± Ausschläge der Verlaufskurve hervorrufen können.37 3.4

Vorsätzliche Körperverletzungsdelikte

Folgende Tatbestände des StGB werden in der PKS zu der Gruppe ¹Körperverletzungsdelikteª zusammengefaût: Körperverletzung (§ 223 StGB), Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), Miûhandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB), Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) und Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB). Aus dieser Straftatengruppe rechnen Körperverletzungen mit tödlichem Ausgang (§§ 227, 231 StGB) sowie Gefährliche und Schwere Körperverletzung zur Gewaltkriminalität und stellen allgemein den Hauptanteil dieser Kategorie dar. 1998 waren beispielsweise 65,2 % aller in Bochum erfaûten Gewaltstraftaten solche Körperverletzungsdelikte. Indem nur bestimmte Formen der Körperverletzungsdelikte, insbesondere nicht die einfache Körperverletzung gemäû § 223 StGB, zur Gewaltkriminalität i. S. d. PKS zählen, ist dort dieser Begriff wesentlich enger definiert als im kriminologischen Sinne.

37 Vgl. Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1996 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1997, S. 18.

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Übersicht 25:

Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen Vorsätzliche Körperverletzungsdelikte (Häufigkeitszahlen)

Quellen: Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS der Jahre 1975±1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1976±1999 und LKA NRW (Hg.): PKS Nordrhein-Westfalen 1975±1998. Düsseldorf 1976±1999.

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Übersicht 25 zeichnet die Entwicklung der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte38 in Bochum sowie in Nordrhein-Westfalen nach. ¾hnlich wie beim einfachen Diebstahl werden auch im Rahmen der Körperverletzungstatbestände nur die Delikte gezählt, die bei der Dunkelfeldbefragung erhoben wurden. Übersicht 16 basiert deshalb nur auf Daten der vorsätzlichen, nicht auf solchen der fahrlässigen Körperverletzung. Abgesehen von einzelnen Schwankungen weist die Verlaufskurve der Körperverletzungsdelikte sowohl für Bochum als auch für Nordrhein-Westfalen insgesamt einen kontinuierlichen Anstieg auf, wobei die Zunahme für Bochum mit 86,4 % im Jahr 1998 im Vergleich zu 1986 deutlich stärker ausfällt als im gleichen Zeitraum für Nordrhein-Westfalen mit 51,7 %. 4

Zusammenfassung

Die Betrachtung der PKS-Daten zeigt, daû im vergangenen Vierteljahrhundert die registrierte Gesamtkriminalität in allen hier untersuchten Erfassungsräumen massiv zugenommen hat. So stieg die Häufigkeitszahl für die Bundesrepublik 1998 im Vergleich zum ersten Jahresmeûpunkt 1975 um 66,7 %, für Nordrhein-Westfalen um 56,3 % und für Bochum um 67,6 % an. Nicht unberücksichtigt bleiben darf jedoch, daû sich die Steigerungsraten vom zweiten (1986) zum dritten Meûpunkt (1998) gegenüber den vom ersten (1975) zum zweiten (1986) erheblich verringert haben. Wurde für den Bund 1986 im Vergleich zu 1975 noch eine Zunahme der Häufigkeitszahl um 51,5 % festgestellt, erhöhte sich der Wert von 1986 bis 1998 um nur noch 10,0 %. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich bei der Stadt Bochum. Hier lag die Steigerungsrate 1986 im Vergleich zu 1975 bei 45,9 %, im Jahr 1998 gegenüber 1986 bei lediglich 14,9 %. Am deutlichsten wird die nunmehr verlangsamte Zunahme der registrierten Gesamtkriminalität am Beispiel Nordrhein-Westfalens. 1986 lag die Häufigkeitszahl um 53,3 % über der von 1975. Im Jahr 1998 dagegen wurde nur noch ein Anstieg von 2,0 % im Vergleich zu 1986 verzeichnet. Ob dies jedoch auch der Entwicklung des tatsächlichen Kriminalitätsgeschehens entspricht, kann nicht abschlieûend festgestellt werden, da die Aussagekraft der PKS aufgrund verschiedener Einfluûfaktoren begrenzt ist. Dazu zählen neben der Gröûe des Dunkelfelds auch ¾nderungen des Strafrechts, der Versicherungsausstattung und -bedingungen sowie Erfassungsprobleme und demographische Veränderungen, die allerdings durch die Berechnung von Häufigkeitszahlen ausgesteuert werden können. Die für die Stadt Bochum gesondert untersuchten Deliktsgruppen, die auch Gegenstand der Bochumer Dunkelfelduntersuchungen waren (vgl. § 6±1.1), nämlich

38 Deliktsschlüssel der PKS: 22** ohne 2250.

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Diebstahls-, Raub- und vorsätzliche Körperverletzungsdelikte, weisen keine einheitliche Entwicklung über das letzte Vierteljahrhundert hinweg auf. Bezüglich der Diebstahlsdelikte, sowohl insgesamt als auch unterteilt nach schwerem und einfachem Diebstahl (mit Ausnahme des Laden- und Warenhausdiebstahls), ist in den vergangenen Jahren eine deutlich fallende Tendenz zu erkennen. 1998 lag beispielsweise die Häufigkeitszahl aller registrierten Diebstahlsdelikte in Bochum um 16,7 % niedriger als im Jahr des zweiten Meûpunkts 1986. Anders dagegen verhält sich die Entwicklung der Raub- und Körperverletzungsdelikte. In beiden Straftatengruppen sind die Häufigkeitszahlen über die berechenbaren Jahresmeûpunkte hinweg stetig angestiegen. Die Häufigkeitszahl der Raubdelikte hat 1998 im Vergleich zu 1986 um 58,5 % zugenommen, die der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte um 86,4 %. Ist also insgesamt eine deutlich verlangsamte Zunahme der registrierten Gesamtkriminalität erkennbar und darüber hinaus sogar eine Abnahme der bekannt gewordenen Delikte im Bereich des Diebstahls, kann dennoch keine Entwarnung hinsichtlich der Kriminalitätsentwicklung gegeben werden. Denn gerade die Fallzahlen in kriminalpolitisch brisanten Bereichen steigen nach wie vor an. So nimmt die Anzahl der Raub- und Körperverletzungsdelikte, also der Straftaten, die den Hauptanteil der Gewaltkriminalität ausmachen, weiter zu. Oder werden solche Gewaltstraftaten heute nur häufiger angezeigt, weil die Bevölkerung sensibler geworden ist (vgl. § 6±5)?

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§4

S. 73

Kriminalgeographische Verteilung der registrierten Kriminalität in Bochum

Gliederung 1 1.1 1.2 1.3

Die Stadt Bochum als Untersuchungsraum . . . . . . . . . . . . . Hinweise zur Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationen zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur Bochums . Gebietseinteilungen der Stadt Bochum durch die kommunalen Fachämter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Kartographische Darstellungsmöglichkeiten von Kriminalitätsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Das Programm ¹MapInfoª . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Das Programm ¹Regio-Graphª . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Das Informationssystem ¹GLADISª . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 74 . . 74 . . 76 . . 77 . . . .

. . . .

78 78 79 79

2

Verteilung der Kriminalität über das Stadtgebiet Bochum 1998. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

3

Die Bochumer Kriminalitätsverteilung im Vergleich der drei Jahresmeûpunkte 1975±1986±1998 . . . . . . . . . . . . . Vergleichbarkeit der drei Jahresmeûpunkte. . . . . . . . . . . . . Kriminalitätsschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Unterzentren innerhalb des Stadtgebietes . . . Verteilung der Tatverdächtigenwohnsitze. . . . . . . . . . . . . .

3.1 3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 4.3 4.4 5

Mögliche Gründe für die unterschiedliche Kriminalitätsverteilung in Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhänge zwischen Sozialfaktoren und Kriminalität . Ethnische Auffälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhänge zwischen geographischer Lage und Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

83 83 83 84 85

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

88 88 91 91

. . . . 92

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Anhand der Zahlen der Sondererfassung1 Bochum III (1998) wird in diesem Paragraphen die Verteilung der registrierten Kriminalität (Hellfeld) über das Gebiet der Stadt Bochum vorgestellt, um diese dann mit den entsprechenden

1 Zur Sondererfassung siehe im einzelnen § 1±1.1.

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S. 74

Resultaten der Untersuchungen Bochum I (1975)2 und Bochum II (1986)3 zu vergleichen. Die in § 3 genannten Zahlen zur Kriminalitätsverteilung in Bochum unterscheiden sich (geringfügig) von den Zahlen in diesem Paragraphen, da in § 3 die Zahlen der PKS für die Kreispolizeibehörde (KPB) Bochum zugrunde gelegt wurden. § 4 stützt sich dagegen auf die Zahlen der Sondererfassung der Bochumer Polizei. Die Untersuchung der Kriminalitätsverteilung im Stadtgebiet Bochum fällt in den Bereich der kriminalgeographischen Fragestellungen4, die schon in der Untersuchung Bochum I (¹Kriminalitätsatlas Bochumª) eine Rolle gespielt haben. Insoweit befaût sich § 4 mit folgenden Fragen: Z

Z

Z

Wie verteilt sich die registrierte Kriminalität innerhalb des Stadtgebietes von Bochum auf die einzelnen (Polizei-)Bezirke (vgl. dazu Punkt 2)? Haben sich Kriminalitätsschwerpunkte seit den Untersuchungen Bochum I und II verlagert, und wenn ja, welche Gründe kann es dafür geben (vgl. dazu die Punkte 3 und 4)? Womit könnte es zusammenhängen, daû einige Wohngebiete stärker kriminalitätsbelastet sind als andere (vgl. dazu Punkt 4)?

1

Die Stadt Bochum als Untersuchungsraum

Bochum wurde als Untersuchungsraum ausgewählt, weil das Forschungsteam (überwiegend) an der Ruhr-Universität Bochum tätig ist. Darüber hinaus spielte eine Rolle, daû diese Stadt als typische deutsche Groûstadt ohne extreme Auffälligkeiten eingestuft werden kann. 1.1

Hinweise zur Stadtentwicklung

Die Herkunft des Namens der Stadt ist nicht eindeutig geklärt. Es wird vermutet5, daû Bochum mit ¹Bok-Hemª zu tun hat; das bedeutet ¹Heim unter Buchenª. Noch 1861 hatte die Stadt (deren Stadtrechte aus dem 14. Jahrhundert stammen) nur 2 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I). 3 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II). 4 Die Kriminalgeographie im weiteren Sinne ist als ¹Zweig der kriminologisch-kriminalistischen Forschung zu verstehen, der kriminelles Verhalten in seiner raumzeitlichen Verteilung erfaût und durch spezifische Verbreitungs- und Verknüpfungsmuster demographischer, wirtschaftlicher, sozialer, psychischer und kultureller Einfluûgröûen zu erklären versucht, und zwar mit dem Ziel der (primär vorbeugenden) Verbrechensbekämpfungª: Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 291. Vgl. dazu ausführlich z. B. Hommel u. a. in der Untersuchung Bochum I, S. 5 ff. 5 Vgl. Brinkmann, Karl: Bochum. Bochum 1968 (2. Aufl.), S. 27.

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2.100 Einwohner. Von da an nahm die Bevölkerungszahl schlagartig zu: So lebten 1905 schon 117.000 Menschen in Bochum, heute sind es rund 396.000. Die dramatische Zunahme hatte mit zwei Entwicklungen zu tun: Erstens mit dem industriellen Aufschwung (Kohle- und Stahlindustrie), der Ende des vorigen Jahrhunderts einsetzte und z. B. viele Ostpreuûen und Polen ins Ruhrgebiet zog. Zweitens gab es eine Reihe von Eingemeindungen, die 1904 begannen, sich 1929 fortsetzten und 1975 im Rahmen der kommunalen Neugliederung durch den Zusammenschluû mit der Stadt Wattenscheid endeten. Seitdem umfaût das Stadtgebiet eine Fläche von 145,4 qkm.6 Der wirtschaftliche Aufschwung Bochums zur Industriemetropole (zwischen Recklinghausen, Essen und Dortmund) am Rande des Ruhrgebiets hatte allein mit dem aufstrebenden Bergbau zu tun, der den Aufschwung der Eisen- und Stahlerzeugung und der entsprechenden verarbeitenden Industrien (z. B. den Fahrzeugbau) nach sich zog.7 Die industrielle Blütezeit (die das Image von Bochum als ¹Kohlestadtª prägte) dauerte bis zum Ende der 50 er Jahre. Die dann einsetzende Bergbaukrise blieb nicht ohne Folgen für den Arbeitsmarkt: Insgesamt gingen bis heute durch das ¹Zechensterbenª rund 445.000 Arbeitsplätze im Ruhrgebiet verloren.8 Die letzte Bochumer Groûschachtanlage wurde 1973 geschlossen. Auch die Stahlindustrie büûte in Nordrhein-Westfalen seit 1975 knapp 230.000 Arbeitsplätze ein. 9 Aufgefangen wurden diese Verluste, soweit sie Bochum betrafen, durch die Ansiedlung zahlreicher neuer Betriebe; dazu gehört z. B. die Adam Opel AG (seit 1961 mit drei Zweigwerken), die noch heute der gröûte Arbeitgeber der Stadt ist.10 Parallel zu diesen Neuansiedlungen vollzog sich ein Wandel zum Dienstleistungszentrum. Die Bochumer City und der Ruhr-Park entwickelten sich zu Einkaufszentren, die auch überregionale Bedeutung besitzen. Auûerdem ist Bochum Sitz der ARAL AG, der Bergbau-Berufsgenossenschaft, der Bundesknappschaft und der Krupp-Hoesch-Automotive GmbH. Schlieûlich hat die Ruhr-Universität Bochum, die 1965 ihren Vorlesungsbetrieb aufnahm (Studentenzahl im Jahr 1998: knapp 37.00011), das Bild Bochums verändert. Das gilt auch für die vier Fachhochschulen, die von weiteren etwa 8.400 Studenten12 besucht werden.

6 Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen der Stadt Bochum (Hg.): Statistisches Jahrbuch der Stadt Bochum (Berichtsjahr 1997). Bochum 1998, S. 3. 7 Mämpel, Wulf/Voigt, Corneel: Bochum. Essen 1998, S. 6. 8 Auskunft erteilte Herr Dr. Peter Hufschmied, Gesamtverband des deutschen Steinkohlebergbaus, am 1. 3. 2000. 9 Auskunft erteilte Herr Dieter Koch, IG Metall, Verwaltungsstelle Bochum, am 14. 3. 2000. 10 Mämpel, Wulf/Voigt, Corneel: Bochum. Essen 1998, S. 6. 11 Stadt Bochum (Hg.): Standort Bochum. Bochum 1998, S. 17. 12 Stadt Bochum (Hg.), a. a. O. (FN 11).

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1.2

S. 76

Informationen zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur Bochums

Zu den Jahresmeûpunkten der Untersuchungen Bochum I, II und III bot die Bochumer Bevölkerungs- und Sozialstruktur das in Übersicht 26 dargestellte Bild. Übersicht 26:

Bochumer Bevölkerungs- und Sozialstruktur 1975, 1986 und 1998 13 Untersuchung (Stichtag)

Einwohnerzahl

Bochum I (1. 1. 1975)

Bochum II (1. 1. 1986)

Bochum III (1. 1. 1998)

434.909

403.386

395.837

14

Anteil Nicht-Deutscher

4,9 %

5,8 %

8,8 %

Anteil Kinder unter 14 Jahre

16,3 %

11,2 %

12,3 %

Anteil Jugendlicher zwischen 14 und 18 Jahren

5,6 %

4,5 %

3,7 %

Arbeitslosenquote

1,7 %

15,1 %

14,3 %

Zahl der Empfänger, denen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gezahlt wurde

10.086

16.070

23.355

= 2,3 %

= 4,0 %

= 5,9 %

Werden die Angaben zur Bochumer Bevölkerungs- und Sozialstruktur aus dem Jahre 1998 mit bundesdeutschen bzw. nordrhein-westfälischen Zahlen verglichen, fällt folgendes auf: Z

Z

Z

Der Bochumer Anteil an Nicht-Deutschen (8,8 %) ist nahezu identisch mit dem Bundesdurchschnitt (9,0 %), aber niedriger als in NRW (11,2 %). Die Arbeitslosenquote in Bochum lag im Jahresdurchschnitt bei 12,9 % 15, im Bund bei 12,3 % und im Land NRW bei 12,6 %16. Der Anteil an Empfängern, denen in Bochum laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gezahlt wurde, ist etwa eineinhalb mal so hoch wie im Bundesgebiet (3,5 % 17).

13 Die Zahlen für 1975 stammen aus: Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen der Stadt Bochum (Hg.): Statistisches Jahrbuch der Stadt Bochum (Berichtsjahr 1975). Bochum 1976. Die Zahlen für 1986 stammen aus: Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen der Stadt Bochum (Hg.): Statistisches Jahrbuch der Stadt Bochum (Berichtsjahr 1986). Bochum 1987. Die Zahlen für 1998 wurden von Herrn Hubfeld, Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen, am 14. 11. 1999 mitgeteilt, wobei die Zahlen zur Sozialhilfe von Herrn Weiûe, Sozialamt der Stadt Bochum, am 28. 10. 1999 zur Verfügung gestellt wurden. 14 Koch/Sommerer in der Untersuchung Bochum I, S. 271. 15 Auskunft erteilte Frau Renate Szych vom Arbeitsamt Bochum am 15. 3. 2000. 16 Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 1999 für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 120, 122. Die Werte differieren von den Angaben in der Übersicht 26, da in dieser die Zahlen vom 1. 1. 1998 genannt wurden. 17 Statistisches Bundesamt (Hg.): a. a. O. (FN 16), S. 463.

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1.3

S. 77

Gebietseinteilungen der Stadt Bochum durch die kommunalen Fachämter

Informationen zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur werden von den kommunalen Fachämtern zur Verfügung gestellt. Allerdings benutzen die verschiedenen Behörden in Bochum unterschiedliche Gebietseinteilungen. Ausgehend von dem Planungsmaûstab der sog. statistischen Gliederung mit der Einteilung in statistische Blöcke, statistische Viertel, Bezirke und Stadtbezirke gibt es für verschiedene Fachbehörden unterschiedliche Gebietseinteilungen, welche den örtlichen Gegebenheiten angepaût sind.18 Mit den zum Zeitpunkt der Untersuchungen Bochum I und II vorliegenden Gebietseinteilungen (171 statistische Wohnplätze) wird nicht mehr gearbeitet. Die derzeit existierende Untergliederung in 154 statistische Viertel stellt zur Zeit die kleinste Ebene dar, auf der ein gröûtmöglichstes Maû an Daten vorhanden ist. Eine Anpassung aller Behörden, die unabhängig von konkreten örtlichen Gegebenheiten arbeiten (vgl. FN 18), an diese Einteilung wäre erstrebenswert. Um eine genauere Vergleichbarkeit von entsprechenden Informationen zu ermöglichen, wäre es darüber hinaus wünschenswert, wenn die Polizei dieselben Einteilungen zugrunde legte. Die aktuellen Einteilungen der Fachämter sehen wie folgt aus: Z

Z

Z

Das Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen kann die Daten der Einwohnerkartei hinsichtlich Alter, Geschlecht und Nationalität sowohl den 36 städtischen wie auch den 46 Polizeibezirken zuordnen.19 Die Wahlbeteiligung wird dagegen nur für die 315 Stimmwahlbezirke statistisch aufbereitet, sie kann jedoch mit hoher Genauigkeit auf die 46 Polizeibezirke umgerechnet werden. Das Sozialamt, das u. a. die Anzahl der Sozialhilfeempfänger registriert, unterscheidet acht Verwaltungsbezirke, die unterschiedlich groû zugeschnitten sind und somit zu einer Auswertung der Situation in den einzelnen Polizeibezirken nicht herangezogen werden können. Das Arbeitsamt differenziert hinsichtlich der Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld nach Postleitzahl-Bereichen. Die Bundesanstalt für Arbeit (in Nürnberg) plant allerdings eine Umstellung von Postleitzahlbezirken auf statistische Viertel.

In der Untersuchung Bochum III wurde aufgrund der Zusammenarbeit mit der Bochumer Polizei eine Einteilung des Stadtgebietes in 46 Polizeibezirke zugrunde gelegt. Somit waren für die Untersuchung der Kriminalität in den Polizeibezirken neben den reinen Kriminalitätszahlen Angaben zu Alter, Geschlecht, Nationalität und aggregierte Daten zur Wahlbeteiligung zu bekommen. Weitere mögliche Bedingungsfaktoren für das Aufkommen von Kriminalität, zu denen konkrete Zahlen

18 So orientiert sich z. B. die Schulentwicklungsplanung an der Lage der Schulen und die Kindergartenplanung an den entprechenden Einzugsgebieten. 19 Dabei werden ausschlieûlich die Hauptwohnsitze berücksichtigt.

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S. 78

nicht für die Polizeibezirke erhältlich sind, wurden in Zusammenarbeit mit den zuständigen Fachämtern im Rahmen von Expertengesprächen diskutiert (siehe Punkt 4.1). 1.4

Kartographische Darstellungsmöglichkeiten von Kriminalitätsverteilungen

Die offiziell erhobenen polizeistatistischen Daten (z. B. zu Straftaten und Verkehrsunfällen) werden von der Polizei in Berichts- und Tabellenform dargestellt. Einige Polizeipräsidien benutzen graphische Programme, um die abstrakten Zahlen auf entsprechendem Kartenmaterial zu veranschaulichen. Die Anzahl der in einem Zeitabschnitt registrierten Straftaten in einem Bezirk kann beispielsweise durch farbliche Abstufungen auf einer Stadtkarte deutlich gemacht werden.20 Bei regelmäûiger Erstellung derartiger Übersichten für dasselbe Gebiet ist die Beurteilung kriminalitätssteigernder Entwicklungen möglich.21 Mit Hilfe entsprechender Computer-Programme kann auf weitere Datenbanken anderer Behörden (Einwohneramt etc.) zugegriffen werden, um die Daten im Rahmen des datenschutzrechtlichen Spektrums miteinander in Beziehung zu setzen. Zu den gebräuchlichsten Visualisierungsprogrammen, die in den Polizeipräsidien Nordrhein-Westfalens eingesetzt werden, gehören die Programme ¹MapInfoª und ¹Regio-Graphª. 1.4.1

Das Programm ¹MapInfoª

Das Programm ¹MapInfoª dient der geographischen Datenanalyse. Es wurde zunächst für Wirtschaftsunternehmen konzipiert und später von einigen Polizeipräsidien (wie Düsseldorf und Köln) für die karthographische Darstellung städtischer Kriminalitätsdaten adaptiert. ¹MapInfoª ermöglicht sehr genaue Gebietseinteilungen: Wie der Übersicht 27 zu entnehmen ist, erfolgt die Darstellung, sehr ähnlich wie bei den früher verwendeten Stecktafeln, durch die Markierung von Tatorten durch Symbole (wie z. B. Stecknadeln oder Sternchen) auf der genauen Tatortadresse. Damit ist jede Vergröûerung des jeweiligen Stadtteilausschnitts frei wählbar ± bis hin zur ausgewählten Straûe und Hausnummer. Da die geographischen Einteilungen nicht streng im Programm festgelegt sind, können sie bei jeder Abfrage auf die gewünschte Stadtunterteilung eingestellt werden (z. B. auch auf Wahlbezirke, Stadtteile, Polizeibezirke).

20 Arndt, Werner: KOP ± EDV-Programme für die kommunale Kriminalprävention. In: Kriminalistik, Jg. 50, Heft 6, 1996, S. 433. 21 Arndt, Werner, a. a. O. (FN 20), S. 431.

78

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S. 79

Übersicht 27:

Ausschnitt aus einer ¹MapInfoª-Karte (Straûennamen verändert)

1.4.2

Das Programm ¹Regio-Graphª

In den Ruhrgebietsstädten Bochum, Dortmund und Essen erfolgt die Aufbereitung der Deliktszahlen mit der ¹Regio-Graphª-Software. Dabei werden die Kriminalitätszahlen in frei wählbaren geographischen Einheiten durch unterschiedliche Farbschattierungen oder Schraffuren deutlich gemacht (vgl. die untere Karte der Übersicht 30). Diese Einheiten können zwar nicht bei jeder Abfrage verändert werden. Jedoch ermöglicht diese Art der Darstellung den Vergleich der Kriminalitätsentwicklung zwischen verschiedenen Bezirken; die genauen Tatortadressen sind allerdings nicht erkennbar. Während die Polizeibehörde Bochum die Kriminalitätsverteilung auf der Grundlage der PKS-Daten üblicherweise auf der Ebene der drei Polizeiinspektionen (PI-Ost, PI-West und PI-Mitte) darstellt, wurden für die Sonderuntersuchung Bochum III die Daten von 1998 auf der feiner dargestellten Ebene der 46 Polizeibezirke erfaût (siehe § 1±1.2). 1.4.3

Das Informationssystem ¹GLADISª

Das Polizeipräsidium München analysiert die Kriminalitätslage mit dem geographischen Informationssystem ¹GLADISª22. Dieses Programm erfaût nicht nur die Informationen von ¹MapInfoª und ¹Regio-Graphª, sondern kann darüber hinaus 22 GLADIS = Geographisches Lage-, Analyse-, Darstellungs- und Informationssystem. Okon, Günter/ Weinreich, Ralf: Das geographische Informationssystem GLADIS. In: Kriminalistik, Jg. 54, Heft 2, 2000, S. 122.

79

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S. 80

eine Vielzahl kriminologischer und kriminalistischer Daten zur Verfügung stellen und miteinander verknüpfen. 2

Verteilung der Kriminalität über das Stadtgebiet Bochum 1998

Im Untersuchungsjahr 1998 wurden durch die Sondererfassung der Polizei im Stadtgebiet Bochum insgesamt 27.560 Straftaten registriert23; davon entfielen 14.469 Fälle auf die für die Dunkelfelduntersuchung gesondert erfaûten Delikte vorsätzliche Körperverletzung, Diebstahl und Raub. Übersicht 28:

Kriminalitätszahlen aus der Sondererfassung für alle 46 Polizeibezirke der Stadt Bochum Polizeibezirk (Bezirksnummer)

Delikte insgesamt Hz

absolute Zahlen

TVBZ

Raub

Körperverletzung

einfacher Diebstahl

schwerer Diebstahl

Hz*

Hz

Hz

Hz

City/Hbf. (111)

53.615

4.338

4.366

816

3.028

10.085

8.639

Querenburg/Uni (313)

41.803

946

4.405

574

1.193

6.186

22.404

Kornharpen/Harpen/ Werne West (305)

13.088

1.218

3.315

75

355

1.257

4.073

Wattenscheid Mitte (203)

12.895

1.423

4.135

217

1.142

1.849

2.673

Riemke Süd (106)

12.877

751

4.118

223

549

943

2.812

Ruhrstadion (102)

12.470

512

4.885

195

1.218

1.169

3.824

Rathaus/Goldhamme (112)

12.444

1.194

5.398

229

1.188

1.219

3.022

Leithe (204)

10.405

941

3.800

77

995

1.305

2.532

Hofstede (105)

10.399

906

3.087

92

459

1.309

4.098

Linden Mitte (215)

10.112

281

3.612

180

720

972

2.447

Stadtpark (101)

10.000

712

2.302

211

646

1.643

3.258

Riemke Nord (107)

9.474

594

4.995

255

893

686

4.035

Hamme (103)

8.018

996

4.259

48

644

628

2.415

Langendreer Südost (308)

7.364

575

2.464

102

474

858

1.883

Griesenbruch/Stahlhausen (113)

7.118

582

6.195

73

391

893

2.373

Langendreer West (310)

6.988

628

3.159

67

345

1.057

1.958

Gerthe Zentrum (302)

5.939

309

4.140

58

461

615

1.711

Wattenscheid Ost (202)

5.751

536

3.718

21

751

762

1.706

23 Die PKS (Tatzeittabelle 1998 des Landeskriminalamtes NRW) weist für die Stadt Bochum 28.251 Straftaten aus. In die Sondererfassung (vgl. § 1±1.2) gingen somit 691 Fälle (2,45 %) weniger ein. Ein Groûteil der 691 Fälle ist durch Fremderfassungen (wie z. B. durch den Zoll und den Bundesgrenzschutz) bedingt.

80

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S. 81

Polizeibezirk (Bezirksnummer)

Delikte insgesamt Hz

absolute Zahlen

TVBZ

Raub

Körperverletzung

einfacher Diebstahl

schwerer Diebstahl

Hz*

Hz

Hz

Hz

Werne Zentrum (306)

5.650

575

3.799

246

423

737

2.201

Lohberg/Altenbochum (117)

5.593

507

1.738

88

353

684

2.151

Ehrenfeld/Wiesental (114)

5.375

476

2.029

169

181

971

1.570

Sevinghausen (205)

5.228

538

2.840

39

447

661

1.701

Havkenscheid/Laer (311)

5.112

346

1.940

30

207

650

2.512

Steinkuhl/Hustadt (312)

4.945

818

4.001

73

423

611

2.279

Friederikapark/ Wiemelhausen (115)

4.692

403

2.062

128

291

501

1.863

Linden (213)

4.607

471

2.477

39

323

479

1.653

Rosenberg (303)

4.447

401

2.341

144

344

665

1.730

Wilhelmshöhe/ Langendreer Ost (307)

4.341

393

2.058

55

177

497

1.922

Weitmar Ost (209)

4.337

363

1.630

36

562

657

1.649

Günnigfeld (201)

4.296

535

3.167

88

586

554

1.341

Eistreff/Goy (116)

4.241

377

2.177

45

371

450

1.609

Grumme (108)

4.215

312

2.413

41

270

419

1.391

Brenschede/Haar (315)

4.112

284

854

145

130

695

1.882

Höntrop (206)

3.995

448

2.338

27

375

553

1.097

Hordel (104)

3.992

205

2.952

0

584

448

1.305

Kaltehardt (309)

3.381

260

2.053

0

390

403

1.717

Dahlhausen (214)

3.351

350

2.154

29

249

335

1.436

Gerthe Ost/ Kirchharpen (304)

3.325

283

1.791

82

247

517

1.198

Eppendorf (208)

3.298

330

2.184

50

430

320

849

Weitmar Mark (210)

3.193

309

1.787

21

310

372

961

Stiepel/Schrick (316)

3.186

249

1.727

38

218

448

1.139

Höntrop Ost (207)

3.128

197

2.391

64

349

365

1.350

Bergen/Hiltrup (301)

3.023

253

1.990

24

311

406

1.195

Brenschede Zentrum (314)

2.718

147

1.779

55

74

407

666

Weitmar Neuling (211)

2.081

189

1.356

11

176

242

705

Sundern (212)

1.653

99

1.693

17

134

200

568

Durchschnittswerte

7.875

599

2.915

115

530

1.037

2.554

Alle Hz beruhen auf den Einwohnerzahlen des Bochumer Amtes für Statistik, Stadtforschung und Wahlen vom 1. 1. 1998. * Zu beachten ist, daû den Hz des Raubes nur sehr geringe absolute Zahlen zugrunde liegen. So steht z. B. die Hz von 816 Raubtaten im Bezirk City/Hauptbahnhof für 66 absolute Raubtaten, d. h. auf jeden 123. Einwohner entfiele ein Raub.

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S. 82

Übersicht 28 zeigt, wie sich die Kriminalität im einzelnen auf die 46 Bochumer Polizeibezirke verteilt. Die Bezirke (1. Spalte) wurden entsprechend der Höhe ihrer Kriminalitätsbelastung, wie sie sich nach den Häufigkeitszahlen (Hz Ü Glossar) der Delikte insgesamt darstellt (2. Spalte), in absteigender Reihenfolge geordnet. An erster Stelle steht somit der am stärksten von Kriminalität betroffene Bezirk City/Hauptbahnhof, gefolgt vom Bezirk Querenburg/Universität usw. Die übrigen Bezirke weisen deutlich niedrigere Hz auf. Zusätzlich zu den Hz der Delikte insgesamt enthält die Übersicht 28 die absoluten Zahlen der Delikte insgesamt (3. Spalte), die Tatverdächtigenbelastungszahl24 bezogen auf alle Delikte (4. Spalte) und die Hz aller gesondert erfaûten Delikte (5. bis 8. Spalte). Die letzte Zeile der Übersicht weist schlieûlich die jeweiligen Durchschnittswerte für Bochum insgesamt aus. Wie der Übersicht 28 zu entnehmen ist, ähneln die Kriminalitätsschwerpunkte der gesondert erfaûten Delikte Raub, Körperverletzung und Diebstahl denen der Delikte insgesamt sehr stark. Alle Polizeibezirke, die bei einer einzelnen Deliktsart auffallen, weisen ebenfalls hohe Kriminalitätszahlen bezüglich der anderen Delikte und beim Kriminalitätsaufkommen insgesamt auf. Übersicht 29 zeigt, daû zwischen der absoluten Zahl und der Hz der Delikte insgesamt sowie der Hz der gesondert erfaûten Delikte und der jeweiligen TVBZ durchweg hohe bis sehr hohe Korrelationen (Ü Glossar) bestehen. Übersicht 29:

Korrelationen zwischen verschiedenen Kriminalitätsindikatoren im Hellfeld in den 46 Bochumer Polizeibezirken Hz der Delikte insgesamt

TVBZ der Delikte insgesamt

Absolute Anzahl an Delikten insgesamt

0,86**

0,71**

Hz des Raubes

0,71**

0,52**

Hz der Körperverletzung

0,73**

0,79**

Hz des einfachen Diebstahls

0,92**

0,61**

Hz des schweren Diebstahls

0,92**

0,67**

Hz der Delikte insgesamt TVBZ der Delikte insgesamt

0,77** 0,77**

** p < 0,01

Werden alle Variablen zu einer Skala zusammengefaût, so ergibt sich ein Wert für Cronbachs alpha (Ü Glossar) von 0,95. Dieser Wert bedeutet einen (nahezu) ¹perfektenª Zusammenhang zwischen den Variablen; sie alle messen somit die gleiche Dimension (nämlich die allgemeine Kriminalitätsbelastung). 24 Die Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ Ü Glossar) ist die Zahl der Tatverdächtigen gerechnet auf 100.000 Einwohner (jeweils über 8 Jahre).

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S. 83

Dieses Ergebnis legt nahe, die Bezirke im Jahresvergleich nicht getrennt nach Hz, absoluten Zahlen und TVBZ bzw. getrennt nach Delikten insgesamt und einzelnen Delikten zu untersuchen, sondern alle Faktoren zusammen in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. 3

Die Bochumer Kriminalitätsverteilung im Vergleich der drei Jahresmeûpunkte 1975±1986±1998

Die Kriminalitätszahlen für Bochum nahmen insgesamt von 1975 bis 1998 stetig zu, wobei sich diese Entwicklung seit 1986 etwas verlangsamte (vgl. dazu ausführlich § 3±3 und 4). Die Verteilung der Kriminalität innerhalb des Stadtgebiets hat sich jedoch seit der Untersuchung Bochum I wenig verändert. 3.1

Vergleichbarkeit der drei Jahresmeûpunkte

Der exakten Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist durch die veränderten Zuschnitte der Bezirksgrenzen seit der Untersuchung Bochum II eine Grenze gesetzt. In den Untersuchungen Bochum I und II war, wie schon erwähnt, das Stadtgebiet in 171 Statistische Wohnplätze (SWP) unterteilt, während der Untersuchung Bochum III nur noch 46 Polizeibezirke als kleinste Einteilung zugrunde gelegt werden konnten. Allerdings sind diese Polizeibezirke unterschiedlich groû, so daû einige davon genau mit einem ehemaligen Statistischen Wohnplatz übereinstimmen (beispielsweise ist der jetzige Polizeibezirk 302 identisch mit dem früheren SWP 442), während andere Polizeibezirke mehrere ehemalige SWP umfassen (der jetzige Bezirk 316 umfaût die ehemaligen SWP 616, 623 bis 627). Zum Teil sind aber auch völlig andere Bezirksgrenzen gewählt worden. Zu den verwendeten Stadteinteilungen der Untersuchungen Bochum I, II und III siehe ausführlich § 1±1.3. Übersicht 30 zeigt die Verteilung der Kriminalität über das Stadtgebiet. An den Karten lassen sich die Veränderungen trotz der geänderten Bezirke optisch gut erkennen. Vor allem beim Vergleich der Häufigkeitszahlen (Hz) fallen die zwischenzeitlich geänderten Bezirksgröûen kaum noch ins Gewicht, weil die Hz unterschiedliche Bezirksgröûen und Bevölkerungsdichten relativieren. 3.2

Kriminalitätsschwerpunkte

Kriminalitätsschwerpunkte zeigten sich 1975 und 1986 vor allem in den Bezirken City/Hauptbahnhof und Querenburg/Universität.25 Diese zwei Hauptschwerpunkte ergaben sich auch in der Untersuchung Bochum III und blieben somit über den Zeitraum von fast einem Vierteljahrhundert (unter Berücksichtigung der ver25 Schwind in der Untersuchung Bochum I, Karte S. 80; Untersuchung Bochum II, S. 55.

83

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S. 84

änderten Bezirksgrenzen) nahezu unverändert bestehen. Alle anderen Bezirke weisen deutlich niedrigere Häufigkeitszahlen auf. Auch die übrigen Kriminalitätsbrennpunkte der Untersuchungen Bochum I und II (meist die ehemaligen Zentren eingemeindeter Kommunen) fallen in der Untersuchung Bochum III erneut durch hohe Kriminalitätszahlen auf (siehe dazu Punkt 3.3). Weitere Bezirke wie Riemke Süd, Ruhrstadion und Linden Mitte kamen hinzu. Diese Bezirke waren in den Untersuchungen Bochum I und II zwar schon überdurchschnittlich mit Kriminalität belastet, zählten aber nicht zu den Brennpunkten. Daneben läût sich eine leichte Verschiebung der allgemeinen Kriminalitätsbelastung in den Norden der Stadt feststellen. Allein der Süden der Stadt zeigt sich im Vergleich der drei Jahresmeûpunkte durchweg unauffällig (Nord-Süd-Gefälle; siehe dazu unter Punkt 4.4). 3.3

Bedeutung der Unterzentren innerhalb des Stadtgebietes

Die Verteilung der Tatorte innerhalb des Stadtgebietes hängt maûgeblich mit der Struktur der Stadt zusammen. Aufgrund der zahlreichen Eingemeindungen in diesem Jahrhundert weist Bochum noch heute neben dem Bezirk City/Hauptbahnhof als Hauptzentrum mehrere Unterzentren auf, die sich aus den Mittelpunkten der früher selbständigen ± inzwischen eingemeindeten ± Kommunen gebildet haben. Bereits die Ergebnisse der Untersuchungen Bochum I und II deuten darauf hin, daû die Anzahl der registrierten Tatorte nicht ringförmig von innen nach auûen abnimmt (Zonentheorie 26), sondern sich auf mehrere Schwerpunkte im Stadtgebiet konzentriert, und zwar jeweils auf die Unterzentren (Mehrkerntheorie 27). Darüber hinaus weisen die einzelnen Stadtteile sehr unterschiedliche Strukturen im Hinblick auf die Wohnbebauung, die Flächennutzung und die Infra- und Bevölkerungsstruktur auf. So konzentrieren sich beispielsweise die groûflächigen Einzelhandelsbetriebe auf die nördlichen, nordöstlichen bzw. nordwestlichen Bezirke Bochums (wie z. B. Hofstede, Ruhrpark und Wattenscheid).28 Wie bereits in Punkt 3.2 beschrieben, haben sich die 1975 gezeigten (Kriminalitäts-)Unterzentren der Stadt im Laufe der Jahre zu Lasten des Hauptzentrums nicht abgeschliffen. Um das noch einmal zu verdeutlichen, wurden vier Bezirke ausgewählt, deren Zuschnitte sich seit der Untersuchung Bochum II wenig verändert haben, so daû ein direkter Vergleich möglich wurde. Es handelt sich um die vier besonders belasteten Unterzentren Querenburg/Universität, Kornharpen/Harpen/ Werne West und Wattenscheid Mitte sowie das stark belastete Unterzentrum Linden Mitte. Dabei ergab sich folgendes Bild: 26 Shaw, Clifford R./McKay, Henry D.: Juvenile Delinquency and Urban Areas. Chicago 1942, S. 17. 27 Schwind in der Untersuchung Bochum I, S. 76. 28 Industrie- und Handelskammern (Hg.): Groûflächige Einzelhandelsbetriebe ab 1.000 m2 Verkaufsfläche im Ruhrgebiet. Bochum 1997 (2. Aufl.), S. 151.

84

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Z

Z

Z

S. 85

Die Bezirke Querenburg/Universität und Kornharpen/Harpen / Werne West befanden sich gleichbleibend in allen Untersuchungen in der höchsten Belastungskategorie von ¹ 10.000 Delikten pro 100.000 Einwohnerª. Hier ist somit kein Nachlassen der Kriminalität im Vergleich zum Umfeld und im Verhältnis zur City zu beobachten. Der Bezirk Wattenscheid Mitte befand sich sowohl in der Untersuchung Bochum I als auch in der Untersuchung Bochum II in der zweithöchsten Kategorie ¹5.000 ± 9.999 Delikte pro 100.000 Einwohnerª. In der Untersuchung Bochum III stieg diese Zahl jedoch auf über 12.000 an, so daû sich der Bezirk nun in der höchsten Kategorie ¹ 10.000 Delikte pro 100.000 Einwohnerª befindet. Die Kriminalität in diesem Unterzentrum scheint sich also zu verstärken. Die Hz des Bezirks Linden Mitte lag in den Untersuchungen Bochum I und II jeweils nur leicht über dem Durchschnitt (Kategorie ¹2.500 ± 4.999 Delikte pro 100.000 Einwohnerª). In der Untersuchung Bochum III rückte der Bezirk nun ebenfalls (knapp) in die höchste Kategorie von ¹ 10.000 Delikten pro 100.000 Einwohnerª.

Insgesamt läût sich festhalten, daû kein Abnehmen der Kriminalität in den Unterzentren zu Lasten der City registriert wurde. Die Mehrkerntheorie behält somit ihre Bedeutung für Bochum: Die Unterzentren bleiben bestehen bzw. die Kriminalität dieser Zentren verstärkt sich sogar. 3.4

Verteilung der Tatverdächtigenwohnsitze

Neben Angaben zu den Tatorten wurden in der Untersuchung Bochum III auch Angaben zu den Tatverdächtigen erhoben (siehe dazu im einzelnen § 1±1). Dabei ist zu berücksichtigen, daû in vielen Fällen keine Angaben zum Tatverdächtigen gemacht werden können, weil dieser z. B. bei der Anzeigeerstattung nicht bekannt war. In der Untersuchung Bochum III konnten in ca. 50 % der Fälle keine Angaben zum Tatverdächtigen gemacht werden (siehe § 1±1.2). Folglich gibt die Übersicht 31 die Wohnsitzverteilung nur für jenen Teil der Sondererfassung wieder, der überhaupt Angaben zu Tatverdächtigenwohnsitzen enthielt. Bereits in der Untersuchung Bochum I 29 hatten 78,6 % aller Tatverdächtigen ihren Wohnsitz in Bochum. Im Untersuchungszeitraum der dritten Bochumer Untersuchung waren 77,7 % der Tatverdächtigen im Bereich der Kreispolizeibehörde Bochum ortsansässig, weitere 14,9 % der Tatverdächtigen hatten ihren Wohnsitz im Land NRW. 30 Übersicht 31 macht deutlich, daû der überwiegende Teil der Tatverdächtigen seinen Wohnsitz in Bochum hat. Dies erklärt sich vor allem daraus, daû Bochum als Groûstadt sowohl eine Fülle von Tatgelegenheiten als auch gute Fluchtmöglich-

29 Schwind/Mösezahl/Schlee in der Untersuchung Bochum I, S. 180. 30 Diese Zahlen wurden anhand der Sondererfassung für die Untersuchung Bochum III ermittelt.

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S. 86

keiten bietet. Die Mehrheit der Tatverdächtigen hat somit keinen Anlaû, die Stadtgrenze Bochums zu überschreiten, um Straftaten zu verüben. Übersicht 31:

Wohnsitzverteilung der Tatverdächtigen in Bochum 1998

In der Sondererfassung zur Untersuchung Bochum III konnte keine sog. Echttäterzählung bzw. ¹echte Tatverdächtigenzählungª 31 durchgeführt werden. Aus Datenschutzgründen wurden die Daten anonymisiert, so daû Mehrfachtäter auch mehrfach gezählt wurden (pro Straftat eine Zählung). Die Verteilung der Tatverdächtigenwohnsitze über das Stadtgebiet Bochum ergibt sich aus der Übersicht 32. Die Verteilung der Tatverdächtigenwohnsitze stimmt mit den Häufigkeitszahlen in vielen Bezirken überein. Besonders auffällig sind auch hier die Bezirke City/ Hauptbahnhof und Ruhrstadion. Zudem fallen die Bezirke Riemke Süd und Griesenbruch/Stahlhausen durch eine hohe TVBZ auf.

31 Echttäterzählung bedeutet, daû jeder Tatverdächtige, unabhängig von der Zahl der ihm zur Last gelegten Straftaten, für jeden Berichtszeitraum nur einmal gezählt wird (Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1998, S. 40).

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S. 87

Übersicht 32:

Verteilung der Tatverdächtigenwohnsitze im Stadtgebiet Bochum

87

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4

S. 88

Mögliche Gründe für die unterschiedliche Kriminalitätsverteilung in Bochum

Im Anschluû an die Beschreibung der Kriminalitätsverteilung über das Bochumer Stadtgebiet stellt sich die Frage, ob sich Zusammenhänge mit sozialstrukturellen Benachteiligungen der Bewohner bestimmter Gebiete im Sinne des sozialökologischen Ansatzes von Shaw und McKay32 aufzeigen lassen. Nicht alle Daten zur Bochumer Sozialstruktur konnten anhand konkreter Zahlen ermittelt bzw. auf die Polizeibezirke umgerechnet werden, da die verschiedenen ¾mter unterschiedliche Bezirkseinteilungen vornehmen (vgl. Punkt 1.3). Daher hat das Bochumer Team eine Expertenrunde befragt, um mögliche Gründe für die unterschiedliche Verteilung der Kriminalität aufzufinden. Diese Vorgehensweise kann jedoch nur die Funktion einer Pilotuntersuchung haben. 4.1

Zusammenhänge zwischen Sozialfaktoren und Kriminalität

Die Amtsleiter der entsprechenden Fachämter wurden (unter Hinzunahme weiterer Mitarbeiter) gebeten, 15 nach der Kriminalitätsbelastung ausgewählte Polizeibezirke in ¹sozial negativ auffälligeª, ¹sozial unauffälligeª und ¹sozial positiv auffälligeª Bezirke einzuordnen. Grundlage für diese Einordnung nach sozialen Gesichtspunkten waren: Z

Z

Z

Z

Z

für das Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen: soziale Auffälligkeiten wie der Anteil Deutscher bzw. Nicht-Deutscher und die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 1999; für das Sozialamt: die Verteilung der Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und sonstigen Leistungen; für das Amt für Bauverwaltung und Wohnungswesen: der Anteil an Mietern mit Wohnberechtigungsschein und die allgemeine Baustruktur; für das Jugendamt: die Zahl unvollständiger oder problematischer Familien, Anzahl der Scheidungen, die Zahl der Fälle nach dem KJHG33 wie z. B. die Zahl der Heimkinder; für das Arbeitsamt: die Zahl der Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld.

Die Ergebnisse wurden in der Übersicht 33 zusammengefaût und mit der Kriminalitätsbelastung verglichen. Bei der Interpretation der Ergebnisse der Expertenrunde ist jedoch Zurückhaltung geboten, weil alle Angaben auf Grobeinschätzungen beruhen.

32 Shaw, Clifford R./McKay, Henry D.: Juvenile Delinquency and Urban Areas. Chicago 1942; Strohmeier, Klaus-Peter: Determinants of Urban Violence in the Ruhr and their Interlinkages. Bochum o. J. 33 KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz) = Sozialgesetzbuch (Achtes Buch) Kinder- und Jugendhilfe.

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S. 89

Übersicht 33:

Einschätzung der Sozialstruktur von 15 ausgewählten Bezirken durch die Fachämter

niedrigst belastete Bezirke

mittel belastete Bezirke

h oÈ chst belastete Bezirke

Polizeibezirk (Bezirksnummer)

KriminaTatverEinstufung in ¹negativ auffälligª (1), ¹unauffälligª (2) und ¹positiv auffälligª (3) durch litätsdächtigenbelastung belastungsAmt für ArbeitsWohSozialJugend(Hz) zahl Statistik* amt nungsamt amt (TVBZ) amt

City/Hbf. (111)

53.615

4.366

1

3

2

3

2

Querenburg/ Universität (313)

41.803

4.405

2

3

1

3

2

Kornharpen/ Harpen/Werne West (305)

13.088

3.315

2

3

±

2

1

Wattenscheid Mitte (203)

12.895

4.135

1

3

2

1

1

Riemke Süd (106)

12.877

4.118

2

3

±

2

1

Ehrenfeld/ Wiesental (114)

5.375

2.029

3

3

±

3

3

Sevinghausen (205)

5.228

2.840

2

3

2

2

2

Havkenscheid/Laer (311)

5.112

1.940

2

3

±

1

2

Steinkuhl/ Hustadt (312)

4.945

4.001

2

3

1

1

1

Friederikapark/ Wiemelhausen (115)

4.692

2.062

3

3

±

3

3

Höntrop Ost (207)

3.128

2.391

2

3

2

1

2

Bergen/Hiltrup (301)

3.023

1.990

2

1

±

2

1

Brenschede Zentrum (314)

2.718

1.779

3

3

2

2

3

Weitmar Neuling (211)

2.081

1.356

3

1

±

1

2

Sundern (212)

1.653

1.693

3

3

±

3

3

* Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen

Wie der Übersicht 33 zu entnehmen ist, vermuteten die Experten soziale Auffälligkeiten nicht immer in solchen Bezirken, in denen eine starke Kriminalitätsbelastung gegeben ist bzw. eine hohe TVBZ vorliegt. Dennoch gibt es Polizeibezirke, in denen überwiegend identische Ziffern vergeben wurden. Z

So weist beispielsweise der Bezirk City/Hauptbahnhof die höchste Kriminalitätsbelastung und eine sehr hohe TVBZ auf. Im Rahmen der Einschätzung durch die Fachämter wurde dieser Bezirk jedoch lediglich vom Amt für Statistik als 89

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Z

Z

Z

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¹negativ auffälligª eingestuft. ¾hnliche Unterschiede bei der Einstufung betreffen die hoch belasteten Bezirke Querenburg/Universität, Kornharpen/Harpen/ Werne West und Riemke Süd. Für die Bezirke City/Hauptbahnhof und Querenburg/Universität ist dieses Ergebnis wenig überraschend, da in diesen Bereichen kaum Wohnbevölkerung anzutreffen ist. Demgegenüber wurde der ebenfalls durch eine starke Kriminalitätsbelastung und hohe TVBZ auffällige Bezirk Wattenscheid Mitte weitestgehend ähnlich eingeschätzt: Sowohl das Amt für Statistik, das Sozialamt als auch das Jugendamt stuften diesen Bezirk entsprechend der vorliegenden Qualifizierung ein. Der Bezirk Sevinghausen wurde im Einklang mit der Kriminalitätsbelastung und der TVBZ von fast allen ¾mtern im Mittelfeld der sozialen Auffälligkeiten angesiedelt: Aus der Sicht des Amtes für Statistik, des Wohnungsamtes, des Sozialamtes und des Jugendamtes ist der Bezirk als ¹unauffälligª einzustufen. Die mit geringer Kriminalität und niedriger TVBZ belasteten Bezirke Brenschede Zentrum und Sundern wurden (weitestgehend) als ¹positiv auffälligª bewertet.

Die Divergenzen hängen vermutlich u. a. damit zusammen, daû die kommunalen Fachämter oftmals Gebietseinteilungen verwenden, welche nicht mit den Polizeibezirken vergleichbar sind. Zum Teil werden mehrere Polizeibezirke von einem einzigen Bezirk (z. B. Postleitzahlbezirk) erfaût. Daher wäre (auch) für spätere kriminologische Forschungen eine Angleichung der Erfassungsräume aller Behörden von Nutzen.34 Zu zwei sozialstrukturellen Merkmalen liegen genauere Angaben vor: zu den Nicht-Deutschen und zur Wahlbeteiligung. 4.2

Ethnische Auffälligkeiten

Der Anteil der Nicht-Deutschen an der Bochumer Bevölkerung beträgt im Durchschnitt 8,8 %. Er ist damit niedriger als in Bund und Land (siehe Punkt 1.2). In den einzelnen Bochumer Polizeibezirken schwankt jedoch der Anteil der Nicht-Deutschen sehr stark zwischen 2 % (im Bezirk Eppendorf) und 33 % (im Bezirk Querenburg/Universität). Zwischen dem Anteil der Nicht-Deutschen und der Kriminalitätsbelastung eines Bezirkes konnten verschiedene Zusammenhänge festgestellt werden: Z

Zum einen ist die Häufigkeitszahl der Straftaten in einem Bezirk um so höher, je höher der Anteil der nicht-deutschen Einwohner ist (r = 0,61; p < 0,001; Korrelation Ü Glossar).

34 Verwirklicht wurde die Angleichung der Räume bereits in der Stadt Dreieich. Die Dreieicher Behörden verwenden einheitliche Stadtgebietseinteilungen und sind untereinander mit Computern vernetzt, so daû ein schneller Datenaustausch möglich ist. Vgl. hierzu Arndt, Werner: KOP ± EDV-Programme für die kommunale Kriminalprävention. In: Kriminalistik, Jg. 50, Heft 6, 1996, S. 431 ff.

90

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Z

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Zum anderen ist auch die Zahl der Tatverdächtigenwohnsitze eines Bezirkes um so höher, je höher der Anteil der nicht-deutschen Einwohner ist (r = 0,76; p < 0,001). Bei diesen Feststellungen ist allerdings zu bedenken, daû in einem Stadtteil mit einem hohen Anteil an Nicht-Deutschen das eigene Opferrisiko der dort lebenden Nicht-Deutschen ebenfalls steigt.

Die höhere Kriminalitätsbelastung (in Bochum) von Nicht-Deutschen zeigt sich auch, wenn deren Anteil an Tatverdächtigen bei verschiedenen Straftaten betrachtet wird. So ist der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten35 höher als bei Eigentumsdelikten, er beträgt beim Raub 29,2 %, bei der Körperverletzung 21,8 %, dagegen beim Diebstahl ohne erschwerende Umstände (¹einfacher Diebstahlª) 15,6 % und beim Diebstahl unter erschwerenden Umständen (¹schwerer Diebstahlª) 14,2 %. Bei den Delikten insgesamt lag der Anteil bei 19,2 %. Im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung sind die NichtDeutschen somit deutlich überrepräsentiert. 4.3

Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung eines Bezirkes ist ein Anzeichen dafür, in welchem Maûe sich die Einwohner für ihr eigenes Umfeld interessieren und sich mit dem jeweiligen städtischen Teilraum identifizieren. Durch fehlende Identifikation der Bevölkerung mit dem eigenen Wohnbezirk brechen oft ehemals funktionierende soziale Netzwerke zusammen und bringen den Verlust sozialer Kontrolle und Desorganisation mit sich. Der Zusammenhang von Wahlbeteiligung und Kriminalität wurde von Strohmeier36 untersucht und belegt. Dieser qualifiziert die Wahlenthaltung als ein charakteristisches Merkmal gewaltbelasteter Teilräume, das auf ein hohes Maû sozialer Desintegration hindeutet.37 Im Mittel lag die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen in Bochum 1999 bei 44,3 % (Minimum: 31,9 %; Maximum: 55,7 %). Für die Untersuchung Bochum III wurden die 315 Stimmbezirke auf die 46 Polizeibezirke umgerechnet. Dabei ergab sich, daû die Kriminalitätsbelastung eines Bezirkes um so höher war, je niedriger die Wahlbeteiligung ausfiel (r = ± 0,56; p < 0,01). Dieses Ergebnis ist ein deutlicher Hinweis darauf, daû die Kriminalitätsbelastung eines Bezirkes stark mit der Wahlbeteiligung zusammenhängt.

35 ¹Gewaltª wird hier im kriminologischen Sinne verstanden und beinhaltet (im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik) auch Fälle der einfachen Körperverletzung. 36 Strohmeier, Klaus Peter: Determinants of Urban Violence in the Ruhr and their Interlinkages. Bochum 1999, S. 17. 37 Strohmeier, Klaus Peter/Kersting, Volker: Sozialraum Ruhrgebiet. In: Bovermann, Rainer u. a. (Hg.): Das Ruhrgebiet ± Ein starkes Stück Nordrhein-Westfalen. Essen 1996, S. 452.

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4.4

S. 92

Zusammenhänge zwischen geographischer Lage und Kriminalität

Die Kriminalität hängt (nicht nur in Bochum) auch mit der geographischen Lage eines Bezirks zusammen. So zeigt sich der Süden Bochums durchgehend weniger kriminalitätsbelastet als der mittlere Teil und die nördlichen Bezirke.38 Der Zusammenhang zwischen der geographischen Lage eines Polizeibezirks und seiner Kriminalitätsbelastung läût sich auch statistisch belegen: Je weiter nördlich ein Bezirk liegt, desto höher ist die Hz der Delikte insgesamt (r = 0,34; p < 0,05). Dasselbe gilt auch für die TVBZ: Die Anzahl der Tatverdächtigenwohnsitze ist um so höher, je nördlicher ein Bezirk gelegen ist (r = 0,42; p < 0,01). Dieser Zusammenhang könnte u. a. mit dem Wohlstandsgefälle innerhalb des Stadtgebiets erklärbar sein. Im Süden der Stadt besteht eine andere Sozial- und Baustruktur als im Norden. So wird die Südhälfte der Stadt in erster Linie als bevorzugter Wohnraum der wohlhabenden Schichten genutzt wohingegen der nördliche Teil überwiegend von den einkommensschwächeren Schichten bewohnt wird. 5

Zusammenfassung

Für die Auswertung der kriminalgeographischen Verteilung der registrierten Kriminalität in der Untersuchung Bochum III wurde die Einteilung des Stadtgebiets in 46 Polizeibezirke zugrunde gelegt. Die Aufbereitung polizeistatistischer Daten erfolgt beim Polizeipräsidium Bochum mit dem Computer-Programm ¹RegioGraphª. Mit diesem Programm wurde sowohl die Verteilung der Kriminalität als auch der Tatverdächtigenwohnsitze über das Stadtgebiet Bochums für die Untersuchung Bochum III berechnet. Der Vergleich über die drei Erfassungsjahre 1975, 1986 und 1998 macht deutlich, daû die registrierte Kriminalität in Bochum, ausgedrückt in absoluten Zahlen und Häufigkeitszahlen, insgesamt angestiegen ist. Hierbei zeigte sich, daû die Bezirke, die bereits 1975 und 1986 besonders belastet waren, heute noch zu den Kriminalitätsbrennpunkten gehören. Die höchste Kriminalitätsbelastung ist in den Bezirken City/Hauptbahnof und Querenburg/Universität zu verzeichnen. Alle anderen Bezirke weisen deutlich niedrigere Häufigkeitszahlen auf. Auch die übrigen Kriminalitätsbrennpunkte der Untersuchungen Bochum I und II (meist die ehemaligen Zentren eingemeindeter Kommunen wie z. B. der Bezirk Wattenscheid Mitte) fallen in der Untersuchung Bochum III erneut durch hohe Kriminalitätszahlen auf. Weitere Kriminalitätsbrennpunkte sind jetzt die Bezirke Riemke Süd, Linden Mitte und Ruhrstadion, die allerdings auch schon in den Untersuchungen Bochum I und II durch überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastungen auffielen. Ein Abschleifen der früheren Kriminalitätszentren zu Lasten der City konnte nicht festgestellt werden. Die Mehrkerntheorie behält somit für Bochum ihre Bedeutung: Die Unter38 Ein solches ¹Nord-Süd-Gefälleª der Kriminalität zeigte sich auch in einer aktuellen Untersuchung über die Verteilung der Raubdelikte in der Nachbarstadt Essen: Czommer, Lars: Kriminalität in der Stadt. Bochum 1998, S. 56.

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zentren bleiben bestehen bzw. die Kriminalität dieser Zentren verstärkt sich sogar. Allerdings ist zu berücksichtigen, daû die Vergleichbarkeit der Ergebnisse der drei Untersuchungen durch die veränderten Bezirkszuschnitte (Untersuchungen Bochum I und II: 171 Statistische Wohnplätze; Untersuchung Bochum III: 46 Polizeibezirke) erschwert ist. Die unterschiedliche Kriminalitätsbelastung in den Bochumer Polizeibezirken läût sich insbesondere vor dem Hintergrund sozialstruktureller Besonderheiten erklären. Um nähere Aussagen über mögliche Bedingungsfaktoren hinsichtlich der räumlichen Verteilung von Kriminalität erbringen zu können, sind kleinräumige Analyseverfahren auf der Ebene von Stadtteilen erforderlich. Diese waren jedoch aufgrund der unterschiedlichen Gebietseinteilungen der kommunalen Fachämter nicht (mehr) möglich. So konnten zur Einschätzung der Sozialstruktur im Rahmen einer Pilotuntersuchung Expertengespräche mit den kommunalen Fachämtern geführt werden. Lediglich zu zwei sozialstrukturellen Merkmalen lagen genaue Angaben vor: zum Anteil der Nicht-Deutschen und zur Wahlbeteiligung. Insoweit hat sich ergeben, daû die Häufigkeitszahl der Straftaten in einem Bezirk um so höher ist, je höher der Anteil der nicht-deutschen Einwohner ist. Auch die Anzahl der Tatverdächtigenwohnsitze eines Bezirkes ist um so höher, je höher der Anteil der nicht-deutschen Einwohner ist. Darüber hinaus konnte ein starker Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsbelastung und der Wahlbeteiligung in einem Polizeibezirk festgestellt werden.

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Dritter Teil: Die Dunkelfeldbefragung §5

Methoden, Probleme und Ergebnisse von Opferbefragungen

Gliederung 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.6 1.7 1.8 1.8.1 1.8.2 2 2.1 2.2 2.3

Methodische Probleme von Opferbefragungen . . . . . . Sensibilisierung für methodische Probleme von Opferbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methode der Befragung (face-to-face, postalisch oder telefonisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten einer Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschöpfungsquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Repräsentativität der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gültigkeit der Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle der Interviewer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Aspekte der Durchführung. . . . . . . . . . . . . . Internationale, nationale und regional begrenzte Opferbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme der Stichprobenziehung bei Opferbefragungen . Die Auswahl der abgefragten Delikte. . . . . . . . . . . . . . . Welche Delikte werden abgefragt? . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der abgefragten Delikte. . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere der abgefragten Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgefragte Referenzzeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung von Dunkelziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Validität von Opferbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . Kann der Befragte ehrlich antworten? . . . . . . . . . . . . . . Will der Befragte ehrlich antworten? . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . 97 . . . . . . 97 . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. 98 . 98 . 98 100 101 101 102

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

105 106 108 108 108 111 111 113 115 115 116

Ausgewählte Ergebnisse bisheriger Opferbefragungen . . Zur Prävalenz ausgewählter Delikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Dunkelfeld bei einzelnen Delikten . . . . . . . . . . . . . . . Zum unterschiedlichen Viktimisierungsrisiko verschiedener Bevölkerungsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Das Alter potentieller Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Das Geschlecht potentieller Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die Nationalität potentieller Opfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Exkurs: Zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Viktimisierungsrisiko. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Trends in der Kriminalitätsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . .

. . . 117 . . . 117 . . . 118 . . . .

. . . .

. . . .

119 120 120 121

. . . 122 . . . 123

3

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

4

Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 95

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Mit Kilchling1 lassen sich Opferbefragungen danach unterscheiden, welche Zielsetzungen mit einer Untersuchung im wesentlichen verfolgt werden: Z

Zum einen werden Opferbefragungen durchgeführt, um zu fundierten Schätzungen hinsichtlich der Verbreitung der untersuchten Delikte zu gelangen. Eine solche Schätzung ist mit Hilfe der Zahlen aus den vorliegenden Kriminalitätsstatistiken nur sehr begrenzt möglich, da diese sich lediglich auf bekannt gewordene Straftaten beziehen. Im Mittelpunkt dieser ± kriminalstatistischen ± Studien (sog. ¹Crime Surveysª) steht daher die möglichst exakte Ermittlung von Prävalenz- und Inzidenzraten (Ü Glossar) der untersuchten Delikte. Im Zusammenhang mit der weitgehend deskriptiven Zielsetzung dieser Art von Studien steht, daû diese oftmals ± im Gegensatz beispielsweise zu Täterbefragungen ± weitgehend theorielos durchgeführt werden. 2

Z

Zum anderen haben Opferbefragungen das Ziel, Ursachen und Wirkungen krimineller Viktimisierungen zu untersuchen (sog. ¹Victim Surveysª). Hierbei geht es beispielsweise um Fragen wie: Welche Personengruppen werden besonders häufig Opfer krimineller Delikte? Welchen Einfluû haben Opfererfahrungen auf Variablen wie Kriminalitätsfurcht oder das Ansehen der Polizei?

Die Unterscheidung zwischen sog. ¹Crime Surveysª und ¹Victim Surveysª ist insofern wichtig, als die jeweiligen Zielsetzungen oftmals unterschiedliche Vorgehensweisen nahelegen. So ist es aus Sicht einer exakten Erfassung von Prävalenz- und Inzidenzraten sinnvoll, mit möglichst kurzen Referenzzeiträumen zu arbeiten, da länger zurückliegende Viktimisierungen häufig vergessen und deshalb in Opferbefragungen nicht erwähnt werden. Aus einer im engeren Sinne viktimologischen Perspektive erscheint es jedoch wichtiger, den subjektiven Opferstatus der befragten Person zu erfassen, so daû hier beispielsweise auch länger zurückliegende Viktimisierungen erfragt werden sollten (siehe hierzu auch Punkt 1.6). Vor diesem Hintergrund werden in diesem Paragraphen im wesentlichen zwei Zielsetzungen verfolgt: Z

Zum einen werden methodische Probleme bei der Durchführung von Opferbefragungen diskutiert. Hierbei wird deutlich, daû die Ergebnisse ± ebenso wie die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ± kein unverfälschtes Abbild der (Kriminalitäts-)Wirklichkeit darstellen, sondern durch eine Vielzahl von Faktoren verfälscht werden.3 Ferner wird gezeigt, daû die Resultate einer Opferbefragung in hohem Maûe von der eingesetzten Methodik abhängig sind, wodurch der Vergleich verschiedener Untersuchungen (z. B. hinsichtlich der ermittelten Prävalenzen eines bestimmten Deliktes) erheblich erschwert wird.4

1 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 54. 2 Kreuzer, Arthur: Kriminologische Dunkelfeldforschung. In: NStZ, Jg. 14, Heft 1, 1994, S. 11; Greve, Werner/Bilsky, Wolfgang: Kriminelle Opfererfahrungen und Prozesse der Bewältigung. In: Steller, Max/Volbert, Renate (Hg.): Psychologie im Strafverfahren. Bern 1997, S. 206. 3 Weiû, Rüdiger: Bestandsaufnahme und Sekundäranalyse der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1997, S. 55. 4 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 56.

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Z

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Zum anderen werden einige inhaltliche Ergebnisse vorliegender Dunkelfelduntersuchungen vorgestellt. Hierbei wird vor allem diskutiert, welche Prävalenzund Inzidenzraten sowie deliktsspezifischen Dunkelfelder sich im Vergleich der verschiedenen Untersuchungen ergeben bzw. welche Bevölkerungsgruppen besonders häufig oder selten Opfer krimineller Handlungen werden.

1

Methodische Probleme von Opferbefragungen

1.1

Sensibilisierung für methodische Probleme von Opferbefragungen

Ein Vergleich der Ergebnisse verschiedener Opferbefragungen ist nur eingeschränkt möglich, wenn diese mit unterschiedlicher Methodik durchgeführt wurden. Ein fiktives Beispiel soll das Problem verdeutlichen: In Studie A aus dem Jahr 1990 wurde festgestellt, daû 10 % aller Befragten Opfer eines Diebstahls persönlichen Eigentums geworden sind; in Studie B ± die 1998 stattfand ± betrug dieser Anteil jedoch 15 %. Inwiefern ist es nun möglich, von diesen Ergebnissen auf eine Zunahme an Diebstahlsdelikten zwischen 1990 und 1998 zu schlieûen? Eine solche Schluûfolgerung erscheint nur dann vertretbar, wenn die Methodik der beiden Untersuchungen identisch oder zumindest vergleichbar ist. Eine solche Vergleichbarkeit erscheint jedoch z. B. dann nicht gegeben, wenn Z

Z

Z

Z

Z

Studie A mittels face-to-face Interviews mit einer Rücklaufquote von 75 %, Studie B mittels einer postalischen Befragung und einer Rücklaufquote von 30 % durchgeführt wurde; ¹Diebstahl persönlichen Eigentumsª in Studie B auch Kfz- und Fahrraddiebstähle umfaût, während diese in Studie A gesondert erfaût und kategorisiert wurden; der Referenzzeitraum in Studie A ein Jahr, in Studie B hingegen fünf Jahre betrug; Studie A aus einer bundesweiten Befragung bestand, Studie B aber lediglich in einer Groûstadt durchgeführt wurde; die zugrundeliegende Grundgesamtheit in Studie A aus Deutschen über 18 Jahren bestand, in Studie B jedoch zur Grundgesamtheit auch Nicht-Deutsche gehörten und die Altersgrenze bei 14 Jahren lag.

Welchen Einfluû selbst kleine Abweichungen des Untersuchungsdesigns haben können, verdeutlicht eine Studie von Heinz u. a.5: Dort ergaben sich in zwei (zum gleichen Zeitpunkt durchgeführten) bundesweiten Befragungen signifikante Unterschiede hinsichtlich des Anteils der Pbn, die angaben, innerhalb des letzten Jahres Opfer einer Straftat geworden zu sein.6 5 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998. 6 Heinz, Wolfgang u. a., a. a. O. (FN 5), S. 2±3. Zu möglichen Erklärungen für diese Unterschiede siehe Schnell, Rainer/Kreuter, Frauke: Untersuchungen zur Ursache unterschiedlicher Ergebnisse sehr ähnlicher Viktimisierungssurveys. In: KZfSSP, Jg. 52, Heft 1, 2000, S. 96±117.

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Vor diesem Hintergrund wurde gröûter Wert darauf gelegt, bei der Durchführung der Untersuchung Bochum III möglichst wenig von den beiden bisherigen Untersuchungen Bochum I7 und Bochum II8 abzuweichen, um sicherzugehen, daû mögliche Unterschiede zwischen den Ergebnissen der drei Untersuchungen nicht auf Veränderungen in der Untersuchungsmethode zurückzuführen sind. Das betraf insbesondere Fragen der Stichprobenziehung, Auswahl und Schulung der Interviewer sowie die Gestaltung des Fragebogens. 1.2

Methode der Befragung (face-to-face, postalisch oder telefonisch)

Während bis vor wenigen Jahren das face-to-face Interview (persönliches Interview) als einzig sinnvolle und seriöse Form der Befragung angesehen wurde, werden in den letzten Jahren zunehmend die Vorteile von postalischen und telefonischen Befragungen betont.9 1.2.1

Kosten einer Untersuchung

Diekmann10 weist darauf hin, daû die Kosten für die Durchführung eines persönlichen Interviews ca. dreimal so hoch wie bei einem postalischen oder telefonischen Interview sind. Nach Killias11 kosten Telefoninterviews im Rahmen von Opferbefragungen nur ein Viertel des Betrags, der für ein face-to-face Interview zu veranschlagen wäre. Falls diese Zahlen zutreffen, bedeutet dies: Bei gleichem Forschungsbudget ist es möglich, bei einer telefonischen Befragung drei- bis viermal so groûe Stichproben wie bei einer face-to-face Befragung zu realisieren. 1.2.2

Ausschöpfungsquoten

Als Nachteil von postalischen und telefonischen Befragungen werden jedoch häufig niedrigere Ausschöpfungsquoten und verzerrte Stichproben diskutiert.12 So ergab sich z. B. im International Crime Survey 13 für die deutsche Stichprobe, die ausschlieûlich per Telefon interviewt wurde, eine Ausschöpfungsquote von 7 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978. (Untersuchung Bochum I). 8 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/ 87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II). 9 Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Reinbek 1995, S. 373 ff. 10 A. a. O. (FN 9), S. 430. 11 Killias, Martin: New Methodological Perspectives for Victimization Surveys. In: International Review of Victimology, 1, 1990, S. 155. 12 Schulte, Wolfgang: Telefon- und Face-to-face-Umfragen und ihre Stichproben. In: Gabler, Siegfried/Hoffmeyer-Zlotnik, Jürgen (Hg.): Stichproben in der Umfragepraxis. Opladen 1997, S. 157. 13 Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 8.

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lediglich 30 %. Positiver wird die Telefonbefragung als Methode in Dunkelfelduntersuchungen von Baurmann u. a. 14 eingeschätzt, die über Ausschöpfungsquoten von ca. 60 % berichten. Hinsichtlich der Rücklaufquoten von postalischen Erhebungen legen die ausgewerteten Opferbefragungen nahe, daû diese in der Regel niedriger sind als bei face-to-face Interviews 15 (siehe hierzu auch § 1 ± 2.2.4). Bei Kury 16 lag die Ausschöpfungsquote (mit einem identischen Fragebogen) für die postalische Befragung bei 48,9 %, für die face-to-face Interviews hingegen bei 57,8 %. Zu positiven Befunden hinsichtlich der Ausschöpfungsquoten von postalischen und telefonischen Befragungen gelangen Reuband/Blasius17 in ihrer Untersuchung, in der die drei verschiedenen Befragungsformen systematisch miteinander verglichen wurden. Diese Studie verdient insofern besondere Beachtung, als es sich hierbei ± ähnlich wie bei den Bochumer Opferbefragungen ± um eine Groûstadtstudie mit regionalem Themenbezug handelt. Grundlage für alle drei Stichproben in der Studie von Reuband/Blasius 18 waren Auszüge aus dem Einwohnermeldeamtsregister. Hierbei ergaben sich für die postalische und die face-to-face Befragung befriedigende Ausschöpfungsquoten von 71 %. Bei der telefonischen Befragung lag die Ausschöpfungsquote sogar bei 90 %, wobei bei diesem Wert solche Personen als stichprobenneutrale Ausfälle gerechnet wurden, für die keine Telefonnummer ermittelt werden konnte. Aber selbst, wenn solche Pbn zu den Ausfällen gerechnet wurden, ergab sich für die telefonische Befragung eine Rücklaufquote von 82 %. Reuband und Blasius erklären dies mit dem auûerordentlich hohen Aufwand, der von ihnen betrieben wurde, um die Ausschöpfungsquote zu maximieren. Häder19 verweist allerdings darauf, daû sich bei der Durchführung von telefonischen Befragungen ein Problem stellt, das noch vor zehn Jahren fast vollständig zu vernachlässigen war: die zunehmende Anzahl anonymer Telefonanschlüsse (sog. ¹Nonpubsª). Eine Möglichkeit, auch diese ¹Nonpubsª in die Stichprobe einer telefonischen Befragung zu integrieren, besteht darin, eine zufällige Stichprobe von Rufnummern zu generieren. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist jedoch, daû es bei einem solchen Vorgehen nicht möglich ist, die Pbn vorab schriftlich über den Sinn der Befragung zu informieren und darauf hinzuweisen, daû sie in den nächsten Ta14 Baurmann, Michael C. u. a.: Telefonische Befragungen von Kriminalitätsopfern. In: MschrKrim, Jg. 74, Heft 3, 1991, S. 171. 15 Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 134; Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 63±91. 16 Kury, Helmut: Zum Einfluû der Art der Datenerhebung auf die Ergebnisse von Umfragen. In: MschrKrim, Jg. 77, Heft 1, 1994, S. 26. 17 Reuband, Karl-Heinz/Blasius, Jörg: Face-to-face, telefonische und postalische Befragungen. In: KZfSSP, Jg. 48, Heft 2, 1996, S. 296±318. 18 A. a. O. (FN 17), S. 303. 19 Häder, Sabine: Wer sind die ¹Nonpubsª? In: ZUMA-Nachrichten, Jg. 20, Heft 11, 1996, S. 47.

99

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gen angerufen werden. Eine solche schriftliche Vorabinformation hat sich jedoch als auûerordentlich hilfreich erwiesen. 20 Blasius/Reuband 21 zeigten, daû es im Prinzip möglich ist, auch ¹Nonpubsª in Stichproben von telefonischen Umfragen zu integrieren, indem diesen ein Fragebogen zugesandt wird. Wie bereits in § 1 ± 2.2.2 erläutert, wurden in der Untersuchung Bochum III erhebliche Anstrengungen unternommen, die Telefonnummer möglichst jedes Pbn in Erfahrung zu bringen. Trotz dieser Bemühungen war es jedoch bei 52 Befragten (15,1 %) nicht möglich, die Telefonnummer festzustellen, so daû diese Pbn als Ausfälle betrachtet werden muûten. Bei der Interpretation dieses Ergebnisses ist allerdings zu berücksichtigen, daû die Anzahl an Nicht-Erreichbaren bzw. Verweigerern in der telefonischen Befragung deutlich niedriger lag als in der face-to-face Befragung, so daû sich die Ausschöpfungsquoten zwischen beiden Befragungen letztlich nicht unterschieden (siehe hierzu ausführlich § 1±2.2.4). 1.2.3

Repräsentativität der Stichprobe

Auch bezüglich der Frage, inwiefern es möglich ist, mittels telefonischer und postalischer Befragungen repräsentative Stichproben zu realisieren, liegen unterschiedliche Befunde vor. Schulte 22 berichtet darüber, daû es bei telefonischen Befragungen regelmäûig zu einer Übererfassung von überdurchschnittlich gebildeten Personen in Mehrpersonenhaushalten kommt. Bei Reuband/Blasius 23 zeigten sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Befragungsformen. Allerdings ergab sich dort ebenfalls eine Tendenz zu einer gröûeren Teilnahmebereitschaft Jüngerer bei der Telefonbefragung und (etwas weniger ausgeprägt) auch bei der face-to-face Befragung, während ¾ltere eher an der postalischen Befragung teilnahmen. Wie bereits in § 1±2.2.4 erläutert, zeigten sich in der Untersuchung Bochum III keinerlei statistisch signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die soziodemographische Zusammensetzung der telefonisch bzw. face-to-face interviewten Pbn.

20 Blasius, Jörg/Reuband, Karl-Heinz: Telefoninterviews in der empirischen Sozialforschung. In: ZAInformation, Nr. 37, 1995, S. 70. 21 A. a. O. (FN 20). 22 Schulte, Wolfgang: Telefon- und Face-to-face-Umfragen und ihre Stichproben. In: Gabler, Siegfried/Hoffmeyer-Zlotnik, Jürgen (Hg.): Stichproben in der Umfragepraxis. Opladen 1997, S. 164. 23 Reuband, Karl-Heinz/Blasius, Jörg: Face-to-face, telefonische und postalische Befragungen. In: KZfSSP, Jg. 48, Heft 2, 1996, S. 306.

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1.2.4

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Gültigkeit der Antworten

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Frage, inwieweit die Art der Datenerhebung die Validität (Ü Glossar) der Ergebnisse beeinfluût. In einer Opferbefragung von Kury 24 zeigte sich, daû die Tendenz zu sozial erwünschten Antworten bei mündlichen Interviews ausgeprägter war als bei einer postalischen Befragung (mit den gleichen Fragestellungen). 25 Bei Reuband/ Blasius 26 ergaben sich diesbezüglich jedoch keine Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Befragungsformen. Von Baurmann u. a.27 wird in diesem Zusammenhang betont, daû bei Telefon-Befragungen die räumliche Distanz zwischen Interviewer und Befragtem gröûer ist als in einem face-to-face Interview. Deshalb sei es am Telefon leichter, über belastende Opfererfahrungen zu berichten, so daû von einer höheren Validität der Angaben bei telefonischen Befragungen ausgegangen werden könne.28 In § 6±7.3 wird deshalb untersucht, inwiefern sich in der Untersuchung Bochum III die Prävalenzraten hinsichtlich der verschiedenen untersuchten Delikte zwischen Telefon- und face-to-face Befragung signifikant unterschieden haben. 1.2.5

Kontrolle der Interviewer

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit einer Kontrolle der Interviewer, d. h.: Wie kann verhindert werden, daû die Interviewer ± absichtlich oder unabsichtlich ± die Ergebnisse einer Opferbefragung verzerren?29 In dieser Hinsicht bestehen die gröûten Probleme bei face-to-face Interviews, da der Interviewer sich in der Befragungssituation einer (unmittelbaren) Kontrolle weitgehend entzieht. 30 Zumindest bei telefonischen Befragungen, die nicht von den privaten Telefonen der Interviewer, sondern zentral von einem Telefonlabor aus durchgeführt werden, erscheint die Kontrolle der Interviewer leichter mög-

24 Kury, Helmut: Zum Einfluû der Art der Datenerhebung auf die Ergebnisse von Umfragen. In: MschrKrim, Jg. 77, Heft 1, 1994, S. 27. 25 Siehe auch: Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 45. 26 Reuband, Karl-Heinz/Blasius, Jörg: Face-to-face, telefonische und postalische Befragungen. In: KZfSSP, Jg. 48, Heft 2, 1996, S. 312. 27 Baurmann, Michael C. u. a.: Telefonische Befragungen von Kriminalitätsopfern. In: MschrKrim, Jg. 74, Heft 3, 1991, S. 161. 28 Weiû, Rüdiger: Bestandsaufnahme und Sekundäranalyse der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1997, S. 58. 29 Ein Beispiel für eine unabsichtliche Beeinflussung durch den Interviewer ist sein Alter oder sein Geschlecht, welche das Verhalten des Befragten zumindest potentiell beeinflussen können. Ein Beispiel für eine absichtliche Beeinflussung ist das Fingieren eines Interviews: Die (angeblichen) Antworten der Befragten werden vom Interviewer ausgedacht und in den Fragebogen eingetragen. 30 Das Fingieren von Interviews kann jedoch auch bei face-to-face Befragungen kontrolliert werden (siehe hierzu § 1 ± 2.2.2).

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lich. Am günstigsten ist die Situation in dieser Hinsicht bei postalischen Befragungen, weil dort auf einen Interviewer völlig verzichtet wird. In der Untersuchung Bochum III (siehe § 1±2.2.2) wurden in der face-to-face Befragung zehn Fälle ermittelt, in denen ein Interview nicht ordnungsgemäû durchgeführt, d. h. absichtlich die falsche Person befragt wurde.31 Das entsprach einem Anteil von 0,7 % aller face-to-face durchgeführten Interviews. In der Telefonbefragung wurde hingegen lediglich ein solcher Fall identifiziert (= 0,3 % aller telefonischen Interviews). Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch noch ein anderes Ergebnis: Im Rahmen eines Fragebogens, der den Interviewern wenige Wochen nach Abschluû der Untersuchung zugesandt wurde, sollte angegeben werden, wieviel Prozent aller Interviews nach ihrer persönlichen Einschätzung von den Interviewern gefälscht worden seien. Ein solches Vorgehen wurde gewählt, weil es nicht sinnvoll schien, die Interviewer unmittelbar danach zu fragen, ob sie persönlich Interviews (ganz oder teilweise) gefälscht haben. In diesem Fall hätte damit gerechnet werden müssen, daû viele Interviewer diese Frage nicht wahrheitsgemäû beantwortet hätten. Die Interviewer aus der Telefonbefragung schätzten, daû 3,0 % aller telefonisch durchgeführten Interviews gefälscht worden seien. Diejenigen aus der face-to-face Befragung glaubten hingegen, von den face-to-face durchgeführten Interviews seien 7,8 % gefälscht worden. Dieser Unterschied war auch statistisch signifikant (p < 0,05). Somit deuten sowohl die Ergebnisse der Überprüfung der Interviewer als auch die von den Interviewern selbst geschätzten Fälschungsraten darauf hin, daû das Problem absichtlich nicht ordnungsgemäû durchgeführter Interviews bei telefonisch durchgeführten Befragungen weniger gravierend ist als bei face-to-face Befragungen. 1.2.6

Technische Aspekte der Durchführung

Darüber hinaus sind folgende technische Aspekte der Durchführung einer Befragung von Bedeutung: Z

Die Möglichkeit zum Erkennen von Miûverständnissen bzw. zum Nachfragen durch den Pbn ist in der face-to-face Befragung am besten gegeben; bei postalischen Befragungen ist jedoch in höchstem Maûe darauf zu achten, daû die Fragen vollständig verstanden werden.32 Die telefonische Befragung nimmt hier eine Zwischenposition ein: Zwar ist es dort für den Pbn ebenfalls möglich, Ver-

31 Es kann gleichwohl nicht gänzlich ausgeschlossen werden, daû weitere Interviews (teilweise) gefälscht wurden, ohne daû diese Fälschungen identifiziert werden konnten. 32 Weiû, Rüdiger: Bestandsaufnahme und Sekundäranalyse der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1997, S. 58.

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Z

Z

Z

Z

Z

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ständnisfragen zu stellen, allerdings ist es dem Interviewer ± anders als bei faceto-face Interviews ± nicht möglich, durch nonverbale Signale (z. B. Gesichtsausdruck) des Pbn darauf aufmerksam zu werden, daû eine Frage nicht verstanden wurde. Auch hinsichtlich der Länge des Fragebogens ergeben sich bei postalischen Untersuchungen gravierende Einschränkungen: Der Pb hat den Fragebogen unmittelbar vor sich liegen und wird deshalb vor einer Bearbeitung zurückschrekken, wenn ihm der zeitliche Aufwand zu groû erscheint. Sowohl bei telefonischen als auch bei face-to-face Interviews kann hingegen der Pb durch den Interviewer auch bei längeren Fragebögen zum ¹Durchhaltenª motiviert werden. Das Arbeiten mit visuellem Material (z. B. Vorlage von Bildkarten oder Listen) erscheint bei der face-to-face Befragung am wenigsten problematisch, da diese dem Pbn an den jeweils relevanten Stellen im Interview vorgelegt werden können. Werden solche Materialien dem Fragebogen einer postalischen Erhebung beigelegt, können diese leicht Verwirrung hervorrufen, wenn sie für den Pbn nicht vollständig selbsterklärend sind und deutlich wird, auf welche Fragen im Interview sich diese beziehen. Bei telefonischen Befragungen ist das Arbeiten mit visuellem Material grundsätzlich nur dann möglich, wenn dieses dem Befragten vor Durchführung des Interviews zugesandt wird. Die Kontrolle über die Situation der Interviewdurchführung erscheint am ehesten bei face-to-face Befragungen möglich. Dies bezieht sich zum einen auf die Frage, mit wem das Interview durchgeführt wird, zum anderen darauf, welche zusätzlichen Personen während des Interviews anwesend sind. Bei postalischen Interviews ist eine diesbezügliche Kontrolle so gut wie überhaupt nicht gegeben. Es kann z. B. nicht ausgeschlossen werden, daû der Fragebogen nicht (nur) von der Zielperson, sondern von mehreren Personen gleichzeitig ausgefüllt wird. Bei postalischen Befragungen erscheint es einfacher als bei den beiden anderen Erhebungstechniken, eine Vielzahl an Antwortalternativen vorzugeben, aus denen der Befragte sich eine (oder mehrere) aussuchen soll. Deshalb werden sowohl bei face-to-face als auch bei telefonischen Erhebungen die Antwortalternativen oftmals nicht vorgegeben, sondern es wird mit offenen Fragen gearbeitet und die Antwort des Befragten (nachträglich) einer bestimmten Kategorie zugeordnet. Dies eröffnet allerdings dem Interviewer u. U. erhebliche Interpretationsspielräume und gefährdet so zumindest potentiell die Reliabilität (Ü Glossar) der Befragung. Die Verwendung von Filterfragen (Ü Glossar) ist am einfachsten bei der Durchführung telefonischer Interviews, zumindest wenn diese computergestützt vorgenommen werden.33 Bei face-to-face Befragungen ist die Verwendung von Filterfragen im Rahmen der Interviewerschulung eingehend zu erläutern, während sie bei postalischen Befragungen nach Möglichkeit vermieden werden sollte, da viele Pbn auch mit einfachen Filterführungen überfordert sind.

33 CATI (Computer Assisted Telephone Interviewing): Bei diesem Verfahren wird die Filterführung automatisch durch ein entsprechendes Computerprogramm vorgenommen: Die Antworten des Pbn werden unmittelbar in den Computer eingegeben und ± abhängig von der Antwort auf die vorhergehende Frage ± die jeweils nächste Frage auf dem Bildschirm angezeigt.

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Übersicht 34 faût die Vor- und Nachteile der verschiedenen Befragungsformen noch einmal zusammen. Übersicht 34:

Vor- und Nachteile verschiedener Befragungsmethoden Befragungsart face-toface

postalisch

telefonisch

±

++

+

Rücklaufquote

+

±

+

Repräsentativität der Stichprobe

+

±

+

Überwindung der Peinlichkeit des Berichtens über persönliche Opfererlebnisse

±

+

+ (?)

Vermeiden von sozial erwünschten Antworten

±

+

?

Kontrolle von Einflüssen durch die Person des Interviewers

±

++

+/±

Möglichkeit des Vermeidens und der Identifizierung von Fälschungen

±

++

+

Möglichkeit zum Erkennen von Miûverständnissen

+

±

?

Möglichkeit zum Nachfragen durch den Pbn

+

±

+

Mögliche Länge des Fragebogens

+

±

+

Möglichkeit zum Arbeiten mit visuellem Material (z. B. Vorlage von Listen)

+

+/±

±

Kontrolle über die Situation der Interviewdurchführung

+

±

+/±

Mögliche Anzahl an Antwortalternativen

±

+

±

+/±

±

+

Kosten Qualität der realisierten Stichprobe

Validität der Ergebnisse

Durchführung/Technische Aspekte

Möglichkeit der Verwendung von Filterfragen

+ Dieser Aspekt spricht für ein bestimmtes Verfahren. ± Dieser Aspekt spricht gegen ein bestimmtes Verfahren. ? Hinsichtlich dieser Fragestellung liegen (bislang) nur wenig empirische Befunde vor.

Insgesamt läût sich festhalten, daû jedes Verfahren spezifische Vorzüge und Mängel aufweist. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daû alle drei Erhebungsformen mit unterschiedlicher Sorgfalt angewandt werden können, so daû bei der Bewertung einer Untersuchung die jeweiligen Details ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. 104

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Vor dem Hintergrund der Tatsache, daû im Rahmen von Opferuntersuchungen (zumindest in Deutschland) bislang nur vereinzelt telefonische Befragungen durchgeführt wurden, war es ein Anliegen der Untersuchung Bochum III, unter ansonsten möglichst identischen Bedingungen die Ergebnisse einer face-to-face und einer telefonischen Befragung miteinander zu vergleichen. Wie bereits in § 1±2.2.5 ausgeführt wurde, erscheint es ratsam, die Möglichkeiten telefonischer Befragungen in zukünftigen Untersuchungen eingehender zu überprüfen, da in der Untersuchung Bochum III eine ganze Reihe von Vorteilen telefonischer Befragungen bei Opferuntersuchungen aufgezeigt werden konnte. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, daû die Untersuchung Bochum III ± schon allein aufgrund der geringen Stichprobengröûe der telefonischen Befragung ± hier nur den Charakter eines Pilotprojekts haben konnte. 1.3

Internationale, nationale und regional begrenzte Opferbefragungen

Opferbefragungen unterscheiden sich danach, auf welche regionalen Einheiten die Ergebnisse bezogen sind. In dieser Hinsicht sind drei unterschiedliche Arten von Untersuchungen zu differenzieren: Z

Z

Z

International vergleichende Opferbefragungen. Bei dieser Art von Opferbefragungen sollen die Kriminalitätsbelastungen ganzer Nationen erhoben und miteinander verglichen werden, indem mit einem analogen Fragebogen in verschiedenen Ländern Befragungen durchgeführt werden. Hierbei stellt sich jedoch häufig das Problem, daû sich sowohl die juristische Definition als auch die subjektive Wahrnehmung einzelner Straftatbestände zwischen den einzelnen Nationen unterscheiden, wobei dieses Problem vermutlich um so gröûer ist, je gröûer die kulturellen Unterschiede zwischen den untersuchten Nationen sind. Aus diesem Grund ist es nur eingeschränkt möglich, aus den Ergebnissen international vergleichender Opferbefragungen auf unterschiedliche Kriminalitätsbelastungen in den einzelnen untersuchten Ländern zu schlieûen.34 Nationale Opferbefragungen. Solche Opferbefragungen werden in den USA, Groûbritannien sowie den Niederlanden seit geraumer Zeit durchgeführt35, während solche Studien für Deutschland erst seit einigen Jahren vorliegen. Die Grundgesamtheit solcher Befragungen ist die Gesamtbevölkerung eines bestimmten Landes. Regionale Opferbefragungen. Bei solchen Untersuchungen, zu denen auch die Bochumer Befragungen gehören, wird jeweils die Bevölkerung einzelner Städte und Gemeinden untersucht. Hierbei stellt sich natürlich das Problem, inwiefern die Ergebnisse einzelner Städte auf Deutschland allgemein übertragen werden können. Dennoch haben regionale Opferbefragungen eine ganze Reihe von Vorteilen, die sie als (preisgünstige) Alternative zu landesweiten Untersuchungen ausweisen (siehe hierzu auch die Zusammenfassung):

34 Wetzels, Peter: Kriminalität und Opfererleben. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 1, 1996, S. 4. 35 Dörmann, Uwe: Dunkelfeldforschung im Dunkeln. In: Kriminalistik, Jg. 42, Heft 7, 1988, S. 403.

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Z

Z

Z

Z

Z

1.4

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Die Durchführung der Untersuchung muû nicht an ein kommerzielles Umfrageinstitut abgegeben werden. Hierdurch ist es möglich, besonders motivierte Interviewer auszuwählen und diese intensiv zu schulen. 36 So wurden in den Bochumer Untersuchungen jeweils Studenten der Ruhr-Universität Bochum als Interviewer ausgewählt, wobei darauf geachtet wurde, daû nicht nur deutsche, sondern auch nicht-deutsche Studenten eingesetzt wurden. Auf diese Weise war es in vielen Fällen möglich, die Interviews mit nicht-deutschen Befragten jeweils in ihrer Landessprache zu führen. Darüber hinaus ist es bei regionalen Opferbefragungen besser möglich, das Verhalten der Interviewer zu kontrollieren, z. B. um zu überprüfen, ob sämtliche vorgelegten Interviews auch tatsächlich ordnungsgemäû durchgeführt wurden. Es ist zu vermuten, daû durch den regionalen Themenbezug (vor allem bei entsprechender Unterstützung durch lokale Medien) regelmäûig höhere Ausschöpfungsquoten realisiert werden können als bei bundesweiten Befragungen. Die ermittelten Kriminalitätsbelastungen können ± auf Basis sowohl der Hellals auch der Dunkelfelddaten ± regional aufgeschlüsselt werden. Auf diese Weise können mögliche Ursachen für Kriminalitätsbrennpunkte untersucht werden. Vor allem bei telefonischen Befragungen ist die Durchführung der Untersuchung sehr viel kostengünstiger als bei landesweiten Befragungen, da hierbei nur Gebühren für Ortsgespräche anfallen (wobei dieses Argument durch den fortschreitenden Preisverfall auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt allerdings an Bedeutung verliert). Aber auch bei face-to-face Interviews sind die durchschnittlichen Anfahrtswege kürzer und die Realisierung eines Interviews ist im Mittel wesentlich preisgünstiger. Probleme der Stichprobenziehung bei Opferbefragungen

Damit aufgrund einer Stichprobenuntersuchung Schluûfolgerungen für die zugrundeliegende Grundgesamtheit gezogen werden können, muû die Stichprobe eine bestimmte Mindestgröûe aufweisen. Diese Problematik ist bereits in § 2±6 erläutert worden. Neben diesem Problem besteht eine weitere Schwierigkeit bei der Durchführung von Opferbefragungen darin, daû es niemals vollständig gelingen wird, in der Stichprobe ein tatsächliches Abbild der Grundgesamtheit (Ü Glossar) zu realisieren, auf die sich das jeweilige Forschungsprojekt bezieht. Viele Bevölkerungsgruppen werden entweder per definitionem aus der Stichprobe ausgeschlossen oder aber in der realisierten Stichprobe entweder gar nicht oder systematisch untererfaût (z. B. weil sie nur schwer zu erreichen sind). Hierbei handelt es sich insbesondere um Ausländer, Wohnungslose, Drogenabhängige, geistig Behinderte, funktionale 36 Dörmann, Uwe, a. a. O. (FN 35), S. 404.

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Analphabeten37, kranke und pflegebedürftige Personen, Sozialhilfeempfänger sowie Personen, die sich dauerhaft in einer Anstalt aufhalten (z. B. Strafgefangene).38 Die meisten dieser Gruppen sind dadurch gekennzeichnet, daû sie nur über geringe psychische und finanzielle Ressourcen für den Umgang mit Opfererfahrungen verfügen, so daû potentielle Täter bei diesen Gruppen kaum eine Anzeige zu befürchten haben. Von daher ist zu vermuten, daû diese Bevölkerungsgruppen häufiger als andere Opfer einer Straftat werden39 und sich u. U. auch in anderen Dimensionen (z. B. Kriminalitätsfurcht, Ansehen der Polizei) systematisch von der realisierten Stichprobe unterscheiden. So gaben z. B. in einer Studie von O'Donnell/Edgar 40 mit britischen Gefängnisinsassen 46 % aller Befragten an, innerhalb des letzten Monats im Gefängnis Opfer eines Gewaltdeliktes geworden zu sein. Ein anderes Problem von Opferbefragungen kann darin bestehen, daû besonders schwer erreichbare Pbn in der realisierten Stichprobe unterrepräsentiert sind. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil eine Reihe von Untersuchungen darauf verweisen, daû Personen um so häufiger Opfer einer kriminellen Handlung werden, je schwerer sie in ihrem Wohnumfeld zu erreichen sind. So bestätigte sich im International Crime Survey 41, daû eine Person um so eher viktimisiert wurde, je häufiger sie abends ausging. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen ist in jüngerer Zeit eine Studie von Clerici/Killias 42 gekommen. Dort war das Risiko, Opfer eines Gewaltdelikts zu werden, für solche Personen signifikant höher, die einer auûerhäuslichen Berufstätigkeit nachgehen sowie mindestens einmal pro Woche abends ausgehen. Vor dem Hintergrund dieser Probleme wurde in allen drei Bochumer Untersuchungen Z

mit hohem Aufwand versucht, möglichst jeden Pbn der gezogenen Stichprobe auch tatsächlich zu befragen (siehe hierzu § 1±2.2.3);

37 Als ¹funktionale Analphabetenª werden Personen bezeichnet, die nur mit viel Mühe und Anstrengung in der Lage sind, zu lesen und zu schreiben. Siehe hierzu Schnell, Rainer: Wer ist das Volk? In: KZfSSP, Jg. 43, Heft 1, 1991, S. 124. 38 Wetzels, Peter: Kriminalität und Opfererleben. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 1, 1996, S. 1±24; Greve, Werner/Bilsky, Wolfgang: Kriminelle Opfererfahrungen und Prozesse der Bewältigung. In: Steller, Max/Volbert, Renate (Hg.): Psychologie im Strafverfahren. Bern 1997, S. 207. Siehe hierzu auch: Schnell, Rainer, a. a. O. (FN 37), S. 106±137. 39 Schneider, Hans Joachim: Der gegenwärtige Stand der kriminologischen Opferforschung. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 5, 1998, S. 324. 40 O'Donnell, Ian/Edgar, Kimmet: Victimization in Prisons. London 1996, S. 2. 41 Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 61. 42 Clerici, Christian/Killias, Martin: Sind wir alle gleich vor dem Risiko eines Gewaltdelikts? In: Crimiscope, Heft 2, 1999, S. 4.

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Z

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mit Einwohneramtstichproben (Ü Glossar) gearbeitet, in der neben Deutschen auch (proportional zu ihrem Bevölkerungsanteil) Nicht-Deutsche enthalten waren.

Gerade die Berücksichtigung nicht-deutscher Pbn erscheint insoweit von Bedeutung, als diese in den allermeisten Opferbefragungen (unverständlicherweise) aus den Untersuchungsstichproben ausgeschlossen werden. 1.5

Die Auswahl der abgefragten Delikte

1.5.1

Welche Delikte werden abgefragt?

Im Rahmen konventioneller Opferbefragungen können nur ganz bestimmte Delikte untersucht werden, und zwar solche, die gegen Privatpersonen verübt und von diesen auch als kriminelle Handlungen registriert werden. Sogenannte ¹victimless crimesª43, Straftaten gegen Institutionen, Betrugsdelikte sowie Tötungsdelikte werden regelmäûig nicht erfaût. Auch wenn die genannten Beschränkungen aus forschungstechnischen Gründen oftmals unumgänglich sind, sollte doch bei der Interpretation von Opferbefragungen berücksichtigt werden, daû in diesen nur ein Teil aller kriminellen Handlungen erfaût wird. Gerade bei den nichterfaûten Delikten ist jedoch mit z. T. erheblichen Dunkelfeldern zu rechnen (so z. B. beim Versicherungsbetrug44). Sessar45 hat zudem darauf aufmerksam gemacht, daû viele Opfer irrtümlich als Nicht-Opfer kategorisiert werden, wenn diese ein Delikt erlitten haben, das in der jeweiligen Opferbefragung nicht erfaût wurde. Eine solche Fehlklassifikation ist vor allem dann bedeutsam, wenn Opfer und Nicht-Opfer hinsichtlich der Ausprägung bestimmter Variablen ± wie z. B. Kriminalitätsfurcht (siehe § 10) oder Ansehen der Polizei (siehe § 12) ± unterschieden werden. Vor diesem Hintergrund wurden in der Untersuchung Bochum III die Pbn ± zusätzlich zu spezifischen Fragen nach erlittenen Straftaten während der letzten 12 Monate ± danach gefragt, ob sie in den letzten fünf Jahren Opfer irgendeiner (weiteren) Straftat geworden sind. 1.5.2

Definition der abgefragten Delikte

Ein weiteres Problem betrifft die Definition der jeweils abgefragten Delikte. Da die meisten Opferbefragungen das Ziel haben, die Häufigkeit und Verteilung von Straftaten im Dunkelfeld mit der registrierten Kriminalität (Hellfeld) zu verglei43 Hierunter werden solche Straftaten verstanden, bei denen kein eindeutiges Opfer identifiziert werden kann. Dazu gehören beispielsweise Delikte wie Hehlerei oder Drogenmiûbrauch. 44 Fetchenhauer, Detlef: Versicherungsbetrug. Baden Baden 1998, S. 351. 45 Sessar, Klaus: The Forgotten Nonvictim: In: International Review of Victimology, 1, 1990, S. 117.

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chen, ist die Beschreibung der abgefragten Delikte daran angelehnt, wie diese im Strafgesetzbuch definiert sind. Obwohl ein solches Vorgehen aus kriminalstatistischer Sicht naheliegend erscheint, ist dennoch zu berücksichtigen, daû juristisch nicht geschulte Laien ihr Viktimisierungserleben nicht in juristische Begrifflichkeiten einordnen. Dieses Problem soll exemplarisch am Beispiel der Körperverletzung verdeutlicht werden. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Z

Eine Handlung wird vom Opfer irrtümlich als strafbare Körperverletzung wahrgenommen, obwohl im juristischen Sinn keine strafbare Handlung vorliegt. Ein solcher Fall liegt z. B. dann vor, wenn ein Befragter angibt, geschlagen worden zu sein, obwohl der vermeintliche ¹Täterª nur aus (berechtigter) Notwehr gegenüber dem Befragten gehandelt hat. Wenn solche Fälle der Polizei nicht gemeldet, in der Befragung aber geschildert werden, führt dies zu einer Überschätzung des Dunkelfeldes, weil sie als nicht angezeigte Körperverletzungen kategorisiert werden.

Z

Zahlenmäûig bedeutsamer sind wahrscheinlich die Fälle der zweiten Kategorie: Handlungen, die objektiv den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen, jedoch weder der Polizei bekannt noch in Opferbefragungen angegeben werden. Von Schneider46 ist für solche Fälle der Begriff des ¹doppelten Dunkelfeldesª geprägt worden. Beispiele: Eine Ehefrau wird von ihrem Mann geschlagen; eine Mutter wird von ihrem eigenen Sohn verprügelt; alte Menschen erhalten von ihren ± sie pflegenden ± Angehörigen nichts zu essen. Die Gründe, warum solche Delikte nicht angegeben werden, können zum einen darin liegen, daû dem Opfer das Sprechen über solche Fälle besonders unangenehm ist. Zum anderen werden vom Opfer selbst die erlittenen Körperverletzungen oftmals nicht als juristisch relevante Handlungen definiert, weshalb sie in einer Befragung, die sich mit dem Thema ¹Kriminalitätª beschäftigt, nicht genannt werden. Darüber hinaus wird über solche Viktimisierungen häufig auch deshalb nicht berichtet, weil sie nach Meinung der Opfer ¹niemanden etwas angehenª (siehe hierzu auch § 7±1.4).

In der Untersuchung von Wetzels u. a.47 wurde gezielt versucht, auch solche Fälle zu erfassen. Hierzu ergriffen sie folgende Maûnahmen: Z

Z

Es wurde während der Befragung ausdrücklich darauf hingewiesen, daû auch Körperverletzungen angegeben werden sollten, deren Täter aus dem familiären Umkreis stammen. Jeder Pb erhielt nach der mündlichen Befragung einen weiteren Fragebogen, der von diesem in Abwesenheit des Interviewers selbständig ausgefüllt werden sollte. Dieser Fragebogen erfaûte gezielt Gewalterfahrungen im familiären Nahraum. Es wurde vermutet, daû viele Pbn Probleme haben, gegenüber

46 Schneider, Hans Joachim: Einführung in die Kriminologie. Berlin 1993 (3. Aufl.), S. 47. 47 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 179 ff.

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Z

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einem Interviewer in einer mündlichen Befragung solche Viktimisierungen anzugeben und daû es ihnen leichter fallen würde, über diese Geschehnisse anonym zu berichten. In dem Fragebogen, den die Pbn selbständig ausfüllen sollten, wurde die Erinnerung an erlittene Viktimisierungen durch eine Vielzahl an Items gestützt, in denen gezielt nach einzelnen Formen von Gewalt gefragt wurde (Beispiele: ¹mit einem Gegenstand nach mir geworfenª, ¹mir eine runtergehauenª bis hin zu ¹eine Waffe, z. B. ein Messer oder eine Schuûwaffe gegen mich eingesetztª). 48

Es zeigte sich, daû durch dieses Vorgehen die Gesamtzahl der ermittelten Körperverletzungen viermal so hoch lag als wenn, wie in herkömmlichen Opferbefragungen üblich, nach diesem Delikt gefragt wurde. 49 Dies bedeutet, daû in den meisten Opferbefragungen die Prävalenz von Gewaltdelikten erheblich unterschätzt wird. Da die Untersuchung von Wetzels u. a. ferner zeigte, daû Körperverletzungen durch Familienangehörige nur äuûerst selten angezeigt werden, bedeutet dies darüber hinaus eine Überschätzung der Anzeigequote von Gewaltdelikten. Vor dem Hintergrund dieser Befunde wurde überlegt, ein ähnliches Verfahren auch in der Untersuchung Bochum III anzuwenden. Aufgrund finanzieller Restriktionen muûte hierauf jedoch verzichtet werden. Diese Ausführungen sollten ± exemplarisch am Beispiel der Körperverletzung ± deutlich machen, daû es nur begrenzt möglich ist, mit Hilfe von Opferbefragungen ein realistisches Bild des ¹wahren Ausmaûesª von Kriminalität zu zeichnen. Diese Vorstellung ist von Wetzels50 provozierend als ¹naiver Realismusª bezeichnet worden. Stattdessen sollte stets berücksichtigt werden, daû es in Opferbefragungen bestenfalls möglich ist zu erfassen, wie Befragte bestimmte Handlungen definieren, kategorisieren und sich an diese erinnern. Hierbei orientieren sich die Befragten jedoch nur sehr begrenzt an juristischen Definitionen einzelner Straftatbestände. Opferbefragungen zeichnen kein genaues Bild der Kriminalität, sondern eine andere ± aber keineswegs weniger verzerrte ± Realität als die PKS.51 Der Vorwurf von Wetzels ist im Hinblick auf die Bochumer Untersuchungen jedoch deutlich weniger stichhaltig als gegenüber anderen Opferbefragungen. In allen drei Bochumer Studien wurden die jeweiligen Viktimisierungen von den Pbn mit deren eigenen Worten erzählt und diese Schilderungen anschlieûend von intensiv geschulten (Jura-)Studenten den einzelnen Straftatbeständen zugeordnet (siehe hierzu auch § 1±2.1.4).

48 49 50 51

Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 47), S. 140. Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 47), S. 180. Wetzels, Peter: Kriminalität und Opfererleben. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 1, 1996, S. 5 ff. Greve, Werner/Bilsky, Wolfgang: Kriminelle Opfererfahrungen und Prozesse der Bewältigung. In: Steller, Max/Volbert, Renate (Hg.): Psychologie im Strafverfahren. Bern 1997, S. 208; Weiû, Rüdiger: Bestandsaufnahme und Sekundäranalyse der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1997, S. 55.

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1.5.3

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Schwere der abgefragten Delikte

Opferbefragungen unterscheiden sich danach, ob Fragen ± z. B. ob ein Delikt angezeigt wurde bzw. zu Motiven der Anzeigeerstattung ± in bezug auf jede Viktimisierung oder nur im Hinblick auf die subjektiv schwerste Opferwerdung gestellt werden (siehe Übersicht 49 in § 7±2). Hierbei ist allerdings zu beachten, daû systematische Verzerrungen zu erwarten sind, wenn nur nach dem Anzeigeverhalten hinsichtlich der subjektiv ¹schwerstenª Opferwerdung gefragt wird, weil belastende Viktimisierungen deutlich häufiger angezeigt werden als solche, durch die sich das Opfer nicht beeinträchtigt fühlt. 52 Wenn nur nach subjektiv bedeutsamen Viktimisierungen gefragt wird, ist insofern mit einer Überschätzung der Anzeigeneigung zu rechnen. ¾hnliche Verzerrungen sind auch wahrscheinlich, wenn die Pbn nähere Angaben nur zu ihrer letzten Opferwerdung machen sollen, denn es ist zu vermuten, daû bei einer solchen Fragestellung subjektiv bedeutsame Ereignisse in der Erinnerung vorverlagert werden (sog. Telescoping, siehe hierzu auch unter Punkt 1.6). Beispiel: Einer Frau ist vor vier Wochen eine Bluse im Wert von 50 DM gestohlen worden. Vor drei Monaten ist diese Frau einem brutalen Raubüberfall zum Opfer gefallen, unter dessen Folgen sie heute noch sehr leidet. Wird diese Frau nun nach detaillierten Angaben zu ihrer letzten Viktimisierung gefragt, wird sie u. U. nicht über den erlittenen Diebstahl, sondern über den ± weiter zurückliegenden ± Raubüberfall berichten. Um möglichst genaue Angaben über das Verhalten von Kriminalitätsopfern hinsichtlich der Gesamtheit leichter und schwerer Viktimisierungen ableiten zu können, wurden deshalb in allen drei Bochumer Untersuchungen die Pbn nach ihrem Anzeigeverhalten hinsichtlich aller erlittenen Straftaten (im vergangenen Jahr) befragt. 1.6

Abgefragte Referenzzeiträume

Zwischen den verschiedenen Opferbefragungen gibt es groûe Unterschiede hinsichtlich des Referenzzeitraums, der bei der Befragung zugrunde gelegt wurde. Während im National Crime Survey53 nur Opfererfahrungen während des letzten halben Jahres vor der Untersuchung erfaût werden, wurde bei Ammer54 nach Opfererfahrungen während des gesamten bisherigen Lebens gefragt. Übliche Zeiträume umfassen 12 Monate bzw. fünf Jahre.55

52 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 217. 53 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 12. 54 Ammer, Andreas: Kriminalität in Landau. Holzkirchen/Obb. 1990, S. 154. 55 Weiû, Rüdiger: Bestandsaufnahme und Sekundäranalyse der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1997, S. 63.

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Die Wahl des Referenzzeitraums bleibt jedoch nicht ohne Auswirkungen auf die Ergebnisse der Untersuchung (siehe Punkt 1.1). Hinzu kommt, daû Pbn sich u. U. nicht ernst genommen fühlen, wenn ein für sie persönlich sehr bedeutsames Ereignis nicht interessiert, weil es auûerhalb des abgefragten Zeitraums stattgefunden hat. Ein weiteres Problem bei zu kurzen Referenzzeiträumen stellen die schon erwähnten Telescoping-Effekte dar.56 Diese bestehen darin, daû Viktimisierungen, die vor dem Referenzzeitraum stattgefunden haben, von den Pbn als innerhalb dieses Zeitraums liegend erinnert werden. Beispiel: Wenn jemand nach erlittenen Körperverletzungen innerhalb des letzten Jahres gefragt wird, wird er u. U. auch über eine Straftat berichten, die ihm vor 13 Monaten zugefügt worden ist. Nach Weiû 57 tritt dieses Problem bevorzugt bei schweren Straftaten auf, da sich der Pb an sie erinnert, ¹als sei es erst gestern gewesenª. 58 Während diese Argumente für die Vorgabe sehr langer Referenzzeiträume (bzw. einen völligen Verzicht auf zeitliche Vorgaben) zu sprechen scheinen, gibt es jedoch auf der anderen Seite gute Argumente dafür, die abgefragten Referenzzeiträume nicht zu weit auszudehnen. Hier ist vor allem die Tatsache von Bedeutung, daû Viktimisierungen um so eher vergessen werden, je länger sie zurückliegen.59 So zeigte sich in den Untersuchungen Bochum I und Bochum II 60, daû über Diebstahlsdelikte, die nach Angaben der Pbn in den letzten sechs Monaten vor der Befragung erlitten wurden, deutlich häufiger berichtet wurde als über Diebstahlsdelikte, die sieben bis 12 Monate zurücklagen. Dies galt jedoch vor allem für leichtere Delikte mit niedrigen Schadenssummen, die nur selten angezeigt werden. Daraus folgt: Je gröûer der Referenzzeitraum, der den Pbn vorgegeben wird, desto seltener werden leichte Straftaten genannt und desto häufiger wird über Straftaten berichtet, die bei der Polizei angezeigt wurden. Bei längeren Referenzzeiträumen ergibt sich somit eine Überrepräsentation schwerer Delikte und eine Überschätzung der Anzeigebereitschaft. So lag etwa die Dunkelzifferrelation in der Untersuchung Bochum II 61 bei Diebstahlsdelikten, die ein bis drei Monate zurücklagen, bei 1:3; bei Diebstahlsdelikten, die zehn bis zwölf Monate zurücklagen, hingegen lediglich bei 1:2. 56 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 97; Weiû, Rüdiger, a. a. O. (FN 55), S. 64. 57 A. a. O. (FN 55), S. 64. 58 Auf mögliche Erklärungen solcher Telescoping-Effekte kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Für einen Überblick siehe Sudman, Seymour/Bradburn, Norman/Schwarz, Norbert: Thinking about Answers. San Francisco 1996, S. 166 ff. 59 Schwind, Hans-Dieter u. a.: Dunkelfeldforschung in Göttingen 1973/74. Wiesbaden 1975, S. 157; Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 14 f. 60 Untersuchung Bochum II, S. 112. Dort sind auch die entsprechenden Werte aus der Untersuchung Bochum I aufgeführt. 61 Untersuchung Bochum II, S. 114.

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Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daû die Vorgabe eines bestimmten Referenzzeitraums groûe Auswirkungen auf die Ergebnisse einer Opferbefragung hat. Welcher Zeitraum im einzelnen jeweils vorgegeben werden sollte, läût sich allgemeingültig nicht beantworten und hängt u. a. vom jeweiligen Untersuchungsschwerpunkt ab. In dem Maûe, in dem eine Opferbefragung (auch) durchgeführt wird, um zu Schätzungen über die Prävalenz und Inzidenz bestimmter Delikte zu gelangen, muû jedoch berücksichtigt werden, daû die Validität (Ü Glossar) der Angaben um so höher sein wird, je kürzer der Zeitraum ist, über den die Pbn bezüglich möglicher Viktimisierungen berichten sollen. Aus diesem Grund wurde in allen drei Bochumer Untersuchungen der Referenzzeitraum auf 12 Monate begrenzt. Um jedoch zu verhindern, daû Pbn, die vor mehr als einem Jahr eine (u. U. schwerwiegende) Viktimisierung erlitten haben, irrtümlich als Nicht-Opfer klassifiziert werden, wurden die Pbn zusätzlich danach gefragt, ob sie über die abgefragten Delikte hinaus (Diebstahl, Raub sowie Körperverletzung während der letzten 12 Monate) in den letzten fünf Jahren noch (weiteren) Straftaten zum Opfer gefallen sind. 1.7

Ermittlung von Dunkelziffern

Wie bereits mehrfach erwähnt, liegt eine wesentliche Zielsetzung vieler Opferbefragungen darin, zu einer gültigen Schätzung der tatsächlichen Verbreitung der untersuchten Delikte zu gelangen. Aufgrund der Daten aus den Opferbefragungen wird durch Hochrechnung der ermittelten Werte auf die Grundgesamtheit das Ausmaû der Kriminalitätsbelastung geschätzt. Da die Pbn in der Regel auch danach gefragt werden, ob sie ein erlittenes Delikt bei der Polizei angezeigt haben, erscheint es zusätzlich möglich, das Dunkelfeld einzelner Delikte zu schätzen. Beispiel: In der Untersuchung Bochum II 62 wurden von den 1.434 Befragten 173 Diebstahlsdelikte genannt, die diese nach eigenen Angaben nicht bei der Polizei angezeigt hatten. Hochgerechnet auf die Bevölkerung ergab dies einen Wert von 43.190 nicht angezeigter Diebstahlsdelikte für das Jahr 1986. Im gleichen Zeitraum wurden (laut PKS) in Bochum 16.370 Diebstahlsdelikte zur Anzeige gebracht. Werden diese beiden Werte ins Verhältnis zueinander gesetzt, so zeigt sich, daû ca. 63 % aller Diebstähle in diesem Jahr nicht angezeigt worden sind. Eine solche Hochrechnung setzt jedoch u. a. voraus, daû die Angaben der Befragten valide sind und zwar sowohl hinsichtlich der Frage, ob ein Delikt (z. B. Diebstahl) überhaupt erlitten wurde als auch im Hinblick darauf, ob ein Delikt bei der Polizei angezeigt wurde. Auch wenn die Validität der Aussagen der Pbn niemals vollständig abgesichert werden kann, ist es doch möglich, diese zumindest indirekt zu überprüfen. Ein Weg, dies zu tun, besteht in folgendem Verfahren: Aufgrund der Angaben der Befragten wird die Anzahl aller angezeigten Straftaten bezüglich des zugrunde gelegten Referenz62 Untersuchung Bochum II, S. 107.

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zeitraums hochgerechnet und mit der Zahl der im Hellfeld erfaûten Fälle dieses Delikts verglichen. Wenn die Aussagen der Pbn mit der Realität übereinstimmen, sollte sich ± abgesehen von zufälligen Schwankungen ± eine vergleichbare Schätzung der Anzahlaller angezeigtenStraftatenergeben.IstdiesderFall,soerscheint ein gewisser Optimismus gerechtfertigt, daû auch die sonstigen Angaben der Pbn valide sind. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Angaben von Befragten unmittelbar mit den entsprechenden polizeilichen Akten zu vergleichen (sog. reverse record checks). Diesbezüglich vorliegende Befunde lassen erhebliche Zweifel an der Validität von Daten aus Opferbefragungen aufkommen. 63 Bislang ist jedoch nur selten die Anzahl angezeigter Straftaten verglichen worden, die sich auf der einen Seite aus der PKS und auf der anderen Seite aus den Daten von Opferbefragungen ergeben. Wenn dies der Fall war, zeigte sich allerdings regelmäûig die Tendenz, daû die aus der Opferbefragung ermittelte Anzahl angezeigter Straftaten über den Zahlen der PKS lag.64 Ein besonders drastisches Beispiel läût sich anhand der Daten von Heinz u. a. 65 anführen. In dieser bundesweiten Untersuchung gaben 1,1 % aller Befragten an, innerhalb der vergangenen 12 Monate Opfer eines Raubdelikts geworden zu sein. Dies entspricht einer Anzahl von ca. 760.000 Fällen pro Jahr. 57,1 % aller Opfer eines Raubdelikts gaben bei der Befragung an, diese Straftat bei der Polizei angezeigt zu haben. Dies bedeutet, daû bei der Polizei ca. 430.000 Raubtaten angezeigt worden sein sollten. Tatsächlich werden in der PKS für 1997 (d. h. in dem Jahr, auf das sich die Befragung bezog) nur 67.578 Fälle ausgewiesen. Die Schätzung aus der Opferbefragung entspricht somit ca. dem Sechsfachen der PKS-Zahlen. Für eine Interpretation dieses Befundes bieten sich folgende Erklärungen an: Z

Z

Die Anzeige einer Straftat ist sozial erwünscht (siehe Punkt 1.8.2). Einigen Kriminalitätsopfern ist es deshalb peinlich, im Rahmen einer Opferbefragung angeben zu müssen, daû sie eine erlittene Straftat nicht angezeigt haben. In der Stichprobe sind am Thema interessierte Pbn überrepräsentiert, wobei das Interesse an einer Befragung zum Thema ¹Kriminalitätª bei solchen Personen gröûer ist, die schon einmal Opfer einer Straftat geworden sind.66 Zusätzlich hängt die Bereitschaft, an einer Opferbefragung teilzunehmen, auch davon ab, in welchem Maûe eine Person sozial integriert ist. Personen, die sozial eingebunden sind, neigen jedoch eher zu einer Strafanzeige als sozial randständige Personen.67

63 Mayhew, Pat: Reporting Crimes to the Police. In: Bilsky, Wolfgang/Pfeiffer, Christian/Wetzels, Peter (eds.): Fear of Crime and Criminal Victimization. Stuttgart 1993, S. 142; Wetzels, Peter: Kriminalität und Opfererleben. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 1, 1996, S. 10. 64 Dörmann, Uwe: Dunkelfeldforschung im Dunkeln. In: Kriminalistik, Jg. 42, Heft 7, 1988, S. 404; Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 82. 65 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998, S. 2±3. 66 Schwarzenegger, Christian, a. a. O. (FN 64), S. 83. 67 Biblarz, Arturo/Barnowe, Jonathan/Biblarz, Dolores: To Tell or Not to Tell. In: Victimology: An International Journal, 9 (1), 1984, S. 153±158.

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Z

Z

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Bei der Polizei erstattete Anzeigen werden von dieser (in einzelnen Fällen) nicht weiter bearbeitet und deshalb auch nicht den jeweiligen Landeskriminalämtern gemeldet. So zeigte sich in einer Untersuchung von Gundlach/Menzel68, daû bis zu 3 % aller Anzeigen, die eigentlich in die PKS aufgenommen werden müûten, dort nicht registriert wurden. Viele Opfer denken irrtümlich, sie hätten eine Anzeige aufgegeben, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. So sind z. B. telefonische Anzeigen (bei den in Opferbefragungen erfaûten Delikten) nicht möglich. In den Bochumer Untersuchungen wurde dieses Problem dadurch zu lösen versucht, daû die Pbn explizit danach gefragt wurden, ob sie ein entsprechendes Protokoll bei der Polizei eigenhändig unterschrieben haben, weil dies im polizeilichen Sinn für die Erstattung einer Anzeige unverzichtbar ist.

1.8

Zur Validität von Opferbefragungen

Weiter oben (siehe Punkt 1.5 ff) war bereits betont worden, daû die Aussagen von Pbn im Rahmen einer Opferbefragung nicht als realitätsgetreue Wiedergabe objektiver Tatbestände im Sinne des Strafgesetzbuchs aufzufassen sind, sondern die Aussagen von Kriminalitätsopfern mit z. T. erheblichen Fehlerquellen belastet sind. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang z. B. eine Studie von Cook 69. Nach dieser Untersuchung werden über die Hälfte aller erlittenen Schuûverletzungen in Dunkelfeldbefragungen nicht angegeben. Diese nicht erfaûten Schuûwunden beziehen sich vor allem auf Verletzungen, die jemandem von Freunden und Verwandten bzw. im Rahmen eigener krimineller Aktivitäten zufügt wurden. Mögliche Fehlerquellen sind hierbei danach zu unterscheiden, ob der Befragte nicht zutreffend antworten kann oder will. 1.8.1

Kann der Befragte ehrlich antworten?

Häufig werden Vorfälle, die objektiv als Straftatbestände zu definieren sind, von vielen Opfern nicht als solche wahrgenommen, gespeichert bzw. sie erinnern sich nicht mehr an ihre Viktimisierung (siehe Punkt 1.5 ff). Wenn jedoch eine erlittene Straftat nicht als solche wahrgenommen wird, kann sie auch im Rahmen von Opferbefragungen nicht erwähnt werden. Mangelnde Fähigkeiten zu gültigen Angaben sind auch für die bereits diskutierten Erinnerungs- und Telescoping-Effekte verantwortlich, bei denen über erlittene Straftaten entweder gar nicht berichtet wird oder aber der angegebene Zeitpunkt der Viktimisierung unzutreffend ist. 68 Gundlach, Thomas/Menzel, Thomas: Fehlerquellen der PKS. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1, 1992, S. 75. 69 Cook, Philip: The Case of the Missing Victims. In: Journal of Quantitative Criminology. 1 (2), 1985, S. 96.

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Das ¹Vergessenª einer Straftat ist jedoch nicht nur bei leichten, subjektiv wenig belastenden Delikten zu beobachten, sondern gerade auch bei besonders gravierenden Straftaten (vor allem Gewaltdelikten), bei denen die Opfer bestimmte Viktimisierungen leugnen, d. h. vor sich selbst nicht eingestehen wollen. 70 So zeigte Wetzels 71, daû Personen, die bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse ganz allgemein dazu neigen, selbstwertbedrohende Ereignisse zu leugnen bzw. zu verdrängen, über signifikant weniger Viktimisierungen berichten als Personen, die nicht zu einer solchen Verarbeitungsstrategie tendieren. Nach Wetzels 72 sind solche Personen nicht tatsächlich seltener Opfer krimineller Handlungen geworden, sondern sie berichten bei einer Befragung seltener über ihre Viktimisierungen, weil sie die Erinnerung daran aus ihrem Gedächtnis gelöscht haben. 1.8.2

Will der Befragte ehrlich antworten?

In der Umfrageforschung ist seit langem das Problem bekannt, daû Pbn in einem Interview ihre Angaben nicht nur an ihrem tatsächlichem Verhalten oder ihren wahren Ansichten und Meinungen orientieren, sondern häufig im Sinne sozialer Erwünschtheit antworten, d. h. so, wie es nach ihrer Wahrnehmung der Interviewer gerne hören würde.73 Krämer 74 erläutert diesen Effekt anhand folgenden Beispiels: In einer britischen Umfrage wurde darüber berichtet, daû englische Frauen über das Leben verteilt im Schnitt 2,9 verschiedene Sexualpartner haben, Männer hingegen 11. Krämer 75 kommen diese Ergebnisse ¹im Licht der alten Weisheit ¸it takes two to tango` doch sehr spanisch vorª. Erklärt werden kann dieses (unlogische) Ergebnis durch den Effekt sozialer Erwünschtheit, aufgrund dessen die Frauen die Anzahl ihrer Sexualpartner vermutlich unter-, Männer diese hingegen übertrieben haben. Solche sozial erwünschten Antworten stellen auch für die Dunkelfeldforschung ein erhebliches Problem dar: Z

Vielen Menschen ist es peinlich, Opfer einer Straftat geworden zu sein, so daû sie bestimmte Viktimisierungen im Rahmen von Opferbefragungen (bewuût) verschweigen. Beispiele: Eine Ehefrau wird von ihrem Mann geschlagen; ein Mann ist bei einem Bordellbesuch bestohlen worden. Dies gilt auch dann, wenn das Opfer in die Straftat selbst verwickelt war (etwa, wenn jemandem bei einer Wirtshausschlägerei die Nase gebrochen wurde).

70 71 72 73 74 75

Hanak, Gerhard: Kriminelle Situationen. In: KrimJ, Jg. 16, Heft 3, S. 167. Wetzels, Peter: Kriminalität und Opfererleben. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 1, 1996, S. 15. A. a. O. (FN 71). Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Reinbek 1995, S. 382. Krämer, Walter: So lügt man mit Statistik. Frankfurt am Main 1991, S. 107. A. a. O. (FN 74).

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Z

Z

Z

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Menschen geben an, eine erlittene Straftat bei der Polizei angezeigt zu haben, obwohl dies nicht zutrifft (siehe Punkt 1.7). Darüber hinaus ist es denkbar, daû über bestimmte Viktimisierungen im Rahmen von Opferbefragungen nicht berichtet wird, weil das Opfer fürchtet, durch das (erneute) Sprechen über die Straftat persönlich aufgewühlt zu werden. Dies ist insbesondere bei sehr schweren Viktimisierungen zu erwarten. Manche Opfer haben auch Hemmungen, über erlittene Straftaten zu berichten, weil sie sich selbst eine Mitschuld an dem Geschehenen zuschreiben. Dies ist häufig bei Vergewaltigungen zu beobachten.76

2

Ausgewählte Ergebnisse bisheriger Opferbefragungen

Während in den vergangenen Abschnitten vor allem methodische Aspekte und Probleme von Opferbefragungen diskutiert wurden, sollen im folgenden nunmehr einige wesentliche Ergebnisse von vorliegenden Opferuntersuchungen vorgestellt werden. 2.1

Zur Prävalenz ausgewählter Delikte

Um die Ergebnisse der Dunkelfelduntersuchung Bochum III mit anderen Opferbefragungen vergleichen zu können, ist in Übersicht 35 ein Teil der in anderen Untersuchungen ermittelten Prävalenzraten zusammengefaût worden. Hierbei wurden bewuût nur solche Untersuchungen aufgenommen, in denen alle drei in den Bochumer Untersuchungen analysierten Delikte (Diebstahl, Raub, Körperverletzung) erfaût wurden. Diese Voraussetzung war nur in einem kleinen Teil aller ausgewerteten Studien gegeben. So werden z. B. Körperverletzungen und ¹Bedrohungenª teilweise in einem Item erfaût 77 oder es wird nur nach einzelnen Diebstahlsdelikten (z. B. Kfz-Diebstahl), nicht aber nach Diebstahl allgemein gefragt. 78 In die Übersicht wurden von daher die Untersuchungen Bochum I und Bochum II79, diverse Untersuchungen von Boers und Mitarbeitern80 sowie die Untersuchung von Heinz u. a.81 aufgenommen.

76 Greve, Werner/Bilsky, Wolfgang: Kriminelle Opfererfahrungen und Prozesse der Bewältigung. In: Steller, Max/Volbert, Renate (Hg.): Psychologie im Strafverfahren. Bern 1997, S. 208. 77 Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992. 78 Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993. 79 Untersuchung Bochum II, S. 103 ff (siehe dort auch die Werte aus der Untersuchung Bochum I). 80 Zitiert nach: Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998, S. 1±6. 81 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998.

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Übersicht 35:

Prävalenzraten von Diebstahl (insgesamt), Raub und Körperverletzung in ausgewählten Opferbefragungen Diebstahl (insgesamt)

Raub

Körperverletzung

Bochum I (1975)

13,9

±*

1,9

Bochum II (1986)

15,9

±*

2,0

Boers (1991; NBL**)

18,8

1,0

2,2

Boers (1993; NBL)

19,1

1,7

2,1

Boers (1993; ABL***)

16,3

1,3

1,9

Boers (1995; NBL)

23,0

2,3

2,2

Boers (1995; ABL)

21,0

1,3

2,2

Heinz u. a. (1997/98)

16,2

1,1

2,0

*

Auf die Berechnung von Prävalenzraten wurde aufgrund des geringen Stichprobenumfangs verzichtet. ** NBL = Neue Bundesländer *** ABL = Alte Bundesländer

Auffallend ist die vergleichsweise hohe Konsistenz der gefundenen Prävalenzraten. Die Werte für Diebstahlsdelikte allgemein liegen in den meisten Untersuchungen zwischen 15 % und 20 %, die entsprechenden Raten für Raubdelikte liegen zumeist zwischen 1 % und 2 %. Besonders auffallend sind die hohen Übereinstimmungen hinsichtlich der Körperverletzung. Bei diesem Delikt schwanken die Werte lediglich zwischen 1,9 % und 2,2 %. 2.2

Das Dunkelfeld bei einzelnen Delikten

Bei allen in Übersicht 35 aufgeführten Studien zeigten sich (z. T. erhebliche) Unterschiede in den Anzeigequoten der verschiedenen Delikte. Z

Übereinstimmend ergab sich, daû die Anzeigequoten bei Diebstahlsdelikten in hohem Maûe vom Wert der gestohlenen Sache abhängig sind (siehe hierzu auch § 7±1.1.1). So gaben in der Studie von Heinz u. a. 82 über 90,6 % aller Befragten an, einen Pkw-Diebstahl der Polizei gemeldet zu haben, die Quote für vollendeten Einbruch lag bei 88,3 %; ¹sonstiger einfacher Diebstahlª wurde hingegen lediglich in 57,3 % aller Fälle angezeigt.

82 A. a. O. (FN 81), S. 2±14.

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In der Untersuchung Bochum II 83 ergab sich eine Anzeigequote von lediglich 25 % (bezogen auf alle Diebstahlsdelikte). Dieser im Vergleich zu den meisten anderen Studien sehr niedrige Wert hängt wahrscheinlich damit zusammen, daû dort systematisch versucht wurde, auch vermeintliche Bagatellfälle zu erfassen (Beispiel: Diebstahl einer Packung Zigaretten), die nur sehr selten angezeigt werden (siehe hierzu auch § 7±1.1.1). Darüber hinaus wurden die Dunkelzifferrelationen in den Bochumer Untersuchungen auf anderem Wege berechnet als in den übrigen Untersuchungen (zu diesem Problem siehe Punkt 1.7). Z

Raubüberfälle werden deutlich seltener angezeigt als Pkw-Diebstähle oder Wohnungseinbrüche. Die ausgewerteten Opferuntersuchungen kommen zu dem Ergebnis, daû zwischen 60 % und 80 % aller Raubüberfälle bei der Polizei angezeigt werden. So lagen die entsprechenden Quoten in der Untersuchung von Heinz u. a. 84 bei 57,1 %, bei Kury u. a. 85 ergab sich (für die alten Bundesländer) ein Wert von 78,0 %.

Z

Im Vergleich zu Raubdelikten werden Körperverletzungen deutlich seltener angezeigt. So wurde in der Untersuchung Bochum II 86 nur jede siebte Körperverletzung der Polizei gemeldet, bei Heinz u. a. 87 jede dritte.

Somit läût sich festhalten, daû die Anzeigequoten und damit die Dunkelzifferrelationen zwischen verschiedenen Delikten systematisch variieren. Mögliche Erklärungen hierfür werden in § 7±2 ausführlich erläutert. 2.3

Zum unterschiedlichen Viktimisierungsrisiko verschiedener Bevölkerungsgruppen

Eines der Hauptthemen der Viktimologie ist seit jeher die Frage, von welchen sozioökonomischen und personalen Faktoren es abhängt, ob eine Person zum Opfer einer kriminellen Handlung wird.88 Bevor auf Ansätze eingegangen wird, die das unterschiedliche Viktimisierungsrisiko verschiedener Bevölkerungs- und Personengruppen zu erklären versuchen, soll anhand einiger ausgewählter Variablen untersucht werden, ob sich in bisherigen Studien Zusammenhänge zwischen diesen Variablen und den Viktimisierungsraten ergeben haben.

83 Untersuchung Bochum II, S. 111. 84 A. a. O. (FN 81), S. 2±10. 85 Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 117. 86 Untersuchung Bochum II, S. 116. 87 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998, S. 2±10. 88 Für einen Überblick siehe: Schneider, Hans Joachim: Der gegenwärtige Stand der kriminologischen Opferforschung. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 5, 1998, S. 316±344.

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2.3.1

S. 120

Das Alter potentieller Opfer

Eine Vielzahl an Studien zeigt, daû die Viktimisierungsrate systematisch mit dem Alter zusammenhängt. Jüngere haben ± zumindest im Hinblick auf Gewaltdelikte ± zumeist ein deutlich höheres Viktimisierungsrisiko als ¾ltere. Dieses Muster ergibt sich sowohl bei der Analyse von Hellfelddaten als auch bei Dunkelfelduntersuchungen. So ist nach der PKS das Risiko eines Jugendlichen (14 bis 18 Jahre), Opfer eines Gewaltdelikts zu werden, ca. zehnmal so hoch wie das eines über 60 jährigen. 89 Auch die Dunkelfelduntersuchungen von Heinz u. a. 90 sowie von Wetzels u. a. 91 kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Bei Eigentumsdelikten sind die Zusammenhänge zwischen Alter und Viktimisierungshäufigkeit hingegen deutlich schwächer.92 Dies liegt z. T. auch daran, daû es sich bei vielen Eigentumsdelikten (z. B. dem Einbruch) um sog. ¹Haushaltsdelikteª handelt, d. h. um solche Straftaten, die nicht einer spezifischen Person, sondern allen Mitgliedern eines Haushalts zugeschrieben werden. 2.3.2

Das Geschlecht potentieller Opfer

Frauen werden seltener Opfer von Gewaltdelikten als Männer. Dies gilt vor allem für Körperverletzungen. So zeigte sich z. B. in der Dunkelfelduntersuchung von Wetzels u. a. 93 (bezogen auf einen Zeitraum von fünf Jahren) hinsichtlich Körperverletzungen (ohne Waffen) eine Prävalenzrate bei Männern von ca. 7 %, bei Frauen hingegen lediglich von ca. 2,5 %. ¾hnliche Resultate ergibt eine Analyse der entsprechenden PKSDaten. 94 Der Befund einer niedrigeren Viktimisierungsrate von Frauen relativiert sich allerdings teilweise, wenn in die Betrachtung der Gewaltkriminalität auch solche Delikte aufgenommen werden, denen ganz überwiegend Frauen zum Opfer fallen: Handtaschenraub, sexuelle Belästigung bzw. Vergewaltigung. Wurden diese Delikte in der Untersuchung von Wetzels u. a. 95 bei der Berechnung von Prävalenzraten hinsichtlich Gewaltdelikten mitberücksichtigt, zeigten sich nur noch geringe Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

89 Greve, Werner/Wetzels, Peter: Kriminalität und Gewalt in Deutschland. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie, Jg. 30, Heft 2/3, 1999, S. 97. 90 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998, S. 2±6. 91 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 61. 92 Siehe z. B.: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 174. 93 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 76. 94 Greve, Werner/Wetzels, Peter: Kriminalität und Gewalt in Deutschland. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie, Jg. 30, Heft 2/3, 1999, S. 97. 95 A. a. O. (FN 93), S. 74.

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S. 121

Höhere Prävalenzraten von Männern finden sich auch bei Eigentumsdelikten, vor allem bei solchen Delikten, die den Besitz eines Pkw voraussetzen (wie z. B. KfzDiebstahl, Sachbeschädigungen an Kfz).96 2.3.3

Die Nationalität potentieller Opfer

In der Kriminologie wird häufig vermutet, daû Nicht-Deutsche systematisch häufiger als Deutsche Opfer einer kriminellen Handlung werden.97 Begründet wird diese Vermutung u. a. damit, daû Nicht-Deutsche häufig über geringere soziale, juristische und finanzielle Ressourcen verfügen, um im Falle einer Viktimisierung gegen den Täter vorzugehen (Beispiel: Eine Frau, die sich illegal in Deutschland aufhält und zur Prostitution gezwungen wird). Von Schneider 98 ist zudem darauf aufmerksam gemacht worden, daû ein Teil aller Straftaten gegenüber Nicht-Deutschen unmittelbar durch die Fremdenfeindlichkeit der Täter motiviert ist (sog. ¹hate crimesª). Auch empirisch lassen sich vielfältige Hinweise auf eine erhöhte Opferbelastung von Nicht-Deutschen finden. In einer Untersuchung des bayerischen Landeskriminalamtes 99 wurde ± anhand einer aufwendigen Analyse vorliegender Hellfelddaten ± der Frage nachgegangen, ob Nicht-Deutsche häufiger oder seltener als Deutsche Straftaten erleiden bzw. bei der Polizei anzeigen. Während der Anteil von Nicht-Deutschen an der Bevölkerung in Bayern im Erfassungszeitraum bei 8,4 % lag, wurden 11,1 % aller Strafanzeigen von einem Nicht-Deutschen gestellt 100. Nicht-Deutsche erstatten insofern ± in Relation zu ihrem Anteil an der Bevölkerung ± häufiger Anzeige als Deutsche. Aus Dunkelfelduntersuchungen liegen hierzu jedoch so gut wie keine Erkenntnisse vor, da Nicht-Deutsche zumeist explizit aus den untersuchten Stichproben ausgeschlossen werden (vgl. unter Punkt 1.4).

96 Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 93), S. 73. 97 So z. B. von Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 192; Sessar, Klaus: Ausländer als Opfer. In: Albrecht, Peter-Alexis u. a. (Hg.): Festschrift für Horst Schüler-Springorum. Köln 1993, S. 114; Kaiser, Günther: Kriminologie. Heidelberg 1996 (3. Aufl.), S. 548. 98 Schneider, Hans Joachim: Der gegenwärtige Stand der kriminologischen Opferforschung. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 5, 1998, S. 316±344. 99 Luff, Johannes: Ausländer als Opfer von Straftaten. In: Kriminalistik, Jg. 50, Heft 7, 1996, S. 463± 466; Steffen, Wiebke: Ausländer als Kriminalitätsopfer. In: BKA (Hg.): Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung. Wiesbaden 1996, S. 247±282. 100 Luff, Johannes, a. a. O. (FN 99).

121

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2.4

S. 122

Exkurs: Zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Viktimisierungsrisiko

In einer Reihe von Opferbefragungen konnte gezeigt werden, daû das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, nicht gleichmäûig über die Bevölkerung verteilt ist: Z Z Z

Jugendliche werden häufiger als ¾ltere Opfer von Straftaten (siehe Punkt 2.3.1). Männer werden häufiger als Frauen Opfer von Straftaten (siehe Punkt 2.3.2). Über diese soziodemographischen Variablen hinaus werden bestimmte Personen häufiger als andere mehrfach Opfer einer kriminellen Handlung.101

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, durch welche Merkmale Personen beschrieben werden können, die signifikant häufiger als andere Opfer einer Straftat werden. In der Viktimologie lassen sich hierzu drei wesentliche Argumentationslinien unterscheiden.102 Z

Z

Z

Sozialstrukturelle Ansätze: Diese besagen im wesentlichen, daû sozial randständige Personen (wie z. B. Obdachlose, Drogenabhängige, Strafgefangene) besonders häufig Opfer krimineller Handlungen werden.103 Situationsorientierte Ansätze: Diese Theorien betonen, daû das Risiko einer Viktimisierung davon abhängt, wie häufig sich eine Person in Situationen mit einem hohen Viktimisierungsrisiko begibt. Die bekannteste Version dieses Ansatzes ist die sog. ¹Routine-Aktivitäts-Theorieª104. Danach treten kriminelle Handlungen vor allem dann auf, wenn ein motivierter Täter auf ein geeignetes Objekt trifft und dieses nicht (ausreichend) bewacht wird. Im Einklang mit dieser Theorie stehen die in Punkt 1.4 berichteten Befunde, daû Personen, die sich (aus Gründen ihres Berufes bzw. in ihrer Freizeit) selten in ihrer Wohnung aufhalten, besonders häufig Opfer einer Straftat (z. B. eines Einbruchs) werden.105 Persönlichkeitspsychologische Ansätze: In jüngerer Zeit ist darauf verwiesen worden, daû auch bestimmte Persönlichkeitseigenschaften einer Person ihr Viktimisierungsrisiko beeinflussen. So zeigen Schreck106 sowie Baron/Forde107, daû Personen mit einer hohen Risikoneigung bzw. einer niedrigen Selbstkontrolle signifikant häufiger Opfer von Straftaten werden als Personen mit niedriger Risikoneigung bzw. hoher Selbstkontrolle.108

101 Schneider, Hans Joachim: Einführung in die Kriminologie. Berlin 1993 (3. Aufl.), S. 52. 102 Für einen (kurzen) Überblick siehe: Schneider, Hans Joachim: Der gegenwärtige Stand der kriminologischen Opferforschung. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 5, 1998, S. 316±344. 103 Schneider, Hans Joachim, a. a. O. (FN 102), S. 325 f. 104 Felson, Marcus: Crime and Everyday Life. Thousand Oaks 1994. 105 Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 61; Clerici, Christian/Killias, Martin: Sind wir alle gleich vor dem Risiko eines Gewaltdelikts? In: Crimiscope, Heft 2, 1999. 106 Schreck, Christopher: Criminal Victimization and Low Self Control. In: Justice Quarterley, 16, 1999, S. 633±654. 107 Baron, Stephan/Forde, David: Self Control, Risky Lifestyles and Situation. Toronto 1999. 108 Hintergrund dieser Unteruchungen ist die Selbstkontrolltheorie von Gottfredson und Hirschi: Gottfredson, Michael R./Hirschi, Travis: A General Theory of Crime. Stanford 1990.

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In Übereinstimmung mit den Befunden von Schreck bzw. Baron/Forde zeigte sich in einer Befragung Bochumer Jura-Studenten 109, daû die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, systematisch mit der Risikoneigung der befragten Personen zusammenhing (Beispiel: ¹Manchmal riskiere ich etwas, nur weil es mir Spaû machtª). So korrelierte (Korrelation Ü Glossar) die Risikoneigung mit der Häufigkeit erlittener Körperverletzungen mit r = 0,31 (p < 0,01). Mit dieser Sichtweise vereinbar sind auch die Befunde, nach denen eigenes delinquentes Verhalten und Viktimisierungen korrelieren, da eine hohe Risikoneigung und niedrige Selbstkontrolle Bestimmungsgründe abweichenden Verhaltens sind. 110 So zeigte sich z. B. in einer Untersuchung von Schwind u. a. 111, daû Schüler, die durch ein hohes Maû an Aggressivität auffielen, signifikant häufiger Opfer von Gewalthandlungen durch Mitschüler wurden als Schüler mit einem niedrigen Maû an Aggression. Es ist darauf hinzuweisen, daû diese verschiedenen Ansätze miteinander vereinbar sind und sich nicht gegenseitig ausschlieûen. So erscheint es z. B. plausibel, daû sich Personen mit einer hohen Risikoneigung systematisch häufiger in Situationen begeben, die ein hohes Viktimisierungsrisiko aufweisen. Schneider112 macht zudem darauf aufmerksam, daû sämtliche dieser Theorien nicht beabsichtigen, dem Opfer eine Mitschuld an seiner Viktimisierung zu geben, sondern es allein um die Frage geht, wie die unterschiedlichen Viktimisierungsraten verschiedener Bevölkerungs- und Personengruppen erklärt werden können. 2.5

Trends in der Kriminalitätsentwicklung

Bereits in § 3 war darauf hingewiesen worden, daû sich die offiziell registrierte Kriminalität in Deutschland im letzten Vierteljahrhundert mehr als verdoppelt hat. Mit welcher Vorsicht solche Zahlen zu interpretieren sind, zeigt jedoch folgender Befund aus den USA: Nach den Daten des National Crime Survey waren die Prävalenzraten hinsichtlich schwerer Gewaltkriminalität (Mord, Vergewaltigung, Raub, schwere Körperverletzung) 1996 auf dem niedrigsten Stand seit 1973, nach den offiziellen Statistiken des FBI (Uniform Crime Report) ist die schwere Gewaltkriminalität im gleichen Zeitraum jedoch um 116 % gestiegen.113 Mansel/Hurrelmann114 vermuten daher, daû die Entwicklung der registrierten Kriminalität auch in der Bundesrepublik hauptsächlich auf ein verändertes Anzeige109 110 111 112

Fetchenhauer, Detlef: Low Self Control as a Theory of Victimization. Bochum 1999. Gottfredson, Michael R./Hirschi, Travis, a. a. O. (FN 108). Schwind, Hans-Dieter u. a.: Gewalt in der Schule. Mainz 1997 (2. Aufl.), S. 261. Schneider, Hans Joachim: Der gegenwärtige Stand der kriminologischen Opferforschung. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 5, 1998, S. 326. 113 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998, S. 1±2. 114 Mansel, Jürgen/Hurrelmann, Klaus: Aggressives und delinquentes Verhalten Jugendlicher im Zeitvergleich. In: KZfSSP, Jg. 50, Heft 1, 1998, S. 80.

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verhalten und eine veränderte Registrierungspraxis der Strafverfolgungsbehörden zurückgeführt werden kann. Greve/Wetzels115 zeigen jedoch, daû eine solche Interpretation wenig plausibel ist, u. a. weil auch vorliegende Dunkelfelduntersuchungen (und zwar sowohl Opferals auch Täterbefragungen) auf einen tatsächlichen Anstieg der Gewaltkriminalität hindeuten. Allerdings weisen Greve/Wetzels116 auch darauf hin, daû die diesbezüglichen Befunde gleichsam wie ¹Mosaiksteineª zusammengesetzt werden müssen, da regelmäûige statistikbegleitende Dunkelfelduntersuchungen in Deutschland ± anders als z. B. in den USA oder Groûbritannien ± bislang nicht durchgeführt werden. Die vorliegenden Opferbefragungen können jedoch aufgrund von Unterschieden im Befragungsinstrument sowie der Stichprobenziehung nur sehr bedingt miteinander verglichen werden. Im Gegensatz dazu ist es in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III möglich, die Kriminalitätsentwicklung (hinsichtlich ausgewählter Delikte) über ein Vierteljahrhundert anhand des gleichen Befragungsinstruments und identischer Stichprobenziehung zu untersuchen. 3

Zusammenfassung

Bei der Durchführung von Opferbefragungen sind eine ganze Reihe von Aspekten zu beachten, wenn sichergestellt werden soll, daû die Ergebnisse sinnvoll interpretiert werden können. Hierzu zählt zunächst die Frage, ob die Befragung face-to-face, telefonisch oder postalisch durchgeführt werden soll. Wie bereits in § 1±2.1.1 erwähnt, wurden die Untersuchungen Bochum I und Bochum II ausschlieûlich als face-to-face Befragung durchgeführt. Auch in der Untersuchung Bochum III wurde die Mehrzahl aller Pbn face-to-face interviewt. Zusätzlich jedoch wurde ein (kleinerer) Teil der Stichprobe telefonisch interviewt. Dies geschah mit dem Ziel, Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise im Rahmen von Opferbefragungen systematisch zu untersuchen, um zu überprüfen, ob in zukünftigen Opferstudien die Interviews verstärkt telefonisch durchgeführt werden sollten. Als wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für eine bestimmte Befragungsform sind zunächst die Kosten zu nennen, denn bei gegebenem Forschungsbudget kann eine um so gröûere Stichprobe befragt werden, je niedriger die Kosten für jedes realisierte Interview ausfallen. Hinsichtlich dieses Kriteriums schneiden postali-

115 Greve, Werner/Wetzels, Peter: Kriminalität und Gewalt in Deutschland. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie, Jg. 30, Heft 2/3, 1999, S. 99. 116 A. a. O. (FN 115), S. 101.

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sche Untersuchungen grundsätzlich am besten, die face-to-face Befragung hingegen am schlechtesten ab. Wichtiger noch als die Kosten (und der damit verbundene mögliche Stichprobenumfang) ist jedoch die Frage, ob es sich bei den tatsächlich Befragten um ein repräsentatives Abbild der Grundgesamtheit handelt. Denn nur in diesem Fall ist es möglich, die Stichprobenergebnisse auf die Grundgesamtheit zu übertragen. Im Hinblick auf die Repräsentativität von Stichproben zeigen die ausgewerteten Untersuchungen, daû diese bei postalischen Befragungen ± bedingt durch in aller Regel niedrige Rücklaufquoten ± nicht befriedigend ist. Hinsichtlich des Vergleichs von Telefon- und face-to-face Befragungen zeigte sich in der Untersuchung Bochum III (wie bereits in einigen anderen Untersuchungen), daû kaum Unterschiede in der soziodemographischen Zusammensetzung der Stichprobe bzw. den Ausschöpfungsquoten festgestellt werden konnten (siehe hierzu § 1±2.2.5). Unabhängig von der konkreten Methode, die bei einer (Opfer-)Befragung angewandt wird, ist die Frage, auf welche Weise die Stichprobe aus der Grundgesamtheit gezogen wird. Die ausgewerteten Untersuchungen zeigen, daû bestimmte Bevölkerungsgruppen in Opferbefragungen systematisch unterrepräsentiert sind. Hierbei handelt es sich zum einen häufig um sozial randständige Personen (wie z. B. Obdachlose oder Drogenabhängige), zum anderen um Personen, die (zu Hause) nur selten angetroffen werden können. Vor diesem Hintergrund wurde in allen drei Bochumer Untersuchungen mit Einwohneramtsstichproben gearbeitet und es wurde groûer Wert darauf gelegt, möglichst jede Person, die in die Stichprobe aufgenommen wurde, auch tatsächlich zu interviewen. Hierzu gehörten, im Gegensatz zu vielen anderen Opferbefragungen, auch nicht-deutsche Pbn. Ein weiteres Problem bei Opferbefragungen betrifft die Frage, auf welche Weise der Opferstatus der Pbn erfaût werden soll. Von juristischen Laien werden bestimmte Straftatbestände häufig subjektiv anders wahrgenommen als diese im Strafgesetzbuch definiert sind (Beispiel: Körperverletzung). Im Gegensatz zu vielen anderen Opferbefragungen wurde deshalb in den Bochumer Befragungen so vorgegangen, daû die Pbn zunächst mit ihren eigenen Worten schildern sollten, was ihnen widerfahren ist. Anschlieûend ordneten die (juristisch geschulten) Interviewer diese Berichte einzelnen Straftatbeständen zu. Für die Schätzung von Prävalenz- und Inzidenzraten ist darüber hinaus wichtig, daû die Angaben der Pbn über den Zeitpunkt erlittener Viktimisierungen zutreffend sind. Hierzu bietet es sich an, mit möglichst kurzen Referenzzeiträumen zu arbeiten. Auf der anderen Seite haben jedoch kurze Referenzzeiträume u. a. den Nachteil, daû viele Pbn als Nicht-Opfer kategorisiert werden, weil ihre Viktimisierung auûerhalb des erfaûten Zeitraums liegt (oder sie Opfer eines Delikts geworden sind, das in der Untersuchung nicht erhoben wurde). Aus diesem Grund wurden in der Untersuchung Bochum III (wie schon in den beiden vorangegangen Untersuchungen) die Pbn danach gefragt, ob sie während des letzten Jahres Opfer eines Diebstahls, eines Raubes oder einer Körperverletzung geworden sind. Darüber hinaus 125

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wurde erhoben, ob ein Pb in den letzten fünf Jahren Opfer einer (weiteren) Straftat geworden ist. Ein wichtiges Ziel von Dunkelfeldbefragungen liegt darin abschätzen zu können, wieviele Straftaten von den Opfern bei der Polizei angezeigt werden bzw. wieviele Straftaten im Dunkelfeld verbleiben. Die ausgewerteten Opferbefragungen weisen darauf hin, daû sich hierbei jedoch folgendes Problem ergibt: In vielen Fällen liegt die Anzahl angezeigter Fälle, wie sie in der PKS ausgewiesen wird, unter der Anzahl an Fällen, die sich ergibt, wenn die Angaben aus der Opferbefragung auf die Grundgesamtheit hochgerechnet werden. Über die Gründe hierfür liegen bislang jedoch keine (systematischen) Untersuchungen vor. Vorliegende Opferbefragungen zeigen übereinstimmend, daû sich die Anzeigequoten zwischen verschiedenen Delikten systematisch unterscheiden. Am häufigsten werden i. d. R. Fälle von Diebstahl unter erschwerenden Umständen (wie z. B. Kfz-Diebstahl oder Wohnungseinbruch) angezeigt; deutlich seltener hingegen Fälle von Körperverletzung. Das Risiko einer Viktimisierung ist hierbei nicht gleichmäûig über die Bevölkerung verteilt: Männer und Jüngere werden deutlich häufiger Opfer krimineller Handlungen als Frauen und ¾ltere. Zur Frage, ob Nicht-Deutsche häufiger als Deutsche viktimisiert werden, liegen hingegen aus deutschen Opferbefragungen bislang so gut wie keine Ergebnisse vor. Im Gegensatz z. B. zu den USA ist es für Deutschland bislang nicht möglich, aufgrund von Dunkelfelduntersuchungen Aussagen über die Kriminalitätsentwicklung zu machen. Zwar liegt mittlerweile eine Vielzahl an (bundesweiten) Opferbefragungen vor; die Ergebnisse sind jedoch aufgrund der unterschiedlichen Stichprobenzusammensetzung sowie der verwendeten Erhebungsinstrumente nur bedingt miteinander vergleichbar. Die drei Bochumer Untersuchungen erlauben hingegen Aussagen über die Entwicklung der Kriminalität (hinsichtlich Diebstahl, Raub und Körperverletzung) im Hell- und Dunkelfeld über einen Zeitraum von 23 Jahren. Soweit die Entwicklungen in Bochum nicht (hauptsächlich) auf lokale Besonderheiten zurückzuführen sind, erscheint es möglich, aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchungen auch allgemeinere Schluûfolgerungen abzuleiten. 4

Hypothesen

H 1:

Die aufgrund der Bevölkerungsbefragung hochgerechnete Zahl angezeigter Straftaten liegt signifikant über der im Hellfeld von der Polizei tatsächlich registrierten Anzahl.

H 2:

Leichte Viktimisierungen werden häufiger vergessen als schwere Straftaten.

H 3:

Je schwieriger eine Person an ihrer Wohnadresse zu erreichen ist, desto häufiger wird sie Opfer einer kriminellen Handlung.

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S. 127

H 4:

Je jünger eine Person ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daû sie Opfer einer Körperverletzung wird.

H 5:

Je jünger eine Person ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daû sie Opfer eines Diebstahls wird.

H 6:

Männer werden häufiger Opfer einer Körperverletzung als Frauen.

H 7:

Männer werden häufiger Opfer eines Diebstahls als Frauen.

H 8:

Nicht-Deutsche werden häufiger Opfer einer Körperverletzung als Deutsche.

H 9:

Nicht-Deutsche werden häufiger Opfer eines Diebstahls als Deutsche.

127

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S. 128

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§6

S. 129

Ergebnisse der Dunkelfelduntersuchung

Gliederung 1 1.1

Prävalenzraten der untersuchten Delikte . . . . . . . . . . . . Prävalenzraten hinsichtlich eines Referenzzeitraums von 12 Monaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Prävalenzraten hinsichtlich eines Referenzzeitraums von fünf Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zusammenhänge zwischen verschiedenen Viktimisierungen. 1.3.1 Viktimisierungen innerhalb der letzten 12 Monate. . . . . . . . 1.3.2 Viktimisierungen innerhalb der letzten fünf Jahre . . . . . . . .

. . . 130 . . . 130 . . . .

. . . .

. . . .

131 132 132 132

2

Inzidenzraten der untersuchten Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . 134

3

Angezeigte Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

4

Probleme bei der Berechnung von Dunkelzifferrelationen für Diebstahlsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

5

Entwicklung von Körperverletzungen in den letzten 23 Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

6 6.1 6.2

Die objektiven Folgen der untersuchten Straftaten . . . . . . . . 143 Folgen von Diebstahlsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Folgen von Körperverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

7

Mögliche Verzerrungseffekte in der Untersuchung Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere der Straftat und Erinnerungseffekte . . . . . . . . . . . . . . Erreichbarkeit und Viktimisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Prävalenzraten zwischen Telefon- und face-to-face Befragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1 7.2 7.3 8

145 145 146 147

8.1 8.2 8.3 8.4

Zusammenhang zwischen Viktimisierungen und soziodemographischen Variablen . . . . . . . . . . . . Das Alter von Kriminalitätsopfern . . . . . . . . . . . . . Das Geschlecht von Opfern und Nicht-Opfern . . . . Die Nationalität von Opfern und Nicht-Opfern . . . . Weitere soziodemographische Merkmale . . . . . . . .

9 9.1 9.2

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . 153 Bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

148 148 150 151 152

129

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10 10.1 10.2 10.3 10.4

1

S. 130

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisch relevante Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divergenzen zwischen der Sondererfassung der Polizei und den Befragungsdaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung von Körperverletzungen im Hell- und Dunkelfeld . Besonders gefährdete Opfergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 153 . 153 . 154 . 155 . 155

Prävalenzraten der untersuchten Delikte

Im folgenden sollen die im vorausgegangen Paragraphen abgeleiteten Hypothesen empirisch überprüft werden. 1.1

Prävalenzraten hinsichtlich eines Referenzzeitraums von 12 Monaten

In der Untersuchung Bochum III wurden die Pbn ± wie schon in den beiden vorangegangen Untersuchungen Bochum I1 und Bochum II2 ± danach gefragt, ob sie in den letzten 12 Monaten innerhalb des Stadtgebietes von Bochum Opfer eines der folgenden Delikte geworden sind (zu den genauen Frageformulierungen siehe den Fragebogen im Anhang): Z Z Z Z

Diebstahl ohne erschwerende Umstände (¹einfacher Diebstahlª), Diebstahl unter erschwerenden Umständen (¹schwerer Diebstahlª), Raub, vorsätzliche Körperverletzung. Hierbei wurde die Zuordnung zu den einzelnen Straftatbeständen allerdings nicht durch die Pbn selbst vorgenommen, sondern durch die (juristisch geschulten) Interviewer (siehe § 1±2.1.4).

Übersicht 36 zeigt die Prävalenzraten (Ü Glossar) der untersuchten Straftatbestände.

1 Ahlborn, Wilfried u. a.: Zur Methodik der kriminalgeographischen Forschung unter Berücksichtigung des Bochumer Forschungsprojekts. In: Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I), S. 26. 2 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II), S. 32.

130

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S. 131

Übersicht 36:

Prävalenzraten verschiedener Delikte in der Untersuchung Bochum III Anzahl an Viktimisierungen

Diebstahl

Körperverletzung

Raub

keine

83,4 %

(1.384)

97,6 %

(1.620)

99,5 %

(1.653)

1

14,3 %

(239)

2,3 %

(39)

0,4 %

(7)

2

1,6 %

(26)

0,1 %

(2)

0,06 %

(1)

3

0,5 %

(9)

±

±

4

0,1 %

(2)

±

±

5

0,06 %

(1)

±

±

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

Insgesamt gaben 277 Pbn an, Opfer (mindestens) eines Diebstahlsdelikts geworden zu sein. Dies entspricht einer Prävalenzrate von 16,6 %. 41 Pbn (2,4 %) sind nach eigener Aussage in den letzten 12 Monaten vor der Befragung Opfer (mindestens) einer vorsätzlichen Körperverletzung geworden, auf 8 Pbn (0,5 %) wurde ein Raubüberfall verübt. Bei allen Straftaten ist der Anteil an Pbn, die innerhalb des letzten Jahres mehrfach Opfer eines Delikts geworden sind, eher gering. Allerdings sind immerhin 2,2 % aller Befragten (mindestens) zweimal Opfer eines Diebstahls geworden (zu den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Delikten siehe Punkt 1.3). 1.2

Prävalenzraten hinsichtlich eines Referenzzeitraums von fünf Jahren

Im Anschluû an die Frage, ob sie innerhalb der letzten 12 Monate Opfer eines Diebstahls, eines Raubüberfalls oder einer Körperverletzung geworden sind, sollten die Pbn angeben, ob sie (darüber hinaus) in den letzten fünf Jahren Opfer irgendeiner Straftat geworden sind. Bei dieser Frage sollten jedoch explizit nur solche Delikte angegeben werden, die nicht schon vorher erfaût wurden. Auch bei einem Referenzzeitraum von fünf Jahren gab eine Mehrheit von 73,5 % aller Pbn an, keine persönlichen Erfahrungen als Opfer einer kriminellen Handlung gemacht zu haben. Insgesamt 26,5 % berichteten von (mindestens) einer (weiteren) Viktimisierung; immerhin 8,9 % gaben an, mehrmals Opfer geworden zu sein. Sodann sollten die Pbn angeben, welchem Delikt sie zum Opfer gefallen sind (bei Mehrfachviktimisierungen sollten die Pbn die Straftat nennen, die sie persönlich am ¹schlimmstenª empfunden haben). Die Ergebnisse hinsichtlich dieser Frage können wie folgt zusammengefaût werden: 131

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Z

Z

Z

S. 132

Mit 59,5 % entfiel die Mehrheit aller (subjektiv ¹schlimmstenª) Viktimisierungen auf die Kategorie ¹Diebstahl/Raubª, wobei es sich in 12,2 % aller Fälle um Wohnungseinbrüche handelte. Aber auch ¹Sachbeschädigungenª (15,5 %) und ¹Körperverletzungenª (11,8 %) wurden häufig genannt. Über die Straftaten ¹Betrugª (0,9 %), ¹Sexueller Angriffª (2,4 %) sowie ¹sonstige Delikteª (9,9 %) wurde hingegen vergleichsweise selten berichtet.

1.3

Zusammenhänge zwischen verschiedenen Viktimisierungen

1.3.1

Viktimisierungen innerhalb der letzten 12 Monate

Zwischen den Viktimisierungen innerhalb der letzten 12 Monate Opfer durch die Delikte Diebstahl, Raub und Körperverletzung ergaben sich signifikante Zusammenhänge. So zeigt Übersicht 37, daû von den Opfern einer Körperverletzung 51,2 % auch Opfer eines Diebstahls geworden sind, von den Nicht-Opfern einer Körperverletzung hingegen nur 15,7 %. Dieser Unterschied ist auch statistisch signifikant (p < 0,001; Konfidenzniveau Ü Glossar). Übersicht 37:

Zusammenhang zwischen Viktimisierungen durch Diebstahl und Körperverletzungen innerhalb der letzten 12 Monate Diebstahl nein Körperverletzung

ja

gesamt

nein

84,3 %

(1.366)

15,7 %

(254)

100,0 %

(1.620)

ja

48,8 %

(20)

51,2 %

(21)

100,0 %

(41)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

Darüber hinaus fällt auf, daû von den acht Opfern eines Raubüberfalls drei auch Opfer einer Körperverletzung geworden sind. Das heiût: 37,5 % aller Raubopfer sind auch Opfer einer Körperverletzung geworden, von den Nicht-Opfern eines Raubüberfalls hingegen nur 2,3 %. Auch dieser Zusammenhang ist (trotz der geringen Fallzahl) statistisch signifikant (p < 0,01). 1.3.2

Viktimisierungen innerhalb der letzten fünf Jahre

Auch zwischen Viktimisierungen innerhalb der letzten 12 Monate und im Laufe der letzten fünf Jahre ergaben sich signifikante Zusammenhänge.

132

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S. 133

So zeigt Übersicht 38, daû von den Pbn, die im letzten Jahr weder Opfer eines Diebstahls noch eines Raubes geworden sind, lediglich 24,1 % innerhalb der letzten fünf Jahre Opfer einer Straftat geworden sind. Von den Pbn, die angaben, während des letzten Jahres bestohlen worden zu sein, waren dies hingegen 36,2 %. Von den Pbn, die im letzten Jahr Opfer einer Körperverletzung wurden, sind sogar 61,0 % innerhalb der letzten fünf Jahre Opfer einer weiteren Straftat geworden (diese Unterschiede waren statistisch signifikant: p < 0,01). Auffallend ist zudem, daû von den Pbn, die im letzten Jahr Opfer einer Körperverletzung geworden sind (n = 41), immerhin 31,7 % (13) während der letzten fünf Jahre (mindestens) ein weiteres Mal dem gleichen Delikt zum Opfer gefallen sind. Übersicht 38:

Zusammenhänge zwischen Viktimisierungen innerhalb der letzten 12 Monate und innerhalb der letzten fünf Jahre Wurde ein Pb in den letzten fünf Jahren Opfer einer (weiteren) Straftat? ja

nein

gesamt

Keine Viktimisierung während der letzten 12 Monate

24,1 %

(327)

75,9 %

(1.032)

100,0 %

(1.369)

Opfer eines Diebstahls während der letzten 12 Monate

36,2 %

(100)

63,8 %

(176)

100,0 %

(276)

Opfer einer Körperverletzung während der letzten 12 Monate

61,0 %

(25)

39,0 %

(16)

100,0 %

(41)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Die Anzahl aller in dieser Übersicht registrierten Fälle liegt über der Gesamtzahl an Pbn, weil einige Pbn mehreren Delikten zum Opfer gefallen sind.

Somit läût sich festhalten, daû die Viktimisierungen hinsichtlich der einzelnen Delikte und der verschiedenen Referenzzeiträume nicht unabhängig voneinander sind. Vor allem die Zusammenhänge zwischen den ¹schwerenª Viktimisierungen Körperverletzung (und Raub) und weiteren Opferwerdungen erscheinen hierbei besonders auffällig. Weiter unten (siehe Punkt 8) wird ausführlich diskutiert, durch welche soziodemographischen Merkmale die (Mehrfach-)Opfer von Kriminalität beschrieben werden können.3

3 Zum Zusammenhang zwischen Viktimisierungsraten und Persönlichkeitsmerkmalen siehe auch § 5± 2.4. Letztere wurden jedoch in der Untersuchung Bochum III nicht erhoben.

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2

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Inzidenzraten der untersuchten Delikte

Die aufgrund der Dunkelfelduntersuchung ermittelten Inzidenzraten (Ü Glossar) im Hinblick auf das Jahr 1998 sind in Übersicht 39 zusammengefaût. Diese ist wie folgt aufgebaut: Z Z

Z

Z

In der ersten Spalte sind die einzelnen Deliktsarten aufgeführt. In der zweiten Spalte steht jeweils die Anzahl aller Fälle einer Deliktsart, über die in der Stichprobe berichtet wurde. In der dritten Spalte steht die Anzahl an Fällen, die sich für das Gebiet von Bochum ergeben, wenn die Werte aus der Stichprobe auf die Grundgesamtheit hochgerechnet werden. Beispiel: In der Stichprobe wurde über insgesamt 170 Fälle einfachen Diebstahls berichtet. Da ca. jeder 211 te Bochumer Bürger (über 14 Jahre) befragt wurde, ergibt sich somit für Bochum eine Schätzung von (170 x 211 =) 35.870 Fällen. In der vierten Spalte sind schlieûlich die Häufigkeitszahlen (Ü Glossar) eingetragen, die sich bei Hochrechnung der Stichprobenwerte auf die gesamte Bevölkerung von Bochum ergeben.

Übersicht 39:

Geschätzte Häufigkeiten (Inzidenzen) der untersuchten Delikte Anzahl an Fällen in der Stichprobe

auf Bochum hochgerechnet Anzahl an Fällen

Häufigkeitszahl

Einfacher Diebstahl

170

35.870

10.235

Schwerer Diebstahl

140

29.540

8.429

Körperverletzung

43

9.073

2.589

Raub

9

1.899

542

Auf 100 Bürger Bochums entfallen nach den Befragungsdaten somit ca. 10 Fälle einfachen Diebstahls, acht Fälle schweren Diebstahls und 2,6 Fälle von Körperverletzung. Raub ist deutlich seltener als die anderen Delikte: Auf ca. 200 Bochumer Bürger entfällt eine Raubtat (wobei hier allerdings zu berücksichtigen ist, daû diese Schätzung aufgrund der geringen Fallzahl äuûerst ungenau ist). 3

Angezeigte Straftaten

Gab ein Pb an, Opfer einer kriminellen Handlung geworden zu sein, wurde er u. a. danach gefragt, ob und wie er diese Straftat bei der Polizei gemeldet hat (z. B. persönlich auf der Wache, schriftlich oder telefonisch).

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Darüber hinaus wurde jeder Pb, der angab, eine Straftat bei der Polizei gemeldet zu haben, danach gefragt, ob bei der Polizei ein Protokoll aufgenommen und von ihm unterschrieben wurde. Dies geschah aufgrund der Vermutung, daû viele Kriminalitätsopfer glauben, sie hätten eine Straftat angezeigt (z. B. durch einen Anruf bei der Polizei), obwohl im polizeilichen Sinne keine Anzeige erfolgt ist, und die Straftat somit auch nicht in die PKS aufgenommen wird. Tatsächlich zeigte sich, daû über alle Delikte hinweg nach Aussage der Befragten in 141 Fällen eine Straftat der Polizei gemeldet, aber nur in 126 Fällen auch ein Protokoll aufgenommen und unterschrieben wurde (z. B. wenn die Straftat lediglich telefonisch gemeldet wurde). Dies bedeutet, daû in ca. 11 % aller Fälle eine Straftat zwar gemeldet, im polizeilichen Sinne jedoch keine Anzeige erstattet wurde. Inwiefern entsprechen nun die Angaben aus der Dunkelfeldbefragung über die Anzahl der angezeigten Straftaten den tatsächlichen Hellfelddaten, wie sie in der Sondererfassung der Polizei für Bochum ausgewiesen sind? Antworten auf diese Frage gibt Übersicht 40, die folgendermaûen aufgebaut ist: Z Z

Z

Z

Z

In Spalte 1 sind die untersuchten Straftatbestände aufgeführt.4 In Spalte 2 steht die Anzahl an Fällen, die sich für die einzelnen Delikte in der Bochumer Sondererfassung der Polizei für den Erfassungszeitraum 1998 ergibt. In Spalte 3 steht die Anzahl aller angezeigten Straftaten, die von den Pbn der Dunkelfeldbefragung angegeben wurden (hierbei sind nur die Straftaten erfaût, bei denen nach Aussage der Pbn auch ein Protokoll unterschrieben wurde). In Spalte 4 steht die Anzahl an Fällen, die sich bei Hochrechnung der Werte aus Spalte 3 auf die Grundgesamtheit (Ü Glossar), d. h. für die Stadt Bochum insgesamt ergeben. In den Spalten 5 und 6 stehen abschlieûend die Unter- und Obergrenzen der Konfidenzintervalle (Ü Glossar), die sich aus den Daten der Dunkelfeldbefragung ergeben5 (hierbei wurde ein Konfidenzniveau von 95 % zugrunde gelegt).

4 Die weitergehenden Analysen werden sich weitgehend auf die Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte konzentrieren. Der Anteil aller Raubtaten in der Stichprobe ist zu gering, um Verallgemeinerungen im Hinblick auf die zugrundeliegende Grundgesamtheit abzuleiten. 5 Zur Berechnung von Konfidenzintervallen siehe: Ahlborn, Wilfried/Böker, Fred/Lehnick, Dirk: Stichprobengröûen bei Opferbefragungen in der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1999, S. 113.

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Übersicht 40:

Summe angezeigter Straftaten gemäû Sondererfassung der Polizei und Opferbefragung Hellfeld (Sondererfassung)

Befragungsdaten Hochrechnung

Konfidenzintervall

Anzahl an Fällen

Anzahl an Fällen

Untergrenze

Obergrenze

Einfacher Diebstahl

3.619

32

6.784

4.456

9.112

Schwerer Diebstahl

8.475

79

16.748

13.144

20.352

Körperverletzung

1.976

11

2.332

958

3.706

Hinsichtlich des einfachen bzw. schweren Diebstahls sind die aufgrund der Befragung geschätzten Inzidenzraten ca. zweimal so hoch wie die Inzidenzraten, die für die Stadt Bochum durch die Sondererfassung der Polizei ausgewiesen werden. So wurden im Jahre 1998 nach den Angaben der Polizei 8.475 Fälle schweren Diebstahls angezeigt, aufgrund der Befragungsdaten ergibt sich jedoch ein Schätzwert von annähernd 17.000 Fällen. Diese Abweichungen zwischen Befragungsdaten und polizeilichen Daten sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig: Sowohl beim einfachen als auch beim schweren Diebstahl liegt die unterste Grenze des Konfidenzintervalls über dem Wert, der in der Sondererfassung der Polizei aufgeführt wird. Hinsichtlich der Körperverletzungen ergaben sich hingegen keine systematischen Abweichungen: Die aus der Befragung hochgerechnete Anzahl von 2.328 Fällen liegt nahe an dem in der Sondererfassung der Polizei aufgeführten Wert von 1.976; der Unterschied zwischen beiden Werten ist statistisch nicht signifikant. Die in Hypothese 1 (siehe § 5±4) formulierte Vermutung, daû die Anzahl aller angezeigten Straftaten nach den Befragungsdaten höher liegt als dies nach den Hellfelddaten zu erwarten wäre, kann somit ± zumindest für die Diebstahlsdelikte ± bestätigt werden. In § 5±1.7 wurden bereits mehrere mögliche Gründe für diese immer wieder anzutreffende Divergenz zwischen polizeilichen Daten und Befragungsdaten diskutiert. So war darauf hingewiesen worden, daû viele Befragte u. U. irrtümlich davon ausgehen, eine erlittene Straftat angezeigt zu haben. Diese Erklärung scheidet für die Untersuchung Bochum III jedoch aus, da ja explizit danach gefragt wurde, ob ein Protokoll unterschrieben wurde (und nur diese Fälle in die Analyse einbezogen wurden). Auch die Vermutung von Schwarzenegger 6, daû Kriminalitätsopfer ein stärkeres Interesse an kriminologischen Opferbefragungen haben als Nicht-Opfer und 6 Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 83.

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deshalb systematisch überrepräsentiert sind, erscheint vor dem Hintergrund der hohen Rücklaufquote der Untersuchung Bochum III (ca. 80 %, siehe § 1±2.2.3) nicht sehr plausibel. Eine andere Möglichkeit besteht darin, diese Verzerrungen als das Ergebnis eines Antwortverhaltens im Sinne der sozialen Erwünschtheit (siehe hierzu § 5±1.8.2) zu interpretieren. Vielen Befragten ist es wahrscheinlich peinlich, eine erlittene Straftat nicht bei der Polizei angegeben zu haben. Ein Teil dieser Pbn dürfte fälschlicherweise angegeben haben, eine Anzeige erstattet zu haben, obwohl tatsächlich keine Anzeige erfolgt ist. Diese Vermutung wird auch durch folgende Tatsache gestützt: Von den Pbn, die nach ihren eigenen Angaben eine erlittene Straftat nicht der Polizei gemeldet hatten, äuûerten immerhin 39,6 %, sie würden Anzeige erstatten, wenn sie erneut Opfer einer vergleichbaren Straftat würden. Warum aber sollten sie dies tun? Eine weitere Erklärung könnte darin bestehen, daû viele Pbn sich zwar realitätsgetreu daran erinnern, eine bestimmte Straftat erlitten und angezeigt zu haben, den Zeitpunkt dieser Geschehnisse aber systematisch nach vorne verlagern (sog. Telescoping, siehe § 5±1.6). Letztlich kann anhand des vorliegenden Datenmaterials nicht eindeutig entschieden werden, worauf die ± nicht nur in dieser Untersuchung ± auftretenden Divergenzen zwischen Befragungsdaten und polizeilichen Daten zurückgeführt werden können. Es erscheint dringend geboten, daû sich die kriminologische Forschung dieser Frage eingehender annimmt. Dies gilt um so mehr, als die gefundenen Abweichungen beträchtlich sind: So sind die Inzidenzraten angezeigter Diebstahlsdelikte nach den Befragungsdaten ca. zweimal so hoch wie die Inzidenzraten, die von der Polizei ausgewiesen werden. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal auf das weiter oben (siehe § 5± 1.7) angeführte Beispiel aus der Untersuchung von Heinz u. a. 7 verwiesen, in der laut Befragung sechsmal so viele Raubdelikte bei der Polizei angezeigt worden sind wie in der PKS aufgeführt werden. Wenn jedoch die Anzahl angezeigter Straftaten, wie sie aufgrund von Dunkelfeldbefragungen geschätzt wird, derartig von den offiziell vorliegenden Statistiken abweicht, ist die Validität der durch Befragungen ermittelten Prävalenz- und Inzidenzraten grundsätzlich in Frage gestellt.

7 Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998, S. 2±3.

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4

S. 138

Probleme bei der Berechnung von Dunkelzifferrelationen für Diebstahlsdelikte

Die soeben diskutierten Probleme beeinflussen auch die Berechnung der Dunkelzifferrelationen. Bei der Berechnung von Dunkelzifferrelationen wird die Anzahl angezeigter Straftaten zur Summe der nicht angezeigten Straftaten in Beziehung gesetzt.8 Dabei bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an: Z

Z

Grundlage der Berechnung sind alle in einer Opferbefragung angebenen Straftaten, wobei diese nach den Angaben der Befragten in angezeigte und nicht angezeigte Straftaten unterteilt werden. Beispiel: In der Untersuchung Bochum III gaben 157 Befragte an, sie seien Opfer eines einfachen Diebstahls geworden. 33 dieser Befragten haben nach eigenen Angaben die Straftat bei der Polizei angezeigt, 124 haben auf eine solche Anzeige verzichtet. Somit ergibt sich eine Dunkelzifferrelation von 33 : 124 bzw. 1 : 4. Dieses Verfahren wird in den allermeisten Dunkelfelduntersuchungen9 angewandt. Eine Alternative besteht darin, zur Berechnung des Zählers einer Dunkelzifferrelation (d. h. bei der Summe der angezeigten Straftaten) nicht auf die Werte aus einer Befragung, sondern auf die entsprechenden Angaben der Polizei zurückzugreifen. Dieses Verfahren wurde in den Untersuchungen Bochum I10 und Bochum II11 angewandt.

Welches Verfahren benutzt wird, ist unerheblich, solange die in den polizeilichen Daten ausgewiesene Anzahl an Fällen eines Delikts mit der aus der Befragung hochgerechneten Anzahl angezeigter Fälle (zumindest grob) übereinstimmt. Da jedoch, wie im letzten Abschnitt für die Delikte einfacher Diebstahl und schwerer Diebstahl gezeigt wurde, die Summe der laut Polizei angezeigten Fälle in der Untersuchung Bochum III deutlich unter der Anzahl lag, die aufgrund der Befragung geschätzt wurde, divergieren auch die Dunkelzifferrelationen ganz erheblich, die aufgrund der beiden Verfahren geschätzt werden. Dies gilt sowohl für Fälle einfachen als auch für Fälle schweren Diebstahls So ergibt sich für die Daten der Untersuchung Bochum III hinsichtlich des einfachen Diebstahls nach der ersten Berechnungsmethode eine Dunkelzifferrelation von ca. 1 : 4, nach der zweiten Methode jedoch eine Relation von ca. 1 : 8. Weiter oben wurden als mögliche Gründe für die Divergenzen zwischen den Daten der Sondererfassung der Polizei und der Dunkelfeldbefragung zwei mögliche Ursachen diskutiert: 8 Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 27 f. 9 So z. B. bei Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995; Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998. 10 Schwind in der Untersuchung Bochum I, S. 186. 11 Untersuchung Bochum II, S. 103 ff.

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Z

Z

S. 139

Zum einen wurde vermutet, daû viele Pbn aus Gründen sozialer Erwünschtheit angegeben haben, sie hätten eine erlittene Straftat angezeigt, obwohl sie tatsächlich auf eine Anzeige verzichtet haben. Ferner wurde darauf hingewiesen, daû viele Fälle aufgrund von TelescopingEffekten falsch datiert wurden. Dies bedeutet, daû ein Pb angibt, 1998 Opfer einer Straftat geworden zu sein, obwohl die Viktimisierung tatsächlich zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden hat.

Übersicht 41 zeigt am Beispiel des schweren Diebstahls, welche verschiedenen Schätzungen sich hinsichtlich der Anzahl an Fällen sowie der Dunkelzifferrelationen ergeben, wenn verschiedene Annahmen über die Ursache der Divergenzen zwischen den Daten der Polizei und den Befragungsdaten zugrunde gelegt werden. Übersicht 41:

Fälle schweren Diebstahls sowie geschätzte Dunkelzifferrelationen bei Zugrundelegung verschiedener Berechnungsmethoden Anzahl an Fällen

Dunkelzifferrelation

angezeigte Fälle

nicht angezeigte Fälle

gesamt

Methode A

16.669

13.120

29.789

1:1

Methode B

8.475

13.120

21.595

1:2

Methode C

8.475

21.314

29.789

1:3

Methode D

8.475

6.671

15.150

1:1

Z

Z

Z

Z

Nach Methode A werden sowohl die Anzahl an Delikten als auch die Dunkelzifferrelationen allein aufgrund der Befragungsdaten berechnet (so wie dies in den meisten Dunkelfelduntersuchungen praktiziert wird). Bei Methode B wird die Summe aller angezeigter Straftaten aufgrund der Daten der Sondererfassung der Polizei berechnet ± bei der Berechnung der nicht angezeigten Delikte werden hingegen die Daten aus der Befragung zugrunde gelegt. Methode C geht davon aus, daû die Divergenzen zwischen Polizei- und Befragungsdaten vollständig darauf zurückgeführt werden können, daû Pbn angegeben haben, sie hätten ein Delikt bei der Polizei angezeigt, obwohl tatsächlich keine solche Anzeige erfolgt ist. Demgemäû wird die Differenz aller (vermeintlich) angezeigten Straftaten zwischen Polizeidaten und Befragungsdaten zu den nicht angezeigten Straftaten hinzugerechnet. Methode D schlieûlich errechnet die Werte, die sich bei der Annahme ergeben, daû die Differenz zwischen Polizei- und Befragungsdaten ausschlieûlich auf Telescoping-Effekte zurückzuführen ist: Da die Summe aller angezeigten schweren Diebstahlsdelikte laut den Befragungsdaten ca. zweimal so groû war wie nach den Polizeidaten, wurde bei dieser Methode angenommen, daû 1998 tatsächlich nur halb so viele Fälle schweren Diebstahls aufgetreten sind wie aufgrund der Befragungsdaten geschätzt wurde. 139

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S. 140

Wie man sieht, ergeben sich sowohl hinsichtlich der Anzahl an Fällen als auch hinsichtlich der Dunkelzifferrelationen groûe Unterschiede zwischen den verschiedenen Berechnungsmethoden. Nach der ersten Methode errechnet sich eine Gesamtzahl von nahezu 30.000 Fällen schweren Diebstahls, nach der vierten Methode beträgt diese Anzahl jedoch lediglich ca. 15.000 Fälle und ist damit nur halb so groû. ¾hnlich gravierend sind die Unterschiede im Hinblick auf die geschätzten Dunkelzifferrelationen. Diese divergieren ± je nach Methode ± zwischen 1 : 1 und 1 : 3. Welche der durchgeführten Berechnungen den tatsächlichen Fallzahlen im Hellund Dunkelfeld am nächsten kommt, ist aufgrund der vorliegenden Informationen kaum zu bestimmen. Um den Ursachen der Unterschiede zwischen Hellfeld- und Befragungsdaten empirisch nachgehen zu können, ist es notwendig, in zukünftigen Untersuchungen die Pbn der Opferbefragung um ihr Einverständnis zu bitten, ihre Angaben zum Anzeigeverhalten mit den polizeilichen Daten abzugleichen. Wie bereits erwähnt wurden in den Untersuchungen Bochum I und Bochum II die Dunkelzifferrelationen so berechnet, daû die Summe angezeigter Straftaten aus den jeweiligen Sondererfassungen der Polizei übernommen wurde, während die Summe der nicht angezeigten Delikte aufgrund der Befragungsdaten geschätzt wurde. Übersicht 42 zeigt, welche Dunkelzifferrelationen sich nach dieser Berechnungsmethode in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III ergeben haben (aufgrund der in den letzten Abschnitten ausführlich diskutierten methodischen Probleme können diese Werte jedoch nur unter Vorbehalt interpretiert werden). Übersicht 42:

Dunkelzifferrelationen verschiedener Delikte in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III Bochum I

Bochum II

Bochum III

Punktschätzer

Unter-/ Obergrenze

Punktschätzer

Unter-/ Obergrenze

Punktschätzer

Unter-/ Obergrenze

Einfacher Diebstahl

1:6

1:5 bis 1:7

1:8

1:7 bis 1:9

1:8

1:7 bis 1:9

Schwerer Diebstahl

1:2

1:1 bis 1:2

1:1

1:1 bis 1:1

1:2

1:1 bis 1:2

Körperverletzung

1:7

1:4 bis 1:10

1:6

1:4 bis 1:9

1:3

1:2 bis 1:5

Deliktsart

Die Dunkelzifferrelationen des einfachen bzw. des schweren Diebstahls sind über die drei Untersuchungen hinweg nahezu identisch geblieben. So schwanken die Werte beim einfachen Diebstahl zwischen 1 : 6 (Bochum I) und 1 : 8 (Bochum II und Bochum III), beim schweren Diebstahl zwischen 1 : 2 (Bochum I und Bochum III) und 1 : 1 (Bochum II).

140

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S. 141

Gerade beim schweren Diebstahl ist jedoch zu berücksichtigen, daû die Werte jeweils gerundet wurden (so liegt die genaue Dunkelzifferrelation in der Untersuchung Bochum III bei 1 : 1,55). Deutliche Veränderungen zeigen sich jedoch bei den Körperverletzungen: Während 1975 nur jede achte Körperverletzung angezeigt wurde, war es 1986 bereits jede siebte und 1998 sogar jede vierte. Welche Auswirkungen dies auf die Schätzung der Gesamtzahl aller Körperverletzungen (d. h. angezeigte plus nicht angezeigte Straftaten) hat, wird im nächsten Abschnitt erläutert. 5

Entwicklung von Körperverletzungen in den letzten 23 Jahren

Aufgrund der soeben beschriebenen Probleme erschien es auch nicht sinnvoll, die Anzahl an Fällen einfachen und schweren Diebstahls, wie sie sich in der Untersuchung Bochum III ergeben haben, mit den Untersuchungen Bochum I bzw. Bochum II zu vergleichen. Dies galt jedoch nicht für Körperverletzungen, da sich dort keine Divergenzen zwischen Polizei- und Befragungsdaten ergeben haben. Übersicht 43 zeigt dementsprechend, wie sich die Anzahl angezeigter und nicht angezeigter Körperverletzungen über die letzten 23 Jahre entwickelt hat. Während die Werte zwischen 1975 und 1986 sowohl im Hell- als auch im Dunkelfeld weitgehend konstant geblieben sind, zeigte sich zwischen 1986 und 1998 eine deutliche Zunahme. Diese bezog sich jedoch vor allem auf die Anzahl angezeigter Straftaten: dort war eine Zunahme von 990 auf 1.976 Fälle zu verzeichnen. Die Steigerung nicht angezeigter Körperverletzungen war hingegen deutlich schwächer. 1986 waren ca. 6.200 Fälle zu verzeichnen, 1998 betrug ihre Anzahl ca. 6.800. Diese Zunahme war zudem statistisch nicht signifikant. Zusätzlich zu den absoluten Werten sind in Übersicht 43 auch die Konfidenzintervalle (Ü Glossar) abgebildet, die sich für die Summe der nicht angezeigten Körperverletzungen ergeben. Wie man sieht, überschneiden sich die Konfidenzintervalle der drei Bochumer Untersuchungen. 12 Während sich somit bei der Betrachtung der Hellfeld-Daten mit einer Zunahme von über 100 % eine dramatische Entwicklung abzeichnet, ergibt sich für die Summe der angezeigten und nicht angezeigten Körperverletzungen lediglich eine Zunahme von etwa 20 % (von ca. 7.200 auf 8.700 Fälle). 12 Zur Berechnung siehe Ahlborn, Wilfried/Böker, Fred/Lehnick, Dirk: Stichprobengröûen bei Opferbefragungen in der Dunkelfeldforschung. Wiesbaden 1999, S. 113.

141

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S. 142

Übersicht 43:

Entwicklung angezeigter und nicht angezeigter Körperverletzungen in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III

Dieses Ergebnis entspricht auch Täterbefragungen, die von Mansel/Hurrelmann13 an west- und ostdeutschen Schülern 1988, 1990 und 1996 durchgeführt wurden. Auch dort zeigte sich eine signifikante Zunahme der Gewalthandlungen, die von den Schülern im Rahmen der Befragung zugegeben wurden, doch lag die Steigerungsrate deutlich unter den entsprechenden Werten der PKS. Somit deutet sich an, daû die Zunahme an Körperverletzungen, wie sie in der PKS ausgewiesen wird (siehe § 3±3.4), z. T. auf eine tatsächliche Zunahme, z. T. jedoch auch auf ein verändertes Anzeigeverhalten zurückgeführt werden kann, wie dies z. B. bereits von Heinz14 vermutet wurde.

13 Mansel, Jürgen/Hurrelmann, Klaus: Aggressives und delinquentes Verhalten Jugendlicher im Zeitvergleich. In: KZfSSP, Jg. 50, Heft 1, 1998, S. 105. 14 Heinz, Wolfgang: Jugendkriminalität zwischen Verharmlosung und Dramatisierung. In: DVJJ-Journal, Jg. 8, Heft 3, 1997, S. 272.

142

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S. 143

6

Die objektiven Folgen der untersuchten Straftaten

6.1

Folgen von Diebstahlsdelikten

Die Pbn, die angaben, Opfer einer Straftat geworden zu sein, wurden auch danach gefragt, mit welchen objektiven Schäden diese Straftat für sie verbunden war (zu subjektiven Schäden und deren Bewertung siehe § 8±1.3). Dies geschah unabhängig davon, ob sie die erlittene Straftat angezeigt hatten oder nicht. So wurde bei Opfern von Diebstahls- und Raubdelikten erhoben, wie hoch der finanzielle Schaden durch die erlittene Straftat war. Nahezu die Hälfte aller Schadenssummen in der Opferbefragung lag zwischen 101 DM und 1.000 DM, in immerhin 18,7 % aller Fälle waren jedoch auch Schäden von über 1.000 DM zu verzeichnen. Der Median (Ü Glossar) lag bei 275 DM, das arithmetische Mittel (Ü Glossar) ± bedingt durch Ausreiûerwerte nach oben ± bei 1.439 DM. Der niedrigste Schaden betrug 4 DM, der höchste Schaden lag bei 60.000 DM. Die Schadenssummen im Hellfeld (Sondererfassung der Polizei) lagen erwartungsgemäû über denen der Dunkelfeldbefragung. Der Median war mit einem Wert von 500 DM fast zweimal so hoch (zum Zusammenhang zwischen Schadenssumme und Anzeigeverhalten siehe § 8±1.3.1). Übersicht 44 zeigt, daû die Schadenssummen sowohl bei den angezeigten als auch bei den nicht angezeigten Diebstahlsdelikten in den letzten 23 Jahren kontinuierlich zugenommen haben.15 Dieses Ergebnis ist allerdings weitestgehend durch die allgemeine Inflationsrate zu erklären. So ist der Wert einer DM zwischen 1975 und 1998 um ca. die Hälfte gesunken.16

15 Zu den Werten der beiden ersten Bochumer Untersuchungen siehe Untersuchung Bochum II, S. 111. 16 Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 1999 für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 649.

143

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Übersicht 44:

S. 144

Anzahl der Diebstahlsdelikte (ohne Warenhausdiebstahl) in Abhängigkeit vom Wert der entwendeten Sachen

144

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6.2

S. 145

Folgen von Körperverletzungen

Die Schwere einer Körperverletzung wurde durch drei Items erfaût: Z

Z

Z

Zunächst wurden die Pbn danach gefragt, auf welche Weise sie verletzt wurden. Die Antworten reichten hierbei von ¹Rempelei/Ohrfeigeª bis hin zu ¹Schuûwaffeª. Sodann wurden die Opfer danach gefragt, wie schwer sie verletzt worden sind (von ¹geringfügigª bis ¹schwer/arbeitsunfähigª). Abschlieûend wurde erhoben, ob bzw. wie die Verletzung behandelt wurde (¹Behandlung nicht notwendigª bis ¹stationärer Krankenhausaufenthaltª).

In 22 Fällen (51,2 %) handelte es sich um eine geringfügige Körperverletzung (wie z. B. eine Ohrfeige oder Rempelei), in weiteren 14 Fällen (32,6 %) wurde das Opfer ± ohne den Einsatz von Waffen ± verprügelt. In immerhin 3 Fällen (7 %) wurde jedoch ein Stock oder Knüppel eingesetzt, in einem Fall sogar eine Schuûwaffe.17 Bei 33 der insgesamt 43 Körperverletzungen (76,7 %) war keine (ärztliche) Behandlung erforderlich, in sieben Fällen (16,7 %) muûte ein Arzt aufgesucht werden, in zwei Fällen (4,7 %) war sogar ein Krankenhausaufenthalt erforderlich.18 7

Mögliche Verzerrungseffekte in der Untersuchung Bochum III

7.1

Schwere der Straftat und Erinnerungseffekte

Weiter oben (siehe § 5±4) war die Vermutung formuliert worden, daû die Erinnerung an eine erlittene Straftat auch von ihrer Schwere abhängt (Hypothese 2). Wenn diese Vermutung zutrifft, sollten um so mehr schwere Straftaten angegeben werden, je länger der Tatzeitpunkt zurückliegt. Tatsächlich zeigten sich jedoch keinerlei Zusammenhänge zwischen der Zeit, die seit der Straftat vergangen ist (operationalisiert durch den Monat, in dem die Tat passierte) und der Schadenshöhe. So betrug der Korrelationskoeffizient (Ü Glossar) zwischen der objektiven Schadenshöhe und der Zeitdauer, die seit dem Diebstahl vergangen war, in der Stichprobe r = 0,06 (p = 0,19). Aber auch hinsichtlich der subjektiven Schwere des Schadens ergaben sich keine signifikanten Zusammenhänge. Bei Diebstahlsdelikten lag der Korrelationskoeffizient in der Stichprobe bei r = ± 0,03 (p = 0,30), bei Körperverletzungen bei r = 0,03 (p = 0,85).

17 In drei Fällen lagen zu der Art der Verletzungen keine Angaben vor. 18 In einem Fall lagen keine Angaben hinsichtlich der Frage vor, ob bzw. wie eine Körperverletzung behandelt werden muûte.

145

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S. 146

Dieses Resultat war zudem unabhängig davon, ob alle Straftaten in die Analyse eingingen oder nur die nicht anzeigten Straftaten. Hypothese 2 konnte somit nicht bestätigt werden. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Untersuchungen in Göttingen 1973 19 sowie den Untersuchungen Bochum I und Bochum II 20. Dort hatte sich jeweils die Tendenz gezeigt, daû für die beiden letzten Quartale des Befragungszeitraums niedrigere Schadenssummen angegeben wurden als für die beiden ersten. 7.2

Erreichbarkeit und Viktimisierung

In § 5±1.4 war darauf verwiesen worden, daû in einigen Studien die Wahrscheinlichkeit einer Viktimisierung mit dem Lebensstil zusammenhing. Sowohl im International Crime Survey21 als auch in der Untersuchung von Clerici/Killias22 zeigte sich, daû die Wahrscheinlichkeit einer Viktimisierung für eine Person um so höher war, je häufiger sie sich ± beruflich oder in ihrer Freizeit ± auûerhalb ihrer Wohnung aufhält. Je häufiger eine Person nicht zu Hause ist, desto schwieriger ist sie jedoch u. U. auch im Rahmen einer Befragung zu erreichen.23 In Hypothese 3 (siehe § 5±4) war deshalb die Vermutung abgeleitet worden, daû eine Person um so eher Opfer einer Straftat wird, je schwieriger es für einen Interviewer ist, die Befragung durchzuführen. Empirisch wurde diese Hypothese dadurch überprüft, daû der Opferstatus einer Person (Opfer versus Nicht-Opfer) mit der Anzahl an Versuchen korreliert wurde, die von einem Interviewer benötigt wurden, um ein Interview mit dieser Person zu realiseren. Wie in § 1±2.2.3 bereits erläutert wurde, lag die Anzahl an Versuchen, die notwendig waren, um ein Interview durchzuführen, in der face-to-face Stichprobe zwischen eins und fünf, während in der Telefonstichprobe bis zu 18 Versuche unternommen wurden, bis ein Interview realisiert werden konnte (siehe § 1± 2.2.3). Es konnten jedoch keinerlei Zusammenhänge zwischen der Erreichbarkeit einer Person und ihrem Opferstatus nachgewiesen werden. Der entsprechende Korrelationskoeffizient für die face-to-face Stichprobe lag bei r = ± 0,01 (p = 0,44), für die

19 Schwind, Hans-Dieter u. a.: Dunkelfeldforschung in Göttingen 1973/74. Wiesbaden 1975, S. 171. 20 Untersuchung Bochum II, S. 113 (siehe dort auch die Werte der Untersuchung Bochum I). 21 Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 61. 22 Clerici, Christian/Killias, Martin: Sind wir alle gleich vor dem Risiko eines Gewaltdelikts? In: Crimiscope, Heft 2, 1999, S. 5. 23 Schnell, Rainer/Kreuter, Frauke: Untersuchungen zur Ursache unterschiedlicher Ergebnisse sehr ähnlicher Viktimisierungssurveys. In: KZfSSP, Jg. 52, Heft 1, 2000, S. 96±117.

146

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S. 147

Telefonstichprobe bei r = 0,00 (p = 0,59). Hypothese 3 konnte somit nicht bestätigt werden. Dieses unerwartete Ergebnis ist u. U. dadurch zu erklären, daû die Interviewer die Anweisung hatten, die Pbn vor allem am späten Nachmittag bzw. frühen Abend aufzusuchen ± eine Zeit, in der auch solche Personen oftmals zu Hause sind, die auûer Haus berufstätig sind bzw. abends häufig ausgehen. 7.3

Vergleich der Prävalenzraten zwischen Telefon- und face-to-face Befragung

In § 1±2.2.4 waren bereits die Rücklaufquoten sowie die soziodemographische (Ü Glossar) Zusammensetzung der beiden Stichproben aus der face-to-face und der telefonischen Befragung diskutiert worden. Hierbei hatte sich gezeigt, daû die telefonische Befragung aufgrund ihrer hohen Rücklaufquote als brauchbare Alternative zu den bislang noch stark dominierenden face-to-face Befragungen im Rahmen der Dunkelfeldforschung erscheint. Es gibt jedoch gute Gründe, signifikante Unterschiede in den Viktimisierungsraten zwischen beiden Befragungsarten zu erwarten: Z

Z

Zum einen kann vermutet werden, daû telefonische Interviews häufig den Charakter eines ¹Smalltalksª aufweisen, in denen viele Pbn nicht ernsthaft versuchen, sich an erlittene Straftaten zu erinnern. Diese Vermutung wird durch die Tatsache gestützt, daû die telefonisch durchgeführten Interviews mit einer Dauer von 20 Minuten durchschnittlich um 10 Minuten kürzer waren als die face-to-face Interviews (siehe § 1±2.2.4). Auf der anderen Seite wird von Baurmann u. a.24 die Meinung vertreten, daû vor allem die Opfer von Gewaltdelikten eher am Telefon als in einem face-to-face Interview bereit sind, über erlittene Straftaten zu berichten. Baurmann u. a. begründen diese Annahme damit, daû die Schilderung vor allem von innerfamiliärer Gewalt am Telefon weniger peinlich ist als face-to-face.

Sollten sich in der Tat signifikante Unterschiede in den Prävalenzraten zwischen telefonischer und face-to-face Befragung ergeben, so wäre dies als deutlicher Hinweis darauf zu werten, daû zumindest eine der beiden Befragungsarten zu ungültigen Ergebnissen kommt. Übersicht 45 zeigt jedoch, daû dies nicht der Fall ist25, denn die Prävalenzraten hinsichtlich der untersuchten Delikte sind in hohem Maûe vergleichbar und die (geringen) Unterschiede sind statistisch nicht signifikant. 24 Baurmann, Michael C. u. a.: Telefonische Befragungen von Kriminalitätsopfern. In: MschrKrim, Jg. 74, Heft 3, 1991, S. 165. 25 Hierbei bleiben diejenigen Pbn unberücksichtigt, die ursprünglich face-to-face interviewt werden sollten, aufgrund ihrer schweren Ereichbarkeit für die Interviewer aber schlieûlich telefonisch interviewt wurden (siehe § 1±2.2.2).

147

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S. 148

Übersicht 45:

Prävalenzraten in der face-to-face und der telefonischen Befragung Prävalenzraten Delikt

face-to-face Befragung

Diebstahl Körperverletzung

telefonische Befragung

17,2 %

(235)

15,3 %

(42)

2,5 %

(34)

2,7 %

(7)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

8

Zusammenhang zwischen Viktimisierungen und soziodemographischen Variablen

8.1

Das Alter von Kriminalitätsopfern

Weiter oben (§ 5±4) war vermutet worden, daû Jüngere sowohl häufiger Opfer von Gewalttaten (Hypothese 4) als auch von Diebstahlsdelikten (Hypothese 5) werden als ¾ltere. Übersicht 46 zeigt die Inzidenzraten der untersuchten Delikte getrennt nach verschiedenen Altersgruppen. Übersicht 46:

Inzidenzraten von Diebstahlsdelikten bzw. Raub und Körperverletzung getrennt nach Altersgruppen

148

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S. 149

Hierbei wurden die Delikte einfacher Diebstahl und schwerer Diebstahl sowie Raub und Körperverletzung zu je einer Kategorie zusammengefaût26. Eingetragen ist jeweils die Anzahl an Delikten in bezug auf 100 Personen der jeweiligen Altersgruppe. Lesebeispiel: Auf 100 Personen unter 26 Jahren entfallen in der Stichprobe 40,9 Diebstahlsdelikte, während es bei den 26- bis 35 jährigen 26,9 Fälle sind. Junge Menschen trugen ein deutlich höheres Viktimisierungsrisiko als ältere. Z

Dies fällt insbesondere bei den Gewaltdelikten (Raub und Körperverletzung) auf. Auf 100 Personen unter 26 Jahren entfielen hier 13,3 Fälle, bereits in der Gruppe der 26- bis 35 jährigen nahm dieser Wert mit 3,37 deutlich ab und pendelte sich in den höheren Altersgruppen bei Werten zwischen 1 und 2 ein. Dieser Zusammenhang läût sich auch noch auf andere Weise verdeutlichen: Obwohl nur 12,8 % aller Pbn jünger als 26 Jahre alt waren, entfielen auf diese Pbn 54 % aller Gewaltdelikte. Das Ergebnis entspricht im übrigenauch den Altersverteilungen derOpfer,die sich bei einer Analyse der Sondererfassung der Polizei für Bochum ergeben. Auch dort entfielen nahezu die Hälfte aller Körperverletzungen auf Opfer unter 26 Jahren. Der Zusammenhang zwischen Alter und dem Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, war auch statistisch signifikant (p < 0,001). Hypothese 4 konnte somit bestätigt werden.27

Z

Aber auch bei den Diebstahlsdelikten zeigten sich ganz ähnliche Resultate: Die Inzidenzraten nahmen mit zunehmendem Alter kontinuierlich ab. So entfielen auf 100 Personen unter 26 Jahren 40,6 Diebstahlsdelikte, bei Personen über 75 Jahren waren es hingegen nur 5,9. Auch dieser Zusammenhang war statistisch signifikant (p < 0,001), so daû Hypothese 5 bestätigt werden konnte. Eine Ursache der hohen Inzidenzraten von Diebstahlsdelikten bei den Befragten unter 26 Jahren könnte darin vermutet werden, daû diese überdurchschnittlich häufig Opfer von Diebstahlsdelikten mit sehr niedrigen Schadenssummen werden. Tatsächlich lag die durchschittliche Schadenshöhe bei den unter 26 jährigen mit einem Median (Ü Glossar) von 115 DM deutlich unter dem der anderen Altersgruppen (dort lagen die Werte zwischen 250 und 300 DM). Dieser Unterschied relativiert sich jedoch, wenn das im Durchschnitt deutlich niedrigere Einkommen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen berücksichtigt wird.

26 Raub und Körperverletzungen werden im folgenden als ¹Gewalttatenª bezeichnet. Diese (breite) Definition von ¹Gewaltkriminalitätª unterscheidet sich somit von der Definition der PKS, in der Fälle einfacher Körperverletzung nicht zur Gewaltkriminalität gerechnet werden. 27 Ganz ähnliche Ergebnisse zeigten sich im übrigen, wenn nicht die Inzidenz-, sondern die Prävalenzraten zwischen den verschiedenen Altersgruppen verglichen werden.

149

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S. 150

Darüber hinaus ergaben sich keine Hinweise darauf, daû sich Diebstahlsdelikte gegenüber Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf ganz bestimmte Gegenstände konzentrieren. So entfielen z. B. lediglich 9,6 % aller Fälle auf den Diebstahl eines Fahrrads. In der kriminologischen Forschung28 findet sich häufig die sog. ¹Ubiquitätstheseª, welche besagt, daû fast jeder Jugendliche oder Heranwachsende zumindest gelegentlich leichtere Straftaten verübt. Die vorliegenden Befunde legen es nahe, diese Ubiquitätsthese auch auf Fragen der Viktimisierung auszuweiten: Wenn die Prävalenzraten über alle Delikte hinsichtlich der letzten fünf Jahre summiert werden, sind mit 56,6 % mehr als die Hälfte aller unter 26 jährigen der Gruppe der Kriminalitätsopfer zuzurechnen. Die entsprechende Rate bei den über 75 jährigen liegt hingegen lediglich bei 23,0 %. Dies bedeutet: Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen und Heranwachsenden wird (zumindest gelegentlich) Opfer einer Straftat. 8.2

Das Geschlecht von Opfern und Nicht-Opfern

Weiter oben (siehe § 5±4) war vermutet worden, daû Männer im Vergleich zu Frauen häufiger Opfer eines Gewaltdelikts (Hypothese 6) bzw. eines Diebstahlsdelikts werden (Hypothese 7). In Übersicht 47 werden die Inzidenzraten von Frauen und Männern hinsichtlich der Diebstahlsdelikte sowie der Delikte Raub und Körperverletzung dargestellt. Übersicht 47:

Inzidenzraten von weiblichen und männlichen Pbn Inzidenzrate Männer

Frauen

Diebstahl

20,3

16,0

Raub und Körperverletzung

3,9

2,4

Delikt

Hinsichtlich beider Deliktsgruppen zeigte sich, daû Männer ein tendenziell höheres Opferrisiko aufwiesen als Frauen.29 Dieser Unterschied war hinsichtlich der Diebstahlsdelikte statistisch signifikant (p < 0,05). Im Hinblick auf Raub und Körperverletzungen wird jedoch das Signifikanzniveau von 95 % (knapp) verfehlt (p = 0,07). Somit konnte lediglich Hypothese 6 empirisch bestätigt werden.

28 Zum Beispiel: Kaiser, Günther: Kriminologie. Heidelberg 1996 (3. Aufl.), S. 400. 29 Auch hier ergeben sich ganz ähnliche Ergebnisse, wenn statt der Inzidenz- die Prävalenzraten von Männern und Frauen miteinander verglichen werden.

150

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S. 151

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist allerdings zu berücksichtigen, daû in der Tendenz die Unterschiede bei den Gewaltdelikten sogar stärker als bei den Diebstahlsdelikten waren, diese jedoch (vermutlich nur) aufgrund der geringen Fallzahlen nicht signifikant wurden. So zeigten sich in Studien 30, die mit noch gröûeren Stichproben gearbeitet haben als die Untersuchung Bochum III, regelmäûig höhere Viktimisierungsraten bei Männern in bezug auf Raubtaten und Körperverletzungen. 8.3

Die Nationalität von Opfern und Nicht-Opfern

In § 5±4 war vermutet worden, daû Nicht-Deutsche häufiger Opfer einer Körperverletzung (Hypothese 8) bzw. eines (einfachen oder schweren) Diebstahls werden als Deutsche (Hypothese 9). Übersicht 48:

Inzidenzraten von deutschen und nicht-deutschen Pbn Inzidenzrate Deutsche

Nicht-Deutsche

Diebstahl

18,6

17,5

Raub und Körperverletzung

3,2

1,9

Delikt

Wie Übersicht 48 deutlich macht, konnten beide Hypothesen empirisch nicht bestätigt werden. In der Tendenz lag die Inzidenzrate bei nicht-deutschen Befragten bei beiden Delikten sogar leicht unter der von deutschen Befragten. Diese Unterschiede waren jedoch statistisch nicht signifikant. Es zeigten sich im übrigen auch dann keine Unterschiede in den Viktimisierungsraten, wenn die Analyse auf die Gruppe der besonders von Kriminalität betroffenen Personen unter 26 Jahren beschränkt wurde. Aufgrund des geringen Anteils an Nicht-Deutschen in der Stichprobe sind diese Werte jedoch unter Vorbehalt zu interpretieren. So waren von den Opfern einer Körperverletzung in der Sondererfassung der Polizei 11,4 % (n = 226) Nicht-Deutsche, obwohl ihr Anteil an der Bochumer Bevölkerung lediglich 8,8 % beträgt.

30 Siehe z. B. Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 73.

151

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8.4

S. 152

Weitere soziodemographische Merkmale

Neben dem Alter, dem Geschlecht und der Staatsangehörigkeit der Pbn wurden noch einige weitere Zusammenhänge zwischen soziodemographischen Variablen und den Viktimisierungsraten hinsichtlich Diebstahl und Körperverletzung untersucht. Die Ergebnisse zu diesen Variablen sollen rein deskriptiv mitgeteilt werden, weil vorab bezüglich dieser Merkmale keine konkreten Hypothesen formuliert wurden. Z

Z

Z

Z

Je höher das Prestige des Berufes eines Pbn war, desto seltener wurde er Opfer einer Körperverletzung (p < 0,05): Während von Pbn mit einfachem Beruf (z. B. ungelernter Arbeiter) 2,5 % während des letzten Jahres Opfer einer Körperverletzung wurden, waren es von den Pbn mit einem hohen Berufsprestige (z. B. Beamter im höheren Dienst, leitender Angestellter) lediglich 0,6 %. Hinsichtlich der Diebstahlsdelikte zeigten sich hingegen keine systematischen Unterschiede. ¾hnliche Ergebnisse ergaben sich in bezug auf den Bildungsstand der Befragten. Von den Pbn ohne Schulabschluû bzw. ohne abgeschlossene Lehre wurden 3,5 % Opfer einer Körperverletzung, von den Universitätsabsolventen dagegen nur 0,5 % (p < 0,05). Auch hinsichtlich der Bildung ergaben sich jedoch keine systematischen Zusammenhänge mit den Viktimisierungsraten bei den Diebstahlsdelikten. Die Haushaltsgröûe korrelierte sowohl mit der Prävalenzrate der Diebstahlsdelikte (r = 0,07; p < 0,01) als auch mit der von Körperverletzungen (r = 0,06; p < 0,01). Hierbei erscheint der Zusammenhang durchaus gravierender als er in den (vergleichsweise) niedrigen Korrelationskoeffizienten zum Ausdruck kommt. Dies gilt vor allem für die Körperverletzungsdelikte: So wurden nur 0,6 % aller Mitglieder eines Zweipersonenhaushalts Opfer einer Körperverletzung, aber 5,2 % aller Pbn, die mit (mindestens) 5 Personen in einem Haushalt leben. Zwischen der Wohnsituation eines Pbn (Einfamilienhaus versus Mehrfamilienhaus, Groûwohnanlage, Wohnheim) und den Prävalenzraten hinsichtlich Diebstahl und Körperverletzung zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge. Dies galt bemerkenswerter Weise auch in bezug auf Wohnungseinbrüche. So gaben 4,2 % aller Bewohner eines Einfamilienhauses an, daû bei ihnen in den letzten 12 Monaten eingebrochen worden sei, aber auch 3,4 % aller Bewohner einer Groûwohnanlage. Das landläufige Vorurteil, daû Einbrüche vor allem gegenüber Villenbesitzern in bevorzugten Wohnlagen verübt werden, wurde insofern nicht bestätigt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daû die in diesem Abschnitt diskutierten Variablen (mit Ausnahme der Haushaltsgröûe) keine Zusammenhänge mit den Viktimisierungsraten in bezug auf Diebstahlsdelikte aufwiesen. Hinsichtlich der Körperverletzungen muû das Bild jedoch differenziert werden. Bezüglich dieses Delikts waren vor allem solche Pbn gefährdet, die einen niedrigen sozialen Status aufweisen: Personen mit niedrigem Berufsprestige, nied152

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S. 153

riger Bildung bzw. Personen, die in Groûfamilien (mit mehr als vier Mitgliedern) leben. 9

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen

9.1

Bestätigte Hypothesen

H 1:

Die aufgrund der Bevölkerungsbefragung hochgerechnete Zahl angezeigter Straftaten liegt signifikant über der im Hellfeld von der Polizei tatsächlich registrierten Anzahl.

H 4:

Je jünger eine Person ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daû sie Opfer eines Gewaltdelikts wird.

H 5:

Je jünger eine Person ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daû sie Opfer eines Diebstahls wird.

H 7:

Männer werden häufiger Opfer eines Diebstahls als Frauen.

9.2

Nicht bestätigte Hypothesen

H 2:

Leichte Viktimisierungen werden systematisch häufiger vergessen als schwere Straftaten.

H 3:

Je schwerer eine Person an ihrer Wohnadresse zu erreichen ist, desto häufiger wird sie Opfer einer kriminellen Handlung.

H 6:

Männer werden häufiger Opfer eines Gewaltdelikts als Frauen.

H 8:

Nicht-Deutsche werden häufiger Opfer eines Gewaltdelikts als Deutsche.

H 9:

Nicht-Deutsche werden häufiger Opfer eines Diebstahls als Deutsche.

10

Zusammenfassung

Im folgenden sollen zunächst die für zukünftige Opferbefragungen relevanten methodischen Ergebnisse der Untersuchung Bochum III zusammengefaût werden. Anschlieûend werden die wichtigsten inhaltlichen Ergebnisse skizziert. 10.1

Methodisch relevante Ergebnisse

Die Erreichbarkeit einer Person korrelierte nicht mit der Wahrscheinlichkeit, daû diese Person in den letzten 12 Monaten Opfer einer Straftat geworden ist. Dieses Ergebnis sollte jedoch nicht vorschnell verallgemeinert werden. Es erscheint plausibel, daû dies (zumindest zum Teil) darauf zurückgeführt werden 153

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S. 154

kann, daû die Interviewer angewiesen wurden, die Pbn vor allem in den frühen Abendstunden aufzusuchen. Zu dieser Zeit werden jedoch auch solche Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit angetroffen, die auûer Haus berufstätig sind bzw. abends häufiger ausgehen. Wenn es jedoch in das Belieben des Interviewers gestellt wird, zu welchen Tageszeiten die Interviews durchgeführt werden, ist es wahrscheinlich, daû solche Personen systematisch unterrepräsentiert werden. Hinsichtlich der Viktimisierungsraten ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen face-to-face und telefonischer Befragung. Sollte sich dieses Ergebnis auch in anderen Untersuchungen replizieren lassen, ist ernsthaft zu überlegen, Opferbefragungen zukünftig überwiegend telefonisch durchzuführen, da diese Befragungsform vor allem hinsichtlich der Kosten Vorteile aufweist (siehe § 5±1.2.1). Im Gegensatz zu den Untersuchungen Bochum I und Bochum II ergaben sich keine Hinweise darauf, daû leichte Viktimisierungen häufiger vergessen werden als schwere. Dies ist u. U. darauf zurückzuführen, daû die Interviewer in der Untersuchung Bochum III besonders intensiv darin geschult wurden, die Pbn zu motivieren, sich auch an weiter zurückliegende (und ggf. sehr leichte) Viktimisierungen zu erinnern. 10.2

Divergenzen zwischen der Sondererfassung der Polizei und den Befragungsdaten

Das wichtigste Ergebnis aus methodischer Sicht muû jedoch in der Tatsache gesehen werden, daû die aufgrund der Befragungsdaten hochgerechnete Anzahl angezeigter Diebstahlsdelikte deutlich und signifikant über der Anzahl angezeigter Diebstahlsdelikte liegt, die nach der Sondererfassung der Polizei für Bochum ausgewiesen werden. Es erscheint von daher dringend geboten, diesem Problem in zukünftigen Opferbefragungen systematisch nachzugehen, da es die Validität der gesamten Dunkelfeldforschung in Frage stellt. Hierbei handelt es sich nicht um ein Problem, das lediglich in der Untersuchung Bochum III aufgetaucht ist. Auch in einer Vielzahl anderer Untersuchungen ergaben sich ganz ähnliche Abweichungen, ohne daû dies von den Autoren dieser Studien diskutiert wurde. Hierzu erscheint es notwendig, zukünftige Untersuchungen von vornherein so zu planen, daû die Pbn im Rahmen der Befragung darum gebeten werden, ihr Einverständnis zu erklären, daû ihre Angaben mit denen der Polizei verglichen werden (obschon dies zumindest bei einigen Pbn Bedenken hinsichtlich des Schutzes ihrer persönlichen Daten auslösen wird). 154

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10.3

S. 155

Entwicklung von Körperverletzungen im Hell- und Dunkelfeld

Hinsichtlich der Entwicklung von Körperverletzungen ist deutlich zwischen Hellund Dunkelfeld zu unterscheiden. Während sich im Hellfeld zwischen 1986 und 1998 eine (dramatische) Zunahme von über 100 % beobachten lieû, betrug die Steigerung bei den nicht angezeigten Fällen lediglich knapp 10 %. Der Anstieg der registrierten Fälle von Körperverletzung scheint somit (zumindest teilweise) in einem veränderten Anzeigeverhalten begründet zu sein. Die Frage, ob und ggf. warum sich die Anzeigeneigung bei Körperverletzungen (bzw. Gewaltdelikten allgemein) verändert hat, sollte in zukünftigen Studien eingehender als bislang untersucht werden. Bezüglich des einfachen und des schweren Diebstahls wurde aufgrund der Divergenzen von Polizei- und Befragungsdaten darauf verzichtet, die Fallzahlen von 1998 mit denjenigen aus 1986 und 1975 zu vergleichen. 10.4

Besonders gefährdete Opfergruppen

Aus viktimologischer Perspektive erscheinen vor allem folgende Befunde bemerkenswert: Z

Jüngere Personen (unter 26 Jahren) weisen ein deutlich höheres Viktimisierungsrisiko auf als alle anderen Altersgruppen. Dies gilt sowohl für Diebstahlsdelikte und Körperverletzungen während der letzten 12 Monate als auch für (weitere) Viktimisierungen, die innerhalb der letzten fünf Jahre stattgefunden haben. Zumindest gelegentliche (Opfer-)Erfahrungen mit Kriminalität gehören somit zum Leben eines durchschnittlichen (Bochumer) Jugendlichen und jungen Erwachsenen dazu.

Z

Frauen wurden in der Untersuchung Bochum III seltener als Männer Opfer eines Diebstahls. Hinsichtlich Körperverletzungen und Raubtaten waren die gefundenen Unterschiede in den Inzidenzraten (Männer: 3,9; Frauen: 2,4) statistisch (knapp) nicht signifikant. Es erscheint jedoch zumindest denkbar, daû dieses Ergebnis auf den geringen Anteil an Opfern eines Gewaltdelikts in der Gesamtstichprobe zurückgeführt werden kann, so daû die gefundenen absoluten Unterschiede bei (noch) gröûeren Stichproben u. U. statistisch signifikant würden.

Z

Keinerlei Unterschiede ergaben sich zwischen den Viktimisierungsraten von Deutschen und Nicht-Deutschen. Gerade bezüglich dieser Frage scheinen jedoch dringend weitere Untersuchungen geboten, da vor allem hinsichtlich Körperverletzungen die Fallzahlen aus155

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S. 156

gesprochen gering waren, so daû möglicherweise tatsächlich vorhandene Unterschiede bei dem gegebenen Stichprobenumfang nicht identifiziert wurden. Um die Viktimisierungsraten von Deutschen und Nicht-Deutschen miteinander vergleichen zu können, ist von daher zu überlegen, diese mit Hilfe einer systematisch geschichteten Stichprobe (d. h. 50 % Deutsche, 50 % Nicht-Deutsche) gezielt zu untersuchen.

156

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§7

S. 157

Bisherige Untersuchungen zum Anzeigeverhalten im Überblick

Gliederung 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.4

Einfluûfaktoren auf die Anzeigebereitschaft . Merkmale der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deliktsschwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alter des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlecht des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalität des Opfers. . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige soziodemographische Variablen . . . . . Eigene Erfahrungen als Täter . . . . . . . . . . . . . Einstellung gegenüber der Polizei . . . . . . . . . . Merkmale des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beziehung zwischen Opfer und Täter. . . . .

2

Überblick über vorliegende Motivanalysen des Anzeigeverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivanalysen bei Eigentumsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für eine Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für eine Nicht-Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivanalysen bei Gewaltdelikten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für eine Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für eine Nicht-Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiede in der Anzeigequote zwischen Eigentums- und Gewaltdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3

1

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

157 158 158 159 159 159 160 160 161 161 162 163 164

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

166 169 170 172 174 174 176

. . . 179

3

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

4

Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Einfluûfaktoren auf die Anzeigebereitschaft

In diesem Paragraphen sollen der aktuelle Erkenntnisstand zu Bestimmungsgründen des Anzeigeverhaltens dargestellt und Hypothesen für die vorliegende Untersuchung abgeleitet werden. Hierbei wird besonderer Wert auf die Berücksichtigung methodischer Unterschiede und Besonderheiten der ausgewerteten Untersuchungen gelegt, weil nur vor diesem Hintergrund die jeweiligen Befunde sinnvoll interpretiert werden können. 157

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S. 158

Die Beschäftigung mit der Frage, warum eine Straftat (nicht) angezeigt wird, ist unter anderem darin begründet, daû über 90 % aller Strafverfahren durch eine Anzeige des Opfers bei der Polizei eingeleitet werden.1 Damit wird durch das Anzeigeverhalten von Kriminalitätsopfern die Relation von Hell- und Dunkelfeld wesentlich bestimmt. 1.1

Merkmale der Tat

1.1.1

Deliktsschwere

Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, daû die Anzeigeneigung in hohem Maûe von der Schwere der erlittenen Straftat beeinfluût wird.2 Z

Bei Eigentumsdelikten stellt insoweit die Höhe des Schadens einen ersten wichtigen Einfluûfaktor dar (siehe hierzu auch § 6±6.1). So zeigte sich z. B. im National Crime Survey (Ü Glossar), daû von den Diebstahlsdelikten mit einem Schaden von unter 10 $ lediglich 14,6 %, bei solchen mit einem Schaden von über 1.000 $ jedoch 90,8 % angezeigt wurden. 3

Z

Darüber hinaus ist es wichtig, zwischen versuchten und vollendeten Straftaten zu unterscheiden. Es erscheint plausibel, daû die Anzeigequoten bei versuchten Straftaten niedriger sind, da für die Opfer zumeist (noch) kein konkreter Schaden entstanden ist. So berichtet Mayhew 4, daû von den Pbn des British Crime Survey lediglich 44 % aller versuchten Einbrüche angezeigt wurden, jedoch 86 % aller vollendeten Einbrüche, bei denen das Opfer einen materiellen Schaden erlitten hatte. 5

Z

Körperverletzungen werden um so häufiger angezeigt, je stärker das Opfer verletzt worden ist bzw. wenn der Täter eine Waffe benutzt hat.6

Somit läût sich festhalten, daû die Anzeigeneigung um so höher ist, je schwerer die Straftat einzustufen bzw. je höher der Schaden für das Opfer ist. Hierbei ist jedoch

1 Kaiser, Günther: Kriminologie. Heidelberg 1996 (3. Aufl.), S. 558. 2 Killias, Martin: Zur Relevanz von Opferbefragungen für die Opferhilfe. In: Weiûer Ring (Hg.): Opferhilfe in Europa. Mainz 1993, S. 64. 3 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 108. 4 Mayhew, Pat: Measuring the Effects of Crime in Victimization Surveys. In: Bilsky, Wolfgang/Pfeiffer, Christian/Wetzels, Peter (eds.): Fear of Crime and Criminal Victimization. Stuttgart 1993, S. 142. 5 Zu ähnlichen Befunden gelangten auch: Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 196; Rosellen, Richard: Private Verbrechenskontrolle. In: Forschungsgruppe Kriminologie (Hg.): Empirische Kriminologie, Freiburg 1980, S. 94; U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States, 1990. Washington D. C. 1992, S. 104. 6 Skogan, Wesley G.: Reporting Crimes to the Police. In: Journal of Research in Crime and Delinquency, 21 (2), 1984, S. 121; Greenberg, Martin/Ruback, Barry: After the Crime. New York 1992, S. 113; U. S. Department of Justice, a. a. O. (FN 5).

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S. 159

zu betonen, daû die subjektiv empfundene Schwere einer Straftat nicht mit ihrer objektiven Schwere übereinstimmen muû.7 1.1.2

Versicherungsschutz

In vielen Untersuchungen zeigte sich, daû Opfer von Straftaten eher zu einer Anzeige neigen, wenn sie gegen den erlittenen Schaden versichert sind und eine Strafanzeige eine notwendige Bedingung zur Erlangung der Versicherungssumme darstellt.8 So wurden in der Untersuchung Bochum II 9 von den nicht versicherten Diebstahlsdelikten lediglich 28,4 % angezeigt, von den versicherten Schadensfällen jedoch 76,1 %, das heiût fast dreimal so viel. 1.2

Merkmale des Opfers

1.2.1

Alter des Opfers

Verschiedene Studien zeigen, daû jüngere und ältere Opfer seltener eine erlittene Straftat bei der Polizei anzeigen als Opfer mittleren Alters.10 Als Grund für die niedrige Anzeigebereitschaft jugendlicher Opfer vermutet Reuband11, daû diese ¹erst lernen müssen, formelle statt informelle, private Formen der Konfliktregulierung zu wählenª. In der Untersuchung Bochum II12 wurde vermutet, daû die niedrige Bereitschaft zur Strafanzeige seitens älterer Opfer durch eine erhöhte Furcht vor komplexen bürokratischen Vorgängen bei der Anzeigeerstattung zu erklären ist. Allerdings beruhen diese Erklärungen eher auf Vermutungen und Plausibilitätserwägungen und stellen insofern empirisch noch zu überprüfende Hypothesen dar.

7 Mayhew, Pat: Measuring the Effects of Crime in Victimization Surveys. In: Bilsky, Wolfgang/ Pfeiffer, Christian/Wetzels, Peter (eds.): Fear of Crime and Criminal Victimization. Stuttgart 1993, S. 146; Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 132. 8 Skogan, Wesley G., a. a. O. (FN 6), S. 130; Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 238. 9 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/ 87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II), S. 260. 10 Untersuchung Bochum II, S. 256; U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 106; Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 217. 11 Reuband, Karl-Heinz: Determinanten der Anzeigebereitschaft unter Opfern von Eigentumskriminalität. In: MschrKrim, Jg. 64, Heft 4, 1981, S. 221. 12 Untersuchung Bochum II, S. 257.

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1.2.2

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Geschlecht des Opfers

Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem Geschlecht des Opfers und seiner Anzeigeneigung muû zwischen verschiedenen Delikten differenziert werden. Diese Notwendigkeit zur Differenzierung läût sich anhand der Daten des National Crime Survey verdeutlichen, dessen Analysen auf den Angaben von über 95.000 Pbn basieren. 13 Nach dieser Untersuchung wurden Eigentumsdelikte von Frauen und Männern in annähernd gleichem Maûe angezeigt (Frauen: 30 %; Männer: 27 %). Bei Gewaltdelikten zeigten sich jedoch deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede: Während Frauen solche Delikte zu 57 % anzeigten, war dies bei männlichen Opfern nur zu 43 % der Fall (beim Raub waren die Unterschiede sogar noch gröûer: 64 % Anzeigequote bei weiblichen gegenüber 42 % bei männlichen Opfern 14). Dieses Phänomen läût sich dadurch erklären, daû Frauen aufgrund ihrer physischen Konstitution weniger in der Lage sind, sich ohne die Hilfe der Polizei gegen einen Angreifer zu wehren. Ein anderer Grund könnte darin liegen, daû Frauen es eher mit ihrem Geschlechtsrollenkonzept vereinbaren können, einem Angreifer körperlich unterlegen zu sein, während dies von den betroffenen Männern unter Umständen als Zeichen von Schwäche interpretiert wird.15 Für diese Erklärung spricht auch die Tatsache, daû Opferberatungsstellen ganz überwiegend von Frauen aufgesucht werden.16 1.2.3

Nationalität des Opfers

Bereits in § 5±2.3.3 wurden empirische Befunde erläutert, nach denen Nicht-Deutsche häufiger als Deutsche Opfer krimineller Handlungen werden.17 Über diese Unterschiede im Hellfeld hinaus wird vermutet, daû das Dunkelfeld bei nicht-deutschen Opfern deutlich höher ist als bei deutschen Opfern.18 Als mögliche Gründe hierfür nennt Steffen19: ¹Unsicherheit und Furcht im Umgang mit den Behörden, schlechte Erfahrungen mit der Polizei im Herkunftsland, Angst vor Repressalien durch Landsleute, Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder gar vor Ausweisungª. 13 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 102. 14 Im National Crime Survey wird nicht mitgeteilt, ob diese Unterschiede statistisch signifikant sind. Aufgrund der groûen Fallzahlen ist jedoch davon auszugehen, daû die Unterschiede nicht auf zufällige Schwankungen zurückzuführen sind. 15 Fischer, Lorenz/Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie. München 1997, S. 457. 16 Baurmann, Michael C./Schädler, Wolfram: Opferbedürfnisse und Opfererwartungen. In: BKA (Hg.): Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung. Wiesbaden 1996, S. 81. 17 Ein solcher Zusammenhang lieû sich in der Untersuchung Bochum III jedoch nicht bestätigen (siehe § 6±8.3). 18 Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 192. 19 Steffen, Wiebke: Ausländer als Kriminalitätsopfer. In: BKA (Hg.): Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung. Wiesbaden 1996, S. 267.

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Im Rahmen von Dunkelfelduntersuchungen konnte die Vermutung einer niedrigeren Bereitschaft zur Anzeige erlittener Straftaten bei ausländischen Opfern bislang allerdings nur selten bestätigt werden. Im National Crime Survey 20 zeigten sich über verschiedene Delikte hinweg keine Unterschiede in der Anzeigeneigung zwischen Weiûen, Schwarzen und IberoAmerikanern. 21 Ein ähnliches Ergebnis (in bezug auf Diebstahlsdelikte) ergab sich auch in der Untersuchung Bochum I. Dort war die Anzeigehäufigkeit bei nicht-deutschen Opfern sogar signifikant höher 22 (bei allerdings sehr kleinen Fallzahlen). Es ist jedoch nicht auszuschlieûen, daû dieses Ergebnis auf systematische Ausfälle (z. B. durch Verweigerungen) bei den nicht-deutschen Pbn zurückzuführen sind. Unter Umständen zeigen einerseits sozial wenig integrierte Nicht-Deutsche erlittene Straftaten seltener an und nehmen andererseits seltener an Opferbefragungen teil. 1.2.4

Sonstige soziodemographische Variablen

Neben den bisher diskutierten soziodemographischen Variablen (Ü Glossar) wurde teilweise auch das Einkommen bzw. der Bildungsstand der Pbn mit ihrem Anzeigeverhalten in Verbindung gesetzt.23 Wegen der insgesamt sehr widersprüchlichen Ergebnisse soll hierauf jedoch nicht weiter eingegangen werden. 1.2.5

Eigene Erfahrungen als Täter

In der Literatur wird häufig vermutet, daû Opfer, die selbst Straftaten begangen haben, seltener eine Strafanzeige erstatten als Opfer, bei denen dies nicht der Fall ist. Hinsichtlich dieser Vermutung sind vor allem zwei Varianten zu unterscheiden:

20 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States, 1990. Washington D. C. 1992, S. 104. 21 Hierbei ist darauf hinzuweisen, daû es sich bei diesen Minderheiten in den USA nicht um Ausländer im engeren Sinn handelt, so daû diese Ergebnisse nur mit Einschränkungen auf Deutschland übertragbar sind. 22 Pudel, Volker: Motivanalyse des Anzeigeverhaltens. In Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/ Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I), S. 209. 23 Rosellen, Richard: Private Verbrechenskontrolle. In: Forschungsgruppe Kriminologie (Hg.): Empirische Kriminologie Freiburg 1980; Reuband, Karl-Heinz: Determinanten der Anzeigebereitschaft unter Opfern von Eigentumskriminalität. In: MschrKrim, Jg. 64, Heft 4, 1981, S. 213±223; Biblarz, Arturo/Barnowe, Jonathen/Biblarz, Dolores: To Tell or Not to Tell. In: Victimology: An International Journal, 9 (1), 1984, S. 153±158; U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States, 1990. Washington D. C. 1992.

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Z

Z

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Das Opfer war an dem vorliegenden Delikt selbst beteiligt bzw. die Verwicklung in die Straftat ist ihm peinlich.24 Unter Umständen verwischen sich auch ± vor allem bei Gewaltdelikten ± die Grenzen zwischen Täter und Opfer, z. B. bei Körperverletzungen, die sich jemand im Rahmen von Wirtshausschlägereien zuzieht.25 Opfer, die in der Vergangenheit selbst Straftaten begangen haben, neigen grundsätzlich zu einer gröûeren Distanz gegenüber Polizei und Justiz und tendieren deshalb dazu, erlittene Straftaten nicht anzuzeigen.26

1.2.6

Einstellung gegenüber der Polizei

Skogan27 verwies bereits 1984 ± auf Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Untersuchungen ± darauf, daû sich nur auffallend geringe Zusammenhänge zwischen der Einstellung zur Polizei und dem Anzeigeverhalten finden lassen28 (zum Thema ¹Ansehen der Polizeiª siehe die §§ 11 und 12). Bei genauerer Betrachtung erscheint es allerdings durchaus plausibel, daû zumeist nur sehr schwache Zusammenhänge zwischen der Anzeigebereitschaft und der allgemeinen Einstellung zur Polizei bestehen. Sehr viele sozialpsychologische Untersuchungen haben gezeigt, daû aus allgemeinen Einstellungen nur sehr bedingt auf das konkrete Verhalten in einer spezifischen Situation geschlossen werden kann.29 Die Entscheidung für oder gegen eine Strafanzeige erfolgt zumeist in Form einer intuitiven Kosten-Nutzen-Analyse durch das Opfer, die von der allgemeinen Einstellung zur Polizei wahrscheinlich kaum tangiert wird.30 Warum sollte z. B. eine Person, die der Polizei grundsätzlich negativ gegenübersteht, auf eine Strafanzeige verzichten, wenn sie dadurch keinen Schadensersatz von ihrer Versicherung erhält?

24 Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 233; Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 85; Tampe, Evelyn: Verbrechensopfer. Stuttgart 1992, S. 64. 25 Plate, Monika u. a.: Strukturen der Kriminalität in Solingen. Wiesbaden 1985, S. 105; Hanak, Gerhard u. a.: ¾rgernisse und Lebenskatastrophen. Bielefeld 1988, S. 121. 26 Skogan, Wesley G.: Reporting Crimes to the Police. In: Journal of Research in Crime and Delinquency, 21 (2), 1984, S. 113±137. 27 Skogan, Wesley G., a. a. O. (FN 26), S. 123. 28 ¾hnlich: Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 234; Untersuchung Bochum II, S. 260. 29 Für einen Überblick siehe: Fischer, Lorenz/Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie. München 1997, S. 247 f. 30 Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 88; Greenberg, Martin/Ruback, Barry: After the Crime. New York 1992, S. 183.

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1.3

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Merkmale des Täters

Häufig wird auch vermutet, daû bestimmte Merkmale des Täters die Bereitschaft des Opfers beeinflussen, ein erlittenes Delikt bei der Polizei anzuzeigen. In diesem Zusammenhang werden vor allem das Alter und die Nationalität des Täters diskutiert. So gibt es Hinweise darauf, daû Kinder und ältere Menschen seltener angezeigt werden als Personen mittleren Alters.31 Göppinger32 nimmt an, daû Kinder schon deshalb häufig nicht angezeigt werden, weil die Opfer wissen, daû die Täter nicht strafmündig sind und lediglich Schadensersatzansprüche gegenüber den Eltern geltend gemacht werden könnten. Aus neueren Untersuchungen liegen zu dieser Fragestellung allerdings keine Befunde vor. Kontrovers wird die Frage diskutiert, ob nicht-deutsche Täter häufiger bei der Polizei angezeigt werden als deutsche Täter.33 Dieser Frage kommt deshalb erhebliche kriminalpolitische Bedeutung zu, weil eine erhöhte Anzeigeneigung gegenüber Nicht-Deutschen den Befund einer überproportionalen Kriminalitätsbelastung von Nicht-Deutschen relativieren würde, wie sie in der PKS regelmäûig ausgewiesen wird.34 Ludwig-Mayerhofer und Niemann 35 vermuten sogar, daû der höhere Anteil an nicht-deutschen Tatverdächtigen in der PKS vorwiegend auf einen solchen Effekt zurückgeführt werden kann. 36 Villmow 37 sieht als mögliche Erklärung für eine erhöhte Anzeigebereitschaft gegenüber Nicht-Deutschen die (vermeintlich) zunehmende Ausländerfeindlichkeit der deutschen Bevölkerung. Empirisch gesicherte Befunde liegen zu dieser Frage bislang jedoch kaum vor.

31 Blankenburg, Erhard: Die Selektivität rechtlicher Sanktionen. In: KZfSSP, Jg. 21, Heft 4, 1969, S. 821; Kaiser, Günther/Metzger-Pregizer, Gerhard (Hg.): Betriebsjustiz. Berlin 1976, S. 202; Rosellen, Richard: Private Verbrechenskontrolle. In: Forschungsgruppe Kriminologie (Hg.): Empirische Kriminologie. Freiburg 1980, S. 94. 32 Göppinger, Hans: Kriminologie. München 1997 (5. Aufl.), S. 501. 33 Siehe zu dieser Frage grundsätzlich: Reichertz, Jo/Schröer, Norbert: Beschuldigtennationalität und polizeiliche Ermittlungspraxis. In: KZfSSP, Jg. 45, Heft 4, 1993, S. 755±771; Reichertz, Jo/ Schröer, Norbert: Gute Gesinnung oder prüfende Forschung? In: KZfSSP, Jg. 46, Heft 3, 1994, S. 308±311; Mansel, Jürgen: Schweigsame ¹Kriminelleª Ausländer? In: KZfSSP, Jg. 46, Heft 3, 1994, S. 299±307. 34 Zur höheren Kriminalitätsbelastung von Nicht-Deutschen siehe: Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 447 ff; Kaiser, Günther: Kriminologie. Heidelberg 1996 (3. Aufl.), S. 649 ff. 35 Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang/Niemann, Heike: Gleiches (Straf-)Recht für alle? In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 26, Heft 1, 1997, S. 35. 36 Siehe hierzu auch: Geiûler, Reiner: Das gefährliche Gerücht von der hohen Ausländerkriminalität. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 35/95, 25. August 1995, S. 30±39; Mansel, Jürgen: Schweigsame ¹Kriminelleª Ausländer? In: KZfSSP, Jg. 46, Heft 3, 1994, S. 299±307; Schwind, Hans-Dieter: Die gefährliche Verharmlosung der ¹Ausländerkriminalitätª. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/95, 20. Oktober 1995, S. 32±36. 37 Villmow, Bernhard: Ausländer in der strafrechtlichen Sozialkontrolle. In: BewHi, 1995, S. 159.

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Für eine erhöhte Anzeigeneigung gegenüber Nicht-Deutschen sprechen die ErgebnissevonBlankenburg 38 (bezogenaufLadendiebstahl)sowiedieBefundeeiner Expertenbefragung von Mansel 39. Allerdings liegen auch gegenteilige Befunde vor. So zeigte sich im Rahmen von Opferbefragungen sowohl in Groûbritannien 40 als auch in der Schweiz 41 kein Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten und (vermuteter) Nationalität des Täters. In der Schweizer Untersuchung von Killias 42 ergaben sich auch dann keine Zusammenhänge, wenn zusätzlich die Beziehung zwischen Opfer und Täter sowie die Deliktsschwere kontrolliert wurden. Auch für Deutschland wird die Vermutung einer höheren Anzeigeneigung gegenüber Nicht-Deutschen nur selten empirisch belegt.43 Die Entscheidung für oder gegen eine Strafanzeige scheint hauptsächlich von Kosten-Nutzen-Erwägungen des Opfers und insoweit von der Höhe des Schadens oder vorliegenden Versicherungsbedingungen bestimmt zu werden (siehe Punkt 1.1.2; zu Motiven der Anzeigeerstattung siehe Punkt 2). Es erscheint fraglich, ob diese Kosten-Nutzen-Erwägungen des Opfers durch die Nationalität des Täters beeinfluût werden. Selbst wenn jedoch davon ausgegangen wird, daû der Wunsch nach Bestrafung eines nicht-deutschen Täters bei einem ausländerfeindlichen Opfer eine zusätzliche Motivation zur Anzeigeerstattung darstellt, erscheint es zumindest plausibel, daû andere Opfer bei nicht-deutschen Tätern eine verringerte Anzeigeneigung aufweisen. Eine solche Haltung könnte darin begründet sein, daû der Täter vor den Folgen eines Strafverfahrens (z. B. einer Ausweisung) beschützt werden soll oder sich das Opfer gerade nicht ausländerfeindlich verhalten möchte. 1.4

Die Beziehung zwischen Opfer und Täter

Bei der Beziehung zwischen Opfer und Täter sind grundsätzlich drei Möglichkeiten zu unterscheiden: Z

Z

Opfer und Täter kennen sich nicht ± das Opfer kann bei einer Anzeige keinen Tatverdächtigen nennen oder beschreiben. Beispiel: Jemand kommt aus einer Gaststätte und stellt fest, daû sein Auto gestohlen wurde. Opfer und Täter sind einander flüchtig bekannt. Das Opfer hat zum Täter keine persönliche Beziehung, ist aber in der Lage, diesen zu beschreiben bzw. zu identifizieren. Unter Umständen kennt das Opfer auch den Namen des Täters und kann diesen bei der Polizei angeben.

38 Blankenburg, Erhard: Die Selektivität rechtlicher Sanktionen. In: KZfSSP, Jg. 21, Heft 4, 1969, S. 822. 39 Mansel, Jürgen: Schweigsame ¹Kriminelleª Ausländer? In: KZfSSP, Jg. 46, Heft 3, 1994, S. 299± 307. 40 Smith, David: Race, Crime and Criminal Justice: In: Maguire, Martin et al. (eds.): The Oxford Handbook of Criminology. Oxford 1994, S. 1064. 41 Killias, Martin: Diskriminierendes Verhalten von Opfern gegenüber Ausländern? In: MschrKrim, Jg. 71, Heft 3, 1988, S. 156±165. 42 A. a. O. (FN 41), S. 163. 43 Göppinger, Hans: Kriminologie. München 1997 (5. Aufl.), S. 506.

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Z

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Opfer und Täter stehen in einer persönlichen Beziehung zueinander. Beispiel: Eine Frau wird von ihrem eigenen Ehemann geschlagen und vergewaltigt.

Es erscheint plausibel, daû flüchtig bekannte häufiger als gänzlich unbekannte Täter angezeigt werden, da bei einer Identifizierbarkeit des Täters eine realistische Chance auf seine Ergreifung und damit auf einen Erfolg der Strafanzeige besteht. Andererseits lassen sich viele Argumente dafür anbringen, warum bei einer engen persönlichen Beziehung zwischen Opfer und Täter von einer besonders niedrigen Anzeigequote auszugehen ist: Z

Ein erster Grund hierfür liegt darin, daû Viktimisierungen im sozialen Nahbereich von den Opfern häufig nicht als kriminelle Handlungen definiert44 bzw. verharmlost werden, z. B. wenn eine Körperverletzung durch den eigenen Ehemann von der Ehefrau damit entschuldigt wird, diesem sei im Streit ¹einmal die Hand ausgerutschtª. Die Vermutung, daû Viktimisierungen im sozialen Nahbereich oftmals nicht als kriminelle Handlungen wahrgenommen werden, belegt auch die Untersuchung von Wetzels u. a. 45 In ihrer Studie gaben 65,4 % aller Opfer von körperlicher Gewalt durch Familienangehörige als Grund für eine Nicht-Anzeige an, es habe sich bei dem Vorfall um eine Familienangelegenheit gehandelt.

Z

Eine Anzeige bei der Polizei wird in vielen Fällen als inadäquater Weg der innerfamiliären Konfliktbewältigung interpretiert (und teilweise sogar als Denunziation aufgefaût). Immerhin 24 % aller befragten Opfer in der Studie von Wetzels u. a. 46 nannten als einen Grund dafür, eine erlittene Straftat nicht angegeben zu haben, daû durch eine solche Anzeige das Zusammenleben mit dem (gewalttätigen) Partner weiterhin erschwert würde. Hierzu paût auch die Beobachtung von Voû 47, daû Strafanzeigen häufig den Schluûpunkt einer für das Opfer nicht mehr tragbaren (intimen) Beziehung darstellen: Mit der Strafanzeige wird der Täter vom Opfer subjektiv nicht mehr als Familienmitglied betrachtet, was eine Anzeige für das Opfer psychisch erst möglich macht. Dementsprechend zeigte sich bei Voû, daû Opfer, die den Täter persönlich kannten, auch deutlich weniger an informellen Wegen der Konfliktregelung interessiert waren als Opfer unbekannter Täter.

Z

Viktimisierungen im sozialen Nahbereich werden häufig als besonders peinlich bzw. erniedrigend empfunden48, weshalb vermieden wird, sie durch eine Anzeige öffentlich zu machen (Beispiel: ein älteres Opfer ist von seinem eigenen Kind bestohlen worden).

44 45 46 47

Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 122. A. a. O. (FN 44), S. 168. A. a. O. (FN 44), S. 169. Voû, Michael: Anzeigemotive, Verfahrenserwartungen und die Bereitschaft von Geschädigten zur informellen Konfliktregelung. In: MschrKrim, Jg. 72, Heft 1, 1989, S. 46. 48 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 133.

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Z

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Teilweise unterbleibt eine Anzeige auch aus Angst vor Rache durch den Täter. So gaben z. B. im National Crime Survey49 13,9 % aller Vergewaltigungsopfer, die den Täter kannten, als Grund für eine Nicht-Anzeige ¹Angst vor Vergeltungª an, während dieses Motiv bei unbekannten Tätern nie genannt wurde.

Vorliegende empirische Befunde bestätigen, daû die Beziehung zwischen Täter und Opfer die Anzeigebereitschaft in hohem Maûe beeinfluût. So wurde in der Untersuchung von Kilchling 50 gegen einen völlig unbekannten Täter in 60,9 % aller Fälle Strafanzeige erstattet; waren Täter und Opfer einander flüchtig bekannt, stieg die Anzeigequote auf 68,3 %. Am niedrigsten war die Anzeigeneigung mit 29,5 % bei einer persönlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer. In der Studie von Wetzels u. a. 51, deren methodische Besonderheiten bei der Messung von Viktimisierungen im sozialen Nahraum weiter oben bereits erläutert wurden (siehe § 5±1.5.2), ergaben sich für Gewaltdelikte, die an Familienangehörigen verübt wurden, Anzeigequoten von lediglich 4,8 %. In vielen Untersuchungen wird allerdings nur danach unterschieden, ob ein Opfer den Täter kennt oder nicht, aber nicht nach der Art der Beziehung gefragt. Hierdurch fallen in die Kategorie ¹Täter bekanntª sowohl flüchtige Bekanntschaften als auch enge soziale Beziehungen. Deshalb verwundert es nicht, wenn sich z. B. im National Crime Survey52 keine Unterschiede zwischen bekannten und unbekannten Tätern hinsichtlich der Anzeigeneigung durch das Opfer ergaben. 2

Überblick über vorliegende Motivanalysen des Anzeigeverhaltens

Im wesentlichen gibt es zwei mögliche Zugänge zu der Frage, wovon es abhängt, ob eine Person eine erlittene Straftat anzeigt oder nicht. Der eine Zugang besteht darin, nach ¹objektivenª Faktoren zu suchen, welche die Anzeigeneigung eines Opfers bestimmen, wie z. B. die Art des Delikts, die Höhe des Schadens oder das Alter des Opfers. Um solche Faktoren ging es in den bisherigen Ausführungen dieses Paragraphen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Opfer von Straftaten unmittelbar danach zu fragen, warum sie eine Straftat angezeigt bzw. auf eine Anzeige verzichtet haben. Um die Ergebnisse diesbezüglicher Untersuchungen geht es in diesem Abschnitt. Auch wenn ein solches Vorgehen naheliegend erscheint, ist dennoch auf einige methodische Probleme solcher Befragungen hinzuweisen, die die Validität (Ü Glossar) der erhobenen Daten betreffen. ¾hnlich wie schon bei der Frage danach, ob ein Pb Opfer einer bestimmten Straftat geworden ist, kann auch hinsicht49 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 115. 50 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 217. 51 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 184. 52 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 103.

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lich der Motive für oder gegen eine Anzeige zwischen folgenden Problemen unterschieden werden: Z

Z

Wollen die Pbn zutreffende Aussagen zu ihren Motiven machen? Hiermit ist vor allem das Problem von Antworten im Sinne sozialer Erwünschtheit angesprochen. So mögen z. B. einige Befragte den ¹Wunsch nach Vergeltung und Racheª als Grund für eine Anzeigeerstattung nicht angeben, weil sie ein solches Motiv für sozial unerwünscht halten, obwohl es für ihre Entscheidung, eine Strafanzeige aufzugeben, durchaus wesentlich war. Können die Pbn zutreffende Aussagen zu ihren Motiven machen? In der Kognitionspsychologie ist seit langem umstritten, in welchem Maûe Menschen Zugang zu den Motiven ihres eigenen Verhaltens haben.53 So zeigten sich z. B. in Studien von Greenberg und Ruback 54 z. T. erhebliche Inkonsistenzen zwischen den Motiven für eine Nicht-Anzeige, die die Pbn angaben, wenn sie wiederholt (im Abstand von zwei bzw. sechs Monaten) zur gleichen Viktimisierung befragt wurden.

Bei der Interpretation der ausgewerteten Untersuchungen sind zudem eine ganze Reihe von Aspekten zu beachten, die einen Vergleich der verschiedenen Ergebnisse z. T. erheblich erschweren: Z

Z

Z

Die meisten Untersuchungen beschränken sich darauf, zu fragen, warum ein Delikt nicht angezeigt wurde; Gründe für eine Anzeige werden hingegen nur selten erhoben (siehe Übersicht 49). Hanak u. a.55 erklären diese Einengung der Forschungsperspektive damit, daû für die meisten Forscher die Anzeigeerstattung nach einer erfolgten Viktimisierung quasi den Normalfall darstellt, der nicht weiter erklärungsbedürftig ist. Eine solche Sichtweise erscheint jedoch vor dem Hintergrund der weiter oben beschriebenen hohen Anzahl nicht angezeigter Straftaten als verkürzt (siehe § 5±2.2).56 Ferner wird der Vergleich der ausgewerteten Untersuchungen dadurch erschwert, daû den Pbn in den einzelnen Studien jeweils verschiedene Motive zur Auswahl angeboten werden. Eine Ausnahme bilden Untersuchungen, in denen im Rahmen einer offenen Frage nach den Gründen für eine Nicht-Anzeige gefragt wurde.57 Zudem ist zu beachten, daû durch die Vorgabe der Antwortkategorien der Befragte in eine bestimmte Richtung gedrängt werden kann, so daû die Antworten

53 Nisbett, Ronald/DeCamp, William: Telling More Than We Can Know. In: Psychological Review, 84 (3), 1977, S. 231±259. 54 Greenberg, Martin/Ruback, Barry: After the Crime. New York 1992, S. 96. Zu ähnlichen Befunden siehe auch: Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 180. 55 Hanak, Gerhard u. a.: ¾rgernisse und Lebenskatastrophen. 1988, S. 17. 56 Rosellen, Richard: Soziale Kontrolle durch Anzeigeerstattung. In: Kerner, Hans-Jürgen/Kury, Helmut/Sessar, Klaus (Hg.): Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle. Köln 1983, S. 802. 57 So bei Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976; Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 63±91.

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unter Umständen mehr Auskunft über die vor der Untersuchung vorhandenen Hypothesen des Forschers als über die tatsächlichen Motive und Empfindungen der Pbn geben.58 Ein Beispiel hierfür ist die Untersuchung von Sessar 59, in der die Akzeptanz von Diversionsmaûnahmen (Ü Glossar) und Konzepten des Täter-Opfer-Ausgleichs in der Bevölkerung nachgewiesen werden sollte. Während Sessar der Meinung ist, dieser Nachweis sei mit seiner Untersuchung geglückt, wurde von Kury 60 darauf hingewiesen, daû die Ergebnisse erheblich von der Anzahl und der Reihenfolge der Antwortalternativen beeinfluût waren. 61 Z

Die Studien unterscheiden sich darin, ob die Pbn aus der Liste der vorgegebenen Antwortalternativen jeweils ein Motiv auswählen muûten oder ob sie mehrere Gründe für ihre (Nicht-)Anzeige angeben durften (siehe Übersicht 49). Dies ist beim Vergleich der Häufigkeiten, mit der die einzelnen Gründe angegeben werden, zu beachten, da ein Motiv naturgemäû häufiger genannt wird, wenn die Möglichkeit besteht, mehrere Gründe zu nennen. Die Beschränkung auf ein Motiv hat jedoch vor allem forschungsökonomische Vorteile, da die Datenerhebung weniger aufwendig ist als bei der Vorgabe von Mehrfachantworten. Gleichwohl ist zu bedenken, daû die Entscheidung eines Kriminalitätsopfers selten von einem Aspekt allein abhängt, sondern meistens mehrere Gesichtspunkte gleichzeitig eine Rolle spielen werden.

Z

Darüber hinaus ist darauf zu achten, nach welchen Kriterien die Delikte ausgewählt werden, zu denen die Pbn im Hinblick auf ihr Anzeigeverhalten befragt werden. Während z. B. in den Untersuchungen Bochum I 62 und II 63 die Motive der (Nicht-)Anzeigeerstattung bezüglich sämtlicher Diebstahlsdelikte, Körperverletzungen und Raubtaten innerhalb eines Referenzzeitraums von 12 Monaten erfragt wurden, wurden bei Kilchling 64 nur die Motive hinsichtlich der subjektiv schwersten Opferwerdung innerhalb eines Referenzzeitraums von fünf Jahren erhoben. Solche Unterschiede in der Auswahl der Delikte (und des zugrundeliegenden Referenzzeitraums) sind zu berücksichtigen, wenn z. B. bei den Pbn von Kilchling 65 der Wunsch nach Bestrafung des Täters eine gröûere Rolle spielte als in anderen Untersuchungen.

58 Kaiser, Günther: Kriminologie. Heidelberg 1996 (3. Aufl.), S. 554. 59 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992. 60 Kury, Helmut: Wie restitutiv eingestellt ist die Bevölkerung? In: MschrKrim, Jg. 78, Heft 2, 1994, S. 84±98. 61 Zur Vermeidung von Reihenfolgeeffekten wurden in allen Bochumer Untersuchungen die möglichen Gründe für eine Nicht-Anzeige auf Kärtchen gedruckt und den Befragten in jedem Interview in zufälliger Reihenfolge vorgegeben. 62 Ahlborn u. a. in der Untersuchung Bochum I, S. 25 f. 63 Untersuchung Bochum II, S. 244. 64 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 77. 65 A. a. O. (FN 64), S. 221.

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S. 169

Übersicht 49 faût einige wichtige Aspekte im methodischen Vorgehen verschiedener Motivanalysen zusammen. Die dort aufgeführten Unterschiede sollten bei der Interpretation der im folgenden referierten Ergebnisse jeweils berücksichtigt werden. Übersicht 49:

Unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Motivanalyse des Anzeigeverhaltens Gründe für Nicht-Anzeige Gründe für NichtAnzeige erhoben?

Gründe für Anzeige

Anzahl vorgegebener Kategorien

Anzahl möglicher Nennungen

Gründe für Anzeige erhoben?

Anzahl vorgegebener Kategorien

Anzahl möglicher Nennungen

ja

16

1

nein

±

±

Stephan (1976)

ja

offene Frage

1

nein

±

±

Schwind/Ahlborn/Weiû (1978)

ja

16

1

nein

±

±

Plate/Schwinges/Weiû (1985)

ja

16

1

nein

±

±

Stadler (1987)

ja

5

1

nein

±

±

Schwind/Ahlborn/Weiû (1989)

ja

16

1

ja

7

1

Untersuchung (die genauen Quellenangaben finden sich im Literaturverzeichnis)

Schwind u. a. (1975)

Voû (1989)

nein

±

±

ja

5

3

Ammer (1990)

ja

9

9

nein

±

±

van Dijk/Mayhew/Killias (1991)

ja

10

10

nein

±

±

Schwarzenegger (1991)

ja

offene Frage

1

nein

±

±

U. S. Department of Justice (1992)

ja

13

1

nein

±

±

Kury u. a. (1992)

ja

8

8

nein

±

±

Sessar (1992)

ja

5

1

ja

7

1

Liebel/Oehmichen (1992)

ja

6

1

ja

4

1

Wetzels u. a. (1993)

ja

12

12

ja

9

9

Ewald/Henning/Lautsch (1994)

ja

14

14

nein

±

±

Legge (1994)

ja

5

2

nein

±

±

Kilchling (1995)

ja

8

8

ja

10

10

2.1

Motivanalysen bei Eigentumsdelikten

Wichtig ist darüber hinaus die Unterscheidung zwischen Eigentums- und Gewaltdelikten. Bezüglich dieser beiden Deliktsgruppen erweisen sich z. T. sehr unterschiedliche Motive als bedeutsam, weshalb diese im folgenden auch getrennt dargestellt werden. Hierbei wird es auch darum gehen, zu klären, warum Gewaltdelikte insgesamt seltener angezeigt werden als Eigentumsdelikte. 169

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2.1.1

Gründe für eine Anzeige

2.1.1.1

Versicherungsbedingungen

In sämtlichen Untersuchungen, in denen dieses Motiv erhoben wurde, gaben die Pbn als wichtigsten Grund für eine Anzeige an, daû sie bestimmten Versicherungsbedingungen genügen wollten. In der Untersuchung Bochum II 66 wurde dieses Motiv von 43,4 % aller Pbn genannt, bei Wetzels u. a. 67 lagen die Werte je nach Altersgruppe und Bundesland zwischen 50 % und 82 %. Und auch bei Kilchling 68 lag dieses Motiv mit 64,3 % an der Spitze aller Nennungen. Das Befolgen von Versicherungsbedingungen stellt somit ein dominantes Motiv bei der Anzeigeerstattung dar. Kaiser69 macht darauf aufmerksam, daû diese Tatsache nicht ohne Auswirkungen darauf bleibt, mit welchem Engagement die Ermittlungstätigkeiten in solchen Fällen von der Polizei vorangetrieben werden. Da das Ziel der Strafverfolgung des Täters zunehmend in den Hintergrund rückt, sondern die Anzeige lediglich dem Erlangen der Versicherungssumme dient70, fühlen sich nach Kaiser71 in solchen Situationen viele Ermittlungsbeamte als ¹Büttel der Versicherungenª und wenden sich bevorzugt ¹schwerwiegenderenª Straftaten zu. Die Polizei hat in solchen Situationen lediglich eine ¹Dienstleistungsfunktionª, indem sie das Vorliegen eines Schadensfalls protokolliert und bestätigt.72 2.1.1.2

Schadensersatz/Wiederbeschaffung des gestohlenen Gutes

Das Ziel, ein gestohlenes Gut wiederzuerlangen bzw. (z. B. bei Sachbeschädigungen) Schadensersatz vom Täter zu erhalten, wird ebenfalls häufig als Grund für eine Anzeige genannt.

66 Untersuchung Bochum II, S. 260. 67 Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 41. 68 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 221. 69 Kaiser, Günther: Kriminologie. Heidelberg 1996 (3. Aufl.), S. 555. 70 In einigen Fällen hofft ein Opfer wahrscheinlich sogar, daû die Straftat nicht aufgeklärt wird, nämlich dann, wenn der von der Versicherung zu erwartende Betrag über dem subjektiven Wert der gestohlenen Sache liegt (z. B. bei Neuwert-Versicherungen). 71 A. a. O. (FN 69). 72 Bereits in § 3±1.1 wurde darauf verwiesen, daû ¾nderungen der Versicherungsbedingungen bzw. der Versicherungsausstattung zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Kriminalitätsentwicklung im Hellfeld haben können.

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Immerhin 30,8 % aller Pbn in der Untersuchung Bochum II 73 nannten dieses Motiv. Eine ähnlich hohe Bedeutung zeigte sich auch in den Untersuchungen von Sessar 74 bzw. von Wetzels u. a. 75. 2.1.1.3

Bestrafung des Täters

Neben den materiellen Motiven, die bislang als Gründe für eine Strafanzeige erläutert wurden, wird den Pbn häufig auch der Wunsch nach Bestrafung des Täters als eine mögliche Antwortkategorie vorgegeben. In der Untersuchung Bochum II 76 wurde der Wunsch nach Bestrafung allerdings lediglich von 8,4 % aller Diebstahlsopfer als Grund für ihre Anzeige angegeben. Höhere Werte ergaben sich hingegen vor allem bei solchen Befragungen, bei denen die Pbn entweder mehrere Gründe angeben konnten und/oder lediglich nach dem Anzeigeverhalten hinsichtlich ihrer subjektiv schwersten Viktimisierungserfahrungen befragt wurden. 77 Zumindest bei leichteren Delikten scheint somit der Wunsch nach Bestrafung des Täters keine besondere Rolle zu spielen, während dies bei schwereren Delikten und einer damit einhergehenden gröûeren Belastung für die Opfer durchaus der Fall sein kann. Aus kriminalpolitischer Perspektive läût sich hieraus ableiten, daû Versuche informeller Konfliktregelung (etwa im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs) aus Sicht der Opfer vor allem bei solchen Eigentumsdelikten sinnvoll erscheinen, die von den Opfern als nicht sehr belastend empfunden werden.78 2.1.1.4

Altruistische Motive

Die bisher diskutierten Motive einer Strafanzeige können dadurch charakterisiert werden, daû sie einem eigennützigen Interesse des Kriminalitätsopfers entspringen. Hierbei sind diese Interessen entweder eher materieller Art (Befolgen von Versicherungsbedingungen, Wiedererlangung des gestohlenen Gutes) oder aber sie heben auf emotionale Bedürfnisse des Opfers ab (Bestrafung des Täters).

73 Untersuchung Bochum II, S. 253. 74 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992. 75 Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Deskriptive Analysen krimineller Opfererfahrungen (Teil II). Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S 20. 76 Untersuchung Bochum II, S. 253. 77 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176; Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 20; Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 71. 78 Siehe hierzu auch: Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 399.

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Hiervon zu unterscheiden sind Gründe für eine Strafanzeige, durch die ein Opfer nicht seinen eigenen Interessen, sondern der Allgemeinheit dient. Im einzelnen sind hier folgende Motive zu nennen: Z

Z

Z

Das Gefühl, daû ein Opfer eine (staatsbürgerliche) Pflicht hat, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen. Der Wunsch, durch eine Ergreifung des Täters zu verhindern, daû durch diesen weitere Personen viktimisiert werden. Generalpräventive Überlegungen (Kriminalprävention Ü Glossar), da hohe Aufklärungsquoten potentielle Straftäter abschrecken.

Die ausgewerteten Untersuchungen zeigen allerdings, daû solche Motive bei Opfern von Eigentumsdelikten nur eine eher nachrangige Bedeutung haben. So äuûerten z. B. in der Untersuchung Bochum II 79 nur 7,0 % als Motiv für ihre Anzeige, ¹damit so etwas nicht noch mal passiertª und lediglich 2,8 % gaben an, eine Anzeige erstattet zu haben, weil es ihre ¹Pflichtª gewesen sei. ¾hnliche Ergebnisse zeigten sich auch in den Untersuchungen von Sessar 80 und Kilchling 81. 2.1.2

Gründe für eine Nicht-Anzeige

2.1.2.1

Geringfügigkeit des Schadens

Weiter oben (siehe unter Punkt 1.1.1) war bereits dargelegt worden, daû es einen engen Zusammenhang zwischen der Höhe des eingetretenen Schadens und der Anzeigeneigung des betroffenen Opfers gibt. Der Einfluû der Schadenshöhe spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Untersuchungen, in denen die Pbn danach gefragt wurden, warum sie eine Straftat nicht bei der Polizei angezeigt haben. So gaben 49,0 % aller Pbn in der Untersuchung Bochum II 82 als Grund für die Nicht-Anzeige eines erlittenen Diebstahls an, der Schaden sei zu gering gewesen. ¾hnliche Befunde ergaben sich auch in einer Vielzahl anderer Studien. 83 2.1.2.2

Ineffizienz der Strafverfolgung

Fast ebenso häufig wie auf die geringe Schadenshöhe wird allerdings von den Opfern auf die vermutete Ineffizienz der Strafverfolgungsorgane hingewiesen.

79 80 81 82 83

Untersuchung Bochum II, S. 253. Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176. Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 221. Untersuchung Bochum II, S. 248. Zum Beispiel Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 201; Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 69.

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Auch hierzu einige Beispiele: 28,2 % aller Pbn in der Untersuchung Bochum II 84, die ein Diebstahlsdelikt nicht angezeigt hatten, nannten als Grund, die Polizei bekäme ¹doch nichts herausª. Das waren deutlich mehr als in der Untersuchung Bochum I 85, in der dieses Motiv nur von 17,4 % aller Pbn genannt wurde. Bei Kilchling 86 äuûerten sogar 68,0 % aller Opfer von Eigentumsdelikten, aus ¹Mangel an Beweisenª auf eine Anzeige verzichtet zu haben. Der Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht einer Anzeige muû allerdings nicht notwendigerweise als ein Beleg für ein mangelndes Vertrauen in die Polizei interpretiert werden. So gaben z. B. bei Schwarzenegger 87 28,4 % aller Pbn an, eine Anzeige hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt, aber nur 0,7 % glaubten, die Polizei wäre im Falle einer Anzeige uninteressiert oder unfähig gewesen. Insofern ist zu vermuten, daû der Verzicht auf eine Anzeige oftmals einer realistischen Einschätzung der (niedrigen) Wahrscheinlichkeit entspringt, daû der Täter gefaût werden könnte (z. B. wenn jemand bemerkt, daû ihm im Bus das Portemonnaie gestohlen wurde und er bei der Polizei keinerlei Angaben hinsichtlich eines Tatverdächtigen machen könnte). 2.1.2.3

Sonstige Gründe

Im Gegensatz zu den bisher diskutierten Gründen für eine Nicht-Anzeige (Geringfügigkeit des Schadens, mangelnde Erfolgsaussichten einer Strafanzeige) werden andere Motive sehr viel seltener genannt. Hierzu zählen, daû der Konflikt mit dem Täter selbst geregelt wurde88, daû die Erstattung einer Anzeige mit zuviel Aufwand verbunden wäre89, eine negative Einstellung zur Polizei90 sowie die Furcht vor Rache durch den Täter.91

84 85 86 87 88 89 90 91

Untersuchung Bochum II, S. 248. Pudel in der Untersuchung Bochum I, S. 207. Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 253. Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 87. Untersuchung Bochum II, S. 248; Schwarzenegger, Christian, a. a. O. (FN 87), S. 63±91; Van Dijk, Jan/Mayhew, Pat/Killias, Martin (eds.): Experiences of Crime across the World. Deventer 1991 (2nd ed.), S. 69. Untersuchung Bochum II, S. 248; Schwarzenegger, Christian, a. a. O. (FN 87). Untersuchung Bochum II, S. 248; Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176; Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 253. Untersuchung Bochum II, S. 248; Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 43; Kilchling, Michael, a. a. O. (FN 90).

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2.2

S. 174

Motivanalysen bei Gewaltdelikten

Opfer von Gewaltdelikten92 nennen regelmäûig andere Motive, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen bzw. auf eine solche Strafanzeige zu verzichten, als die Opfer von Eigentumsdelikten. 2.2.1

Gründe für eine Anzeige

2.2.1.1

Versicherungsbedingungen

Opfer von Gewaltdelikten geben deutlich seltener als Opfer von Eigentumsdelikten an, aufgrund von Versicherungsbedingungen eine Anzeige erstattet zu haben. Bei Wetzels u. a. 93 waren es je nach Alter und Bundesland zwischen 8,3 % und 20,1 %, bei Sessar 94 17,0 %. Bei Kilchling 95 nannten dieses Motiv immerhin 38,9 % aller Pbn. Die geringere Bedeutung von Versicherungsbedingungen bei der Anzeige von Gewaltdelikten erscheint plausibel, da es nicht möglich ist, sich z. B. gegen Vergewaltigungen oder Körperverletzungen zu versichern. Eine Ausnahme bilden hier allerdings Raubdelikte, die von Diebstahlversicherungen abgedeckt sein können. Vor diesem Hintergrund erscheint es etwas verwunderlich, daû in der Untersuchung von Kiefl und Lamnek 96 29 % aller Opfer einer schweren Körperverletzung angaben, ¹wegen der Versicherungª eine Anzeige erstattet zu haben. 2.2.1.2

Schadensersatz

Die Wichtigkeit, Schadensersatz vom Täter zu erlangen, unterscheidet sich kaum zwischen Opfern von Gewalt- und Eigentumskriminalität. So nannten dieses Motiv bei Sessar 97 21,7 % aller Opfer von Eigentumsund 21,0 % aller Opfer von Gewaltkriminalität. ¾hnliche Befunde erbrachten

92 An dieser Stelle soll erneut darauf hingewiesen werden, daû ¹Gewaltdelikteª hier im kriminologischen Sinne definiert werden und (im Gegensatz zur PKS) auch Fälle von einfacher Körperverletzung umfassen. 93 Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Deskriptive Analysen krimineller Opfererfahrungen (Teil II). Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 41. 94 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176. 95 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 221. 96 Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 237. 97 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176.

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S. 175

auch die Untersuchungen von Wetzels u. a. 98, Kilchling 99 und von Kiefl/Lamnek 100. 2.2.1.3

Bestrafung des Täters

Deutlich wichtiger als bei Eigentumsdelikten ist den Opfern von Gewaltkriminalität jedoch die Bestrafung des Täters. In der Untersuchung von Kilchling 101 nannten 63,9 % aller Opfer von Gewalt-, aber nur 43,5 % aller Opfer von Eigentumsdelikten dieses Motiv. ¾hnliche Tendenzen zeigten sich auch in allen anderen ausgewerteten Untersuchungen. 102 Dieser Befund ist vermutlich dadurch zu erklären, daû die subjektive Belastung des Opfers bei Gewaltdelikten in der Regel höher ist als bei Eigentumsdelikten. Eine besondere Position scheint hierbei allerdings der Wohnungseinbruch einzunehmen, der in der Untersuchung von Kilchling103 sogar als belastender erlebt wurde als Körperverletzungen; wahrscheinlich, weil das Eindringen in die Intimsphäre als besonders beeinträchtigend empfunden wird. Je gröûer jedoch die subjektive Belastung des Opfers ist, desto stärker ist der Wunsch nach Bestrafung des Täters. So nannten bei Kilchling 104 dieses Motiv 38,5 % aller Opfer, die die subjektive Belastung durch die Tat als eher gering einstuften, aber 63,9 % aller Opfer, die sich durch die Viktimisierung in hohem Maûe belastet fühlten. Die mit der höheren Belastung einhergehende Zunahme von Bestrafungswünschen ist vermutlich gerechtigkeitspsychologisch zu erklären, da aus Sicht der Opfer der eigene Schaden durch eine Schädigung des Täters (in Form einer Bestrafung) ausgeglichen werden soll.105 Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest für einen Teil der Opfer von Gewaltdelikten fraglich, ob ihre Bedürfnisse im Rahmen von Diversionsmaûnahmen und Konzepten des Täter-Opfer-Ausgleichs hinreichend berücksichtigt werden.106 98 Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Deskriptive Analysen krimineller Opfererfahrungen (Teil II). Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 40. 99 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 221. 100 Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried: Soziologie des Opfers. München 1986, S. 237. 101 A. a. O. (FN 99). 102 Kiefl, Walter/Lamnek, Siegfried, a. a. O. (FN 100); Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176; Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Deskriptive Analysen krimineller Opfererfahrungen (Teil II). Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 40. 103 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 158. 104 A. a. O. (FN 103), S. 225. 105 Oswald, Margit: Schadenshöhe, Strafe und Verantwortungsattribution. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie, Jg. 20, Heft 4, 1989, S. 204. 106 Baurmann, Michael C./Schädler, Wolfram: Das Opfer nach der Straftat. Wiesbaden 1991, S. 123; Streng, Franz: Bewältigungsstrategien der Opfer von Gewalttätigkeiten. In: Österreichische Juri-

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2.2.1.4

S. 176

Altruistische Motive

Auch altruistische Motive der Anzeigeerstattung sind bei Gewaltdelikten wichtiger als bei Eigentumsdelikten. Während z. B. bei Sessar 107 ¹Präventionª als Anzeigegrund nur von 0,5 % aller Opfer von Eigentumskriminalität angegeben wurde, waren es bei Gewaltdelikten immerhin 6,5 %. Bei Kilchling 108 betrugen die entsprechenden Werte 29,0 % und 45,8 %. Die unterschiedliche Höhe der Werte bei Sessar und Kilchling ist vermutlich dadurch zu erklären, daû die Pbn bei Kilchling die Möglichkeit hatten, beliebig viele Gründe für ihre Strafanzeige anzugeben. Insofern deuten die Werte darauf hin, daû spezial- und generalpräventive (Kriminalprävention Ü Glossar) Aspekte nicht das vorrangige Motiv der Anzeigeerstattung bei Gewaltdelikten sind, aber durchaus eine Rolle spielen. Die Untersuchung von Kilchling109 zeigt darüber hinaus, daû die höhere Bedeutung von ¹Präventionª als Anzeigemotiv mit der subjektiven Beeinträchtigung durch die Viktimisierung zusammenhängt. Nur 22,6 % aller Pbn, die die Tatfolgen als eher leicht bezeichneten, nannten als Grund ihrer Anzeige ¹damit sich so etwas nicht wiederholtª, aber 45,1 % aller Pbn, die sich durch die Viktimisierung in hohem Maûe beeinträchtigt fühlten. 2.2.2

Gründe für eine Nicht-Anzeige

2.2.2.1

Geringfügigkeit des Schadens

Daû der Schaden aus Sicht des Opfers nicht schwerwiegend genug war, spielt als Grund für eine Nicht-Anzeige auch bei Gewaltdelikten eine wichtige Rolle. Allerdings sind die Befunde hierzu eher uneinheitlich. Während bei Kilchling 110 dieses Motiv eine deutlich niedrigere Rolle spielte als bei Eigentumsdelikten (15,5 % versus 34,6 %), zeigten sich bei Sessar 111, Wetzels u. a. 112 sowie Legge 113 nur geringfügige Unterschiede.

107 108 109 110 111 112 113

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stenzeitung, 11. März 1994, S. 147; Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 399. Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176. Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 221. A. a. O. (FN 108), S. 224. A. a. O. (FN 108), S. 254. Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176. Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Deskriptive Analysen krimineller Opfererfahrungen (Teil II). Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 42. Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 145.

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2.2.2.2

S. 177

Ineffizienz der Strafverfolgung

Die vermutete Ineffizienz der Strafverfolgungsbehörden spielt bei Gewaltstraftaten eine geringere Rolle als bei Eigentumsdelikten. So nannten z. B. bei Kilchling 114 68 % aller Opfer von Eigentumsdelikten den Grund, daû ¹keine Beweiseª vorlägen, aber nur 43,6 % aller Gewaltopfer. ¾hnliche Befunde erbrachten die Studien von Sessar 115, Schwarzenegger 116, Kury u. a. 117 sowie von Wetzels u. a. 118 Dabei werden die Strafverfolgungsbehörden bei bestimmten Delikten von den Opfern vermutlich auch dann als ineffizient eingestuft, wenn sie die Straftat nicht weiter verfolgen, weil es sich um ein Privatklagedelikt gem. § 374 Abs. 1 StPO handelt und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint wird. Ein solches Delikt ist beispielsweise auch die Körperverletzung gem. § 223 StGB.119 2.2.2.3

Sonstige Gründe

Abschlieûend sollen einige Aspekte diskutiert werden, die bei Eigentumsdelikten nur von untergeordneter Bedeutung sind, als Gründe für einen Anzeigeverzicht bei Gewaltdelikten jedoch häufiger genannt werden. So wird z. B. bei Gewaltdelikten von deutlich mehr Pbn angegeben, es sei ihnen gelungen, den Konflikt mit dem Täter ohne Hilfe der Polizei zu regeln. Bei Schwarzenegger 120 nannten 22,0 % aller Gewaltopfer, aber nur 1,5 % aller Opfer von Eigentumsdelikten dieses Motiv. ¾hnliche Resultate ergaben sich bei Kilchling 121 und Sessar 122. Dieser Befund wirft allerdings die Frage auf, wie diese privaten Konfliktregelungen jeweils ausgesehen haben. So ist zum einen denkbar, daû sich das Opfer (erfolgreich) körperlich gegen den Täter zur Wehr setzte. Auf der anderen Seite ist jedoch zu vermuten, daû sich hinter dieser Antwortkategorie viele Fälle verbergen, in denen das Opfer den Konflikt nicht wirklich gelöst hat und ± vor allem im so114 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 253. 115 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176. 116 Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 87. 117 Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992. 118 Wetzels, Peter u. a.: Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Deskriptive Analysen krimineller Opfererfahrungen (Teil II). Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hannover) 1993, S. 41. 119 Dagegen finden sich keine Diebstahlsdelikte (und damit die am häufigsten vorkommenden Eigentumsdelikte) bei den Privatklagedelikten gem. § 374 Abs. 1 StPO. 120 Schwarzenegger, Christian: Opfermerkmale, Kriminalitätsbelastung und Anzeigeverhalten. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 108, Heft 1, 1991, S. 87. 121 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 253. 122 Sessar, Klaus: Wiedergutmachen oder Strafen? Pfaffenweiler 1992, S. 176.

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zialen Nahbereich ± dem Täter nach wie vor ausgeliefert ist. In diesem Zusammenhang ist auch noch einmal an den Befund von Wetzels u. a.123 zu erinnern, daû 65,4 % aller Opfer von körperlicher Gewalt durch Familienangehörige ihre Nicht-Anzeige damit begründeten, es habe sich bei dem Vorfall um eine Familienangelegenheit gehandelt. Auch eine generelle Abneigung gegenüber der Polizei wird von Gewaltopfern deutlich häufiger genannt. Bei Legge 124 nannten dieses Motiv 10,3 % aller Opfer von Gewaltdelikten, hingegen keines der Opfer von Eigentumsdelikten. Bei Kilchling 125 gaben 9,3 % aller Gewaltopfer als Grund für eine Nicht-Anzeige an, ¹Angst vor der Polizeiª gehabt zu haben, aber nur 0,7 % aller Diebstahlsopfer. Dieser Befund ist unter Umständen dadurch zu erklären, daû Opfer von Gewaltdelikten häufig selbst schon einmal Erfahrungen als Täter gesammelt haben (siehe § 5±2.4). Darüber hinaus stellt die Furcht vor Rache durch den Täter bei Gewaltdelikten einen wichtigen Grund dar, auf eine Strafanzeige zu verzichten. Immerhin 12,1 % aller Gewaltopfer bei Kilchling 126 nannten dieses Motiv, aber nur 1,3 % aller Opfer von Eigentumsdelikten. Bei Kury u. a. 127 waren es 12,3 % aller (westdeutschen) Opfer tätlicher Angriffe, während dieser Grund bei Opfern von Eigentumskriminalität nie genannt wurde. ¾hnliche Ergebnisse ergab auch der National Crime Survey 128. Dieser Befund muû um so mehr beunruhigen, als nach der Untersuchung von Kilchling 129 Angst vor dem Täter vor allem bei solchen Delikten eine Rolle spielt, in denen die Tatfolgen von den Opfern als besonders belastend empfunden werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, daû seitens der Pbn vermutlich gewisse Hemmnisse bestehen, ein solches Motiv bei einer Befragung anzugeben, weshalb die wahre Bedeutung dieses Motivs mit Hilfe von Opferbefragungen wahrscheinlich nur unzureichend erfaût wird.

123 124 125 126 127

Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 168. Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 152. Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 253. A. a. O. (FN 125). Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992. 128 U. S. Department of Justice: Criminal Victimization in the United States 1990. Washington D. C. 1992, S. 101. 129 Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg 1995, S. 253.

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2.3

S. 179

Unterschiede in der Anzeigequote zwischen Eigentums- und Gewaltdelikten

Bei Kilchling130 zeigte sich, daû Opfer von Gewaltdelikten unmittelbar nach der Tat ähnlich häufig über eine Anzeige nachdachten wie Opfer von Eigentumsdelikten. Die tatsächliche Anzeigequote lag mit 31,8 % jedoch deutlich niedriger als bei den Eigentumsdelikten (Anzeigequote: 62,6 %), und dies, obwohl Gewaltdelikte in der Regel als belastender erlebt wurden. Die niedrigere Anzeigequote bei Gewaltdelikten, die auch in anderen Untersuchungen bestätigt wurde (siehe § 5±2.2), ist vermutlich dadurch zu erklären, daû bei diesen keine materiellen Reize zu einer Anzeigeerstattung bestehen. Ferner ist zu vermuten, daû zumindest einige Gewaltopfer erwarten, daû durch ein Gerichtsverfahren ihr Wunsch nach Bestrafung des Täters nur unzureichend befriedigt wird, weil nach Einschätzung vieler Opfer die Gerichte Straftäter eher (zu) milde bestrafen.131 3

Zusammenfassung

Bei der Analyse des Anzeigeverhaltens sind grundsätzlich zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden. Zum einen kann überprüft werden, inwiefern objektive Merkmale der Tat, des Täters oder des Opfers das Anzeigeverhalten beeinflussen. Zum anderen ist es möglich, die Opfer von Straftaten nach ihren Gründen für eine Anzeige bzw. Nicht-Anzeige einer erlittenen Straftat zu fragen. Hinsichtlich verschiedener Merkmale der Straftat bestätigen die ausgewerteten Untersuchungen übereinstimmend, daû die Anzeige eines Delikts in hohem Maûe von seiner Schwere beeinfluût wird. Hierbei erscheint es jedoch wichtig, stärker als bei bisherigen kriminologischen Untersuchungen zwischen objektiver und subjektiver Deliktsschwere zu unterscheiden. Es ist durchaus denkbar, daû scheinbar harmlose und triviale Straftaten von einem Opfer als auûerordentlich belastend empfunden werden. Darüber hinaus ist das Anzeigeverhalten (vor allem bei Eigentumsdelikten) maûgeblich davon beeinfluût, ob das Opfer gegen die Folgen des eingetretenen Schadens versichert ist. Die Entwicklung der Kriminalität im Hellfeld (PKS) ist somit nicht nur von der Anzahl tatsächlich verübter Straftaten abhängig, sondern auch von der Anzahl bestehender Versicherungsverträge sowie ¾nderungen der Versicherungsbedingungen. Einige Untersuchungen weisen darauf hin, daû sehr junge (unter 21 Jahren) und alte Kriminalitätsopfer (über 60 Jahren) erlittene Straftaten seltener anzeigen als solche

130 A. a. O. (FN 129), S. 212. 131 Kilchling, Michael, a. a. O. (FN 129), S. 320.

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mittleren Alters. Über die Gründe hierfür liegen bislang jedoch lediglich Plausibilitätserwägungen vor. Frauen tendieren (vor allem bei Gewaltdelikten) eher als Männer dazu, die Polizei zu alarmieren. Ein möglicher Grund hierfür kann darin gesehen werden, daû es für eine Frau weniger selbstwertbedrohlich ist als für einen Mann, einem Angreifer körperlich unterlegen zu sein. Hinsichtlich sonstiger Merkmale des Opfers ergaben sich in bisherigen Untersuchungen keine oder sehr uneinheitliche Befunde. Dies gilt sowohl für sonstige soziodemographische Variablen (wie z. B. Staatsangehörigkeit), als auch für eigene Erfahrungen als Täter sowie die Einstellung des Opfers gegenüber der Polizei. Uneinheitlich sind die Befunde auch bzgl. der Frage, inwieweit Merkmale des Täters die Anzeigebereitschaft eines Opfers beeinflussen. In diesem Zusammenhang sind vor allem (vermeintliche) Unterschiede im Verhalten gegenüber deutschen und nicht-deutschen Tätern diskutiert worden. So ist z. B. vermutet worden, daû die stärkere Kriminalitätsbelastung von Nicht-Deutschen, wie sie regelmäûig in der PKS ausgewiesen wird, lediglich darauf zurückzuführen ist, daû diese häufiger angezeigt werden als deutsche Täter. Empirische Untersuchungen zu dieser Frage liegen (zumindest für Deutschland) bislang jedoch noch nicht vor. Hingegen konnte in einer Reihe von Studien nachgewiesen werden, daû die Beziehung zwischen Opfer und Täter das Anzeigeverhalten systematisch beeinfluût. Am höchsten ist die Anzeigeneigung, wenn Opfer und Täter einander flüchtig bekannt sind, weil das Opfer der Polizei in diesem Fall konkrete Hinweise geben kann, die eine Aufklärung der Tat ermöglichen. Seltener wird hingegen eine Anzeige erstattet, wenn das Opfer den Täter nicht kennt und auch nicht gesehen hat, so daû es nicht in der Lage ist, den Täter zu beschreiben oder ggf. zu identifizieren. Am seltensten werden jedoch Straftaten angezeigt, bei denen Täter und Opfer miteinander befreundet bzw. verwandt sind. In solchen Fällen wird die Straftat oftmals als ¹Familienangelegenheitª wahrgenommen, die ¹niemanden etwas angehtª. Häufig unterbleibt eine Anzeige auch, weil das Opfer dies als einen nicht angemessenen Versuch der Konfliktbewältigung ansieht bzw. aus Angst vor Rache durch den Täter. Neben der Analyse ¹objektiverª Merkmale einer Straftat ist oftmals versucht worden, das Anzeigeverhalten von Kriminalitätsopfern dadurch zu erklären, daû Opfer von Straftaten nach ihren subjektiven Motiven für eine Anzeige bzw. Nicht-Anzeige gefragt wurden. Hierbei ist jedoch zu bedenken, daû Menschen nur einen begrenzten Zugang zu den Motiven ihres eigenen Verhaltens haben. Bei einer solchen ¹Motivanalyseª des Anzeigeverhaltens erscheint es sinnvoll, zwischen Eigentums- und Gewaltdelikten zu unterscheiden. Im Hinblick auf Eigentumsdelikte wird die Entscheidung für oder gegen eine Strafanzeige weitgehend von materiellen Überlegungen des Opfers beeinfluût. Eine Anzeige ist wahrscheinlich, wenn eine Diebstahlsversicherung besteht und entsprechende Versicherungsbedingungen eine Anzeige erfordern. Darüber hinaus 180

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werden erlittene Eigentumsdelikte vor allem dann angezeigt, wenn Aussicht auf Wiedererlangung des gestohlenen Guts bzw. Schadensersatz durch den Täter besteht. Eine Anzeige unterbleibt jedoch zumeist, wenn kein Versicherungsschutz vorliegt, der Schaden nur gering ist bzw. keine Chance auf Ergreifung des Täters gegeben ist. Bei Gewaltdelikten spielen Versicherungsbedingungen so gut wie keine Rolle. Wichtig ist hier vor allem die Hoffnung auf Schadensersatz durch den Täter. Darüber hinaus kommen bei Gewaltstraftaten noch weitere Motive hinzu, die bei Eigentumsdelikten nur eine untergeordnete Rolle spielen: Die Bestrafung des Täters sowie der Wunsch, durch eine Ergreifung des Täters weitere Straftaten zu verhindern. Als Motiv für den Verzicht auf eine Anzeige wird auch bei Gewaltdelikten häufig die Geringfügigkeit des Schadens genannt, während ein ¹Mangel an Beweisenª seltener als bei Eigentumsdelikten als Grund für einen Anzeigeverzicht angegeben wird. Im Gegensatz zu Eigentumsdelikten wird bei Gewalttaten von den Opfern häufiger berichtet, den Schaden mit dem Täter selbst geregelt zu haben oder aber aus Angst vor dem Täter auf eine Anzeige verzichtet zu haben. Vor dem Hintergrund dieser Befunde erscheint es plausibel, daû Opfer von Gewaltdelikten unmittelbar nach ihrer Viktimisierung ähnlich häufig daran denken, die erlittene Straftat anzuzeigen, die tatsächliche Anzeigequote bei Gewaltdelikten jedoch deutlich niedriger ist. Bei der Interpretation der Ergebnisse aus Motivanalysen des Anzeigeverhaltens ist jedoch zu berücksichtigen, daû zwischen den verschiedenen Untersuchungen groûe methodische Unterschiede bestehen. Diese beziehen sich z. B. auf die Auswahl und Anzahl der Motive, aus denen die Pbn wählen konnten oder darauf, ob jeweils nur ein Motiv oder auch mehrere genannt werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist hervorzuheben, daû bei allen drei Bochumer Untersuchungen den Pbn die gleichen möglichen Gründe für eine Nicht-Anzeige vorgelegt wurden. In den Untersuchungen Bochum II und Bochum III wurden darüber hinaus die Gründe für eine Anzeigeerstattung in identischer Form erhoben. Dadurch ist es möglich, im Rahmen der vorliegenden Langzeituntersuchung die Entwicklung der Motive für oder gegen eine Strafanzeige über einen Zeitraum von 24 (bzw. 12) Jahren zu untersuchen.

181

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4

S. 182

Hypothesen

H 1:

Die Anzeigebereitschaft ist höher, wenn ein Versicherungsschutz vorliegt.

H 2:

Bei Diebstahlsdelikten ist die Anzeigebereitschaft um so höher, je höher die Schadenssumme ist.

H 3:

Bei Körperverletzungen ist die Anzeigebereitschaft um so höher, je schwerer die objektiven Umstände der Tat waren.

H 4:

Die Anzeigebereitschaft ist um so höher, je schwerer der Schaden subjektiv wahrgenommen wird.

H 5:

Die subjektive Schwere eines Schadens bei Diebstahlsdelikten ist um so höher, je gröûer der eingetretene Schaden ist.

H 6:

Die subjektive Schwere eines Schadens ist bei schweren Diebstahlsdelikten höher als bei einfachen Diebstahlsdelikten.

H 7:

Die subjektive Schwere eines Schadens ist bei vollendeten Diebstahlsdelikten höher als bei versuchten.

H 8:

Die subjektive Schwere eines Schadens ist bei nicht versicherten Diebstahlsdelikten höher als bei versicherten.

H 9:

Die subjektive Schwere eines Schadens bei einer Körperverletzung ist um so höher, je schwerer die objektiven Umstände der Tat waren.

H 10: Die Tendenz, eine erlittene Straftat anzuzeigen, ist um so niedriger, je höher die Bereitschaft des Opfers zu einer informellen Konfliktregelung ist. H 11: Die Tendenz, eine erlittene Straftat anzuzeigen, ist um so höher, je leichter dem Opfer eine solche Anzeige subjektiv fällt. H 12: Die Anzeigebereitschaft hängt von der Beziehung zwischen Täter und Opfer ab. H 13: Frauen zeigen erlittene Straftaten häufiger an als Männer. H 14: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und dem Alter eines Opfers. H 15: Nicht-Deutsche zeigen eine erlittene Straftat seltener an als Deutsche. H 16: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem durch das Opfer wahrgenommenen Alter des Täters und der Bereitschaft, eine Straftat anzuzeigen. H 17: Nicht-deutsche Täter werden nicht häufiger angezeigt als deutsche Täter. H 18: Die Motive zur Anzeige einer Straftat unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Delikten. H 19: Je schwerwiegender das Delikt subjektiv eingestuft wird, desto häufiger wird Bestrafung des Täters, ¾rger über die Tat sowie die Verhinderung weiterer Straftaten durch den Täter als ein Motiv der Anzeige genannt. 182

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S. 183

H 20: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der allgemeinen Einstellung zu den verschiedenen Strafzwecken und den konkreten Gründen zum Anzeigen einer Straftat. H 21: Die Bereitschaft, in der Zukunft eine erlittene Straftat anzuzeigen, ist um so gröûer, je zufriedener ein Opfer mit der Polizei bei der Anzeigeerstattung war. H 22: Die Motive, auf die Anzeige einer Straftat zu verzichten, unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Delikten.

183

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S. 184

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§8

S. 185

Bestimmungsgründe des Anzeigeverhaltens in der Untersuchung Bochum III

Gliederung 1 1.1 1.2 1.3 1.3.1

. . . .

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.5 1.5.1 1.5.2

Bestimmungsgründe der Anzeigeerstattung . . . . . . . . . . . Deliktsart und Anzeigebereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsschutz und Anzeigebereitschaft. . . . . . . . . . . . Schwere des Schadens und Anzeigebereitschaft . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen objektiver Schwere des Schadens und Anzeigebereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen subjektiver Schwere des Schadens und Anzeigebereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmungsgründe der subjektiven Schädigung durch eine Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale des Opfers und Anzeigebereitschaft . . . . . . . . . . . Einstellung zur informellen Konfliktregelung . . . . . . . . . . . . Subjektive Leichtigkeit einer Anzeigeerstattung . . . . . . . . . . Die Beziehung zwischen Opfer und Täter. . . . . . . . . . . . . . . Das Geschlecht des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alter des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalität des Opfers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale des Täters und Anzeigebereitschaft . . . . . . . . . . . Alter des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalität des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

190 192 192 193 195 195 196 197 199 199 200

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2

Motivanalyse des Anzeigeverhaltens . . . . . . . . . . . Gründe für die Anzeige einer Straftat. . . . . . . . . . . . Deskriptive Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deliktsart und Anzeigemotive . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Deliktsschwere und Anzeigemotive . . . . . Allgemeine Strafeinstellungen und Anzeigemotive . . Anzeigeerfahrungen und zukünftige Anzeigeneigung Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat . . . . . . . Deskriptive Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deliktsarten und Gründe für Nicht-Anzeige . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

201 201 201 202 203 204 205 205 205 208

3 3.1 3.2

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . 209 Bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

4 4.1 4.2

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Bestimmungsgründe des Anzeigeverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . 210 Motivanalyse des Anzeigeverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

1.3.2 1.3.3

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . .

186 186 187 189

. . 189 . . 189

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1

S. 186

Bestimmungsgründe der Anzeigeerstattung

Nachdem im vorhergehenden Paragraphen bisherige Untersuchungen zum Anzeigeverhalten von Kriminalitätsopfern zusammengefaût wurden, sollen im folgenden die aus dieser Sekundäranalyse abgeleiteten Hypothesen empirisch überprüft werden. Wie schon in § 6±3 ausgeführt, wurden alle Pbn, die angaben, Opfer einer Straftat geworden zu sein, danach gefragt, ob bzw. wie sie die Straftat der Polizei gemeldet haben. Dort war bereits darauf hingewiesen worden, daû in ca. 11 % aller Fälle die Straftat zwar der Polizei gemeldet wurde (z. B. per Telefon), im juristischen Sinne jedoch keine Anzeige vorgenommen wurde. Diese Unterscheidung zwischen ¹gemeldetenª und ¹angezeigtenª Delikten wird in diesem Paragraphen vernachlässigt, denn bei der Analyse des Anzeigeverhaltens ist es vor allem von Bedeutung, ob eine Person versucht hat, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen. Unter ¹gemeldeten Straftatenª werden deshalb alle Straftaten verstanden, über welche die Polizei ± in irgendeiner Form ± informiert wurde. ¹Nicht gemeldete Straftatenª sind dementsprechend solche Delikte, die nach den Aussagen der Pbn der Polizei nicht mitgeteilt wurden.1 1.1

Deliktsart und Anzeigebereitschaft

Übersicht 50 zeigt, daû der Anteil der gemeldeten Straftaten zwischen den verschiedenen Deliktsarten erheblich differiert. Übersicht 50:

Anzeigequoten bei verschiedenen Delikten Straftat durch das Opfer gemeldet? ja

nein

gesamt

Einfacher Diebstahl

21,0 %

(36)

79,0 %

(136)

100,0 %

(172)

Schwerer Diebstahl

61,9 %

(92)

38,1 %

(58)

100,0 %

(150)

Raub

50,0 %

(4)

50,0 %

(4)

100,0 %

(8)

Körperverletzung

33,3 %

(14)

66,7 %

(28)

100,0 %

(42)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Bei 11 Pbn lagen zu mindestens einer Variablen keine Angaben vor.

1 In § 6±4 war ausführlich das Problem diskutiert worden, daû die Summe aller angezeigten Straftaten (zumindest bei einigen Delikten), die sich bei Hochrechnung der Befragungsdaten auf die Gesamtbevölkerung Bochums ergeben, über den entsprechenden Daten aus der PKS liegen. Ungeachtet dessen gilt jedoch in diesem Paragraphen jede Straftat als ¹gemeldetª, bei der nach Aussage des Pbn die Polizei informiert wurde.

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S. 187

Fälle von Diebstahl unter erschwerenden Umständen (¹schwerer Diebstahlª) wurden der Polizei am häufigsten gemeldet (Anzeigequote: 61,9 %), am seltensten wurden Fälle von Diebstahl ohne erschwerende Umstände (¹einfacher Diebstahlª) angezeigt (21,0 %). Aber auch Raubüberfälle (50,0 %) und Körperverletzungen (33,3 %) wurden seltener angezeigt als schwere Diebstahlsdelikte.2 1.2

Versicherungsschutz und Anzeigebereitschaft

In Hypothese 1 wurde vermutet, daû die Anzeigebereitschaft eines Opfers davon abhängig ist, ob es gegen den eingetretenen Schaden versichert war (siehe § 7±4). Wie Übersicht 51 zeigt, konnte diese Hypothese ± wie auch schon in vielen anderen Untersuchungen (siehe § 7±1.1.2) ± bestätigt werden. In 89,9 % aller Diebstahlsdelikte, in denen ein Schaden der Versicherung gemeldet wurde, ist auch eine Anzeige erstattet worden. Lag kein Versicherungsschutz vor, geschah dies hingegen nur in 17,9 % aller Fälle. Übersicht 51:

Zusammenhang zwischen Versicherungsschutz und Anzeigeverhalten bei Diebstahlsdelikten Diebstahl der Polizei gemeldet? ja Schaden der Versicherung gemeldet?

nein

gesamt

ja

89,9 %

(98)

10,1 %

(11)

100,0 %

(109)

nein

17,9 %

(35)

82,1 %

(161)

100,0 %

(196)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Bei 26 Pbn lagen zu mindestens einer Variablen keine Angaben vor.

Aus dem starken Zusammenhang zwischen Versicherungsschutz und Anzeigeverhalten erklärt sich auch die unterschiedliche Anzeigequote zwischen einfachem und schwerem Diebstahl. Während Fälle einfachen Diebstahls lediglich zu 14,0 % der Versicherung gemeldet wurden, waren es bei Fällen schweren Diebstahls mit 59,2 % ca. viermal so viele. Dies erscheint insofern plausibel, als Fälle von einfachem Diebstahl deutlich seltener versichert sind als Fälle von schwerem Diebstahl. Bei den 79 Diebstahlsdelikten, die einer Versicherung gemeldet wurden, wurde der Schaden durch die Versicherung in 26 Fällen vollständig, in weiteren 47 zumindest teilweise ersetzt.

2 Vor allem bei der Interpretation der Angaben zum Raub ist allerdings die geringe Fallzahl zu berücksichtigen.

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Darüber hinaus fällt auf, daû die Bedeutung eines Versicherungsschutzes für die Entscheidung, einen erlittenen Diebstahl anzuzeigen, über die drei Jahresmeûpunkte der Bochumer Untersuchungen kontinuierlich zugenommen hat (siehe Übersicht 52). Übersicht 52:

Anzeigequoten und Versicherungsschutz (bei Eigentumsdelikten) in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III

Während es 1975 nur einen schwachen (und nicht signifikanten) Zusammenhang gab, lag die Anzeigequote 1998 bei versicherten Diebstahlsdelikten fünfmal so hoch wie bei nicht versicherten3. Es zeigt sich somit, daû Fälle von Diebstahl zunehmend nur noch dann angezeigt werden, wenn das Vorliegen bestimmter Versicherungsbedingungen eine solche Anzeige erfordert.

3 Für die Werte aus dem Jahre 1986 siehe Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II), S 260 (siehe dort auch die Werte aus der Untersuchung Bochum I: Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/ Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978).

188

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S. 189

1.3

Schwere des Schadens und Anzeigebereitschaft

1.3.1

Zusammenhang zwischen objektiver Schwere des Schadens und Anzeigebereitschaft

In Übereinstimmung mit Hypothese 2 (siehe § 7±4) zeigte sich, daû ein Diebstahl um so eher bei der Polizei angezeigt wurde, je höher der finanzielle Schaden war, der dem Opfer durch den Diebstahl entstand.4 Die Korrelation (Ü Glossar) zwischen beiden Variablen betrug in der Stichprobe r = 0,49 (p < 0,001). So wurde bei einem Schaden unter 25 DM nur in 7,5 % aller Fälle eine Anzeige erstattet, bei Schäden über 1.000 DM lag die Anzeigequote jedoch bei 78,0 %. In Hypothese 3 wurde vermutet, daû Körperverletzungen um so eher angezeigt werden, je schwerer die Straftat objektiv einzustufen ist (siehe § 7±4). Diese Hypothese konnte jedoch nicht bestätigt werden. Es ergab sich kein Zusammenhang zwischen den objektiven Merkmalen einer Körperverletzung und der Meldung dieser Straftat bei der Polizei (zu den objektiven Folgen von Körperverletzungen siehe § 6±6.2). Weder die Art der Verletzung, noch ihre Schwere oder die Frage, ob bzw. wie eine Verletzung behandelt werden muûte, korrelierten signifikant mit dem Anzeigeverhalten. Dies galt auch dann, wenn das Anzeigeverhalten bei einfachen Körperverletzungen mit dem bei schweren bzw. gefährlichen Körperverletzungen verglichen wurde. 1.3.2

Zusammenhang zwischen subjektiver Schwere des Schadens und Anzeigebereitschaft

Hypothese 4 besagte, daû eine Straftat (unabhängig vom Delikt) um so eher angezeigt wird, je schwerer sie empfunden wird (siehe § 7±4). Hierbei wurde darauf hingewiesen, daû die objektive Schwere eines Schadens und seine subjektive Wahrnehmung nicht unbedingt identisch sind (siehe § 7±1.1.1). Zur Messung der subjektiven Schwere einer Viktimisierung wurden die Pbn deshalb aufgefordert anzugeben, wie schwer sie einen Schaden jeweils subjektiv empfunden haben (Antwortmöglichkeiten: ¹überhaupt nicht schwerª, ¹eher nicht so schwerª, ¹schwerª und ¹sehr schwerª). Hinsichtlich der subjektiven Einschätzung der Schwere einer Straftat und der Entscheidung, diese Straftat bei der Polizei anzuzeigen, ergaben sich hinsichtlich aller untersuchten Delikte statistisch signifikante Zusammenhänge: Z

Bei den Diebstahlsdelikten korrelierten die subjektive Schwereeinschätzung und das Anzeigeverhalten mit einem Wert von r = 0,32 (p < 0,001).

4 Zum Zusammenhang zwischen Schadenshöhe und Anzeigeerstattung siehe auch Übersicht 44 in § 6±6.1.

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Weiter oben (siehe Punkt 1.3) wurde allerdings gezeigt, daû die objektive Schadenssumme mit einem Korrelationskoeffizienten von r = 0,49 das Anzeigeverhalten noch stärker beeinfluûte. Z

Bei den Körperverletzungen ergab sich sogar eine Korrelation von r = 0,49 (p < 0,01) zwischen der subjektiv erlebten Schwere der Tat und der Entscheidung, die Straftat bei der Polizei anzuzeigen bzw. auf eine Anzeige zu verzichten. Das Anzeigeverhalten war bei Körperverletzungsdelikten somit in starkem Maûe davon beeinfluût, wie die Verletzung von einem Opfer erlebt wurde, während (wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde) die objektiven Merkmale der Tat hierauf keinen Einfluû ausübten.

Vor allem im Hinblick auf Gewaltdelikte scheint von daher die Forderung berechtigt, in der kriminologischen Forschung stärker als bislang üblich zwischen objektiven und subjektiven Folgen einer Straftat zu differenzieren.5 Hypothese 4 konnte somit bestätigt werden. 1.3.3

Bestimmungsgründe der subjektiven Schädigung durch eine Straftat

1.3.3.1

Diebstahlsdelikte

In § 7±4 wurden eine ganze Reihe von Hypothesen darüber abgeleitet, wovon es abhängt, wie ¹schlimmª ein erlittener Diebstahl durch ein Opfer empfunden wird. So besagte Hypothese 5, daû ein Diebstahl um so ¹schlimmerª empfunden wird, je höher die objektive Schadenssumme ist (siehe § 7±4). Diese Hypothese wurde deutlich bestätigt: Die Korrelation zwischen dem subjektivem Schadensempfinden und der objektiven Höhe des Schadens (gemessen durch den Wert der gestohlenen Sachen) betrug r = 0,54 (p < 0,01). Hierbei ergaben sich im übrigen interessante Unterschiede zwischen den einzelnen Delikten: Beim einfachen Diebstahl war die Korrelation mit einem Wert von r = 0,64 (p < 0,01) deutlich höher als beim schweren Diebstahl (r = 0,29; p < 0,01). In Hypothese 6 wurde vermutet, daû Fälle von schwerem Diebstahl als ¹schlimmerª empfunden werden als Fälle von einfachem Diebstahl (siehe § 7±4). Auch diese Hypothese konnte bestätigt werden: die Korrelation zwischen beiden Variablen betrug r = 0,31 (p < 0,01). Hypothese 7, nach der Fälle von vollendetem Diebstahl gravierender erlebt werden als versuchte Diebstahlsdelikte (siehe § 7±4), konnte zunächst jedoch nicht bestä5 Mayhew, Pat: Measuring the Effects of Crime in Victimization Surveys. In: Bilsky, Wolfgang/Pfeiffer, Christian/Wetzels, Peter (eds.): Fear of Crime and Criminal Victimization. Stuttgart 1993, S. 197.

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tigt werden. Die Korrelation betrug lediglich r = 0,06 und war nicht signifikant (p = 0,13). Dieses Ergebnis ist allerdings dadurch zu erklären, daû es sich bei den versuchten Delikten deutlich häufiger um Fälle von schwerem Diebstahl handelte als bei den vollendeten Straftaten (76,2 % gegenüber 40,8 %). Im letzten Abschnitt war jedoch gezeigt worden, daû schwere Diebstahlsdelikte belastender erlebt werden als einfache. Wurde die Analyse vor diesem Hintergrund auf schwere Diebstahlsdelikte beschränkt, ergaben sich sehr wohl signifikante Zusammenhänge. Die Korrelation betrug in diesem Fall r = 0,28 und war auch statistisch signifikant (p < 0,05). So gaben 69,3 % aller Opfer eines vollendeten schweren Diebstahls an, den Schaden als ¹eher schwerª bzw. ¹sehr schwerª empfunden zu haben, aber nur 31,3 % aller Opfer eines versuchten schweren Diebstahls. In Hypothese 8 wurde vermutet, daû versicherte Diebstahlsdelikte als weniger schwer empfunden werden als nicht versicherte Diebstahlsdelikte (siehe § 7±4). Diese Hypothese konnte jedoch nicht bestätigt werden, im Gegenteil: War ein Pb gegen die Folgen eines erlittenen Diebstahls versichert, so wurde die erlittene Straftat belastender erlebt als in den Fällen, in denen kein Versicherungsschutz vorlag (r = 0,14; p < 0,05). Dieses Ergebnis erscheint zunächst überraschend, denn es war vermutet worden, daû das Vorliegen eines Versicherungsschutzes die subjektive Schwere einer Viktimisierung mildert, da ja der eingetretene Schaden (zumindest teilweise) von der Versicherung ersetzt wird. Da jedoch das Vorliegen eines Versicherungsschutzes mit der Schadenshöhe korreliert (r = 0,51; p < 0,01), handelt es sich hierbei vermutlich ± zumindest teilweise ± um eine Scheinkorrelation (Ü Glossar). Um solche Scheinzusammenhänge aufzudecken, wurden die verschiedenen Bestimmungsgründe der subjektiven Schwere einer Viktimisierung im Rahmen einer Regressionsanalyse (Ü Glossar) simultan berücksichtigt. Übersicht 53 faût die Ergebnisse dieser Analyse zusammen. Danach zeigte sich auch im Rahmen der Regressionsanalyse ein überaus starker Einfluû der objektiven Schadenshöhe auf das subjektive Empfinden der Opfer (û = 0,50). Die Frage, ob es sich um einen einfachen oder um einen schweren Diebstahl handelte, hatte ebenfalls einen signifikanten Einfluû, der allerdings deutlich schwächer war (û = 0,14). Die beiden anderen unabhängigen Variablen wiesen hingegen kein signifikantes û-Gewicht auf. Dies scheint vor allem in Hinblick auf das Vorliegen eines Versicherungsschutzes bemerkenswert: Die subjektive Schwere der Belastung durch einen Diebstahl wurde offensichtlich nicht dadurch gemildert, daû der Schaden versichert war.

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Übersicht 53:

Bestimmungsgründe der subjektiven Schwere von Diebstahlsdelikten Zusammenhang mit der subjektiven Schwere der Viktimisierung bivariate Korrelation

û-Koeffizient

Höhe des Schadens

0,54

0,50

Einfacher versus schwerer Diebstahl

0,31

0,14

Versuchte versus vollendete Delikte

0,06

0,07

Versicherte versus nicht versicherte Schäden

0,14

0,07

1.3.3.2

Körperverletzungen

Weiter oben (Punkt 1.3.1) war bereits gezeigt worden, daû die objektiven Merkmale einer Körperverletzung grundsätzlich keinen Einfluû auf das Anzeigeverhalten hatten. Aber auch die in Hypothese 9 formulierte Vermutung, daû die subjektive Schwere einer Viktimisierung von den objektiven Tatmerkmalen beeinfluût wird (siehe § 7±4), konnte empirisch nicht bestätigt werden. So wurde die subjektive Schwere einer Viktimisierung nicht davon beeinfluût, auf welche Weise das Opfer verletzt wurde (r = 0,07; p = 0,35) bzw. wie schwer die Verletzung war (r = 0,12; p = 0,24). Ein stärkerer, allerdings ebenfalls (knapp) nicht signifikanter Zusammenhang ergab sich allerdings mit der Frage, ob und wie eine Verletzung behandelt werden muûte (r = 0,23; p = 0,08). 1.4

Merkmale des Opfers und Anzeigebereitschaft

1.4.1

Einstellung zur informellen Konfliktregelung

Die Pbn wurden auch danach gefragt, inwiefern sie im Falle einer Viktimisierung bereit sind, den Konflikt (auf informellem Wege) zunächst mit dem Täter selbst zu regeln. Übersicht 54 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Antworten auf diese Frage (sowie die genaue Frageformulierung). Über zwei Drittel aller Befragten (67,7 %) tendierten dazu, im Falle einer Viktimisierung ¹auf jeden Fall sofort die Polizeiª zu informieren. Die Bereitschaft zu einer informellen Konfliktregelung mit dem Täter war somit nur gering ausgeprägt.

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Übersicht 54:

Bereitschaft zur informellen Konfliktregelung (deskriptive Ergebnisse) ¹Sollte man nach Ihrer Meinung als Opfer einer Straftat sofort die Polizei informieren oder sollte man zunächst versuchen, die Sache mit dem Täter selbst zu regeln?ª Auf jeden Fall sofort die Polizei informieren

67,6 %

(1.125)

Eher die Polizei informieren

15,5 %

(257)

Unentschieden

8,0 %

(132)

Eher mit dem Täter selbst regeln

6,7 %

(111)

Auf jeden Fall mit dem Täter selbst regeln

2,2 %

(36)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist allerdings zu berücksichtigen, daû unabhängig von einem konkreten Delikt die Pbn danach gefragt wurden, wie sie sich ¹bei einer Straftatª verhalten würden. Wie Kania 6 zeigen konnte, assoziieren die meisten Menschen mit dem Begriff ¹Straftatª jedoch ganz überwiegend objektiv seltene und schwere Delikte wie Mord und Totschlag. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse muû die geringe Bereitschaft zu informeller Konfliktregelung erheblich relativiert werden. Im Widerspruch zu Hypothese 10 korrelierte jedoch das Anzeigeverhalten nicht mit der Bereitschaft zu einer informellen Konfliktregelung (r = 0,09; p = 0,15). Das heiût, die Anzeigebereitschaft einer Person wurde nicht davon beeinfluût, ob sie grundsätzlich dazu bereit ist, erlittene Viktimisierungen mit dem Täter selbst zu regeln. Es gab auch dann keinen Zusammenhang, wenn nur diejenigen Fälle betrachtet wurden, in denen das Opfer den Täter kannte (oder zumindest gesehen hat). Bereits in § 7±1.2.6 war darauf hingewiesen worden, daû aus allgemeinen und abstrakten Einstellungen nur sehr bedingt auf das konkrete Verhalten in einer spezifischen Situation geschlossen werden kann.7 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daû die allgemeine Bereitschaft, eine Straftat mit dem Täter selbst zu regeln, das konkrete Anzeigeverhalten nicht signifikant beeinfluûte. 1.4.2

Subjektive Leichtigkeit einer Anzeigeerstattung

Die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse im Hinblick auf eine Anzeigeerstattung wurden dadurch erhoben, daû die Pbn angeben sollten, wie leicht oder schwer es ihnen fällt, eine Anzeige zu erstatten. Übersicht 55 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Antworten auf diese Frage. 6 Kania, Harald: Kriminalitätsdarstellungen in den Massenmedien. Köln 1998, S. 99. 7 Fischer, Lorenz/Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie. München 1997, S. 247 f.

193

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S. 194

Den meisten Pbn fiel es nach eigenen Angaben ¹eher leichtª bzw. ¹sehr leichtª, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten (67,0 %). Rund ein Drittel aller Befragten hielt dies jedoch für ¹eher schwerª bzw. ¹sehr schwerª. Die subjektive Leichtigkeit einer Anzeigeerstattung korrelierte im übrigen nur mäûig mit dem Wissen darüber, wo sich die für die Pbn nächste Polizeidienststelle befindet (r = 0,08, p < 0,01). Übersicht 55:

Subjektive Leichtigkeit einer Anzeigeerstattung (deskriptive Ergebnisse) ¹Ist es für Sie persönlich eher leicht oder eher schwer, eine Anzeige zu erstatten?ª sehr schwer

6,6 %

(107)

eher schwer

26,4 %

(429)

eher leicht

39,2 %

(634)

sehr leicht

27,8 %

(450)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Bei 41 Pbn lagen bzgl. dieser Frage keine Angaben vor.

Die subjektive Leichtigkeit, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen, korrelierte darüber hinaus ± allerdings nur schwach ± mit einer ganzen Reihe soziodemographischer Variablen: Z

Z Z

Z

Deutsche fühlten sich eher zu einer Strafanzeige in der Lage als Nicht-Deutsche (r = 0,07; p < 0,01). Männer schätzten sich selbst kompetenter ein als Frauen (r = 0,10; p < 0,001). Je höher der Bildungsstand einer Person und das Prestige des von ihr ausgeübten Berufes war, desto höher war die subjektive Fähigkeit zur Anzeigeerstattung (r = 0,07 bzw. r = 0,09; p jeweils < 0,01). ¾ltere Menschen fühlten sich zu einer Anzeigeerstattung eher in der Lage als junge Menschen (r = 0,10; p < 0,001).

In Hypothese 11 wurde weiterhin vermutet, daû die Tendenz, eine erlittene Straftat anzuzeigen, davon abhängt, in welchem Maûe sich ein Opfer dazu von seinen Fähigkeiten und Kenntnissen in der Lage sieht (siehe § 7±4). Wie Übersicht 56 zeigt, konnte diese Hypothese empirisch bestätigt werden (r = 0,15; p < 0,05). Während die Opfer, denen es ¹sehr leichtª fiel, eine Anzeige zu erstatten, in nahezu der Hälfte aller Viktimisierungen (47,7 %) nach eigenen Angaben eine Anzeige erstattet haben, waren es von den Pbn, denen dies ¹eher schwerª bzw. ¹sehr schwerª fiel8, mit 28,6 % weniger als ein Drittel.

8 Diese beiden Kategorien wurden zusammengefaût, weil nur ein sehr kleiner Teil aller Opfer angegeben hatte, daû ihnen eine Anzeige ¹sehr schwerª falle.

194

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S. 195

Übersicht 56:

Anzeigequoten in Abhängigkeit von der selbsteingeschätzten Kompetenz zur Anzeigeerstattung

Dieses Ergebnis impliziert wichtige kriminalpolitische Schluûfolgerungen: Zukünftige Aufklärungskampagnen sollten (zumindest unter anderem) darauf abheben, den Bürgern stärker als bislang zu verdeutlichen, auf welche Weise erlittene Straftaten bei der Polizei angezeigt werden können. Eine Möglichkeit hierzu bestünde z. B. darin, jeden Bürger darüber zu informieren, wo sich das nächste für ihn zuständige Polizeirevier befindet. 1.4.3

Die Beziehung zwischen Opfer und Täter

In Hypothese 12 war vermutet worden, daû die Anzeigeneigung von der Beziehung zwischen Opfer und Täter beeinfluût wird (siehe § 7±4). Hypothese 12 konnte jedoch nicht bestätigt werden (p = 0,43). Dieses Ergebnis kann jedoch auch in der geringen Zahl der Fälle begründet liegen, in denen das Opfer den Täter persönlich kannte (n = 23). 1.4.4

Das Geschlecht des Opfers

Darüber hinaus wurde in Hypothese 13 vermutet, daû Frauen erlittene Körperverletzungen häufiger anzeigen als Männer. Diese Vermutung konnte empirisch jedoch nicht bestätigt werden. Zwar zeigt Übersicht 57, daû weibliche Opfer in 41,2 % aller Fälle eine Körperverletzung 195

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S. 196

angezeigt haben, während es bei den männlichen Opfern nur 28,0 % waren. Diese Unterschiede sind jedoch (aufgrund der geringen Fallzahl) statistisch nicht signifikant (p = 0,29). Übersicht 57:

Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten und dem Geschlecht des Opfers bei Körperverletzungen Körperverletzung der Polizei gemeldet? ja

nein

Männer

28,0 %

(7)

72,0 %

(18)

Frauen

41,2 %

(7)

58,8 %

(10)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Bei einem Pbn lagen zu mindestens einer Variablen keine Angaben vor.

Auffallend war allerdings, daû weibliche Opfer Körperverletzungen als deutlich schwerer beurteilten als männliche Opfer (r = 0,31; p < 0,05). So empfanden lediglich 20,0 % aller betroffenen Männer ihre Viktimisierung als ¹schwerª bzw. ¹sehr schwerª, aber 64,4 % aller betroffenen Frauen. 1.4.5

Alter des Opfers

Hypothese 14 besagte, daû es einen Zusammenhang gibt zwischen der Anzeigebereitschaft des Opfers und seinem Alter (siehe § 7±4). Übersicht 58 zeigt, daû diese Hypothese empirisch bestätigt werden konnte (hierbei sind in die Analyse die Opfer aller Delikte eingegangen). Übersicht 58:

Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten und dem Alter des Opfers Straftat gemeldet? Alter des Opfers

ja

nein

unter 21 Jahre

22,2 %

(16)

77,8 %

(56)

21±40 Jahre

43,4 %

(69)

46,6 %

(90)

41±60 Jahre

41,2 %

(35)

58,8 %

(50)

über 60 Jahre

40,9 %

(18)

59,1 %

(26)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Bei 23 Pbn lagen zu mindestens einer Variablen keine Angaben vor.

Während von den unter 21 jährigen lediglich ca. ein Fünftel aller Straftaten angezeigt wurde, waren es in den übrigen Altersgruppen etwa doppelt so viele (p < 0,05). 196

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S. 197

¾ltere Opfer zeigten jedoch ± im Widerspruch zur Untersuchung Bochum II9 ± nicht seltener an als Opfer mittleren Alters. Weiter oben (vgl. § 7±1.2.1) war vermutet worden, daû die geringere Neigung jüngerer Opfer, eine Straftat bei der Polizei zu melden, damit zusammenhängen könnte, daû diese informelle Wege der Konfliktregelungen bevorzugen. Darüber hinaus wurde angenommen, daû Jüngere sich auch von ihren Kenntnissen und Fähigkeiten her weniger in der Lage fühlen, eine Strafanzeige zu erstatten. Tatsächlich neigten Pbn unter 21 Jahren in statistisch signifikantem Maûe stärker dazu, eine Straftat zunächst mit dem Täter selbst zu regeln als Pbn über 20 Jahre (p < 0,001). Während von den unter 21 jährigen 21,3 % der Meinung waren, ein Kriminalitätsopfer solle zunächst versuchen, eine Straftat mit dem Täter selbst zu regeln, waren es von den über 60 jährigen lediglich 5,3 %. Weiter oben (Punkt 1.4.2) wurde bereits darauf hingewiesen, daû es jüngeren Pbn signifikant schwerer fällt, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen (r = 0,10; p < 0,001). So fiel es 28,7 % aller über 60 jährigen ¹sehr leichtª, Strafanzeige zu erstatten, bei den unter 21 jährigen waren dies mit 14,5 % jedoch nur ca. halb so viele Pbn. Darüber hinaus fällt auf, daû Opfer unter 21 Jahren nur in 18,6 % aller Fälle gegen einen erlittenen Diebstahl versichert waren. Bei den über 21 jährigen waren es hingegen mit 35,2 % annähernd doppelt so viele. Im Rahmen einer Partialkorrelation (Ü Glossar) konnte gezeigt werden, daû diese Faktoren in der Lage waren, die niedrigere Anzeigeneigung junger Opfer zu erklären. Wurde die Bereitschaft zur informellen Konfliktregelung, die subjektive Kompetenz zum Stellen einer Strafanzeige sowie das Vorliegen eines Versicherungsschutzes in die Analyse aufgenommen, war die Korrelation zwischen Alter und Anzeigeneigung nicht mehr signifikant. 1.4.6

Nationalität des Opfers

Übersicht 59 zeigt die Anzeigeneigung deutscher und nicht-deutscher Diebstahlsopfer. Da in der gesamten Stichprobe nur zwei Nicht-Deutsche angaben, Opfer einer Körperverletzung geworden zu sein, war es aufgrund der geringen Fallzahl nicht sinnvoll, Opfer von Körperverletzungen in die Analyse einzubeziehen.

9 Untersuchung Bochum II, S. 256.

197

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S. 198

Übersicht 59:

Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und der Nationalität des Opfers (bei Diebstahlsdelikten) Diebstahl der Polizei gemeldet? ja

nein

Deutsche

40,7 %

(118)

59,3 %

(172)

Nicht-Deutsche

19,4 %

(6)

80,6 %

(25)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Bei zehn Pbn lagen zu mindestens einer Variablen keine Angaben vor.

In Übereinstimmung mit Hypothese 15 (siehe § 7±4) zeigte sich, daû Nicht-Deutsche erlittene Diebstahlsdelikte (deutlich) seltener angezeigt haben als Deutsche. Während Deutsche einen erlittenen Diebstahl in 40,7 % aller Fälle der Polizei gemeldet haben, war der entsprechende Wert bei den befragten Nicht-Deutschen mit 19,4 % nur halb so hoch. Dieser Unterschied war (trotz der geringen Zahl nicht-deutscher Diebstahlsopfer) auch statistisch signifikant (p < 0,05). Hypothese 15 konnte somit bestätigt werden. Womit ist jedoch die unterschiedliche Anzeigeneigung deutscher und nicht-deutscher Diebstahlsopfer zu erklären? Z

Z

Z

Keine Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der durchschnittlichen Höhe des Schadens, der durch einen Diebstahl entstanden ist, sowie der Motive, auf eine Anzeige zu verzichten (zu den Motiven für eine Strafanzeige siehe Punkt 2). Weiter oben (Punkt 1.4.2) war allerdings bereits darauf verwiesen worden, daû Nicht-Deutsche es als schwieriger empfanden, eine Straftat bei der Polizei anzuzeigen. Besonders auffällig ist zudem, daû Nicht-Deutsche nur in 12,5 % aller Fälle angaben, gegen einen erlittenen Diebstahl versichert gewesen zu sein. Bei den Deutschen waren dies mit 40,7 % mehr als dreimal so viele (p < 0,05). Wenn nur die nicht versicherten Diebstahlsdelikte in die Analyse aufgenommen wurden, ergaben sich keine (signifikanten) Unterschiede mehr.

Somit sind nicht in erster Linie Mentalitäts- oder Einstellungsunterschiede für das unterschiedliche Anzeigeverhalten zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen verantwortlich, sondern niedrigere subjektive Kompetenzen bei der Anzeigeerstattung sowie (vor allem) die geringere Versicherungsausstattung von Nicht-Deutschen. Dies könnte auch erklären, warum in der Untersuchung Bochum I 10 die Anzeigeneigung von Nicht-Deutschen höher als die von Deutschen gewesen ist: 1976 hatte das Vorliegen einer Versicherung (noch) keinen signifikanten Einfluû auf das Anzeigeverhalten. 10 Pudel in der Untersuchung Bochum I, S. 209.

198

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S. 199

1.5

Merkmale des Täters und Anzeigebereitschaft

1.5.1

Alter des Täters

In Hypothese 16 war angenommen worden, daû die Bereitschaft, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen, vom (vermuteten) Alter des Täters beeinfluût wird (siehe § 7±4). Die Pbn, die angaben, Opfer eines Diebstahls, eines Raubes oder einer Körperverletzung geworden zu sein, wurden deshalb auch nach dem Alter des Täters gefragt, sofern sie diesen gesehen hatten und hierüber Angaben machen konnten (dies war bei 174 Pbn der Fall). Hierbei wurde der jüngste Täter auf 8 Jahre, der älteste auf über 80 Jahre geschätzt. Insgesamt überwogen jedoch junge Täter ± die Hälfte wurde auf unter 20 Jahre geschätzt (wobei keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Delikten bestanden). Übersicht 60 zeigt, wieviel Prozent aller Täter in den verschiedenen Altersgruppen jeweils angezeigt wurden (hierbei sind in die Analyse die Angaben hinsichtlich aller untersuchten Delikte eingegangen). Die Einteilung der Täter in verschiedene Altersstufen orientierte sich an den relevanten Einteilungen des Jugendstrafrechts und unterscheidet deshalb Täter unter 14 Jahren (nicht strafmündige Kinder), Jugendliche (14 bis 17 Jahre), Heranwachsende (18±21 Jahre) und Erwachsene (über 21 Jahre). Eine gesonderte Berücksichtigung besonders alter Täter war aufgrund ihrer geringen Fallzahl nicht sinnvoll (lediglich ein Täter wurde auf über 60 Jahre geschätzt). Übersicht 60:

Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und Alter des Tatverdächtigen Straftat gemeldet? Vermutetes Alter des Täters

ja

nein

unter 14 Jahre

16,7 %

(1)

83,3 %

(5)

14±17 Jahre

30,3 %

(13)

69,8 %

(30)

18±21 Jahre

27,3 %

(15)

72,7 %

(40)

über 21 Jahre

35,7 %

(25)

64,3 %

(45)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

Entgegen Hypothese 16 zeigten sich keine Zusammenhänge zwischen dem Alter des Täters und der Anzeigebereitschaft eines Opfers. Zwar wurden Täter unter 14 Jahren hypothesenkonform seltener angezeigt; dieser Unterschied ist jedoch aufgrund der geringen Fallzahl (nur insgesamt sechs Täter wurden auf unter 14 Jahren geschätzt) statistisch nicht signifikant (p = 0,64). Eine mögliche Erklärung hierfür könnte darin gesehen werden, daû versicherte Diebstahlsdelikte unabhängig vom Alter des Täters (so gut wie immer) angezeigt 199

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S. 200

werden. Es gab jedoch auch dann keinen Zusammenhang zwischen Anzeigeneigung und Alter des Täters, wenn nur die nicht versicherten Diebstahlsdelikte analysiert wurden. 1.5.2

Nationalität des Täters

In § 7±1.3 war auf die Kontroverse hingewiesen worden, ob Nicht-Deutsche systematisch häufiger angezeigt werden als Deutsche sowie auf die kriminalpolitischen Schluûfolgerungen, die sich aus dieser Kontroverse ergeben. Ausgehend von den Ergebnissen anderer Untersuchungen war jedoch vermutet worden, daû es keinen Zusammenhang zwischen der (vermuteten) Nationalität des Täters und der Bereitschaft des Opfers gibt, eine Straftat bei der Polizei anzuzeigen (Hypothese 17; siehe § 7±4). Vor diesem Hintergrund wurden die Pbn danach gefragt, ob es sich bei dem Täter um einen Deutschen oder um einen Nicht-Deutschen gehandelt habe. 37,4 % (102) aller Opfer hatten den Täter gesehen und konnten hierzu Angaben machen. Von diesen gaben 65,7 % (67) an, es habe sich bei dem Täter um einen Deutschen gehandelt, 34,3 % (35) meinten, in dem Täter einen Nicht-Deutschen erkannt zu haben. Hierbei zeigten sich im übrigen keine Unterschiede zwischen Diebstahlsund Körperverletzungsdelikten. Bei der Interpretation dieses Ergebnisses ist allerdings ± neben der kleinen Fallzahl ± zu berücksichtigen, daû es sich hierbei um subjektive Zuschreibungsprozesse durch die Opfer handelt, die unter Umständen systematisch verzerrt sein können (z. B. indem ein Opfer einen Täter als ¹dunkle Gestaltª wahrgenommen hat und daraus schlieût, es habe sich um einen Nicht-Deutschen gehandelt). Auch kann die Wahrnehmung eines Täters durch bestimmte Vorurteile des Opfers beeinfluût sein. Übersicht 61 zeigt den Anteil aller deutschen und nicht-deutschen Täter, die der Polizei gemeldet wurden. Hierbei sind nur solche Fälle aufgenommen worden, bei denen das Opfer ein Deutscher war, denn nur bei solchen Opfern scheint es plausibel, daû sie aus ¹Ausländerfeindlichkeitª deutsche Täter seltener anzeigen als nicht-deutsche. Übersicht 61:

Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und (vermuteter) Nationalität des Täters Straftat gemeldet?

Nationalität des Täters

ja

nein

Deutscher

29,8 % (20)

70,2 % (47)

Nicht-Deutscher

34,2 % (12)

65,8 % (23)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

200

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S. 201

Während von den deutschen Tätern 29,8 % angezeigt wurden, waren es bei den nicht-deutschen 34,2 %. Allerdings ist dieser Unterschied statistisch nicht signifikant (p = 0,35). Ganz ähnliche Resultate ergaben sich, wenn nur die nicht versicherten Straftaten in die Analyse aufgenommen wurden. Diese gesonderte Analyse erscheint insofern sinnvoll, als beim Vorliegen eines Versicherungsschutzes ± unabhängig von der Nationalität des Täters ± so gut wie immer eine Anzeige erfolgt (siehe Punkt 1.2). Aber auch bei einer Beschränkung auf nicht versicherte Straftaten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede (p = 0,34). Es bleibt allerdings unklar, ob tatsächlich kein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Anzeigeneigung eines Opfers und der (vermuteten) Nationalität des Täters besteht oder ob dieses Ergebnis auf die niedrigen Fallzahlen zurückgeführt werden muû. Eine Schluûfolgerung scheint jedoch bereits aufgrund der aus der Untersuchung Bochum III vorliegenden Daten gerechtfertigt: Der höhere Anteil an Nicht-Deutschen in der PKS ist sicherlich nicht (nur) darauf zurückzuführen, daû diese im Falle einer Straftat häufiger angezeigt werden als Deutsche. Wenn überhaupt, deuten sich hier eher geringe Unterschiede an. Dieses Ergebnis deckt sich somit mit dem anderer Opferbefragungen, in denen sich ebenfalls zeigte, daû ausländische Täter nicht häufiger angezeigt werden als einheimische.11 2

Motivanalyse des Anzeigeverhaltens

Während bisher objektive Bestimmungsgründe des Anzeigeverhaltens untersucht wurden (wie z. B. Alter oder Staatsangehörigkeit des Täters bzw. des Opfers), werden in den folgenden Abschnitten die subjektiven Gründe für oder gegen eine Anzeigeerstattung analysiert. Hierbei ist allerdings noch einmal darauf hinzuweisen, daû Menschen oftmals keinen unmittelbaren Zugang zu den Motiven ihres Handelns haben (siehe § 7±2). Insofern können im Rahmen von Opferbefragungen immer nur die subjektiv wahrgenommenen Motive für oder gegen eine Strafanzeige erfaût werden. 2.1

Gründe für die Anzeige einer Straftat

2.1.1

Deskriptive Ergebnisse

Pbn, die angaben, eine erlittene Straftat bei der Polizei gemeldet zu haben, wurden danach gefragt, warum sie Anzeige erstattet haben. 11 Killias, Martin: Diskriminierendes Verhalten von Opfern gegenüber Ausländern? In: MschrKrim, Jg. 71, Heft 3, 1988, S. 156±165.

201

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S. 202

Übersicht 62 zeigt die Häufigkeit der verschiedenen Antworten auf diese Frage im Vergleich der Untersuchungen Bochum II12 und Bochum III (bezogen jeweils auf einfachen bzw. schweren Diebstahl). Übersicht 62:

Gründe für die Anzeige eines erlittenen Diebstahls (einfacher und schwerer Diebstahl)

Die von den Pbn angegebenen Gründe, warum sie eine Anzeige erstattet haben, sind über die beiden Meûzeitpunkte weitgehend gleich geblieben. 1998 überwogen wie 1986 Versicherungsbedingungen sowie der Wunsch nach Schadensersatz durch den Täter. Auffallend ist allerdings, daû 1998 10,3 % aller Opfer angaben, eine Anzeige aus Pflichtgefühl erstattet zu haben, während dies 1986 lediglich 2,8 % taten. Dieser Unterschied ist statistisch allerdings nicht signifikant (p = 0,25). 2.1.2

Deliktsart und Anzeigemotive

Hypothese 18 besagte, daû sich die Motive, eine Straftat bei der Polizei anzuzeigen, zwischen den einzelnen Delikten systematisch unterscheiden (siehe § 7±4). Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden Diebstahlsdelikte auf der einen sowie (wegen der geringen Fallzahlen) Körperverletzung und Raub auf der anderen Seite zu einer Kategorie zusammengefaût.

12 Untersuchung Bochum II, S. 253.

202

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S. 203

Insgesamt lagen Angaben von 117 Diebstahlsopfern sowie 17 Opfern eines Raubes bzw. einer Körperverletzung vor. Hierbei zeigten sich folgende Unterschiede: Z

Z

Während Schadensersatz durch den Täter sowie die Befolgung bestimmter Versicherungsbedingungen bei den Diebstahlsdelikten zusammen von mehr als zwei Drittel (70, 1 %) aller Opfer als Grund für eine Strafanzeige angegeben wurden, spielten diese Motive bei Raub und Körperverletzung so gut wie keine Rolle (5,9 %). Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p < 0,001). 52,9 % aller Opfer von Raub bzw. Körperverletzung gaben an, Anzeige erstattet zu haben, ¹damit so etwas nicht noch einmal passiertª. Bei den Diebstahlsdelikten waren dies hingegen nur 7,7 %. Auch dieser Unterschied war signifikant (p < 0,001). Aufgrund der Formulierung des Items (¹Damit so etwas nicht noch einmal passiertª) bleibt allerdings unklar, ob die Opfer durch ihre Anzeige weitere Straftaten des gleichen Täters gegenüber sich selbst und anderen Opfern vermeiden wollten oder ob hierbei generalpräventive Gesichtspunkte (Kriminalprävention Ü Glossar) dominierten.

Z

Die ¹Bestrafung des Tätersª wurde ebenfalls von den Raub- bzw. Körperverletzungsopfern deutlich häufiger als Grund für eine Anzeige angegeben als von den Diebstahlsopfern (23,5 % versus 8,5 %). Dieser Unterschied war allerdings (knapp) nicht signifikant (p = 0,06).

Insgesamt zeigte sich somit in der Untersuchung Bochum III in Übereinstimmung mit vielen anderen Untersuchungen (siehe § 7±2), daû Diebstahlsdelikte hauptsächlich aus materiellen Motiven angezeigt werden, während bei Gewaltdelikten Motive wie die Prävention weiterer Straftaten deutlich wichtiger sind. Hypothese 18 konnte somit bestätigt werden. 2.1.3

Subjektive Deliktsschwere und Anzeigemotive

In Hypothese 19 wurde vermutet, daû der ¹Wunsch nach Bestrafung des Tätersª, ¹Präventionª sowie ¹¾rger über die Tatª um so häufiger als Anzeigemotiv genannt werden, je schwerer und belastender eine Straftat durch ein Opfer empfunden wird (siehe § 7±4). Empirisch konnte diese Hypothese jedoch nicht bestätigt werden. Es ergaben sich keine (statistisch signifikanten) Zusammenhänge zwischen der subjektiven Deliktsschwere und den Motiven für eine Strafanzeige. Ein Grund für dieses Ergebnis könnte darin liegen, daû von den meisten Pbn (unabhängig von der subjektiven Schwere der Viktimisierung) ¹Schadensersatz von der Versicherungª bzw. ¹Schadensersatz vom Täterª als Grund für eine Strafanzeige genannt wurden.

203

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2.1.4

S. 204

Allgemeine Strafeinstellungen und Anzeigemotive

Wie schon in den beiden Untersuchungen Bochum I und Bochum II wurden die Pbn auch in der Untersuchung Bochum III danach gefragt, welchen Sinn Freiheitsstrafen nach ihrer Meinung hauptsächlich haben sollten. Übersicht 63 zeigt, wie sich die Strafeinstellungen in der Bochumer Bevölkerung zwischen den drei Meûzeitpunkten 1976, 198713 und 1999 entwickelt haben (hierbei sind aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit diejenigen Pbn nicht berücksichtigt, die angaben, zu dieser Frage keine Meinung zu haben). Übersicht 63:

Der wichtigste Zweck der Freiheitsstrafe aus der Sicht der (Bochumer) Bevölkerung

Der Anteil derjenigen Personen, die den Sinn von Freiheitsstrafen hauptsächlich in der Resozialisierung des Täters sehen, ist über die drei Meûzeitpunkte kontinuierlich gesunken. Waren 1975 mit 70,2 % noch über zwei Drittel aller Befragten dieser Meinung, so war es 1998 mit 42,2 % deutlich weniger als die Hälfte. Demgegenüber hat der Anteil aller Befragten, die den Sinn von Freiheitsstrafen hauptsächlich in Sühne bzw. Vergeltung für die Straftat sowie in der Abschreckung vor weiteren Straftaten sehen, kontinuierlich zugenommen.

13 Für die Werte aus den Untersuchungen Bochum I und II siehe: Schwind, Hans-Dieter: Strafvollzug in der Konsolidierungsphase. In: ZfStrVo, Jg. 37, Heft 5, 1998, S. 259±265.

204

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S. 205

Entgegen Hypothese 20 (siehe § 7±4) ergaben sich jedoch keine Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Einstellung zu bestimmten Strafzwecken und den Motiven eines Opfers, in einem ganz konkreten Fall eine Anzeige zu erstatten. So gaben lediglich 4,0 % aller Opfer, die als wichtigsten Strafzweck ¹Sühne und Vergeltungª genannt hatten, als Motiv für ihre Anzeige an, daû der ¹Täter bestraftª werden sollte. Von den Pbn, die einen der beiden anderen Strafzwecke als wichtiger erachteten, waren es mit 10,4 % in der Tendenz sogar mehr. 7,1 % aller Opfer, die ¹Abschreckungª als den wichtigsten Strafzweck angegeben hatten, gaben an, Anzeige erstattet zu haben, ¹damit so etwas nicht noch mal passiertª. Aber auch Pbn, die einen der beiden anderen Strafzwecke angegeben hatten, nannten dieses Anzeigemotiv in 8,6 % aller Fälle. 2.2

Anzeigeerfahrungen und zukünftige Anzeigeneigung

In den §§ 11 und 12 wird ausführlich auf das Ansehen der Polizei und die Wahrnehmung der Polizei durch Kriminalitätsopfer eingegangen. An dieser Stelle soll Hypothese 21 überprüft werden, nach der die Zufriedenheit eines Kriminalitätsopfers mit der Polizei bei der Meldung einer Straftat seine Bereitschaft beeinfluût, in einem vergleichbaren Fall erneut Anzeige zu erstatten (siehe § 7±4). Zur Messung der allgemeinen Zufriedenheit wurden die Pbn danach gefragt, wie zufrieden sie mit dem Verhalten der Polizei bei der Anzeigenaufnahme gewesen seien (zu den Ergebnissen siehe § 12±3.4.2.1). Ferner wurden alle Pbn, die angaben, Opfer einer Straftat geworden zu sein, danach gefragt, ob sie in einem vergleichbaren Fall wieder eine Anzeige erstatten würden. Hypothese 21 konnte empirisch bestätigt werden: Je zufriedener ein Opfer bei seiner Anzeige mit der Polizei war, desto gröûer war auch seine zukünftige Anzeigebereitschaft (r = 0,19; p < 0,05). Die Polizei ist vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse gut beraten, dem Bürger im Falle einer Anzeigeerstattung ein Gefühl subjektiver Zufriedenheit zu vermitteln, wenn sie daran interessiert ist, auch zukünftig durch die Bürger über erlittene Straftaten informiert zu werden.14 2.3

Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat

2.3.1

Deskriptive Ergebnisse

Wenn ein Pb nach eigenen Angaben eine erlittene Straftat nicht bei der Polizei gemeldet hatte, wurde er danach gefragt, warum er auf eine Anzeige verzichtet hat. 14 In § 12±3.4.2.2 wird eingehend erläutert, wovon die Zufriedenheit eines Opfers bei der Erstattung einer Anzeige abhängt.

205

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Übersicht 64:

S. 206

Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat bei Diebstahlsdelikten (einfacher und schwerer Diebstahl)

206

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S. 207

Hierzu wurden in der face-to-face Befragung den Pbn 16 Kärtchen (in zufälliger Reihenfolge) vorgelegt, auf denen verschiedene Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat aufgeführt waren. Die Pbn wurden gebeten, sich sämtliche Karten (siehe Anhang) anzuschauen und diejenige herauszusuchen, die nach ihrer Meinung am ehesten auf sie zutrifft. Die Pbn der telefonischen Befragung wurden in Form einer offenen Frage darum gebeten, den Grund für ihren Verzicht auf eine Anzeige zu nennen. Anschlieûend wurde die Antwort des Pb durch den Interviewer einer Kategorie zugeordnet. Übersicht 64 zeigt, mit welcher Häufigkeit die verschiedenen Motive in den Untersuchungen Bochum I, Bochum II15 und Bochum III (jeweils bezogen auf Diebstahlsdelikte) genannt wurden. Insgesamt haben sich die Motive, als Opfer eines Diebstahlsdelikts auf eine Anzeige zu verzichten, über die drei Meûzeitpunkte (1975±1986±1998) kaum verändert. Am häufigsten wurde in allen drei Untersuchungen die Geringfügigkeit des Schadens genannt, gefolgt von mangelnder Aussicht auf eine Ergreifung des Täters. Alle anderen Motive wurden hingegen eher selten als Grund für eine Nicht-Anzeige von den Pbn angegeben. ¾hnlich wie bereits in den beiden Untersuchungen Bochum I16 und Bochum II17 wurden diese 16 Gründe für eine Nicht-Anzeige zu fünf Kategorien verdichtet (Übersicht 65). Übersicht 65:

Zuordnung der 16 möglichen Gründe für eine Nicht-Anzeige zu fünf Kategorien Bezeichnung der Kategorie Geringfügigkeit des Schadens

Kennziffern der Einzelmotive 5±8±13±14

Ineffektivität der Strafverfolgungsbehörden

2±3±4

Rücksichtnahme auf den Täter

6±7±11

Persönliche Abneigung gegen Behörden Persönliche Nachteile durch eine Anzeige

12±15±16 1±9±10

15 Untersuchung Bochum II, S. 248 (siehe dort auch die Werte der Untersuchung Bochum I). 16 Pudel in der Untersuchung Bochum I, S. 207. 17 Untersuchung Bochum II, S. 249.

207

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S. 208

Übersicht 66 zeigt die Bedeutung dieser einzelnen Kategorien in den Untersuchungen Bochum I18, Bochum II19 sowie Bochum III. Übersicht 66:

Gründe für die Nicht-Anzeige von Diebstahlsdelikten in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III (zusammengefaût nach Kategorien)

Bei allen drei Untersuchungen wurde von den Pbn die Geringfügigkeit des Schadens am häufigsten genannt. Als zweitwichtigstes Motiv folgten in allen Untersuchungen Gründe, die sich auf die Ineffizienz der Strafverfolgungsbehörden beziehen. Hierbei fällt auf, daû die Bedeutung dieser Kategorie zwischen der Untersuchung Bochum I und Bochum II deutlich zugenommen hat (von 22,2 % auf 32,3 %), seit der Untersuchung Bochum II jedoch keine weitere Zunahme zu verzeichnen ist. Die übrigen drei Kategorien spielten in allen drei Bochumer Untersuchungen hingegen so gut wie keine Rolle. 2.3.2

Deliktsarten und Gründe für Nicht-Anzeige

In Hypothese 22 wurde vermutet, daû sich die Gründe für den Verzicht auf eine Anzeige zwischen Eigentums- und Gewaltdelikten unterscheiden (siehe § 7±4). Diese Hypothese konnte (trotz der geringen Zahl nicht angezeigter Raubtaten und Körperverletzungen) empirisch bestätigt werden. Bei folgenden Motiven zeigten sich signifikante Unterschiede: 18 Pudel in der Untersuchung Bochum I, S. 207. 19 Untersuchung Bochum II, S. 249.

208

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Z

Z

S. 209

Während bei den Diebstahlsdelikten lediglich 1,7 % (n = 3) auf eine Anzeige aus ¹Angst vor dem Täterª verzichteten, waren es bei Raub/Körperverletzungen mit 11,8 % (n = 4) deutlich mehr (p < 0,01). Ebenfalls 11,8 % (n = 4) aller Opfer von Raub/Körperverletzung gaben an, ¹bei Gericht komme in einem solchen Fall nichts herausª, bei Diebstahl glaubten dies hingegen nur 2,9 % (n = 5, p < 0,05).

3

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen

3.1

Bestätigte Hypothesen

H 1:

Die Anzeigebereitschaft ist höher, wenn ein Versicherungsschutz vorliegt.

H 2:

Bei Diebstahlsdelikten ist die Anzeigebereitschaft um so höher, je höher die Schadenssumme ist.

H 4:

Die Anzeigebereitschaft ist um so höher, je schwerer der Schaden wahrgenommen wird.

H 5:

Die subjektive Schwere eines Schadens bei Diebstahlsdelikten ist um so höher, je gröûer der eingetretene Schaden ist.

H 6:

Die subjektive Schwere eines Schadens ist bei schweren Diebstahlsdelikten höher als bei einfachen Diebstahlsdelikten.

H 7:

Die subjektive Schwere eines Schadens ist bei vollendeten Diebstahlsdelikten höher als bei versuchten (wurde mit Einschränkungen bestätigt).

H 11: Die Tendenz, eine erlittene Straftat anzuzeigen, ist um so höher, je leichter dem Opfer eine solche Anzeige subjektiv fällt. H 14: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und dem Alter eines Opfers. H 15: Nicht-Deutsche zeigen eine erlittene Straftat seltener an als Deutsche. H 17: Nicht-deutsche Täter werden nicht häufiger angezeigt als deutsche Täter. H 18: Die Motive zur Anzeige einer Straftat unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Delikten. H 21: Die Bereitschaft, in der Zukunft eine erlittene Straftat anzuzeigen, ist um so gröûer, je zufriedener ein Opfer mit der Polizei bei der Anzeigeerstattung war. H 22: Die Motive, auf die Anzeige einer Straftat zu verzichten, unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Delikten.

209

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3.2

S. 210

Nicht bestätigte Hypothesen

H 3:

Bei Körperverletzungen ist die Anzeigebereitschaft um so höher, je schwerer die objektiven Umstände der Tat waren.

H 8:

Die subjektive Schwere eines Schadens ist bei nicht versicherten Diebstahlsdelikten höher als bei versicherten.

H 9:

Die subjektive Schwere eines Schadens bei einer Körperverletzung ist um so höher, je schwerer die objektiven Umstände der Tat waren.

H 10: Die Tendenz, eine erlittene Straftat anzuzeigen, ist um so niedriger, je höher die Bereitschaft des Opfers zu einer informellen Konfliktregelung ist. H 12: Die Anzeigebereitschaft hängt von der Beziehung zwischen Täter und Opfer ab. H 13: Frauen zeigen erlittene Körperverletzungen häufiger an als Männer. H 16: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem durch das Opfer wahrgenommenen Alter des Täters und der Bereitschaft, eine Straftat anzuzeigen. H 19: Je schwerwiegender das Delikt subjektiv eingestuft wird, desto häufiger wird Bestrafung des Täters, ¾rger über die Tat sowie die Verhinderung weiterer Straftaten durch den Täter als ein Motiv der Anzeige genannt. H 20: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der allgemeinen Einstellung zu den verschiedenen Strafzwecken und den konkreten Gründen zum Anzeigen einer Straftat. 4

Zusammenfassung

4.1

Bestimmungsgründe des Anzeigeverhaltens

Wie in vielen anderen Opferbefragungen zeigte sich auch in der Untersuchung Bochum III, daû die Bereitschaft eines Opfers, eine erlittene Straftat bei der Polizei zu melden, in hohem Maûe von der Deliktsart abhängig ist. Am häufigsten wurden von den Pbn der Untersuchung Bochum III (nach eigener Aussage) Fälle von schwerem Diebstahl angezeigt (61,9 %). Die Anzeigequoten für Fälle von einfachem Diebstahl und Körperverletzungen lagen mit Werten von 21,0 % bzw. 33,3 % hingegen deutlich niedriger. Bemerkenswert erscheint die zunehmende Bedeutung von Versicherungen für das Anzeigeverhalten von Kriminalitätsopfern. Während in der Untersuchung Bochum I keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Anzeigeverhalten von versicherten und nicht versicherten Diebstahlsopfern festgestellt wurden, gab es diesbezüglich in den Untersuchungen Bochum II und (vor allem) Bochum III überaus starke Zusammenhänge zwischen Versicherungsschutz und Anzeigeverhalten. 210

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S. 211

Etwas übertrieben könnte formuliert werden: Wenn ein Diebstahl nicht versichert ist, wird er auch (so gut wie) nie angezeigt. Im Gegensatz zu vielen anderen Studien wurde in der Untersuchung Bochum III explizit zwischen der objektiven Schwere einer Straftat und der vom Opfer wahrgenommenen subjektiven Schwere als Bestimmungsgründe einer Anzeige unterschieden. Diese Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Deliktsschwere erwies sich vor allem bei Körperverletzungen als sinnvoll. Während die Anzeigebereitschaft eines Opfers bei Diebstahlsdelikten in hohem Maûe von objektiven Merkmalen der Tat beeinfluût wurde (z. B. einfacher versus schwerer Diebstahl, Wert des gestohlenen Guts), war das Anzeigeverhalten bei Körperverletzungen einzig von der subjektiven Wahrnehmung der Viktimisierung abhängig. Objektive Merkmale der Tat (wie z. B. einfache versus gefährliche oder schwere Körperverletzungen; Art und Schwere der Verletzungen) beeinfluûten das Anzeigeverhalten hingegen nicht. Die Bereitschaft eines Kriminalitätsopfers, eine erlittene Straftat bei der Polizei anzuzeigen, wurde in der Untersuchung Bochum III auch dadurch beeinfluût, inwiefern ein Opfer sich von seinen Kenntnissen und Kompetenzen hierzu in der Lage fühlt. Dieses Ergebnis impliziert wichtige kriminalpolitische Schluûfolgerungen. So erscheint es sinnvoll, die Bürger in Zukunft stärker als bislang darüber zu informieren, wo und wie sie im Falle einer Viktimisierung bei der Polizei Anzeige erstatten können. Darüber hinaus zeigte sich, daû bestimmte Bevölkerungsgruppen häufiger als andere erlittene Straftaten bei der Polizei anzeigen. Junge Opfer (unter 21 Jahren) zeigten in der Untersuchung Bochum III signifikant seltener eine Straftat an als ältere; deutsche Opfer erstatteten häufiger Strafanzeige als nicht-deutsche. Dieses Ergebnis kann damit erklärt werden, daû sowohl Jüngere als auch NichtDeutsche sich in geringerem Maûe zu einer Anzeige in der Lage fühlten sowie (vor allem) dadurch, daû diese beiden Gruppen gegen erlittene Schäden deutlich seltener versichert waren. Dieser Befund verdeutlicht erneut, welch hohe Bedeutung der Versicherungsausstattung der Bevölkerung für die Anzeigeerstattung zukommt. Von besonderer Bedeutung erscheint ferner, daû nicht-deutsche Täter nicht (signifikant) häufiger angezeigt wurden als deutsche Täter. Dieser empirische Befund verweist darauf, daû die starke Kriminalitätsbelastung von Nicht-Deutschen, wie sie in der PKS ausgewiesen wird, nicht (oder zumindest nicht wesentlich) darauf zurückgeführt werden kann, daû Opfer ihre Entscheidung für oder gegen eine Anzeige von der (vermuteten) Nationalität des Täters abhängig machen. Ebenfalls kriminalpolitisch relevant ist der Befund, daû die Zufriedenheit eines Kriminalitätsopfers mit dem Verhalten der Polizei bei der Anzeigeerstattung die Bereitschaft beeinfluût, in einem ähnlichen Fall erneut Anzeige zu erstatten. Vor diesem Hintergrund erscheint es äuûerst wichtig, alles dafür zu tun, ein Opfer nicht zu enttäuschen, wenn es sich im Falle einer Viktimisierung an die Polizei wendet. 211

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4.2

S. 212

Motivanalyse des Anzeigeverhaltens

Sowohl bei den Motiven, die von den Pbn als Grund für eine Anzeige genannt wurden als auch bei den Motiven, auf eine Anzeige zu verzichten, zeigte sich eine bemerkenswerte Stabilität über die verschiedenen Bochumer Untersuchungen. So wurden bei Diebstahlsdelikten sowohl in der Untersuchung Bochum II als auch in der Untersuchung Bochum III der Wunsch nach ¹Schadensersatz von der Versicherungª bzw. nach ¹Wiedererlangung des gestohlenen Gutsª mit Abstand am häufigsten als Grund für eine Anzeige genannt. Bei Körperverletzungen wurde hingegen in der Untersuchung Bochum III hauptsächlich eine Anzeige erstattet, ¹damit so etwas nicht noch einmal passiertª. Die Gründe, aus denen bei einer Körperverletzung eine Anzeige erfolgte, unterschieden sich hierbei nicht zwischen Viktimisierungen, die von den Opfern subjektiv als ¹leichtª bzw. ¹schwerª empfunden wurden. Wie schon in den Untersuchungen Bochum I und Bochum II wurden die Pbn auch in der Untersuchung Bochum III danach gefragt, welchen Sinn ihrer Meinung nach Freiheitsstrafen in erster Linie haben sollten (Sühne und Vergeltung oder Abschreckung oder Resozialisierung). Über die drei Meûzeitpunkte zeigte sich eine stetige Abnahme des Anteils der Pbn, die den Sinn einer Freiheitsstrafe vor allem in der Wiedereingliederung und Besserung des Täters (Resozialisierung) sehen, während die beiden anderen Strafzwecke in ihrer Bedeutung stetig zugenommen haben. Auf die kriminalpolitischen Schluûfolgerungen, die sich aus dieser Beobachtung ziehen lassen, soll an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen werden. Zwischen der Präferenz für einen bestimmten Strafzweck und den Motiven eines Opfers, in einem ganz konkreten Fall eine Straftat bei der Polizei anzuzeigen, ergaben sich jedoch keine signifikanten Zusammenhänge. Die Motive, im Falle einer Viktimisierung auf eine Strafanzeige zu verzichten, wurden in der Untersuchung Bochum III in identischer Form erfaût wie schon in den beiden vorausgegangenen Untersuchungen. Über die drei Meûzeitpunkte ergaben sich so gut wie keine Veränderungen in der Häufigkeit der unterschiedlichen Nennungen. So wurde in allen drei Bochumer Untersuchungen die Geringfügigkeit des Schadens am häufigsten als Grund für eine Nicht-Anzeige genannt, jeweils gefolgt von einer vermuteten ¹Ineffektivität der Strafverfolgungsbehördenª. Grundsätzlich kann somit festgehalten werden: Z

In den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III ergaben sich nur geringfügige Veränderungen hinsichtlich der von den Kriminalitätsopfern geäuûerten Motive, erlittene Straftaten bei der Polizei anzuzeigen bzw. auf eine solche Anzeige zu verzichten. Diese Aussage ist deshalb möglich, weil in allen drei Bochumer Untersuchungen die Motive für eine Anzeige (bzw. Nicht-Anzeige) mit der gleichen Frage erhoben worden sind.

212

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Z

S. 213

Darüber hinaus ist vor allem auffällig, daû der Versicherungsausstattung eines (Diebstahls-)Opfers eine immer gröûere Bedeutung zukommt. Liegt eine Versicherung vor, wird (um bestimmten Versicherungsbedingungen zu genügen) fast immer angezeigt; liegt keine Versicherung vor, wird jedoch in aller Regel auf eine Anzeige verzichtet.

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S. 215

Vierter Teil: Kriminalitätsfurcht §9

Bisherige Untersuchungen zur Kriminalitätsfurcht (Sekundäranalyse)

Gliederung 1

Kriminalpolitische Relevanz von Kriminalitätsfurcht(erhebungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

2 2.1

Begriff der Kriminalitätsfurcht und ihre Operationalisierung Die affektive (gefühlsbezogene) Komponente und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die kognitive (verstandesbezogene) Komponente und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Kriminalitätseinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Viktimisierungserwartung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die konative (verhaltensbezogene) Komponente und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Abhängigkeiten der Komponenten untereinander . . . . . . . . . . .

223 225

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4

Aktueller Forschungsstand zur Kriminalitätsfurcht . . . . Soziodemographische Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kriminalitäts-Furcht-Paradox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozio-ökonomischer Status (Bildung/Schichtzugehörigkeit) . Viktimisierungsperspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich Opfer ± Nicht-Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluû der objektiven Schwere der Opfererfahrung . . . . . . Erläuterung der widersprüchlichen Resultate . . . . . . . . . . . Ökologische Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Destabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriminalitätsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Straûenbeleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 228 228 230 232 233 234 234 236 237 238 239 240 242 242

4

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

5

Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

. . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

218 219 221 221 223

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Schon seit den 60 er Jahren wird (vor allem in den USA) versucht, durch Opferbefragungen ein umfassendes Bild über die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung zu gewinnen. In den USA gab die im Jahr 1965 berufene sog. Katzenbach-Kommission1 ab 1966 Studien in Auftrag, die sich erstmalig mit dem Zusammenhang von Opferwerdung und Kriminalitätsfurcht auseinandersetzten.2 Boers3 bezeichnet das wachsende Interesse an Kriminalitätsopfern in diesen Jahren auch als ¹Geburtsstunde der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Kriminalitätsfurchtª. Die damals entstandenen sog. ¹National Crime Surveysª (NCS) werden noch heute durchgeführt. Sie besitzen für den internationalen Vergleich der Dunkelfeldforschung und insbesondere der Kriminalitätsfurcht einige Relevanz.4 In Deutschland fand dieses Forschungsgebiet während der 70 er und 80 er Jahre nur wenig wissenschaftliches Interesse. Ausnahmen bildeten die Stuttgarter Opferbefragung 19735 sowie die Bochumer Befragungen 19766 und 19877. Erst seit der politischen Wende im November 1989 häufen sich die Kriminalitätsbefragungen, in denen auch die Kriminalitätsfurcht verstärkt untersucht wird.8 1

Kriminalpolitische Relevanz von Kriminalitätsfurcht(erhebungen)

Kriminalitätsfurcht ist auch aus kriminalpolitischer Sicht bedeutsam, da sie das VertrauenderBevölkerungindieDurchsetzungskraftdesRechtsstaatsherabsetzenkann. Denn Teile der Bevölkerung gehen zutreffend davon aus, daû dem Gewaltmonopol des Staates die Schutzverpflichtung9 bzw. (Gegen-)Verpflichtung entspricht, ¹dem Bürger ein Leben ohne Angst vor tatsächlicher oder vermeintlicher Bedrohungª10

1 Das war die von Katzenbach geleitete amerikanische ¹President's Commission on Law Enforcement and Administration of Justiceª (Arnold, Harald: Kriminelle Viktimisierung und ihre Korrelate. In: ZStW, Jg. 98, Heft 4, 1986, S. 1016; Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 18 ff). 2 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 1), S. 18 f, 24. 3 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. In: MschrKrim, Jg. 76, Heft 2, 1993, S. 66. 4 Kreuzer, Arthur: Kriminologische Dunkelfeldforschung. In: NStZ, Jg. 14, Heft 1, 1994, S. 14 f. 5 Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976. 6 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I). 7 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/ 87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II). 8 Beispiele sind die Studien von: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992; Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995; Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997; Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998; Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999. 9 Isensee, Josef: Das Grundrecht auf Sicherheit. Berlin 1983, S. 27. 10 Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 387.

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zu ermöglichen.11 So trägt nach Kerner12 der Staat die Verantwortung, dafür zu sorgen, ¹daû die Bürger nicht nur tatsächlich abends sicher auf die Straûe gehen können, sondern es auch glauben, daû sie es könnenª. Darüber hinaus werden weitere kriminalpolitisch relevante Aspekte mit der Kriminalitätsfurcht in Zusammenhang gebracht: Z

Vertrauensverluste könnten zu sinkendem Ansehen der Polizei und einer reduzierten Bereitschaft der Bevölkerung führen, bei der Kriminalitätsaufklärung und -prävention (Kriminalprävention Ü Glossar) zu helfen. 13

Z

Um sich zu schützen, zeigt ein Teil der Bevölkerung nicht selten Vermeidungsverhalten und ergreift Abwehrmaûnahmen (z. B. wird das Aufsuchen bestimmter Orte vermieden oder die Fenster der Wohnung werden vergittert; vgl. unter Punkt 2.3). Unter anderem aus diesem Grund wird Kriminalitätsfurcht häufig als Einbuûe an Lebensqualität gesehen. 14

Z

Darüber hinaus wird vermutet, daû im Extremfall Tendenzen zu Selbst- und Prangerjustiz oder die Bildung von Bürgerwehren folgen können 15, die wiederum den inneren Frieden des Staates gefährden. 16

Korinek17 warnt jedoch, daû bei starker Dramatisierung der Kriminalitätsfurcht durch die Politik entsprechende Befürchtungen noch verstärkt werden können. Boers18 glaubt, daû solche Auswirkungen z. T. sogar gewollt sind, um repressive Maûnahmen begründen zu können. Auch weitere Autoren19 vermuten, daû manche

11 Zum staatlichen Gewaltmonopol vgl. die deutsche Anti-Gewaltkommission: Schwind, Hans-Dieter/ Baumann, Jürgen u. a. (Hg.): Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt. Berlin 1990, S. 49 ff. 12 Kerner, Hans-Jürgen: Verbrechensfurcht und Viktimisierung. In: Haesler, Walter T. (Hg.): Viktimologie. Diesenhofen 1986, S. 155. 13 Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 387. 14 Arzt, Gunther: Ursachen und Folgen der Kriminalitätsfurcht. In: Juristische Blätter, Jg. 100, Heft 7/ 8, 1978, S. 181; Arnold, Harald: Kriminelle Viktimisierung und ihre Korrelate. In: ZStW, Jg. 98, Heft 4, 1986, S. 1048; Walter, Michael: Von einem realen zu einem imaginären Kriminalitätsverständnis? In: ZfStrVo, Jg. 44, Heft 2, 1995, S. 67; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 26. 15 Arzt, Gunther, a. a. O. (FN 14); Kaiser, Günther: Groûmutterfall. In: Kaiser, Günther/Schöch, Heinz (Hg.): Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug. München 1994 (4. Aufl.), S. 66. 16 Kunz, Karl-Ludwig: Die Verbrechensfurcht als Gegenstand der Kriminologie. In: MschrKrim, Jg. 66, Heft 3, 1983, S. 170 f; Kaiser, Günther: Groûmutterfall. In: Kaiser, Günther/Schöch, Heinz (Hg.): Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug. München 1994 (4. Aufl.), S. 67. 17 Korinek, Lµszló: Verbrechensfurcht und deren Folgen in Mittel-Ost-Europa. In: Kriminalistik, Jg. 50, Heft 7, 1996, S. 458. 18 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. In: MschrKrim, Jg. 76, Heft 2, 1993, S. 65; ebenso Kaiser, Günther, a. a. O. (FN 16), S. 59; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Zur Messung der Kriminalitätsbelastung. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 10, 1998, S. 618. 19 Arzt, Gunther: Der Ruf nach Recht und Ordnung. Tübingen 1976, S. 33 f; Kunz, Karl-Ludwig: Die Verbrechensfurcht als Gegenstand der Kriminologie. In: MschrKrim, Jg. 66, Heft 3, 1983, S. 163 f; Smaus, Gerlinda: Das Strafrecht und die Kriminalität in der Alltagssprache der deutschen Bevölkerung. Opladen 1985, S. 121 ff.

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Politiker verzerrte, selektive und sensationsorientierte Berichterstattung in den Medien über Kriminalitätsfurcht zur Durchsetzung eigener Ziele einsetzen.20 Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Paragraphen nach einer kurzen Begriffsbestimmung und der Beschreibung der Komponenten der Kriminalitätsfurcht sowie ihrer Operationalisierung Ausschnitte aus dem aktuellen Forschungsstand zur Kriminalitätsfurcht geschildert. Abschlieûend folgen die Hypothesen für die Untersuchung Bochum III. 2

Begriff der Kriminalitätsfurcht und ihre Operationalisierung

Ganz allgemein wird Kriminalitätsfurcht in Befragungen als subjektive Reaktion gegenüber Kriminalität verstanden.21 Bei genauerem Hinsehen findet der Begriff jedoch keine einheitliche Verwendung, was sich auch auf die empirische Erfassung der Kriminalitätsfurcht auswirkt. So wurde in der Untersuchung Bochum I Kriminalitätsfurcht erstmalig als ein Konstrukt verstanden, das aus drei Komponenten zusammengesetzt ist: einer affektiven (gefühlsbezogenen), einer kognitiven (verstandesbezogenen) und einer konativen (verhaltensbezogenen) Komponente.22 Dort konnte gezeigt werden, daû diese Komponenten drei voneinander trennbare Dimensionen der Kriminalitätsfurcht sind (vgl. dazu auch Punkt 2.4). Seitdem werden sie ± häufig kommentarlos ± in vielen Untersuchungen (zumindest ähnlich) übernommen.23 Auch Wetzels u. a.24 begreifen Kriminalitätsfurcht als ein aus verschiedenen Komponenten bestehendes Gefüge. Dabei verneinen die Autoren jedoch das Vorliegen von kausalen Zusammenhängen zwischen den unterschiedlichen Dimensionen. Dem widerspricht Winkel25, der von kausalen Zusammenhängen zwischen der kognitiven und affektiven Komponente ausgeht. Boers26 hingegen faût den Begriff der ¹Kriminalitätsfurchtª rein affektiv auf. Dennoch unterscheidet auch er zwi20 Dabei macht Sessar darauf aufmerksam, daû auf der Basis von Resultaten aus Opferstudien das häufig angeführte rigide Strafbedürfnis der Bevölkerung und insbesondere der Kriminalitätsopfer zunehmend in Frage gestellt werden muû (Sessar, Klaus: Zum Sinn künftiger Opferbefragungen. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 161). 21 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. In: MschrKrim, Jg. 76, Heft 2, 1993, S. 65. 22 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 310 ff. 23 So z. B. von Fattah, Ezzat A./Sacco, Vincent F.: Crime and Victimization of the Elderly. New York 1989, S. 207 ff oder auch von Kunz, Karl-Ludwig: Die Verbrechensfurcht als Gegenstand der Kriminologie. In: MschrKrim, Jg. 66, Heft 3, 1983, S. 164 und Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 215 ff, 222. 24 Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 23), S. 222. 25 Winkel, Frans Willem: Fear of Crime and Criminal Victimization. In: Brit. J.Criminol., 38 (3), 1998, S. 473 f. 26 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 207 ff; Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. In: MschrKrim, Jg. 76, Heft 2, 1993, S. 74 ff; Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 188 ff.

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schen den drei Komponenten, dies jedoch unter dem Oberbegriff der ¹personalen Kriminalitätseinstellungenª.27 2.1

Die affektive (gefühlsbezogene) Komponente und ihre Operationalisierung

Die affektive Komponente wird meist mit dem allgemeinen Unsicherheitsgefühl gleichgesetzt. Bereits Gefeller/Trudewind28 vertraten die Ansicht: ¹Die affektive Komponente . . . kommt am ehesten zum Ausdruck in einer globalen Aussage über das allgemeine Gefühl der Sicherheit bzw. Unsicherheit, das man in seiner alltäglichen Umwelt erlebtª. Von diesem deliktsunspezifischen Unsicherheitsgefühl abzugrenzen ist die Viktimisierungsfurcht, das heiût die Furcht29, selbst Opfer einer spezifischen Straftat zu werden. Dieser Aspekt der affektiven Komponente wird in einigen Untersuchungen30 zusätzlich erfaût. Erfaût wird das Unsicherheitsgefühl überwiegend mittels der sog. Standardfrage: ¹Wie sicher fühlen Sie sich nachts hier in Ihrer Wohngegend, wenn Sie alleine sind?ª Diese Form der Operationalisierung ist zwar umstritten 31, es konnte jedoch empirisch nachgewiesen werden, daû durch die Standardfrage valide (Validität Ü Glossar) ¹persönlich bedrohliche (Kriminal-)Gefahrenª 32 erfragt werden können. Überdies sind durch den wiederholten Einsatz der Standardfrage Zeitreihen für einen Langzeitvergleich verfügbar 33, und es wird möglich, unterschiedliche Studien zu vergleichen. In den Bochumer Untersuchungen wird zusätzlich zwischen dem Unsicherheitsgefühl innerhalb und auûerhalb der Wohnung sowie tagsüber und nachts unter27 Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 26), S. 191. 28 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 312. 29 Häufig werden in der Literatur die Begriffe ¹Angstª und ¹Furchtª synonym gebraucht. Nach Jaspers kann jedoch unterschieden werden: Angst ist gegenstandslos, d. h. keiner konkreten Bedrohung zuzuordnen, während Furcht auf eine bestimmte Gefahr gerichtet ist (Jaspers, Karl: Allgemeine Psychopathologie. Berlin 1965 (8. Aufl.), S. 95). 30 So z. B. in der Untersuchung Bochum II sowie bei Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995; Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997. 31 Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und Innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 189 ff; Ferraro, Kenneth F./LaGrange, Randy: The Measurement of Fear of Crime. In: Sociological Inquiry, 1987, S. 76 ff; Kreuzer, Arthur: Kriminologische Dunkelfeldforschung. In: NStZ, Jg. 14, Heft 1, 1994, S. 15; Sessar, Klaus: Zum Sinn künftiger Opferbefragungen. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 162 f; Bilsky, Wolfgang: Die Bedeutung von Furcht vor Kriminalität in Ost und West. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 5, 1996, S. 363 f; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 26. 32 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 284. 33 Reuband, Karl-Heinz: Die Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1987. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 6, 1989, S. 471.

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schieden. Für diese Differenzierung der Standardfrage sprechen Resultate von Warr34. Er konnte zeigen, daû die Situationsmerkmale ¹allein seinª, ¹Dunkelheitª und ¹Unbekanntheitª als Gefahrensignale wirken. Demnach lösen sie in weit gröûerem Maûe bei einer Person Furcht aus als die situativen Bedingungen ¹in Begleitung seinª, ¹Helligkeitª und ¹Bekanntheit der Gegendª. Die Standardfrage umfaût sämtliche dieser drei Aspekte, wenn sie nach den Unsicherheitsgefühlen nachts allein auûerhalb der Wohnung fragt. Demzufolge ist es wenig auffällig, daû auf diese Weise starke Unsicherheitsgefühle gemessen werden. Die Ergebnisse der hier ausgewerteten Untersuchungen zum Unsicherheitsgefühl differieren z. T. erheblich. Vor allem räumliche Unterschiede spielen dabei eine Rolle: So fühlen sich Bewohner von Groûstädten wesentlich unsicherer als Bewohner aus ländlichen Gebieten und Kleinstädten.35 Zudem zeigen die Resultate, daû das Unsicherheitsgefühl in den neuen Bundesländern deutlich stärker ist als in den alten Bundesländern.36 Im Langzeitvergleich37 kann jedoch kein kontinuierlicher Anstieg festgestellt werden. So berichtet Reuband38 über Resultate verschiedener Studien zum nächtlichen Unsicherheitsgefühl zwischen 1965 und 1992. Dabei war ein (leichter) Anstieg lediglich Mitte der 70 er Jahre zu verzeichnen, bis Anfang der 80 er Jahre ging das Unsicherheitsgefühl zurück und ist seitdem verhältnismäûig konstant.39 Auch in weiteren Untersuchungen40 zeigten sich in den 90 er Jahren nur geringe Veränderungen des Unsicherheitsgefühls. 34 Warr, Mark: Dangerous Situations. In: Social Forces, 68 (3), 1990, S. 891±907. 35 So berichtet z. B. Dörmann bezogen auf das Jahr 1998 über einen Anteil von 20 % unsicheren (¹ziemlich unsicherª und ¹sehr unsicherª) Pbn aus Gemeinden unter 20.000 Einwohnern, während dieser Anteil bei gröûeren Städten (je nach Stadtgröûe) zwischen 31 % und 36 % lag (Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 28). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Kury u. a. im Jahr 1990 (Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 242). Vgl. dazu auch unter Punkt 3.3. 36 So fühlten sich 8 % der Pbn 1990 in den neuen Bundesländern ¹sehr unsicherª gegenüber 4 % in den alten Bundesländern; 1994 bzw. 1998 waren dies 19 % bzw. 10 % in den neuen gegenüber 6 % in den alten Bundesländern (Dörmann, Uwe, a. a. O. (FN 35), S. 26). 37 Hierbei ist zu berücksichtigen, daû ein Langzeitvergleich nur eingeschränkt möglich ist. Der Wortlaut der ¹Standardfrageª differiert leicht zwischen verschiedenen Studien und die Untersuchungen unterscheiden sich durch unterschiedliche Arten der Stichproben (Gröûe, Auswahlverfahren) und Befragungsmethoden. Daher wurden vor allem solche Studien zum Langzeitvergleich herangezogen, die über mehrere Jahresmeûpunkte durchgeführt wurden. 38 Reuband, Karl-Heinz: Veränderungen in der Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1993. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 42 f. 39 Zu ähnlichen Resultaten für den Bereich der alten Bundesländer (allerdings mit Rückgang am Ende der 80 er Jahre) kamen auch Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 198. 40 So bei Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 39), S. 199 f in den alten Bundesländern 1993 und 1995; Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 26 in den alten Bundesländern 1990, 1994 und 1998; Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 7 für die Schweiz. ¾hnlich auch in einer Studie der R+V-Versicherung, in der jedoch die Fragestellung anders war (erfragt wurde die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, im Kontext von ¾ngsten vor anderen allgemeinen

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Diese Stagnation des Unsicherheitsgefühls in den letzten Jahren erscheint vor dem Hintergrund auffällig, daû nach PKS-Angaben (bei leichtem Rückgang der Gesamtkriminalität41) die Gewaltkriminalität in diesem Zeitraum zugenommen hat (zur Relativierung der PKS-Zahlen vgl. § 5±2.5 und § 6±5).42 Das Unsicherheitsgefühl scheint somit nicht maûgeblich durch die Veränderung der Kriminalitätsrate geprägt zu sein (vgl. dazu auch unter Punkt 3.3.2).43 2.2

Die kognitive (verstandesbezogene) Komponente und ihre Operationalisierung

Die verstandesbezogene Komponente der Kriminalitätsfurcht wird auf verschiedenen Ebenen erfaût, nämlich durch Kriminalitätseinschätzungen und die Viktimisierungserwartung. 2.2.1

Kriminalitätseinschätzung

Die Kriminalitätseinschätzung kann durch verschiedene Fragen erhoben werden: Z

Wie nehmen die Befragten die Kriminalität bezogen auf die Gesellschaft als Ganzes wahr? Dieser Gesichtspunkt wird als ¹Problembewuûtsein Kriminalitätª44 verstanden und häufig erfaût, indem der Rangplatz der Kriminalität im Vergleich zu anderen sozialen Problemen (z. B. Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit) oder verschiedene Problemfelder hinsichtlich ihrer Schwere eingestuft werden sollen. Die Antworten der Befragten sind wiederum von der Art der Fragestellung abhängig: Bei offener Fragestellung (ohne Antwortvorgabe) hat sich gezeigt, daû Kriminalität von der Bevölkerung nicht als vorrangiges Problem gesehen wird. Bei geschlossener Fragestellung (mit Antwortvorgabe in Form einer Liste wichtiger Probleme) wird die Relevanz weit höher eingestuft. 45

41 42

43

44 45

Lebensrisiken: R+V-Versicherung: Die ¾ngste der Deutschen 1991 bis 1998; die Zahlen wurden uns durch Herrn U. Frieling per E-Mail im November 1999 zur Verfügung gestellt). Vgl. Übersicht 20 in § 3±1.2. Seit Mitte der 80 er Jahre sind die Häufigkeitszahlen (Hz Ü Glossar) der Gewaltkriminalität um fast 35 % gestiegen, seit 1990 um etwa 30 %; dabei hat sich jedoch seit Mitte der 90 er Jahre die Zunahme stetig verringert, von 1997 bis 1998 ist die Hz sogar gleich geblieben (vgl. BKA (Hg.): PKS 1985± 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1986±1999). Vgl. dazu auch allgemein § 3±1. Anders jedoch Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 203: Sie führen die hohen Unsicherheitsgefühle in den neuen Bundesländern unter anderem auf den sprunghaften Anstieg der Gewaltkriminalität nach der Wende zurück. Allerdings konnten sie ebenfalls keinen Zusammenhang mit dem absoluten Kriminalitätsniveau ausmachen. Smaus, Gerlinda: Das Strafrecht und die Kriminalität in der Alltagssprache der deutschen Bevölkerung. Opladen 1985, S. 117 ff. Untersuchung Bochum II, S. 138; Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 267 f.

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Bei einer Betrachtung neuerer Studien fällt auf, daû die Kriminalität deutlich weniger als Problem angesehen wird als andere allgemeine soziale Probleme. So rangierte 1998 die Furcht, Opfer einer Straftat zu werden auf Rang 12 (bei 15 angegebenen Lebensrisiken) weit hinter der Sorge vor Arbeitslosigkeit oder dem Anstieg der Lebenshaltungskosten und hinter der Furcht vor Umweltzerstörung. 46 Z

Wie schätzen die Pbn die Kriminalitätsentwicklung auf nationaler und lokaler Ebene (Bundesrepublik bzw. Stadt) sowie in der eigenen Wohngegend ein? Die Antworten sind hier grundsätzlich abhängig vom erfragten Radius um die unmittelbare Wohngegend (¹Verbrechen-auf-Distanz-Phänomenª47). In den einbezogenen Studien 48 zeigte sich zumeist, daû eine Zunahme der Kriminalität vor allem im Bereich der Bundesrepublik angenommen wurde, weniger schon auf regionaler Ebene und mit Abstand am wenigsten für die eigene Wohngegend. Diese räumliche Differenzierung war bei allen Delikten feststellbar: Kriminalität wird also eher als nationales Problem gesehen, während ihr Auftreten im eigenen Wohngebiet wesentlich niedriger eingeschätzt wird. 49

Z

Wie wird die absolute und relative Häufigkeit bestimmter Deliktsarten (z. B. Mord und Totschlag, Raub, Körperverletzung) eingeschätzt? Hintergrund dieser neueren Erfassungsart der Kriminalitätseinschätzung ist der Befund, daû Pbn, von denen die tatsächlichen Vorkommenshäufigkeiten (stark) überschätzt werden, insgesamt ein stärkeres Unsicherheitsgefühl aufweisen.50 So überschätzten Bochumer Jurastudenten den prozentualen Anteil von Mord und Totschlag an der Gesamtkriminalität um den Faktor 250, d. h. die Befragten nahmen an, daû 250 mal mehr Tötungsdelikte bei der Polizei bekannt wurden, als das tatsächlich der Fall war. Bei Raubdelikten ergab sich eine Überschätzung um den Faktor 18 und bei Körperverletzungen immerhin noch um den Faktor 12,5. 51

46 R+V-Versicherung: Die ¾ngste der Deutschen 1998 (die Zahlen wurden uns durch Herrn U. Frieling per E-Mail im November 1999 zur Verfügung gestellt). Etwas höher (auf den Rängen vier bzw. fünf von insgesamt 16 sozialen Problemen) eingestuft wurde die Sorge um die Kriminalitätsentwicklung in den alten Bundesländern 1993 bzw. 1995 (Rangfolge der Angabe ¹sehr beunruhigtª bei Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 217). 47 Schneider, Hans Joachim: Bedrohung durch Kriminalität. In: Jura, Jg. 18, Heft 11, 1996, S. 586. 48 Untersuchung Bochum II, S. 160 ff. Ebenso Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 77 für die alten Bundesländer (in den neuen Bundesländern ergaben sich bei bestimmten Delikten entgegengesetzte Ergebnisse). Zu anderen Resultaten kam Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 166. 49 Untersuchung Bochum II, S. 162. 50 Fetchenhauer, Detlef: ¹Hinter jedem Baum ein Mörder?ª Bochum 1999, S. 25 f. 51 Fetchenhauer, Detlef, a. a. O. (FN 50), S. 20.

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2.2.2

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Viktimisierungserwartung

Eine weitere kognitive Dimension der Kriminalitätsfurcht ist die Viktimisierungserwartung, das heiût die subjektiv angenommene Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Zeitraum (meist innerhalb der folgenden 12 Monate) Opfer einer Straftat zu werden. Dabei wird in der Regel zwischen unterschiedlichen Deliktsarten differenziert. Je nach Deliktsart wurden in den ausgewerteten Studien unterschiedliche Schätzungen abgegeben. So hielten regelmäûig weniger Pbn eine Körperverletzung für wahrscheinlich als einen Raub oder einen Diebstahl.52 Insoweit sind jedoch deutliche Differenzen im Ausmaû der Viktimisierungserwartung zwischen den verschiedenen Studien auszumachen53, die z. T. allerdings auf unterschiedlichen Operationalisierungen beruhen (vgl. dazu schon § 5±1.1).54 Die Erfassung der Viktimisierungserwartung im Hinblick auf ein bestimmtes Delikt erfolgt häufig dadurch, daû die Pbn auf einer fünf- (oder sieben-)stufigen Skala angeben sollen, für wie wahrscheinlich sie es halten (innerhalb der nächsten 12 Monate) dem betreffenden Delikt zum Opfer zu fallen. Solche Skalen werden ¹Likert-Skalenª genannt.55 2.3

Die konative (verhaltensbezogene) Komponente und ihre Operationalisierung

Unter der konativen Komponente der Kriminalitätsfurcht werden die von einem Individuum getroffenen Schutzmaûnahmen vor möglichen Straftaten verstanden, die als Reaktion auf persönliche Unsicherheitsgefühle oder Viktimisierungserwartungen getroffen werden. Hierbei lassen sich zwei Arten von Verhaltensweisen unterscheiden: Z

das Vermeidungsverhalten (z. B. nicht mit Fremden sprechen, abends nicht weggehen): Die Person versucht passiv, möglichen Gefahren auszuweichen und

52 So bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 254; Kury, Helmut/ObergfellFuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 27. ¾hnlich bei Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 199 ff (allerdings ohne Diebstahl und nicht bezogen auf alle Wohnortgröûen). 53 So schwankten die Angaben zu der Viktimisierungserwartung bzgl. eines Diebstahls (¹sehr wahrscheinlichª und ¹wahrscheinlichª) zwischen über 50 % (in Hamburg 1984/85 bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 254) und 22 % (in den alten Bundesländern 1995 bei Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim, a. a. O. (FN 52)). 54 So unterscheiden sich die Studien hinsichtlich der Fragenformulierung und der erfaûten Delikte, da jeweils andere Delikte in einer Frage zusammengefaût wurden. Zudem beziehen sich die Untersuchungen auf verschiedene räumliche Einheiten. Daneben sind weitere Unterschiede zu berücksichtigen, z. B. hinsichtlich der Befragungsarten und Rücklaufquoten. 55 Zur Problematik solcher Likert-Skalen vgl. Fetchenhauer, Detlef: Do people over- or underestimate their personal risk of becoming a victim of crime? Toronto 1999.

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Z

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die Ergreifung von Abwehrmaûnahmen (z. B. das Anschaffen einer Waffe oder der Einbau von Fenstergittern): Die Person sorgt aktiv für Schutz.

Häufig wird auf die möglichen (negativen) Konsequenzen sowohl des Vermeidungsverhaltens als auch der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen hingewiesen.56 Vermeidungsverhalten schlieût immer eine verminderte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ein und bedeutet damit in vielen Fällen soziale Isolation und eine Einschränkung der Lebensqualität. Darüber hinaus wird dadurch auch die Kriminalität begünstigt: Wenn sich weniger Menschen auf den Straûen aufhalten, ist vor allem nachts die soziale Kontrolle über potentielle Täter reduziert. 57 Durch die Ergreifung von Abwehrmaûnahmen kann es zu einer Verlagerung der Kriminalität kommen. Wenn sich lediglich finanziell Bessergestellte die Anschaffung von Schutz- und Sicherungsmaûnahmen leisten können, wird sich Delinquenz auf sozial Schwächere verschieben (These vom bloûen Verdrängungseffekt). 58 Relativ einheitlich wird in den einbezogenen Studien darüber berichtet, daû ein groûer Anteil der Pbn Vermeidungsverhalten zeigt. Das am häufigsten geschilderte Verhalten ist das Meiden bestimmter Gegenden. Mindestens ein Drittel der Pbn 59 gab dieses Verhalten an, meist jedoch rund die Hälfte 60, vereinzelt sogar zwei Drittel 61 der Befragten. Daneben wird häufig von den Pbn berichtet, daû sie Gruppen herumstehender Jugendlicher oder Fremden ausweichen. 62 56 Kunz, Karl-Ludwig: Die Verbrechensfurcht als Gegenstand der Kriminologie. In: MschrKrim, Jg. 66, Heft 3, 1983, S. 170 f. Anders Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 79: ¹Vorsichtsmaûnahmenª werden ¹überwiegend als normal und keinesfalls als Beeinträchtigung der Lebensqualität empfundenª. 57 So z. B. Kunz, Karl-Ludwig, a. a. O. (FN 56), S. 164; Smaus, Gerlinda: Das Strafrecht und die Kriminalität in der Alltagssprache der deutschen Bevölkerung. Opladen 1985, S. 129; Reuband, KarlHeinz: Die Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1987. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 6, 1989, S. 470. 58 Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 394. 59 So Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/Obb. 1995, S. 44 für 1994 in Ravensburg/Weingarten und etwas höher in Freiburg. ¾hnlich auch Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 27 für die alten und neuen Bundesländer 1990. 60 So in der Untersuchung Bochum II, S. 168. Über ähnliche Resultate berichten Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 205 in den alten und neuen Bundesländern zwischen 1991 und 1995 (¹häufigª und ¹immerª); Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim, a. a. O. (FN 59) im Jahr 1995 in den alten und neuen Bundesländern; Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 2 in der Schweiz 1998. 61 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 301 f; ebenso bei Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 169. 62 Dieses Verhalten zeigten zwischen 1991 und 1995 in den alten und neuen Bundesländern über ein Drittel bis hin zur Hälfte der Pbn: Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 60).

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Auch bezogen auf die Ergreifung von Abwehrmaûnahmen gleichen sich die Resultate der ausgewerteten Studien überwiegend. Übereinstimmend wird von einem sehr groûen Anteil (zwischen 80 % und 90 %) der Pbn berichtet, die ihr Fahrzeug (Kraftfahrzeug bzw. Fahrrad) selbst für kurze Zeit immer sorgfältig abschlieûen. 63 Zwischen knapp 40 % und 50 % der Pbn gaben an, zusätzliche Sicherungen an ihren Wohnungen bzw. Häusern angebracht zu haben. 64 Zusammenfassend ist zu sagen, daû nach den Ergebnissen der ausgewerteten Forschung ein Groûteil der Befragten Maûnahmen zur Wohnungs-/ Haussicherung ergriffen hat. Besondere (und z. T. teure) Sicherungsmaûnahmen (wie z. B. der Einbau einer Alarmanlage) wurden jedoch nur von einem kleinen Anteil der Pbn angewendet.65 2.4

Abhängigkeiten der Komponenten untereinander

Obwohl es sich bei den einzelnen Komponenten der Kriminalitätsfurcht um trennbare Dimensionen eines Konstruktes handelt (vgl. unter Punkt 2), lassen sich dennoch gegenseitige Einflüsse zeigen. So bestehen einerseits Zusammenhänge zwischen der affektiven Komponente (vor allem dem Unsicherheitsgefühl) und der kognitiven Komponente. Es zeigten sich relativ starke Korrelationen zwischen der Viktimisierungserwartung (insbesondere bezogen auf Gewaltdelikte) und dem Unsicherheitsgefühl.66 Zudem konnte wie schon erwähnt (vgl. Punkt 2.2.1) nachgewiesen werden, daû eine (starke) Überschätzung der Häufigkeit bestimmter Delikte sowohl das Unsicherheitsgefühl als auch die Viktimisierungserwartung steigert. 67 Darüber hinaus hängt das Unsicherheitsgefühl mit der konativen Komponente zusammen; hier liegen aus den einbezogenen Studien nahezu übereinstimmende Re-

63 So in der Untersuchung Bochum II, S. 167, bei Boers, Klaus, a. a. O. (FN 61), S. 300 und Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 298 (allerdings nur bezogen auf Kraftfahrzeuge und Befragte in den alten Bundesländern). 64 Untersuchung Bochum II, S. 167; Boers, Klaus, a. a. O. (FN 61), S. 300 f; Kury, Helmut u. a., a. a. O. (FN 63) sowie Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 62. 65 So auch Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 301. 66 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 325; Arnold, Harald: Kriminelle Viktimisierung und ihre Korrelate. In: ZStW, Jg. 98, Heft 4, 1986, S. 1052; Boers, Klaus, a. a. O. (FN 65), S. 284 f, 294; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 57 f; Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 210; Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3. 67 Fetchenhauer, Detlef: ¹Hinter jedem Baum ein Mörder?ª Bochum 1999, S. 25 f.

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sultate vor: Das Unsicherheitsgefühl steht nur mit dem Vermeidungsverhalten in Zusammenhang68, nicht jedoch mit der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen.69 Dies wird damit erklärt, daû sich die unsicheren Pbn gleichzeitig hilflos fühlen und passiv auf Bedrohungen reagieren. 70 Zudem wird betont, daû es sich bei den passiven Verhaltensweisen (wie dem Ausweichen und der Vermeidung des Risikos) um furchttypische Bewältigungstechniken handelt 71, so daû der Zusammenhang mit dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl nicht überrascht. Fraglich ist nun, ob die Zusammenhänge zwischen den Komponenten durch Kausalbeziehungen zu erklären sind. Die meisten Autoren bejahen kausale Zusammenhänge, vor allem zwischen der kognitiven und der affektiven Komponente der Kriminalitätsfurcht. Anderer Auffassung sind Wetzels u. a.72. So geht Boers 73 davon aus, daû aus der kognitiven Bewertung einer Gefahrensituation und der Abschätzung der persönlichen Fähigkeiten, dieses Ereignis zu bewältigen, Furcht resultieren kann. Ebenso sieht Winkel74 kausale Zusammenhänge zwischen der kognitiven und affektiven Komponente: Unsicherheitsgefühle resultieren aus der subjektiven Erwartung einer Person, Opfer einer Straftat zu werden und den negativen Folgen, die für diese Person aus einer Viktimisierung entstehen würden. Dieser Erklärungsansatz kann als eine Variante der sog. Wert-ErwartungsTheorien aufgefaût werden, die in einer ganzen Reihe von Sozialwissenschaften (z. B. Psychologie, Soziologie, Ökonomie) eine bedeutende Rolle spielen. 75 68 So z. B. in der Untersuchung Bochum II, S. 168 f; bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 304 f, 308 und Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3. 69 So z. B. in der Untersuchung Bochum II, S. 171, 174 f; bei Boers, Klaus, a. a. O. (FN 68), S. 311 ff (der gefundene bivariate Zusammenhang stellte sich als Scheinkorrelation (Ü Glossar) heraus); Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 65. 70 Untersuchung Bochum II, S. 169. 71 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 314; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 65 f. 72 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 222. 73 Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 28. 74 Winkel, Frans Willem: Fear of Crime and Criminal Victimization. In: Brit. J.Criminol., 38 (3), 1998, S. 473 f. 75 Für eine kurze Einleitung siehe Fischer, Lorenz/Wiswede, Günther: Grundlagen der Sozialpsychologie. München 1997. S. 110 ff. Auch die Risikoforschung basiert auf einer ähnlichen Theorie, die dort als mathematische Formel ausgedrückt wird. So wird häufig versucht, ein Risiko durch den Erwartungswert zu erfassen, der sich aus dem Produkt der negativen Folgen eines möglichen Ereignisses und der Wahrscheinlichkeit, mit der das Ereignis und seine Folgen eintreten, ergibt (Banse, Gerhard: Herkunft und Anspruch der Risikoforschung. In: Banse, Gerhard (Hg.): Risikoforschung zwischen Disziplinarität und Interdisziplinarität. Berlin 1996, S. 35 ff).

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So ist nach dem Erklärungsansatz von Winkel die Furcht einer Person davor, einem bestimmten Delikt zum Opfer zu fallen, um so höher Z Z

für je wahrscheinlicher sie es hält, viktimisiert zu werden und je negativer die Folgen einer möglichen Viktimisierung von dieser Person bewertet werden.

Auch Warr76 sieht in dem wahrgenommenen Viktimisierungsrisiko von Personen ± neben einer unterschiedlich ausgeprägten Neigung zu Furcht ± die Ursache für verschiedene Ausmaûe von Unsicherheitsgefühlen. Dies spielt vor allem in bezug auf die Geschlechts- und Altersvariablen eine Rolle (vgl. unter Punkt 3.1.1 und 3.1.2). Darüber hinaus müssen aber auch die Zusammenhänge zwischen der affektiven und der konativen Komponente erläutert werden. In der Untersuchung Bochum III wird über den Erklärungsansatz von Winkel hinausgehend vermutet, daû das Verhalten kausal durch das Unsicherheitsgefühl bedingt wird und daû insoweit die dritte Komponente eher eine Folge der beiden anderen Komponenten ist (vgl. Übersicht 67).77 Übersicht 67:

Zusammenhänge zwischen den Komponenten der Kriminalitätsfurcht

3

Aktueller Forschungsstand zur Kriminalitätsfurcht

In vielen Studien zum Thema Kriminalitätsfurcht78 wird untersucht, mit welchen spezifischen Einfluûfaktoren die einzelnen Komponenten der Kriminalitätsfurcht (affektiv, kognitiv und konativ) in Zusammenhang stehen.

76 Warr, Mark: Fear of Victimization. In: Social Science Quarterly, 65, 1984, S. 684. 77 Solche Kausalzusammenhänge müûten jedoch in zukünftigen Studien (z. B. durch eine Panelanalyse) überprüft werden. 78 Der Begriff ¹Kriminalitätsfurchtª wird im weiteren Text verwendet, wenn mehrere bzw. alle Komponenten gemeint sind. Im übrigen werden die spezifischen Dimensionen (wie z. B. das ¹Unsicherheitsgefühlª) genannt.

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3.1

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Soziodemographische Variablen

In fast allen Untersuchungen wird die Kriminalitätsfurcht mit den erfaûten soziodemographischen Merkmalen der befragten Stichprobe in Zusammenhang gebracht, nämlich dem Geschlecht, dem Alter und dem sozio-ökonomischen Status.79 Dabei wird meist die sog. ¹Vulnerabilitätstheseª herangezogen, um die gefundenen Zusammenhänge zu erklären. Nach dieser These wird bei bestimmten Personengruppen (z. B. älteren Männern oder Frauen jeden Alters) eine gröûere Verletzbarkeit (Vulnerabilität) vermutet, da eine mögliche Opferwerdung für diese Personen körperlich, psychisch und finanziell schwerere Folgen hätte als für andere. Diese höhere Verletzbarkeit soll für die Entstehung bzw. Ausprägung der Kriminalitätsfurcht (hier vor allem für das Unsicherheitsgefühl) eine Rolle spielen.80 3.1.1

Geschlecht

In allen ausgewerteten Untersuchungen81 ergab sich übereinstimmend, daû Frauen nachts auûerhalb der Wohnung ein stärkeres Unsicherheitsgefühl haben als Männer. So gaben in Bochum 198782 nur 30,7 % der Männer an, sich ¹eher unsicherª oder ¹sehr unsicherª zu fühlen gegenüber 66,4 % der Frauen. Wetzels u. a.83 halten diesen Unterschied im Unsicherheitsgefühl zwischen den Geschlechtern für den häufigsten Befund der Viktimologie. Kury u. a.84 glauben, daû Frauen sich verletzlicher erleben als Männer. Zudem zeigte sich eine allgemein gröûere Angst von Frauen, die unter anderem durch 79 Der Schwerpunkt soll auf die genannten Variablen gesetzt werden, da sich bei diesen die für die Kriminalitätsfurcht aussagekräftigsten Resultate zeigen. Auf weitere soziodemographische Merkmale wird daher nicht näher eingegangen. 80 Zur ¹Vulnerabilitätstheseª vgl. auch Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 51 m. w. N. 81 So z. B. bei Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327; in der Untersuchung Bochum II, S. 153; bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 286 f; Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 233 ff; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 34; Obergfell-Fuchs, Joachim/ Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/Obb. 1995, S. 47 f; Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 2 ff; Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 28. 82 Untersuchung Bochum II, S. 153. 83 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 195. 84 Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 232. Ebenso Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in BadenWürttemberg. Holzkirchen/Obb. 1995, S. 63 f sowie Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 6, die zusätzlich auf mögliche Geschlechtsrollenstereotype verweisen (Männer sind eigentlich furchtsamer, als sie sich darstellen).

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höhere Angstwerte in psychologischen Testinventaren (wie z. B. dem IAF85) deutlich wird. ¾hnlich sieht auch Warr 86 in der allgemein gröûeren Furchtsamkeit von Frauen (neben einem höheren angenommenem Viktimisierungsrisiko) eine Ursache für Unsicherheitsgefühle. Diese Furchtsamkeit werde zudem generalisiert, sie äuûere sich also in vielen Situationen. Daneben können die im Vergleich zu Männern verstärkten Unsicherheitsgefühle von Frauen durch das bereits beschriebene Modell von Winkel (vgl. dazu Punkt 2.4) erklärt werden: Wenn nämlich Frauen die Folgen einer Viktimisierung (und zwar nicht nur durch ein Sexualdelikt, sondern z. B. auch durch eine Körperverletzung) als gravierender einschätzen als Männer, erscheint ein höheres Maû an Furcht durchaus plausibel, auch wenn ihr tatsächliches Viktimisierungsrisiko (deutlich) niedriger ist (vgl. § 5±2.3.2). Während die Befunde zur affektiven Komponente der Kriminalitätsfurcht bezogen auf das Geschlecht weitgehend übereinstimmen, fallen die Ergebnisse zur kognitiven Komponente etwas auseinander. Insbesondere bei der Viktimisierungserwartung gab es in den ausgewerteten Untersuchungen keine einheitlichen Resultate. Im Gegensatz z. B. zu der Untersuchung Bochum I 87, in der sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Angaben von Männern und Frauen zeigten, kamen die meisten anderen Studien 88 zu dem Resultat, daû die Viktimisierungserwartung von Frauen zumindest etwas höher ist als die der Männer. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, daû Frauen ein niedrigeres Viktimisierungsrisiko haben als Männer. 89 So wurde in § 6±8.2 bereits beschrieben, daû Frauen 1998 seltener Opfer einer Körperverletzung, eines Raubes oder eines Diebstahls geworden sind als Männer. Dennoch erwarteten sie in gleichem oder sogar höherem Ausmaû als Männer, diesen Straftaten zum Opfer zu fallen. Diese Diskrepanzen sind mit der Vulnerabilitätsthese allein nicht zu erklären (vgl. ausführlich § 10±3.1.1). Bei der konativen Komponente wird relativ einheitlich festgestellt, daû Frauen deutlich mehr Vermeidungsverhalten zeigen als Männer (vor allem verstärktes 85 Becker, Peter: Interaktions-Angst-Fragebogen. Weinheim 1982, S. 30. 86 Warr, Mark: Fear of Victimization. In: Social Science Quarterly, 65, 1984, S. 698. 87 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327. Ebenso bei Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f (bezogen auf Einbruch). 88 So z. B. bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 256 f (allerdings nur bzgl. Raub); Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 79 (mit Hinweis darauf, daû die Unterschiede nicht sehr bedeutsam sind); Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998, S. 74; Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 31. 89 Warr, Mark: Fear of Victimization. In: Social Science Quarterly, 65, 1984, S. 682.

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Vermeiden bestimmter Orte).90 Dabei ist zu berücksichtigen, daû das nächtliche Unsicherheitsgefühl der Frauen stärker ist als das der Männer und dieses wiederum mit dem Vermeidungsverhalten zusammenhängt (vgl. unter Punkt 2.4).91 3.1.2

Alter

Die Zusammenhänge zwischen Unsicherheitsgefühlen und Alter der Befragten waren ± anders als beim Geschlecht ± nicht so eindeutig und einheitlich. Dennoch wurde häufig über Zusammenhänge zwischen dem Alter und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl berichtet.92 Manchmal zeigte sich dabei, daû das Unsicherheitsgefühl mit dem Alter nicht gleichmäûig ansteigt, sondern einen U-förmigen Verlauf nimmt: Die jüngsten und ältesten Pbn fühlten sich am unsichersten, während bei den mittleren Altersgruppen das Unsicherheitsgefühl deutlich schwächer ausgeprägt war.93 In anderen Studien94 ergab sich eher eine J-Verteilung, das heiût ein sprunghafter Anstieg des Unsicherheitsgefühls im Alter. Detailliertere Ergebnisse bringt eine nach Geschlechtern getrennte Betrachtung. Bei den Männern ergab sich meist ein fast linearer Anstieg des Unsicherheitsgefühls mit dem Alter. Anders dagegen bei den Frauen, bei denen ein besonders ausgeprägter U-förmiger Verlauf gegeben war. Oftmals zeigten sogar die jüngsten Frauen ein stärkeres Unsicherheitsgefühl als die ältesten Frauen.95 90 So in der Untersuchung Bochum II, S. 171 f und bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 304 f, 307 ff; Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 234, 236; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 63 f; Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 169; Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/Obb. 1995, S. 44; Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 206; Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f. 91 Untersuchung Bochum II, S. 171. 92 So z. B. von Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 326; in der Untersuchung Bochum II, S. 152; bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 286 f; Kury, Helmut u. a., a. a. O. (FN 90), S. 237 f; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 34 und Clerici, Christian/Killias, Martin, a. a. O. (FN 90). 93 So z. B. bei Kury, Helmut u. a., a. a. O. (FN 90), S. 237 und Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut, a. a. O. (FN 90), S. 49. 94 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 287 und Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 34. 95 Reuband, Karl-Heinz: Die Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1987. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 6, 1989, S. 474; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 228 f; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht und Alter. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 3, 1998, S. 206.

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Das starke Unsicherheitsgefühl der jungen Frauen wird vor allem auf die Bedrohung durch Sexualdelikte zurückgeführt: Es wird angenommen, daû Frauen jüngeren Alters bei der Beantwortung der Standardfrage vor allem an überfallartige Sexualdelikte denken, was erheblich furchtauslösend wirken dürfte.96 Dieser Aspekt spielt zwar auch bei älteren Frauen eine Rolle, ist aber aufgrund der angenommenen geringeren Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Sexualdelikts zu werden, nicht vordergründig.97 So konnte Warr 98 zeigen, daû bezogen auf das Sexualdelikt ¹Vergewaltigungª sowohl die Unsicherheitsgefühle als auch die Viktimisierungserwartung bei Frauen mit zunehmendem Alter abnahmen. Demzufolge scheinen bei älteren Frauen eher die geschlechtsunabhängigen Gründe, die auch bei den männlichen Befragten für den Anstieg des Unsicherheitsgefühls mit dem Alter verantwortlich sind, eine Rolle zu spielen. Dabei wird beispielweise die steigende Verletzbarkeit genannt (vgl. unter Punkt 3.1). Zudem können die Bewältigungsfähigkeiten im Alter abnehmen, z. B. durch einen Wegfall sozialer Kontakte.99 Bezüglich der Viktimisierungserwartung und dem Alter der Pbn liegen unterschiedliche Resultate vor, wobei es schwerfällt, eine allgemeine Tendenz auszumachen. Einige Studien 100 kamen zu dem Befund, daû die Viktimisierungserwartung (zumindest bezogen auf einzelne Delikte) mit dem Alter ansteigt. In der Untersuchung Bochum I 101 zeigte sich dagegen keine signifikante Zunahme. Bei Körperverletzungsdelikten gaben jüngere Pbn sogar eine höhere Viktimisierungser96 Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998, S. 76; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim, a. a. O. (FN 95), S. 212; Clerici, Christian/ Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 6. 97 Warr, Mark: Fear of Victimization. In: Social Science Quarterly, 65, 1984, S. 698 f. ¾hnlich auch Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 95), S. 229. Nach ihrer Ansicht wird bei Frauen die mit dem Alter zunehmende Verletzbarkeit partiell kompensiert durch den allmählichen Wegfall der Bedrohung durch Sexualdelikte. 98 Warr, Mark, a. a. O. (FN 97), S. 687 ff. Ebenso Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 51 f. 99 Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998, S. 76; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 34. 100 So z. B. Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 256 f (für Raub); Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/ Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 79 (mit Hinweis darauf, daû die Unterschiede nicht sehr bedeutsam sind); Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 31, 35 (für Diebstahl und Raub auf der Straûe sowie Einbruch). 101 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 326. Ebenso bei Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f (bezogen auf Einbruch).

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wartung an als ältere. Ein eher U-förmiger Verlauf ergab sich wiederum bei Kury/Obergfell-Fuchs. 102 In der Untersuchung von Wetzels u. a. 103 gab es zudem eine Interaktion zwischen Alter und Geschlecht: So war bei Frauen ein deutlicher Rückgang der Viktimisierungserwartung mit dem Alter erkennbar, während bei Männern die höchsten Werte im mittleren Alter erreicht wurden und zwischen ganz jungen und ganz alten Männern kein Unterschied bestand. Bezogen auf die konative Komponente der Kriminalitätsfurcht stand das Alter sowohl mit dem Vermeidungsverhalten als auch mit der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen in Zusammenhang: ¾ltere Befragte zeigten mehr Vermeidungsverhalten als jüngere104, teilweise ergriffen sie auch mehr Abwehrmaûnahmen.105 Ferner ergab sich in manchen Studien ein auffallend hoher Anteil junger Frauen, die verstärktes Vermeidungsverhalten zeigten. 106 Dies könnte durch die Furcht vor Sexualdelikten bedingt sein. 3.1.3

Das Kriminalitäts-Furcht-Paradox

Im Zusammenhang mit den Variablen Alter und Geschlecht wird häufig das sog. ¹Kriminalitäts-Furcht-Paradoxª107 diskutiert. Dieses besagt, daû die Menschen mit dem geringsten Viktimisierungsrisiko, also insbesondere Frauen und ältere Männer, die stärksten Unsicherheitsgefühle angeben. Bei differenzierter Betrachtungsweise wird jedoch deutlich, daû das Kriminalitäts-Furcht-Paradox nur scheinbar existiert. Dafür werden insbesondere folgende Erklärungsansätze vertreten: Z

Einmal wird argumentiert, daû die vergleichsweise geringe Viktimisierungsrate damit zu tun hat, daû Frauen und ältere Männer verstärkt gefährlichen Situationen aus dem Weg gehen bzw. bei Dunkelheit zu Hause bleiben (ex-

102 Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht und Alter. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 3, 1998, S. 207. 103 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 230. 104 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 304 f, 307 ff; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 63 f; Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 79. Anders bei Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f. 105 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 325 f, 310 ff (allerdings keine Abwehrmaûnahmen zum Personenschutz wie z. B. das Anschaffen einer Waffe). 106 Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/ Obb. 1995, S. 45; Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998, S. 80. 107 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 105), S. 57.

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posure to risk- oder differential exposure-Hypothese). 108 Das ausgeprägtere Vermeidungsverhalten (das u. a. durch Unsicherheitsgefühle ausgelöst wird) reduziert das Viktimisierungsrisiko. 109 Z

Zudem wird darauf hingewiesen, daû Unsicherheitsgefühle als Ausdruck generalisierter, nicht rationaler Furcht angesehen werden, die insbesondere bei Frauen und älteren Männern stärker ausgeprägt ist (Generalisierungshypothese). 110

Z

Dem Paradox widerspricht zudem, daû sich Frauen und ältere Männer als eher verletzbar erleben. Sie schätzen eine mögliche Opfererfahrung für sich persönlich schwerer und folgenreicher ein (Vulnerabilitätsthese, vgl. unter Punkt 3.1). 111

Z

Wetzels u. a. 112 verweisen überdies darauf, daû Frauen vor allem bei gravierenden und damit furchtrelevanten Delikten häufiger Opfer seien als Männer, auch wenn sie insgesamt seltener Opfer würden.

Diese Argumente erklären allerdings nur die verstärkten Unsicherheitsgefühle aber nicht, warum auch das Ausmaû der Viktimisierungserwartung dieser Bevölkerungsgruppen gröûer ist. 3.1.4

Sozio-ökonomischer Status (Bildung/Schichtzugehörigkeit)

Zusammenhänge zwischen den Komponenten der Kriminalitätsfurcht und der Bildung bzw. Schichtzugehörigkeit wurden nur in wenigen Studien untersucht. Dabei zeigten die Befragten mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status meist eine höhere Kriminalitätsfurcht in allen Komponenten. Teilweise ergaben sich jedoch uneinheitliche Resultate und nur selten wurden deutliche Zusammenhänge gefunden.

108 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 105), S. 75 ff; Fattah, Ezzat A.: The Elderly's High Fear/Low Victimization Paradox. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 423 f. 109 Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 232; Schwind, HansDieter: Kriminologie. Heidelberg 2000 (10. Aufl.), S. 391. 110 Kunz, Karl-Ludwig: Die Verbrechensfurcht als Gegenstand der Kriminologie. In: MschrKrim, Jg. 66, Heft 3, 1983, S. 167; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 26; Schneider, Hans Joachim: Massenmedien. In: Sieverts, Rudolf/Schneider, Hans Joachim (Hg.): Handwörterbuch der Kriminologie. Bd. 5. Berlin 1998 (2. Aufl.), S. 315. 111 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 65 ff; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 232; Fattah, Ezzat A.: The Elderly's High Fear/Low Victimization Paradox. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 422. 112 Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 111), S. 73 ff.

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So gaben Pbn mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status oft stärkere Unsicherheitsgefühle 113 anundzeigten mehrVermeidungsverhalten 114. Nurmanchmal zeigten diese Befragten dagegen auch eine erhöhte Viktimisierungserwartung. 115 3.2

Viktimisierungsperspektive

Lange Zeit wurde Viktimisierungserfahrungen ein zentraler Einfluû auf die Kriminalitätsfurcht zugeschrieben116: Es wurde also davon ausgegangen, daû sich Menschen, die bereits Opfer wurden, mehr fürchten als andere. Dabei werden häufig nicht nur Zusammenhänge mit direkten (d. h. eigenen, persönlichen) Opfererfahrungen untersucht, sondern auch mit indirekten (bzw. stellvertretenden, vermittelten 117) Viktimisierungen. 118 Überwiegend zeigte sich jedoch kaum ein Unterschied zwischen Pbn mit indirekten und direkten Opfererfahrungen. 119 3.2.1

Vergleich Opfer ± Nicht-Opfer

Die Annahme, daû Opfer von Straftaten eine insgesamt höhere Kriminalitätsfurcht (bezogen auf alle Komponenten) aufweisen als Nicht-Opfer, konnte empirisch nur selten bestätigt werden.120 113 Zum Beispiel bei Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327 f; bei Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 169 (nur bzgl. der Bildung) und Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 28 (ebenfalls nur bezogen auf die Bildung). Bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 288, 294 erwiesen sich die gefundenen bivariaten Zusammenhänge mit der Bildung bzw. Schichtzugehörigkeit als Scheinkorrelationen (Ü Glossar). 114 So z. B. bei Boers, Klaus, a. a. O. (FN 113), S. 304 f. Bei Gefeller/Trudewind, a. a. O. (FN 113) ergriffen Pbn mit niedrigem sozio-ökonomischem Status mehr Schutzmaûnahmen (Vermeidungsverhalten und Abwehrmaûnahmen). 115 So bei Boers, Klaus, a. a. O. (FN 113), S. 256 f (bzgl. Raub) und Dörmann, Uwe, a. a. O. (FN 113), S. 31, 35 (bezogen auf Straûenraub und Einbruch). Bei Gefeller/Trudewind, a. a. O. (FN 113) ergaben sich dagegen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Viktimisierungserwartung und dem sozio-ökonomischen Status. 116 Hale, Chris: Fear of Crime. In: International Review of Victimology, 4, 1996, S. 80. 117 Bei diesen (in den verschiedenen Studien unterschiedlich benannten) Opfererfahrungen handelt es sich um Viktimisierungen, die die Pbn nicht selbst erlebt haben, sondern die ihnen beispielsweise in Gesprächen mit nahestehenden Personen vermittelt werden. 118 Entsprechende Differenzierungen finden sich z. B. bei Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I; Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995. 119 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 260 f, 291; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 40 f. Bei Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 330 f unterschieden sich direkte und indirekte Opfer nur bezüglich der Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung im eigenen Wohngebiet. 120 Kerner, Hans-Jürgen: Verbrechensfurcht und Viktimisierung. In: Haesler, Walter T. (Hg.): Viktimologie. Diesenhofen 1986, S. 151 ff; Box, Steven/Hale, Chris/Andrews, Glen: Explaining Fear of

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Dabei weisen Bilsky u. a. 121 darauf hin, daû die z. T. widersprüchlichen Ergebnisse auch auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Studien zurückzuführen sein können (vgl. dazu schon § 5±1.5 und 1.6). Vor allem bei einem Vergleich des Unsicherheitsgefühls von Opfern und NichtOpfern zeigten sich häufig keine aussagekräftigen Unterschiede. So berichteten Boers 122 und Arnold 123 darüber, daû Opfer sich nicht signifikant unsicherer fühlen als Nicht-Opfer. Kury/Obergfell-Fuchs 124 hingegen kamen zu dem Befund, daû Opfer ein stärkeres Unsicherheitsgefühl haben als Nicht-Opfer. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daû die Gruppen der Opfer und Nicht-Opfer in den Untersuchungen unterschiedlich definiert wurden. Dagegen ergaben sich bezogen auf die Viktimisierungserwartung in fast allen ausgewerteten Studien Unterschiede zwischen Opfern und Nicht-Opfern. So schätzten z. B. bei Kury u. a. 125 Opfer eine zukünftige Viktimisierung bezogen auf alle Delikte als deutlich wahrscheinlicher ein als Nicht-Opfer. Ein anderes Resultat zeigte sich bei Boers 126. Er konnte keinen allgemeinen Zusammenhang zwischen der Viktimisierungserwartung und der Opferwerdung aufzeigen, jedoch eine deliktsspezifische Beziehung: Opfer einer spezifischen Straftat hielten eine erneute Viktimisierung durch genau dieses Delikt für wahrscheinlicher als Nicht-Opfer. Im Hinblick auf Verhaltensreaktionen im Kontext der Kriminalitätsfurcht erfolgte auch hier in vielen Untersuchungen eine Differenzierung zwischen der Ergreifung von (eher aktiven) Abwehrmaûnahmen und dem (eher passiven) Vermeidungsver-

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123 124 125

126

Crime. In: Brit. J.Criminol., 28 (3), 1988, S. 340±354; Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 224. Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 94. Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 291 (er fand sogar einen signifikanten Unterschied in anderer Richtung: Opfer von Eigentumsdelikten äuûerten geringere Unsicherheitsgefühle als Nicht-Opfer); Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 39. Arnold, Harald: Kriminelle Viktimisierung und ihre Korrelate. In: ZStW, Jg. 98, Heft 4, 1986, S. 1052 f. Ebenso Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f. Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht und Alter. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 3, 1998, S. 203 f (jedoch für die Dimension ¹Emotionale Furchtª, die neben der Standardfrage nach dem Unsicherheitsgefühl weitere Fragen umfaût; Vgl. a. a. O., S. 202). Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 252 ff. ¾hnliche Resultate ergaben sich bei Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/ Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 212; Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht und Alter. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 3, 1998, S. 204 f. Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 258.

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halten.127 So zeigten sich bei dem Vergleich von Opfern und Nicht-Opfern uneinheitliche Resultate bezogen auf das Vermeidungsverhalten128, während Opfer im Vergleich zu Nicht-Opfern verstärkt aktive Abwehrmaûnahmen ergriffen. Bei Kury u. a. 129 neigten Opfer eher zur Ergreifung von Schutzmaûnahmen, um ihr Eigentum sowie die Wohnung bei Abwesenheit zu sichern. Darüber hinaus zeigte sich bei Boers 130 bezogen auf die Ergreifung aktiver Maûnahmen zum Schutz des Haushalts bzw. der eigenen Person ein starker Zusammenhang mit ¹gewaltsamer Opferwerdungª. 3.2.2

Einfluû der objektiven Schwere der Opfererfahrung

Über den Vergleich der Kriminalitätsfurcht von Opfern und Nicht-Opfern hinaus wird zudem der Einfluû der Art der Opfererfahrungen untersucht. So wird angenommen, daû die objektive Schwere der Viktimisierung für die Entwicklung von Kriminalitätsfurcht bedeutsam ist.131 Doch auch dies konnte nicht in allen Studien und nicht für alle Komponenten der Kriminalitätsfurcht belegt werden.132 Kury u. a.133 fanden ihre Annahme, daû Unsicherheitsgefühle mit zunehmender Schwere der Viktimisierung ansteigen, insgesamt bestätigt. Dagegen kam Boers134

127 Diese Unterscheidung zwischen eher passivem Vermeidungsverhalten und eher aktiven Abwehrmaûnahmen wird auch nahegelegt durch die Differenzierung zwischen passiven bzw. aktiven Coping-Techniken (Coping Ü Glossar). Diesbezüglich weisen Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 125), S. 233 darauf hin, daû das Vermeidungsverhalten bzw. die Ergreifung von Abwehrmaûnahmen Auskunft über die tatsächlich gewählten Copingstile gibt. 128 Bei Kury u. a. zeigten Opfer im Vergleich zu Nicht-Opfern verstärktes Vermeidungsverhalten (Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 304 f). Dagegen ergaben sich bei Boers keine bedeutenden Zusammenhänge zwischen der Opferwerdung (bezogen auf Gewaltdelikte) und dem Vermeidungsverhalten (Boers, Klaus, a. a. O. (FN 126), S. 308 f; Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 64). Bei Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f ergaben sich gegensätzliche Resultate bei Opfern unterschiedlicher Delikte. 129 Kury, Helmut u. a., a. a. O. (FN 128), S. 299 ff. 130 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 312. 131 In anderen Studien wird der Einfluû der subjektiv schwersten Viktimisierung auf die Kriminalitätsfurcht untersucht (die Pbn sollen angeben, welche Opfererfahrung für sie die subjektiv schwerste war): So z. B. bei Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 99 ff. 132 Dabei erschweren unterschiedliche Herangehensweisen den Vergleich zwischen den Untersuchungen. So stellten Kury u. a. verschiedene Opfergruppen bezogen auf das Unsicherheitsgefühl gegenüber (z. B. Einbruchsopfer sind unsicherer als sonstige Diebstahlsopfer: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 245 f). Boers dagegen nahm eine Gegenüberstellung von Opfern und Nicht-Opfern einer Deliktsgruppe vor (z. B. bezogen auf das Unsicherheitsgefühl: Opfer eines Einbruchs unterscheiden sich nicht von Nicht-Opfern eines Einbruchs: Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 290 f). 133 Kury, Helmut u. a., a. a. O. (FN 132), S. 245 ff. 134 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 132), S. 291.

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zu dem Resultat, daû gewaltsame Opferwerdung nicht zu verstärkten Unsicherheitsgefühlen führt. Bezogen auf die Viktimisierungserwartung ergaben sich relativ einheitliche Resultate. So hielten es die Opfer schwerer Delikte bei Kury u. a.135 für relativ wahrscheinlich, wieder Opfer solcher Delikte zu werden. Zu ähnlichen Resultaten kam auch Boers.136 Neben der objektiven Schwere der Opfererfahrung wird zudem der Einfluû der Häufigkeit der Opfererfahrung untersucht. Dabei wird angenommen, daû die Kriminalitätsfurcht mit der Anzahl der Viktimisierungen steigt. Doch auch hier zeigte sich, daû vor allem Zusammenhänge mit der kognitiven Komponente bestehen137, nicht dagegen mit dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl138. 3.2.3

Erläuterung der widersprüchlichen Resultate

Bezogen auf Opfererfahrungen zeigte sich somit, daû in der Regel Zusammenhänge mit der Viktimisierungserwartung bestanden, meist jedoch nicht mit dem Unsicherheitsgefühl. Winkel139 bietet eine Erklärung für diese scheinbar überraschenden und widersprüchlichen Befunde an. Dabei geht er von einer ausgleichenden Wirkung auf das Ausmaû der Unsicherheitsgefühle aus: Personen, die keine Viktimisierung erlebt haben, schätzen ihr Viktimisierungsrisiko geringer ein als Personen, die bereits Opfer einer Straftat wurden. Dagegen haben Opfer die Erfahrung gemacht, daû eine Viktimisierung weniger belastend ist als erwartet, während Nicht-Opfer eine weitaus gröûere Belastung durch eine mögliche Viktimisierung befürchten. Diese Tendenzen kompensieren sich demzufolge in ihrer Wirkung auf das Unsicherheitsgefühl (vgl. Übersicht 68). Übersicht 68:

Zusammenhänge zwischen Viktimisierungen, der Viktimisierungserwartung und dem Unsicherheitsgefühl nach Winkel

135 Kury, Helmut u. a., a. a. O. (FN 132), S. 257 ff. 136 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 132), S. 258; Boers, Klaus: Kriminalität und Kriminalitätseinstellungen. In: Wolf, Gerhard: Kriminalität im Grenzgebiet. Bd. 2. Berlin 1998, S. 98. 137 In der Untersuchung Bochum I zeigten sich signifikante Zusammenhänge sowohl mit der Viktimisierungserwartung als auch mit der Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung innerhalb des Wohngebiets (Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 330). 138 So z. B. bei Gefeller/Trudewind, a. a. O. (FN 137) und bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 290. 139 Winkel, Frans Willem: Fear of Crime and Criminal Victimization. In: Brit. J.Criminol., 38 (3), 1998, S. 473±485.

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Winkel 140 konnte diese Annahmen durch eine Panelanalyse (Ü Glossar) empirisch belegen. In dieser wurden über 5.000 Pbn wöchentlich nach einer Opferwerdung in den vergangenen Tagen gefragt. Traf dieses zu, folgten zwei Wochen sowie zwei, vier, acht und zehn Monate danach spezifische Fragen zu der Viktimisierung. Die Resultate ergaben, daû eine Opferwerdung die Viktimisierungserwartung erhöht. Auf affektiver Ebene wurden jedoch die mit einer Viktimisierung verbundenen negativen Vorstellungen reduziert: Die Pbn hielten eine Opferwerdung nicht mehr für so belastend. Auf diese Weise wird verständlich, warum in vielen Untersuchungen keine Unterschiede im Unsicherheitsgefühl gefunden wurden, sich dagegen Opfer und NichtOpfer sehr wohl in ihrer Viktimisierungserwartung unterschieden. Darüber hinausgehend wird in neueren Studien141 davon ausgegangen, daû der Einfluû der Opferwerdung auf das Unsicherheitsgefühl abhängig ist von der subjektiven Verarbeitung erlebter Viktimisierungen. Bei gelungener Bewältigung (Coping Ü Glossar) treffen die Zusammenhänge zu, die Winkel beschreibt. Wenn jedoch die Bewältigung der Opfererfahrung miûlingt, führt eine Viktimisierung sehr wohl zu Unsicherheitsgefühlen. Dies erklärt, warum einige Untersuchungen bei Opfern im Vergleich zu Nicht-Opfern durchaus verstärkte Unsicherheitsgefühle zeigen konnten. Zusammenfassend läût sich festhalten, daû sich Opfererfahrungen überwiegend auf die Viktimisierungserwartung auswirken. Dagegen scheinen die Unsicherheitsgefühle der Opfer von der Bewältigung der Viktimisierung abzuhängen. Kognitiv erwarten die Opfer eher, erneut einer Straftat zum Opfer zu fallen, da sie genau dies schon einmal erlebt haben. Affektiv jedoch scheint das Ge- bzw. Miûlingen der Bewältigung ausschlaggebend dafür zu sein, ob sich das Ausmaû des Unsicherheitsgefühls verstärkt oder nicht. 3.3

Ökologische Variablen

Zu den ökologischen Variablen werden in diversen Untersuchungen Zusammenhänge der Kriminalitätsfurcht u. a. mit der Wohnortgröûe142, der Wahrnehmung von Zeichen des Verfalls in der Wohnumwelt, den Kriminalitätsraten, der Straûen-

140 Winkel, Frans Willem, a. a. O. (FN 139), S. 478. 141 So z. B. bei Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 103; Wetzels, Peter u. a.: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart 1995, S. 199 ff, 238; Boers, Klaus: Kriminalität und Kriminalitätseinstellungen. In: Wolf, Gerhard: Kriminalität im Grenzgebiet. Bd. 2. Berlin 1998, S. 98 f. 142 Die Wohnortgröûe hat einen starken Einfluû auf alle Komponenten der Kriminalitätsfurcht, insbesondere beim Unsicherheitsgefühl handelt es sich um ein Groûstadtphänomen. Dies wird auf die besonderen Lebensbedingungen in Groûstädten zurückgeführt (so z. B. Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 239, 241; Wetzels, Peter u. a., a. a. O. (FN 141), S. 193).

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beleuchtung oder der Polizeipräsenz (vgl. dazu § 11±4.1.2.3 und § 12±3.1.1.3) gezählt. 3.3.1

Soziale Destabilisierung

In neueren Ansätzen143 wird die Kriminalitätsfurcht mit spezifischen Erscheinungsbildern der Wohnumwelt in Zusammenhang gebracht. Bei diesen Zeichen sozialer Destabilisierung (¹signs of incivilityª) handelt es sich um alltäglich sichtbare Merkmale nicht- oder leichtdelinquenten abweichenden Verhaltens wie z. B. Vandalismus, Sprühparolen, ¹herumlungerndeª Jugendliche, Drogenabhängige oder verfallene Gebäude. Es wird vermutet, daû Kriminalitätsfurcht entsteht, wenn (insbesondere in Zeiten eines sozialen Umbruchs144) der unmittelbare soziale Nahbereich solche Merkmale aufweist.145 Diese Annahme beruht auf zwei Ansätzen, die zur Erklärung von USamerikanischen Verhältnissen entwickelt wurden146: der Broken-Window-These von Wilson/Kelling147 und der Sozialen-Kontroll-Perspektive von Lewis/Salem148. Nach der Broken-Window-These ziehen Verfallserscheinungen wie zerbrochene Scheiben den weiteren Verfall eines Gebietes nach sich. Zu diesen Verfallserscheinungen zählen ¹social disorderª (Belästigungen und Unordnung des öffentlichen Raumes), ¹incivilitiesª (Unordnung und Verwahrlosungsphänomene) sowie ¹physical decayª (Verfall der baulichen Umwelt). 149 Lewis/Salem sehen die Kriminalität im Zusammenhang mit der sozialen Desorganisation der Gemeinschaft (d. h. dem Verfall gemeinsamer sozialer Werte und Bindungen), die meûbar ist durch ¹incivilitiesª, also bestimmte Verhältnisse bzw. Verhaltensweisen in der unmittelbaren Nachbarschaft (wie z. B. Vandalismus, verfallene Häuser oder ¹herumhängendeª Jugendliche). 150

143 So z. B. bei Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 113 und Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 213 ff sowie Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f. 144 Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 143), S. 213. 145 Hale, Chris: Fear of Crime. In: International Review of Victimology, 4, 1996, S. 80 f. 146 Dabei ist zu berücksichtigen, daû eine Übertragbarkeit auf Deutschland bzw. Bochum nur sehr eingeschränkt möglich ist, da die hiesige Situation nicht mit ¹amerikanischen Verhältnissenª verglichen werden kann. 147 Wilson, James Q./Kelling, George L.: Broken Windows. The Atlantic Monthly, 249 (3), 1982, 29 ff. 148 Lewis, Dan A./Salem, Greta: Fear of crime. New Brunswick 1986. 149 Wilson, James Q./Kelling, George L.: Polizei und Nachbarschaftssicherheit: Zerbrochene Fenster. In: KrimJ, Jg. 28, Heft 2, 1996, 126 f. 150 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 114 ff.

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Hierbei sind allerdings die von Wilson/Kelling gemeinten objektiv gegebenen Verhältnisse im Wohnumfeld deutlich von der subjektiven Einschätzung der Pbn zu unterscheiden, ob ¹signs of incivilityª vorliegen bzw. als problematisch befunden werden. In bisherigen Untersuchungen wird stets auf die subjektive Ebene abgestellt, denn nur solche Erscheinungen des sozialen Umfeldes können eine Auswirkung auf die Kriminalitätsfurcht haben, die von den Pbn als Zeichen des Verfalls wahrgenommen und als störend empfunden werden. So hat Boers 151 den Einfluû der Einschätzung von Zeichen sozialer Destabilisierung auf die verschiedenen Komponenten der Kriminalitätsfurcht untersucht. Es zeigten sich Zusammenhänge mit der Viktimisierungserwartung und (in geringerem Umfang) dem Unsicherheitsgefühl. Überdies ergab sich eine Interaktion mit Opfererfahrungen: ¹Signs of incivilityª verstärkten den Einfluû von Viktimisierungen auf die Viktimisierungserwartung. 152 3.3.2

Kriminalitätsraten

Kriminalitätsfurcht kann auch im Kontext tatsächlich vorhandener Kriminalität, die hier als gegebene Umweltbedingung verstanden werden soll, betrachtet werden. Dabei könnte in Stadtgebieten mit hoher Kriminalitätsrate auch die Kriminalitätsfurcht hoch sein. Die in einem Wohngebiet vorhandene Kriminalität kann dabei annäherungsweise der PKS in Form von Häufigkeitszahlen (Hz Ü Glossar) entnommen werden.153 Dabei ist zu beachten, daû die Kriminalitätsrate eines Wohngebietes für die Pbn nicht direkt wahrnehmbar ist. Dagegen sind die oben beschriebenen Zeichen sozialer Destabilisierung sichtbar, die (tatsächlich oder zumindest in den Augen der Bewohner) Ausdruck einer hohen Kriminalitätsbelastung sein könnten. Aus den entsprechenden empirischen Befunden geht hervor, daû wiederum zwischen den verschiedenen Komponenten der Kriminalitätsfurcht differenziert werden sollte. So scheint sich die Kriminalitätsrate durchaus auf die Viktimisie151 Boers, Klaus: Kriminalitätseinstellungen in den neuen Bundesländern. In: Boers, Klaus u. a. (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität. Bd. 2. Bonn 1994, S. 57 ff; Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/ Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 210, 212, 215. Auch Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 3 f berichten über diese Zusammenhänge (allerdings war bei ihnen der Zusammenhang mit dem Unsicherheitsgefühl stärker als der mit der Viktimisierungserwartung bezogen auf Einbruch). Zudem fanden Box/Hale/Andrews in einer auf den Daten des British Crime Survey von 1984 basierenden Untersuchung stärkere Unsicherheitsgefühle in Gegenden mit mehr wahrgenommenen ¹signs of incivilityª (Box, Steven/Hale, Chris/Andrews, Glen: Explaining Fear of Crime. In: Brit. J.Criminol., 28 (3), 1988, S. 345). 152 Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 151), S. 212. 153 So ging z. B. Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 248 f vor. Andere Studien orientieren sich an den Angaben der Pbn zu Viktimisierungen (so z. B. Obergfell-Fuchs, Joachim/ Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/Obb. 1995, S. 60).

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rungserwartung auszuwirken, während die Unsicherheitsgefühle weitestgehend unbeeinfluût bleiben. Boers 154 z. B. fand in Hamburg keine Zusammenhänge zwischen Kriminalitätsraten (Hz) und dem Unsicherheitsgefühl. Obergfell-Fuchs/Kury 155 differenzierten darüber hinaus nach der Einschätzung der eigenen Wohngegend und anderer Stadtteile. Dabei zeigte sich, daû das Unsicherheitsgefühl im eigenen Wohngebiet unabhängig von der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung ist. Für die Einschätzung fremder Gegenden spielte dagegen teilweise auch die tatsächlich hohe Kriminalitätsrate eine Rolle. So fühlten sich die Bewohner der (hoch kriminalitätsbelasteten) Freiburger Altstadt in ihrem eigenen Wohngebiet nicht unsicher, während sich viele Bewohner anderer Stadtteile in der Altstadt sehr unsicher fühlten. Einen moderaten Zusammenhang fand Boers 156 zwischen der Hz und der Viktimisierungserwartung bezogen auf Gewaltdelikte: Pbn aus Gegenden mit höherer Kriminalitätsrate hielten eine Viktimisierung für etwas wahrscheinlicher als Befragte aus Gebieten mit geringerer Hz. Die nicht verstärkten Unsicherheitsgefühle trotz hoher Kriminalitätsbelastung können unter anderem darauf zurückzuführen sein, daû Personen ihr eigenes Umfeld tendenziell sicherer empfinden als andere Stadtgebiete, auch wenn dies nachweisbar nicht der Fall ist. Dies ist unter Umständen durch die bereits beschriebenen Befunde von Warr157 (vgl. unter Punkt 2.1) zu erklären, daû unbekannte Gegenden Furcht machen und Unsicherheitsgefühle wecken.158 Auch bei der Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung zeigte sich, daû Pbn eher eine Zunahme der Kriminalität in der Stadt bzw. im Bundesgebiet annahmen als in ihrem eigenen Wohngebiet (vgl. unter Punkt 2.2.1). Insgesamt betrachtet scheinen somit die Unsicherheitsgefühle unabhängig von der tatsächlichen Kriminalität zu sein. Dafür spricht auch, daû bei einer Längsschnittbetrachtung kein Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung und der Entwicklung der Unsicherheitsgefühle festgestellt wer-

154 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 153), S. 292. Ebenso (allerdings auf Ebene der Bundesländer) Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim: Kriminalitätsfurcht in Deutschland. In: Kriminalistik, Jg. 52, Heft 1, 1998, S. 28. 155 Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut, a. a. O. (FN 153), S. 66 (allerdings legten sie nicht die Hz zugrunde, sondern ermittelten die Kriminalitätsbelastung eines Gebietes aus Opferangaben ihrer eigenen Studie). 156 Boers, Klaus, a. a. O. (FN 153), S. 269 f; anders jedoch Arnold, Harald: Kriminelle Viktimisierung und ihre Korrelate. In: ZStW, Jg. 98, Heft 4, 1986, S. 1045 (allerdings nach einem bloûen Vergleich der Prozentangaben zur Viktimisierungserwartung mit denen der realen Kriminalitätsbelastung, erfaût durch die Viktimisierungserfahrungen) sowie Kury, Helmut/Obergfell-Fuchs, Joachim, a. a. O. (FN 154), S. 28 (auf Ebene der Bundesländer). 157 Warr, Mark: Dangerous Situations. In: Social Forces, 68 (3), 1990, S. 891±907. 158 ¾hnliches zeigt sich auch beim Phänomen des ¹non helping bystander-Effektesª (also bezogen auf unterlassene Hilfeleistung in Notsituationen): Es wird eher geholfen, wenn die Umgebung vertraut ist (Schwind, Hans-Dieter u. a.: Alle gaffen . . . keiner hilft. Heidelberg 1998, S. 37 ff).

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den kann. 159 Während nach der PKS die Gewaltkriminalität in den letzten Jahren angestiegen ist (vgl. unter Punkt 2.1), konnte keine entsprechende Zunahme der Unsicherheitsgefühle gezeigt werden. Diese waren in letzter Zeit eher konstant. 160 3.3.3

Straûenbeleuchtung

In einigen Studien161 konnte gezeigt werden, daû ruhige, verlassene sowie vor allem dunkle Orte häufig als unsicher empfunden werden, da durch verminderte Sicht die Möglichkeit reduziert wird, die Situation zu kontrollieren. Demzufolge kann es einen Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl ± hier vor allem nachts ± und der subjektiv wahrgenommenen Helligkeit der Straûenbeleuchtung geben.162 Vrij/Winkel163 bestätigten in einem Experiment, daû eine hellere Straûenbeleuchtung die Kriminalitätsfurcht deutlich reduziert: So wurden Passanten beim Überqueren einer Brücke, die in einer Voruntersuchung von Befragten als höchst bedrohlich eingestuft wurde, nach ihren Unsicherheitsgefühlen gefragt. Dies wurde an einem weiteren Abend wiederholt, an dem die Beleuchtung der Brücke um das fünffache erhöht wurde. Es zeigte sich, daû eine hellere Beleuchtung Unsicherheitsgefühle merklich reduziert. Darüber hinaus war auch der Standort der Beleuchtung von Bedeutung: Personen, die sich vom Licht weg bewegten, gaben deutlich stärkere Unsicherheitsgefühle an als diejenigen, die auf die Lichtquelle zugingen. 164 3.4

Sonstige Ansätze

Abschlieûend sollen zwei weitere Aspekte genannt werden, die in der Literatur als mögliche Einfluûfaktoren auf die Entstehung von Kriminalitätsfurcht behandelt werden. Zum einen existiert die Auffassung, daû Kriminalitätsfurcht als Resultat stabiler Persönlichkeitsmerkmale, z. B. der generellen ¾ngstlichkeit einer Person entste159 Reuband, Karl-Heinz: Veränderungen in der Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1993. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 43 ff. 160 Vgl. dazu unter Punkt 2.1. 161 Zum Beispiel von Warr, Mark: Dangerous Situations. In: Social Forces, 68 (3), 1990, S. 894 ff; Vrij, Aldert/Winkel, Frans Willem: Characteristics of the built environment and fear of crime. In: Deviant Behavior: An Interdisciplinary Journal, 12, 1991, S. 207 ff. Ein Zusammenhang zwischen zu dunkler Straûenbeleuchtung und Viktimisierungsfurcht vor Raub und Körperverletzungen zeigte sich in der Untersuchung Bochum II (S. 154 ff, 158 f). Dagegen konnten Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 332 keinen Zusammenhang zwischen der Straûenbeleuchtung und dem Unsicherheitsgefühl feststellen. 162 Hale, Chris: Fear of Crime. In: International Review of Victimology, 4, 1996, S. 81. 163 Vrij, Aldert/Winkel, Frans Willem, a. a. O. (FN 161), S. 210 ff. 164 Vrij, Aldert/Winkel, Frans Willem, a. a. O. (FN 161), S. 213.

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hen kann.165 So wird das bei Frauen stärker als bei Männern ausgeprägte Unsicherheitsgefühl unter anderem einer allgemein gröûeren ¾ngstlichkeit zugeschrieben (vgl. auch unter Punkt 3.1.1). Zum anderen haben die Massenmedien eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf Kriminalitätseinstellungen. Da komplexe Zusammenhänge vereinfacht und dramatisiert werden, entsteht durch selektive, einseitige Information sowie Sensationsorientierung ein verzerrtes Bild.166 Durch diese Verzerrung findet eine Beeinflussung statt, z. B. bezüglich der Gewaltkriminalität, deren Ausmaû systematisch überschätzt wird. Aus der Überschätzung der Häufigkeit und Schwere von Kriminalität kann Kriminalitätsfurcht entstehen.167 Da jedoch die Operationalisierung dieser Aspekte sehr aufwendig ist, können sie in der Untersuchung Bochum III nicht weiter verfolgt werden. 4

Zusammenfassung

Kriminalitätsfurcht ist ein Thema mit starker kriminalpolitischer Relevanz, das jedoch z. T. bisher nur wenig differenziert betrachtet wird. Die kriminologische Forschung versucht dagegen, ein umfassendes Bild der Kriminalitätsfurcht, ihrer Entstehungszusammenhänge und ihrer Auswirkungen zu erhalten. Ganz allgemein ist Kriminalitätsfurcht eine subjektive Reaktion auf Kriminalität. Näher betrachtet handelt es sich um ein Konstrukt, das aus drei Komponenten zusammengesetzt ist: einer affektiven, einer kognitiven und einer konativen Komponente. Die affektive (gefühlsbezogene) Komponente umfaût vor allem das Unsicherheitsgefühl und wird häufig mit der sog. Standardfrage (Ausmaû der Unsicherheit nachts allein in der eigenen Wohngegend) erfaût. Obwohl diese Art der Operationalisierung teilweise kritisiert wird, gibt es Gründe für ihre weitere Verwendung (z. B. Vergleichbarkeit der Studien, empirischer Nachweis für die Validität der Ergebnisse). Stärkere Unsicherheitsgefühle ergaben sich vor allem in Groûstädten und in den neuen Bundesländern. Im Langzeitvergleich ist kein kontinuierlicher 165 Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und Innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 189 ff; Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 232; Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut: Sicherheitsgefühl und Persönlichkeit. In: MschrKrim, Jg. 79, Heft 2, 1997, S. 97 f. 166 Williams, Paul/Dickinson, Julie: Fear of Crime. Brit. J. Criminol., 33 (1), 1993, S. 50; Bilsky, Wolfgang u. a.: Subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und Opfererfahrung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 81; Kury, Helmut: Zur Bedeutung von Kriminalitätsentwicklung. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 139; Fattah, Ezzat A.: The Elderly's High Fear/Low Victimization Paradox. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 419; Fetchenhauer, Detlef: ¹Hinter jedem Baum ein Mörder?ª Bochum 1999, S. 8. 167 Williams, Paul/Dickinson, Julie, a. a. O. (FN 166), S. 49 ff; Fetchenhauer, Detlef, a. a. O. (FN 166), S. 25 f.

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Anstieg feststellbar, in letzter Zeit zeigten sich die Unsicherheitsgefühle trotz scheinbar steigender Gewaltkriminalität eher konstant. Die zweite Komponente setzt sich aus verschiedenen kognitiven (verstandesbezogenen) Elementen zusammen. Hier wird zum einen die Kriminalitätseinschätzung der Pbn erfaût. Bei der Frage nach der Kriminalitätsentwicklung wurde eher eine Zunahme der Kriminalität auf regionaler Ebene (Bund, Stadt) angenommen, weniger im eigenen Wohngebiet. Bei der (vermutlich auch durch Einflüsse der Massenmedien bedingten) Schätzung der Anteile bestimmter Delikte an der Gesamtkriminalität zeigte sich eine starke Überschätzung der Vorkommenshäufigkeiten schwerer Straftaten. Zum anderen wird die Viktimisierungserwartung erfragt, das heiût die angenommene Wahrscheinlichkeit, in der nächsten Zeit Opfer eines bestimmten Delikts zu werden. Diese war in Abhängigkeit von der jeweiligen Straftat in den verschiedenen Studien sehr unterschiedlich ausgeprägt. Mit der dritten Komponente schlieûlich werden verhaltensbezogene (konative) Faktoren erfaût: das Vermeidungsverhalten einer Person bzw. die Ergreifung bestimmter Abwehrmaûnahmen. Dabei zeigte sich, daû viele Pbn Vermeidungsverhalten zeigen und Abwehrmaûnahmen ergreifen. Die drei Komponenten der Kriminalitätsfurcht stehen nicht völlig getrennt nebeneinander, sondern bedingen sich auch gegenseitig. So konnte gezeigt werden, daû das (affektive) Unsicherheitsgefühl mit der kognitiven Komponente zusammenhängt, vor allem mit der Überschätzung des Anteils schwerer Delikte und der Viktimisierungserwartung. Überdies steht das Unsicherheitsgefühl mit dem Vermeidungsverhalten in Zusammenhang, nicht jedoch mit der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen. Bei der weitergehenden Untersuchung, welche Faktoren einen Einfluû auf die Kriminalitätsfurcht ausüben, werden die drei Komponenten der Kriminalitätsfurcht getrennt betrachtet. Zunächst gibt es Zusammenhänge mit soziodemographischen Variablen. Vor allem das Geschlecht spielt eine wesentliche Rolle. In den meisten Untersuchungen stellte sich heraus, daû Frauen sich unsicherer fühlen und mehr Vermeidungsverhalten zeigen als Männer. Auch mit dem Alter konnten Zusammenhänge gefunden werden, hier wiederum mit dem Unsicherheitsgefühl und dem Vermeidungsverhalten, aber auch mit der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen. Dabei ergab sich jedoch meist kein linearer Verlauf, das heiût kein durchgängiger Anstieg der Ausprägungen mit dem Alter. Statt dessen gab es entweder (zumindest bei den Frauen) eine eher U-förmige Verteilung mit höheren Werten bei den jüngsten und ältesten Pbn oder eine J-Verteilung (d. h. einen sprunghaften Anstieg des Unsicherheitsgefühls im Alter). Neben den soziodemographischen Variablen wird vor allem der Einfluû erlebter Viktimisierungen (bzw. auch der objektiven Schwere der Viktimisierung) auf die Kriminalitätsfurcht untersucht. Die vorliegenden Resultate sind (vor allem in Bezug auf das Unsicherheitsgefühl, aber auch bezogen auf das Vermeidungsverhalten) widersprüchlich. So ergaben sich in einigen Untersuchungen Unterschiede zwi244

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schen Opfern und Nicht-Opfern, in anderen Studien jedoch nicht. Dagegen konnte einheitlich eine erhöhte Viktimisierungserwartung der Opfer festgestellt werden. Die uneinheitlichen Befunde sind vermutlich über den Zusammenhang zur Bewältigung der Opfererfahrung erklärbar: Durch die Viktimisierung erhöht sich (unabhängig von der Bewältigung) die Erwartung, erneut Opfer einer Straftat zu werden. Das Unsicherheitsgefühl und das Vermeidungsverhalten sind jedoch abhängig von der Bewältigung. Gelingt diese, wird die erlebte Viktimisierung als wenig belastend empfunden. Daher fühlt sich ein Opfer umso unsicherer und zeigt umso mehr Vermeidungsverhalten je weniger die Bewältigung der Opfererfahrung gelungen ist. Ein weiterer Ansatzpunkt für die Erklärung der Kriminalitätsfurcht wird in Zusammenhängen mit bestimmten ökologischen Variablen gesehen. So fühlten sich Pbn mit einer stärkeren Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung (wie z. B. Vandalismus oder ¹herumlungerndenª Jugendlichen) unsicherer und erwarteten eher eine zukünftige Viktimisierung. Desgleichen führte eine zu dunkle Straûenbeleuchtung zu verstärkten Unsicherheitsgefühlen. Dagegen scheint sich die Kriminalitätsrate eines Wohngebietes weniger auf die Kriminalitätsfurcht auszuwirken: Es ergaben sich nur Zusammenhänge mit der Viktimisierungserwartung, nicht dagegen mit dem Unsicherheitsgefühl. 5

Hypothesen

Hypothesen zu den Abhängigkeiten der Komponenten untereinander: H 1:

Je mehr die Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten überschätzt wird, desto stärker ist das Unsicherheitsgefühl.

H 2:

Je mehr die Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten überschätzt wird, desto höher ist die Viktimisierungserwartung.

Hypothesen zur Viktimisierungsperspektive: H 3:

Das Unsicherheitsgefühl steht nicht im Zusammenhang mit der Opferwerdung.

H 4:

Opfer haben eine höhere Viktimisierungserwartung als Nicht-Opfer.

H 5:

Je häufiger ein Opfer an seine Opferwerdung denkt, desto stärker ist sein Unsicherheitsgefühl.

H 6:

Je häufiger ein Opfer an seine Opferwerdung denkt, desto gröûer ist die Neigung, passives Vermeidungsverhalten zu zeigen.

Hypothesen zu den ökologischen Variablen: H 7:

Je mehr ¹signs of incivilityª als störend wahrgenommen werden, desto stärker ist das Unsicherheitsgefühl. 245

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H 8:

Je mehr ¹signs of incivilityª als störend wahrgenommen werden, desto höher ist die Viktimisierungserwartung.

H 9:

Die Höhe der Belastung mit Kriminalität in einem Wohngebiet wirkt sich nicht auf die Unsicherheitsgefühle der Bewohner aus.

H 10: Je höher die Belastung mit Kriminalität in einem Wohngebiet ist, desto höher ist die Viktimisierungserwartung der Bewohner. H 11: Je dunkler die Straûenbeleuchtung in der Wohngegend empfunden wird, desto stärker ist das nächtliche Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung.

246

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§ 10

S. 247

Ergebnisse der Bochumer Befragung zur Kriminalitätsfurcht

Gliederung 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2

Ausprägungen der Kriminalitätsfurcht. . . . . . . . . Affektive Komponente ± das Unsicherheitsgefühl . . . Kognitive (verstandesbezogene) Komponente. . . . . . Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung . . . . . . . Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit bestimmter schwerer Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Viktimisierungserwartung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Konative (verhaltensbezogene) Komponente . . . . . . 1.4 Skalenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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248 248 251 251

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253 255 257 259

2

Beziehungen zwischen den Komponenten der Kriminalitätsfurcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3

Bestimmungsgründe der Kriminalitätsfurcht . . Beziehungen zu soziodemographischen Variablen. Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluû von Viktimisierungserfahrungen . . . . . . . Vergleich Opfer ± Nicht-Opfer . . . . . . . . . . . . . . Bewältigung der Opfererfahrung . . . . . . . . . . . . . Bewältigung und Alter bzw. Geschlecht . . . . . . . . Beziehungen zu ökologischen Variablen . . . . . . . Einschätzung der sozialen Destabilisierung. . . . . . Kriminalitätsrate eines Wohngebietes . . . . . . . . . Einschätzung der Straûenbeleuchtung . . . . . . . . .

4

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . 279

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Affektive Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitive Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konative Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beziehungen zwischen den Komponenten . . . . . . Beziehungen zu soziodemographischen Variablen. Einflüsse vorangegangener Opfererfahrungen . . . . Beziehungen zu ökologischen Variablen . . . . . . .

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263 263 263 267 269 269 270 270 272 273 273 275 277

280 280 281 281 282 282 283 283

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S. 248

Im vorhergehenden Paragraphen wurde in einem Überblick das ausgewertete Schrifttum zur Kriminalitätsfurcht vorgestellt. Im Anschluû daran sind die entsprechenden Hypothesen für die Untersuchung Bochum III formuliert worden. Nun folgen die Ergebnisse der Auswertung. 1

Ausprägungen der Kriminalitätsfurcht

Insgesamt wurden verschiedene Dimensionen der Kriminalitätsfurcht erhoben. Vor diesem Hintergrund sollen sowohl die Ergebnisse, also die Antworten der Pbn auf die Fragen zu der affektiven, kognitiven und konativen Komponente (vgl. § 9±2), als auch die Bestimmungsgründe der Kriminalitätsfurcht beschrieben werden. 1.1

Affektive Komponente ± das Unsicherheitsgefühl

In der Untersuchung Bochum III wurden die Unsicherheitsgefühle mit der gleichen Fragestellung erfaût wie bereits in den Untersuchungen Bochum I1 und Bochum II2 (der Wortlaut aller Fragen ist dem Fragebogen im Anhang zu entnehmen). Die Pbn sollten angeben, wie sicher sie sich in ihrer Wohngegend fühlen, wenn sie allein sind. Dabei war von Interesse, wie sich das Unsicherheitsgefühl tagsüber und nachts sowie innerhalb und auûerhalb der Wohnung unterscheidet. Übersicht 69 zeigt die Ausprägung der Unsicherheitsgefühle in den verschiedenen Kategorien. Übersicht 69:

Unsicherheitsgefühle in Bochum 1999

nachts

tagsuÈ ber

¹Wie sicher fühlen Sie sich hier in Ihrer Wohngegend, wenn Sie alleine sind?ª sehr sicher

eher sicher

ziemlich unsicher

sehr unsicher

gesamt

innerhalb der Wohnung

71,2 % (1.174)

25,4 % (419)

2,5 % (42)

0,8 % (13)

100 % (1.648)

auûerhalb der Wohnung

46,8 % (766)

43,8 % (716)

7,6 % (125)

1,8 % (29)

100 % (1.636)

innerhalb der Wohnung

55,9 % (920)

32,2 % (531)

8,7 % (143)

3,2 % (53)

100 % (1.647)

auûerhalb der Wohnung

19,3 % (310)

32,4 % (522)

31,6 % (508)

16,7 % (269)

100 % (1.609)

Unter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Von den insgesamt 1.661 Befragten konnten zwischen 13 und 52 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil keine Angaben vorlagen.

1 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I), S. 405. 2 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II), S. 323.

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S. 249

Insgesamt gab annähernd die Hälfte der Befragten an, sich nachts auûerhalb der eigenen Wohnung ¹ziemlich unsicherª bzw. ¹sehr unsicherª zu fühlen. Darüber hinaus zeigte sich, daû die Unsicherheitsgefühle der Befragten in der Übersicht von oben nach unten ansteigen: Ebenso wie in der Untersuchung Bochum II3 (vgl. Übersicht 70) war die Unsicherheit nachts stärker als tagsüber, und auûerhalb der eigenen Wohnung fühlten sich die Pbn unsicherer als innerhalb. Verglichen mit anderen neueren Studien gaben die Bochumer Befragten relativ starke nächtliche Unsicherheitsgefühle auûerhalb der Wohnung in ihrer Wohngegend an (48,3 % ¹ziemlich unsicherª bzw. ¹sehr unsicherª). Dagegen berichtet Dörmann 4 über einen Prozentsatz von nur 30,6 % ¹ziemlich unsicherenª bzw. ¹sehr unsicherenª Pbn im Jahr 1998 (Angaben der Pbn aus Städten zwischen 100.000 und 500.000 Einwohnern, somit vergleichbar mit der Stadt Bochum, die rund 396.000 Einwohner hat). Noch schwächere Unsicherheitsgefühle ergaben sich bei Obergfell-Fuchs/Kury 5 im Jahr 1994: Bei ihnen gaben nur 20,3 % der städtischen Pbn aus den alten Bundesländern an, sich unsicher zu fühlen (Antwortkategorien ¹sehr oftª und ¹ziemlich oftª). Insgesamt ist jedoch zu berücksichtigen, daû ein Vergleich der Resultate zwischen den einzelnen Studien nur sehr eingeschränkt möglich ist (vgl. dazu auch schon § 5±1.1). Denn die verschiedenen Ergebnisse können auch auf Meûfehler bzw. Unterschiede in der Erfassungsart zurückgeführt werden, z. B. auf Z Z Z Z Z

verschieden hohe Rücklaufquoten, die Plazierung im Fragebogen, die Gröûe der Stichprobe, den Untersuchungsraum oder die genauen Frageformulierungen.

Somit ist das Unsicherheitsgefühl schwer mit einer einzigen Frage zu erfassen und die Vergleichbarkeit mit anderen Studien kaum erreichbar. Da die oben aufgelisteten Unterschiede zwischen den Untersuchungen Bochum II und III jedoch grundsätzlich nicht bestehen, ist ein Langzeitvergleich möglich. Übersicht 70 zeigt die Ausprägungen des Unsicherheitsgefühls in den beiden Untersuchungen. Die Untersuchung Bochum I kann in den Langzeitvergleich nicht einbezogen werden, da bzgl. der Kriminalitätsfurcht die Zielsetzung 1976 eine völlig andere 3 Untersuchung Bochum II, S. 150. 4 Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 28. Hier ist gleichwohl zu berücksichtigen, daû sowohl die Bewohner der gröûeren Städte (über 500.000 Einwohner) als auch die Bewohner der etwas kleineren Städte (zwischen 20.000 und 100.000 Einwohner) ein höheres nächtliches Unsicherheitsgefühl angaben (jeweils etwa 36 %). 5 Nur Antworten der Pbn aus Städten zwischen 100.000 und 500.000 Einwohnern (Obergfell-Fuchs, Joachim/Kury, Helmut: Verbrechensfurcht und kommunale Kriminalprävention. In: Feltes, Thomas (Hg.): Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württemberg. Holzkirchen/Obb. 1995, S. 50). Diese relativ niedrigen Werte können auch dadurch bedingt sein, daû eine etwas enger gefaûte Standardfrage nach der Angst, Opfer einer Straftat zu werden, verwendet wurde.

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war: Es sollte ein Bevölkerungsteil systematisch danach untersucht werden, ob sich Unterschiede in den Angaben von Befragten aus Stadtteilen mit hoher bzw. niedriger Bevölkerungsdichte sowie mit hoher bzw. niedriger Kriminalitätsrate ergeben. 6 Daher wurde eine wesentlich kleinere Stichprobe (n = 357 Befragte) aus vier Bochumer Stadtteilen ausgewertet, die den genannten Merkmalen (hohe/niedrige Bevölkerungsdichte bzw. Kriminalitätsrate) entsprachen. Übersicht 70:

Entwicklung der Unsicherheitsgefühle: Vergleich der Untersuchungen Bochum II und III

Von den insgesamt 1.434 (Bochum II) bzw. 1.661 (Bochum III) Befragten konnten zwischen 8 und 16 bzw. 13 und 52 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil dazu keine Angaben vorlagen. * Zusammenfassung der Antwortkategorien ¹sehr unsicherª und ¹eher unsicherª (Bochum II) bzw. ¹sehr unsicherª und ¹ziemlich unsicherª (Bochum III).

Aus der Übersicht 70 ist ersichtlich, daû die Sicherheits- bzw. Unsicherheitsgefühle 1987 und 1999 sehr ähnlich ausgeprägt waren. Hier kann demnach festgehalten werden, daû die häufig vermutete bedenkliche Zunahme des Unsicherheitsgefühls in der Bevölkerung zumindest für die befragten Einwohner Bochums nicht bestätigt werden kann: Das nächtliche Unsicherheitsgefühl ist seit 1987 weitestgehend konstant geblieben. Dieses Resultat entspricht der Entwicklung, die Reuband7 für die Bundesrepublik (bzw. seit 1990 für die alten 6 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 317 ff. 7 Reuband, Karl-Heinz: Veränderungen in der Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1993. In: Kaiser, Günther/Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminologische Opferforschung. Teilband II. Heidelberg 1995, S. 42 f.

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Bundesländer) zeigen konnte. Eine Stagnation des Unsicherheitsgefühls in den 90 er Jahren ergab sich auch in weiteren Untersuchungen (vgl. ausführlich in § 9±2.1). In diesem Kontext merkt Bilsky8 an, daû entgegen der tatsächlichen Forschungsresultate eine Zunahme der Kriminalitätsfurcht oft für ¹gesichertes Alltagswissenª gehalten werde, da von ihr immer wieder die Rede sei. Gleichwohl werde jedoch ¹die Gültigkeit von Feststellungen durch ihre beharrliche Wiederholung nicht zwangsläufig erhöhtª. 1.2

Kognitive (verstandesbezogene) Komponente

1.2.1

Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung

Die Pbn sollten zudem die Entwicklung der Kriminalität in den letzten fünf Jahren in Deutschland insgesamt und in ihrer Wohngegend einschätzen. In diesem Kontext wurde zwischen den Deliktsarten Diebstahl, Einbruch, Raub und Körperverletzung unterschieden. Die Interviewer hatten die Aufgabe, die Antworten der Befragten auf einer 7-stufigen Skala von 1 (¹sehr viel zugenommenª) bis 7 (¹sehr viel abgenommenª) einzuordnen. In Übersicht 71 ist getrennt für jedes Delikt der Anteil der Pbn, die einen Kriminalitätszuwachs annahmen, dargestellt. Dabei werden die Angaben für die Zunahme in der Bundesrepublik Deutschland und in der eigenen Wohngegend gegenübergestellt.9 Es zeigte sich, daû die Bochumer Pbn durchweg bei allen Delikten deutlich eher eine Zunahme in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt annahmen als in der eigenen Wohngegend. Dabei waren die Unterschiede der eingeschätzten Zuwachsraten an Kriminalität zwischen den beiden geographischen Räumen bei jedem Delikt signifikant (p < 0,001). Diese Befunde bestätigen anschaulich das ¹Verbrechen-auf-Distanz-Phänomenª; zudem wurde auch in anderen Untersuchungen über ähnliche Ergebnisse berichtet (vgl. § 9±2.2.1).

8 Bilsky, Wolfgang: Steigende Kriminalitätsfurcht ± Gesichertes Wissen oder Trugschluû? In: KrimJ, Jg. 28, Heft 4, 1996, S. 285. 9 Der dritte Bezugsraum (Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung in der Stadt Bochum), der in den Untersuchungen Bochum I und II darüber hinaus erfragt wurde, ist aufgrund der Reaktionen der Befragten im Pretest (vgl. § 1±2.1.3) auf den sehr umfangreichen Fragenkomplex herausgenommen worden. Die Pbn empfanden es in der Voruntersuchung als zunehmend kompliziert, zwischen den immer gleichen Delikten und den unterschiedlichen Bezugsräumen (Bundesrepublik, Stadt Bochum, Wohngegend) zu differenzieren. Die Folge war, daû die Befragten gereizt reagierten und deshalb im Pretest bei diesem Fragenkomplex die Anzahl der fehlenden Antworten oder ¹weiû nichtª-Angaben von Item zu Item anstieg.

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Übersicht 71:

Einschätzung der Veränderung der Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland sowie in der eigenen Wohngegend

* Zusammenfassung der Kategorien ¹sehr viel zugenommenª, ¹viel zugenommenª und ¹etwas zugenommenª.

Darüber hinaus wurde dieses Resultat in allen drei Bochumer Befragungen gefunden 10: Bereits in der Untersuchung Bochum I 11 wurde aufgrund unterschiedlicher Antwortmuster zwischen der Kriminalitätseinschätzung innerhalb und auûerhalb des eigenen Wohngebietes differenziert. Die Ergebnisse der Untersuchung Bochum II 12 stimmen prozentual und von der Verteilung her nahezu mit denen der Untersuchung Bochum III überein. Zur Erläuterung der Diskrepanzen zwischen den beiden Bezugsräumen bieten sich vor allem drei Erklärungsansätze an: Z

Einmal könnte es sein, daû die Pbn die Kriminalität im eigenen Umfeld valider (Validität Ü Glossar) beurteilen. So scheint es plausibel, daû die Entwicklungen im Nahraum durch persönliche Erfahrungen genauer eingeschätzt werden können, während das Kriminalitätsbild im gröûeren Kontext eher durch die Medien (oder andere Faktoren) beeinfluût und auch verzerrt wird.

10 Die Ergebnisse der Untersuchung Bochum I sind jedoch nur sehr eingeschränkt mit denen der Untersuchungen Bochum II und III vergleichbar, da aufgrund einer anderen Zielsetzung 1976 nur eine kleine Stichprobe aus vier Bochumer Wohngebieten untersucht wurde und daher die Übertragung auf ganz Bochum nicht gesichert erscheint (vgl. näher unter Punkt 1.1). 11 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 323 ff. 12 Untersuchung Bochum II, S. 160 ff. Bei einem Vergleich, wieviel Prozent der Befragten eine Zunahme (¹sehr viel zugenommenª, ¹viel zugenommenª und ¹etwas zugenommenª) der Kriminalität annahmen, zeigte sich, daû die Angaben bei den Untersuchungen Bochum II und III nur zwischen zwei und vier Prozentpunkte auseinander lagen (bis auf zwei Ausnahmen: einmal war die Differenz geringfügig höher, einmal geringfügig niedriger).

252

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Z

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Eine andere Ursache könnte darin liegen, daû die Pbn eine mögliche Kriminalitätszunahme in der eigenen Wohngegend nicht angeben: Schlieûlich würden sie sonst vor sich selbst und vor der Person des Interviewers zugeben, in einem Gebiet zu leben, das sich durch einen Aspekt negativer Lebensqualität, nämlich einen Anstieg an Kriminalität, ausweist. Um die daraus resultierende Beklemmung zu vermeiden, wird möglicherweise der Kriminalitätszuwachs vor dem Interviewer bzw. sogar vor sich selbst geleugnet. Die Vorgänge lassen sich mit der sog. ¹Theorie der kognitiven Dissonanzª 13 erläutern. Beispielsweise wissen die meisten Raucher, daû sie ihrer Gesundheit schaden. Um sich aber vor sich selbst oder anderen zu rechtfertigen, werden Argumente wie ¹es gibt genug Raucher, die lange lebenª oder ¹lieber rauchen, als an Gewicht zunehmenª angeführt.

Z

Schlieûlich ist es möglich, die Resultate auf Befunde von Warr14 (vgl. § 9±2.1) zu beziehen, nach denen unbekannte Gegenden Unbehagen hervorrufen. Aus diesem Grund könnte in fremden bzw. entfernten Gebieten eher von einer Kriminalitätszunahme ausgegangen werden als im eigenen bekannten und somit als sicher empfundenen Wohnumfeld.

1.2.2

Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit bestimmter schwerer Straftaten

Darüber hinaus wurden die Befragten um eine Einschätzung gebeten, wieviel Prozent aller pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland bei der Polizei angezeigten15 Delikte auf Mord/Totschlag, gefährliche/schwere Körperverletzung sowie Raub entfallen. Beim Betrachten der Resultate muû allerdings bedacht werden, daû die Pbn Prozentangaben machen muûten und damit vor eine für sie recht ungewöhnliche Aufgabe gestellt wurden. Unter Umständen wurden dadurch die Ergebnisse entsprechend beeinfluût bzw. die Überschätzungen noch verstärkt. In Übersicht 72 sind die Einschätzungen der Bochumer Pbn zur Vorkommenshäufigkeit den tatsächlichen Werten aus der PKS gegenübergestellt. Dabei bedeutet ein Median (Ü Glossar) von 10 %, daû die Hälfte der Pbn Prozentangaben gemacht hat, die kleiner sind als dieser Wert, die andere Hälfte der Befragten gab jedoch Werte über 10 % an. Auffällig ist die starke Überschätzung bei den schweren Straftaten. So wurde Mord/Totschlag um den Faktor 250 (d. h. 10 % geteilt durch 0,04 %) überschätzt.

13 Festinger, Leon: Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern 1978. 14 Warr, Mark: Dangerous Situations. In: Social Forces, 68 (3), 1990, S. 891±907. 15 Da bis zu 95 % aller Straftaten den Strafverfolgungsbehörden über Anzeigen bekannt werden (Kirchhoff, Gerd F.: Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung aus viktimologischer Sicht. In: BKA (Hg.): Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung. Wiesbaden 1996, S. 48), wurde bei dem Item diese Formulierung verwendet. Zudem scheint die Frage nach den angezeigten Straftaten verständlicher als die nach den der Polizei bekannt gewordenen Fällen.

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Die Pbn nahmen an, daû 250 mal mehr Tötungsdelikte bei der Polizei angezeigt werden, als dies tatsächlich der Fall ist. ¾hnlich hohe Überschätzungen zeigten sich auch bei einer Befragung von JuraStudenten, die aufgrund ihres Wissens die tatsächlichen Werte eher einschätzen können sollten (vgl. § 9±2.2.1) sowie bei Kania 16 und Killias 17. Übersicht 72:

Überschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten in Bochum 1999 Median

tatsächlicher Wert18

Überschätzung um den Faktor . . .*

Mord/Totschlag

10 %

0,04 %

250

gefährliche/schwere Körperverletzung

20 %

1,71 %

12

Raub

30 %

1,00 %

30

* Die Überschätzung wird berechnet, indem der Median durch den tatsächlichen Wert geteilt wird

Daû die schweren Straftaten in einem solchen Ausmaû überschätzt werden, könnte zum einen damit zusammenhängen, daû die Medien überdurchschnittlich viele Gewaltdelikte zeigen und dadurch ein verzerrtes Bild entsteht (vgl. § 9±3.4).19 So basieren Angaben zu Häufigkeiten zumeist auf Verfügbarkeitsheuristiken: Personen schätzen das Vorkommen von Ereignissen höher, wenn sie in ihrem Gedächtnis vorhanden oder abrufbar sind. Da insbesondere über schwere Delikte wie Mord und Totschlag fast täglich in den Medien berichtet wird, kann es zu einer Überschätzung der tatsächlichen Vorkommenshäufigkeit vor allem schwerer Straftaten kommen.20 Nach Clerici/Killias21 soll dagegen die ¹intensive öffentliche Erörterung des Themas Kriminalitätª in den letzten Jahren u. U. auch eine ¹realistischere Ein16 Kania, Harald: Kriminalitätsdarstellung in den Massenmedien. Köln 1998, S. 124 f (errechnet anhand der Mittelwerte sowie der Angaben aus der PKS: BKA (Hg.): PKS 1996 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1997, S. 135): Bei ihm zeigte sich eine Überschätzung der Häufigkeit von Mord um den Faktor 163 (es sollte allerdings die Anzahl der Morde geschätzt werden, nicht der prozentuale Anteil). 17 Bei der Untersuchung von Killias lag im erfragten Zeitraum für die Stadt Zürich die durchschnittliche Zahl der Tötungsdelikte bei 6,5 pro Jahr. 52 % der Pbn schätzten sie jedoch auf 20 und mehr und 25 % glaubten sogar, daû es jährlich zu 50 Tötungsdelikten kommt (Killias, Martin: Zum Einfluû der Massenmedien auf Wissen und Meinungen über Tötungsdelikte. In: MschrKrim, Jg. 65, Heft 1, 1982, S. 20). 18 BKA (Hg.): PKS 1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1999, S. 30. 19 Fiedler, Klaus: Die Verarbeitung sozialer Informationen für Urteilsbildungen und Entscheidungen. In: Stroebe, Wolfgang/Hewstone, Miles/Stephenson, Geoffrey M. (Hg.): Sozialpsychologie. Berlin 1996 (3. Aufl.), S. 158. 20 Fiedler, Klaus, a. a. O. (FN 19), S. 157 ff. 21 Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999, S. 8.

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schätzung verschiedener Risikenª ermöglichen, da nicht ausschlieûlich ¹verunsicherndeª Informationen vermittelt wurden. Zum anderen sind die schweren Straftaten besonders bedrohlich. Infolgedessen können sie von den Befragten dominant erlebt werden, woraus ebenfalls eine Überschätzung der tatsächlichen Vorkommenshäufigkeit resultieren kann. 1.2.3

Viktimisierungserwartung

Aus der Übersicht 73 ist abzulesen, für wie wahrscheinlich es die Bochumer Pbn hielten, in den kommenden 12 Monaten Opfer eines Diebstahls, Einbruchs, Raubes oder einer Körperverletzung zu werden. Die Einschätzung der Pbn erfolgte auf einer 5-stufigen Skala, bei der 1 ¹sehr unwahrscheinlichª bedeutet und die 5 mit ¹sehr wahrscheinlichª gleichzusetzen ist. Übersicht 73:

Viktimisierungserwartung in Bochum 1999 Geschätzte Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 12 Monaten Opfer zu werden sehr unwahrscheinlich ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± sehr wahrscheinlich 1

2

3

4

5

gesamt

Diebstahl

21,6 % (350)

26,6 % (446)

20,4 % (330)

17,1 % (277)

13,2 % (214)

100 % (1.617)

Einbruch

23,5 % (382)

29,9 % (486)

17,1 % (278)

19,2 % (313)

10,3 % (167)

100 % (1.626)

Raub

26,8 % (431)

31,1 % (502)

19,6 % (315)

15,7 % (252)

6,7 % (107)

100 % (1.607)

Körperverletzung

22,9 % (370)

26,8 % (433)

22,1 % (357)

19,8 % (320)

8,3 % (134)

100 % (1.614)

Unter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Von den insgesamt 1.661 Befragten konnten zwischen 35 und 52 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil dazu keine Angaben vorlagen.

Nahezu ein Drittel der Pbn (30,3 %) hielt es für wahrscheinlich22, im Laufe der nächsten 12 Monate Opfer eines Diebstahls zu werden. ¾hnlich hoch wurde die Wahrscheinlichkeit geschätzt, Opfer eines Einbruchs (29,5 % aller Pbn) bzw. einer Körperverletzung (28,1 %) zu werden. Niedriger lag dagegen die Mutmaûung der Befragten, einer Raubtat zum Opfer zu fallen (22,4 %).23 Verglichen mit den tatsächlichen Viktimisierungsrisiken (siehe § 6±1.1) scheinen die Bochumer Befragten die Wahrscheinlichkeit einer Opferwerdung deutlich zu überschätzen. 22 Hier wurden die beiden höchsten Kategorien der 5-stufigen Skala zusammengefaût. 23 Sämtliche Einschätzungen für die verschiedenen Delikte unterscheiden sich signifikant voneinander (p < 0,001). Dabei ist es hauptsächlich auf die groûe Stichprobe zurückzuführen, daû auch die Unterschiede zwischen Diebstahl, Einbruch und Körperverletzung signifikant werden.

255

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S. 256

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, in zukünftigen Opferbefragungen verschiedene Maûe zur Erhebung des wahrgenommenen Viktimisierungsrisikos einzusetzen. 24 Nur so kann überprüft werden, inwiefern Viktimisierungsrisiken tatsächlich in dem Ausmaû überschätzt werden, wie es die Ergebnisse der Untersuchung Bochum III nahezulegen scheinen. Verglichen mit anderen neueren Studien25 (vgl. auch § 9±2.2.2) erscheinen die Bochumer Werte für die Viktimisierungserwartung auf den ersten Blick relativ hoch. Insbesondere beim Einbruch besteht offenbar eine groûe Diskrepanz: So zeigte sich 1995 in einer Untersuchung von Boers, Gutsche und Sessar 26, daû nur 2 % der Befragten einen Einbruch für ¹sehr wahrscheinlichª hielten (dabei wurden nur Pbn aus westdeutschen Städten zwischen 100.000 und 500.000 Einwohnern berücksichtigt); 1999 waren das in Bochum 10,3 % der Befragten. Diese Unterschiede können jedoch auch auf der Art der Operationalisierung beruhen (vgl. dazu schon unter Punkt 1.1). So wurde die Viktimisierungserwartung in Bochum mit einer 5-stufigen Skala erfaût, während sie bei Boers/Gutsche/Sessar 4-stufig gemessen wurde. Zudem stimmte die genaue Fragenformulierung in den verschiedenen Studien nicht überein und in Bochum wurde vor dem Einbruch bereits der Diebstahl erfragt. Ein Langzeitvergleich für Bochum über die drei Jahresmeûpunkte 1976±1987± 1999 war deshalb nicht möglich, da in der Untersuchung Bochum I noch keine deliktsspezifische Differenzierung vorgenommen wurde und sie sich in der Untersuchung Bochum II nicht auf die Viktimisierungserwartung bezog.27

24 So fragte beispielsweise Fetchenhauer 290 Bochumer Studenten der Rechtswissenschaften danach, wieviele von 1.000 ihnen sehr ähnlichen Jura-Studenten innerhalb eines Jahres Opfer eines bestimmten Ereignisses werden. Dabei zeigte sich, daû die befragten Studenten zu erstaunlich validen (Validität Ü Glossar) Schätzungen unterschiedlicher Viktimisierungsraten in der Lage waren (Fetchenhauer, Detlef: Do people over- or underestimate their personal risk of becoming a victim of crime? Toronto 1999). 25 Die Viktimisierungserwartung wurde z. B. in folgenden Studien erfragt: Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991; Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997; Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998; Clerici, Christian/Killias, Martin: Unsicherheit im öffentlichen Raum. In: Crimiscope, Heft 6, 1999 und Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999. 26 Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 200. Allerdings ergab sich bei Boers/Kurz (a. a. O., S. 199) bei bloûer Berücksichtigung der Pbn aus westdeutschen Städten über 500.000 Einwohnern mit 9 % ein ähnlich hoher Wert wie in der Stadt Bochum (die mit rund 396.000 Einwohnern nicht weit entfernt ist von dieser Gröûenordnung). 27 Statt dessen wurde in der Untersuchung Bochum II die Viktimisierungsfurcht bezogen auf dieselben vier Delikte erfragt (vgl. dazu § 9±2.1).

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1.3

S. 257

Konative (verhaltensbezogene) Komponente

Die verhaltensbezogene Komponente der Kriminalitätsfurcht wurde zum einen mit der Frage nach der Meidung bestimmter Gegenden in Bochum aus einem Unsicherheitsgefühl heraus erfaût. Dabei gab über die Hälfte der Befragten (54,7 %) an, bestimmte Gegenden in Bochum grundsätzlich zu meiden, weil sie sich dort unsicher fühlt. Dieses Resultat entspricht den Ergebnissen der meisten anderen Untersuchungen (vgl. § 9±2.3) und hat sich seit der Untersuchung Bochum II28, bei der 52,0 % der Pbn angaben, bestimmte Gegenden zu meiden, nicht geändert. Die anschlieûende offene Frage, um welche Gegenden es sich dabei handelt, wurde von 788 Pbn beantwortet. Von diesen nannten 24,7 % die Innenstadt bzw. den Bahnhof, 8,6 % den Bereich der Universität (Querenburg/Hustadt), 7,0 % das Rotlichtviertel (¹Guûstahlstraûeª) und 5,3 % eine Gegend, in der viele Wohnungslose untergebracht sind (¹Zillertalª). Zudem wurden U-Bahnen bzw. U-Bahnhöfe (4,4 %) und Parkanlagen (3,9 %) angegeben. Die Frage nach den Gegenden, die gemieden werden, wurde im Interview im Anschluû an zwei Fragen gestellt, die mit Dunkelheit bzw. Nacht zu tun hatten (nächtliches Unsicherheitsgefühl sowie Einschätzung der Straûenbeleuchtung). Daher ist anzunehmen, daû diese Frage von den Pbn auf nächtliches Vermeidungsverhalten bezogen wurde. So werden auch die Antworten plausibel. Zum anderen wurde nach der Ergreifung einer ganzen Reihe bestimmter Maûnahmen gefragt. Damit wurde einerseits das Vermeidungsverhalten spezifischer als nur durch ein Item erfaût, andererseits die Ergreifung aktiver Abwehrmaûnahmen. Insgesamt wurden folgende Dimensionen der konativen Komponente unterschieden (siehe Übersicht 74)29: Z Z Z

Vermeidungsverhalten, Abwehrmaûnahmen zum Schutz der eigenen Person und Abwehrmaûnahmen zum Schutz des Eigentums.

28 Untersuchung Bochum II, S. 167. In der Untersuchung Bochum I wurde die Frage nach dem Meiden bestimmter Gegenden zwar auch gestellt, es findet sich jedoch keine gesonderte Auswertung. 29 Eine ähnliche Einteilung findet sich auch in anderen Untersuchungen (z. B. Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 303 und Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 197).

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Übersicht 74:

Abwehrmaûnahmen Haushaltsschutz

Abwehrmaûnahmen Personenschutz

Vermeidungsverhalten

Vermeidungsverhalten und Ergreifung von Abwehrmaûnahmen in Bochum 1987 und 1999 ± Angaben der Zustimmung in Prozent Bochum II

Bochum III

1. Weichen Sie herumstehenden Jugendlichen aus?

*

45,5 %

2. Weichen Sie herumstehenden Ausländern aus?**

*

38,2 %

26,1 %

21,1 %

4. Bleiben Sie aus Angst vor Kriminalität abends zu Hause und verlassen Ihre Wohnung nicht?

*

20,9 %

5. Verzichten Sie auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, um sich zu schützen?

*

18,3 %

15,5 %

16,1 %

*

10,9 %

8. Haben Sie sich einen Hund angeschafft?***

11,8 %

10,0 %

9. Schlieûen Sie Autos bzw. Fahrräder stets sorgfältig ab?

91,7 %

90,9 %

10. Haben Sie besondere Tür- und Fenstersicherungen bzw. Gitter in Ihrer Wohnung eingebaut?

44,5 %

33,3 %

11. Haben Sie schon einmal mit der polizeilichen Beratungsstelle Kontakt aufgenommen?

5,7 %

8,9 %

12. Haben Sie eine Alarmanlage in Ihrer Wohnung bzw. Ihrem Haus eingebaut?

5,7 %

7,1 %

3. Vermeiden Sie es, mit Fremden zu sprechen?

6. Besitzen Sie Waffen wie Stock, CS-Gas, Tränengas, Elektroschocker etc.? 7. Haben Sie einen Selbstverteidigungskurs besucht?

Von den insgesamt 1.434 (Bochum II) bzw. 1.661 (Bochum III) Befragten konnten zwischen 2 und 57 bzw. zwischen 11 und 56 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil keine Angaben vorlagen. * Diese Fragen wurden in der Untersuchung Bochum II nicht gestellt. ** Diese Kategorie wurde nur bei deutschen Pbn erfragt. *** Das ¹Anschaffen eines Hundesª kann im Grunde nicht eindeutig dem Personenschutz zugeordnet werden, da Hunde aus vielfältigen Gründen angeschafft werden, die mit der Art der Fragestellung nicht erschlossen werden können.

Diese Differenzierung ist im Hinblick auf unterschiedliche Ausprägungen bei den soziodemographischen Variablen Alter, Geschlecht und Bildung sinnvoll. Zudem korrelieren (Korrelation Ü Glossar) die drei Dimensionen der konativen Komponente nicht bzw. nur sehr niedrig miteinander. So korreliert das Vermeidungsverhalten mit den Abwehrmaûnahmen zum Haushaltsschutz nur unwesentlich (r = 0,09; p < 0,01), mit dem Personenschutz dagegen gar nicht (p = 0,40). Auch zwischen dem Haushalts- und Personenschutz besteht praktisch kein Zusammenhang (r = 0,06; p < 0,01). Damit kann festgehalten werden, daû es sich um drei unabhängige Dimensionen handelt, die getrennt voneinander betrachtet werden sollten.

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Insbesondere das Vermeidungsverhalten war bei den Bochumer Befragten ausgeprägt: Ein groûer Prozentsatz der Pbn gab an, Jugendlichen auszuweichen (45,5 %) bzw. Ausländern aus dem Weg zu gehen (38,2 %). Jeweils etwa ein Fünftel der Befragten verzichtete zudem auf öffentliche Verkehrsmittel, verlieû abends die Wohnung nicht und sprach nicht mit Fremden. Darüber hinaus zeigte sich, daû sorgfältiges Abschlieûen von Autos und Fahrrädern nahezu selbstverständlich ist, da 90,9 % der Pbn angaben, dies zu tun. Ein Drittel der Befragten hatte für den Einbau von Tür- und Fenstersicherungen bzw. Gittern gesorgt. Dagegen hatten lediglich 7,1 % eine Alarmanlage in ihre Häuser oder Wohnungen eingebaut. Die Angaben der Bochumer Pbn sind der Höhe nach vergleichbar mit den Resultaten anderer neuerer Untersuchungen (vgl. die Nachweise in § 9±2.3) Aus Übersicht 74 ist zudem der Vergleich mit der Untersuchung Bochum II30 abzulesen. Insgesamt haben sich die Resultate seit 1987 wenig verändert. Ausnahmen bilden die Aufnahme des Kontakts zu polizeilichen Beratungsstellen, die 1999 häufiger vorgekommen ist, sowie das Vermeiden mit Fremden zu sprechen und die Sicherung von Türen und Fenstern, die sich reduziert haben. Bezogen auf den Einbau von Tür- und Fenstersicherungen könnten 1999 allerdings auch bestimmte Maûnahmen als normal (und somit nicht erwähnenswert) gegolten haben, die 1987 noch genannt wurden. 1.4

Skalenbildung

Zur Komprimierung der Daten und als Voraussetzung für die Berechnung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Variablen wurden bei einigen Items Skalen (Ü Glossar) gebildet. So gab es z. B. für das Unsicherheitsgefühl in der Untersuchung Bochum III vier Indikatoren: Es wurde gefragt nach der Unsicherheit innerhalb und auûerhalb der Wohnung sowie tagsüber und nachts (vgl. § 9±2.1 und § 2±5). Wenn nun beispielsweise die Zusammenhänge zwischen dem Unsicherheitsgefühl und dem Geschlecht untersucht werden sollen, müûten eigentlich die Korrelationen aller vier Indikatoren berechnet werden. Wenn diese jedoch zu einer Skala zusammengefaût werden können, kann ein Korrelationskoeffizient (Ü Glossar) für den Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und dem Geschlecht ermittelt werden. 30 Untersuchung Bochum II, S. 167; die abweichenden Werte sind darauf zurückzuführen, daû auch für die Untersuchung Bochum II die (bis zu 57) Pbn, von denen keine Angaben vorlagen, herausgerechnet wurden. Zudem ist zu berücksichtigen, daû die Fragenformulierungen in den beiden Untersuchungen nicht genau übereinstimmten. Ein Vergleich mit der Untersuchung Bochum I ist hier nicht möglich, da nur die Anzahl bestimmter Arten von Maûnahmen erfaût wurde, nicht aber jede Verhaltensweise einzeln. Überdies fehlt es erneut an einer expliziten Auswertung, da dort lediglich das Vermeidungsverhalten und die Ergreifung von Abwehrmaûnahmen zu der Variablen ¹Schutzmaûnahmenª zusammengefaût und weitergehend die Zusammenhänge mit anderen Einfluûgröûen der Kriminalitätsfurcht überprüft wurden.

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Die Skalenbildung erfolgte durch die Berechnung des Wertes für Cronbachs alpha (Ü Glossar). Die einzelnen Werte sind der folgenden Übersicht 75 zu entnehmen. Übersicht 75:

Skalenbildung bei den verschiedenen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht in der Untersuchung Bochum III Cronbachs alpha

Item-Anzahl

Unsicherheitsgefühl

0,80

4

Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung in Deutschland

0,83

4

Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung in der Wohngegend

0,85

4

Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten

0,84

3

Viktimisierungserwartung

0,80

4

Deutlich wird, daû bei allen Aspekten eine Skala gebildet werden konnte, da jeweils Werte von Cronbachs alpha ab 0,80 erreicht wurden. Bei allen Dimensionen lag somit eine starke Homogenität (Übereinstimmung) vor. Folglich durften die Skalen für die Untersuchung der weiteren Zusammenhänge zugrunde gelegt werden. 2

Beziehungen zwischen den Komponenten der Kriminalitätsfurcht

In § 9±2 wurde ausführlich die Annahme beschrieben, daû es sich bei der Kriminalitätsfurcht um ein aus drei Komponenten bestehendes Konstrukt handelt, das sich aus affektiven, kognitiven und konativen Anteilen zusammensetzt. Die Frage ist nun, inwiefern diese verschiedenen Komponenten miteinander zusammenhängen. In Übersicht 76 sind die wichtigsten Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht aufgeführt. Dabei zeigt sich erneut, daû sinnvoll zwischen den drei Komponenten der Kriminalitätsfurcht unterschieden werden kann. Die Beziehungen zwischen den Komponenten sind zu gering, um von einer Dimension der Kriminalitätsfurcht sprechen zu können. Nach den Ergebnissen handelt es sich vielmehr um trennbare Gröûen.

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Diese Resultate stimmen mit denen der Untersuchungen Bochum I 31 und II 32 sowie weiterer ausgewerteter Studien überein und sind durchaus plausibel (vgl. dazu ausführlicher § 9±2.4). Übersicht 76:

Zusammenhänge einiger Komponenten der Kriminalitätsfurcht untereinander

Unsicherheitsgefühl Viktimisierungserwartung Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten

Viktimisierungserwartung

Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten

Vermeidungsverhalten

r = 0,34**

r = 0,14**

r = 0,36**

r = 0,16**

r = 0,18** r = 0,12**

** p < 0,01

Es könnte vermutet werden, daû sich in den gefundenen Zusammenhängen zwischen den Komponenten der Kriminalitätsfurcht lediglich Unterschiede zwischen den Angaben der Frauen und Männer widerspiegeln. Diese Annahme konnte empirisch jedoch nicht bestätigt werden: Wenn die Zusammenhänge getrennt nach dem Geschlecht errechnet werden, korreliert bei den männlichen Befragten das Unsicherheitsgefühl mit dem Vermeidungsverhalten mit r = 0,31 (p < 0,001) und bei den weiblichen Befragten mit r = 0,32 (p < 0,001). Dies trifft auch für die übrigen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht zu. Die Hypothesen 1 und 2 (vgl. § 9±5) besagten, daû Befragte, die die Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten stark überschätzen, sowohl mehr Unsicherheitsgefühle als auch eine höhere Viktimisierungserwartung aufweisen. Diese Hypothesen konnten bestätigt werden, die entsprechenden Korrelationskoeffizienten sind der Übersicht 77 zu entnehmen. Es zeigt sich, daû alle Zusammenhänge positiv sind: Je mehr demnach die Vorkommenshäufigkeit der verschiedenen Delikte überschätzt wird, desto stärker ist das Unsicherheitsgefühl bzw. die Viktimisierungserwartung der Befragten. Zudem wird anhand der Höhe der Korrelationskoeffizienten (Ü Glossar) deutlich, daû der Zusammenhang mit den Delikten ¹Mord/Totschlagª im Vergleich am ausgepräg31 Gefeller/Trudewind fanden in der Untersuchung Bochum I (S. 325) einen ähnlichen Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der Viktimisierungserwartung (r = 0,34; p < 0,05). Bezogen auf die konative Komponente wurde in dieser Untersuchung noch nicht zwischen Vermeidungsverhalten und der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen unterschieden. Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I siehe jedoch FN 10. 32 In der Untersuchung Bochum II (S. 168 f) ergab sich ebenfalls ein Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und dem Vermeidungsverhalten. Anstelle der Viktimisierungserwartung wurde jedoch die Viktimisierungsfurcht (vgl. dazu § 9±2.1) erfaût, so daû hier kein Langzeitvergleich möglich ist.

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testen ist.33 Diese Straftaten wurden von den furchtsamen Pbn am stärksten überschätzt. Übersicht 77:

Überschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten und Unsicherheitsgefühl bzw. Viktimisierungserwartung in Bochum 1999 Überschätzung der Vorkommenshäufigkeit von Mord/Totschlag

gefährl./schwerer Körperverletzung

Raub

Unsicherheitsgefühl

0,16**

0,13**

0,09**

Viktimisierungserwartung

0,14**

0,14**

0,12**

** p < 0,01

Um die Beziehung zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der geschätzten Vorkommenshäufigkeit von ¹Mord und Totschlagª noch einmal zu verdeutlichen, wird in Übersicht 78 die zunehmend starke Überschätzung der Häufigkeit dieser Straftat und die Ausprägung der Unsicherheitsgefühle in den verschiedenen Kategorien dargestellt. Übersicht 78:

Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der geschätzten Vorkommenshäufigkeit von Mord und Totschlag in Bochum 1999

Von den insgesamt 1.661 Befragten konnten 19 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil (bei mindestens einer der Variablen) keine Angaben vorlagen. 33 Zur Interpretation der Höhe verschiedener Korrelationskoeffizienten siehe § 2 ± 1.2.

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Lesebeispiel: Die Pbn, die den Anteil der Vorkommenshäufigkeit von Mord/Totschlag auf unter 1 % schätzten, lagen mit ihren Unsicherheitsgefühlen im Durchschnitt bei 2,5. Dagegen betrug der Mittelwert des Unsicherheitsgefühls bei Befragten, die von einer Vorkommenshäufigkeit von Mord/Totschlag über 40 % ausgingen, 4,0 und war somit deutlich höher. Somit äuûerten die Befragten, die die Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten am deutlichsten überschätzten, die stärksten Unsicherheitsgefühle. Diese Resultate besitzen möglicherweise auch für die Kriminalpolitik Relevanz, da eine Aufklärung über die tatsächliche Verteilung der Kriminalität das (subjektive) Sicherheitsempfinden der Bochumer Bevölkerung steigern könnte. 3

Bestimmungsgründe der Kriminalitätsfurcht

Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf die Angaben der Bochumer Befragten zu den verschiedenen Komponenten der Kriminalitätsfurcht und die Beziehungen der Komponenten untereinander. Weitergehend sollen nun die Bestimmungsgründe der Kriminalitätsfurcht und ihre möglichen Einflüsse auf die verschiedenen Dimensionen behandelt werden. 3.1

Beziehungen zu soziodemographischen Variablen

In der Untersuchung Bochum III wurden auûer den spezifischen Fragen zu den verschiedenen Kriminalitätsphänomenen auch soziodemographische Merkmale der Befragten erhoben. 3.1.1

Geschlecht

Es gilt als ein stabiler Befund, daû Frauen und Männer Kriminalität unterschiedlich wahrnehmen (vgl. § 9±3.1.1). So zeigten sich auch in der Untersuchung Bochum III Korrelationen zwischen dem Geschlecht der Pbn und den meisten Dimensionen der Kriminalitätsfurcht. Entsprechend äuûerten ± ebenso wie auch schon in den Untersuchungen Bochum I34 und II35 und allen ausgewerteten Studien36 ± weibliche Pbn stärkere Unsicherheitsgefühle als männliche Pbn (r = 0,23; p < 0,01). So fühlten sich 24,2 % der befragten Frauen nachts auûerhalb der Wohnung in ihrer Wohngegend ¹sehr unsicherª gegenüber 8,8 % der befragten Männer. 34 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327. Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I siehe jedoch FN 10. 35 Untersuchung Bochum II, S. 150, 153. 36 Vgl. die Nachweise in § 9±3.1.1 (FN 81).

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Der Unterschied in den Unsicherheitsgefühlen der Frauen und Männer hat sich jedoch im Vergleich zu den Untersuchungen Bochum I 37 und II 38 dadurch verringert, daû sich der Anteil der unsicheren Frauen reduziert hat: 1976 fühlten sich noch 36,8 % der Frauen nachts auûerhalb der Wohnung ¹sehr unsicherª, 1987 waren es noch 30,0 % und 1999 nur noch 24,2 % der Frauen (vgl. dazu Übersicht 79). Über ähnliche Resultate berichtet auch Reuband 39, der den Rückgang der weiblichen Unsicherheitsgefühle auf ein gewandeltes Rollenverständnis der Frauen zurückführt. Übersicht 79:

Nächtliches Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung nach dem Geschlecht in den Untersuchungen Bochum I, II und III

Aussagekräftige Unterschiede zwischen den Angaben von Männern und Frauen gab es überdies hinsichtlich der Einschätzungen der Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland (r = 0,14; p < 0,01), nicht jedoch bezogen auf die Einschätzung der Entwicklung in der eigenen Wohngegend (p = 0,42).

37 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327. Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I siehe jedoch FN 10. 38 Untersuchung Bochum II, S. 153. Die abweichenden Werte sind darauf zurückzuführen, daû die Pbn, von denen keine Angaben vorlagen, herausgerechnet wurden. 39 Er bezieht sich auf Studien aus der Zeit zwischen 1965 und 1987: Reuband, Karl-Heinz: Die Kriminalitätsfurcht der Bundesbürger 1965±1987. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 6, 1989, 473 ff.

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In den Untersuchungen Bochum I 40 und II 41 schätzten Frauen sowohl bezogen auf die Bundesrepublik als auch bezogen auf das eigene Wohngebiet die Kriminalitätsentwicklung negativer ein als Männer. Besonders groûe Unterschiede zwischen den ¾uûerungen weiblicher und männlicher Pbn zeigten sich bei der Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Delikte (r = 0,27; p < 0,01). Dies wird auch an einem Vergleich der Mittelwerte (Arithmetisches Mittel Ü Glossar) deutlich. Den Anteil der Delikte ¹Mord/ Totschlagª schätzten Frauen im Mittel auf 21,1 %, Männer nur auf 12,6 % (p < 0,001). Zu einem ähnlichen Resultat kam Kania 42: Auch bei ihm überschätzten Frauen die Mordhäufigkeit mehr als Männer (p < 0,05). Überdies konnte er zeigen, daû Männer bei Morddelikten von einer höheren Aufklärungsquote ausgehen (p < 0,001) und ihr Risiko, dieser Straftat zum Opfer zu fallen, niedriger einschätzen als Frauen (p < 0,01). Der geschlechtsspezifische Einfluû auf die Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Delikte scheint so stark zu sein, daû er sogar den vermutlich vorhandenen Wissensvorteil 43 der höher gebildeten Frauen gegenüber weniger gebildeten Männern annähernd ausgleicht: Es zeigte sich, daû Frauen mit Hochschulabschluû die Vorkommenshäufigkeit von Mord/Totschlag in fast gleichem Maûe überschätzen (sie gaben im Durchschnitt einen Anteil dieser Straftat an der Gesamtkriminalität von 14,7 % an) wie Männer mit Hauptschulabschluû ohne abgeschlossene Lehre (16,3 %). Männer mit Hochschulabschluû kamen im übrigen zu den geringsten Überschätzungen (7,5 %), Frauen mit Hauptschulabschluû ohne Lehre zu den höchsten (25,2 %). Dagegen gab es bei der Viktimisierungserwartung keine Unterschiede zwischen den Angaben der weiblichen und männlichen Pbn (p = 0,06). Das Ergebnis erscheint zunächst nicht plausibel: Da Frauen seltener Opfer einer Straftat werden44, müûte ihre Viktimisierungserwartung niedriger liegen als die der Männer. Weibliche Befragte schätzten jedoch ihre Viktimisierungserwartung ähnlich hoch ein wie Männer, folglich überschätzten sie ihre Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden.

40 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327. Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I siehe jedoch FN 10. 41 Untersuchung Bochum II, S. 162 ff. 42 Kania, Harald: Kriminalitätsdarstellung in den Massenmedien. Köln 1998, S 126. 43 So überschätzten Pbn mit einem höheren Bildungsniveau die Vorkommenshäufigkeit von Mord/ Totschlag weniger als Befragte mit niedrigerem Bildungsniveau (r = ± 0,23; p < 0,001). 44 So zeigte sich bei Frauen bezogen auf Diebstahlsdelikte eine Inzidenzrate (Ü Glossar) von 16,0, bei Männern dagegen von 20,3 (p < 0,05). Bei den Delikten Raub und Körperverletzung betrug die Inzidenzrate der weiblichen Befragten 2,4, die Männer lagen mit einer Rate von 3,9 höher. Dieser Unterschied war jedoch mit p = 0,07 statistisch nicht signifikant, was vermutlich auf die geringen Fallzahlen zurückzuführen ist (vgl. ausführlich § 6±8.2).

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Dieses Resultat fand sich ebenfalls in der Untersuchung Bochum I 45: Auch 1976 war eine ähnlich hohe Viktimisierungserwartung der Frauen und Männer festgestellt worden. Andere Studien 46 kamen sogar zu dem Ergebnis, daû Frauen eine höhere Viktimisierungserwartung haben als Männer. Bezogen auf die konative Komponente gab es teilweise deutliche Unterschiede zwischen den ¾uûerungen weiblicher und männlicher Befragter: Frauen zeigten insgesamt mehr Vermeidungsverhalten47 als Männer (r = 0,29; p < 0,01). Darüber hinaus gaben signifikant mehr Frauen (60,2 %) als Männer (48,9 %) an, bestimmte Gegenden in Bochum grundsätzlich zu meiden (p < 0,001). Keine Unterschiede traten hingegen bei der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen auf. Auch in der Untersuchung Bochum II 48 ergab sich, daû Frauen mehr Vermeidungsverhalten zeigen als Männer. Die meisten anderen ausgewerteten Studien 49 kamen zu dem gleichen Resultat. Diese Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Befragten werden häufig mit dem (subjektiven) Empfinden von Verletzbarkeit und körperlicher Unterlegenheit bzw. Schwäche der Frauen in Zusammenhang gebracht. Doch die sog. Vulnerabilitätsthese (vgl. § 9±3.1) allein reicht nicht aus, um die Diskrepanzen zwischen den Angaben von Frauen und Männern zu erklären. Dies wird daran deutlich, daû Frauen auch Erlebnisse, die unabhängig von geschlechtsspezifischer (körperlicher) Unterlegenheit sind, anders als Männer wahrnehmen. So zeigte sich im Bereich des Straûenverkehrs, daû Frauen wesentlich mehr Furcht vor einem Verkehrsunfall haben als Männer 50, obwohl sie seltener in Unfälle verwickelt sind. 51 Warum sollten jedoch die Folgen eines Verkehrsunfalls für Frauen belastender sein als für Männer? 45 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327; zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I siehe jedoch FN 10. Mit der Untersuchung Bochum II ist kein Vergleich möglich, da hier die Viktimisierungserwartung nicht erfragt wurde. 46 Vgl. die Nachweise in § 9±3.1.1 (FN 88). 47 Hier wurden die einzelnen Items zum Vermeidungsverhalten zu einem Index zusammengefaût, d. h. es wurde aufaddiert, wieviele Unterpunkte ein Befragter jeweils mit ¹jaª bzw. ¹neinª beantwortet hat. Die Frage ¹Weichen sie herumstehenden Ausländern aus?ª wurde ausgeschlossen, da sie lediglich den deutschen Befragten gestellt wurde. Damit umfaûte das Vermeidungsverhalten insgesamt vier Items; ein Pb, der von diesen drei bejahte, zeigte demnach mehr Vermeidungsverhalten als jemand, der nur einem Item zugestimmt hatte. 48 Untersuchung Bochum II, S. 171 f. Ein Vergleich mit der Untersuchung Bochum I ist nicht möglich, da dort (noch) nicht zwischen Vermeidungsverhalten und der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen differenziert wurde. Hier kamen Gefeller/Trudewind (Untersuchung Bochum I, S. 327) zu dem Resultat, daû kein Zusammenhang zwischen der Zahl der getroffenen Schutzmaûnahmen (Vermeidungsverhalten und Abwehrmaûnahmen) und dem Geschlecht besteht. Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I vgl. aber auch FN 10. 49 Vgl. die Nachweise in § 9±3.1.1 (FN 90). 50 Fetchenhauer, Detlef: Kriminalitätsfurcht unter sozialpsychologischer Perspektive. Bochum 1999. 51 So waren 1998 mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen (492.908 gegenüber 217.906) an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. Dabei waren Frauen seltener Schuld an Verkehrsunfällen als Männer. Darüber hinaus wiesen Männer in allen Altersgruppen (bezogen auf je 100.000 Einwohner der jeweiligen Altersgruppe) ein höheres Unfallrisiko auf als Frauen (Statistisches Bundes-

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Als mögliche Erläuterungen für die Resultate können das Rollenverhalten bzw. die unterschiedliche Erziehung und Sozialisation von Männern und Frauen herangezogen werden. Aufgrund der direkten oder auch indirekten Vermittlung geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen durch die Eltern bzw. das soziale Umfeld kommt es bei Jungen und Mädchen zu einer Differenzierung des Rollenverhaltens.52 So scheinen Frauen durch ihre Sozialisation eher zu Passivität und Vorsicht zu neigen, während Männer zu riskantem Verhalten aufgefordert werden.53 Dies könnte auch erklären, warum Frauen generell ängstlicher sind als Männer (vgl. § 9±3.1.1).54 3.1.2

Alter

Auch das Alter der Pbn wirkte sich auf einige Aspekte der Kriminalitätsfurcht aus. So gaben in der Untersuchung Bochum III ± wie auch schon in den Untersuchungen Bochum I55 und II56 und vielen anderen Studien57 ± ältere Befragte stärkere Unsicherheitsgefühle an als jüngere Pbn (r = 0,14; p < 0,01).

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54

55 56 57

amt (Hg.): Das Straûenverkehrsunfallgeschehen 1998 nach dem Geschlecht im Überblick. Wiesbaden o. J. Die Tabelle wurde auf Anfrage am 16. 2. 2000 durch Herrn Rudolf Kaiser übersandt). Oerter, Rolf: Kindheit. In: Oerter, Rolf/Montada, Leo (Hg.): Entwicklungspsychologie. Weinheim 1998 (4. Aufl.), S. 268 ff. Bruder-Bezzel nennt die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ¹soziale Geschlechtsrollenª (Bruder-Bezzel, Almuth: Spiel mit den Geschlechtsrollen. In: Psychosozial, Jg. 19, Heft 4, 1996, S. 129). Moir/Jessel sprechen sogar von einer ¹sexistischen Speziesª, da Männern und Frauen durch ihre Biographie verschiedene Funktionen zugewiesen werden. Die Geschlechtsunterschiede wurden zunächst durch die Evolution, später durch die Erziehung verstärkt und spiegeln sich in der Zivilisation wider (Moir, Anne/Jessel, David: Brain Sex. Düsseldorf 1990, S. 20). Hale, Chris: Fear of Crime. In: International Review of Victimology, 4, 1996, S. 99. So werden Männern und Frauen manchmal auch heute noch bestimmte polare Eigenschaften zugeordnet wie z. B. ¹weich/hart, passiv/aktiv, fürsorglich/egoistisch, emotional/rational, abhängig/autonomª (kritisch dazu Bruder-Bezzel, Almuth, a. a. O. (FN 52), S. 124 ff). Becker, Peter: Interaktions-Angst-Fragebogen. Weinheim 1982, S. 30, 34 f; Davison/Neale geben an, daû Phobien (extreme ¾ngste) bei Frauen mit 8,0 % wesentlich häufiger vorkommen als bei Männern mit 3,4 %; zudem ist beispielweise auch die generalisierte Angststörung, die sich durch eine chronische und überdauernde ¾ngstlichkeit in vielen Lebensbereichen definiert, bei Frauen häufiger zu finden als bei Männern (Davison, Gerald C./Neale, John M.: Klinische Psychologie. Weinheim 1998 (5. Aufl.), S. 143, 161 f). Vilsmeier/Taschler-Polacek kamen bei einer Untersuchung älterer Frauen zu der Schluûfolgerung, daû das Persönlichkeitsmerkmal der ¾ngstlichkeit das Antwortverhalten der Pbn mehr beeinfluût als die Viktimisierungserwartung (Vilsmeier, Markus/Taschler-Polacek, Heidrun: Viktimisierungsangst, der ¹Ruf nach Recht und Ordnungª und allgemeine ¾ngstlichkeit. In: MschrKrim, Jg. 74, Heft 3, 1991, S. 174). Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 326. Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I vgl. jedoch FN 10. Untersuchung Bochum II, S. 150, 152. Vgl. die Nachweise in § 9±3.1.2 (FN 92).

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Detailliertere Ergebnisse bringt eine Unterscheidung nach Alter und Geschlecht (vgl. Übersicht 80). So zeigte sich in der Untersuchung Bochum III, daû sich Frauen in allen Altersstufen unsicherer fühlen als Männer. Bei den männlichen Befragten stiegen die Unsicherheitsgefühle im Alter jedoch an und erreichten annähernd das Ausmaû der Frauen. ¾hnliche Resultate fanden sich auch in anderen Studien (vgl. § 9±3.1.2). Übersicht 80:

Ausmaû des Unsicherheitsgefühls (Mittelwerte auf einer Skala von 0 bis 12) in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht

Bezogen auf die kognitive Komponente der Kriminalitätsfurcht zeigten sich zumeist keine nennenswerten Zusammenhänge mit dem Alter. Die Resultate zur konativen Komponente sind in der Untersuchung Bochum III uneinheitlich. ¾ltere Befragte zeigten nach eigener Aussage mehr Vermeidungsverhalten als jüngere Pbn (r = 0,22; p < 0,01) und ergriffen häufiger Abwehrmaûnahmen zum Schutz ihres Eigentums (r = 0,13; p < 0,01), jedoch seltener zum Schutz ihrer eigenen Person (r = ± 0,23; p < 0,01). Diese Ergebnisse sind allerdings wenig überraschend, da zum einen die Abwehrmaûnahmen zum Schutz der eigenen Person durch Fragen nach Waffenbesitz (Stock, CS-Gas, Tränengas, Elektroschocker) und dem Besuch eines Selbstverteidigungskurses erfaût wurden. Zum anderen gehören überwiegend ältere Menschen zu den Hausbesitzern, die dann auch eher Maûnahmen zur Absicherung ihres Eigentums einleiten.

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Im Vergleich zu den Resultaten der Untersuchung Bochum I 58 scheint sich hier eine Veränderung vollzogen zu haben: 1976 ergriffen die jüngeren Befragten mehr Schutzmaûnahmen als die älteren (r = ± 0,14; p < 0,01). Dabei umfaûten diese Schutzmaûnahmen sowohl Vermeidungsverhalten als auch Abwehrmaûnahmen. 3.1.3

Bildungsstand

Überdies wurde der Bildungsstand mit den verschiedenen Fragen zur Kriminalitätsfurcht in Beziehung gesetzt. Auch hier fanden sich deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen. Es zeigte sich, daû ganz überwiegend bei den gleichen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht aussagekräftige Differenzen auftraten wie bei der Geschlechtsvariablen. So äuûerten ähnlich wie in anderen Studien (vgl. § 9±3.1.4) Befragte mit niedrigerem Bildungsstand stärkere Unsicherheitsgefühle (r = ± 0,15; p < 0,001; vgl. dazu auch § 2±1.2) und zeigten entsprechend mehr Vermeidungsverhalten (r = ± 0,17; p < 0,001). Genauso schätzten sie die Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland (r = ± 0,22; p < 0,001) und die Vorkommenshäufigkeit schwerer Delikte höher ein als Befragte mit einem höheren Ausbildungsgrad (r = ± 0,25; p < 0,001). Im Vergleich mit der Untersuchung Bochum I 59 ergaben sich 1999 teilweise abweichende Resultate. Übereinstimmend zeigten Pbn mit niedrigerem Bildungsstand in beiden Untersuchungen verstärkte Unsicherheitsgefühle. Dagegen gab es 1976 noch keinen Bildungseffekt bezüglich der Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. 3.2

Einfluû von Viktimisierungserfahrungen

Neben den soziodemographischen Variablen werden verschiedene Dimensionen der Kriminalitätsfurcht auch davon beeinfluût, ob die Pbn viktimisiert wurden und wie sie diese Opfererfahrung bewältigt haben (vgl. § 9±3.2).

58 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 326; zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I siehe jedoch FN 10. Mit der Untersuchung Bochum II ist kein Vergleich möglich, da bei dieser Variablen nicht nach dem Alter differenziert wurde. 59 Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 327 (zur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Untersuchung Bochum I vgl. aber FN 10); bezogen auf das Vermeidungsverhalten ist kein Vergleich möglich, da 1976 noch nicht zwischen Vermeidungsverhalten und der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen unterschieden wurde. Mit der Untersuchung Bochum II ist kein Vergleich möglich, da nicht nach dem Bildungsstand differenziert wurde.

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3.2.1

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Vergleich Opfer ± Nicht-Opfer

Die Pbn wurden ± wie bereits in den beiden vorangegangenen Untersuchungen ± auch in der Untersuchung Bochum III nach ihren Opfererfahrungen gefragt. Hintergrund war einerseits die Vermutung (vgl. § 9±5), daû Pbn, die bereits einer Straftat zum Opfer gefallen sind, eine höhere Viktimisierungserwartung aufweisen als Befragte ohne diese Erfahrung (Hypothese 4). Andererseits wurde angenommen, daû sich diese beiden Gruppen der Pbn bezüglich des Ausmaûes an Unsicherheitsgefühlen nicht unterscheiden (Hypothese 3). Tatsächlich zeigte sich, daû sich Opfer von Straftaten bezüglich der Viktimisierungserwartung in der vermuteten Weise von Nicht-Opfern unterschieden: Die Mittelwerte wichen signifikant voneinander ab (p < 0,01). Anders beim Unsicherheitsgefühl, hier unterschieden sich die Mittelwerte nicht voneinander (p = 0,37). Somit fühlten sich Opfer nicht unsicherer als Nicht-Opfer. Folglich sind die Resultate mit den Hypothesen 3 und 4 vereinbar. 3.2.2

Bewältigung der Opfererfahrung

In § 9±3.2.3 wurde ausgeführt, daû das Ausmaû der Unsicherheitsgefühle der Opfer davon abhängen könnte, ob die Bewältigung (Coping Ü Glossar) der erlebten Viktimisierung gelingt oder miûlingt. Daher wurde die Bewältigung einer Viktimisierung in der Untersuchung Bochum III mit der Frage erhoben, wie oft die Pbn noch an ihre Opferwerdung denken. Dabei wurde in Anlehnung an den Streûverarbeitungsfragebogen (SVF)60 davon ausgegangen, daû häufiges Denken an negative Erlebnisse eine schlechte Bewältigung offenbart. So zählt der SVF die ¹gedankliche Weiterbeschäftigungª als Maûnahme, ¹deren Wert zur Streûbewältigung von vornherein als fragwürdig erkennbar istª.61 Zudem zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Bewältigung und der Zeit, die seit der Viktimisierung vergangen ist. Wenn das Erlebnis also belastend war und demzufolge vermutlich schlecht bewältigt wurde, dachten die Befragten noch häufig daran und zwar unabhängig davon, wie lange das Erlebnis schon zurück lag. Diese Operationalisierung der Bewältigung unterscheidet sich von anderen Untersuchungen, in denen meist nur indirekt über soziodemographische Variablen auf die Bewältigungsfähigkeiten geschlossen wird.62 60 Janke, W./Erdmann, G./Kallus, W. (Hg.): Streûverarbeitungsfragebogen (SVF). Göttingen 1985. 61 Janke, W./Erdmann, G./Kallus, W. (Hg.), a. a. O. (FN 60), S. 11. 62 Boers/Kurz weisen darauf hin, daû die Coping-Fähigkeiten häufig über soziodemographische Variablen als personale bzw. soziale Verletzbarkeit erfaût werden. Sie selbst versuchen, in ihrem Konzept sozialer Milieus bzw. Lebensstile die Bewältigung zu berücksichtigen (Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 193 ff). Überdies vermuten sie, daû die Art der Bewältigung an den Verhaltensreaktionen der Pbn abzulesen ist (a. a. O., S. 233).

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Mit der Frage nach der Bewältigung der Opfererfahrung wird also der Vermutung nachgegangen, daû sich der Grad der Bewältigung einerseits auf das aktuell erlebte Unsicherheitsgefühl, andererseits aber auch auf die Neigung Vermeidungsverhalten zu zeigen auswirkt (vgl. § 9±3.2.3). So wurde zunächst angenommen (vgl. § 9±5), daû Opfer, die noch häufig an ihre Viktimisierung denken, ein stärkeres Unsicherheitsgefühl äuûern (Hypothese 5). Diese Annahme hat sich bestätigt: Wie vermutet, äuûerten Opfer um so mehr Unsicherheitsgefühle, je häufiger sie an ihre Opferwerdung dachten (r = 0,19; p < 0,01). Die Übersicht 81 veranschaulicht, wie der durchschnittliche Mittelwert des Unsicherheitsgefühls je nach Grad der noch vorhandenen Beschäftigung mit der Viktimisierung anstieg. Die beiden linken Säulen zeigen zum Vergleich die Mittelwerte der Nicht-Opfer und Opfer ohne Berücksichtigung der Bewältigung. Hier ist zu erkennen, daû sich Opfer und Nicht-Opfer bezogen auf ihre Unsicherheitsgefühle nicht voneinander unterschieden. Die restlichen Säulen zeigen die Mittelwerte des Unsicherheitsgefühls der Opfer in Abhängigkeit von ihrer Bewältigung. Es ist deutlich erkennbar, daû sich das Unsicherheitsgefühl mit zunehmend schlechterer Bewältigung, also häufigerem Denken an die erlebte Viktimisierung, verstärkte. Übersicht 81:

Zusammenhang zwischen der Bewältigung von Opfererfahrungen und Unsicherheitsgefühlen (Mittelwerte auf einer Skala von 0 bis 12)

So gaben Befragte, die ¹sehr häufigª an ihre Opferwerdung dachten, die stärksten Unsicherheitsgefühle an, während diejenigen, die ¹überhaupt nichtª an dieses Erlebnis dachten, im Ausmaû ihres Unsicherheitsgefühls sogar unter dem der Gruppe der Nicht-Opfer lagen. Dieses Resultat wird vor dem Hinter271

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grund verständlich, daû diese Pbn eine Viktimisierung im Nachhinein vermutlich als wenig belastend einstufen. Dagegen nehmen Nicht-Opfer möglicherweise an, daû es sehr belastend sein muû, einer Straftat zum Opfer zu fallen. 63 Scheinbar auffällig ist hier, daû sich Opfer und Nicht-Opfer generell nicht in ihren Unsicherheitsgefühlen unterscheiden. Dieses Resultat entspricht jedoch den Annahmen von Winkel, daû sich das Ausmaû der Viktimisierungserwartung und die Bewertung der erlebten bzw. möglichen Viktimisierung von Opfern und NichtOpfern gegenseitig ausgleichen (vgl. § 9±3.2.3). Folglich unterscheiden sich die von Opfern und Nicht-Opfern angegebenen Unsicherheitsgefühle nicht voneinander. Ebenso wie der Zusammenhang zwischen der Bewältigung und dem Unsicherheitsgefühl (Hypothese 5) konnte auch der zwischen der Bewältigung und dem Vermeidungsverhalten (Hypothese 6) bestätigt werden (vgl. § 9±5): Je häufiger Pbn an das Erlebnis der Opferwerdung dachten, desto mehr Vermeidungsverhalten zeigten sie (r = 0,26; p < 0,01). Mit anderen Worten führte ein ungünstiger Bewältigungsstil zu eher passivem Vermeidungsverhalten. Aus den geschilderten Zusammenhängen können auch Handlungsmöglichkeiten für die Kriminalpolitik abgeleitet werden. So sollten Opfer (vor allem schwerer Straftaten) nach der Viktimisierung Unterstützung finden, um ihnen die Bewältigung zu erleichtern. Hier bieten sich z. B. Selbsthilfegruppen oder Opferhilfeeinrichtungen an. 3.2.3

Bewältigung und Alter bzw. Geschlecht

Die Ergebnisse führten dazu, die Frage nach der Bewältigung (konkret: die Frage danach, wie häufig Opfer an die Viktimisierung denken) mit den Soziodemographia Alter und Geschlecht in Beziehung zu setzen. Dabei zeigte sich, daû ältere Pbn die Opfererfahrung schlechter bewältigen als jüngere Befragte (r = 0,29; p < 0,01). So ist das subjektive Empfinden von Wehrlosigkeit und körperlicher Unterlegenheit in höheren Altersklassen möglicherweise ausgeprägter. Jüngere fühlen sich weniger verletzbar und denken unter Umständen deshalb weniger häufig an die Opfererfahrung (vgl. § 9±3.1 und 3.1.2). Weiterhin ergab sich, daû Männer seltener an erlebte Viktimisierungen denken als Frauen (r = 0,27; p < 0,01). Dies kann unter anderem damit zu tun haben, daû Männer nach wie vor entsprechend ihres alten Rollenverhaltens seltener zugeben, noch an bedrückende Erlebnisse zu denken. Zudem bewerten Frauen die Folgen der 63 Mit anderen Worten halten Personen eine Viktimisierung ± ohne selbst Opfer geworden zu sein ± für belastend und streûreich. Das ist insofern nachvollziehbar, als in der psychologischen Streûforschung verschiedenen Situationen unterschiedlich starke Belastungswirkungen zugeschrieben werden und sogar positive Erlebnisse (wie z. B. die Hochzeit, Weihnachten oder auch gute Leistungen) als Stressoren gelten (Davison, Gerald C./Neale, John M.: Klinische Psychologie. Weinheim 1998 (5. Aufl.), S. 213 ff).

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Opferwerdung womöglich als belastender, da sie vor allem bei Körperverletzungsoder insbesondere Sexualdelikten verletzbarer sind. Wie bereits unter Punkt 3.1.1 angesprochen, reicht jedoch zur Erklärung der Geschlechtsunterschiede die ¹Vulnerabilitätstheseª nicht aus. Daneben sind die gröûere ¾ngstlichkeit von Frauen sowie Unterschiede in Risikowahrnehmung und Rollenverhalten zwischen Frauen und Männern zu berücksichtigen. Dies wird daran deutlich, daû Frauen auch solche Delikte, die unabhängig von körperlicher Unterlegenheit sind bzw. deren Belastung nicht geschlechtsspezifisch ist, schlechter bewältigen. So zeigte sich in der vorliegenden Untersuchung, daû Frauen auch an Diebstahls- und Sachbeschädigungsdelikte häufiger denken als Männer (die Mittelwerte unterschieden sich mit p < 0,001 voneinander). 3.3

Beziehungen zu ökologischen Variablen

Abschlieûend wurde untersucht, ob bestimmte ökologische Variablen die verschiedenen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht beeinflussen. 3.3.1

Einschätzung der sozialen Destabilisierung

In § 9±3.3.1 wurde ausgeführt, daû Verfallserscheinungen in der näheren Umgebung oder Zeichen von Zerstörung und sozialer Destabilisierung im eigenen Wohngebiet (¹signs of incivilityª) mit verschiedenen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht zusammenhängen können. Um dies empirisch zu erfassen, wurden die Pbn danach gefragt, welche Aspekte sie innerhalb ihres Wohngebietes als problematisch erleben. Die Antworten und ihre Verteilung auf die verschiedenen Kategorien sind der Übersicht 82 zu entnehmen. Deutlich wird, daû nur ein sehr geringer Teil der Befragten (zwischen 1,2 % und 7,2 %, etwas mehr mit 11,4 % nur bei den ¹undisziplinierten Autofahrernª) die aufgelisteten Aspekte als ¹sehr groûes Problemª empfand. Ganz überwiegend wurden sie als unproblematisch (¹kein Problemª) gesehen. Im Vergleich der Resultate mit anderen Studien 64 sahen prozentual deutlich weniger Bochumer Pbn die Zeichen sozialer Destabilisierung als ¹sehr groûes Problemª an. 64 Bei Boers, Klaus/Kurz, Peter: Kriminalitätseinstellungen, soziale Milieus und sozialer Umbruch. In: Boers, Klaus/Gutsche, Günter/Sessar, Klaus (Hg.): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen 1997, S. 214 schätzten 1993 und 1995 in den alten Bundesländern z. T. zwei- bis dreimal mehr Pbn bestimmte ¹signs of incivilityª als ¹groûes Problemª (höchste Kategorie) ein. Die Angaben bei Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 17 ff unterschieden sich (allerdings bei anderer Fragestellung: gefragt wurde nach den Gründen, warum sich die Pbn in ihrer Gegend nicht sicher fühlen) nicht so extrem von den Bochumer Prozentwerten.

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Wird die Problemrangfolge betrachtet, wurden ¹undisziplinierte Autofahrerª (wie auch in anderen Untersuchungen65) als gröûtes Problem eingestuft (39,6 % ¹groûes Problemª bzw. ¹sehr groûes Problemª). Zudem empfanden die Bochumer Pbn ¹zerstörte Telefonzellenª (24,2 %) und ¹Schmutz/Müllª (22,6 %) als problematisch. ¹Kein Problemª sahen die Befragten hingegen in ¹leerstehenden Gebäudenª (84,8 %) sowie ¹herumstehenden Autowracksª (80,9 %). Übersicht 82:

Einschätzung von Zeichen sozialer Destabilisierung in Bochum 1999 ¹Inwieweit empfinden Sie die folgenden Aspekte als Problem innerhalb Ihres Wohngebietes?ª kein Problem

geringes Problem

groûes Problem

sehr groûes Problem

Undisziplinierte Autofahrer

29,3 %

31,2 %

28,2 %

11,4 %

Nichtstuende (herumlungernde) Jugendliche

54,8 %

25,4 %

14,9 %

4,9 %

Drogenabhängige

70,6 %

14,6 %

9,4 %

5,3 %

Leerstehende Gebäude

84,8 %

10,5 %

3,4 %

1,2 %

Schmutz/Müll

52,3 %

25,0 %

15,4 %

7,2 %

Betrunkene

63,2 %

24,6 %

9,0 %

3,1 %

Besprühte bzw. verschmutzte Hauswände

53,6 %

27,6 %

13,2 %

5,6 %

Zerstörte Telefonzellen

52,9 %

22,8 %

17,3 %

6,9 %

Zu viele Ausländer*

69,1 %

17,7 %

8,6 %

4,7 %

Zu viele ¹Asylantenª (bzw. Asylbewerber)

70,2 %

15,4 %

9,6 %

4,8 %

Hausierer bzw. Vertreter

66,3 %

24,0 %

7,3 %

2,4 %

Herumstehende Autowracks

80,9 %

12,5 %

4,9 %

1,6 %

Von den insgesamt 1.661 Befragten konnten zwischen 15 und 26 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil keine Angaben vorlagen. * Diese Frage wurde nur bei deutschen Pbn gestellt.

Zur weiteren Interpretation der Ergebnisse wurden die Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung der Zeichen sozialer Destabilisierung und den soziodemographischen Variablen Geschlecht, Alter und Nationalität untersucht. Dabei ergab sich kein Geschlechtsunterschied (p = 0,34). Dagegen zeigte sich ein negativer Zusammenhang mit dem Alter (r = ± 0,21; p < 0,01): Die Befragten der höheren Altersstufen empfanden die Zeichen sozialer Destabilisierung als weniger problematisch. Obwohl in diesem Kontext die Vorstellung näher liegt, daû jüngere Menschen dem Verfall ihres Umfeldes eher gleichgültig gegenüberstehen als ältere, zeigten die Ergebnisse das Gegenteil. Dies könnte u. a. wiederum damit zusammenhängen,

65 Boers, Klaus/Kurz, Peter, a. a. O. (FN 64).

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daû die älteren Pbn eher zu den Hausbesitzern gehören66 und somit in Gegenden wohnen, in denen tatsächlich weniger ¹signs of incivilityª vorkommen. Überdies stuften Nicht-Deutsche die Zeichen sozialer Destabilisierung als problematischer ein als Deutsche (die Mittelwerte unterschieden sich signifikant voneinander: p < 0,001). Die weitergehende Forschung sollte daher den Fragen nachgehen, ob sich diese unerwarteten Ergebnisse sowohl bezogen auf das Alter als auch hinsichtlich der Nationalität wiederholen lassen und wenn ja, worauf sie zurückzuführen sind. In § 9±5 wurde vermutet, daû die Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung als problematisch mit verstärkten Unsicherheitsgefühlen (Hypothese 7) und auch einer gesteigerten Viktimisierungserwartung (Hypothese 8) der entsprechenden Bewohner zusammenhängt. Diese Annahmen konnten bestätigt werden: Pbn, die ¹signs of incivilityª als problematisch einschätzten, fühlten sich unsicherer (r = 0,24; p < 0,001) und erwarteten eher, Opfer einer Straftat zu werden (r = 0,21; p < 0,01).67 Es erscheint gleichwohl fraglich, ob die Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung als belastend für die stärkeren Unsicherheitsgefühle und die gesteigerte Viktimisierungserwartung ursächlich ist. Wenn das der Fall sein sollte, könnte die kriminalpolitische Forderung erhoben werden, durch eine Verbesserung des Stadtbildes die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung zu reduzieren. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da klar zwischen der subjektiven Sicht der Pbn und den objektiven Gegebenheiten differenziert werden muû (vgl. dazu näher unter Punkt 3.3.2). Nur wenn das subjektive Empfinden der Bewohner mit dem tatsächlichen Stadtbild übereinstimmt, ist die kriminalpolitische Erwägung berechtigt. 3.3.2

Kriminalitätsrate eines Wohngebietes

Wie in § 4±2 bereits geschildert, unterscheiden sich die verschiedenen Bochumer Bezirke in dem Ausmaû ihrer Kriminalitätsbelastung. Diese unterschiedliche Kriminalitätsbelastung könnte möglicherweise Auswirkungen auf bestimmte Komponenten der Kriminalitätsfurcht haben (vgl. § 9±3.3.2). So wurde in § 9±5 vermutet, daû sich eine starke Belastung eines Wohngebietes mit Kriminalität zwar nicht auf die Unsicherheitsgefühle der Bewohner auswirkt (Hypothese 9), jedoch auf die Einschätzung, selbst Opfer einer kriminellen Handlung zu werden (Hypothese 10). 66 Die Altersvariable hängt positiv mit Hauseigentum zusammen (r = 0,12; p < 0,01). 67 Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde aus 11 Items zur sozialen Destabilisierung eine Skala gebildet: der Wert für Cronbachs alpha (Ü Glossar) betrug 0,82. Das Item ¹zu viele Ausländerª wurde dabei herausgenommen, da diese Frage lediglich den deutschen Pbn gestellt wurde (sonst hätten einerseits bzgl. des Umfangs und andererseits bzgl. der Art der Zusammensetzung jeweils andere Stichproben zugrunde gelegen).

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Es zeigte sich, daû sich die Kriminalitätsbelastung68 eines Bezirkes tatsächlich nicht auf die Unsicherheitsgefühle der Befragten auswirkt (p = 0,49). Es ergab sich jedoch auch kein Zusammenhang mit der Viktimisierungserwartung (p = 0,07). Auch bei bloûer Betrachtung der Gewaltkriminalität eines Bezirkes ergaben sich keine signifikanten Zusammenhänge. Somit sprechen die Resultate für die Gültigkeit von Hypothese 9, während Hypothese 10 nicht bestätigt wurde. Teilweise andere Ergebnisse fand Boers 69: Bei ihm ergab sich ein (allerdings moderater) Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsbelastung eines Wohngebietes und der Viktimisierungserwartung bezogen auf Gewaltdelikte. Diese Befunde widersprechen der scheinbar plausiblen Schluûfolgerung, daû Kriminalitätsfurcht aufgrund der zunehmenden Gewaltkriminalität ansteigt (vgl. dazu schon § 9±2.1 sowie unter Punkt 1.1). Die Bochumer Resultate legen dagegen nahe, daû es einen solchen Zusammenhang zwischen der objektiven Kriminalitätsbelastung und den Unsicherheitsgefühlen bzw. der Viktimisierungserwartung nicht gibt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, daû die Kriminalitätsbelastung eines Wohngebietes (als bloûe Zahl) nicht direkt für die Bewohner wahrnehmbar ist. Sichtbar sind dagegen Zeichen sozialer Destabilisierung, die nach den Resultaten anderer Studien70 oft der Ausdruck einer hohen Kriminalitätsbelastung sind. Fraglich ist daher, ob die Pbn, die solche ¹signs of incivilityª als problematisch empfinden, gerade auch diejenigen sind, die in kriminalitätsbelasteten Gegenden leben. Genau dies wurde jedoch in Bochum nicht bestätigt: Es gab keinen Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsbelastung und der Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung als problematisch (p = 0,25). Das Resultat wird jedoch mit Vorstellungen der modernen Evolutionspsychologie über die menschliche Natur nachvollziehbar. Demzufolge passen sich Personen flexibel an Bedingungen ihrer Umgebung an, die durch Unsicherheit oder Veränderungen gekennzeichnet sind (Prozeû der Adaptation). 71 So wäre es möglich, daû sich die Bewohner jeweils an ihr spezifisches Umfeld und das gegebene Erscheinungsbild anpassen. Mit anderen Worten werden die Zeichen der sozialen Destabilisierung nicht wahrgenommen bzw. nicht als störend erlebt, da sie zum alltäglichen Bild gehören. Somit ist klar zwischen der objektiven Kriminalitätsbelastung und der subjektiven Sichtweise der Pbn zu unterscheiden. Die subjektiven Indikatoren Unsicherheitsgefühl, Viktimisierungserwartung und Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung als problematisch korrelierten untereinander, während keiner dieser Indikatoren mit der objektiven Kriminalitätsbelastung in Zusammenhang stand. 68 Die Kriminalitätsbelastung wurde aus der Sondererfassung der Polizei (vgl. § 1±1) ermittelt. 69 Boers, Klaus: Kriminalitätsfurcht. Pfaffenweiler 1991, S. 270. 70 Skogan, Wesley G.: Disorder and Decline. New York 1990, S. 73 ff; Eisner, Manuel: Das Ende der zivilisierten Stadt? Frankfurt/Main 1997, S. 180 ff, 187 f. 71 Archer, John: Evolutionäre Sozialpsychologie. In: Stroebe, Wolfgang/Hewstone, Miles/Stephenson, Geoffrey M. (Hg.): Sozialpsychologie. Berlin 1996 (3. Aufl.), S. 44.

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Folglich wird das subjektive Sicherheitsempfinden der Bochumer Bevölkerung nicht unbedingt erhöht, indem verstärkt Maûnahmen gegen die tatsächliche Kriminalität oder für die Verbesserung des Erscheinungsbildes der Stadtteile (vgl. unter Punkt 3.3.1) ergriffen werden. Durch eine Reduzierung von Zeichen sozialer Destabilisierung könnte zwar auf die objektive Kriminalitätsbelastung positiv eingewirkt werden. Entgegen der scheinbar plausiblen Annahme kann jedoch die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung dadurch vermutlich wenig gesenkt werden. Bei diesen Überlegungen ist allerdings zu berücksichtigen, daû in Bochum nur wenig Zeichen sozialer Destabilisierung sichtbar sind und insbesondere keine so verfallenen Gebiete existieren, wie dies z. B. in amerikanischen Städten der Fall ist. Daher können die Auswirkungen der ¹signs of incivilityª auf die Bochumer Bevölkerung nur sehr eingeschränkt interpretiert werden. 3.3.3

Einschätzung der Straûenbeleuchtung

Darüber hinaus wurden die Pbn gefragt, wie sie die Helligkeit der Straûenbeleuchtung in ihrer Wohngegend beurteilen (vgl. dazu § 9±3.3.3). Mit 68,0 % empfand ein Groûteil der Bochumer Befragten 1999 ihre Wohngegend als ¹hell genugª; 25,3 % der Pbn fanden die Straûenbeleuchtung ¹zu dunkelª und 6,7 % ¹viel zu dunkelª. Im Vergleich zu 1987 ist somit die Einschätzung der Straûenbeleuchtung als ¹hell genugª deutlich geringer geworden: Damals waren es noch 79,5 % der Pbn.72 Die Veränderungen der subjektiven Einschätzung der Helligkeit der Straûenbeleuchtung könnten auch mit objektiv geänderten Lichtverhältnissen zu tun haben, denn die Bochumer Straûenbeleuchtung wurde in den Jahren 1996/97 im Rahmen von Sparmaûnahmen deutlich reduziert.73 Der Höhe nach sind die Resultate der Untersuchung Bochum III vergleichbar mit Ergebnissen aus den alten Bundesländern vom Herbst 1998: Dort gaben 31 % der Pbn an, daû sie wegen schlechter Beleuchtung oder dunkler Ecken beunruhigt sind oder Angst haben. 74 72 Untersuchung Bochum II, S. 154. Der abweichende Wert ist darauf zurückzuführen, daû auch in der Untersuchung Bochum II die Pbn, von denen keine Angaben vorlagen, herausgerechnet wurden. Bereits in der Untersuchung Bochum I wurden die Pbn danach gefragt, wie sie die Straûenbeleuchtung im Wohngebiet einschätzen (Gefeller/Trudewind in der Untersuchung Bochum I, S. 332). Hier muû dennoch auf einen Langzeitvergleich verzichtet werden, da die Zielsetzung der Untersuchung 1976 bzgl. der Kriminalitätsfurcht eine andere war und aus diesem Grund nur eine kleine Stichprobe aus vier Bochumer Wohngebieten einbezogen wurde (vgl. dazu schon unter Punkt 1.1). 73 Nach Angaben der Stadtwerke Bochum (durch Herrn Pomorin am 13. 1. 2000) wurde die Straûenbeleuchtung an Straûen ohne Wohnbebauung teilweise ganz abgeschaltet, an anderen Straûen wurde die Helligkeit reduziert (z. B. durch das Abschalten eines Leuchtmittels in Lampen mit zwei Leuchtmitteln oder den Einsatz schwächerer Leuchtmittel) bzw. die Brenndauer verkürzt (späteres Einschalten und früheres Abschalten). 74 Errechnet aus den Angaben bei Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 18. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daû die Fragestel-

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Angenommen wurde (vgl. § 9±5), daû es einen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Straûenbeleuchtung und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung gibt. Die dazu formulierte Vermutung (Hypothese 11) konnte bestätigt werden (r = 0,16; p < 0,01): Pbn, die die Straûenbeleuchtung als ¹zu dunkelª einstuften, äuûerten stärkere Unsicherheitsgefühle als die übrigen Befragten. Übersicht 83 verdeutlicht noch einmal den Zusammenhang: Dargestellt sind (in Prozent) die jeweiligen Anteile der Pbn, die sich nachts auûerhalb der Wohnung in ihrer Wohngegend sicher bzw. unsicher fühlen in Abhängigkeit davon, wie sie die Helligkeit der Straûenbeleuchtung einschätzten. Übersicht 83:

Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Helligkeit der Straûenbeleuchtung und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl in Bochum 1999

* **

Zusammenfassung der Antwortkategorien ¹sehr sicherª und ¹eher sicherª Zusammenfassung der Antwortkategorien ¹sehr unsicherª und ¹ziemlich unsicherª

Aufgrund der Resultate von Vrij/Winkel75 scheint es einen Zusammenhang zwischen den objektiv gegebenen Lichtverhältnissen und dem subjektiven Empfinden von Personen zu geben. Die Autoren konnten in ihrer experimentellen Studie sogar die Richtung des Zusammenhangs zeigen (vgl. § 9±3.3.3): So reduzierten sich die Unsicherheitsgefühle der Befragten, sobald die Beleuchtung heller wurde. lung eine andere war (gefragt wurde nach den Gründen, warum sich die Pbn in ihrer Gegend nicht sicher fühlen). 75 Vrij, Aldert/Winkel Frans Willem: Characteristics of the built environment and fear of crime. In: Deviant Behavior: An Interdisciplinary Journal, 12, 1991, S. 213.

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S. 279

Die Studie von Vrij/Winkel nimmt eine Ausnahmestellung ein, da es sich um ein Experiment und nicht um eine Befragung handelt. Die verschiedenen Einfluûvariablen konnten demnach kontrolliert werden, weshalb sich der besagte Kausalzusammenhang zeigen lieû. Dieser Zusammenhang erscheint zudem vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Resultate von Warr 76 plausibel, nach denen das Situationsmerkmal ¹Dunkelheitª als Gefahrensignal wirkt und Furcht auslöst (vgl. dazu schon § 9±2.1). Daraus ergibt sich für die Stadt Bochum die kriminalpolitische Forderung, daû nicht an der Straûenbeleuchtung gespart werden sollte. Im Gegenteil könnten die Unsicherheitsgefühle der Bevölkerung gesenkt werden, wenn die Straûen besser beleuchtet würden. Die Sparmaûnahmen der vergangenen Jahre, die zur Reduzierung der Straûenbeleuchtung führten, sollten daher überdacht und im Interesse der Bevölkerung rückgängig gemacht werden. 4

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen

Bestätigte Hypothesen: H 1:

Je mehr die Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten überschätzt wird, desto stärker ist das Unsicherheitsgefühl.

H 2:

Je mehr die Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten überschätzt wird, desto höher ist die Viktimisierungserwartung.

H 3:

Das Unsicherheitsgefühl steht nicht im Zusammenhang mit der Opferwerdung.

H 4:

Opfer haben eine höhere Viktimisierungserwartung als Nicht-Opfer.

H 5:

Je häufiger ein Opfer an seine Opferwerdung denkt, desto stärker ist sein Unsicherheitsgefühl.

H 6:

Je häufiger ein Opfer an seine Opferwerdung denkt, desto gröûer ist die Neigung, passives Vermeidungsverhalten zu zeigen.

H 7:

Je mehr ¹signs of incivilityª als störend wahrgenommen werden, desto stärker ist das Unsicherheitsgefühl.

H 8:

Je mehr ¹signs of incivilityª als störend wahrgenommen werden, desto höher ist die Viktimisierungserwartung.

H 9:

Die Höhe der Belastung mit Kriminalität in einem Wohngebiet wirkt sich nicht auf die Unsicherheitsgefühle der Bewohner aus.

H 11: Je dunkler die Straûenbeleuchtung in der Wohngegend empfunden wird, desto stärker ist das nächtliche Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung. 76 Warr, Mark: Dangerous Situations. In: Social Forces, 68 (3), 1990, S. 899 f.

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S. 280

Nicht bestätigte Hypothese: H 10: Je höher die Belastung mit Kriminalität in einem Wohngebiet ist, desto höher ist die Viktimisierungserwartung der Bewohner. 5

Zusammenfassung

Ganz allgemein gilt, daû Kriminalitätsfurcht in der Forschung nach wie vor nur ungenau erfaût werden kann, da noch offen ist, was unter ihr zu verstehen ist und ob bzw. welche kausalen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten (affektiv, kognitiv und konativ) bestehen. Zudem sind aufgrund unterschiedlicher Methodik die Ergebnisse der verschiedenen Studien nur bedingt miteinander vergleichbar. Hier bilden die Untersuchungen Bochum II und III eine Ausnahme. Da der Untersuchungsraum, die Stichprobengröûe, die Ausschöpfungsquote, die Methodik und die Fragestellungen grundsätzlich gleich gehalten wurden, sind die Resultate von 1987 und 1999 miteinander vergleichbar. Eingeschränkt werden muû jedoch die Interpretierbarkeit der in diesem Paragraphen überprüften Hypothesen, da sich insgesamt eher niedrige Korrelationen ergaben. Obwohl die Vermutungen statistisch gesehen weitestgehend als bestätigt gelten dürfen, sind die aufgestellten Hypothesen nur vorsichtig im Sinne von Zusammenhängen auszulegen. In der Untersuchung Bochum III wird die Kriminalitätsfurcht als Konstrukt verstanden, das sich aus drei Komponenten zusammensetzt: einer affektiven (gefühlsbezogenen), einer kognitiven (verstandesbezogenen) und einer daraus resultierenden konativen (verhaltensbezogenen) Komponente. 5.1

Affektive Komponente

Bezogen auf die affektive Komponente zeigte sich, daû sich 1999 annähernd die Hälfte der Bochumer Befragten nachts auûerhalb der Wohnung ¹ziemlich unsicherª(31,6 %) oder ¹sehr unsicherª (16,7 %) fühlte. ¾hnliche Werte ergaben sich auch schon in der Untersuchung Bochum II; damit blieb das nächtliche Unsicherheitsgefühl von 1987 bis 1999 relativ konstant. Dieses Ergebnis stimmt mit dem anderer Studien überein, in denen bzgl. des Unsicherheitsgefühls ebenfalls nur geringe Veränderungen auszumachen waren. Für Bochum kann somit die häufig vermutete Zunahme des Unsicherheitsgefühls nicht bestätigt werden. Überdies scheint die Entwicklung der Unsicherheitsgefühle unabhängig zu sein von der Entwicklung der (Gewalt-)Kriminalität, die (zumindest nach PKS-Angaben) zugenommen hat.

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5.2

S. 281

Kognitive Komponente

Ein Aspekt der kognitiven Komponente ist die Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung. Wie auch schon in der Untersuchung Bochum II zeigte sich, daû sich die Einschätzung bezogen auf Deutschland deutlich von der bezogen auf das eigene Wohngebiet unterschied. Während zwischen ca. 80 % und 90 % der Befragten annahmen, in Deutschland habe die Kriminalität in den letzten fünf Jahren zugenommen, nahmen dies nur zwischen ca. 20 % und 35 % für die eigene Wohngegend an. Erstmalig in der Untersuchung Bochum III sollten die Pbn darüber hinaus einschätzen, wieviel Prozent aller pro Jahr in der Bundesrepublik angezeigten Delikte auf die schweren Straftaten Mord/Totschlag, gefährliche bzw. schwere Körperverletzung und Raub entfallen. ¾hnlich wie in anderen neueren Befragungen wurden die Häufigkeiten um so mehr überschätzt, je schwerer die Straftat war. Je bedrohlicher eine Straftat demzufolge für die Pbn scheint, desto dominanter wird sie möglicherweise im Vergleich zu anderen erlebt. Relativ hoch schätzten die Bochumer Pbn auch ihre Viktimisierungserwartung ein: Zwischen 28,1 % und 30,3 % hielten es für wahrscheinlich, im Laufe der nächsten 12 Monate Opfer eines Diebstahls, eines Einbruchs oder einer Körperverletzung zu werden. Bezogen auf Raubdelikte lag die Viktimisierungserwartung bei 22,4 %. 5.3

Konative Komponente

Bezogen auf die konative Komponente kann zwischen dem Vermeidungsverhalten und der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen zum Schutz des Haushalts bzw. der eigenen Person unterschieden werden. Das Ausmaû des Vermeidungsverhaltens in Bochum 1999 entsprach dem der Untersuchung Bochum II und anderen neueren Studien: Über die Hälfte der Befragten gab an, bestimmte Gegenden in Bochum grundsätzlich zu meiden. Zudem äuûerten viele Pbn, herumstehenden Jugendlichen auszuweichen (45,5 %) bzw. herumstehenden Ausländern aus dem Weg zu gehen (38,2 %). Abwehrmaûnahmen zum Personenschutz sind ± wie auch in anderen Untersuchungen ± deutlich weniger verbreitet. Allerdings gaben immerhin noch 16,1 % der Pbn an, Waffen wie Stock oder Tränengas etc. zu besitzen. Bei den Abwehrmaûnahmen zum Schutz des eigenen Haushalts ist zu differenzieren: Nahezu selbstverständlich ist das sorgfältige Abschlieûen von Autos bzw. Fahrrädern (90,9 %). Ein Drittel der Pbn gab an, besondere Tür- und Fenstersicherungen eingebaut zu haben. Dagegen hatten nur 8,9 % der Befragten schon einmal Kontakt zur polizeilichen Beratungsstelle aufgenommen.

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5.4

S. 282

Beziehungen zwischen den Komponenten

In der Untersuchung Bochum III konnte ± wie bereits in den vorangegangenen Untersuchungen sowie anderen neueren Studien ± gezeigt werden, daû die Komponenten der Kriminalitätsfurcht auch miteinander in Beziehung stehen. So traten Unsicherheitsgefühle meist gemeinsam mit einer höheren Viktimisierungserwartung und einem stärker ausgeprägtem Vermeidungsverhalten auf. Auffällig ist auch der Zusammenhang zwischen der Überschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten und dem Unsicherheitsgefühl sowie der Viktimisierungserwartung: So korrelierten die Variablen um so stärker miteinander, je schwerer das entsprechende Delikt war. Besonders deutlich war der Zusammenhang bei der Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit von Mord und Totschlag und dem Unsicherheitsgefühl: Je mehr ein Pb das Vorkommen dieser Straftaten überschätzte, desto unsicherer fühlte er sich. Weitergehend wurden die Zusammenhänge der drei Komponenten der Kriminalitätsfurcht mit den soziodemographischen Variablen, den vorherigen Opfererfahrungen sowie bestimmten ökologischen Variablen untersucht. 5.5

Beziehungen zu soziodemographischen Variablen

Im Einklang mit anderen neueren Studien und auch mit den Untersuchungen Bochum I und II konnten geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht festgestellt werden. So äuûerten Frauen beispielsweise stärkere Unsicherheitsgefühle und zeigten dementsprechend mehr Vermeidungsverhalten als Männer. Insbesondere bei der Einschätzung der Häufigkeit schwerer Straftaten lagen weibliche Befragte deutlich höher als männliche. Hinsichtlich des Unsicherheitsgefühls scheinen sich die Unterschiede zwischen Frauen und Männern jedoch im letzten Vierteljahrhundert verringert zu haben. Dies kann vor allem darauf zurückgeführt werden, daû sich der Anteil der Frauen, die sich nachts auûerhalb der Wohnung in der Wohngegend ¹sehr unsicherª fühlen, reduziert hat (von 36,8 % im Jahr 1976 über 30,0 % im Jahr 1987 auf 24,2 % im Jahr 1998). Die in fast allen Komponenten verstärkte Kriminalitätsfurcht weiblicher Pbn wird häufig vor allem mit der erhöhten Verletzbarkeit der Frauen zu erklären versucht. Daneben sind aber vermutlich noch andere Faktoren relevant, vor allem das Rollenverhalten bzw. die unterschiedliche Erziehung und Sozialisation von Männern und Frauen. Durch die Eltern bzw. das soziale Umfeld werden geschlechtsspezifische Verhaltensweisen vermittelt, so daû es bei Jungen und Mädchen zu unterschiedlichem Rollenverhalten kommt. Das könnte auch erklären, warum Frauen in vielen Situationen ängstlicher sind als Männer. Bezogen auf die Altersvariable ergab sich wiederum ± wie auch 1976 und 1987 sowie in vielen anderen Studien ± das Resultat, daû ältere Befragte stärkere Un282

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S. 283

sicherheitsgefühle äuûern als jüngere sowie mehr Vermeidungsverhalten zeigen. Bei der kognitiven Komponente zeigten sich hingegen keine Unterschiede. 5.6

Einflüsse vorangegangener Opfererfahrungen

Neben den soziodemographischen Variablen ist die Kriminalitätsfurcht auch durch vorangegangene Opfererfahrungen sowie deren Bewältigung bedingt. So äuûerten Opfer, wie vermutet, eine höhere Viktimisierungserwartung als Nicht-Opfer. Bezogen auf das Unsicherheitsgefühl unterschieden sich hingegen Opfer und NichtOpfer nicht voneinander. Bei Berücksichtigung der Bewältigung der Viktimisierung, die mit der Frage erhoben wurde, wie oft die Pbn noch an ihre Opferwerdung denken, ergaben sich jedoch durchaus Unterschiede: So äuûerten Opfer, die noch häufig an die Viktimisierung dachten, deutlich höhere Gefühle der Unsicherheit als Opfer, die dieses Erlebnis gut bewältigt haben und demzufolge nicht mehr daran dachten. Auf diese Weise werden die ursprünglich scheinbar widersprüchlichen Resultate vieler Studien zur Viktimisierungsperspektive erklärbar. Somit scheinen die Auswirkungen von Opfererfahrungen auf die Kriminalitätsfurcht tatsächlich von der Bewältigung abzuhängen. Opfer haben zwar ± unabhängig von der Bewältigung ± eine höhere Viktimisierungserwartung, da sie schon einmal einer Straftat zum Opfer gefallen sind. Unsicherheitsgefühle und das furchttypische Vermeidungsverhalten resultieren gleichwohl nur dann aus einer Viktimisierung, wenn diese (noch) nicht verarbeitet wurde. Ferner wurde untersucht, wie sich die Bewältigung der Opfererfahrungen bei den Altersgruppen und Geschlechtern unterscheidet. Dabei zeigte sich, daû zum einen ältere Pbn schlechter bewältigen als jüngere Befragte. Zum anderen gaben mehr Frauen als Männer an, noch häufig an die erlebte Viktimisierung zu denken. Auch diese Ergebnisse können teilweise durch unterschiedliche Verletzbarkeit zu erklären sein. Daneben sind jedoch wiederum die gröûere ¾ngstlichkeit von Frauen, geschlechtsspezifische Risikowahrnehmungen sowie das unterschiedliche Rollenverhalten von Frauen und Männern zu berücksichtigen. 5.7

Beziehungen zu ökologischen Variablen

Überdies wurde vermutet, daû bestimmte ökologische Variablen die Ausprägung verschiedener Dimensionen der Kriminalitätsfurcht bestimmen. Dabei wirken sich vor allem die Zeichen sozialer Destabilisierung (¹signs of incivilityª), also Verfallserscheinungen in der Wohnumwelt wie z. B. undisziplinierte Autofahrer, zerstörte Telefonzellen und Schmutz bzw. Müll, auf die Kriminalitätsfurcht aus. Die subjektive Wahrnehmung solcher Zeichen als problematisch ging mit verstärkten Unsicherheitsgefühlen und erhöhter Viktimisierungserwartung einher. Die tatsächliche Kriminalitätsrate eines Wohngebietes wirkt sich hingegen weder auf das Unsicherheitsgefühl noch auf die Viktimisierungserwartung aus. Dies 283

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scheint eine weitere Bestätigung für die bereits oben geäuûerte Folgerung zu sein, daû die Kriminalitätsfurcht von der tatsächlichen Kriminalität unabhängig ist. Ein Anstieg der (Gewalt-)Kriminalität zieht also nicht notwendigerweise einen Anstieg der Kriminalitätsfurcht nach sich. Zudem zeigte sich, daû die bereits beschriebenen ¹signs of incivilityª nicht unbedingt ein Ausdruck hoher Kriminalität in einem Wohngebiet sind, denn es ergab sich kein Zusammenhang zwischen diesen Variablen. Somit ist klar zwischen den subjektiven Indikatoren Unsicherheitsgefühl, Viktimisierungserwartung sowie Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung als problematisch und der objektiven Kriminalitätsbelastung zu unterscheiden. Schlieûlich wurden Zusammenhänge mit der Straûenbeleuchtung in der Wohngegend untersucht. Im Vergleich zu 1987 empfanden 1999 weniger Pbn die Straûenbeleuchtung als ¹hell genugª. Bezogen auf das Unsicherheitsgefühl zeigte sich, daû eine als ¹zu dunkelª bzw. ¹viel zu dunkelª empfundene Straûenbeleuchtung zu verstärkter Unsicherheit führte.

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S. 285

Fünfter Teil: Das Ansehen der Polizei § 11

Bisherige Untersuchungen zum Ansehen der Polizei (Sekundäranalyse)

Gliederung 1

Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

2

Der vermutete Ruf der Polizei in der Bevölkerung . . . . . . . . 288

3

Die persönliche Bewertung der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.3.1

Einflüsse auf die persönliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . Die Bewertung der Aufgabenerfüllung der Polizeibeamten. . Die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung . . . . . . . . . . . Einflüsse auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung. . Die Bewertung der Umgangsformen der Polizeibeamten . . . Erfahrungen von Opfern mit der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . Die Bewertung der Aufgabenerfüllung durch Opfer und Nicht-Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflüsse auf die Zufriedenheit von Opfern mit der Polizei. . Auswirkungen von Anzeigeerfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Kontakte mit der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhalten der Polizeibeamten in der Kontaktsituation . . Der Einfluû von sonstigen Kontakten auf die Bewertung der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.3.2 4.3.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 5 5.1 5.2 5.3 5.4

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

290 291 292 293 295 295

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

295 296 298 299 299 299

. . . 300

Die Einstellung zur Polizei in Abhängigkeit von soziodemographischen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Einfluû des Alters auf die Einstellung zur Polizei . . . . . . Der Einfluû des Geschlechts auf die Einstellung zur Polizei . . Der Einfluû der Nationalität auf die Einstellung zur Polizei . . Der Einfluû von Bildung und Einkommen auf die Einstellung zur Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

301 301 303 304

. . 305

6 6.1 6.2 6.3 6.4

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruf der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Bewertung der Polizei insgesamt . . . . . . . Einflüsse auf die persönlichen Bewertung . . . . . . . . . Unterschiede in der persönlichen Bewertung aufgrund soziodemographischer Merkmale der Pbn. . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

305 306 306 306

7

Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

. . . . . . . 307

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Das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Polizei wird in der Polizeiforschung zunehmend untersucht.1 Dieses Forschungsinteresse hat vor allem mit der Konzeption der bürgerorientierten Polizeiarbeit (sog. community policing) zu tun, diesichzumZiel gesetzt hat, dieZufriedenheit derBürger mitderpolizeilichenArbeit zu erhöhen2. So sollen durch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Bevölkerung Probleme im Gemeinwesen gelöst werden, die die Bürger belasten.3 Darüber hinaus sollen das Vertrauen in die Polizeibeamten gestärkt und die Bürger motiviert werden, die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen.4 Die Mitarbeit der Bevölkerung ist deshalb so wichtig, weil die Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung meist5 auf Hinweise und Anzeigen aus der Bevölkerung angewiesen ist.6 Ein weiterer Schwerpunkt der bürgernahen Polizeiarbeit ist das Zusammenwirken der Polizei mit anderen Behörden und Institutionen im Gemeinwesen (sog. Sicherheits- bzw. Ordnungspartnerschaften).7 Eine solche Ordnungspartnerschaft gibt es in Bochum seit 1998 zwischen der Kreispolizeibehörde, Trägern der öffentlichen Verwaltung, Schulen, Wohlfahrtsverbänden und Trägern des öffentlichen Personen-Nahverkehrs. 8 Das Ziel dieser Partnerschaften besteht darin, das Sicherheitsgefühl der Bürger zu steigern9 und Straftaten vorzubeugen10. Um zu erfahren, was der Bürger erwartet, führt die Polizei seit Anfang der 90 er Jahre zunehmend auch eigene ¹Kundenbefragungenª durch.11 In Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde z. B. 1998 im Auftrag des Innenministeriums des Landes ein Fragebogen entwickelt, mit dem die Zufriedenheit von Anzeigeerstattern mit der Polizei erfaût werden soll. Es wird u. a. danach ge1 Vgl. Kerner, Hans-Jürgen: Empirische Polizeiforschung. In: Feltes, Thomas/Rebscher, Erich (Hg.): Polizei und Bevölkerung. Holzkirchen/Obb. 1990, S. 3. 2 Lee-Sammons, Lynette/Stock, Jürgen: Kriminalprävention. In: Kriminalistik, Jg. 47, Heft 3, 1993, S. 160; Feltes, Thomas/Gramckow, Heike: Bürgernahe Polizei und kommunale Kriminalprävention. In: Neue Kriminalpolitik, Jg. 6, Heft 3, 1994, S. 19. 3 Feltes, Thomas/Gramckow, Heike, a. a. O. (FN 2), S. 18. 4 Lee-Sammons, Lynette/Stock, Jürgen, a. a. O. (FN 2). 5 Bis zu 95 % aller der Polizei bekanntgewordenen Straftaten wurden von den Opfern angezeigt: Kirchhoff, Gerd F.: Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung aus viktimologischer Sicht. In: BKA (Hg.): Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung. Wiesbaden 1996, S. 48. 6 Steffen, Wiebke: Polizeiliches Alltagshandeln. In: Feltes, Thomas/Rebscher, Erich (Hg.): Polizei und Bevölkerung. Holzkirchen/Obb. 1990, S. 37; Murck, Manfred: Das Bild der Polizei in der Bevölkerung. In: Die Polizei, Jg. 88, Heft 9, 1997, S. 245. 7 Pitschas, Rainer: Auf dem Wege zu einem ¹neuenª Polizeirecht. In: Kriminalistik, Jg. 53, Heft 3, 1999, S. 156. 8 Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1999, S. 5. 9 Pitschas, Rainer, a. a. O. (FN 7); Stewart, James K.: Polizeiforschung in den Vereinigten Staaten und die Rolle des National Institute of Justice. In: Feltes, Thomas/Rebscher, Erich (Hg.): Polizei und Bevölkerung. Holzkirchen/Obb. 1990, S. 11. 10 Polizeipräsidium Bochum, a. a. O. (FN 8). 11 Heuer, Hans-Joachim: Bürger- und Mitarbeiterbefragungen im Verhältnis zur ¹Bürgerpolizeiª. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1/2, 1999, S. 10.

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fragt, wie die Polizei in NRW und im eigenen Wohnort beurteilt wird, wie freundlich und verständnisvoll sich die Polizeibeamten bei der Aufnahme der Anzeige verhalten haben und wie zufrieden die Anzeigeerstatter mit der polizeilichen Arbeit waren. 12 In einer Erprobungsphase setzten die Polizeibehörden diesen Fragebogen in Bochum und in vier weiteren Städten für die Befragung der Opfer von Verkehrsunfällen und Einbrüchen ein. Der Fragebogen wurde nach seiner Erprobung allen Polizeibehörden in NRW zur Verfügung gestellt, um jährlich die Zufriedenheit der Anzeigeerstatter und ihre Bewertung der polizeilichen Arbeit erfassen zu können. Bei der Interpretation der Ergebnisse solcher ¹Kundenbefragungenª muû allerdings berücksichtigt werden, daû die Pbn Polizeibeamten (die als Interviewer eingesetzt werden) eventuell im Rahmen sozialer Erwünschtheit antworten (siehe auch § 5±1.8.2). Darüber hinaus sollten folgende Faktoren bedacht werden, und zwar unabhängig davon, ob die Befragung von der Polizei durchgeführt wurde: Z

Z

Z

Bei der Frage nach der Zufriedenheit mit bestimmten Institutionen zeigt sich fast immer eine Häufung der Antworten im positiven Bereich.13 Eine Unterscheidung verschiedener Aspekte erscheint dann nicht sinnvoll, wenn die Befragten alle Gesichtspunkte entweder einheitlich positiv oder negativ beurteilen (Eindimensionalität der Wahrnehmung). Zudem stellt sich vor allem bei Fragen zum Ansehen der Polizei das Problem, daû viele Pbn keine Meinung haben. So fiel z. B. in der Untersuchung Bochum II 14 auf, daû 28,0 % aller Befragten auf die Frage nach der Einschätzung der Verbrechensbekämpfung der Polizei mit ¹weiû nichtª geantwortet haben. Dieses Ergebnis ist deshalb bemerkenswert, weil die Antwortkategorie ¹weiû nichtª den Pbn gar nicht vorgegeben wurde.

1

Begriffsbestimmung

In der Literatur gibt es verschiedene Auffassungen darüber, was unter dem ¹Ansehen der Polizeiª verstanden werden soll. So unterscheidet Kürzinger15 einerseits den Ruf der Polizei und andererseits die Tätigkeit sowie die Verhaltensweisen der Polizeibeamten gegenüber den Bürgern. Kerner16 hingegen differenziert zwischen drei Faktoren: der polizeilichen Tätigkeit im Sinne einer effektiven Aufgabenerfüllung, dem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und dem Verhalten der Beamten gegenüber den Bürgern in einer Kontaktsituation. 12 AG Kundenbefragungen der Polizei NRW: Polizei-Kundenbarometer 1998. 13 Vgl. ausführlicher dazu: Groû-Engelmann, Markus: Kundenzufriedenheit als psychologisches Konstrukt. Lohmar 1999, S. 237±242. 14 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/ 87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II), S. 188. 15 Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 116. 16 Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 218.

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S. 288

In diesem Paragraphen sollen beide Ansätze miteinander kombiniert und erweitert werden. Insoweit wird das Ansehen der Polizei verstanden (siehe Übersicht 84): Z

Z

auf der einen Seite als Ruf, den die Polizei in der Bevölkerung hat (siehe Punkt 2), und auf der anderen Seite als die persönliche Bewertung der Polizei (siehe Punkt 3) durch den einzelnen Bürger. Für diese persönliche Einschätzung ist vermutlich von Bedeutung, wie die Bürger die Aufgabenerfüllung sowie die Umgangsformen der Polizeibeamten bewerten und welche Kontakte sie mit der Polizei hatten.

Übersicht 84:

Das Ansehen der Polizei in der Untersuchung Bochum III

2

Der vermutete Ruf der Polizei in der Bevölkerung

Mit dem Ruf der Polizei wird nicht die eigene Einstellung der Befragten zur Polizei erfaût, sondern die von den Pbn in der Bevölkerung vermutete oder wahrgenommene Meinung. Dabei wird der Polizei von den Befragten ein überwiegend guter Ruf in der Bevölkerung bescheinigt. Diese positive Einschätzung wird durch verschiedene Untersuchungen bestätigt: Schon bei Stephan 17 stimmten 95 % und bei Kürzinger 18 93,1 % der Befragten der Aussage zu, daû die Polizei ¹im groûen und ganzen gesehen einen guten Rufª hat. Der entsprechende Anteil in der Untersuchung Bochum II 19 lag 17 Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 422. 18 Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 276. 19 Untersuchung Bochum II, S. 188.

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bei 45,5 %. Die Diskrepanz zu den Ergebnissen der Umfragen von Stephan und Kürzinger ist vermutlich u. a. auf die unterschiedlichen Antwortvorgaben zurückzuführen: Während in den beiden letztgenannten Studien den Pbn vier Antwortmöglichkeiten (¹völlig richtigª bzw. ¹ziemlich richtigª, ¹ziemlich falschª bzw. ¹völlig falschª) zur Verfügung standen, konnten die Pbn in der Untersuchung Bochum II 20 zusätzlich die Antwortkategorie ¹teils/teilsª wählen. Diese Kategorie wurde in der Untersuchung Bochum II von 24,7 % der Pbn verwendet. Vom Ruf der Polizei in der Bevölkerung zu unterscheiden ist die eigene Meinung der Befragten über die Polizei, die hier als persönliche Bewertung bezeichnet wird. 3

Die persönliche Bewertung der Polizei

In zahlreichen Studien beurteilten die befragten Bürger auch persönlich die Polizei weitgehend positiv. Diese positive Einstellung bestätigen z. B. Umfragen der Polizei-Führungsakademie Münster in den Jahren 1987 und 1996: 79 % (1987) 21 bzw. 72 % (1996) 22 der Befragten in den alten Bundesländern hatten eine ¹eher positiveª bis ¹sehr positiveª Meinung über die Polizei insgesamt. Bei einer 1993 durchgeführten Umfrage23 wählten 65,9 % der Pbn in den alten Bundesländern diese Antwortkategorien. Auch in der Untersuchung Bochum II 24 erklärten 55,5 % der Pbn, eine ¹ziemlich guteª bzw. ¹guteª Meinung von der örtlichen Polizei zu haben. Eine ebenfalls positive Bewertung der Polizei insgesamt fand sich bereits in der Untersuchung Bochum I 25. Eine fast einstimmig positive Meinung haben die Bürger zudem über die Notwendigkeit der polizeilichen Institution. So ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach 26 aus dem Jahre 1991, daû lediglich 5 % der befragten Bürger in den alten Bundesländern und 2 % der Pbn in den neuen Bundesländern die Polizei zum Schutz der Bevölkerung für entbehrlich halten. Auch Studien in Hamburg-Altona 27 und in Osna-

20 Die Antwortkategorie ¹weiû nichtª wurde zwar nicht explizit vorgegeben. Dennoch gaben 13,7 % der Pbn an, den Ruf nicht einschätzen zu können. 21 Murck, Manfred: Polizei und Bürger. In: Die Polizei, Jg. 80, Heft 2, 1989, S. 28. 22 Chmielewski, Ryszard u. a.: Das Bild der Polizei in den Gesellschaften Polens und Deutschlands. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 2, 1997, S. 25. 23 Murck, Manfred: Polizei und Sicherheit in Europa. In: Kriminalistik, Jg. 48, Heft 7, 1994, S. 450. 24 Untersuchung Bochum II, S. 186. 25 Sporn, Harald: Die Einstellung der Bochumer Bürger zur Polizei. In: Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I), S. 298. 26 Institut für Demoskopie Allensbach: Allensbacher Jahrbuch, Bd. 9. Allensbach 1993, S. 601. 27 Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 188.

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brück 28 haben gezeigt, daû die Pbn der Aussage ¹ohne Polizei geht es nichtª ganz überwiegend zustimmen. Zusammenfassend läût sich feststellen, daû die befragten Bürger nicht nur eine positive Meinung in der Bevölkerung vermuteten (Ruf), sondern auch selbst die Polizei überwiegend positiv bewerteten (persönliche Bewertung). Diese positive Einstellung könnte damit zu erklären sein, daû die Polizei die erforderliche Autorität besitzt, um den Bürgern in Konfliktsituationen und Problemlagen wirksamer als jede andere Behörde oder öffentliche Einrichtung helfen zu können.29 So kann die Polizei u. a. Zwangsmittel androhen und auch einsetzen (§ 51 PolG NW: Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang). Darüber hinaus ist sie im Gegensatz zu anderen Institutionen ständig erreichbar.30 Vermutlich besteht eine wechselseitige Beziehung zwischen dem von den Bürgern vermuteten Ruf der Polizei in der Bevölkerung und der Einstellung der einzelnen Bürger zur Polizei: Von der persönlichen Bewertung wird auf den Ruf in der Bevölkerung geschlossen und/oder die vermutete Einstellung in der Bevölkerung beeinfluût die persönliche Bewertung. 4

Einflüsse auf die persönliche Bewertung

Fraglich ist, wie die persönliche Meinung über die Polizei gebildet wird. Zunächst könnte die Bewertung der polizeilichen Arbeit von Bedeutung sein, die hier unter den Aspekten der Aufgabenerfüllung (siehe Punkt 4.1) und der Umgangsformen (siehe Punkt 4.2) betrachtet wird. Darüber hinaus können Erfahrungen, die die Bürger als Opfer mit der Polizei gemacht haben (siehe Punkt 4.3), und sonstige Kontakte (siehe Punkt 4.4) die persönliche Bewertung mitbestimmen. Diese Einfluûfaktoren stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern können sich gegenseitig beeinflussen. So ist z. B. zu vermuten, daû sich die Erfahrungen als Opfer mit der Polizei auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung (als Teil der Aufgabenerfüllung) auswirken können. Als weitere Einfluûfaktoren, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann, kommen neben Persönlichkeitsmerkmalen31 und Erfahrungen von Verwandten oder Bekannten32 auch Berichterstattungen in den Medien33 in Betracht. 28 Hunsicker, Ernst u. a.: Kriminologische Regionalanalyse Osnabrück 1996/97. Osnabrück 1998, S. 130. 29 Hofmann, Frank: Die deutsche Polizei zwischen Bürger und Staat. In: Feltes, Thomas/Rebscher, Erich (Hg.): Polizei und Bevölkerung. Holzkirchen/Obb. 1990, S. 100. 30 Feltes, Thomas/Gramckow, Heike: Bürgernahe Polizei und kommunale Kriminalprävention. In: Neue Kriminalpolitik, Jg. 6, Heft 3, 1994, S. 18. 31 Schwarzenegger, Christian: Die Einstellungen der Bevölkerung zur Kriminalität und Verbrechenskontrolle. Freiburg i. Br. 1992, S. 244. 32 Schwarzenegger, Christian, a. a. O. (FN 31). 33 Vgl. z. B. Schüller, Achim: Das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Die Polizei, Jg. 81, Heft 11, 1990, S. 296; Stock, Jürgen/Klein, Lutz: Hat die Polizei ein Ausländerproblem? In:

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4.1

S. 291

Die Bewertung der Aufgabenerfüllung der Polizeibeamten

Traditionell sind der Polizei zwei Aufgabenbereiche zugewiesen: die Gefahrenabwehr (Prävention) und die Strafverfolgung (Repression). Die gesetzliche Grundlage für die Gefahrenabwehr bildet in Nordrhein-Westfalen der § 1 Absatz 1 des PolG NW. Die gesetzliche Grundlage für die Strafverfolgung ist in der Strafprozeûordnung geregelt (§ 163 Absatz 1 StPO). Allerdings haben sich die Grenzen zwischen strafverfahrensrechtlichen und polizeirechtlichen Eingriffsbefugnissen inzwischen ¹verwischtª.34 Gleichwohl sind beide Aufgabenbereiche grundsätzlich bestehen geblieben. Z

Verfolgung von Straftaten: Seit der Neuorganisation der Kreispolizeibehörden im Jahre 1994 ist die Kriminalitätsbekämpfung in NRW zweigeteilt: Die ¹Zentrale Kriminalitätsbekämpfungª (ZKB) ist für solche Delikte zuständig, die eine hohe Spezialisierung bzw. regelmäûige Kommissionstätigkeit erfordern35 oder deren dezentrale Wahrnehmung einen zu groûen Informationsverlust nach sich ziehen würde (z. B. Straftaten gegen das Leben, Menschenhandel, sexuelle Gewaltdelikte).36 Alle anderen Delikte werden dezentral in den Kriminalkommissariaten der Polizeiinspektionen bearbeitet.

Z

Gefahrenabwehr: Mit der Gefahrenabwehr sind alle Maûnahmen zur Abwehr von Gefahren (von der Allgemeinheit oder dem einzelnen) gemeint, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht ist.37 Darunter fallen z. B. Hilfeleistungen für alkoholisierte oder hilflose Personen und die Bewältigung von Konfliktsituationen wie Ruhestörungen, Nachbarschafts- und Familienstreitigkeiten38. Auch die Überwachung des Straûenverkehrs39 sowie die präventive Kriminalitätsbekämpfung gehören (nach § 1 Absatz 1 Satz 2 PolG NW) zu diesem Aufgabenbereich. Nicht mehr zuständig ist die Polizei in NRW seit 1989 für den Bereich der öffentlichen Ordnung.40 Für den Bürger ist diese Unterscheidung kaum zu verstehen.

34 35 36 37 38 39 40

MschrKrim, Jg. 77, Heft 5, 1994, S. 287; Pick, Alexander: Polizeiforschung zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie. In: Kriminalistik, Jg. 49, Heft 11, 1995, S. 697. Vgl. Albrecht, Peter-Alexis: Kriminologie. München 1999, S. 154 ff. Unter Kommissionstätigkeit ist die zeitlich begrenzte Zusammenarbeit von Spezialisten verschiedener Fachgebiete zur Aufklärung schwerwiegender Delikte (z. B. Mord) zu verstehen. Ministerialblatt NRW: Neuorganisation der Kreispolizeibehörden des Landes NRW. 1992, S. 1054. Götz, Volkmar: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht. Göttingen 1995 (12. Aufl.), S. 39. Feltes, Thomas: Zur Effektivität polizeilichen Handelns. In: Die Polizei, Jg. 81, Heft 11, 1990, S. 301. Hilse, Hans-Günter: Verkehrsüberwachung. In: Lisken, Hans/Denninger, Erhard (Hg.): Handbuch des Polizeirechts. München 1996 (2. Aufl.), S. 443. Götz, Volkmar, a. a. O. (FN 37), S. 54.

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Beispiel: Eine Person sitzt auf einer Parkbank und wirft eine Bierdose auf den Boden. Zwei Polizeibeamte beobachten den Vorgang, greifen aber nicht ein, weil sie nicht zuständig sind. Zuständig ist die Ordnungsbehörde. Es ist zu vermuten, daû die Bürger jedoch dieses Verhalten den Polizeibeamten anlasten und damit eine Beschädigung des Ansehens der Polizei in Betracht kommt. 4.1.1

Die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung

Der polizeiliche Aufgabenbereich, der in der Forschung am häufigsten untersucht wird, ist die Kriminalitätsbekämpfung. In der Untersuchung Bochum II 41 waren 14,3 % der Befragten mit der ¹Verbrechensbekämpfungª der örtlichen Polizei ¹überwiegend unzufriedenª bzw. ¹völlig unzufriedenª, während insgesamt 40,9 % der Pbn ¹völlig zufriedenª bzw. ¹überwiegend zufriedenª waren. 16,7 % der Pbn entschieden sich für die Antwortkategorie ¹weder gut noch schlechtª. 42 In der Studie von Kury u. a. 43 befanden sogar lediglich 3,6 % der Befragten in den alten Bundesländern die Kriminalitätsbekämpfung für ¹ziemlich schlechtª bzw. ¹sehr schlechtª. 44 ¾hnliche Ergebnisse zeigten sich auch in Umfragen des BKA in den Jahren 1994 45 und 1998 46. Auffällig ist, daû die Beurteilung der Kriminalitätsbekämpfung ungünstiger ausfällt als die (persönliche) Bewertung der Polizei insgesamt.47 So hatten in einer Studie der Polizei-Führungsakademie Münster 48 72 % der Pbn eine positive Meinung von der Polizei insgesamt, aber nur 54 % waren 41 Untersuchung Bochum II, S. 188. 42 ¹Weiû nichtª: 28,0 %. Untersuchung Bochum II, S. 188. 43 ¹Sehr gutª: 7,4 % der Pbn, ¹gutª: 42,4 %, ¹ziemlich gutª: 30,3 %, ¹nicht so gutª: 11,9 %, ¹weiû nicht/keine Ahnungª: 4,4 %: Dörmann, Uwe: Bewertung der Polizei. In: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 335. 44 Die Diskrepanz zu der Untersuchung Bochum II könnte sich u. a. damit erklären, daû bei Kury u. a. nur 4,4 % der Pbn mit ¹weiû nichtª geantwortet haben, während diese Antwort in der Untersuchung Bochum II von 28 % der Befragten gegeben wurde; Dörmann, Uwe, a. a. O. (FN 43); Untersuchung Bochum II, S. 188. 45 5 % der Pbn bewerteten die ¹Verbrechensbekämpfungª der Polizei ¹ziemlich schlechtª bzw. ¹sehr schlechtª: Dörmann, Uwe: Wie sicher fühlen sich die Deutschen? Wiesbaden 1996, S. 34. 46 4 % der Befragten wählten die Antwortkategorien ¹ziemlich schlechtª oder ¹sehr schlechtª: Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 14. 47 Diese im Vergleich zur persönlichen Bewertung ungünstigere Einschätzung der Kriminalitätsbekämpfung kann damit begründet werden, daû die Bürger durch die polizeiliche Arbeit selbst betroffen sein können (z. B. im Rahmen einer Straûenverkehrskontrolle) oder ihnen die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei aufgrund eines von den Medien verzerrten Bildes der Kriminalitätslage als unzureichend erscheint. 48 Chmielewski, Ryszard u. a.: Das Bild der Polizei in den Gesellschaften Polens und Deutschlands. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 2, 1997, S. 25, 27.

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der Ansicht, die Polizei sei erfolgreich bei der Kriminalitätsbekämpfung. Dieses Ergebnis hatte sich auch schon in der Untersuchung Bochum II 49 gezeigt. 4.1.2

Einflüsse auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung

Nach den bisherigen Ausführungen ist von Interesse, welche Faktoren die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung beeinflussen. In Betracht kommen insoweit: Z Z Z

die vermutete Kriminalitätsentwicklung, das Unsicherheitsgefühl und die wahrgenommene Polizeipräsenz.

4.1.2.1

Der Einfluû der von den Pbn vermuteten Kriminalitätsentwicklung

Es liegt nahe, daû die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung auch von der vermuteten Kriminalitätsentwicklung abhängt. Einen solchen Zusammenhang scheint es aber nach Befunden einiger Studien nicht zu geben. Sowohl in der Studie von Kerner 50, in der die allgemeine Kriminalitätsentwicklung und die örtliche Kriminalitätsbekämpfung untersucht wurden, als auch in der Untersuchung Bochum II 51, die die örtliche Kriminalitätsentwicklung und -bekämpfung zum Gegenstand hatte, wurde kein solcher Zusammenhang gefunden. Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, daû ein Anstieg der Kriminalität von den Bürgern nicht mit einem Versagen der Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung in Verbindung gebracht wird.52 Einen Zusammenhang könnte es jedoch zwischen der vermuteten Kriminalitätsentwicklung und dem Wunsch der Bürger geben, die Polizei solle sich mehr oder weniger um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern. 4.1.2.2

Der Einfluû des Unsicherheitsgefühls

In einer Reihe von Untersuchungen53 zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und dem Unsicherheitsgefühl (siehe dazu näher § 9±2.1) der Bürger. 49 50 51 52 53

Untersuchung Bochum II, S. 188. Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 253. Untersuchung Bochum II, S. 187. Kerner, Hans-Jürgen, a. a. O. (FN 50). Untersuchung Bochum II, S. 190; Dörmann, Uwe: Bewertung der Polizei. In: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 343; Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 191; Obergfell-Fuchs, Joachim: Einstellungen der Bürger zur Polizei und zu privaten Sicherheitsdien-

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So bewerteten Personen, die sich unsicher fühlten, die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei ungünstiger. Auch eine 1993 in Kanada durchgeführte Umfrage 54 bestätigte diesen Befund: Dort beurteilten 38,1 % der Befragten, die sich ¹sehr unsicherª fühlten, die Polizeiarbeit negativ im Vergleich zu 17,1 % der Pbn, die sich ¹sehr sicherª fühlten. Dieser Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung kann unterschiedlich interpretiert werden: Z

Z

Z

Personen fühlen sich sicherer, weil sie die Kriminalitätsbekämpfung positiver bewerten, oder Personen bewerten die Kriminalitätsbekämpfung positiver, weil sie sich sicherer fühlen, oder das Untersicherheitsgefühl und die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung hängen nicht unmittelbar miteinander zusammen, sondern sind beide von einer dritten Variablen abhängig (Scheinkorrelation Ü Glossar).

4.1.2.3

Der Einfluû der wahrgenommenen Polizeipräsenz

Auch die wahrgenommene Polizeipräsenz kann die Einstellung der Bürger zur Kriminalitätsbekämpfung beeinflussen. Dies bestätigen Untersuchungen, bei denen sich ein Zusammenhang zwischen der Polizeipräsenz und der Beurteilung der Aufgabenerfüllung ergeben hat. Schon in einer Untersuchung von Sparks/Glenn/Dodd 55 zeigte sich, daû Pbn, die eine höhere Polizeipräsenz wahrnahmen, die Arbeit der örtlichen Polizei positiver bewerteten. Auch im British Crime Survey Scotland 56 ergab sich, daû von denjenigen Pbn, die die polizeiliche Arbeit zumindest ausreichend beurteilten, 40 % in der vergangenen Woche eine Streife gesehen hatten. Von den mit der Polizeiarbeit unzufriedenen Befragten hatten nur 23 % eine Streife wahrgenommen. 57 In einer 1995/96 durchgeführten bundesweiten Opferbefragung 58 zeigte sich in den alten Bundesländern eine schwache, in den neuen Bundesländern eine deutliche Tendenz, daû Personen, die eine höhere Polizeipräsenz wahrnahmen, die Polizeiarbeit besser bewerteten.

54 55 56 57 58

sten. In: Weiû, Rüdiger/Plate, Monika (Hg.): Privatisierung von polizeilichen Aufgaben. Wiesbaden 1996, S. 133; Clerici, Christian/Killias, Martin: Zum Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Crimiscope, Heft 5, 1999, S. 4. Sprott, Jane B./Doob, Anthony N.: Fear, victimization, and attitudes to sentencing, the courts, and the police. In: Canadian Journal of Criminology, 39 (3), 1997, S. 284. Sparks, Richard F./Glenn, Hasel G./Dodd, David J.: Surveying Victims. London 1977, S. 126. Chambers, Gerry/Tombs, Jacqueline: The British Crime Survey Scotland. Edinburgh 1984, S. 35. Chambers, Gerry/Tombs, Jacqueline, a. a. O. (FN 56). Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998, S. 78.

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Durch eine übermäûige Präsenz können aber auch gegenteilige Effekte bei den Bürgern erzielt werden: Zum einen kann bei Bevölkerungsgruppen, denen die Polizei mitunter vermehrte Aufmerksamkeit widmet, eine negative Einstellung zur Polizei hervorgerufen oder verstärkt werden, weil diese sich zu stark kontrolliert fühlen.59 Zum anderen könnte eine ¹Überpräsenzª den Bürgern ein verzerrtes Bild der Kriminalitätslage vermitteln und somit ihre Furcht, Opfer einer Straftat zu werden, sogar noch steigern. 4.2

Die Bewertung der Umgangsformen der Polizeibeamten

Neben der Aufgabenerfüllung können auch die Umgangsformen der Polizeibeamten einen wichtigen Einfluû auf die persönliche Bewertung haben. Für die Akzeptanz in und die Unterstützung aus der Bevölkerung ist es nicht nur wichtig, daû die Polizeibeamten schnell und effektiv ihre Aufgaben erfüllen, sondern auch, daû sie dabei z. B. höflich und unvoreingenommen sind. Untersuchungen in Deutschland haben ergeben, daû die Bürger den Polizeibeamten in dieser Hinsicht überwiegend ein positives Verhalten bescheinigen. In einer 1998 durchgeführten bundesweiten Studie 60 stimmten 79 % der Pbn der Aussage zu, ¹die meisten Polizisten sind (waren) im allgemeinen freundlich und verständnisvollª. Auch schon in den Untersuchungen von Kürzinger 61 und Stephan 62 vertraten 89,4 % bzw. 95 % der Befragten die Meinung, daû ¹im allgemeinen die meisten Polizisten freundlichª seien. Somit läût sich feststellen, daû die Umgangsformen der Polizeibeamten im allgemeinen überwiegend positiv eingeschätzt werden. 4.3

Erfahrungen von Opfern mit der Polizei

Erfahrungen mit der Polizei als Opfer einer Straftat können ebenfalls die Einstellung der betroffenen Bürger zur Polizei mitbestimmen. 4.3.1

Die Bewertung der Aufgabenerfüllung durch Opfer und NichtOpfer

Es erscheint plausibel, daû es hinsichtlich der Bewertung der polizeilichen Aufgabenerfüllung Unterschiede zwischen Opfern und Nicht-Opfern gibt. Diese An59 Kranz, Uwe: Mehr Polizei ± mehr Sicherheit und weniger ¾ngste? In: Der Kriminalist, Jg. 50, Heft 6, 1996, S. 281. 60 Dörmann, Uwe: Sicherheitsgefühl, Polizeiakzeptanz und Kriminalitätsbewertung. Wiesbaden 1999, S. 10 f. 61 Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 108. 62 Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 423.

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nahme wird durch eine Befragung bestätigt, die 1998 in der Schweiz 63 durchgeführt wurde: Dort äuûerten Opfer eine etwas negativere Meinung über die Kriminalitätsbekämpfung der örtlichen Polizei als Nicht-Opfer. 57,1 % der befragten Opfer meinten, daû die Polizei in ihrer Wohngegend gute Arbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung leiste, von den Nicht-Opfern vertraten 64,1 % diese Ansicht. 64 In der Untersuchung Bochum II 65 fanden sich zwar auch geringe Unterschiede in der Bewertung der konkreten Arbeit durch Opfer und Nicht-Opfer. Diese Unterschiede waren aber auf Zufallsschwankungen zurückzuführen. 4.3.2

Einflüsse auf die Zufriedenheit von Opfern mit der Polizei

Als mögliche Faktoren, die die Zufriedenheit von Opfern mit der Polizei beeinflussen, kommen die Täterermittlung, das Engagement und die Umgangsformen der Polizeibeamten sowie die Art der Viktimisierung in Betracht. 4.3.2.1

Die Täterermittlung

Die Zufriedenheit der Opfer, die die Straftat angezeigt haben, kann davon abhängen, ob die Polizei den Täter ermitteln konnte. In den ausgewerteten Studien wurde ein solcher Zusammenhang bislang nicht untersucht. Indirekte Hinweise, daû die Zufriedenheit der Opfer von der Täterermittlung abhängen könnte, zeigten sich in einer Untersuchung von Kury u. a. 66 Dort waren 123 (26,2 %) der befragten Opfer in den alten Bundesländern unzufrieden mit der polizeilichen Reaktion auf ihre Anzeige. Über die Hälfte (59,3 %) dieser Opfer gaben als Grund für ihre Unzufriedenheit die Nichtermittlung des Täters an. 67 Hingegen wurde die Antwortkategorie ¹Täter wurde nicht gefaûtª in einer anderen Studie 68 nur von 16 % der unzufriedenen Pbn gewählt.

63 Clerici, Christian/Killias, Martin: Zum Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Crimiscope, Heft 5, 1999, S. 1. 64 Clerici, Christian/Killias, Martin, a. a. O. (FN 63). 65 Untersuchung Bochum II, S. 218 f. 66 Dörmann, Uwe: Bewertung der Polizei. In: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 328, 333. 67 Dörmann, Uwe, a. a. O. (FN 66), S. 333. 68 Auch in dieser Umfrage war etwa ein Viertel der Pbn mit der Behandlung ihrer Anzeige durch die Polizei unzufrieden: Van Dijk, Jan: Opfer, Opferbild und Prävention. In: BKA (Hg.): Das Opfer und die Kriminalitätsbekämpfung. Wiesbaden 1996, S. 110.

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4.3.2.2

S. 297

Das Engagement der Polizeibeamten

Die Zufriedenheit von Anzeigeerstattern scheint vom Engagement des Polizeibeamten hinsichtlich der Ermittlung des Täters beeinfluût zu werden. So hat sich in einer Umfrage 69 ergeben, daû die Gründe ¹Polizei hat nicht genug getanª (42 %) bzw. ¹Polizei war nicht interessiertª (40 %) am häufigsten als Ursachen für die Unzufriedenheit mit der Polizei genannt wurden. Es ist anzunehmen, daû Opfer, die ein geringes Engagement der Beamten wahrnehmen, einen Miûerfolg bei der Täterermittlung mit fehlendem Bemühen erklären. Zeigen sich die Beamten hingegen engagiert, werden Opfer die Nichtermittlung des Täters vermutlich auf äuûere Umstände (z. B. fehlende Spuren) zurückführen. 4.3.2.3

Die Umgangsformen der Polizeibeamten in der Anzeigesituation

Die Umgangsformen der Beamten können ebenfalls eine bedeutende Rolle für die Zufriedenheit der Opfer spielen. Untersuchungen haben gezeigt, daû die konkreten Umgangsformen bei der Aufnahme einer Anzeige von den Opfern meist positiv beurteilt werden. In der Osnabrücker Regionalanalyse 70 wurde die Behandlung des Opfers im Rahmen der Anzeigeerstattung von 70,3 % der Pbn als ¹sachlich korrektª eingestuft. Lediglich 4,6 % der Befragten fühlten sich schlecht behandelt. 71 Darüber hinaus waren in der ¹Kundenbefragung der Polizei in NRWª 72 rund 91 % der Bochumer Opfer der Meinung, die Polizei habe sich ausreichend Zeit genommen. 4.3.2.4

Die Art der Viktimisierung

Die Gründe für eine Anzeigeerstattung und die Ansprüche der Opfer an die Polizei können je nach Art der Viktimisierung durchaus unterschiedlich sein: So zeigen Opfer von Diebstahlsdelikten oft (nur) an, weil sie einen Nachweis für die Versicherung benötigen, um den Schaden ersetzt zu bekommen (siehe auch § 7± 2.1.1.1).73 Opfer von Gewaltdelikten hingegen erstatten wesentlich häufiger Anzeige, damit der Täter gefaût, bestraft und das Unrecht gut gemacht wird (siehe

69 Van Dijk, Jan, a. a. O. (FN 68). 70 Hunsicker, Ernst u. a.: Kriminologische Regionalanalyse Osnabrück 1996/97. Osnabrück 1998, S. 142. 71 Hunsicker, Ernst u. a., a. a. O. (FN 70). 72 ¹Kundenbefragung der Polizei in NRWª. An dieser Stelle bedanken wir uns für die zur Verfügung gestellten anonymisierten Datensätze. 73 Vgl. Kilchling, Michael: Opferinteressen und Strafverfolgung. Freiburg i. Br. 1995, S. 30.

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auch § 7±2.2.1.3).74 Es liegt somit nahe, daû die Täterermittlung oder zumindest das wahrgenommene Engagement der Polizeibeamten für Gewaltdeliktsopfer bedeutsamer ist als für Diebstahlsopfer und daher bei diesen vermutlich einen stärkeren Einfluû auf die Zufriedenheit mit der Polizei hat. In internationalen Viktimisierungsstudien 75 hat sich dazu gezeigt, daû Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten unzufriedener mit der Polizei waren als Opfer von Vermögensdelikten. Als Gründe für die Unzufriedenheit wurden u. a. Desinteresse und mangelnde Motivation der Polizeibeamten angegeben. 76 Unterschiede in der Intensität der Strafverfolgung werden nicht nur subjektiv von den Opfern wahrgenommen, sondern wurden auch objektiv beobachtet. Kürzinger 77 stellte hierzu 1973 durch teilnehmende Beobachtung fest, daû die Aufnahme einer Anzeige vom geschilderten Sachverhalt abhängig war: Bei Eigentums- und Vermögensdelikten wurde in 97 % der Fälle eine Anzeige protokolliert, bei Delikten gegen die Person nur in 30 % der Fälle. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, daû sich die Polizeibeamten gegenüber den Anzeigeerstattern bei Delikten gegen die Person wesentlich häufiger ¹gleichgültigª und ¹autoritärª verhielten als bei Eigentums- und Vermögensdelikten. 78 Auf der anderen Seite waren die Anzeigeerstatter von Delikten gegen die Person ¹verärgerterª und ¹niedergeschlagenerª als die Anzeigeerstatter von Eigentums- und Vermögensdelikten. 79 Neuere Studien zu dieser Fragestellung liegen soweit ersichtlich nicht vor. Insofern können auch die Umgangsformen der Polizeibeamten in der Anzeigesituation für die Zufriedenheit der Opfer aufgrund der Art der Viktimisierung unterschiedlich wichtig sein: So sind gerade Gewaltdeliktsopfer durch den direkten Kontakt mit dem Täter bereits mehr oder weniger emotional verletzt und in der Gefahr, durch eine unsensible Befragung der Polizeibeamten ein zweites Mal psychisch geschädigt zu werden (sog. sekundäre Viktimisierung).80 Daher ist zu vermuten, daû die Umgangsformen für die Zufriedenheit von Gewaltdeliktsopfern wichtiger sind als für Opfer von Diebstahlsdelikten. 4.3.3

Auswirkungen von Anzeigeerfahrungen

Die Erfahrungen der Opfer mit der Polizei (und das Erleben einer Viktimisierung) können sich nicht nur auf die Bewertung der polizeilichen Aufgabenerfüllung (siehe Punkt 4.3.1), sondern auch auf die zukünftige Anzeigebereitschaft auswirken. 74 Vgl. Kilchling, Michael, a. a. O. (FN 73), S. 31. 75 Schneider, Hans Joachim: Der gegenwärtige Stand der kriminologischen Opferforschung. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 5, 1998, S. 320. 76 Schneider, Hans Joachim, a. a. O. (FN 75). 77 Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 217. 78 Kürzinger, Josef, a. a. O. (FN 77), S. 196. 79 Kürzinger, Josef, a. a. O. (FN 77), S. 197. 80 Tampe, Evelyn: Verbrechensopfer. Stuttgart 1992, S. 44.

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In der Untersuchung Bochum I 81 zeigte sich, daû 39,5 % der Opfer mit früheren Anzeigeerfahrungen (im Gegensatz zu 15,9 % ohne vorherige Anzeigeerfahrung) eine neue Anzeige unterlassen haben, weil sie von der Ineffektivität der Strafverfolgungsbehörden überzeugt waren. Diese Ergebnisse bezogen sich jedoch nur auf Opfer von Diebstahlsdelikten 82, also auf eine Straftat mit grundsätzlich geringer Aufklärungsquote 83. Ein solcher Unterschied zwischen der Anzeigebereitschaft von Opfern mit oder ohne vorherige Anzeigeerfahrungen lieû sich in der Untersuchung Bochum II 84 jedoch nicht feststellen. 4.4

Sonstige Kontakte mit der Polizei

Neben Opfererfahrungen können auch andere Kontakte mit Polizeibeamten die Einstellung der Bürger zur Polizei beeinflussen. Dabei ist von Bedeutung, ob und welche Kontakte die Bürger haben, wie sie das Verhalten der Polizeibeamten in der Kontaktsituation beurteilen und welchen Einfluû diese Kontakte auf die Bewertung der Polizei insgesamt haben. 4.4.1

Kontaktart

In verschiedenen Untersuchungen85 stellte sich heraus, daû etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Befragten einen Kontakt mit der Polizei in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren hatten. Etwa ein Drittel der Kontakte fand im Straûenverkehr statt. So berichtet Murck 86 darüber, daû 31 % der deutschen Pbn, die einen Kontakt mit der Polizei hatten, angaben, daû sich diese Begegnung im Straûenverkehr ereignete. 4.4.2

Das Verhalten der Polizeibeamten in der Kontaktsituation

Das Verhalten der Beamten in der jeweiligen Kontaktsituation wird von den Bürgern überwiegend positiv beurteilt. 81 Pudel in der Untersuchung Bochum I, S. 208. 82 Pudel in der Untersuchung Bochum I, S. 206. 83 LKA NRW (Hg.): PKS Nordrhein-Westfalen 1998. Düsseldorf 1999, Blatt 3: Aufklärungsquote für Diebstahl insgesamt in NRW: 31,32 %; Polizeipräsidium Bochum (Hg.): Die PKS des Jahres 1998 der Kreispolizeibehörde Bochum. Bochum 1999, S. 21: Aufklärungsquote für Diebstahl insgesamt in Bochum: 31,37 %. 84 Untersuchung Bochum II, S. 249 f. 85 Murck, Manfred: Polizei und Sicherheit in Europa. In: Kriminalistik, Jg. 48, Heft 7, 1994, S. 451; Trum, Hansjörg: Bürgerfreundlich? In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1, 1990, S. 120; Murck, Manfred: Polizei und Bürger. In: Die Polizei, Jg. 80, Heft 2, 1989, S. 28. 86 Murck, Manfred: Polizei und Sicherheit in Europa. In: Kriminalistik, Jg. 48, Heft 7, 1994, S. 451; vgl. auch Murck, Manfred: Polizei und Bürger. In: Die Polizei, Jg. 80, Heft 2, 1989, S. 28.

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S. 300

In einer Befragung von Hermanutz 87 bewerteten die Pbn das Verhalten der Beamten mit einer Durchschnittsnote von 2,3 (auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6). Von den Befragten waren 71,6 % mit den Umgangsformen zufrieden, immerhin 15,6 % waren unzufrieden. 88 Auch in einer Untersuchung aus der Schweiz 89 ergab sich, daû ca. drei Viertel der Pbn mit dem Kontakt zufrieden waren. Zudem wurde untersucht, worauf die Unzufriedenheit einiger Bürger zurückzuführen war. In der schon erwähnten Befragung in der Schweiz 90 waren die Pbn vor allem unzufrieden, weil sie sich ¹unkorrektª behandelt fühlten und die Polizeibeamten kein Interesse gezeigt hatten. Darüber hinaus ist zu vermuten, daû die Zufriedenheit (bzw. Unzufriedenheit) mit der Kontaktsituation auch die persönliche Bewertung beeinfluût. 4.4.3

Der Einfluû von sonstigen Kontakten auf die Bewertung der Polizei

Für die Bewertung der Polizei kann zunächst von Bedeutung sein, ob die Bürger in irgendeiner Form Kontakt mit der Polizei hatten. In einer britischen Studie 91 waren die Pbn, die sich ihre Meinung aufgrund eigener Erfahrungen oder aufgrund der Erlebnisse von Verwandten und Bekannten bildeten, unzufriedener mit der polizeilichen Arbeit als Pbn ohne solche Kontakte. Es wäre aber auch denkbar, daû es aufgrund einer negativen Einstellung zur Polizei (und daraus resultierendem negativen Verhalten) erst zu Kontakten mit der Polizei kommt. Darüber hinaus hatten Befragte ohne Erfahrungen mit der Polizei doppelt so häufig keine Meinung über die Polizeiarbeit als Pbn mit Erfahrungen. 92 Darüber hinaus könnte wichtig sein, ob die Kontakte positiv oder negativ waren. In der Untersuchung Bochum I 93 zeigte sich, daû sich die Einstellung der Pbn bei positiven Kontakten mit der Polizei kaum verbesserte, während negative Erfahrungen die Einstellung erheblich verschlechterten. ¾hnliche Ergebnisse fanden sich auch in einer aktuellen amerikanischen Studie 94 und in einer Untersuchung, die sich auf England und Wales bezog 95. Diese Studie ergab zudem, daû sich die negative Haltung bei mehrmaligen negativen Kontakten noch verstärkte. 87 Hermanutz, M.: Prügelknaben der Nation oder Freund und Helfer? In: Die Polizei, Jg. 86, Heft 10, 1995, S. 283. 88 Hermanutz, M., a. a. O. (FN 87), S. 284. 89 Clerici, Christian/Killias, Martin: Zum Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Crimiscope, Heft 5, 1999, S. 6. 90 Clerici, Christian/Killias, Martin, a. a. O. (FN 89), S. 7. 91 Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 19. 92 Skogan, Wesley G., a. a. O. (FN 91). 93 Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 305. 94 Feinberg, Seth L.: Perceived Order and Disorder. Toronto 1999, S. 2. 95 Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 16.

300

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S. 301

Schon 1977 ergab eine amerikanische Untersuchung 96, daû Begegnungen mit der Polizei einen erheblichen Einfluû auf die Einstellung von Jugendlichen hatten: Negative Kontakte veränderten die Meinung in negativer Hinsicht doppelt so stark wie positive Kontakte in positiver Hinsicht. Die stärkere Auswirkung negativer Erfahrungen auf die Einstellungsbildung ist in der Sozialpsychologie seit längerem bekannt. Die Befunde werden vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie meist damit erklärt, daû es für Individuen (überlebens)wichtig ist, gerade auf negative Ereignisse in der Umwelt zu achten, da diese zu Schädigungen führen können. So werden diese Ereignisse differenzierter wahrgenommen als positive97, über sie wird mehr nachgedacht, und es wird in höherem Maûe als bei positiven Erfahrungen versucht, diese zu erklären.98 ¾hnliche Prozesse werden vermutlich auch in den Situationen ausgelöst, in denen der Kontakt zwischen Bürger und Polizei, z. B. aufgrund von Sanktionen und/oder unhöflichem Verhalten der Beamten, negativ ausfällt. Diese negativen Erfahrungen können zu einer nachteiligen Bewertung des einzelnen Beamten und ganz allgemein zu einer ungünstigeren Beurteilung der Polizei insgesamt führen. Solchen negativen Auswirkungen auf das Ansehen könnte dadurch entgegengewirkt werden, daû sich die Polizeibeamten vor allem bei Kontakten, die negative Konsequenzen haben können, höflich verhalten. Auch können z. B. die Gründe für eine Sanktionierung erklärt werden, um die Einsicht des Bürgers zu fördern. 5

Die Einstellung zur Polizei in Abhängigkeit von soziodemographischen Merkmalen

In der kriminologischen Forschung wurde häufig festgestellt, daû es Zusammenhänge zwischen den soziodemographischen Merkmalen (Ü Glossar) der Befragten und ihrer Einstellung zur Polizei bzw. zur polizeilichen Arbeit gibt. 5.1

Der Einfluû des Alters auf die Einstellung zur Polizei

In den meisten Untersuchungen finden sich Unterschiede in der Bewertung der Polizei in Abhängigkeit vom Alter: Je jünger die Befragten sind, desto negativer fällt die Bewertung aus.99 96 Winfree, L. Thomas/Griffith, Curt T.: Adolescent Attitudes Toward the Police. In: Ferdinand, Theodore (ed.): Juvenile Delinquency. Beverly Hills 1977, S. 79±99; zit. nach: Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 230 m. w. N. 97 Fiske, Susan T.: Attention and Weight in Person Perception. In: Journal of Personality and Social Psychology, 38 (6), 1980, S. 903. 98 Peeters, Guido/Czapinski, Janusz: Positive-Negative Asymmetry in Evaluations. In: European Review of Social Psychology, 1, 1990, S. 45. 99 Auch in Untersuchungen aus dem Bereich der Dienstleistungen zeigen sich höhere Zufriedenheitswerte bei den älteren Bürgern: Groû-Engelmann, Markus: Kundenzufriedenheit als psychologisches Konstrukt. Lohmar 1999, S. 245.

301

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S. 302

In der Studie von Kürzinger 100 beurteilten die Bürger bis 30 Jahre den Ruf der Polizei negativer als diejenigen über 30 Jahre. Auch in der Untersuchung Bochum II 101 bewerteten die jüngeren Pbn sowohl die Bochumer Polizei insgesamt als auch die Kriminalitätsbekämpfung im eigenen Wohngebiet ungünstiger. Ein vergleichbares Ergebnis in bezug auf die Kriminalitätsbekämpfung fand sich ebenfalls in den Studien von Kerner 102 und Stephan 103. Auch im British Crime Survey 1996 104 hatten die jüngeren Befragten eine kritischere Einstellung zur Polizeiarbeit als die älteren. Darüber hinaus zeigte sich, daû jüngere Erwachsene eher ¾rger mit der Polizei befürchten 105, die Polizeibeamten weniger für freundlich und verständnisvoll halten und eher ¹froh sind, wenn sie von der Polizei nichts sehen und nichts hörenª 106. Diese ungünstigere Einstellungresultiert vermutlich u. a. aus den häufiger vorkommenden negativen Erfahrungen der jüngeren Bürger mit der Polizei. So geraten jüngere Erwachsene mit höherer Wahrscheinlichkeit in unangenehme Kontakte mit der Polizei, meist durch Verkehrskontrollen107 oder eigene Straftaten108. Die Untersuchung von Kürzinger 109 ergab, daû der Kontakt mit der Polizei bei jüngeren Bürgern (bis 30 Jahre) doppelt so häufig auf eigene Straftaten zurückzuführen war als bei Bürgern über 30 Jahre. In der Untersuchung Bochum I 110 hatten 4,2 % der Bürger über 45 Jahre in den letzten zwei Jahren einen negativen 111 Kontakt, während es bei den bis 45 jährigen 23,6 % waren. Keine unterschiedliche Bewertung der polizeilichen Arbeit durch jüngere und ältere Pbn zeigte sich hingegen in einer Untersuchung im Schweizer Kanton Uri.112

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112

302

Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 112. Untersuchung Bochum II, S. 191 f. Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 220. Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 238. Mirrlees-Black, Catriona/Budd, Tracey: Policing and the Public. London 1997, S. 1. Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 234. Dörmann, Uwe: Bewertung der Polizei. In: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 363; Hunsicker, Ernst u. a.: Kriminologische Regionalanalyse Osnabrück 1996/97. Osnabrück 1998, S. 131. Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 28; Skogan, Wesley G.: The Police and the Public. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 186. So für England und Wales: Gottfredson, Michael R.: Victims of Crime. London 1984, S. 18. Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 129. Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 298, 305. Unter den negativen Kontakten sind solche Kontakte zu verstehen, die negative Konsequenzen für den Bürger hatten, z. B. Anzeige gegen den Bürger, Strafmandat. Stadler, Heinz: Kriminalität im Kanton Uri. Entlebuch 1987, S. 167.

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5.2

S. 303

Der Einfluû des Geschlechts auf die Einstellung zur Polizei

Zu den Bewertungen der Polizei in Abhängigkeit vom Geschlecht der Befragten gibt es unterschiedliche Befunde. In einigen Befragungen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung der Polizei durch männliche und weibliche Befragte.113 In anderen Untersuchungen zeigten sich geringe Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowohl in bezug auf die Bewertung der Polizei insgesamt als auch hinsichtlich der polizeilichen Arbeit. So gaben in einer Münchener Befragung 114 die weiblichen Pbn der Polizei die Durchschnittsnote 2,8, die männlichen Befragten hingegen durchschnittlich die Note 3,0 (Schulnoten von 1 bis 6). In einer Züricher Untersuchung 115 bewerteten insgesamt 50,6 % der Frauen die Arbeit der Polizei mit ¹gutª bzw. ¹ausgezeichnetª, bei den Männer waren es 46,4 %. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich ebenfalls im British Crime Survey 1996 116 sowie in der Osnabrücker Regionalanalyse 117. Darüber hinaus wird in vielen Studien das Verhalten der Polizeibeamten in Kontaktsituationen von Männern etwas negativer bewertet als von Frauen. In München schätzten etwa doppelt so viele Männer wie Frauen die Polizei als ¹überheblichª, ¹rechthaberischª und ¹voreingenommenª ein. 118 Auch im British Crime Survey von 1988 119 gaben Männer, die von der Polizei im Straûenverkehr angehalten wurden, öfter als Frauen ein unhöfliches Verhalten des Polizeibeamten an. Eine Erklärung für die ungünstigere Bewertung durch die männlichen Pbn könnte die höhere Anzahl an negativ empfundenen Begegnungen mit der Polizei sein: In einer Untersuchung, die in England und Wales durchgeführt wurde 120, wurden Männer nach eigenen Angaben eineinhalb- bis zweimal häufiger als Frauen 113 So z. B. Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 304; Untersuchung Bochum II, S. 186; Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 237; Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 219; Huang, W. S. Wilson/Vaughn, Michael S.: Support and Confidence. In: Flanagan, Timothy/Longmire, Dennis R. (eds.): Americans View Crime and Justice. USA 1996, S. 42; Forschungsgruppe ¹Kommunale Kriminalprävention in Baden-Württembergª: Viktimisierungen, Kriminalitätsfurcht und Bewertung der Polizei in Deutschland. In: MschrKrim, Jg. 81, Heft 2, 1998, S. 78. 114 Trum, Hansjörg: Bürgerfreundlich? In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1, 1990, S. 121. 115 Schwarzenegger, Christian: Die Einstellungen der Bevölkerung zur Kriminalität und Verbrechenskontrolle. Freiburg i. Br. 1992, S. 247. 116 Mirrlees-Black, Catriona/Budd, Tracey: Policing and the Public. London 1997, S. 1. 117 Hunsicker, Ernst u. a.: Kriminologische Regionalanalyse Osnabrück 1996/97. Osnabrück 1998, S. 127. 118 Trum, Hansjörg: Bürgerfreundlich? In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1, 1990, S. 121. 119 Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 37. 120 Skogan, Wesley G., a. a. O. (FN 119), S. 28.

303

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S. 304

im Straûenverkehr kontrolliert und verwarnt. ¾hnliche Ergebnisse zeigten sich auch in Befragungen der Polizei-Führungsakademie Münster aus den Jahren 1987 121 und 1996 122. So gaben z. B. 19 % der Männer in der Studie von 1987 an, im vorausgegangenen Jahr bei einer Verkehrskontrolle überprüft worden zu sein, bei den Frauen waren es 13 %. 123 Zudem hatten 16 % der Männer im Vergleich zu 10 % der befragten Frauen einen Buûgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit erhalten. 124 Ein weiterer Grund für die etwas schlechtere Bewertung durch die männlichen Befragten ist vermutlich auch der häufigere Kontakt mit der Polizei als Täter. Dementsprechend zeigten englische Untersuchungen 125, daû Männer aufgrund eigener Straftaten häufiger Kontakt mit der Polizei hatten als Frauen. 5.3

Der Einfluû der Nationalität auf die Einstellung zur Polizei

Nicht-deutsche Bürger wurden in deutschen Untersuchungen aufgrund schwierigerer Befragungsbedingungen zumeist ausgeschlossen oder sind im Hinblick auf die Bevölkerungsverteilung in so starkem Maûe unterrepräsentiert126, daû die Ergebnisse zur Einstellung nicht-deutscher Bürger oft nicht interpretiert werden können. Die geringere Beteiligung der nicht-deutschen Bürger ist vermutlich zum einen auf Sprachbarrieren127, zum anderen auf eine geringere Motivation (z. B. durch mangelndes Zugehörigkeitsgefühl) zur Unterstützung solcher Erhebungen zurückzuführen. In den wenigen Untersuchungen, aus denen entsprechende Resultate vorliegen, läût sich feststellen, daû Nicht-Deutsche die Polizei zumindest tendenziell schlechter bewerten als Deutsche. Die Osnabrücker Regionalanalyse 1996/97 128 ergab, daû nicht-deutsche Pbn eine negativere Meinung von der polizeilichen Arbeit hatten als deutsche. Auch Deusinger 129 fand bei nicht-deutschen Studenten eine im Vergleich zu deutschen Studenten negativere Einstellung zur Polizei. 121 Murck, Manfred: Polizei und Bürger. In: Die Polizei, Jg. 80, Heft 2, 1989, S. 28. 122 Murck, Manfred: Das Bild der Polizei in der Bevölkerung. In: Die Polizei, Jg. 88, Heft 9, 1997, S. 246. 123 Murck, Manfred, a. a. O. (FN 121). 124 Murck, Manfred, a. a. O. (FN 121). 125 Gottfredson, Michael R.: Victims of Crime. London 1984, S. 18; Skogan, Wesley G.: The Police and the Public. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 193. 126 So z. B. in Osnabrück: Hunsicker, Ernst u. a.: Kriminologische Regionalanalyse Osnabrück 1996/ 97. Osnabrück 1998, S. 69, 127. 127 Fragebögen werden aufgrund von Verständnisproblemen nicht ausgefüllt; Schwarzenegger, Christian: Die Einstellungen der Bevölkerung zur Kriminalität und Verbrechenskontrolle. Freiburg i. Br. 1992, S. 41 f. 128 Hunsicker, Ernst u. a., a. a. O. (FN 126), S. 127; allerdings wurden lediglich 22 Nicht-Deutsche befragt. 129 Deusinger, Ingrid M.: Polizeiforschung. In: Kriminalistik, Jg. 49, Heft 11, 1995, S. 708.

304

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5.4

S. 305

Der Einfluû von Bildung und Einkommen auf die Einstellung zur Polizei

Zusätzlich wurde in verschiedenen Untersuchungen das Einkommen und die Bildung der Befragten erfaût. Pbn mit höherer Bildung äuûerten meist eine ungünstigere Meinung über die Polizei.130 Das könnte darauf zurückzuführen sein, daû diese Bürger mehr Möglichkeiten haben, sich selbst zu helfen, wenn sie in Schwierigkeiten kommen und daher der Polizei distanzierter gegenüberstehen.131 Darüber hinaus gaben bei Skogan132 Pbn mit höherem Einkommen häufiger an, im Straûenverkehr angehalten worden zu sein, als Pbn mit niedrigerem Einkommen. Zudem findet sich in einigen Studien auch ein Zusammenhang zwischen der Schulbildung und der Bewertung der Polizei: Je höher die Bildung, desto negativer fällt die Einstellung gegenüber der Polizei aus. Eine Züricher Studie 133 ergab, daû Pbn mit höheren Schulabschlüssen am unzufriedensten mit der polizeilichen Arbeit in ihrer Gemeinde waren. Auch in einer 1985 in Deutschland durchgeführten Umfrage 134 wurde die Polizei von den bis 40 jährigen Pbn mit Abitur mehr als doppelt so häufig negativ bewertet wie von Befragten im gleichen Alter ohne Abitur. In anderen Untersuchungen135 hingegen wurden keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung der Polizei durch Personen mit höherer und niedriger Schulbildung gefunden. 6

Zusammenfassung

Der Begriff ¹Das Ansehen der Polizei in der Bevölkerungª wird in der Literatur nicht einheitlich definiert. In diesem Paragraphen wurde daher versucht, unterschiedliche Auffassungen zu verknüpfen und zu erweitern. Vor diesem Hintergrund wird das Ansehen der Polizei durch zwei Bereiche erfaût: einerseits durch den Ruf, den die Polizei in der Bevölkerung hat, und andererseits durch die persönliche Bewertung der Polizei durch den einzelnen Bürger.

130 131 132 133

Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 306. Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 306. Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 28. Schwarzenegger, Christian: Die Einstellungen der Bevölkerung zur Kriminalität und Verbrechenskontrolle. Freiburg i. Br. 1992, S. 248. 134 Dörmann, Uwe: Kriminalität und polizeiliches Handeln in der öffentlichen Meinung. In: BKA (Hg.): Symposium: Der polizeiliche Erfolg. Wiesbaden 1988, S. 187. 135 Vgl. z. B. Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 219.

305

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6.1

S. 306

Ruf der Polizei

Mit der Frage nach dem Ruf der Polizei wird die vom Pbn vermutete bzw. wahrgenommene Einstellung der Bevölkerung zur Polizei erfaût, also nicht seine eigene Meinung. Sowohl Studien aus den 70 er Jahren als auch die Untersuchung Bochum II aus dem Jahre 1987 haben ergeben, daû die Pbn einen überwiegend guten Ruf der Polizei in der Bevölkerung vermuten. 6.2

Persönliche Bewertung der Polizei insgesamt

Vom Ruf der Polizei in der Bevölkerung zu unterscheiden ist die eigene Einstellung der einzelnen Befragten, die hier als persönliche Bewertung bezeichnet wird. Wie die Untersuchungen Bochum I und II und verschiedene andere Befragungen gezeigt haben, bewerten die Pbn auch persönlich die Polizei insgesamt überwiegend positiv. Diese positive Bewertung der Polizei könnte u. a. damit zu erklären sein, daû die Polizei den Bürgern bei Konflikten oder Problemen wirksamer als jede andere Institution helfen kann, da sie zum einen rund um die Uhr erreichbar ist und zum anderen die Möglichkeit hat, Zwangsmittel einzusetzen. 6.3

Einflüsse auf die persönliche Bewertung

Fraglich ist, welche Faktoren die persönliche Bewertung der Pbn beeinflussen. Insoweit kommen die Bewertung der Aufgabenerfüllung und der Umgangsformen der Polizeibeamten, Erfahrungen der Pbn als Opfer einer Straftat sowie sonstige Kontakte mit der Polizei in Betracht. Die Bewertung der Aufgabenerfüllung wird meist für den Bereich der Kriminalitätsbekämpfung erfaût. In entsprechenden Studien äuûerten nur wenige Pbn eine schlechte Meinung über die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei. Auffällig ist jedoch, daû die Kriminalitätsbekämpfung in der Untersuchung Bochum II negativer bewertet wurde als die Polizei insgesamt. Darüber hinaus weisen verschiedene Umfragen darauf hin, daû die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung durch das Unsicherheitsgefühl und die wahrgenommene Polizeipräsenz mitbestimmt wird. Keinen Einfluû scheint hingegen die von den Pbn vermutete Kriminalitätsentwicklung zu haben. Die Umgangsformen der Polizeibeamten gegenüber den Bürgern werden, wie verschiedene Untersuchungen ergeben haben, positiv beurteilt. So wurden die Polizeibeamten im allgemeinen von den Befragten als freundlich und verständnisvoll eingeschätzt. Die Vermutung, daû auch Erfahrungen der Pbn als Opfer einer Straftat für die Einstellung zur Polizei bedeutend sind, wird durch eine Umfrage bestätigt, in der Opfer eine etwas negativere Meinung über die Kriminalitätsbekämpfung äuûerten als Nicht-Opfer. Zudem gaben in der Untersuchung Bochum I Opfer mit früheren 306

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S. 307

Anzeigeerfahrungen an, häufig eine neue Anzeige unterlassen zu haben, weil sie von der Ineffektivität der Strafverfolgungsbehörden überzeugt waren. Fraglich ist, welche Faktoren die Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei im Zusammenhang mit der Anzeige beeinflussen. Insoweit scheinen vor allem die Täterermittlung, das Engagement und die Umgangsformen der Polizeibeamten gegenüber den Opfern sowie die Art der Viktimisierung eine Rolle zu spielen. Auch Kontakte mit der Polizei auûerhalb einer Anzeigeerstattung beeinflussen vermutlich die persönliche Bewertung. Dabei könnte von Bedeutung sein, ob der Pb Kontakt mit der Polizei hatte, welcher Art dieser Kontakt war und wie er das Verhalten der Polizeibeamten in der Kontaktsituation bewertet. Es zeigte sich, daû fast jeder dritte Befragte innerhalb eines Jahres Kontakt mit der Polizei hatte und sich dieser Kontakt überwiegend im Straûenverkehr ereignete. Drei Viertel aller Pbn, die einen Kontakt mit der Polizei hatten, beurteilten das Verhalten der Beamten in der Kontaktsituation positiv. 6.4

Unterschiede in der persönlichen Bewertung aufgrund soziodemographischer Merkmale der Pbn

Schlieûlich können sich Unterschiede in der Bewertung der Polizei aufgrund des Alters, des Geschlechts, der Nationalität sowie des sozio-ökonomischen Status ergeben. In einigen Untersuchungen haben jüngere Pbn den Ruf der Polizei in der Bevölkerung negativer eingeschätzt als die älteren Befragten. Auch die persönliche Bewertung und die Aufgabenerfüllung im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung fiel bei den jüngeren Pbn ungünstiger aus. Hinsichtlich der Einstellung von Männern und Frauen gibt es unterschiedliche Forschungsergebnisse. In einigen Studien (wie z. B. den Untersuchungen Bochum I und II) fanden sich keine Unterschiede zwischen den Angaben von männlichen und weiblichen Pbn. Andere Umfragen ergaben, daû die befragten Frauen eine etwas positivere Meinung über die Polizei äuûerten als die männlichen Pbn. Über den Einfluû der Nationalität auf die Einstellung zur Polizei konnte in deutschen Untersuchungen bislang nur wenig ausgesagt werden, weil nicht-deutsche Bürger meist unterrepräsentiert waren oder gar nicht erfaût wurden. Die wenigen Studien, aus denen entsprechende Resultate vorliegen, weisen darauf hin, daû nicht-deutsche Pbn die Polizei ungünstiger bewerten. Darüber hinaus zeigte sich, daû die Einstellung zur Polizei um so negativer ist, je höher das Einkommen bzw. die Bildung der Befragten ist. 7

Hypothesen

Hypothesen zu Aufgabenerfüllung und Umgangsformen: H 1:

Je negativer die Kriminalitätsentwicklung vermutet wird, desto negativer wird die Kriminalitätsbekämpfung bewertet. 307

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S. 308

H 2:

Je negativer die Kriminalitätsentwicklung vermutet wird, desto gröûer ist der Wunsch der Bürger, die Polizei sollte sich mehr um die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kümmern.

H 3:

Je stärker das Unsicherheitsgefühl ist, desto negativer wird die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei bewertet.

H 4:

Je stärker das Unsicherheitsgefühl ist, desto eher wird der Wunsch geäuûert, die Polizei sollte sich mehr um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern.

H 5:

Je mehr Polizeipräsenz gewünscht wird, desto negativer wird die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei bewertet.

H 6:

Je positiver die Aufgabenerfüllung und die Umgangsformen/Kompetenz der Polizeibeamten bewertet werden, desto positiver wird die Polizei insgesamt bewertet.

Hypothesen zur Zufriedenheit von Opfern: H 7:

Opfer, die eine Anzeige erstattet haben, sind zufriedener mit dem Verhalten der Polizei, wenn der Täter ermittelt wurde.

H 8:

Je mehr das Opfer das Gefühl hat, die Polizei habe wirklich versucht, die Straftat aufzuklären, desto zufriedener ist es mit der Polizei im Falle der Nichtermittlung des Täters.

H 9:

Je mehr das Opfer das Gefühl hat, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht, desto positiver wird die Kriminalitätsbekämpfung bewertet.

Hypothesen zu Kontakten der Bürger mit der Polizei: H 10: Je jünger die Bürger sind, desto häufiger haben sie Kontakte mit der Polizei, die negative Konsequenzen haben können. H 11: Männer haben häufiger als Frauen Kontakte mit der Polizei, die Sanktionen nach sich ziehen können. H 12: Nicht-Deutsche haben häufiger als Deutsche Kontakte mit der Polizei, die negative Konsequenzen haben können. H 13: Das Verhalten der Polizei wird bei solchen Kontakten negativer bewertet, die Sanktionen nach sich ziehen können, als in Situationen ohne negative Konsequenzen für den Bürger. H 14: Je älter die Bürger sind, desto positiver bewerten sie das Verhalten der Polizei in einer Kontaktsituation. H 15: Je positiver das Verhalten des Polizeibeamten in der Kontaktsituation bewertet wird, desto positiver wird die Polizei insgesamt bewertet.

308

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§ 12

S. 309

Ergebnisse zum Ansehen der Polizei in der Bochumer Bevölkerung

Gliederung 1

Der vermutete Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung 310

2

Die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt . . . . . . . . . 311

3 3.1 3.1.1 3.1.2

Einflüsse auf die persönliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bewertung der Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflüsse auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung. . . . . Der Zusammenhang zwischen der Bewertung der Aufgabenerfüllung und der persönlichen Bewertung der Polizei . . . . . . . . Die Bewertung der Umgangsformen und der Kompetenz . . . . . . Die Bewertung eines typischen Bochumer Polizeibeamten . . . . . Der Zusammenhang zwischen Umgangsformen/Kompetenz und persönlicher Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zusammenhang zwischen der Bewertung der Aufgabenerfüllung bzw. der Umgangsformen/Kompetenz und der persönlichen Bewertung der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfahrungen von Opfern mit der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bewertung der Polizei durch Opfer und Nicht-Opfer . . . . . . Die Zufriedenheit von Opfern mit der Polizei . . . . . . . . . . . . . . Der Einfluû der Zufriedenheit von Opfern auf die Bewertung der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zusammenhang zwischen der persönlichen Bewertung der Polizei und der Anzeigebereitschaft der Opfer . . . . . . . . . . . . . Sonstige Kontakte mit der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontakthäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bewertung des Verhaltens der Polizeibeamten in der Kontaktsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zusammenhang zwischen der Bewertung der Kontaktsituation und der persönlichen Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zusammenhang zwischen der Art des Kontakts und der persönlichen Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4

313 313 316 318 319 320 321 321 322 323 324 329 330 330 330 334 335 335

4 4.1 4.2

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . 336 Bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Nicht bestätigte Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

5 5.1 5.2

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Ruf der Polizei in der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Persönliche Bewertung der Polizei durch die einzelnen Pbn . . . . 337 309

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5.3 5.4 5.5 5.6

S. 310

Einflüsse auf die persönliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . Einflüsse auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung Einflüsse auf die Zufriedenheit der Opfer . . . . . . . . . . . . Bewertung der Polizei in Abhängigkeit von soziodemographischen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . 338 . . . . . 339 . . . . . 339 . . . . . 340

In § 11 wurden die bisherigen Forschungsergebnisse zum Ansehen der Polizei zusammengefaût, in diesem Paragraphen sollen die aus der Sekundäranalyse abgeleiteten Hypothesen empirisch überprüft werden. Insoweit sind die Pbn danach gefragt worden: Z

Z

erstens: welchen Ruf1 ihrer Wahrnehmung nach die Polizei in der Bochumer Bevölkerung hat und zweitens: wie sie selbst die Polizei insgesamt einschätzen (= persönliche Bewertung).

Dabei hat sich empirisch gezeigt, daû es sinnvoll ist, zwischen Ruf und persönlicher Bewertung zu unterscheiden, da der Zusammenhang zwischen diesen Variablen schwächer war als erwartet (r = 0,35;2 p < 0,001). 1

Der vermutete Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung

Wie Übersicht 85 zu entnehmen ist, vermuteten fast 60 % der Pbn, daû die Polizei in Bochum einen ¹gutenª bzw. ¹eher gutenª Ruf in der Bevölkerung hat. Im Vergleich zu den Antworten, die auf die gleiche Frage in der Untersuchung Bochum II3 gegeben worden sind, nahmen in der Untersuchung Bochum III erheblich mehr Pbn einen guten Ruf der Polizei in der Bevölkerung wahr: So haben sich die Pbn zwar mit der absoluten Zustimmung (Antwortkategorie ¹jaª) geringfügig zurückgehalten. Die Antwortkategorie ¹eher jaª wurde jedoch in der Untersuchung Bochum III mehr als doppelt so häufig gewählt. Es läût sich somit feststellen, daû die Befragten 1999 eine gröûere Akzeptanz der Polizei in der Bochumer Bevölkerung wahrnahmen als die Pbn in der Untersuchung Bochum II im Jahre 1987. Bei einer Aufgliederung nach soziodemographischen Merkmalen (Ü Glossar) ergaben sich zum Ruf der Polizei folgende Resultate: Z

Es zeigte sich zunächst, daû zwischen dem Alter der Pbn und der Einschätzung des Rufs ein Zusammenhang (r = 0,28; p < 0,001) bestand: Je älter die Pbn

1 Unter dem Ruf ist die von den Pbn in der Bevölkerung wahrgenommene Einstellung zur Polizei zu verstehen. 2 Korrelation Ü Glossar. 3 Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Dunkelfeldforschung in Bochum 1986/87. Wiesbaden 1989 (Untersuchung Bochum II), S. 188.

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waren, desto eher nahmen sie einen guten Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung wahr. Ein vergleichbares Ergebnis fand sich schon in der Untersuchung Bochum II4 und in der Studie von Kürzinger5. Bei der Einschätzung des Rufs durch männliche und weibliche Pbn gab es hingegen, wie auch schon in der Untersuchung Bochum II6 und in der Studie von Kürzinger7, keinen signifikanten Unterschied (p = 0,55). Darüber hinaus unterschieden sich auch Nicht-Deutsche und Deutsche nicht in ihrer Wahrnehmung des Rufs der Polizei in der Bochumer Bevölkerung (p = 0,87).

Übersicht 85:

Vermuteter Ruf der Polizei im Vergleich der Untersuchungen Bochum II und Bochum III

2

Die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt

Neben der Einschätzung des Rufs in der Bevölkerung sollten die Pbn persönlich die Polizei insgesamt8 mit einer Schulnote von eins (¹sehr gutª) bis sechs (¹ungenügendª) beurteilen. Die Auswertung ergab, daû die Befragten die Polizei insgesamt mit einer Durchschnittsnote9 von 2,7 bewerteten.

4 5 6 7 8

Untersuchung Bochum II, S. 188. Kürzinger, Josef: Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion. Berlin 1978, S. 112. Untersuchung Bochum II, S. 186. Kürzinger, Josef, a. a. O. (FN 5), S. 110. Um eine Verwechslung mit dem Ruf der Polizei zu vermeiden, wird in diesem Paragraphen statt ¹Polizei ganz allgemeinª der Begriff der ¹Polizei insgesamtª verwendet. 9 Aus den Durchschnittsberechnungen in diesem Paragraphen wurden die ¹weiû nichtª-Antworten herausgenommen.

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Eine ähnliche Durchschnittsbewertung (2,9) fand sich auch in einer 1987 in München durchgeführten Bürgerbefragung. 10 In einer weiteren Umfrage 11, in der die Pbn von Kontaktbereichsbeamten 12 interviewt wurden, vergaben die Bürger durchschnittlich die Note 2,3. Aus Übersicht 86 geht hervor, daû rund 80 % der Pbn die Noten ¹gutª bzw. ¹befriedigendª vergaben. Die Noten ¹mangelhaftª oder ¹ungenügendª wurden nur von knapp 3 % der Befragten verteilt. Übersicht 86:

Persönliche Bewertung der Polizei

Ein direkter Vergleich mit den Ergebnissen aus der Untersuchung Bochum II ist aufgrund der unterschiedlichen Antwortvorgaben 13 nicht möglich. Es läût sich aber feststellen, daû in der Untersuchung Bochum II 14 mehr als die Hälfte (55,5 %) die Polizei ¹gutª und ¹ziemlich gutª bewerteten. Nur 5,3 % hatten eine ¹schlechteª Meinung von der Polizei. Bereits in der Untersuchung Bochum I 15 wurde die Polizei insgesamt von den Bürgern eher positiv eingeschätzt. Weiterhin zeigten sich bei der persönlichen Bewertung der Polizei z. T. signifikante Unterschiede, wenn die soziodemographischen Merkmale berücksichtigt wurden: 10 Trum, Hansjörg: Bürgerfreundlich? In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 1, 1990, S. 119. 11 Schmalzl, Peter: Bürger fordern mehr Polizeipräsenz (Teil 1). In: Magazin für die Polizei, Jg. 30, Nr. 273±74, 1999, S. 9. 12 Vgl. zu den Problemen, die sich hieraus ergeben können, § 11±vor Punkt 1. 13 In der Untersuchung Bochum II wurden die Antwortkategorien ¹gutª, ¹ziemlich gutª, ¹weder gut noch schlechtª, ¹ziemlich schlechtª und ¹schlechtª vorgegeben. 14 Untersuchung Bochum II, S. 188. 15 Sporn, Harald: Die Einstellung der Bochumer Bürger zur Polizei. In: Schwind, Hans-Dieter/Ahlborn, Wilfried/Weiû, Rüdiger: Empirische Kriminalgeographie. Wiesbaden 1978 (Untersuchung Bochum I), S. 298: Insgesamt ergab sich ein arithmetisches Mittel (Ü Glossar) von 4,4 bei einem Intervall von ± 18 (¹sehr negativª) bis + 18 (¹sehr positivª).

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Je älter die Befragten waren, desto positiver bewerteten sie persönlich die Polizei insgesamt (r = 0,19; p < 0,001). Auch in den Untersuchungen Bochum I16 und Bochum II17 beurteilten die älteren Befragten die Polizei ganz allgemein etwas günstiger als die jüngeren Pbn. Keine wesentlichen Unterschiede in der Bewertung der Polizei gab es, wie bereits in den Untersuchungen Bochum I18 und II19, zwischen männlichen und weiblichen Pbn (p = 0,10). Auffällig ist, daû nicht-deutsche Pbn nahezu die gleiche Meinung über die Bochumer Polizei äuûerten (2,6) wie deutsche Pbn, die durchschnittlich die Note 2,7 vergaben. Dieses Ergebnis erscheint angesichts der Resultate von Untersuchungen über Ausländerfeindlichkeit bei der Polizei20 und der Studie von Deusinger21, in der nicht-deutsche Befragte eine negativere Einstellung zur Polizei äuûerten, bemerkenswert und könnte ein Hinweis darauf sein, daû die Bochumer Polizei von den nicht-deutschen Pbn nicht als ausländerfeindlich wahrgenommen wurde. Zusätzlich könnte dieses Resultat auf eine fortgeschrittene Integration der nicht-deutschen Bürger in die Bochumer Bevölkerung hinweisen. Hinsichtlich des Bildungsstandes zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede.

3

Einflüsse auf die persönliche Bewertung

Fraglich ist, von welchen Faktoren die persönliche Bewertung beeinfluût wird. Insoweit wurden die Aufgabenerfüllung (siehe Punkt 3.1), die Umgangsformen/ Kompetenz (siehe Punkt 3.2), Erfahrungen als Opfer (siehe Punkt 3.4) und sonstige Kontakte mit der Polizei (siehe Punkt 3.5) untersucht. 3.1

Die Bewertung der Aufgabenerfüllung

Für die Bewertung der Aufgabenerfüllung wurden zwei Aufgabenbereiche der Polizei ausgewählt: der Bereich der Regelung und Überwachung des Straûenverkehrs und der Bereich der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten (Kriminalitätsbekämpfung). Die Pbn sollten: Z

mit einer Schulnote von eins bis sechs bewerten, wie zufrieden sie mit der Aufgabenerfüllung der Polizei in diesen Bereichen sind und

16 17 18 19 20

Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 304. Untersuchung Bochum II, S. 191. Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 304. Untersuchung Bochum II, S. 186. Siehe z. B. Mletzko, Matthias/Weins, Cornelia: Polizei und Fremdenfeindlichkeit. In: MschrKrim, Jg. 82, Heft 2, 1999, S. 77 ff m. w. N.; Pick, Alexander: Polizeiforschung zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie. In: Kriminalistik, Jg. 49, Heft 11, 1995, S. 697. 21 Deusinger, Ingrid M.: Polizeiforschung. In: Kriminalistik, Jg. 49, Heft 11, 1995, S. 708.

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Angaben darüber machen, ob die Polizei sich um diese Aufgaben mehr oder weniger als bisher kümmern sollte.

Für ihre Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr erhielten die Polizeibeamten eine Durchschnittsnote von 2,9. Die Aufgabenerfüllung bei der Kriminalitätsbekämpfung benoteten die Pbn mit durchschnittlich 3,1 etwas negativer (siehe Übersicht 87). Übersicht 87:

Bewertung der Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr und bei der Kriminalitätsbekämpfung

Auch in der Untersuchung Bochum I 22 wurden die Aspekte der Kriminalitätsbekämpfung und des Straûenverkehrs erfaût. Ein direkter Vergleich der beiden Untersuchungen ist zwar aufgrund der unterschiedlichen Erfassungsmethoden nicht möglich. Auffällig ist jedoch, daû die Pbn vor 23 Jahren die Kriminalitätsbekämpfung etwas besser bewerteten als die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr. In der aktuellen Befragung hingegen zeigte sich die gegensätzliche Tendenz: Die polizeiliche Tätigkeit im Straûenverkehr wurde etwas positiver eingeschätzt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, daû Berichte in den Medien ein verzerrtes Kriminalitätsbild vermitteln und die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei den Bürgern dadurch unzureichend erscheint. Darüber hinaus ergaben sich bei einer Aufteilung nach soziodemographischen Merkmalen der Pbn z. T. statistisch bedeutsame Unterschiede hinsichtlich der Bewertung der Aufgabenerfüllung: Z

So zeigte sich zunächst ein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung: Je älter die Befragten waren, desto positiver

22 So bewerteten dort die Pbn die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr auf einer 15-stufigen Skala von ± 7 bis + 7 durchschnittlich mit einem Wert von 3,3, die Aufgabenerfüllung im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung mit 3,6: Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 301.

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bewerteten sie die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei (r = 0,14; p < 0,001). ¾hnliche Ergebnisse zeigten sich auch schon in anderen Untersuchungen23. Keinen Einfluû hatte das Alter der Pbn auf die Bewertung des Straûenverkehrs (p = 0,18). Keine signifikanten Unterschiede gab es, wie auch schon in den Studien von Kerner24 und Stephan25, bei der Einschätzung der Kriminalitätsbekämpfung durch männliche und weibliche Befragte (p = 0,91). Auch hinsichtlich des Straûenverkehrs zeigten sich keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen (p = 0,51). Auffällig ist, daû die nicht-deutschen Befragten die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr mit 2,5 etwas besser bewerteten als die deutschen Pbn (3,0; p < 0,001). Keine Unterschiede gab es hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung (p = 0,14). Auch dieses Ergebnis könnte ein weiterer Hinweis auf die fortgeschrittene Integration von Nicht-Deutschen (in Bochum) sein. Hinsichtlich des Bildungsstandes zeigten sich sowohl bei der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung (p = 0,30) als auch in bezug auf den Straûenverkehr (p = 0,12) keine statistisch bedeutsamen Unterschiede.

Auf die Frage, ob die Polizei sich mehr oder weniger als bisher um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern sollte, gaben 93,3 % der Befragten an, die Polizei sollte ¹etwas mehrª bzw. ¹sehr viel mehrª in diesem Bereich tun. Im Hinblick auf den Straûenverkehr wünschten sich dies 71,3 % aller Pbn. Zudem gab es einen Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach mehr polizeilicher Aktivität im Straûenverkehr und der Bewertung der Aufgabenerfüllung in diesem Bereich (r = 0,35; p < 0,001): Pbn, welche die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr negativer bewerteten, wünschten sich dort mehr Aktivität der Polizei. So benoteten Pbn, die angaben, die Polizei sollte sich mehr um den Straûenverkehr kümmern, die polizeiliche Tätigkeit in diesem Bereich durchschnittlich mit 3,1. Pbn, die der Meinung waren, die Polizei sollte sich weniger um diesen Bereich kümmern, vergaben hingegen durchschnittlich die Note 2,5. Das gleiche Ergebnis zeigte sich mit einer Durchschnittsbewertung von 3,4 bzw. 1,8 auch bei der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung (r = 0,28; p < 0,001). Diese Zusammenhänge können so interpretiert werden, daû eine schlechtere Bewertung der Aufgabenerfüllung darauf zurückzuführen ist, daû die Pbn das Gefühl haben, die Polizei kümmere sich nicht ausreichend um den Straûenverkehr bzw. um die Kriminalitätsbekämpfung.

23 Untersuchung Bochum II, S. 192; Stephan, Egon: Die Stuttgarter Opferbefragung. Wiesbaden 1976, S. 238; Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 220; Dörmann, Uwe: Bewertung der Polizei. In: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 339. 24 Kerner, Hans-Jürgen, a. a. O. (FN 23), S. 219. 25 Stephan, Egon, a. a. O. (FN 23), S. 237.

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3.1.1

S. 316

Einflüsse auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung

Zudem wurde untersucht, von welchen Aspekten die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und der Wunsch der Pbn, die Polizei sollte sich mehr um diesen Bereich kümmern, abhängig ist. In Betracht kommen: Z Z Z

die vermutete Kriminalitätsentwicklung (Hypothesen 1 und 2), das Unsicherheitsgefühl (Hypothesen 3 und 4) und die wahrgenommene Polizeipräsenz (Hypothese 5).

3.1.1.1

Die vermutete Kriminalitätsentwicklung

In Hypothese 1 (siehe § 11±7) wurde angenommen, daû es einen Zusammenhang zwischen der vermuteten Kriminalitätsentwicklung und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung gibt. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden zwei Skalen für die vermutete Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik und in der eigenen Wohngegend gebildet (siehe § 10±1.4). Der Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung war zwar signifikant (p < 0,001 bzw. p < 0,01), mit r = 0,09 (für die Bundesrepublik) bzw. r = 0,07 (für die eigene Wohngegend) aber gering. Hypothese 1 konnte somit zwar bestätigt werden; bei den geringen Korrelationskoeffizienten ist die Signifikanz aber auf die Stichprobengröûe zurückzuführen. So läût sich z. B. nicht sagen, daû das Ergebnis der Untersuchung Bochum III im Widerspruch zu den Resultaten aus der Untersuchung Bochum II26 und der Studie von Kerner27 steht, die keinen solchen Zusammenhang gefunden haben. In § 11±7 wurde zudem vermutet, daû der Wunsch eines Pbn, die Polizei sollte sich mehr um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern, um so gröûer ist, je negativer er die Kriminalitätsentwicklung einschätzt (Hypothese 2). Die Auswertung bestätigte diese Hypothese: So zeigte sich hinsichtlich der vermuteten Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik mit r = 0,21 ein signifikanter Zusammenhang (p < 0,001). Das bedeutet, daû Pbn, die eine sehr starke Zunahme der Kriminalität bundesweit vermuteten, eher den Wunsch äuûerten, die Polizei solle sich mehr um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern, als Pbn, welche die Kriminalitätszunahme nicht so stark einschätzten. Auch zwischen dem Wunsch nach einem gröûeren Engagement bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung in der eigenen Wohngegend gab es mit r = 0,05 einen schwachen Zusammenhang (p < 0,05).

26 Untersuchung Bochum II, S. 187. 27 Kerner, Hans-Jürgen: Kriminalitätseinschätzung und innere Sicherheit. Wiesbaden 1980, S. 253.

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3.1.1.2

S. 317

Das Unsicherheitsgefühl

Hypothese 3 (siehe § 11±7) besagte, daû ein stärkeres Unsicherheitsgefühl28 mit einer negativeren Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung einhergeht. Diese Annahme konnte jedoch nicht bestätigt werden (p = 0,25): Personen, die sich unsicher fühlten, schienen demnach nicht eine schlechte Kriminalitätsbekämpfung durch die Polizei dafür verantwortlich zu machen. Dieser Befund widerspricht den Ergebnissen zahlreicher Untersuchungen29, die einen Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung fanden und läût darauf schlieûen, daû wahrscheinlich andere Faktoren für das Unsicherheitsgefühl verantwortlich sind (siehe § 10±3). Weiterhin wurde untersucht, ob ein stärkeres Unsicherheitsgefühl mit dem Wunsch einhergeht, die Polizei solle sich mehr um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern (Hypothese 4; siehe § 11±7). Obwohl das Ergebnis statistisch signifikant war (p < 0,01), zeigte sich praktisch kein Zusammenhang. Hypothese 4 wurde somit zwar formal bestätigt, läût jedoch keine Schluûfolgerungen zu. 3.1.1.3

Die wahrgenommene Polizeipräsenz

In Hypothese 5 (siehe § 11±7) wurde die Vermutung geäuûert, daû ein Zusammenhang zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und dem Wunsch nach einer gröûeren Polizeipräsenz besteht. Dazu sollten die Befragten getrennt für Fuûgängerzonen und die eigene Wohngegend angeben, ob sie sich dort mehr oder weniger Polizei wünschen oder ob sie es richtig finden, so wie es ist. In der eigenen Wohngegend wünschten sich 52,1 % aller Pbn mehr Polizei. 44,6 % der Pbn fanden die Polizeipräsenz genau richtig. Die entsprechenden Zahlen für die Fuûgängerzonen lagen bei 49,7 % bzw. 41,2 %. Auch in einer Hamburger Studie 30 wünschten sich knapp über die Hälfte aller Pbn eine gröûere Polizeipräsenz in ihrer Wohngegend. ¾hnliche Ergebnisse zeigten sich auch in einer anderen Befragung 31. Es zeigte sich zwar ein Zusammenhang (p < 0,001) zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und dem Wunsch nach gröûerer Polizeipräsenz in der eigenen Wohngegend, dieser war mit r = 0,09 aber gering.

28 Zum Begriff und zur Messung des Unsicherheitsgefühls siehe § 9±2.1 und § 10±1.1. 29 So z. B. Untersuchung Bochum II, S. 190; Dörmann, Uwe: Bewertung der Polizei. In: Kury, Helmut u. a.: Opfererfahrungen und Meinungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland. Wiesbaden 1992, S. 343; Legge, Ingeborg: Kriminologische Regionalanalyse Hamburg-Altona. Hamburg 1994, S. 191. 30 Legge, Ingeborg, a. a. O. (FN 29), S. 195. 31 Heinz, Wolfgang/Spieû, Gerhard: Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Polizei. In: Fachhochschule Villingen-Schwenningen (Hg.): Gedächtnisschrift für Hagen Gülzow. Konstanz 1999, S. 325.

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S. 318

So sprachen sich z. B. 64,1 % der Pbn, welche die Kriminalitätsbekämpfung mit ¹ungenügendª bewerteten, für eine gröûere Polizeipräsenz in ihrer Wohngegend aus, gleichzeitig aber auch 51,5 % der Pbn, welche die Kriminalitätsbekämpfung mit ¹sehr gutª benoteten. Der signifikante Zusammenhang (p < 0,01) zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und dem Wunsch nach einer gröûeren Polizeipräsenz in den Fuûgängerzonen war auf die Stichprobengröûe zurückzuführen. Hypothese 5 wurde somit formal bestätigt. Etwas stärkere Relationen fanden sich allerdings zwischen dem Wunsch, die Polizei solle sich mehr um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern, und dem Wunsch nach gröûerer Polizeipräsenz (eigene Wohngegend: r = 0,21; p < 0,001; Fuûgängerzonen: r = 0,22; p < 0,001). So wünschten sich 27,7 % der Pbn, die mit der Polizeipräsenz in ihrer Wohngegend zufrieden waren, ¹sehr viel mehrª Aktivität der Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung. Von den Pbn, die sich eine gröûere Polizeipräsenz in ihrer Wohngegend wünschten, waren es hingegen 50,1 %. Es zeigte sich ebenfalls ein Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach gröûerer Polizeipräsenz und dem Unsicherheitsgefühl: Je stärker das Unsicherheitsgefühl war, desto eher wünschten sich die Pbn eine gröûere Polizeipräsenz (eigene Wohngegend: r = 0,23; p < 0,001; Fuûgängerzonen: r = 0,15; p < 0,001). 66,7 % der Pbn, die sich ¹sehr unsicherª fühlten, wünschten sich eine gröûere Polizeipräsenz in ihrer Wohngegend, im Gegensatz zu 45,1 % der Befragten, die sich ¹sehr sicherª fühlten. 3.1.2

Der Zusammenhang zwischen der Bewertung der Aufgabenerfüllung und der persönlichen Bewertung der Polizei

Um zu prüfen, ob zwischen der Bewertung der Aufgabenerfüllung und der persönlichen Einschätzung der Polizei ein Zusammenhang besteht, wurde zunächst versucht, die Bereiche Straûenverkehr und Kriminalitätsbekämpfung zu einer Skala (Ü Glossar) zusammenzufassen. Es zeigte sich jedoch aufgrund einer relativ geringen Korrelation von r = 0,20, daû beide Bereiche von den Pbn recht differenziert beurteilt wurden. Der Zusammenhang mit der allgemeinen Beurteilung muûte somit für jeden der beiden Aufgabenbereiche getrennt berechnet werden. Die persönliche Bewertung der Polizei korrelierte mit der Beurteilung der Überwachung und Regelung des Straûenverkehrs mit r = 0,24 (p < 0,001) und mit der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung mit r = 0,37 (p < 0,001). Das bedeutet: Je positiver die Pbn die Polizei insgesamt einschätzten, desto positiver bewerteten sie die polizeiliche Tätigkeit bei der Kriminalitätsbekämpfung bzw. im Straûenverkehr. Es zeigte sich zudem aufgrund der höheren Korrelation, daû die persönliche Bewertung der Polizei stärker von der Einschätzung der Kriminalitätsbekämpfung 318

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S. 319

beeinfluût wurde als von der Einschätzung der polizeilichen Tätigkeit im Straûenverkehr. Insgesamt läût sich feststellen (siehe Übersicht 88), daû die Bewertung der Aufgabenerfüllung mit einer Durchschnittsnote von 2,9 (Straûenverkehr) bzw. 3,1 (Kriminalitätsbekämpfung) ungünstiger ausfiel als die persönliche Bewertung (2,7; p < 0,001). Übersicht 88:

Bewertung der Polizei insgesamt und Bewertung der Aufgabenerfüllung im Bereich des Straûenverkehrs und der Kriminalitätsbekämpfung (Durchschnittsnoten auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6)

Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich bereits in der Untersuchung Bochum II 32: So hatten 55,5 % der Pbn eine ¹guteª bzw. ¹ziemlich guteª Meinung von der Bochumer Polizei, aber (nur) 40,9 % waren mit der Arbeit der Polizei ¹völlig zufriedenª bzw. ¹überwiegend zufriedenª. Gröûere Unterschiede zeigten sich bei einer Befragung der Polizei-Führungsakademie Münster 33: Dort zeigte sich, daû 72 % der Pbn in den alten Bundesländern die Polizei ganz allgemein positiv sahen, aber nur 54 % der Aussage zustimmten, die Polizei sei erfolgreich bei der Kriminalitätsbekämpfung. Somit zeigt sich, daû die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt nicht nur von der Bewertung der Aufgabenerfüllung abhängen kann. 3.2

Die Bewertung der Umgangsformen und der Kompetenz

Einen wichtigen Einfluû auf die persönliche Bewertung können vor allem die von den Pbn wahrgenommenen Umgangsformen und die Kompetenz der Polizeibeamten haben.

32 Untersuchung Bochum II, S. 188. 33 Chmielewski, Ryszard u. a.: Das Bild der Polizei in den Gesellschaften Polens und Deutschlands. In: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Heft 2, 1997, S. 25, 27.

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3.2.1

S. 320

Die Bewertung eines typischen Bochumer Polizeibeamten

Die Pbn sollten auf vierstufigen Skalen34 einschätzen, wie hilfsbereit, kompetent und höflich ein typischer Bochumer Polizeibeamter sei. Wie aus Übersicht 89 hervorgeht, wurden die einzelnen Umgangsformen überwiegend positiv eingeschätzt. Übersicht 89:

Bewertung eines typischen Bochumer Polizeibeamten ¹Wie schätzen Sie einen typischen Bochumer Polizisten ein?ª Hilfsbereitschaft weiû nicht 4,5 % (75)

nicht hilfsbereit 2,2 % (37)

eher nicht hilfsbereit 7,6 % (126)

eher hilfsbereit 40,0 % (662)

hilfsbereit 45,6 % (753)

eher kompetent 41,4 % (682)

kompetent 39,8 % (657)

eher höflich 32,9 % (543)

höflich 51,2 % (846)

Kompetenz weiû nicht 7,1 % (117)

inkompetent 2,9 % (47)

eher inkompetent 8,9 % (146) Höflichkeit

weiû nicht 3,5 % (57)

unhöflich 3,5 % (58)

eher unhöflich 8,9 % (147)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Keine Angaben machten zur Hilfsbereitschaft 8 Pbn, zur Kompetenz 12 Pbn und zur Höflichkeit 10 Pbn.

Fast 86 % der Pbn hielten den typischen Bochumer Polizeibeamten für ¹hilfsbereitª bzw. ¹eher hilfsbereitª, rund 81 % schätzten ihn als ¹kompetentª bzw. ¹eher kompetentª ein und ca. 84 % beurteilten ihn als ¹höflichª bzw. ¹eher höflichª. Hinsichtlich der soziodemographischen Merkmale (Ü Glossar) zeigten sich z. T. signifikante Unterschiede in der Bewertung des typischen Polizeibeamten: Je älter die Pbn waren, desto hilfsbereiter (r = 0,20; p < 0,001), kompetenter (r = 0,16; p < 0,001) und höflicher (r = 0,32; p < 0,001) schätzten sie den Polizeibeamten ein. Keine nennenswerten Unterschiede gab es bei der Einschätzung durch männliche und weibliche Pbn. Auch Nicht-Deutsche und Deutsche unterschieden sich nicht in der Bewertung des typischen Bochumer Polizeibeamten. Dieses Ergebnis spricht ebenfalls dafür, daû eine fremdenfeindliche Einstellung der Bochumer Polizeibeamten von den nicht-deutschen Befragten nicht empfunden wurde. Zusätzlich wurden die Pbn gefragt, ob ¹ein Polizist eine Respektsperson istª (siehe Übersicht 90). Fast zwei Drittel der Befragten sahen einen Polizeibeamten als Respektsperson an (Antwortkategorien ¹eher jaª und ¹jaª). 34 Die Antwortkategorie ¹weiû nichtª wurde den Pbn nicht explizit vorgegeben, sondern nur dann ausgefüllt, wenn die Befragten auch nach mehrmaligem Nachfragen darauf beharrten, keine Angaben machen zu können.

320

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S. 321

Übersicht 90:

Einschätzung eines Polizeibeamten als Respektsperson ¹Sind Sie der Meinung, daû ein Polizist eine Respektsperson ist?ª nein 14,2 % (233)

eher nein 7,7 % (126)

teils/teils 12,5 % (205)

eher ja 17,5 % (288)

ja 48,2 % (792)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. 17 Pbn machten keine Angaben.

Hinsichtlich des Alters, des Geschlechts und der Nationalität ergaben sich keine nennenswerten Unterschiede. 3.2.2

Der Zusammenhang zwischen Umgangsformen/Kompetenz und persönlicher Bewertung

Um zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen der persönlichen Bewertung der Polizei und der Bewertung der Hilfsbereitschaft, der Höflichkeit sowie der Kompetenz besteht, wurden zunächst die drei letztgenannten Items in eine Skalenanalyse (Ü Glossar) einbezogen. Aufgrund eines Wertes für Cronbachs alpha (Ü Glossar) von 0,72 konnten diese Variablen zu einer Skala ¹Umgangsformen/ Kompetenzª zusammengefaût werden. Es ergab sich, daû die persönliche Bewertung der Polizei mit dieser Skala zusammenhing (r = 0,36; p < 0,001). Das bedeutet, daû die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt um so positiver ausfiel, je höflicher, hilfsbereiter und kompetenter ein Pb die Polizeibeamten wahrnahm. 3.3

Der Zusammenhang zwischen der Bewertung der Aufgabenerfüllung bzw. der Umgangsformen/Kompetenz und der persönlichen Bewertung der Polizei

In Hypothese 6 (§ 11±7) wurde vermutet, daû die persönliche Bewertung um so positiver ausfällt, je positiver die Aufgabenerfüllung und die Umgangsformen/ Kompetenz bewertet werden. Um diese Hypothese zu überprüfen und eventuelle Abhängigkeiten der Variablen untereinander auszuschlieûen, wurde eine Regressionsanalyse (Ü Glossar) durchgeführt. Dabei wurde neben der Bewertung der Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr und bei der Kriminalitätsbekämpfung die Skala Umgangsformen/Kompetenz einbezogen. Wie aus Übersicht 91 hervorgeht, besaû jeder der drei Aspekte (auch bei Ausschluû der Korrelationen untereinander) einen Einfluû auf die persönliche Bewertung der Polizei. Hypothese 6 wurde somit bestätigt. Das bedeutet, daû die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt um so günstiger ausfiel, je positiver die Aufgabenerfüllung und die Umgangsformen/Kompetenz der Polizeibeamten bewertet wurden. Den gröûten Einfluû auf die persönliche Bewertung hatte die Bewertung der Umgangsformen (b = 0,31). Das bedeutet, daû gute Umgangsformen die Meinung der Bürger über die Polizei etwas stärker positiv beeinfluûten als eine gute Auf321

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S. 322

gabenerfüllung bei der Kriminalitätsbekämpfung oder im Straûenverkehr. Darüber hinaus hatte die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung (b = 0,26) einen stärkeren Einfluû auf die persönliche Bewertung als die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr (b = 0,17). Übersicht 91:

Regressionsanalyse zum Einfluû der Bewertung des Straûenverkehrs, der Kriminalitätsbekämpfung und der Umgangsformen/Kompetenz auf die persönliche Bewertung der Polizei Persönliche Bewertung der Polizei bivariate Korrelation

Beta-Koeffizienten

Bewertung Straûenverkehr

0,24

0,17

Bewertung Kriminalitätsbekämpfung

0,37

0,26

Bewertung Umgangsformen/Kompetenz

0,36

0,31

Für die Polizei legt dieses Ergebnis wichtige Schluûfolgerungen nahe: So wäre denkbar, daû eine weitere Verbesserung der Umgangsformen von Polizeibeamten (z. B. durch spezielle Schulungen) die Einstellung der Bürger zur Polizei eher positiv beeinfluût als ein gröûeres Engagement bei der Kriminalitätsbekämpfung. Auf der anderen Seite könnte ein höherer finanzieller und personeller Aufwand bei der Kriminalitätsbekämpfung einen stärkeren Einfluû haben als ein entsprechend gröûeres Engagement bei der Regelung und Überwachung des Straûenverkehrs. Um weitere mögliche Einflüsse auf die persönliche Bewertung der Polizei zu untersuchen, wurden die Pbn auch zu ihren Erfahrungen als Opfer (siehe Punkt 3.4) und zu sonstigen Kontakten (siehe Punkt 3.5), die sie mit der Polizei hatten, befragt. 3.4

Erfahrungen von Opfern mit der Polizei

Die befragten Bürger sollten auch mitteilen, ob sie 1998 Opfer mindestens eines Diebstahls-, Raub- und/oder Körperverletzungsdelikts geworden sind. Die Pbn wurden weiter zu ihren Erfahrungen mit den Polizeibeamten im Zusammenhang mit der Anzeigeerstattung befragt. Insoweit wurde untersucht: Z

Z

Z

Z

ob es Unterschiede in der Bewertung der Polizei durch Opfer und Nicht-Opfer gibt (siehe Punkt 3.4.1); wovon es abhängt, daû Opfer, die eine Straftat angezeigt haben, mit den Polizeibeamten bei der Anzeigeerstattung zufrieden sind (siehe Punkt 3.4.2); welchen Einfluû die Zufriedenheit der Opfer auf die Bewertung der Polizei hat (siehe Punkt 3.4.3) und inwieweit die persönliche Bewertung der Polizei die Anzeigebereitschaft der Opfer beeinfluût (siehe Punkt 3.4.4).

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3.4.1

S. 323

Die Bewertung der Polizei durch Opfer und Nicht-Opfer

Zunächst wurde überprüft, ob zwischen Opfern und Nicht-Opfern Unterschiede in der Bewertung der Polizei insgesamt und der Einschätzung der Kriminalitätsbekämpfung bestehen. 3.4.1.1

Die persönliche Bewertung der Polizei durch Opfer und Nicht-Opfer

Bei der persönlichen Bewertung der Polizei zeigten sich geringe Unterschiede zwischen Opfern und Nicht-Opfern. Während Opfer die Polizei mit einer Durchschnittsnote von 2,8 bewerteten, hatten Nicht-Opfer mit 2,7 eine geringfügig bessere Meinung von der Polizei insgesamt (p < 0,01). Dieser geringe Unterschied war allerdings auf eine Scheinkorrelation (Ü Glossar) aufgrund des Alters zurückzuführen. Wurde das Alter aus der Korrelation herauspartialisiert (Partialkorrelation Ü Glossar), gab es keine signifikanten Zusammenhänge: Der hier gefundene Unterschied in der Bewertung durch Opfer und Nicht-Opfer läût sich damit erklären, daû vor allem jüngere Personen Opfer werden, die ohnehin die Polizei persönlich negativer bewerten (siehe Punkt 2). In der ¹Kundenbefragung der Polizei in NRWª 35 bewerteten die befragten Bochumer Opfer die Polizei in ihrem Wohnort durchschnittlich mit 2,4. Diese positivere Benotung im Vergleich zur Untersuchung Bochum III könnte u. a. darauf zurückzuführen sein, daû die Polizeibefragung durch Polizeibeamte durchgeführt wurde. Dadurch haben die Pbn u. U. eher sozial erwünscht geantwortet oder sich mit ihrer Kritik mehr zurückgehalten als bei ¹neutralenª Interviewern (siehe § 11±vor Punkt 1). 3.4.1.2

Die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung durch Opfer und Nicht-Opfer

Auch bei der Einschätzung der Kriminalitätsbekämpfung durch Opfer und NichtOpfer zeigten sich kaum Unterschiede. So vergaben Opfer durchschnittlich die Note 3,3 und Nicht-Opfer die Note 3,1 (p < 0,001). Die Viktimisierung eines Pbn hatte damit praktisch keine Bedeutung für die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung. ¾hnliche Ergebnisse zeigten sich bereits in der Untersuchung Bochum II 36. Auch in einer Studie von Clerici und Killias 37 wurden signifikante Unterschiede gefunden: So waren dort 57,1 % der Opfer der Meinung, die Polizei leiste gute 35 Befragung von Opfern von Einbruchsdelikten und Verkehrsunfällen durch die Bochumer Polizei im Jahre 1998 (vg. auch § 11±vor Punkt 1). Die anonymisierten Datensätze wurden freundlicherweise für eine eigene Auswertung zur Verfügung gestellt. 36 Untersuchung Bochum II, S. 218. 37 Clerici, Christian/Killias, Martin: Zum Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Crimiscope, Heft 5, 1999, S. 1.

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Arbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung; der Anteil der Nicht-Opfer lag bei 64,1 %. Im Vergleich zur ¹Kundenbefragung der Polizei in NRWª 38 benoteten die Opfer in der Untersuchung Bochum III die Kriminalitätsbekämpfung deutlich schlechter. So vergaben die in der Polizeiuntersuchung befragten Bochumer Opfer durchschnittlich die Note 2,2. Auch diese erheblich bessere Bewertung könnte u. a. auf sozial erwünschte Antworten zurückzuführen sein. 3.4.2

Die Zufriedenheit von Opfern mit der Polizei

Um zu untersuchen, welche Faktoren die Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei im Zusammenhang mit ihrer Anzeige beeinflussen, wurden neben der allgemeinen Zufriedenheit der Opfer auch verschiedene Einzelaspekte der Anzeigesituation erfragt. 3.4.2.1

Die allgemeine Zufriedenheit der Opfer

Die allgemeine Zufriedenheit der Opfer wurde mit der Frage erfaût: ¹Wie zufrieden waren Sie mit dem Verhalten der Polizei im Zusammenhang mit Ihrer Anzeige?ª39 Die Pbn sollten hierfür erneut die Schulnoten von eins bis sechs verwenden (siehe Übersicht 92). Die Auswertung ergab, daû die Opfer das Verhalten der Beamten im Zusammenhang mit der Anzeige durchschnittlich mit der Note 2,6 bewerteten. Übersicht 92:

Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei bei der Anzeigeerstattung

38 Siehe FN 34. 39 Wenn im folgenden von allgemeiner Zufriedenheit gesprochen wird, ist die Zufriedenheit mit dem Verhalten der Polizei in der Anzeigesituation gemeint.

324

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S. 325

Die positive Durchschnittsbewertung sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daû immerhin 16,5 % der Pbn die Noten ¹mangelhaftª und ¹ungenügendª vergaben. In der ¹Kundenbefragung der Polizei in NRWª 40 vergaben die Bochumer Opfer durchschnittlich die Note 2,2, dabei wählten 73,4 % die Kategorien ¹sehr gutª oder ¹gutª und 4,4 % die Noten ¹mangelhaftª bzw. ¹ungenügendª. 3.4.2.2

Einflüsse auf die Zufriedenheit von Opfern mit der Polizei

Als mögliche Einflüsse auf die Zufriedenheit von Opfern kommen u. a. die Täterermittlung, das Engagement der Polizeibeamten, die Umgangsformen der Polizeibeamten sowie die Art der Viktimisierung in Betracht. Auûerdem könnten die Schadenshöhe und die Schadensmeldung bzw. Nicht-Meldung bei dem Versicherer von Bedeutung sein. 3.4.2.2.1 Täterermittlung In Hypothese 7 (siehe § 11±7) wurde angenommen, daû Opfer, die eine Anzeige erstattet haben, zufriedener mit der Polizei sind, wenn der Täter ermittelt wurde. 12 Opfer gaben eine Täterermittlung durch die Polizei an. Bei 111 Opfern konnte der Täter nach eigenen Angaben nicht ermittelt werden. Die Auswertung ergab keinen Unterschied (p = 0,60) hinsichtlich der allgemeinen Zufriedenheit. Das bedeutet, daû Opfer nicht zufriedener mit der Polizei waren, wenn der Täter ermittelt wurde. Anhand eines Beispiels soll verdeutlicht werden, wie auffällig dieser Befund ist: Ein Arzt wird von mehreren Patienten aufgesucht. Die Hälfte der Patienten kann der Arzt heilen, den anderen Patienten kann er nicht helfen. Übertragen auf das obige Ergebnis bedeutet das, daû die nicht-geheilten Patienten nicht unzufriedener mit dem Arzt wären als die geheilten Patienten. Hypothese 7 wurde somit nicht bestätigt. Dieses Ergebnis könnte darauf hinweisen, daû die Opfer sich durchaus bewuût waren, daû eine Täterermittlung nicht allein vom ermittelnden Polizeibeamten abhängt, sondern vor allem von äuûeren Umständen (z. B. Identifizierung des Täters). Ebenfalls keinen Zusammenhang gab es zwischen der Täterermittlung und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung (p = 0,39). Somit bewerteten Opfer, bei denen der Täter nicht ermittelt werden konnte, die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei nicht negativer als Opfer, bei denen die Täterermittlung erfolgreich war. Dieses Ergebnis zeigte sich auch in der Untersuchung Bochum II41. 40 Allerdings lautete die Fragestellung etwas anders: ¹Wenn Sie den Vorgang zusammenfassend bewerten, wie zufrieden waren Sie mit der Arbeit der Polizei?ª Siehe auch FN 34. 41 Untersuchung Bochum II, S. 194.

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S. 326

3.4.2.2.2 Engagement der Polizeibeamten Als weiterer möglicher Einfluûfaktor wurde das durch die Opfer wahrgenommene Engagement der Polizeibeamten untersucht. So besagte Hypothese 8 (siehe § 11± 7), daû Opfer, bei denen kein Täter ermittelt wurde, zufriedener mit der Polizei sind, wenn sie das Gefühl haben, der Beamte habe wirklich versucht, die Tat aufzuklären. In die Auswertung gingen folglich alle Opfer ein, bei denen die Polizei keinen Täter ermitteln konnte. Es zeigte sich, daû Opfer, die angaben, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht, das Verhalten der Beamten in der Anzeigesituation mit einer Durchschnittsnote von 1,9 bewerteten. Die Opfer hingegen, die das Gefühl hatten, die Polizei habe nicht wirklich versucht, die Tat aufzuklären, benoteten das Verhalten mit 3,5 erheblich negativer (r = 0,51; p < 0,001). So bewerteten 87,2 % der Opfer, die der Meinung waren, die Polizei war bemüht, die Tat aufzuklären, das Verhalten der Beamten mit ¹sehr gutª oder ¹gutª. Der entsprechende Anteil der Opfer, die nicht dieser Meinung waren, lag hingegen nur bei 36,4 %. Das bedeutet, daû Opfer zufriedener mit dem Verhalten der Polizeibeamten waren, wenn sie das Gefühl hatten, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht. Hypothese 8 wurde somit bestätigt. Wird dieses Ergebnis auf das obige Arzt-Beispiel übertragen, bedeutet das, daû Patienten dann zufriedener mit dem Arzt wären, wenn sie das Gefühl haben, der Arzt versuche alles, um sie zu heilen. Unter Berücksichtigung der weiter oben dargelegten Ergebnisse (siehe Punkt 3.4.2.2.1) läût sich somit sagen, daû die Opfer eine mangelnde Täterermittlung dann verzeihen, wenn sie das Gefühl haben, der Polizeibeamte habe zumindest alles versucht, um die Tat aufzuklären. Ferner wurde in Hypothese 9 (siehe § 11±7) vermutet, daû Opfer, welche das Gefühl hatten, die Polizei habe wirklich versucht, die Tat aufzuklären, auch die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei positiver bewerten. Es gingen alle Opfer ein, die angaben, 1998 eine Straftat bei der Polizei angezeigt zu haben. Die Auswertung ergab, daû zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und dem wahrgenommenen Bemühen der Polizei bei der Tataufklärung ein Zusammenhang bestand (r = 0,30; p < 0,001): Opfer, die meinten, die Polizei habe sich wirklich um die Aufklärung bemüht, bewerteten die Kriminalitätsbekämpfung mit der Durchschnittsnote 3,0. Opfer, die nicht dieser Meinung waren, vergaben hingegen durchschnittlich die Note 3,6 (p < 0,05). Hypothese 9 wurde somit bestätigt. 3.4.2.2.3 Die Umgangsformen der Polizeibeamten in der Anzeigesituation Darüber hinaus wurden Opfer, die angaben, eine Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben, gebeten, verschiedene Aspekte des Verhaltens der Polizeibeamten in der Anzeigesituation einzuschätzen. Die Opfer sollten zunächst angeben, wie 326

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S. 327

höflich, mitfühlend, ausgeglichen und engagiert die Polizeibeamten waren (siehe Übersicht 93). Übersicht 93:

Bewertung verschiedener Umgangsformen des Polizeibeamten in der Anzeigesituation ¹Wie wurden Sie bei der Anzeigenerstattung behandelt?ª weiû nicht 3,0 % (4)

sehr unhöflich 4,4 % (6)

eher unhöflich 11,9 % (16)

eher höflich 45,2 % (61)

sehr höflich 35,6 % (48)

weiû nicht 5,9 % (8)

sehr kalt 3,0 % (4)

eher kalt 27,4 % (37)

eher mitfühlend 49,6 % (67)

sehr mitfühlend 14,1 % (19)

weiû nicht 5,2 % (7)

sehr gestreût 5,2 % (7)

eher gestreût 12,6 % (17)

eher ausgeglichen 54,8 % (74)

sehr ausgeglichen 22,2 % (30)

weiû nicht 4,4 % (6)

sehr gleichgültig 6,7 % (9)

eher gleichgültig 25,9 % (35)

eher engagiert 45,9 % (62)

sehr engagiert 17,0 % (23)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

So wurden die Polizeibeamten von 80,8 % der Opfer als höflich und von 63,7 % als mitfühlend bezeichnet. 77,0 % der Opfer beschrieben die Beamten als ausgeglichen und 62,9 % als engagiert. Das bedeutet allerdings auf der anderen Seite, daû fast ein Drittel der befragten Opfer die Beamten als ¹eher gleichgültigª bzw. ¹sehr gleichgültigª und als ¹eher kaltª bzw. ¹sehr kaltª empfanden. Immerhin 16,3 % bezeichneten die Polizeibeamten als unhöflich und 17,8 % als gestreût. Weiterhin sollten die Opfer Angaben darüber machen, Z

Z

Z

ob der Polizeibeamte, dem die Straftat gemeldet wurde, versucht hat, das Opfer ¹abzuwimmelnª, ob sie das Gefühl hatten, von dem Beamten in ihrem Anliegen ernst genommen zu werden, ob der Polizeibeamte, dem die Straftat gemeldet wurde, sich ausreichend Zeit für das Opfer genommen hatte. Wie aus Übersicht 94 zu entnehmen ist, waren acht von zehn Personen (84,4 %) der Meinung, der Beamte habe sich ausreichend Zeit für sie genommen. Immerhin 17,8 % hatten jedoch das Gefühl, in ihrem Anliegen nicht ernst genommen zu werden. Auch in der ¹Kundenbefragung der Polizei in NRWª 42 gaben 91,1 % der Bochumer Opfer an, daû die Polizeibeamten sich bei der Aufnahme des Sachverhalts ausreichend Zeit genommen hätten.

42 Siehe FN 34.

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S. 328

Übersicht 94:

Bewertung weiterer Aspekte in der Anzeigesituation ¹Hat der Polizist, dem Sie die Straftat gemeldet haben, versucht, Sie ¸abzuwimmeln`?ª weiû nicht: 2,2 % (3)

ja: 7,4 % (10)

nein: 90,4 % (122)

¹Hatten Sie das Gefühl, von dem Beamten in Ihrem Anliegen ernst genommen zu werden?ª weiû nicht: 3,0 % (4)

ja: 79,3 % (107)

nein: 17,8 % (24)

¹Hat der Polizist, dem Sie die Straftat gemeldet haben, sich ausreichend Zeit für Sie genommen?ª weiû nicht: 5,2 % (7)

ja: 84,4 % (114)

nein: 10,4 % (14)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

Um zu überprüfen, ob zwischen den einzelnen Umgangsformen (siehe Übersicht 93 und Übersicht 94) ein Zusammenhang besteht, wurde eine Reliabilitätsanalyse (Ü Glossar) durchgeführt. Es zeigte sich, daû alle sieben Aspekte zu einer Skala zusammengefaût werden konnten (Cronbachs alpha = 0,85). Das heiût, daû die Opfer alle Aspekte zusammen entweder eher positiv oder eher negativ beurteilten (siehe § 11±vor Punkt 1; Eindimensionalität der Wahrnehmung). Wer also der Meinung war, der Polizeibeamte sei höflich und engagiert gewesen, der neigte auch eher zu der Ansicht, der Polizeibeamte habe sich ausreichend Zeit genommen. Zudem wurde untersucht, welchen Einfluû die Umgangsformen auf die Zufriedenheit der Opfer haben. Die Auswertung ergab, daû die Skala der sieben Variablen mit der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Verhalten des Beamten in der Anzeigesituation relativ hoch korrelierte (r = 0,63; p < 0,001): Das bedeutet, daû Opfer um so zufriedener waren, je positiver sie die konkreten Umgangsformen der Polizeibeamten (in der Anzeigesituation) wahrnahmen. Auch hier wird deutlich, welche bedeutende Rolle die Umgangsformen der Polizeibeamten für die Einstellung der Bürger zur Polizei spielen. 3.4.2.2.4 Einfluû der Art der Viktimisierung Um zu überprüfen, ob Opfer verschiedener Delikte die Polizeibeamten in der Anzeigesituation unterschiedlich beurteilen, wurde zunächst die allgemeine Zufriedenheit der Opfer betrachtet. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen Opfern von Diebstahlsdelikten und Opfern von Körperverletzungs-/Raubdelikten (p = 0,30). Das bedeutet, daû die Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei nicht von der Art der Viktimisierung abhing. Ferner wurde die Bewertung der Umgangsformen der Polizeibeamten durch Opfer von Diebstahlsdelikten und Opfer von Körperverletzungs-/Raubdelikten untersucht. Die Umgangsformen der Beamten in der Anzeigesituation wurden durch 328

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S. 329

zwei (vierstufige) Items erfaût (Höflichkeit/Mitgefühl). Die Auswertung ergab ebenfalls keine statistisch bedeutsamen Unterschiede in der Bewertung der Höflichkeit (p = 0,53) und des Mitgefühls (p = 0,39) zwischen den beiden Opferkategorien. Darüber hinaus wurde überprüft, ob die Umgangsformen der Polizeibeamten wichtiger für die Zufriedenheit der Opfer von Körperverletzungs-/Raubdelikten sind als für die Zufriedenheit der Opfer von Diebstahlsdelikten. Hierbei zeigten sich jedoch widersprüchliche Resultate: Bei den Opfern von Diebstahlsdelikten korrelierte die eingeschätzte Höflichkeit der Polizeibeamten mit der Zufriedenheit in der Anzeigesituation mit r = 0,59 (p < 0,001). Bei den Opfern von Körperverletzungen/Raub war die Korrelation mit r = 0,84 noch höher (p < 0,001). Das wahrgenommene Mitgefühl des Polizeibeamten in der Anzeigesituation korrelierte mit der Zufriedenheit der Opfer bei Diebstahlsdelikten mit r = 0,63 (p < 0,001) und bei Opfern von Körperverletzungen/Raub mit r = 0,50 (p < 0,05). Aufgrund der berechneten Korrelationen zeigte sich, daû ein höfliches Verhalten die Zufriedenheit der Opfer von Körperverletzungen/Raub stärker beeinfluûte als die Zufriedenheit der Opfer von Diebstahlsdelikten. Dagegen hatte das wahrgenommene Mitgefühl der Beamten einen stärkeren Einfluû auf die Zufriedenheit der Diebstahlsdeliktsopfer als auf die Zufriedenheit der Opfer von Körperverletzungs-/Raubdelikten. 3.4.2.2.5 Schadenshöhe und Meldung des Schadens bei dem Versicherer Ferner wurde geprüft, ob die objektive und die subjektive Schadenshöhe sowie die Meldung bzw. Nicht-Meldung des Schadens bei der Versicherung einen Einfluû auf die allgemeine Zufriedenheit hatten. Es zeigte sich, daû keine der drei untersuchten Variablen die Zufriedenheit signifikant beeinfluûte. 3.4.3

Der Einfluû der Zufriedenheit von Opfern auf die Bewertung der Polizei

Die Auswertung43 ergab zudem, daû die Zufriedenheit der Opfer bei der Anzeigeerstattung einen bedeutenden Einfluû auf die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt hatte. So gaben Opfer, die das Verhalten der Polizei in der Anzeigesituation mit ¹mangelhaftª oder ¹ungenügendª bewerteten, der Polizei insgesamt die Durchschnittsnote 3,5. Opfer hingegen, die das Verhalten der Polizeibeamten

43 In der Berechnung wurden Mehrfachopfer berücksichtigt.

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bei der Anzeige mit den Noten ¹sehr gutª bzw. ¹gutª benoteten, vergaben hinsichtlich der persönlichen Bewertung durchschnittlich die Note 2,6. Auch zwischen der Zufriedenheit der Opfer und der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung gab es einen Zusammenhang (r = 0,37; p < 0,001). Opfer, die mit dem Verhalten der Beamten bei der Anzeigeaufnahme unzufrieden waren (¹mangelhaftª oder ¹ungenügendª), bewerteten die Kriminalitätsbekämpfung durchschnittlich mit 3,7. Opfer, die zufrieden waren (¹sehr gutª bzw. ¹gutª), benoteten die Kriminalitätsbekämpfung mit 3,1. 3.4.4

Der Zusammenhang zwischen der persönlichen Bewertung der Polizei und der Anzeigebereitschaft der Opfer

Es ist zu vermuten, daû sich die persönliche Bewertung der Polizei auf die zukünftige Anzeigebereitschaft der Opfer auswirkt. Die Auswertung ergab jedoch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen (p = 0,21). Das bedeutet, daû Opfer, die eine positive Meinung von der Polizei insgesamt hatten, nicht eher anzeigten als Opfer, welche die Polizei persönlich ungünstiger beurteilten. 3.5

Sonstige Kontakte mit der Polizei

Auch Erfahrungen mit Polizeibeamten bei sonstigen Kontakten können die Meinung der Bürger über die Polizei beeinflussen. Um diese Erfahrungen zu untersuchen, wurde zunächst danach gefragt, ob die Pbn in den letzten 12 Monaten unabhängig von einer Anzeigeerstattung Kontakt mit der Polizei hatten. War ein solcher Kontakt gegeben, sollten die Befragten den Grund für den letzten Kontakt angeben. 3.5.1

Kontakthäufigkeit

Insgesamt 39,6 % (657 Personen) aller Befragten hatten nach eigenen Angaben in den letzten 12 Monaten unabhängig von einer Anzeigeerstattung Kontakt mit der Polizei. In einer Umfrage der Polizei-Führungsakademie Münster 44 gaben 33 % der Befragten an, im Laufe des vorhergehenden Jahres Kontakt mit der Polizei gehabt zu haben. Aus Übersicht 95 geht hervor, daû fast 60 % aller Kontakte mit der Polizei im Straûenverkehr stattfanden. Diese Zahl könnte aber durchaus noch höher liegen, weil sich auch eine Auskunft, eine Ordnungswidrigkeit oder eine Zeugenaussage im Bereich des Straûenverkehrs ereignen können. 44 Murck, Manfred: Polizei und Bürger. In: Die Polizei, Jg. 80, Heft 2, 1989, S. 28.

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S. 331

Übersicht 95:

Verteilung der Kontakte der Bochumer Pbn mit der Polizei

Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich in einer Befragung von Clerici und Killias 45: So fand dort jeder zweite Kontakt mit der Polizei im Straûenverkehr statt. Auch Murck 46 berichtet darüber, daû sich der überwiegende Teil der Kontakte mit der Polizei im Straûenverkehr ereignete. Um die Hypothesen 10 bis 14 (siehe Punkte 3.5.1.1 bis 3.5.2.1) auszuwerten, wurden drei Gruppen gebildet. Z

Z

Z

Die erste Gruppe bestand aus Pbn, die eine Ordnungswidrigkeit begangen hatten (n = 15) oder gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde (n = 9). In diesen Fällen hatten die Pbn mit negativen Konsequenzen seitens der Polizei zu rechnen. Die zweite Gruppe bildeten Pbn, die Kontakte mit der Polizei im Bereich des Straûenverkehrs hatten (n = 379). Bei diesen Kontakten sind verschiedene Konsequenzen vorstellbar: So kann dem Pbn z. B. ein Buûgeld wegen zu schnellen Fahrens auferlegt (negative Folgen) oder aber Hilfe bei einem Unfall durch Polizeibeamte geleistet werden (positive Folgen). Denkbar wären auch Konstellationen, bei denen sich keine Folgen für den Bürger ergeben (z. B. im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle ohne nachfolgende Sanktionen). Die dritte Gruppe bestand aus Pbn, die aufgrund einer Konfliktschlichtung (n = 21), einer Auskunft (n = 64) oder einer Zeugenaussage (n = 31) mit der Polizei in Kontakt gekommen sind. In diesen Situationen sind regelmäûig keine oder lediglich positive Konsequenzen für die Pbn zu erwarten.

45 Clerici, Christian/Killias, Martin: Zum Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Crimiscope, Heft 5, 1999, S. 5. 46 Murck, Manfred, a. a. O. (FN 44).

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S. 332

Unterschiede in der Kontakthäufigkeit und -art können sich aufgrund soziodemographischer Merkmale (Ü Glossar) ergeben. 3.5.1.1

Kontakte mit der Polizei in Abhängigkeit vom Alter

Hypothese 10 (siehe § 11±7) besagte, daû jüngere Bürger häufiger als ältere Kontakte mit der Polizei haben, die zu einer Sanktionierung führen können. Eine Auswertung der Hypothese auf der Grundlage der ersten Gruppe (Strafverfahren/Ordnungswidrigkeit) war wegen der geringen Pbn-Zahl von 24 nicht möglich. Somit gingen in die Auswertung der Hypothese nur die Kontakte im Straûenverkehr ein. Diese Kontaktgruppe, bei der sich ebenfalls Sanktionen durch die Polizei ergeben können, stellte mit 379 Nennungen die häufigste Kontaktart dar. Aus Übersicht 96 wird deutlich, daû mit steigendem Alter Kontakte mit der Polizei im Straûenverkehr abnahmen. Hypothese 10 wurde auch statistisch bestätigt (r = 0,18; p < 0,001): Je jünger die Bürger waren, desto häufiger hatten sie Kontakte mit der Polizei, die auch negative Konsequenzen haben können. Übersicht 96:

Kontakte im Straûenverkehr nach Altersgruppen

Auch in der Untersuchung Bochum I 47 hatten jüngere Pbn häufiger als ältere Befragte negative Kontakte mit der Polizei. Eine Erklärung für diesen Unterschied könnte sein, daû die jüngeren Bürger häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt und sie aufgrund ihres Freizeitverhaltens im Straûenverkehr häufiger unterwegs sind, wenn Verkehrskontrollen48 durchgeführt werden (z. B. nachts oder am Wochenende). 47 Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 305. 48 Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 28; Skogan, Wesley G.: The Police and the Public. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 186.

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S. 333

Auffällig ist, daû die 26- bis 35 jährigen die meisten Kontakte mit der Polizei im Straûenverkehr hatten (siehe auch § 11±5.1). 3.5.1.2

Kontakte mit der Polizei in Abhängigkeit vom Geschlecht

Ferner wurde vermutet, daû Männer häufiger als Frauen Kontakte haben, die Sanktionen nach sich ziehen können (Hypothese 11; siehe § 11±7). Von den männlichen Pbn gaben 17 Personen (2,1 % aller Männer) an, daû der Kontakt aufgrund eines gegen sie selbst eingeleiteten Strafverfahrens oder einer eigenen Ordnungswidrigkeit stattgefunden hatte. Bei den Frauen waren es nur 7 Personen (0,8 % aller Frauen; p < 0,05). Auch in anderen Studien 49 hatten männliche Pbn häufiger als weibliche Befragte Kontakt mit der Polizei aufgrund eigener Straftaten. Darüber hinaus zeigte sich, daû 233 Männer (29,1 % aller Männer) und 146 Frauen (16,9 % aller Frauen) im letzten Jahr Kontakt mit der Polizei im Bereich des Straûenverkehrs hatten. Damit zeigte sich schon bei bloûer Betrachtung der Prozentzahlen, daû es fast doppelt so viele Männer wie Frauen waren. Dieser Unterschied ist auch statistisch signifikant (r = 0,15; p < 0,001). Hypothese 11 wurde somit bestätigt. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich auch in einer Untersuchung von Skogan 50: Dort wurden Männer eineinhalb- bis zweimal häufiger als Frauen im Straûenverkehr kontrolliert. Auch Murck 51 berichtet darüber, daû Männer häufiger als Frauen Kontakte in diesem Bereich hatten. 3.5.1.3

Kontakte mit der Polizei in Abhängigkeit von der Nationalität

Hypothese 12 (siehe § 11±7) besagte, daû Nicht-Deutsche häufiger als Deutsche Kontakte mit der Polizei haben, die negative Konsequenzen nach sich ziehen können. Es zeigten sich sowohl bei der als negativ definierten Kontaktgruppe (Strafverfahren, Ordnungswidrigkeit; siehe Punkt 3.5.1), als auch im Bereich des Straûenverkehrs keine Unterschiede zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen. Hypothese 12 konnte somit nicht bestätigt werden. Auch hatten Deutsche nicht häufiger als Nicht-Deutsche Kontakte der dritten Gruppe (Auskunft, Hilfeleistung; siehe Punkt 3.5.1). Es läût sich somit feststellen, daû Nicht-Deutsche genauso häufig Kontakt mit der Polizei in allen Bereichen hatten wie Deutsche. 49 Gottfredson, Michael R.: Victims of Crime. London 1984, S. 18; so auch Skogan, Wesley G.: The Police and the Public. In: Schwind, Hans-Dieter/Kube, Edwin/Kühne, Hans-Heiner (Hg.): Festschrift für Hans Joachim Schneider. Berlin 1998, S. 193. 50 Skogan, Wesley G.: The Police and the Public in England and Wales. London 1990, S. 37. 51 Murck, Manfred: Polizei und Bürger. In: Die Polizei, Jg. 80, Heft 2, 1989, S. 28.

333

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3.5.2

S. 334

Die Bewertung des Verhaltens der Polizeibeamten in der Kontaktsituation

Gab es einen Kontakt, dann sollten die Pbn das Verhalten der Beamten in dieser Kontaktsituation mit einer Schulnote von eins bis sechs beurteilen. Es zeigte sich, daû die Pbn das Verhalten durchschnittlich mit 2,4 benoteten. Dabei vergaben insgesamt 65,1 % der Befragten die Noten ¹sehr gutª (22,8 %) bzw. ¹gutª (42,3 %); insgesamt 10,8 % wählten die Kategorien ¹mangelhaftª (6,6 %) oder ¹ungenügendª (4,2 %).52 Eine ähnliche Durchschnittsbenotung fand sich mit 2,3 auch in der Befragung von Hermanutz 53. In Hypothese 13 (siehe § 11±7) war die Vermutung aufgestellt worden, daû das Verhalten der Polizei bei solchen Kontakten negativer bewertet wird, die Sanktionen nach sich ziehen können, als in Situationen ohne negative Konsequenzen. Bei der Auswertung zeigten sich jedoch keine statistisch bedeutsamen Unterschiede (p = 0,62) hinsichtlich der drei Kontaktgruppen. Hypothese 13 konnte somit nicht bestätigt werden. Dieses Ergebnis läût den Schluû zu, daû die Bewertung des Verhaltens der Beamten nicht von der Kontaktart abhing. Auch in einer Befragung von Clerici und Killias 54 zeigte sich, daû alle Pbn unabhängig von der Kontaktart ganz überwiegend zufrieden mit dem Verlauf des Kontakts waren. 3.5.2.1

Die Bewertung des Verhaltens in Abhängigkeit vom Alter

In Hypothese 14 (siehe § 11±7) wurde die Vermutung aufgestellt, daû ältere Befragte das Verhalten der Polizei in der Kontaktsituation besser bewerten als jüngere. Diese Hypothese konnte bestätigt werden (r = 0,16; p < 0,001). Es zeigte sich, daû die über 30 jährigen durchschnittlich die Note 2,3 vergaben, während die bis 30 jährigen das Verhalten der Beamten mit einer Durchschnittsnote von 2,8 bewerteten. 3.5.2.2

Die Bewertung des Verhaltens in Abhängigkeit vom Geschlecht

Bei einem Vergleich der Bewertung des Verhaltens durch Männer und Frauen zeigte sich, daû es sowohl hinsichtlich der gesamten Kontakte (p = 0,16) als auch speziell im Straûenverkehr (p = 0,23) keine Unterschiede gab. Das bedeutet, daû Männer das Verhalten der Beamten bei Kontakten nicht negativer bewerteten als 52 ¹Befriedigendª: 17,6 %; ¹ausreichendª: 5,7 %; ¹weiû nichtª: 0,8 %. 53 Hermanutz, M.: Prügelknaben der Nation oder Freund und Helfer? In: Die Polizei, Jg. 86, Heft 10, 1995, S. 283. 54 Clerici, Christian/Killias, Martin: Zum Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. In: Crimiscope, Heft 5, 1999, S. 6.

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S. 335

Frauen, obwohl sie fast doppelt so viele Kontakte im Straûenverkehr hatten (siehe Punkt 3.5.1.2). 3.5.2.3

Die Bewertung des Verhaltens in Abhängigkeit von der Nationalität

Auch hinsichtlich der Nationalität gab es keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung des Verhaltens der Beamten in der Kontaktsituation (p = 0,49). Dieses Ergebnis scheint ebenfalls darauf hinzuweisen, daû die nicht-deutschen Bürger in Bochum von der Polizei nicht anders behandelt werden als deutsche. 3.5.3

Der Zusammenhang zwischen der Bewertung der Kontaktsituation und der persönlichen Bewertung

In Hypothese 15 (siehe § 11±7) war ein Zusammenhang zwischen der Einschätzung des Verhaltens der Polizeibeamten in der Kontaktsituation und der persönlichen Bewertung vermutet worden. Es zeigte sich, daû diese beiden Variablen miteinander korrelierten (r = 0,35; p < 0,001). Hypothese 15 konnte somit bestätigt werden: Je positiver das Verhalten der Beamten in der Kontaktsituation eingeschätzt wurde, desto positiver fiel auch die persönliche Bewertung aus. Offen bleibt jedoch, ob die Pbn den Kontakt positiver erlebten und bewerteten, weil sie schon vorher eine positivere Einstellung zur Polizei hatten oder ob erst durch einen positiv empfundenen Kontakt eine positivere allgemeine Bewertung der Polizei erfolgte.55 3.5.4

Der Zusammenhang zwischen der Art des Kontakts und der persönlichen Bewertung

Wie unter Punkt 3.5.2 dargestellt, hatte die Art des Kontakts keinen Einfluû auf die Bewertung des Verhaltens des Beamten in dieser Kontaktsituation. Bei der Auswertung hat sich jedoch gezeigt, daû die Art des Kontakts (siehe Punkt 3.5.1) die persönliche Bewertung der Polizei beeinfluûte. So gaben Pbn mit positiven Kontakten der Polizei insgesamt die gleiche Durchschnittsnote wie Pbn ohne Kontakte (2,7). Pbn, die Kontakte mit der Polizei im Straûenverkehr hatten, bewerteten die Polizei mit 2,8 etwas schlechter. Befragte mit negativen Kontakten vergaben durchschnittlich die Note 3,0. Denkbar wäre aber auch die andere Wirkungsrichtung: Personen, die die Polizei negativer bewerten, haben auch häufiger negative Kontakte mit der Polizei als Bürger mit einer positiveren Einstellung zur Polizei.

55 Sog. top up/bottom down: vgl. Goldstein, E. Bruce: Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg 1997, S. 188.

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S. 336

Ein Vergleich mit der Bewertung der Pbn ohne Kontakte mit der Polizei ergab, daû positive Kontakte die persönliche Bewertung nicht beeinfluûten, während negative Kontakte und solche im Straûenverkehr einen leicht negativen Einfluû hatten. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich schon in der Untersuchung Bochum I 56: So veränderten positive Erfahrungen die Einstellung zur Polizei nicht statistisch bedeutsam, während negative Erfahrungen sie signifikant verschlechterten. Somit läût sich festhalten, daû die Art des Kontakts zwar keinen Einfluû auf die Bewertung des Verhaltens der Beamten in der Kontaktsituation (siehe Hypothese 12), wohl aber auf die persönliche Bewertung hatte. 4

Bestätigte und nicht bestätigte Hypothesen

4.1

Bestätigte Hypothesen

(Die mit * gekennzeichneten Hypothesen konnten zwar formal bestätigt werden; aufgrund des nahezu verschwindenden Korrelationskoeffizienten in der Stichprobe kann ihnen aber keine Bedeutung zugemessen werden.) H 1*: Je negativer die Kriminalitätsentwicklung vermutet wird, desto negativer wird die Kriminalitätsbekämpfung bewertet. H 2:

Je negativer die Kriminalitätsentwicklung vermutet wird, desto gröûer ist der Wunsch, die Polizei sollte sich mehr um die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kümmern.

H 4*: Je stärker das Unsicherheitsgefühl ist, desto eher wird der Wunsch geäuûert, die Polizei sollte sich mehr um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern. H 5*: Je mehr Polizeipräsenz gewünscht wird, desto negativer wird die Kriminalitätsbekämpfung bewertet. H 6:

Je positiver die Aufgabenerfüllung und die Umgangsformen/Kompetenz der Polizeibeamten bewertet werden, desto positiver wird die Polizei insgesamt bewertet.

H 8:

Je mehr das Opfer das Gefühl hat, die Polizei habe wirklich versucht, die Straftat aufzuklären, desto zufriedener ist es mit der Polizei im Falle der Nichtermittlung des Täters.

H 9:

Je mehr das Opfer das Gefühl hat, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht, desto positiver wird die Kriminalitätsbekämpfung bewertet.

H 10: Je jünger die Bürger sind, desto häufiger haben sie Kontakte mit der Polizei, die negative Konsequenzen haben können. 56 Sporn in der Untersuchung Bochum I, S. 305 f.

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S. 337

H 11: Männer haben häufiger als Frauen Kontakte mit der Polizei, die Sanktionen nach sich ziehen können. H 12: Nicht-Deutsche haben häufiger als Deutsche Kontakte mit der Polizei, die negative Konsequenzen haben können. H 14: Je älter die Bürger sind, desto positiver bewerten sie das Verhalten der Polizei in einer Kontaktsituation. H 15: Je positiver das Verhalten des Polizeibeamten in der Kontaktsituation bewertet wird, desto positiver wird die Polizei insgesamt bewertet. 4.2

Nicht bestätigte Hypothesen

H 3:

Je stärker das Unsicherheitsgefühl ist, desto negativer wird die Kriminalitätsbekämpfung bewertet.

H 7:

Opfer, die eine Anzeige erstattet haben, sind zufriedener mit dem Verhalten der Polizei, wenn der Täter ermittelt wurde.

H 13: Das Verhalten der Polizei wird bei solchen Kontakten negativer bewertet, die Sanktionen nach sich ziehen können, als in Situationen ohne negative Konsequenzen für den Bürger. 5

Zusammenfassung

Das Ansehen der Polizei wurde in der Untersuchung Bochum III durch zwei Bereiche erfaût: den vom Pb vermuteten (bzw. wahrgenommenen) Ruf der Polizei in der Bevölkerung einerseits und die persönliche Bewertung des Pb (d. h. seine eigene Meinung über die Polizei insgesamt) andererseits. 5.1

Ruf der Polizei in der Bevölkerung

Fast 60 % der Befragten vermuteten einen ¹eher gutenª bzw. ¹gutenª Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung. Im Vergleich zu der Untersuchung Bochum II im Jahre 1987 (45,5 %) nahmen die Pbn 1999 eine gröûere Akzeptanz der Polizei bei den Bochumer Bürgern wahr. 5.2

Persönliche Bewertung der Polizei durch die einzelnen Pbn

Hinsichtlich der persönlichen Bewertung vergaben insgesamt 39,3 % der Pbn die Noten ¹sehr gutª oder ¹gutª, 45,0 % die Note ¹befriedigendª und insgesamt 12,0 % die Noten ¹ausreichendª bis ¹ungenügendª. Die Durchschnittsnote lag bei 2,7. ¾hnliche Durchschnittsbewertungen zeigten sich schon in anderen Studien. Auch 337

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S. 338

in der Untersuchung Bochum II bewerteten mehr als ein Drittel der Pbn die Polizei insgesamt mit ¹gutª. 5.3

Einflüsse auf die persönliche Bewertung

Weiterhin wurde untersucht, von welchen Faktoren die persönliche Bewertung der Pbn beeinfluût wird. Die Auswertung ergab, daû insoweit die Bewertung der Aufgabenerfüllung und der Umgangsformen/Kompetenz, Erfahrungen der Bürger als Opfer einer Straftat und sonstige Kontakte mit der Polizei von Bedeutung sind. Die Aufgabenerfüllung wurde durch die Aspekte der Regelung und Überwachung des Straûenverkehrs sowie der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten (Kriminalitätsbekämpfung) erfaût. Für die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr vergaben die Pbn durchschnittlich die Note 2,9, die Kriminalitätsbekämpfung wurde mit 3,1 etwas negativer beurteilt. In der Untersuchung Bochum I hingegen gab es eine gegenläufige Tendenz: So wurde dort die Kriminalitätsbekämpfung etwas positiver eingeschätzt als die Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr. Auffällig ist, daû die Pbn die Aufgabenerfüllung sowohl bei der Kriminalitätsbekämpfung als auch im Straûenverkehr ungünstiger bewerteten als die Polizei insgesamt (Durchschnittsnote 2,7). Dieser Unterschied ist u. a. damit zu erklären, daû auch die Umgangsformen und die Kompetenz der Polizeibeamten die persönliche Bewertung mitbestimmen. Die Umgangsformen und Kompetenz wurden in der Untersuchung Bochum III durch die Frage erfaût, wie hilfsbereit, kompetent und höflich die Pbn einen typischen Bochumer Polizeibeamten einschätzen. Alle drei Items wurden von über 80 % der Befragten positiv beurteilt. Lediglich 2,2 % der Pbn hielten den typischen Bochumer Polizeibeamten für ¹nicht hilfsbereitª, 2,9 % für ¹inkompetentª und 3,5 % für ¹unhöflichª. Darüber hinaus wurde festgestellt, daû die Umgangsformen/Kompetenz einen gröûeren Einfluû auf die persönliche Bewertung hatten als die Bewertung der Aufgabenerfüllung im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und im Straûenverkehr. Dieses Resultat zeigt, wie wichtig das Verhalten der Polizeibeamten gegenüber den Bürgern ist: So könnte die Einstellung der Bürger zur Polizei eher durch gute Umgangsformen positiv beeinfluût werden als durch ein gröûeres Engagement bei der Kriminalitätsbekämpfung oder im Straûenverkehr. Auch die Zufriedenheit von Personen, die als Opfer einer Straftat Kontakt mit der Polizei hatten, beeinfluûte die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt. So beurteilten Opfer, die mit dem Verhalten der Polizeibeamten bei der Anzeigenaufnahme unzufrieden waren, die Polizei insgesamt mit einer Durchschnittsnote von 3,5. Opfer hingegen, die zufrieden waren, vergaben durchschnittlich die Note 2,6. Unabhängig von einer Anzeigeerstattung gaben rund 40 % der Befragten an, in den letzten 12 Monaten Kontakt mit der Polizei gehabt zu haben. Fast 60 % dieser Kontakte ereigneten sich im Straûenverkehr. Das Verhalten der Polizeibeamten 338

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S. 339

in der jeweiligen Kontaktsituation wurde durchschnittlich mit 2,4 benotet. Es zeigte sich, daû Pbn, die dieses Verhalten positiv bewerteten, auch die Polizei insgesamt positiv einschätzten. 5.4

Einflüsse auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung

Ferner wurde der Frage nachgegangen, von welchen Faktoren die Bewertung der Aufgabenerfüllung bei der Kriminalitätsbekämpfung abhängt. Insoweit kamen die vermutete Kriminalitätsentwicklung, die wahrgenommene Polizeipräsenz, das Unsicherheitsgefühl und Erfahrungen als Opfer mit der Polizei in Betracht. Die signifikanten Zusammenhänge zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und der vermuteten Kriminalitätsentwicklung bzw. der wahrgenommenen Polizeipräsenz waren bei dem geringen Korrelationskoeffizienten (r zwischen 0,07 und 0,09) auf die Stichprobengröûe zurückzuführen, so daû diese Resultate keine Schluûfolgerungen zulassen. Keinen signifikanten Zusammenhang gab es ± im Widerspruch zu zahlreichen anderen Studien ± zwischen der Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung und dem Unsicherheitsgefühl der Pbn. Darüber hinaus zeigte sich, daû das Unsicherheitsgefühl von dem Wunsch nach gröûerer Polizeipräsenz abhing: Je stärker das Unsicherheitsgefühl war, desto eher wünschten sich die Befragten eine gröûere Polizeipräsenz. Hinsichtlich der Erfahrungen mit der Polizei als Opfer einer Straftat zeigte sich, daû Opfer, die mit dem Verhalten der Polizeibeamten in der Anzeigesituation unzufrieden waren, die Kriminalitätsbekämpfung durchschnittlich mit 3,7 bewerteten. Opfer, die zufrieden waren, vergaben die Durchschnittsnote 3,1. Zudem bewerteten Opfer die Kriminalitätsbekämpfung um so positiver, je mehr sie das Gefühl hatten, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht. Keinen Einfluû auf die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung hingegen hatte die Täterermittlung. 5.5

Einflüsse auf die Zufriedenheit der Opfer

Die Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei wurde durch das Engagement der Polizeibeamten bei der Tataufklärung und durch die Umgangsformen beeinfluût. So stuften Opfer, die meinten, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht, ihre Zufriedenheit mit dem Verhalten der Beamten in der Anzeigesituation durchschnittlich mit der Note 1,9 ein. Opfer, die nicht dieser Meinung waren, vergaben die Durchschnittsnote 3,5. Zudem waren die Opfer um so zufriedener, je positiver sie die Umgangsformen der Polizeibeamten bei der Anzeigenaufnahme wahrnahmen.

339

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5.6

S. 340

Bewertung der Polizei in Abhängigkeit von soziodemographischen Merkmalen

Unterschiede in der Bewertung der Polizei können sich aufgrund soziodemographischer Merkmale ergeben. So zeigte sich, daû die Einstellung zur Polizei um so positiver ausfiel, je älter die Pbn waren. Dieser Unterschied zeigte sich beim wahrgenommenen Ruf, der persönlichen Bewertung, der Beurteilung der Aufgabenerfüllung bei der Kriminalitätsbekämpfung sowie der Einschätzung der Umgangsformen/Kompetenz. Auch hatten die Pbn, je älter sie waren, um so weniger Kontakte, die negative Konsequenzen haben können und sie beurteilten das Verhalten in der Kontaktsituation positiver. Diese günstigere Einstellung der älteren Pbn ist ein in der Forschung häufig gefundenes Ergebnis. Im Hinblick auf die Angaben von männlichen und weiblichen Pbn gab es nur Unterschiede bei der Häufigkeit von Kontakten, die Sanktionen nach sich ziehen können. So hatten Frauen weniger solcher Kontakte. Im übrigen unterschieden sich Männer und Frauen in ihrer Einstellung zur Polizei nicht. Auch in den Untersuchungen Bochum I und II fanden sich keine Unterschiede hinsichtlich der Einstellung von männlichen und weiblichen Pbn zur Polizei. Auffällig ist, daû sich Deutsche und Nicht-Deutsche in ihrer Einstellung zur Polizei kaum unterschieden. So schätzten Nicht-Deutsche den Ruf der Polizei in der Bevölkerung und die Aufgabenerfüllung bei der Kriminalitätsbekämpfung ähnlich ein wie Deutsche. Auch hinsichtlich der persönlichen Bewertung äuûerten die nicht-deutschen Befragten nahezu die gleiche Meinung (2,6) wie die deutschen Pbn (2,7). In bezug auf die Bewertung der Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr vergaben Nicht-Deutsche durchschnittlich die Note 2,5 (Deutsche: 3,0). Diese Resultate sind angesichts einiger Berichte über Ausländerfeindlichkeit in der Polizei bemerkenswert und könnten ein Hinweis auf die fortgeschrittene Integration der nicht-deutschen Bürger in die Bochumer Bevölkerung sein.

340

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S. 341

Zusammenfassung Kriminalität berührt die Lebensqualität vieler Menschen. Sie gehört daher auch zu den (vorrangigen) Themen, die im politischen Raum diskutiert werden. Diese (kriminalpolitisch orientierten) Auseinandersetzungen vollziehen sich allerdings nicht immer vor dem Hintergrund der Ergebnisse der kriminologischen Forschung. Daû es so ist, hat primär damit zu tun, daû Politiker die Arbeiten, die von Wissenschaftlern vorgelegt werden, gar nicht kennen bzw. nicht lesen. Das ist zu bedauern, weil empirische Untersuchungen dann, wenn sie methodisch sorgfältig durchgeführt werden, zur Versachlichung der Diskussionen mit beitragen können. Das gilt, so hoffen die Mitarbeiter, auch für diese Untersuchung Bochum III. Gliederung 1 1.1 1.2 1.3

Zur Konzeption und Zielsetzung der Untersuchung Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchte Deliktsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

341 341 342 342

2 2.1

343

2.6

Zu den Ergebnissen und ihrer praktischen Relevanz . . . . . . . Entwicklung und Verteilung der (in der PKS) registrierten Straftaten: Hellfeld (§§ 3 und 4 der Untersuchung) . . . . . . . . . . Entwicklung und Verteilung der nicht angezeigten Straftaten: Dunkelfeld (§§ 5 und 6 der Untersuchung) . . . . . . . . . . . . . . . . Resultate zum Anzeigeverhalten (§§ 7 und 8 der Untersuchung) . Ergebnisse zur Kriminalitätsfurcht (§§ 9 und 10 der Untersuchung) Ergebnisse zum Ansehen der Polizei (§§ 11 und 12 der Untersuchung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resultate zu Nicht-Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Vorteile der ¹Inselbefragungª . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

2.2 2.3 2.4 2.5

1

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

343 345 349 354 362 367

Zur Konzeption und Zielsetzung der Untersuchung

Die Bochumer Studie will am Beispiel einer Groûstadt (Bochum besitzt rund 396.000 Einwohner) Entwicklungslinien beschreiben, die sich im Rahmen einer Langzeitbetrachtung abzeichnen. 1.1

Fragestellungen

Die Untersuchung räumt die Möglichkeit ein, im zeitlichen Längsschnitt über drei Jahresmeûpunkte (1975, 1986 und 1998) hinweg (Untersuchungen 341

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S. 342

Bochum I, Bochum II und Bochum III) folgende Kriminalitätsphänomene zu beschreiben: Z

Z Z Z

Veränderungen der Kriminalität im Hellfeld (= registrierte Kriminalität) und Dunkelfeld (= den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt gewordene Straftaten); Veränderungen des Anzeigeverhaltens; Veränderungen in der Ausprägung der Kriminalitätsfurcht und Veränderungen, die sich auf das Ansehen der Polizei beziehen.

Alle diese Fragen hängen über Rückkoppelungsmechanismen mehr oder weniger eng miteinander zusammen. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Situation, wie sie für 1998 zu beobachten war. 1.2

Untersuchte Deliktsbereiche

Gewaltstraftaten machten 1998 in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für die Bundesrepublik Deutschland lediglich 2,9 % aus. Der Diebstahl hingegen dominiert generell die Statistik: Im Bezugsjahr (1998) waren 23,6 % aller in der PKS registrierten Straftaten einfache Diebstahlsdelikte (Diebstahl ohne erschwerende Umstände); 27,8 % entfielen auf den schweren Diebstahl (Diebstahl unter erschwerenden Umständen). In der Bochumer Studie sind untersucht worden: Z Z Z Z

Diebstahl ohne erschwerende Umstände, Diebstahl unter erschwerenden Umständen, Raubtaten und vorsätzliche Körperverletzungen.

Die Auswahl dieser Deliktsgruppen hat vor allem auch damit zu tun, daû sie sich für die Dunkelfeldforschung eignen. Die erfaûten Delikte decken im übrigen immerhin über 50 % der (in der PKS) registrierten Straftaten ab. 1.3

Hinweise zur Methodik

Die Grundlage der Bochumer Untersuchungen bilden die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), Sondererfassungen der Bochumer Polizei und Opferbefragungen von Zufallsstichproben aus der Einwohnerkartei der Stadt Bochum (vgl. S. 23). Die Hauptstichprobe wurde für die face-to-face Befragung gezogen (0,5 % der Bevölkerung ab 14 Jahre einschlieûlich der nicht-deutschen Einwohner Bochums, insgesamt 1.758 Pbn), eine zweite für eine parallele Telefonbefragung (0,1 %, insgesamt 351 Pbn). Das Ziel der Telefonbefragung bestand primär darin zu ermitteln, ob sich die Prävalenzraten (Ü Glossar) beider Befragungsmethoden systematisch unterscheiden. Das war jedoch nicht der Fall (vgl. S. 147 f). Sollte sich dieses Ergebnis auch in anderen Untersuchungen bestätigen, liegt es nahe, (vor allem auch aus Kostengründen) Opferbefragungen künftig nicht mehr nur face-to-face, sondern überwiegend (wie das z. B. grundsätzlich in den USA geschieht) per Telefon durchzuführen. 342

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S. 343

Nebenbei: Auffällig war, daû sich Pbn, die angerufen wurden, oft danach erkundigten, ob die Untersuchung von der Universität oder von der Polizei durchgeführt wurde. Für den letzteren Fall wurden (ungefragt) Vorbehalte geltend gemacht. Das Leitungsteam der Untersuchung Bochum III war im wesentlichen dasselbe wie bei den vorhergehenden Untersuchungen Bochum I und II (vgl. S. 1). Auch die Methodik stimmte grundsätzlich in allen Bochumer Untersuchungen überein. Für die standardisierten Interviews, für die speziell ausgewählte Studenten1 (aus der Kriminologie-Vorlesung des Wintersemesters 1998/99) der Ruhr-Universität Bochum geschult wurden, standen (wahlweise) Fragebögen in deutscher, türkischer und russischer Sprache zur Verfügung (vgl. S. 22). Um das Vorgehen möglichst nachvollziehbar bzw. für den Leser transparent zu machen, hat das (interdisziplinär zusammengesetzte) Bochumer Team (aus den Fachbereichen Kriminologie, Rechtswissenschaften, Polizei, Psychologie, Sozialarbeit, Soziologie, Pädagogik, Statistik und Mathematik) Wert auf ein (ausführliches) Methodenkapitel gelegt (§ 2), das (z. T. bewuût vereinfachend) in einer auch für Nichtexperten verständlichen Sprache abgefaût wurde. Ergänzend wurde im Anhang ein Glossar angehängt, das über die Bedeutung (weiterer) fachspezifischer Begriffe (Fremdwörter) in kurzer Form informiert (vgl. S. 423 ff). 2

Zu den Ergebnissen und ihrer praktischen Relevanz

Die empirischen Resultate der Bochumer Arbeit2 (kursiv gedruckt) ergeben im Kontext ihrer (vermuteten) praktischen Bedeutung das folgende Bild: 2.1

Entwicklung und Verteilung der (in der PKS) registrierten Straftaten: Hellfeld (§§ 3 und 4 der Untersuchung)

Vergleicht man die Kriminalitätsentwicklung (ab 1975: Untersuchung Bochum I) in Bund, Land (Nordrhein-Westfalen) und Groûstädten (am Beispiel von Bochum) anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), so fällt eine deutliche Zunahme der bekannt gewordenen Fälle von 1975 bis 1986 (Bochum II) auf, die sich allerdings in den letzten Jahren (bis zum Meûpunkt Bochum III: 1998) verlangsamt hat bzw. sich auf relativ hohem Niveau einpendelt.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Unterscheidung aller in diesem Band genannten Personengruppen verzichtet. So umfaût der Begriff ¹Studentª gleichermaûen Studenten und Studentinnen usw. Die ¹Verwendung des groûen Binnen-I ist (in Nordrhein-Westfalen) durch Erlaû ausgeschlossenª (GABl.NW I Nr. 7/83). 2 Die Erhebung(en) fanden vom 7. Januar bis 5. März 1999 statt. Die Informationen über das Hellfeld und über das Dunkelfeld beziehen sich (rückblickend) auf das Jahr 1998, die Meinungsäuûerungen der Befragten (zum Unsicherheitsgefühl und zum Ansehen der Polizei) auf den Befragungszeitpunkt, also auf 1999.

343

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S. 344

Übersicht 97:

Bundesrepublik Deutschland Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen und bekannt gewordene Fälle)

Quelle: BKA (Hg.): PKS 1975±1998 Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1976±1999.

344

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S. 345

Insgesamt betrachtet stiegen die Häufigkeitszahlen (Hz), also die Zahlen der bekannt gewordenen Fälle pro 100.000 Einwohner, im Bezugszeitraum (1975±1998) im Bund um 66,7 % an, in Nordrhein-Westfalen um 56,3 % und in Bochum um 67,6 % (vgl. Übersicht 97 und S. 56 ff). Aus deliktsspezifischer Sicht fällt in Bochum auf, daû die Hz der Raubtaten und vorsätzlichen Körperverletzungen im Vergleich zur Untersuchung Bochum II (Meûpunkt 1986) deutlich zunehmen (und zwar um 58,5 % bzw. 86,4 %), während im selben Bezugszeitraum die Hz der Diebstahlsdelikte sogar um 16,7 % rückläufig sind (vgl. S. 72). Zugenommen haben in der Statistik vor allem auch die prozentualen Anteile der angezeigten Betrugs- und Rauschgiftdelikte, so daû der sinkende Anteil an Diebstahlsdelikten durch diese kompensiert wird. Dementsprechend haben sich die erfaûten Delikte (langfristig betrachtet) in grundsätzlich allen Stadtteilen bzw. Polizeibezirken Bochums erkennbar erhöht. Das gilt vor allem für solche Gebiete, die schon 1975 zu den entsprechenden KriminalitätsBrennpunkten zählten, nämlich die Innenstadt Bochums, der Bezirk Querenburg/ Universität und die City von Wattenscheid, einer 1975 eingemeindeten Stadt (vgl. die Karten auf S. 84 a). 2.2

Entwicklung und Verteilung der nicht angezeigten Straftaten: Dunkelfeld (§§ 5 und 6 der Untersuchung)

Die Kriminalitätslage wird durch das Hellfeld allerdings nur unzureichend beschrieben, weil das Dunkelfeld nicht erfaût wird. Erst die Addition der Hell- und Dunkelfeldzahlen kann zu einer realistischeren Lagebeurteilung führen. Deshalb wird auch immer wieder statistikbegleitende Dunkelfeldforschung (wie sie z. B. in den USA und in den Niederlanden durchgeführt wird) angemahnt (vgl. dazu Punkt 3). Die Bochumer Untersuchungen wollen durch die Z Z

Aufhellung des Dunkelfeldes und Vergleiche, die sich (bezogen auf drei Meûpunkte) auf fast ein Vierteljahrhundert beziehen,

entsprechende Anhaltspunkte auch für Deutschland vermitteln. In der Untersuchung Bochum III wurden die Pbn (wie auch schon in den Untersuchungen Bochum I und Bochum II) danach gefragt, ob sie im vorhergehenden Jahr Opfer eines Diebstahls, eines Raubüberfalls oder einer Körperverletzung geworden sind. Hierbei ist eine Besonderheit aller drei Bochumer Untersuchungen darin zu sehen, daû die Zuordnung zu den einzelnen Straftatbeständen durch eingehend geschulte Jura-Studenten und nicht durch die Pbn selbst vorgenommen wurde. Von daher kann davon ausgegangen werden, daû die in vielen Opferbefragun345

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S. 346

gen auftretenden Probleme einer falschen Kategorisierung erlittener Viktimisierungen (weitgehend) vermieden wurden. Bezogen auf einen Referenzzeitraum von 12 Monaten ergaben sich folgende Prävalenzraten (Ü Glossar): Z

Z Z

16,6 % aller Pbn gaben an, (mindestens) einmal Opfer eines Diebstahls geworden zu sein. 2,2 % aller Befragten sind nach eigener Aussage mehr als einmal bestohlen worden, 2,4 % aller Pbn wurden Opfer einer Körperverletzung, 0,5 % wurden während des Referenzzeitraums ausgeraubt.

Aufgrund der Angaben der Pbn war es auch möglich, die Inzidenzraten (Ü Glossar) der untersuchten Delikte zu errechnen. Nach den Ergebnissen der Untersuchung Bochum III entfielen auf 100 Bürger Bochums ca. zehn Fälle von Diebstahl ohne erschwerende Umstände (¹einfacher Diebstahlª) so wie ca. acht Fälle von Diebstahl unter erschwerenden Umständen (¹schwerer Diebstahlª). Für Körperverletzungen ergab sich eine Schätzung von ca. 2,6 Fällen auf 100 Einwohner Bochums, bei Raubtaten betrug der entsprechende Wert 0,5. Die Ergebnisse der Untersuchung Bochum III zeigen im übrigen (wie eine Vielzahl weiterer viktimologischer Untersuchungen), daû Viktimisierungen nicht gleichmäûig über die Bevölkerung verteilt sind, sondern daû es bestimmte Personen mit einem systematisch erhöhten Opferrisiko gibt. So sind von den Pbn, die während des Referenzzeitraums von 12 Monaten Opfer einer Körperverletzung wurden, über die Hälfte auch Opfer eines Diebstahls geworden. Bei den übrigen Befragten war es hingegen nur ca. jeder siebte (vgl. S. 132). Eine Mehrheit von 60 % aller Pbn, die in den letzten 12 Monaten eine Körperverletzung erlitten haben, wurden während der letzten fünf Jahre Opfer einer weiteren Straftat; von den Befragten, die während der letzten 12 Monate keiner Straftat zum Opfer fielen, wurde hingegen nur jeder vierte in den letzten fünf Jahren viktimisiert (vgl. S. 133). Gaben die Pbn an, in den letzten 12 Monaten Opfer eines Diebstahls, eines Raubes oder einer Körperverletzung geworden zu sein, wurden sie u. a. danach gefragt, ob sie diese Viktimisierung bei der Polizei angezeigt haben. Übersicht 98 zeigt, wie sich das Verhältnis von angezeigten zu nicht angezeigten Straftaten über die drei Jahresmeûpunkte der Bochumer Untersuchungen entwikkelt hat.3

3 Als Schätzwert für die Summe angezeigter Straftaten wurden hierbei die Angaben der Bochumer Polizei zugrunde gelegt. Auf eine Berechnung der Dunkelzifferrelationen für Raub wurde aufgrund der geringen Fallzahlen dieses Delikts verzichtet.

346

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S. 347

Übersicht 98:

Dunkelzifferrelationen verschiedener Delikte in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III Bochum I

Bochum II

Bochum III

Punktschätzer

Unter-/ Obergrenze

Punktschätzer

Unter-/ Obergrenze

Punktschätzer

Unter-/ Obergrenze

Einfacher Diebstahl

1:6

1:5 bis 1:7

1:8

1:7 bis 1:9

1:8

1:7 bis 1:9

Schwerer Diebstahl

1:2

1:1 bis 1:2

1:1

1:1 bis 1:1

1:2

1:1 bis 1:2

Körperverletzung

1:7

1:4 bis 1:10

1:6

1:4 bis 1:9

1:3

1:2 bis 1:5

Deliktsart

Wie man sieht, war in der Untersuchung Bochum III der Anteil nicht angezeigter Straftaten beim schweren Diebstahl mit einer Dunkelzifferrelation von 1 : 2 am niedrigsten, während er beim einfachen Diebstahl mit einem Wert von 1 : 8 am höchsten war. Beim Vergleich über die drei Jahresmeûpunkte fällt zudem auf, daû die Dunkelzifferrelationen sowohl beim einfachen als auch beim schweren Diebstahl über das letzte Vierteljahrhundert nahezu konstant geblieben ist. Bei Körperverletzungen ergaben sich hingegen deutliche Veränderungen: Während 1975 lediglich jede achte Körperverletzung der Polizei gemeldet wurde, war es 1998 jede vierte. Sowohl beim einfachen als auch beim schweren Diebstahl haben die Fallzahlen zwischen 1975 und 1986 deutlich zugenommen. Zwischen 1986 und 1998 war jedoch eine Abnahme der Fallzahlen zu verzeichnen. Der in den letzten zehn Jahren in der PKS ausgewiesene Trend einer sinkenden Anzahl an Diebstahlsdelikten wird somit durch die Untersuchung Bochum III bestätigt und kann insofern nicht auf eine verringerte Anzeigeneigung von Diebstahlsopfern zurückgeführt werden. Die seit dem zweiten Meûzeitpunkt 1986 im Hellfeld stark zunehmende Anzahl an Körperverletzungen (vgl. S. 141 f) ist jedoch ± zumindest teilweise ± auch darauf zurückzuführen, daû die Neigung von Opfern einer Körperverletzung, diese bei der Polizei anzuzeigen, deutlich zugenommen hat. Während sich die Anzahl aller polizeilich registrierten Körperverletzungen während des Zeitraums von 1986 bis 1998 mehr als verdoppelt hat, ergab sich bei Betrachtung aller Körperverletzungen (d. h. angezeigte plus nicht angezeigte Straftaten) eine Zunahme von 20 %. Soweit diese Ergebnisse aus der Untersuchung Bochum III auf die Entwicklung in Deutschland allgemein übertragen werden können, ergeben sich somit zumindest Hinweise darauf, daû die Zunahme an Körperverletzungen, wie sie in der BundesPKS ausgewiesen wird, jedenfalls teilweise auf ein verändertes Anzeigeverhalten zurückgeführt werden kann. Sämtliche Befunde zum Verhältnis von Hell- und Dunkelfeld sind jedoch nur unter Vorbehalt zu interpretieren, da sich beim Vergleich der Sondererfassung der Polizei mit den Daten aus der Opferbefragung folgendes Resultat ergab (vgl. S. 136 ff): 347

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S. 348

Die Anzahl angezeigter Straftaten, wie sie von der Bochumer Polizei für das Jahr 1998 ausgewiesen wurde, lag bei den Diebstahlsdelikten deutlich unter derjenigen Fallzahl, die sich ergab, wenn die Ergebnisse aus der Opferbefragung von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit aller Bochumer Bürger hochgerechnet wurden. So wurden 1998 nach den Angaben der Polizei 8.475 Fälle schweren Diebstahls registriert, aufgrund der Werte aus der Dunkelfeldbefragung ergab sich jedoch ein Schätzwert von ca. 16.700 Fällen (siehe Übersicht 99). Übersicht 99:

Summe angezeigter Straftaten gemäû Sondererfassung der Polizei und Opferbefragung Hellfeld (Sondererfassung)

Befragungsdaten

Konfidenzintervall

Anzahl an Fällen

Anzahl an Fällen

Hochrechnung

Untergrenze

Obergrenze

Einfacher Diebstahl

3.619

32

6.784

4.456

9.112

Schwerer Diebstahl

8.475

79

16.748

13.144

20.352

Körperverletzung

1.976

11

2.332

958

3.706

Aufgrund der vorliegenden Informationen und Daten war es nicht möglich, eindeutig zu entscheiden, wodurch diese Divergenzen erklärt werden können. Folgende Ursachen erscheinen jedoch zumindest plausibel (vgl. S. 137): Z

Z

Einigen Befragten war es peinlich, eine Straftat nicht der Polizei gemeldet zu haben. Deshalb wurde von diesen Pbn angegeben, Anzeige erstattet zu haben, obwohl eine solche Anzeige tatsächlich nicht erfolgt ist. Ein Teil aller angezeigten Straftaten, über die in der Dunkelfelderhebung berichtet wurde, fand vor dem Referenzzeitraum (d. h. vor dem 1. 1. 1998) statt, wurde jedoch durch Erinnerungsverzerrungen so wahrgenommen, als habe die Viktimisierung 1998 stattgefunden (sog. Telescoping). Für die Vermutung, daû einige Straftaten bei der Polizei angezeigt wurden, von dieser aber nicht erfaût und somit auch nicht in die Polizeistatistik eingestellt wurden, ergaben sich hingegen keine Hinweise.

Es erscheint dringend geboten, die Gründe für die gefundenen Divergenzen zwischen den Hellfelddaten und der Opferbefragung in zukünftigen Untersuchungen systematisch zu untersuchen, da sich ganz ähnliche Effekte in einer ganzen Reihe weiterer Studien nachweisen lassen (ohne daû dies allerdings von den Autoren diskutiert wurde). Darüber hinaus wurde der Frage nachgegangen, durch welche (soziodemographischen) Merkmale die Opfer krimineller Handlungen beschrieben werden können (vgl. S. 148 ff).

348

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S. 349

Hierbei ergaben sich vor allem mit dem Alter der befragten Pbn starke Zusammenhänge, wie Übersicht 100 verdeutlicht. Übersicht 100:

Inzidenzraten von Diebstahlsdelikten bzw. Raub und Körperverletzung getrennt nach Altersgruppen

Wie man sieht, nimmt die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, mit zunehmendem Alter deutlich ab: Während auf 100 Pbn unter 26 Jahren über 40 Diebstahlsdelikte entfielen, lag die Quote bei den über 75 jährigen bei lediglich sechs Fällen auf 100 Pbn. ¾hnlich starke Zusammenhänge ergaben sich auch bei Gewalttaten (Raub und Körperverletzung). Darüber hinaus zeigte sich, daû Frauen seltener Opfer eines Diebstahls wurden als Männer (vgl. S. 150). Bei den Gewalttaten ergab sich ebenfalls eine höhere Viktimisierungsrate der männlichen Pbn, die jedoch (vermutlich aufgrund der geringen Zahl an Gewaltopfern in der Stichprobe) statistisch nicht signifikant wurde (vgl. S. 150 f). 2.3

Resultate zum Anzeigeverhalten (§§ 7 und 8 der Untersuchung)

Hinsichtlich des Anzeigeverhaltens von Kriminalitätsopfern können vor allem folgende Aspekte als Ergebnisse der Untersuchung Bochum III festgehalten werden: Bei Diebstahlsdelikten gab es (wie in anderen Untersuchungen, vgl. S. 187 f) einen starken Zusammenhang zwischen Versicherungsschutz und Anzeigeneigung eines Opfers. 349

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S. 350

War ein Pb gegen den eingetretenen Schaden versichert, so wurde der Diebstahl nahezu immer (in 89,9 % aller Fälle) der Polizei gemeldet; lag kein Versicherungsschutz vor, betrug die Anzeigequote hingegen lediglich 17,9 %. Wie Übersicht 101 verdeutlicht, hat der Zusammenhang zwischen Versicherungsschutz und Anzeigeverhalten über die drei Jahresmeûzeitpunkte kontinuierlich zugenommen (vgl. S. 188). Übersicht 101:

Anzeigequoten und Versicherungsschutz (bei Eigentumsdelikten) in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III

Diebstahlsdelikte werden somit in zunehmendem Maûe nur noch dann angezeigt, wenn Versicherungsbedingungen eine solche Anzeige erforderlich machen. Ferner zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen der Schadenssumme, die bei einem Diebstahl entstand, und der Bereitschaft des Opfers, diesen Diebstahl bei der Polizei anzuzeigen: So wurden Diebstahlsdelikte mit einem Schaden von unter 25 DM selten angezeigt (in 7,5 % aller Fälle), bei einem Schaden über 1.000 DM lag die Anzeigequote hingegen bei ca. 80 %. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit einer Vielzahl anderer Untersuchungen (vgl. S. 172). Von der objektiven Schwere eines Schadens ist die subjektiv empfundene Schwere einer Viktimisierung zu unterscheiden (vgl. S. 158 f, 166): So kann z. B. der Diebstahl einer Sache, deren objektiver Wert sehr niedrig ist, subjektiv als sehr belastend empfunden werden (z. B. wenn die gestohlene Sache für das Opfer einen hohen ideellen Wert besaû). 350

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S. 351

Diese Abhängigkeit spielt auch bei Körperverletzungen eine wichtige Rolle. Diese werden um so eher angezeigt, je schwerer sie subjektiv erlebt werden. Keine Zusammenhänge zeigten sich hingegen zwischen den objektiven Merkmalen solcher Straftaten (z. B. Art und Schwere der Verletzung, Notwendigkeit medizinischer Versorgung) und dem Anzeigeverhalten. Auch die subjektiv empfundene Schwere einer Körperverletzung wurde nicht von den objektiven Merkmalen der Tat beeinfluût. Gleichwohl zeigte sich, daû Körperverletzungen von den Opfern um so eher angezeigt wurden, je schwerer sie subjektiv erlebt wurden. In einem nächsten Schritt wurde überprüft, ob bestimmte Merkmale eines Pbn seine Anzeigeneigung im Falle einer Viktimisierung beeinflussen (vgl. S. 192 ff). Hierbei ergab sich, daû Straftaten um so eher angezeigt wurden, je leichter es von den Opfern empfunden wurde, eine Straftat bei der Polizei zu melden. Daraus ergibt sich die Schluûfolgerung, daû sich die Polizei stärker als bisher darum bemühen sollte, den Bürgern zu verdeutlichen, auf welche Weise erlittene Viktimisierungen der Polizei gemeldet werden können. Hierdurch könnten auch bestehende ¹Schwellenängsteª von Kriminalitätsopfern abgebaut werden. Ferner zeigte sich, daû junge Opfer erlittene Straftaten seltener anzeigen als ältere Opfer (vgl. S. 196 f). Der Grund hierfür bestand vor allem darin, daû jüngeren Opfern eine Anzeige subjektiv schwerer fiel bzw. darin, daû diese deutlich seltener gegen einen eingetretenen Schaden versichert waren. Keine (bedeutsamen) Zusammenhänge in bezug auf die Anzeigeneigung ergaben sich hinsichtlich des Geschlechts eines Opfers, seiner Beziehung zum Täter sowie seiner Bereitschaft, erlittene Viktimisierungen zunächst mit dem Täter (d. h. ohne Benachrichtigung der Polizei) zu regeln (vgl. S. 195 f, 192 f). Darüber hinaus zeigten sich keinerlei Zusammenhänge zwischen der Anzeigebereitschaft eines Opfers und Merkmalen des Täters. Das galt sowohl für das vom Opfer vermutete Alter des Täters als auch für seine Nationalität (vgl. auch unter Punkt 2.6). Wie schon in den vorhergehenden Untersuchungen wurden die Pbn, die im Referenzzeitraum Opfer eines Diebstahls, eines Raubes bzw. einer Körperverletzung geworden sind, danach gefragt, warum sie die erlittene Straftat angezeigt bzw. auf eine Anzeige verzichtet haben (vgl. S. 201 ff).4 Wie Übersicht 102 zeigt, dominierte bei den Gründen für eine Anzeige sowohl in der Untersuchung Bochum II als auch in der Untersuchung Bochum III der Wunsch nach Schadensersatz von der Versicherung bzw. durch den Täter. In der Untersuchung Bochum I wurden die Pbn lediglich nach ihren Gründen gefragt, erlittene Straftaten nicht bei der Polizei anzuzeigen. Alle anderen Motive wurden wie auch in anderen Untersuchungen (vgl. S. 172) deutlich seltener genannt.

4 In der Untersuchung Bochum I wurden die Pbn lediglich nach ihren Gründen gefragt, erlittene Straftaten nicht bei der Polizei anzuzeigen.

351

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S. 352

Übersicht 102:

Gründe für die Anzeige eines erlittenen Diebstahls (einfacher und schwerer Diebstahl)

Im Gegensatz zu Diebstahlsdelikten wurde bei Körperverletzungen und Raubtaten deutlich seltener angegeben, eine Anzeige sei erfolgt, um bestimmten Versicherungsbestimmungen zu genügen. Gewaltopfer gaben hingegen häufiger als Diebstahlsopfer an, Anzeige erstattet zu haben, ¹damit so etwas nicht noch einmal passiertª bzw. ¹damit der Täter bestraft wirdª.

352

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S. 353

Übersicht 103 zeigt im Langzeitvergleich, welche Gründe von den Opfern (bei Diebstahlsdelikten) in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III angegeben wurden, eine erlittene Straftat nicht anzuzeigen. Übersicht 103:

Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat bei Diebstahlsdelikten (einfacher und schwerer Diebstahl)

353

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S. 354

Wie man sieht, ähnelten sich die angeführten Gründe für den Verzicht auf eine Anzeige bei allen drei Bochumer Untersuchungen. An erster Stelle stand in allen Untersuchungen der Hinweis darauf, daû der erlittene Schaden zu gering gewesen sei. Als zweithäufigster Grund wurde jeweils genannt, daû keine Aussicht auf eine Ergreifung des Täters bestanden habe. Hierbei fällt auf, daû dieses Motiv zwischen der Untersuchung Bochum I und der Untersuchung Bochum II deutlich zugenommen (von 17,4 % aller Nennungen auf 28,2 %), seitdem jedoch nicht weiter an Bedeutung gewonnen hat. Bei den Gründen, auf eine Anzeige zu verzichten, ergaben sich bedeutsame Unterschiede zwischen Diebstahlsdelikten und Gewalttaten (Raub und Körperverletzungen). So wurde bei Gewalttaten häufiger angegeben, daû bei Gericht ¹doch nichts herauskommtª bzw. aus Angst vor Rache durch den Täter die erlittene Straftat nicht angezeigt zu haben (vgl. S. 209). 2.4

Ergebnisse zur Kriminalitätsfurcht (§§ 9 und 10 der Untersuchung)

Auch die (Entwicklung der) Kriminalitätsfurcht ist aus kriminalpolitischer Sicht von Bedeutung, weil sie sich auf das Vertrauen in die Durchsetzungskraft des Rechtsstaates auswirken und kriminalpolitische Forderungen auslösen kann: nämlich solche nach der Verstärkung der Primär- und/oder Sekundär- und/oder Tertiärprävention (vgl. S. 216 ff). Schon in der Untersuchung Bochum I wurde Kriminalitätsfurcht auf drei Ebenen gemessen, und zwar entsprechend der Annahme, daû sie sich aus drei Komponenten zusammensetzt: Z

Z

Z

einer affektiven (gefühlsbezogenen) Komponente, die durch das Unsicherheitsgefühl erfaût wurde: ¹Wie sicher fühlen Sie sich hier in ihrer Wohngegend, wenn Sie alleine sind?ª, jeweils differenziert nach ¹tagsüberª und ¹nachtsª sowie ¹innerhalbª und ¹auûerhalbª der Wohnung; einer kognitiven (verstandesbezogenen) Komponente, die durch die Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung in den letzten fünf Jahren, die Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit bestimmter schwerer Straftaten sowie die Viktimisierungserwartung (also die Erwartung, selbst Opfer zu werden) erfaût wurde; einer konativen (verhaltensbezogenen) Komponente, die durch das Vermeidungsverhalten und die Ergreifung von Abwehrmaûnahmen erhoben wurde.

Zum Unsicherheitsgefühl (vgl. S. 248 ff) hat die Untersuchung Bochum III folgende Resultate erbracht: Fast die Hälfte der Befragten (48,3 %) gab an, sich nachts auûerhalb der eigenen Wohnung ¹ziemlich unsicherª bzw. ¹sehr unsicherª zu fühlen (vgl. dazu Übersicht 104).

354

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S. 355

Übersicht 104:

Unsicherheitsgefühle in Bochum 1999

nachts

tagsuÈ ber

¹Wie sicher fühlen Sie sich hier in Ihrer Wohngegend, wenn Sie alleine sind?ª sehr sicher

eher sicher

ziemlich unsicher

sehr unsicher

gesamt

innerhalb der Wohnung

71,2 % (1.174)

25,4 % (419)

2,5 % (42)

0,8 % (13)

100 % (1.648)

auûerhalb der Wohnung

46,8 % (766)

43,8 % (716)

7,6 % (125)

1,8 % (29)

100 % (1.636)

innerhalb der Wohnung

55,9 % (920)

32,2 % (531)

8,7 % (143)

3,2 % (53)

100 % (1.647)

auûerhalb der Wohnung

19,3 % (310)

32,4 % (522)

31,6 % (508)

16,7 % (269)

100 % (1.609)

Unter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Von den insgesamt 1.661 Befragten konnten zwischen 13 und 52 Pbn nicht berücksichtigt werden, weil keine Angaben vorlagen.

In anderen neueren Untersuchungen (vgl. S. 249) liegen die entsprechenden Prozentzahlen niedriger. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daû Vergleiche zwischen den verschiedenen Studien nur sehr eingeschränkt möglich sind, da sich neben Meûfehlern auch Unterschiede in der Erfassungsart auf die Resultate auswirken. Bezogen auf die Einschätzung der Veränderung der Kriminalität in den letzten fünf Jahren zeigten sich, wie schon in anderen Studien, deutliche Unterschiede zwischen den Bezugsräumen ¹Bundesrepublik Deutschlandª und ¹Wohngegendª: Während (je nach Delikt) zwischen 83 % und 91 % der Befragten eine Zunahme der Kriminalität in Deutschland annahmen, gingen nur 22 % bis 35 % der (Bochumer) Pbn von einer Zunahme in ihrer Wohngegend aus (vgl. S. 251 ff). Auffällig erscheint ferner, daû die Vorkommenshäufigkeit von Gewaltstraftaten erheblich überschätzt wurde (vgl. S. 253 ff). So wurde der Anteil von Mord und Totschlag in der PKS im Mittel (Median Ü Glossar) auf 10 % eingeschätzt (tatsächlich: 0,04 %), der Anteil von gefährlicher und schwerer Körperverletzung im Mittel auf 20 % (tatsächlich: 1,7 %) und die Häufigkeit von Raubstraftaten im Mittel auf 30 % (tatsächlich: 1,0 %). Daû diese Überschätzungen mit der überproportionalen Häufigkeit der Berichterstattung über Gewaltstraftaten in den Medien zu tun haben dürften, bietet sich als primäre Erklärung dieses Phänomens an. Insoweit könnte eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über die tatsächliche Verteilung der Kriminalität teilweise Abhilfe schaffen. Auch bei der Viktimisierungserwartung ergaben sich auffällig hohe Werte (vgl. S. 255 f): 355

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S. 356

Nahezu ein Drittel der Pbn hielt es für wahrscheinlich, im Laufe der nächsten 12 Monate Opfer eines Diebstahls (30,3 %), eines Einbruchs (29,5 %) oder einer Körperverletzung (28,1 %) zu werden. Bezogen auf den Raub waren es (immerhin) noch 22,4 %. Bei der Frage nach dem Vermeidungsverhalten bzw. der Ergreifung von Abwehrmaûnahmen (vgl. S. 257 ff) sind die Angaben der Bochumer Befragten vergleichbar mit den Resultaten anderer neuerer Untersuchungen. Vor allem das Vermeidungsverhalten war bei den Bochumer Pbn ausgeprägt: Über die Hälfte der Befragten (54,7 %) gab an, bestimmte Gegenden in Bochum grundsätzlich zu meiden. Darüber hinaus berichteten 45,5 % der Pbn darüber, daû sie herumstehenden Jugendlichen ausweichen und 38,2 %, daû sie herumstehenden Ausländern aus dem Weg gehen. Abwehrmaûnahmen waren dagegen nach Angaben der Pbn weniger verbreitet: 33,3 % haben Tür- und Fenstersicherungen, 7,1 % Alarmanlagen eingebaut; 16,1 % besitzen Waffen wie CS-Gas und Elektroschocker, und 10,9 % haben einen Selbstverteidigungskurs besucht. Neben diesen beschreibenden Auswertungen wurden auch Zusammenhänge zwischen den Komponenten ermittelt (vgl. S. 260 ff). Dabei konnten durchgehend nur recht gering ausgeprägte Beziehungen gefunden werden. Insoweit wurde festgestellt, daû Gefühle der Unsicherheit mit ausgeprägter Viktimisierungserwartung sowie verstärktem Vermeidungsverhalten auftreten. Hier wird davon ausgegangen, daû diese Zusammenhänge durch Kausalbeziehungen zwischen den Komponenten zu erklären sind: Unsicherheitsgefühle resultieren aus kognitiven Einschätzungen (wie der Viktimisierungserwartung); das Vermeidungsverhalten folgt wiederum aus den Unsicherheitsgefühlen. Überdies sind bei der Einschätzung der Vorkommenshäufigkeit von Mord und Totschlag Zusammenhänge mit dem Unsicherheitsgefühl erkennbar: Die Befragten, die den Anteil dieser Straftaten eher realistisch einschätzten, hatten deutlich niedrigere Unsicherheitsgefühle als die Pbn, die die Vorkommenshäufigkeit stark überschätzten. Zudem wurde in der Untersuchung Bochum III untersucht, inwieweit sich soziodemographische Variablen, vorangegangene Opfererfahrungen der Befragten bzw. ökologische Variablen auf die verschiedenen Komponenten der Kriminalitätsfurcht auswirken. Auch hier ergaben sich jedoch insgesamt eher gering ausgeprägte Zusammenhänge. Bei Heranziehung soziodemographischer Variablen zeigten sich Unterschiede in der Ausprägung der verschiedenen Dimensionen von Kriminalitätsfurcht. Demzufolge sollten die drei Komponenten differenziert betrachtet werden. Weibliche Pbn äuûerten mehr Unsicherheitsgefühle als männliche Befragte, sie überschätzten die Vorkommenshäufigkeit schwerer Delikte stärker und zeigten auch mehr Vermeidungsverhalten (vgl. S. 263 ff). 356

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S. 357

Diese Resultate ergaben sich auch in anderen Studien und werden zumeist mit einer gröûeren körperlichen, psychischen bzw. finanziellen Verletzbarkeit von Frauen in Verbindung gebracht (Vulnerabilitätsthese). Diese These kann jedoch nicht allein zur Erklärung der Differenzen zwischen den Geschlechtern ausreichen. Als weitere mögliche Erklärungen können das Rollenverhalten bzw. die unterschiedliche Erziehung und Sozialisation von Männern und Frauen herangezogen werden. Aufgrund der Vermittlung geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen durch die Eltern bzw. das soziale Umfeld kommt es bei Jungen und Mädchen zu unterschiedlichem Rollenverhalten. Das könnte auch erklären, warum Frauen in vielen Situationen ängstlicher sind als Männer. Das Alter wirkt sich offenbar ebenfalls auf die Ausprägung von Kriminalitätsfurcht aus (vgl. S. 267 ff). So gaben ältere Befragte mehr Unsicherheitsgefühle an als jüngere und zeigten zudem mehr Vermeidungsverhalten. Diese Ergebnisse lassen sich darauf zurückführen, daû sich ältere und jüngere Menschen sowohl bezogen auf Aktivität, Lebensstil und -rhythmus als auch bezogen auf die körperliche Konstitution unterscheiden. Darüber hinaus ist (in Bochum) untersucht worden, ob sich die Einschätzungen von Opfern und Nicht-Opfern unterscheiden. Hier liegt die Vermutung nahe, daû Pbn, die bereits Opfer wurden, eine höhere Viktimisierungserwartung angeben als Befragte ohne diese Erfahrung. Tatsächlich wurde diese Vermutung bestätigt. Opfer erwarteten eher als Nicht-Opfer, wieder viktimisiert zu werden: die Mittelwerte wichen deutlich voneinander ab. Dagegen unterschieden sich Opfer und Nicht-Opfer hinsichtlich ihrer Unsicherheitsgefühle nicht voneinander. Die Pbn, die angaben, Opfer einer Straftat geworden zu sein, wurden ferner gefragt, wie oft sie noch an dieses Erlebnis denken (vgl. S. 270 ff). Durch diese Frage sollte erhoben werden, inwieweit die Opfer ihre Viktimisierung bereits bewältigt haben. Hier zeigte sich, daû Opfer um so mehr Unsicherheitsgefühle äuûerten, je häufiger sie noch an ihre Viktimisierung dachten. Und: Je häufiger die Pbn an das Erlebnis der Viktimisierung zurückdachten, desto mehr Vermeidungsverhalten zeigten sie. Damit ergab sich ein interessanter Zusammenhang (vgl. dazu Übersicht 105): Einerseits unterschieden sich Opfer und Nicht-Opfer ohne Berücksichtigung der Bewältigung nicht in ihrem Unsicherheitsgefühl (siehe die beiden linken Säulen). Andererseits erhöhte sich das Unsicherheitsgefühl, je häufiger die Opfer noch an die Viktimisierung dachten, das heiût, je schlechter sie die Opfererfahrung bewältigt hatten (siehe die rechten Säulen).

357

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S. 358

Übersicht 105:

Zusammenhang zwischen der Bewältigung von Opfererfahrungen und Unsicherheitsgefühlen (Mittelwerte auf einer Skala von 0 bis 12)

Insofern kann festgehalten werden, daû nicht die bloûe Erfahrung einer Viktimisierung ausschlaggebend für erhöhte Unsicherheitsgefühle ist, sondern daû das Gelingen bzw. Miûlingen der Bewältigung die entscheidende Rolle spielt. Daraus ist die kriminalpolitische Forderung abzuleiten, den Opfern (vor allem schwerer Straftaten) stärker Unterstützung bei der Bewältigung anzubieten, z. B. durch Selbsthilfegruppen oder Opferhilfeeinrichtungen. Eine aus kriminalpolitischer Sicht relevante Frage ist ferner die, ob bzw. inwieweit sich Verfallserscheinungen bzw. Zeichen sozialer Destabilisierung (¹signs of incivilityª wie Drogenabhängige, Herumlungern verschiedener Gruppen, Graffiti und Müll) im eigenen Wohngebiet auf Unsicherheitsgefühle und die Viktimisierungserwartung der Bevölkerung auswirken. Die Vermutung eines Zusammenhanges zwischen den Variablen hat sich bestätigt: Pbn, die vermehrt Anzeichen sozialer Destabilisierung wahrnahmen und diese als problematisch einschätzten, fühlten sich unsicherer als andere und erwarteten eher, Opfer einer Straftat zu werden. Im Vergleich mit den Resultaten aus anderen Studien sahen die Bochumer Pbn die Zeichen sozialer Destabilisierung allerdings als deutlich weniger problematisch an (vgl. S. 273 ff). Die Prozentwerte fallen insoweit niedriger aus. Im Vordergrund standen: ¹undisziplinierte Autofahrerª (39,6 % ¹groûes Problemª bzw. ¹sehr groûes Problemª), ¹zerstörte Telefonzellenª (24,2 %), ¹Schmutz/Müllª (22,6 %) und ¹besprühte bzw. verschmutzte Hauswändeª (18,8 %). 358

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S. 359

Auffällig war das Resultat, daû die älteren Befragten die Zeichen sozialer Destabilisierung als offenbar weniger problematisch empfanden als jüngere Jahrgänge. Dabei wurden die Anstrengungen der (Groû-)Städte, die ¹signs of incivilityª in den Innenstädten zu reduzieren, bisher eher damit begründet, daû sich ältere Menschen unwohl, belästigt bzw. bedroht fühlen würden. Ferner stellte sich heraus, daû sich die objektive Kriminalitätsbelastung eines Bezirks nicht auf die Kriminalitätsfurcht auswirkt (vgl. S. 275 ff). Diesbezüglich ergaben sich weder Zusammenhänge mit den Unsicherheitsgefühlen der Befragten noch mit der Viktimisierungserwartung. Dieses Ergebnis ist insoweit auffällig, als häufig angenommen wird, daû die Kriminalitätsfurcht aufgrund der zunehmenden bzw. auf hohem Niveau stagnierenden (Gewalt-)Kriminalität ansteigt. Zudem gab es keinen Zusammenhang zwischen der subjektiven Wahrnehmung von Zeichen sozialer Destabilisierung als problematisch und der Kriminalitätsbelastung eines Bezirks, obwohl das objektive Vorhandensein solcher ¹signs of incivilityª oft Ausdruck einer hohen Kriminalitätsbelastung ist. Als Resultat kann also festgehalten werden, daû klar zwischen objektiven Merkmalen eines Bezirks (wie der Kriminalitätsbelastung oder den Zeichen sozialer Destabilisierung) und der subjektiven Sichtweise der Bewohner dieses Bezirks (ausgedrückt z. B. in Unsicherheitsgefühlen oder der Wahrnehmung von ¹signs of incivilityª als problematisch) zu unterscheiden ist. Folglich kann die Kriminalitätsfurcht nicht allein dadurch reduziert werden, daû Maûnahmen gegen die Kriminalität ergriffen werden oder das äuûere Erscheinungsbild eines Bezirks verbessert wird. Schlieûlich wurden die Einflüsse der Straûenbeleuchtung auf die Kriminalitätsfurcht untersucht (vgl. S. 277 ff). Als ¹zu dunkelª bzw. ¹viel zu dunkelª schätzten insgesamt 32,0 % der Befragten die Straûenbeleuchtung im eigenen Wohngebiet ein. Die übrigen 68,0 % der Bochumer Befragten empfanden ihre Wohngegend als ¹hell genugª. Hier konnte gezeigt werden, daû es einen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Straûenbeleuchtung und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung gibt. Wie Übersicht 106 verdeutlicht, steigt der (Prozent-)Anteil der unsicheren Pbn mit zunehmender Einschätzung der Straûenbeleuchtung als zu dunkel. Kriminalpolitisch gesehen bedeutet das für die Stadt Bochum, daû nicht an der Straûenbeleuchtung gespart werden sollte. Ganz im Gegenteil könnten durch eine bessere Beleuchtung der Straûen die Unsicherheitsgefühle der Bevölkerung gesenkt werden. Die aus Kostengründen vorgenommene Reduzierung der Straûenbeleuchtung in den vergangenen Jahren sollte daher überdacht und im Interesse der Bevölkerung rückgängig gemacht werden.

359

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S. 360

Übersicht 106:

Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Helligkeit der Straûenbeleuchtung und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl in Bochum 1999

* Zusammenfassung der Antwortkategorien ¹sehr sicherª und ¹eher sicherª ** Zusammenfassung der Antwortkategorien ¹sehr unsicherª und ¹ziemlich unsicherª

Wird vor diesem Hintergrund die Entwicklung der Kriminalitätsfurcht betrachtet, so ergibt der Vergleich der Untersuchungen Bochum I bis III das folgende Bild5: Z

Z

Z

Das Unsicherheitsgefühl (vgl. S. 249 ff) stagniert seit Mitte der 80 er Jahre (und das, obwohl im gleichen Zeitraum die (Gewalt-)Kriminalität deutlich zugenommen hat); entsprechende Befunde ergaben sich auch in anderen Studien (vgl. S. 220 f). Auch die Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung hat sich seit 1987 kaum verändert (vgl. S. 252). Zudem wurden in den drei Bochumer Untersuchungen deutliche Unterschiede zwischen den Bezugsräumen Bundesrepublik Deutschland und der eigenen Wohngegend gefunden (Verbrechen-auf-Distanz-Phänomen). Ferner sind die Angaben der Befragten zum eigenen Vermeidungsverhalten bzw. zur Ergreifung von Abwehrmaûnahmen seit 1987 im wesentlichen gleich

5 Dabei muû jedoch berücksichtigt werden, daû die Resultate der Untersuchung Bochum I nur eingeschränkt mit denen der Untersuchungen Bochum II und III vergleichbar sind. Aufgrund einer anderen Zielsetzung wurde 1976 nur eine kleine Stichprobe aus vier Bochumer Wohngebieten untersucht, weshalb die Übertragung der Resultate auf ganz Bochum nicht gesichert erscheint (vgl. S. 249 f).

360

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S. 361

geblieben (vgl. S. 257 ff). Insbesondere das Vermeidungsverhalten ist nach wie vor stark ausgeprägt. Bei den Abwehrmaûnahmen ergab sich lediglich bei dem Einbau von Tür- und Fenstersicherungen eine nennenswerte Abnahme; möglicherweise gelten dabei aber bestimmte Maûnahmen heute als normal (und somit nicht erwähnenswert), die 1987 noch genannt wurden. Z

Bezogen auf die soziodemographischen Variablen ergab sich 1999 ± wie auch schon 1976 und 1987 ± eine (in den meisten Dimensionen) erhöhte Kriminalitätsfurcht bei Frauen und älteren Menschen beiderlei Geschlechts. Allerdings hat sich der Unterschied zwischen den nächtlichen Unsicherheitsgefühlen der befragten Frauen und Männer im Vergleich zu den Untersuchungen Bochum I und II verringert (vgl. Übersicht 107). Während der Prozentsatz der Männer, die sich nachts auûerhalb der Wohnung ¹sehr unsicherª fühlten, über die drei Jahresmeûpunkte nahezu identisch geblieben ist (etwa 8 %), hat sich der Anteil der Frauen von 36,8 % (1976) über 30,0 % (1987) auf 24,2 % (1999) reduziert.

Übersicht 107:

Nächtliches Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung nach dem Geschlecht in den Untersuchungen Bochum I, II und III

Beim Alter scheint sich bezogen auf die konative Komponente eine Veränderung vollzogen zu haben: Während 1976 jüngere Befragte insgesamt mehr Schutzmaûnahmen (also Vermeidungsverhalten und Abwehrmaûnahmen) ergriffen haben, gaben 1999 die jüngeren Pbn lediglich mehr Abwehrmaûnahmen zum Schutz der eigenen Person an; dagegen zeigten sie weniger Vermeidungsverhalten und ergriffen weniger Abwehrmaûnahmen zum Schutz des Eigentums als die älteren Befragten. 361

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Z

S. 362

Übereinstimmende Resultate liegen bezüglich der Zusammenhänge mit der Kriminalitätsbelastung vor: Sowohl in der Untersuchung Bochum I als auch in der Untersuchung Bochum III ergaben sich keine bedeutsamen Zusammenhänge zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der Kriminalitätsbelastung eines Bezirkes.

2.5

Ergebnisse zum Ansehen der Polizei (§§ 11 und 12 der Untersuchung)

Das Ansehen der Polizei wurde in der Untersuchung Bochum III unter zwei Aspekten betrachtet (siehe Übersicht 108): Z Z

einerseits als Ruf, den die Polizei in der Bevölkerung hat, und andererseits als die persönliche Bewertung der Polizei insgesamt durch den einzelnen Bürger.

Übersicht 108:

Aufbau der Untersuchung zum Ansehen der Polizei

Es hat sich gezeigt, daû der Bochumer Polizei ganz überwiegend ein guter Ruf in der Bevölkerung bescheinigt wird (vgl. S. 310). Die Frage: ¹Hat die Polizei in der Bochumer Bevölkerung im groûen und ganzen gesehen einen guten Ruf?ª beantworteten 28,8 % der befragten Bürger mit ¹eher jaª und weitere 30,8 % mit ¹jaª. Auffällig ist, daû der Ruf in der Bevölkerung um so positiver eingeschätzt wurde, je älter die Pbn waren. Männer und Frauen vermuteten den Ruf gleich positiv. 362

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S. 363

Auch die persönliche Bewertung der Polizei durch die einzelnen Befragten fiel überwiegend positiv aus. Bei dieser Fragestellung sollten die Pbn Schulnoten von ¹sehr gutª bis ¹ungenügendª vergeben. So wurde die Frage: ¹Wie beurteilen Sie persönlich die Bochumer Polizei ganz allgemein bzw. insgesamt?ª von 35,3 % der Pbn mit ¹gutª und von 45,0 % mit ¹befriedigendª beantwortet (siehe Übersicht 109). Die Durchschnittsbewertung (nach Schulnoten von 1 ¹sehr gutª bis 6 ¹ungenügendª) lag bei 2,7. Übersicht 109:

Persönliche Bewertung der Polizei

Je älter die Pbn waren, desto positiver bewerteten sie auch persönlich die Polizei. Keine Unterschiede in der Bewertung der Polizei insgesamt gab es wiederum zwischen männlichen und weiblichen Befragten. Ferner ist in Bochum untersucht worden, von welchen Einfluûfaktoren die persönliche Bewertung abhängig ist (siehe auch Übersicht 108). Insoweit sind zunächst die Bewertung der Aufgabenerfüllung und der Umgangsformen der Polizeibeamten von Bedeutung. Hinsichtlich der Aufgabenerfüllung wurde zwischen den Bereichen ¹Regelung und Überwachung des Straûenverkehrsª und ¹Verhinderung und Aufklärung von Straftatenª unterschieden (vgl. S. 313). Die Pbn sollten mit einer Schulnote bewerten, wie zufrieden sie mit der entsprechenden Aufgabenerfüllung sind. Für ihre Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr erhielt die Bochumer Polizei von den Befragten durchschnittlich die Note 2,9; die Aufgabenerfüllung bei der Kriminalitätsbekämpfung wurde mit 3,1 etwas negativer beurteilt. Die Polizei wurde somit in beiden Aufgabengebieten ungünstiger eingeschätzt als in der Gesamtbewertung (2,7). Daran zeigt sich bereits, daû die persönliche Be363

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S. 364

wertung der Polizei insgesamt nicht nur mit der Bewertung der Aufgabenerfüllung zu tun haben dürfte. So hängt die persönliche Bewertung (wie sich zumindest in Bochum gezeigt hat) vor allem auch von den wahrgenommenen Umgangsformen und der eingeschätzten Kompetenz der Polizeibeamten ab, die in dieser Studie auffällig positiv bewertet wurden (Vgl. S. 320). 85,8 % der Befragten hielten den typischen Bochumer Polizeibeamten für ¹eher hilfsbereitª bzw. ¹hilfsbereitª, 81,2 % sahen ihn als ¹eher kompetentª bzw. ¹kompetentª an, und 84,1 % schätzten ihn als ¹eher höflichª bzw. ¹höflichª ein (siehe Übersicht 110). Übersicht 110:

Bewertung eines typischen Bochumer Polizeibeamten ¹Wie schätzen Sie einen typischen Bochumer Polizisten ein?ª Hilfsbereitschaft weiû nicht 4,5 % (75)

nicht hilfsbereit 2,2 % (37)

eher nicht hilfsbereit 7,6 % (126)

eher hilfsbereit 40,0 % (662)

hilfsbereit 45,6 % (753)

eher kompetent 41,4 % (682)

kompetent 39,8 % (657)

eher höflich 32,9 % (543)

höflich 51,2 % (846)

Kompetenz weiû nicht 7,1 % (117)

inkompetent 2,9 % (47)

eher inkompetent 8,9 % (146) Höflichkeit

weiû nicht 3,5 % (57)

unhöflich 3,5 % (58)

eher unhöflich 8,9 % (147)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen. Keine Angaben machten zur Hilfsbereitschaft 8 Pbn, zur Kompetenz 12 Pbn und zur Höflichkeit 10 Pbn.

Bedeutsame Unterschiede in der Bewertung der Umgangsformen und der Kompetenz gab es hinsichtlich des Alters. Je älter die Befragten waren, desto hilfsbereiter, kompetenter und höflicher schätzten sie den typischen Bochumer Polizeibeamten ein. Keine nennenswerten Unterschiede zeigten sich bei der Einschätzung der Umgangsformen/Kompetenz durch männliche und weibliche Pbn. Nach diesen Resultaten erweisen sich Anstrengungen der Polizeiführung, die Umgangsformen der Polizeibeamten zu schulen, als der richtige Weg, um das Ansehen der Polizei in der Bevölkerung weiter zu erhöhen. Gute Umgangsformen gehören auch zu dem Konzept der bürgerorientierten Polizeiarbeit (sog. community policing). Weiterhin wurde untersucht, wie zufrieden Personen, die nach eigenen Angaben 1998 eine Straftat in Bochum angezeigt haben, mit dem konkreten Verhalten der Polizeibeamten bei der Anzeigeerstattung waren. 364

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S. 365

Dazu ergab sich, daû die befragten Opfer das Verhalten der Polizei durchschnittlich mit der Note 2,6 bewerteten. Darüber hinaus bewerteten Opfer, die mit der Polizei bei der Aufnahme einer Anzeige zufrieden waren, diese auch insgesamt positiver als Anzeigeerstatter, die in dieser Hinsicht unzufrieden waren. Deshalb ist von Interesse, wovon es abhängt, ob ein Opfer mit dem Verhalten der Polizeibeamten bei der Aufnahme der Anzeige zufrieden oder unzufrieden ist. Insoweit hat sich zum einen ergeben, daû mangelnde Erfolge bei der Täterermittlung dann von den Opfern verziehen werden, wenn sie das Gefühl haben, die Polizei habe jedenfalls alles versucht, um die Tat aufzuklären (vgl. S. 326). Dementsprechend bewerteten Opfer, die den Eindruck hatten, die Polizei habe sich wirklich um die Tataufklärung bemüht, die Polizei in der Anzeigesituation durchschnittlich mit der Note 1,9. Anzeigeerstatter, die nicht diesen Eindruck hatten, vergaben hingegen die Durchschnittsnote 3,5. Zum anderen waren Opfer um so zufriedener mit der Polizei im Rahmen ihrer Anzeige, je positiver sie die Umgangsformen der Polizeibeamten bei der Anzeigeerstattung wahrnahmen (vgl. S. 328). Zur Bewertung dieser Umgangsformen zeigten sich folgende Resultate: 63,7 % der Opfer bezeichneten die Polizeibeamten als mitfühlend, 62,9 % als engagiert und 77,0 % als ausgeglichen. Ferner waren 84,4 % der Opfer der Meinung, der Polizeibeamte hätte sich ausreichend Zeit genommen. Im übrigen ist aber nicht zu übersehen, daû sich fast jeder fünfte Anzeigeerstatter (17,8 %) in seinem Anliegen nicht ernst genommen fühlte (siehe Übersicht 111). Dieses Resultat würde vermutlich bei einem privaten Unternehmen erhebliche Diskussionen hervorrufen. Übersicht 111:

Bewertung weiterer Aspekte in der Anzeigesituation ¹Hat der Polizist, dem Sie die Straftat gemeldet haben, versucht, Sie ¸abzuwimmeln`?ª weiû nicht: 2,2 % (3)

ja: 7,4 % (10)

nein: 90,4 % (122)

¹Hatten Sie das Gefühl, von dem Beamten in Ihrem Anliegen ernst genommen zu werden?ª weiû nicht: 3,0 % (4)

ja: 79,3 % (107)

nein: 17,8 % (24)

¹Hat der Polizist, dem Sie die Straftat gemeldet haben, sich ausreichend Zeit für Sie genommen?ª weiû nicht: 5,2 % (7)

ja: 84,4 % (114)

nein: 10,4 % (14)

Hinter den Prozentwerten stehen in Klammern die absoluten Zahlen.

365

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S. 366

Schlieûlich wurde untersucht, welche sonstigen Kontakte die Pbn ± unabhängig von einer Anzeigeerstattung ± innerhalb der letzten 12 Monate mit der Polizei gehabt haben (vgl. S. 330 ff). In Betracht kamen z. B. Kontakte im Straûenverkehr, eine Auskunft durch die Polizeibeamten, eine Zeugenaussage, die Schlichtung eines Konflikts oder eine Ordnungswidrigkeit bzw. die Einleitung eines Strafverfahrens. Insoweit gaben fast 60 % der Pbn, die einen Kontakt mit der Polizei hatten, an, daû dieser sich im Straûenverkehr ereignet hat. Dabei zeigte sich, daû mit steigendem Alter die Kontakte mit der Polizei im Straûenverkehr abnahmen. Auffällig ist, daû die Gruppe der 26- bis 35 jährigen die meisten Kontakte in diesem Bereich hatte. Auch hinsichtlich des Geschlechts ergaben sich Unterschiede: So gaben männliche Pbn doppelt so häufig wie weibliche Befragte an, Kontakt mit der Polizei im Bereich des Straûenverkehrs gehabt zu haben. Das Verhalten der Beamten in allen Kontaktsituationen wurde von den Pbn durchschnittlich mit der Note 2,4 bewertet. Übersicht 112:

Ruf der Polizei im Vergleich der Untersuchungen Bochum II und Bochum III

Ein Vergleich mit den Ergebnissen der Untersuchungen Bochum I und II ist nur partiell möglich, da in den früheren Studien dem Thema ¹Ansehen der Polizeiª noch nicht die Bedeutung eingeräumt wurde, wie das in der Untersuchung Bochum III geschah. So wurden in der Untersuchung Bochum III erheblich mehr Fragen zu diesem Thema eingesetzt als das früher der Fall war. Einige Vergleiche lassen sich jedoch anstellen. Es zeigte sich, daû in der Untersuchung Bochum II weniger Pbn einen guten Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung vermuteten als die Befragten in der Untersuchung Bochum III. So nahmen in der Untersuchung Bochum II 45,5 % einen 366

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S. 367

¹eher gutenª bzw. ¹gutenª Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung wahr, während es 1999 fast 60 % waren (siehe Übersicht 112). Es läût sich somit feststellen, daû die Pbn in der Untersuchung Bochum III eine gröûere Akzeptanz der Polizei in der Bevölkerung wahrnahmen. Ferner zeigten sich in beiden Untersuchungen (Bochum II und III) die folgenden Resultate: Z

Z

Z

Z

2.6

¾ltere Befragte vermuteten in beiden Untersuchungen eher als jüngere Bürger einen guten Ruf der Polizei in der Bevölkerung; dagegen gab es diesbezüglich in beiden Untersuchungen keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Pbn (vgl. S. 310 f). In beiden Untersuchungen fiel die eigene Meinung der Befragten über die Polizei insgesamt eher positiv aus. Darüber hinaus zeigte sich in beiden Untersuchungen, daû sich Männer und Frauen in ihrer Einschätzung der Polizei nicht unterscheiden (vgl. S. 313). Sowohl in der Untersuchung Bochum II als auch in der Untersuchung Bochum III ist die Kriminalitätsbekämpfung von den älteren Befragten positiver eingeschätzt worden als von jüngeren Pbn. Positive Erfahrungen mit der Polizei haben nach den Ergebnissen beider Untersuchungen die Einstellung zur Polizei insgesamt nicht beeinfluût, während negative Erfahrungen sie bedeutsam verschlechterten. Resultate zu Nicht-Deutschen

In die Untersuchung Bochum III sind auch ± wie schon oben erwähnt ± Ausländer bzw. Nicht-Deutsche, soweit diese zur Bochumer Wohnbevölkerung zählten, einbezogen worden. Nicht-Deutsche erscheinen inzwischen in der Kriminalstatistik weit überproportional häufig. Nach der PKS wurden in der Bundesrepublik 1998 insgesamt 628.477 Nicht-Deutsche gezählt. Das entspricht einem Anteil an den Tatverdächtigen von 27,1 %, und zwar bei einem Bevölkerungsanteil von nur rund 9 %. Die Verzerrungsfaktoren, die dieses Ergebnis z. T. erklären, gehören grundsätzlich nicht zu den Themen der Untersuchung Bochum III. Diese hat sich vielmehr mit den Fragen befaût, Z

Z

Z

Z Z

ob Straftäter, wenn sie vom Opfer als Nicht-Deutsche wahrgenommen werden, eher angezeigt werden als deutsche Täter; ob Nicht-Deutsche im Falle einer Viktimisierung seltener Anzeige erstatten als deutsche Opfer; ob sich Unterschiede der Einschätzung von Krimalitätsphänomenen durch Deutsche und Nicht-Deutsche nachweisen lassen; ob Nicht-Deutsche häufiger als Deutsche Opfer von Straftaten werden; ob Zusammenhänge zwischen dem Anteil an Nicht-Deutschen und der Kriminalitätsbelastung eines (Polizei)-Bezirks bestehen (vgl. S. 91).

Die ersten vier Fragen können allerdings wegen der relativ geringen Zahl nichtdeutscher Pbn (in der Stichprobe) nur i. S. einer Pilotuntersuchung relevant sein. 367

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S. 368

Zusammenhänge zwischen der Anzeigebereitschaft eines Opfers und der (vermuteten) Nationalität des Tatverdächtigen ergaben sich nicht (vgl. S. 200 f). Dieses Ergebnis dürfte im Rahmen der kriminalpolitischen Diskussion interessant sein. Denn von einer Reihe von Kriminologen wird vermutet, die höhere Kriminalitätsbelastung der Nicht-Deutschen (in der PKS) könne (zumindest teilweise) dadurch erklärt werden, daû die Anzeigeneigung gegenüber nicht-deutschen Tätern systematisch höher sei als gegenüber deutschen Tätern. In bezug auf das Anzeigeverhalten hat sich gezeigt (vgl. S. 198): Von den Deutschen, die Opfer eines Diebstahls wurden, haben die Straftat 40,7 % (114 Pbn) angezeigt, bei den Nicht-Deutschen waren es von 21 lediglich 4 (19,0 %). Die Höhe des Schadens hat dabei keine Rolle gespielt, wohl aber die vermuteten Schwierigkeiten bei der Anzeigeerstattung; vor allem dürfte von Bedeutung gewesen sein, daû (nach eigenen Angaben) nur 12,5 % der Nicht-Deutschen gegen den Diebstahl versichert waren, während es bei den Deutschen 40,7 % gewesen sind, also drei Mal so viele. Auffällig ist ferner, daû sich nicht-deutsche und deutsche Pbn in ihrer Einstellung zur Polizei nur geringfügig unterschieden (vgl. S. 313). In der öffentlichen Auseinandersetzung wird oft anders diskutiert. So wurde der Ruf der Polizei in der Bochumer Bevölkerung von den nicht-deutschen und deutschen Befragten gleich positiv eingeschätzt. Auch hinsichtlich der persönlichen Bewertung äuûerten die Nicht-Deutschen mit einem Wert von 2,6 nahezu die gleiche Meinung über die Polizei wie die Deutschen (2,7). Die Aufgabenerfüllung der Polizeibeamten im Straûenverkehr wurde hingegen von den nicht-deutschen Pbn mit einer Durchschnittsnote von 2,5 sogar etwas positiver eingeschätzt als von den deutschen Befragten, die in dieser Hinsicht die Durchschnittsnote 3,0 vergaben. Keine nennenswerten Unterschiede in der Bewertung der Polizei durch NichtDeutsche und Deutsche zeigten sich bei der Bewertung der Umgangsformen/Kompetenz eines typischen Bochumer Polizeibeamten und hinsichtlich der Frage, ob ein Polizeibeamter eine Respektsperson sei. Im Rahmen der Befragung ergaben sich im Hinblick auf Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikte beim Vergleich deutscher und nicht-deutscher Pbn keine Unterschiede in den Viktimisierungsraten (vgl. S. 151). Eine Auswertung der Daten der Sondererfassung läût es jedoch plausibel erscheinen, daû dieses Ergebnis auch auf den geringen Stichprobenumfang zurückgeführt werden könnte. Dort ergab sich nämlich sehr wohl eine höhere Opferbelastung bei Nicht-Deutschen (z. B. hinsichtlich Körperverletzungen). Der Anteil der in der PKS registrierten nicht-deutschen Tatverdächtigen betrug (1998) in Bochum insgesamt 19,2 %. Beim Raub waren es 29,2 %, bei der Körperverletzung 21,8 %, beim einfachen Diebstahl 15,6 % und beim schweren Diebstahl 14,2 %. Im Vergleich zum Anteil der Nicht-Deutschen an der Gesamtbevölkerung 368

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S. 369

Bochums (1998: 8,8 %) sind die Nicht-Deutschen damit (wie im Bund und Land auch) deutlich überrepräsentiert. Betrachtet man den Anteil der Nicht-Deutschen in den einzelnen Bochumer Bezirken im Kontext der jeweiligen Kriminalitätsbelastung (gemessen in Hz) so ergibt sich das folgende Bild (vgl. S. 91): Z

Z

Z

3

In den einzelnen Bochumer Polizeibezirken schwankt der Anteil der NichtDeutschen zwischen 2 % (Bezirk Eppendorf) und 33 % (im Bezirk Querenburg/Universität). Zwischen dem Anteil Nicht-Deutscher und der Kriminalitätsbelastung eines Bezirks scheinen Zusammenhänge zu bestehen. So fällt auf, daû die Zahl der Straftaten, die in einem Bezirk verübt werden, um so höher ist, je höher der Anteil der nicht-deutschen Einwohner ist. Auch die Zahl der Tatverdächtigen-Wohnsitze eines Bezirks ist um so höher, je höher der Anteil der nicht-deutschen Einwohner ist. Vorteile der ¹Inselbefragungª

Nicht zuletzt hat die Untersuchung Bochum III eine (weitere) Fehlerquelle der Dunkelfeldforschung aufdecken können (vgl. S. 138 ff), die bisher (öffentlich) noch nicht diskutiert wurde. Dieser Verzerrungsfaktor läût sich in regionalen Studien eher beheben als das in bundesweit angelegten Umfragen der Fall sein dürfte. Deshalb sollte statistikbegleitende Dunkelfeldforschung i. S. von ¹Inselbefragungenª, etwa nach dem Bochumer Beispiel kleinräumiger durchgeführt werden. Für eine solche räumliche Begrenzung (z. B. auf ein Stadtgebiet) sprechen nach den Bochumer Erfahrungen (und damit gegen Groûflächenumfragen) auch noch die folgenden Argumente: Z

Z

Z

Z

erstens lassen sich bei regional begrenzten Umfragen einfacher höhere Ausschöpfungsquoten erzielen; zweitens kann die Ausbildung und Kontrolle (!) der Interviewer besser gewährleistet werden (vgl. den Gesprächsleitfaden im Anhang), als das beim Einsatz kommerzieller Feldforschungsinstitute der Fall sein kann; das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Mehrthemenbefragungen handelt6; drittens sind (vor allem) Interviewer aus der Juristischen Fakultät, die es in den meisten Universitätsstädten gibt, in der Lage, deliktische Sachverhalte unter die Strafbestimmungen des StGB zu subsumieren: bei Befragungen durch kommerzielle Unternehmen ist das schwieriger (oder gar nicht) zu organisieren7; viertens besteht die Möglichkeit, durch den Einsatz nicht-deutscher Studenten als Interviewer auch ausländische Mitbürger, die von kommerziellen Umfrage-

6 Vgl. insoweit die Probleme, die bei Heinz, Wolfgang u. a. auftreten: Heinz, Wolfgang u. a.: Opferbefragungen 1997. Konstanz 1998. 7 Dazu Dörmann, Uwe: Dunkelfeldforschung im Dunkeln. In: Kriminalistik, Jg. 42, Heft 7, 1988, S. 403 ff; Heinz, Wolfgang u. a., a. a. O. (FN 6).

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S. 370

Unternehmen oft gar nicht berücksichtigt werden, besser (als das sonst möglich ist) in die Befragung mit einzubeziehen; fünftens wird die Möglichkeit eines genaueren Abgleichs der Daten aus der Dunkelfeldbefragung mit den Hellfeld-Informationen eröffnet; sechstens ist bei telefonischen Befragungen die Durchführung der Umfrage in einem städtischen Telefonnetz (zumindest bisher noch) kostengünstiger als bei Telefongesprächen, die landesweit geführt werden müssen; siebtens können die Informationen auch im Rahmen der kriminologischen Regionalanalyse (vgl. dazu die Hinweise in der Vorbemerkung) genutzt werden; das gilt auch für Informationen, die für die Ursachenforschung relevant sind.

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S. 371

Anhang Im Anhang sind die wichtigsten Materialien aufgeführt, die im Rahmen der Konzipierungs- und Erhebungsphase der Untersuchung Bochum III eingesetzt wurden. Dazu gehören auch die Fragebögen und die Anschreiben an die Pbn. Abgedruckt wurden ferner Auszüge aus dem Gesprächsleitfaden, der die Grundlage für die intensive Schulung der beteiligten Interviewer bildete, in der Erwartung, daû dieser im Rahmen anderer Untersuchungen ausgebaut werden kann. Schlieûlich sollen Zeitungsausschnitte aus der örtlichen Presse die Begleitung und Unterstützung der Untersuchung durch die regionalen Medien hervorheben. Ohne diese Hilfe wären vermutlich die hohen Ausschöpfungsquoten in Bochum nicht zustande gekommen. Der Anhang schlieût mit den Verzeichnissen und dem Glossar, das u. a. die Methodik-Kapitel ergänzt. Gliederung 1 1.1 1.2

Materialien zur Konzipierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Der Gesprächsleitfaden (Interviewerschulung) . . . . . . . . . . . . . 372 Anschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Materialien aus der Erhebungsphase Mantelfragebogen . . . . . . . . . . . . . . . Deliktsfragebogen Diebstahl/Raub. . . . Deliktsfragebogen Körperverletzung . . Antwortvorgaben. . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktprotokollbogen mit Legende . .

3

Pressespiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

4 4.1 4.2 4.3 4.4

Verzeichnisse und Glossar . Verzeichnis der Übersichten . Abkürzungsverzeichnis . . . . Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . .

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393 393 397 399 401 403

415 415 421 423 431

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S. 372

1

Materialien zur Konzipierungsphase

1.1

Der Gesprächsleitfaden (Interviewerschulung)

Der Gesprächsleitfaden ist bewuût in einem lockereren Stil verfaût, da er sich primär nicht an Wissenschaftler, sondern an die Interviewer der Untersuchung Bochum III wandte. Aufgrund seines erheblichen Umfangs muûte von einem vollständigen Abdruck des Gesprächsleitfadens abgesehen werden, doch sollen die folgenden Auszüge zumindest einen Eindruck über die Inhalte der Interviewerschulung vermitteln. 1.1.1

Auftreten an der Haustür und am Telefon

Gerade bei sensiblen Gesprächsthemen, wie sie im Rahmen der kriminologischen Opferbefragung typisch sind, muû der Pb das uneingeschränkte Vertrauen in eine seriöse, wissenschaftlichen Interessen dienende Forschungsarbeit gewinnen. Bleiben ernstliche Zweifel an der Seriosität der Untersuchung, wird der Pb im Regelfall nicht zu einem wahrheitsgemäûen Antwortverhalten und schon gar nicht zu Schilderungen von eigenen Viktimisierungen bereit sein. Der Interviewer hat daher schon im ersten Moment der Kontaktaufnahme an der Haustür den Grundstein für diese Vertrauensbildung beim Pbn zu legen. Aus der Fremdheit der im Interview beteiligten Personen ergeben sich hierbei im folgenden dargestellte Konsequenzen für das Verhalten des Interviewers beim ersten Auftritt. Wenn sich zuvor fremde Personen in einer geschäftlichen oder privaten Situation zum ersten Mal begegnen, ist häufig schon der erste Eindruck von entscheidender Bedeutung und wirkt sich zumindest auf die ersten Phasen des Kommunikationsprozesses aus. In Situationen, in denen der Mensch ¹Neuartigem, Unbekanntem gegenübersteht, versucht er, die vorhandene Unsicherheit und Orientierungslosigkeit durch Einordnung in sein bisheriges Erfahrungs- und Bezugssystem abzubauenª1. Bei fremden Menschen geschieht dies in der Regel durch spontane Bewertung der äuûeren Faktoren wie Aussehen, Kleidung, Gesichtsausdruck, Gestik, Ausstrahlung, Sprachverhalten usw. Der Interviewer sollte folglich ein Verhalten anstreben, das unterstützend für das seriöse Image der Studie wirkt. Das setzt allgemein voraus, daû der Interviewer Verhaltensweisen wählt, die die geringste Fläche negativen Anstoûes bieten und die am wenigsten zu unliebsamen Reaktionen reizen können. Das bedeutet also eine Ausrichtung der Faktoren auf eine möglichst ¹massenkompatibleª Wirkung, also Orientierung am durchschnittlichen Probandentyp.

1 Weis, Hans Christian: Verkaufsgesprächsführung. Ludwigshafen 1992, S. 149.

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Gepflegtes ¾uûeres Schon das Aussehen des Interviewers kann den seriösen Charakter der Studie unterstützen. Ein gepflegtes ¾uûeres ist ein Faktor, der sich unterstützend auf die Bewertung des Interviewers durch den Pbn auswirken kann. Wahl der Bekleidung Der Interviewer kann durch geschickte Wahl seiner Kleidung unterstützend auf eine Akzeptanz durch den Pbn hinwirken. Gerade in Hinblick auf das junge Durchschnittsalter der Bochumer Interviewer können diese durch einen angemessenen Kleidungsstil gegenüber den meist älteren Pbn ein kompetentes, seriöses Image unterstützen. Solche Erwägungen führten in der Vergangenheit sogar nicht selten ¹zu einer Krawattenempfehlung mancher Umfrageinstitute für ihre männlichen Interviewerª2. Jedoch ist es eher abzulehnen, eine generelle Krawattenpflicht zu fordern. Denn gerade bei Pbn aus niedrigeren sozialen Schichten könnte dieser Stil möglicherweise sogar eher zu Akzeptanzproblemen führen und Assoziationen mit ungeliebten Vertreterbesuchen auslösen. Vermieden werden sollten somit v. a. ungepflegt wirkende oder allzu legere Kleidungsstücke oder das Tragen besonders greller Farben. Vor allem ist von Aufschriften auf T-Shirts und Pullovern, die provokante Thesen oder Motive beinhalten oder z. B. eine bestimmte politische Gesinnung erkennen lassen, grundsätzlich abzusehen. Beachtung bestimmter Umgangsformen Die Einhaltung gewisser Umgangsformen ist neben der Tatsache, daû sie schon allein dem Gebot der Höflichkeit entspricht, unverzichtbar, um das seriöse Image der Studie zu unterstützen. Daher sind folgende ¹Benimm-Regelnª zu beachten: Z Z Z Z

Z

Z

Z Z

Vor Betreten der Wohnung Füûe abputzen. Garderobe nur ablegen, wenn dieses vom Pbn angeboten wird. Kein Kaugummi kauen, keine Zigaretten rauchen. Warten bis Platz angeboten wird, ansonsten höflich fragen. Für angebotenen Platz bedanken. Bei der Sitzposition einen angemessenen Abstand zum Pbn einnehmen. Nicht neben dem Pbn, sondern gegenüber oder über Eck sitzen. Pbn nicht zum Mitlesen der Fragen verführen, aber auch kein offensichtliches Verbergen der Texte. Den Pbn häufig mit seinem Namen ansprechen. Geduldig sein, auch bei lethargischen Pbn, nie drängeln.

2 Steinert, Heinz: Das Interview als soziale Interaktion. In: Reuband, Karl-Heinz/Meulemann, Heiner (Hg.): Soziale Realität im Interview. Frankfurt 1984, S. 19.

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Sicheres Auftreten Sicheres Auftreten bedeutet, daû der Interviewer dem Auûenstehenden vermittelt, daû er an seiner Person und seiner Geeignetheit zu der Durchführung des Interviews keine Zweifel besitzt, und daû er selbst von der Richtigkeit und Wichtigkeit des Interviews und der gesamten Studie hundertprozentig überzeugt ist. Entschlossenheit Der Interviewer zeigt Entschlossenheit, ¹wenn er glaubhaft demonstriert, daû er sich für das, was er als richtig erkannt hat, mit seinen gesamten Kräften einsetztª3, in diesem Fall natürlich für die Untersuchung Bochum III. Persönliche Autorität und fachliche Kompetenz Der Interviewer sollte persönliche Autorität und fachliche Kompetenz ausstrahlen. Das gelingt ihm vor allem dann, wenn er im Pbn das Gefühl erzeugt, daû er seine Rolle und seine Aufgaben als Interviewer beherrscht und bezüglich Studie und Gesamtthematik fachliche Kompetenz besitzt. Diese Kompetenz kann der Interviewer vor allem dadurch unter Beweis stellen, daû er auf die möglichen Einwände der Pbn gegen die Teilnahme immer eine schnelle, schlüssige und den Pbn zufriedenstellende Antwort parat hat. Glaubwürdigkeit Der Interviewer wirkt glaubwürdig, wenn es ihm gelingt, von Anfang an so aufzutreten und zu argumentieren, daû keine Zweifel an seinen Aussagen entstehen. Erreicht werden kann diese Glaubwürdigkeit, wenn der Interviewer die zuvor genannten Eigenschaften, vor allem aber fachliche Kompetenz besitzt und ausstrahlt und er ferner in der Lage ist, dem Pb Sinn und Zweck sowie die Wichtigkeit der Befragung zu erläutern. Vorzeigen des Interviewerausweises Der Interviewer hat stets seinen Interviewerausweis mit sich zu tragen und dem Pbn unaufgefordert vorzuzeigen. Zusätzlich sollte er das Anschreiben zu der Untersuchung mit sich führen und bereit halten. Allerdings sollte der Interviewer keinen Aktenkoffer tragen, um jeglichen Vertretereindruck zu vermeiden. 1.1.2

Gesprächsführung

Wie sich aus der sozialen Situation und Rollenverteilung im Interview ergibt, fällt dem Interviewer schon an sich die Rolle des aktiven, das Geschehen lenkenden 3 Weis, Hans Christian: Verkaufsgesprächsführung. Ludwigshafen 1992, S. 149.

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Parts zu. Das ist auch gut so, denn eine zügige, aber korrekte und vollständige Durchführung des Interviews ist nur möglich, wenn das Gesamtinterview gemäû des durchdachten, für alle Interviewer gleichermaûen gültigen Gesprächsleitfadens vollzogen wird. Bei zögerlicher, unsicherer Gesprächsführung seitens des Interviewers besteht die Gefahr, daû ein besonders dominanter und mitteilungsbedürftiger Gesprächspartner das ¹Ruder an sich reiûtª und somit die Ausführung des Interviews gefährdet oder zumindest die Länge und somit die Kosten des Interviews unnötig ausgedehnt werden. Aufgabe des Interviewers ist somit eine aktive Gesprächsführung, die eine planmäûige Durchführung des Interviews fördert und einem Abgleiten oder Fehlgehen vom geplanten Gesprächsverlauf entgegenwirkt. Hierbei ist jedoch dringend zu beachten, daû der Pb sich nicht in seinen Bedürfnissen übergangen, zu bestimmten Verhaltensweisen genötigt oder sich gar auf die Rolle eines reinen Datenträgers reduziert fühlt, da dieses die Gesprächsatmosphäre stören würde und zu spontanen Antwortverweigerungen oder Gesprächsabbrüchen führen könnte. Vielmehr ist trotz einer aktiven Gesprächsführung dem Pbn das Gefühl zu vermitteln, er habe die Situation und sein Antwortverhalten jederzeit selbst im Griff und sei fernab jeder Zwangslage. Solchen Gefahren kann äuûerst wirksam durch das Instrumentarium des ¹Aktiven Zuhörensª4 entgegengewirkt werden. Beim aktiven Zuhören signalisiert der Interviewer dem Pbn, daû er während der verbalen Ausführungen des Befragten jederzeit aufmerksam zuhört, was er deutlich machen kann, indem er sich Notizen macht und Aufmerksamkeit signalisierende Laute von sich gibt. 1.1.3

Sprachstil

Beim face-to-face geführten, vor allem aber beim telefonischen Interview kommt dem Sprachstil, unter den die Aussprache, Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke, Betonung, Modulation der Stimme, das Sprachniveau usw. zu fassen sind, eine sehr zentrale Bedeutung zu. Denn er stellt bereits beim face-to-face geführten Interview einen der wichtigsten Orientierungspunkte für den Pbn bei der Einordnung des Interviewers dar, beim telefonischen Interview mangels optischer Reize ist er neben dem Inhalt der Aussagen gar der entscheidende Faktor zur Beurteilung des Gesprächspartners. Das hat zur Folge, daû schon der Sprachstil allein über die Qualität der Gesprächsatmosphäre entscheiden kann. Deutliche Aussprache und Sprechgeschwindigkeit Beim face-to-face geführten, vor allem aber natürlich beim telefonischen Interview, bei dem eine völlige Konzentration auf die akustischen Reize besteht, lautet das oberste Gebot die stets klare und deutliche Aussprache des Interviewers. Nuscheln, das Verschlucken von Silben oder ähnliches kann zu Verständnisschwie4 Köpf, Johannes: Call Center Concept. Neuwied 1998, S. 78.

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rigkeiten führen und lästiges Nachfragen verursachen. Aus diesen Gründen sollte auch im Rahmen der Sprechgeschwindigkeit darauf geachtet werden, den Pbn nicht durch zu schnelles Sprechen zu überfordern oder durch ¹zu langsames, träges Vortragen in Ungeduld und Unkonzentration zu treibenª5. Nicht zuletzt ist daher die Sprechgeschwindigkeit auf die Bedürfnisse des jeweiligen Pbn abzustimmen. Speziell für das telefonische Interview gilt zudem, auf einen stetigen Gesprächsfluû zu achten, denn ¹Pausen wirken meist peinlich am Telefonª6. Lautstärke Bezüglich der Lautstärke ist die angenehme Mitte zu wählen. Spricht der Interviewer zu leise, könnte dies Unsicherheit, Skepsis und Unentschlossenheit ausstrahlen, und mitunter ± vor allem am Telefon ± schlecht verstanden werden; eine übermäûig laute Stimme hingegen empfindet der Pb möglicherweise als aggressiv und herrschsüchtig. Auch hier kann sich eine angemessene Anpassung an die Lautstärke des Pbn regulierend und positiv auf die Gesprächsatmosphäre auswirken. Betonung und Modulation der Stimme Weiterhin ist im Rahmen des Sprechverhaltens der Art und Weise der Betonung und Modulation mit der Stimme gröûte Bedeutung beizumessen. Gerade bei einem langen Fragebogen wie bei der Untersuchung Bochum III gilt es, den Pbn ¹bei der Stange zu haltenª und nicht zu langweilen. Und das aus folgenden Gründen: Ein monotones Vortragen kann zunächst einmal den Eindruck erwecken, der Interviewer sei nicht mit Eifer bei der Sache und läût daher den Pbn möglicherweise an dessen Kompetenz und Glaubwürdigkeit zweifeln. Weiterhin kann eine solche Monotonie das Gespräch länger erscheinen lassen als es tatsächlich schon andauert, und somit zu Ungeduld, Konzentrationslücken und steigender Lustlosigkeit beim Pbn führen, was die Gefahr von Gesprächsabbrüchen heraufbeschwört. Hingegen lebendig und moduliert, also akzentuiert und mit Abwechslung in der Stimmlage vorgetragene Fragen erhalten die Spannung, die Konzentration und das Interesse des Pbn, lassen daher das Interview kürzer erscheinen und beugen somit potentiellen Gesprächsabbrüchen vor. Verwendung kurzer Sätze Nach Möglichkeit sollten im Gespräch viele kurze Sätze anstelle weniger langer Satzkonstruktionen verwendet werden. Kurze Sätze wirken eher verständlich und prägnant. Lange Sätze, vor allem mit vielen Verschachtelungen, z. B. in Form von Relativsätzen, können den Zuhörer überfordern und verwirren. Einfache, ¹kurze Sätze transportieren den Inhalt besser, klarer und nachvollziehbarerª7. Zusätzlich 5 Neumann, Oliver: Der Telefonprofi. München 1998 (2. Aufl.), S. 54. 6 Prince, Marie: Methoden telefonischer Befragung. In: Franz, Hans-Werner (Hg.): 22. Dt. Soziologentag. Opladen 1985, S. 262. 7 Neumann, Oliver: Der Telefonprofi. München 1998 (2. Aufl.), S. 60.

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läuft der Interviewer Gefahr, sich bei komplexen Satzkonstruktionen zu versprechen oder gar den Anfang des Satzes vor Beendigung schon wieder vergessen zu haben. Die Verwendung kurzer Sätze empfiehlt sich insbesondere für das telefonische Interview, da hier bei der Erläuterung schwierigerer Sachverhalte keine optischen Hilfestellungen möglich sind. Anpassung an das Sprachniveau des Pbn Aufgrund der zufälligen Auswahl der Pbn, stehen sich im Interview häufig Personen mit unterschiedlichstem Alter, Bildungs- und Sprachniveau gegenüber. Das Sprachniveau der Pbn kann sich von einem einfachen Sprachstil mit einfacheren Satzstrukturen, mit geringerem Wortschatz und seltenerer Verwendung von Fremdwörtern, etc. bis hin zu einem komplexeren, differenzierteren, mitunter von Anglizismen durchsetzten Sprachstil erstrecken. Diese häufig vorkommenden Diskrepanzen stellen Gefahrenherde für Miûverständnisse, Argwohn, Miûtrauen und Antipathie dar. Auf der anderen Seite ¹steigert die Wahl des richtigen Sprachniveaus die potentielle Bereitschaft des anderen, dem Anliegen oder der Argumentation Gehör zu schenkenª8, die Gesprächspartner ¹liegen eher auf einer Wellenlinieª. Aus diesen Gründen sollte der Interviewer versuchen, auch bezüglich des Sprachstils Flexibilität zu beweisen und sich im Rahmen des Möglichen und unter Berücksichtigung der Erhaltung der Glaubwürdigkeit an den Sprachstil seines Gegenübers anzupassen. Das heiût natürlich nicht, daû der Interviewer versuchen soll, den Sprachstil des Pbn zu kopieren. So etwas kann in der Regel nicht funktionieren und schon gar nicht echt, natürlich und glaubwürdig wirken. Vielmehr sollte der Interviewer versuchen, bei Menschen mit einfachem Sprachniveau ebenfalls einfachere Ausdrucksweisen und Satzkonstruktionen zu verwenden. So wird die Gefahr von Verständnisschwierigkeiten reduziert und dem Pbn das eventuell vorhandene Gefühl der Überforderung genommen. Beim Pbn mit differenzierterem Sprachgebrauch kann und sollte natürlich ebenfalls eine entsprechende Anpassung angestrebt werden. Freundlichkeit Unabhängig von jedem Sprachstil ist stets ein angemessener Rahmen der Höflichkeit und vor allem eine ausgeprägte Freundlichkeit des Interviewers Grundvoraussetzung. Selbst einer unfreundlichen oder gar ungehobelten Zielperson ist stets mit kompromiûloser Freundlichkeit zu begegnen, und zwar aus folgenden Gründen: Z

Z

Z

Die verweigernde Zielperson beim Erstkontakt von heute ist vielleicht der Pb des Zweitkontakts von morgen. Vielleicht hat der Interviewer ja tatsächlich in einem sehr ungünstigen Moment gestört. Vielleicht hat der Pb tatsächlich sehr schlechte Erfahrungen in vergleichbaren Situationen machen müssen.

8 Neumann, Oliver, a. a. O. (FN 7), S. 67.

377

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Z

S. 378

Ausgesprochene Freundlichkeit entspricht der Grundhaltung eines guten Interviewers und demonstriert zusätzlich die positive Überzeugung des Interviewers von der Untersuchung Bochum III.

1.1.4

Rhetorikschulung

Grundsätzlich empfiehlt es sich nicht, dem Interviewer allzu strenge Formulierungsmuster vorzuschreiben, denn Auftreten und Sprache des Interviewers sollten natürlich und glaubwürdig wirken. Das ist am besten gewährleistet, wenn der (noch unerfahrene) Interviewer seinen eigenen Stil findet, mit dem er sich wohl fühlt, den er vertreten kann und mit dem er auch Erfolge erzielt. Wortwörtlich gebunden soll er ansonsten nur im konkreten Bereich des Fragebogens sein, denn selbstverständlich müssen die Fragen im genauen Wortlaut gestellt werden, um nicht der Standardisierung zuwiderzulaufen, was am besten durch direktes Ablesen gewährleistet ist. Darüber hinaus sollte der Interviewer in der Motivationsphase zu Anfang des Gesprächs, aus Gründen der Lebendigkeit und des Vermeidens von Monotonie, anschauliche, verständliche, abwechslungsreiche und Interesse weckende Formulierungen verwenden. Allerdings gibt es einige Wortgruppen, einzelne Wörter und ganze Formulierungen, die für eine erfolgversprechende Gesprächsführung absolut nicht geeignet sind; einige unter ihnen sollten für den Interviewer sogar absolut tabu sein. Das ist aber gar nicht so schwierig, denn es gibt jeweils passende und ¹harmloseª Alternativen. Der Inhalt der Rhetorikschulung ist somit in drei Bereiche unterteilt: in die Bereiche Z Z Z

Nichtverwendung von Konjunktiven, Reizwörterschulung und Einwandbehandlung.

Der Einwandbehandlung, die zwar auch zum Bereich der Rhetorikschulung gehört, wird jedoch aufgrund ihrer zentralen Bedeutung ein eigener Punkt (1.1.5) gewidmet. Nichtverwendung von Konjunktiven Konjunktive sind in der Alltagssprache der Deutschen häufig anzutreffen. Sie dienen hier vor allem als Höflichkeitsfloskeln oder ermöglichen die Beschreibung hypothetischer Sachverhalte. Nicht selten jedoch werden sie völlig unbedacht und vor allem ohne jegliche grammatikalische Notwendigkeit verwendet. Konjunktive ± egal welcher Art ± gehören allerdings nicht in den Sprachgebrauch des professionellen Interviewers. Bei näherer Betrachtung ihrer Funktion und ihrer Wirkung ist nämlich festzustellen, daû sie den Aufgaben und Zielen des Interviewers völlig zuwiderlaufen. Sie entlarven den Sprecher als mutlos, unentschieden, zögerlich, unsicher. Seine Aussagen werden ¹abgeschwächt, egalisiert, relativiert, verschleiert und verlieren jede

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S. 379

Prägnanz und Präzisionª9 und erzeugen so höchstens Skepsis bzw. Miûtrauen beim Pbn oder schädigen sein Bild vom Interviewer. Negativbeispiele: ¹Dürfte ich Sie fragen, ob . . . ª; ¹Dürfte ich Sie bitten, . . . ª. Diese Formulierungen suggerieren dem Pbn, den Interviewer quäle bei der Frage bzw. Bitte sein schlechtes Gewissen. Viel besser stellt der Interviewer die Frage oder Bitte direkt und zeigt bei Ablehnung Verständnis. Möchte der Pb schlieûlich nicht antworten oder möchte er der Bitte nicht entsprechen, wird er das schon mitteilen. Aber zur Verweigerung freiwillig einladen sollte ihn der Interviewer durch die Verwendung solcher Formulierungen nicht. ¹Ich würde sagen, daû . . . ª; ¹Könnten Sie sich nicht vorstellen, . . . ª. Sehr überzeugt scheint dieser Interviewer nicht von seinen Aussagen zu sein, denn schon während er sie vorstellt, stellt er sie in Frage. Bessere Alternativen: ¹Ich bin der Meinung, daû . . . ª; ¹Stellen Sie sich einmal vor, . . . ª. Reizwörterschulung Die meisten Wörter besitzen Konnotationen, das heiût, ¹sie vermitteln mehr als nur ihre Bedeutung, sie sind mit Assoziationen verbunden, lösen Gefühle ausª10. Die Wörter, die geeignet sind, besonders negative Assoziationen und Gefühle auszulösen, werden ¹Reizwörterª genannt. Da diese ihre negativen Auswirkungen meist nur sehr verdeckt entfalten und der unerfahrene Interviewer sich bei ihrer Verwendung der negativen Wirkung nicht bewuût ist, ist die Reizwörterschulung notwendiger Bestandteil jeder hochwertigen Rhetorikschulung. Einige Beispiele: ¹Datenª Das Wort ¹Datenª löst in den meisten Menschen sofort die Assoziation ¹Datenschutzª aus und drängt dem Pbn Fragen auf wie ¹Sind meine Daten dort sicher? Ist wirklich meine Anonymität garantiert? Warum gehe ich eigentlich das Risiko ein und gebe meine Daten heraus?ª Die Steigerung von Daten stellt die Formulierung ¹persönliche Datenª dar. Daten und persönliche Daten sind schlichtweg tabu für den professionellen Interviewer. Neutrale und harmlose Alternative: ¹(Ihre) Angabenª. ¹muû, müûte; soll, sollteª Das Wort ¹muûª oder in der konjunktivischen Steigerung ¹müûteª, sowie das verwandte, etwas schwächere ¹soll, sollteª ist ebenfalls vom Interviewer strikt zu vermeiden. Die meisten Menschen ¹reagieren unbewuût ablehnend, wenn sie

9 Neumann, Oliver: Der Telefonprofi. München 1998 (2. Aufl.), S. 65. 10 Neumann, Oliver, a. a. O. (FN 9), S. 61.

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S. 380

etwas tun müssenª 11. Es ist ein von dem Gedanken der Fremdbestimmung geprägtes Hilfsverb, es erinnert an Pflichten, Zwang, Strafen und Lustlosigkeit. Benutzt es der Interviewer in bezug auf sich selbst, wirkt es so, als wäre ihm seine Aufgabe lästig. Beispiel: ¹Da müûte ich mal für Sie nachfragen.ª Ist es denn eine Qual, etwas für den Pbn zu tun? Besser: ¹Ich erkundige mich gerne für Sie.ª Benutzt es der Interviewer in bezug auf den Pbn, wirkt es gängelnd. Beispiel: ¹Diese Frage müûten Sie schon beantworten.ª Der Pb ¹muûª nämlich gar nichts. Seine Teilnahme ist freiwillig und der Interviewer ist ihm dankbar dafür. Besser: ¹Ihre Meinung ist uns hier besonders wichtig.ª ¹Problem, Risiko, Gefahr, Sorgen, Angstª Diese Wörter sind allesamt äuûerst negativ besetzt, und das kann nicht einmal ein ¹keinª davor verhindern. Fragt der Pb beispielsweise ¹Schaffen wir das Interview auch wirklich in einer halben Stunde?ª und der Interviewer antwortet ¹Kein Problem!ª, so bleibt dem Pbn nicht das ¹keinª in Erinnerung, sondern das ¹Problemª. Daher soll der Interviewer wie folgt formulieren: ¹Ich werde mich beeilen.ª; ¹Auf jeden Fall.ª; ¹Das schaffen wir.ª (nicht: ¹Das müûten wir schaffen.ª). Oder fragt der Pb z. B.: ¹Kann ich Ihnen meine Daten auch wirklich anvertrauen?ª und der Interviewer antwortet: ¹Sie gehen kein Risiko einª oder ¹Da besteht keine Gefahrª oder ¹Keine Angstª, so bleiben dem Pbn (unbewuût) die Worte ¹Risikoª, ¹Gefahrª oder ¹Angstª in Erinnerung, und es bleibt somit nicht selten ein mulmiges Gefühl zurück. Besser ist: ¹Sie können da ganz sicher sein. Es geht uns ausschlieûlich um ihre Meinung. Die Anonymität ist hundertprozentig gewährleistet.ª ¹eventuell, vielleicht, unter Umständen, irgendwieª Wie die Konjunktive relativieren auch diese Begriffe jede Aussage und sind lediglich Zeichen von Unsicherheit. Daher sind sie häufig gemeinsam zu finden. Da sie sowieso in den meisten Fällen nur leere Floskeln im Satz darstellen, können sie leicht weggelassen werden. Negativbeispiel: ¹Da könnte ich ihnen vielleicht folgenden Vorschlag machen: . . . ª. Alternative: ¹Da schlage ich ihnen folgende Lösung vor: . . . ª. ¹nurª Das Wort ¹nurª ist ein meist völlig überflüssiger Einschub, mit dem der Interviewer seine eigenen Aussagen unnötigerweise herabqualifiziert. Beispiele: ¹Da kann ich Ihnen nur anbieten, . . . ª. ¹Dazu kann ich Ihnen nur sagen, . . . ª. Warum nicht: ¹Da biete ich Ihnen an . . . ª; ¹Ich denke, daû . . . ª. 11 Neumann, Oliver, a. a. O. (FN 9), S. 61.

380

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S. 381

1.1.5

Einwandbehandlung

1.1.5.1

Definition des Einwands

Ein Einwand (im Sinne der Befragungssituation) ist jeder von der Zielperson verbal geäuûerte Grund, der aus ihrer Sicht gegen die Teilnahme an der Befragung sprechen soll. Zu unterscheiden sind hierbei die echten Einwände von den sog. ¹unechtenª Einwänden, den Vorwänden. Echte Einwände hat die Zielperson, die trotz (allerdings möglicherweise unzureichender) Auseinandersetzung mit dem Sinn der Befragung Gründe bzw. Argumente gegen eine Teilnahme sieht und vorbringt. Beispiel: ¹Ich habe Zweifel an dem Nutzen dieser Befragung.ª Unechte Einwände sind dagegen Vorwände, die die Zielperson gegen eine Teilnahme vorgibt, obwohl sie sich (noch) gar nicht rational mit der Studie auseinandergesetzt hat. Ursachen für solche Vorwände liegen meist auûerhalb der Studie. Denkbar sind z. B. eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Umfragen oder Angst vor einem Gespräch mit einem Fremden. Die Zielperson wird hier in der Regel nicht differenziert argumentieren, sondern Floskeln wie ¹Ich habe keine Zeitª oder ¹An so etwas habe ich grundsätzlich kein Interesseª verwenden. Die beiden verschiedenen Arten der Einwände erfordern eine unterschiedliche Vorgehensweise des Interviewers. Den echten Einwänden der Zielperson ist seitens des Interviewers mit schlüssigen Argumenten entgegenzutreten. Eine Person, die sich tatsächlich rational mit der Befragung auseinandergesetzt hat, wird in der Regel auch für schlüssige Argumente empfänglich sein und sich folglich überzeugen lassen. Argumentativ wirklich überzeugte Personen werden dann in der Regel ± wenn keine faktischen Hinderungsgründe dagegen stehen ± auch teilnehmen. Bei den Vorwänden ist zunächst der wahre Hintergrund des Vorwandes zu erkennen und diesem durch eine darauf abgestimmte Strategie zu begegnen. Ist z. B. eine grundsätzliche ¾ngstlichkeit der Zielperson der Grund für die spontane Verweigerung, muû das Hauptaugenmerk des Interviewers der Schaffung einer Sicherheits- und Vertrauensatmosphäre gelten. Häufig verbergen sich jedoch echte Einwände hinter den Vorwänden. Sind diese aber einmal erkannt, kann ihnen wiederum wie beschrieben begegnet werden. Als Beispiele sollen nun einige Argumentationshilfen für eine Einwandbehandlung bei den erfahrungsgemäû am häufigsten vorgebrachten Einwänden und Vorwänden aufgeführt werden. 1.1.5.2

Die einzelnen Einwände

Zweifel an Sinn und Zweck der Studie Z

Z Z

Gewinnung von Erkenntnissen über die ¹wirklicheª Höhe und Verteilung der Kriminalität in Bochum: ¹Erhellung des Dunkelfeldesª. Erkenntnisse über das Anzeigeverhalten der Bürger. Erkenntnisse über die Entwicklung der Kriminalität in den letzten 23 Jahren. 381

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Z

Z

Z

S. 382

Erkenntnisse sind nützlich für die Verbrechensbekämpfung, positive Folgen können die Verminderung der Kriminalität und eine gröûere Sicherheit für die Bürger in Bochum sein mit der Folge einer höheren Lebensqualität. Wünsche der Bürger können erkannt und berücksichtigt werden: welche Orte und Plätze sicherer werden sollen, wo z. B. die Straûenbeleuchtung verbessert werden soll, wo mehr (oder weniger) Polizeipräsenz gewünscht wird, wie sich die Polizei gegenüber den Bürgern verhalten soll usw. Die Untersuchung Bochum III ist ein positives Beispiel für die Zusammenarbeit und Solidarität von Wissenschaft, Stadt, Polizei und den Bürgern gegen Kriminalität und Verwahrlosung.

Zu wenig Information über Sinn und Zweck der Studie Z

Zweck und Ziele der Untersuchung erklären und positiv darstellen.

Kein persönlicher Nutzen an der Teilnahme Z

Z

Z Z

Z

Der Pb hat die Gelegenheit, seine Meinung zu äuûern und damit Einfluû zu nehmen. Der Pb kann sich aktiv an einer Maûnahme zur langfristigen Erhöhung der Lebensqualität beteiligen. Der Pb kann durch seine Teilnahme gemeinnützig handeln. Die individuellen Wünsche des Pbn können erkannt und berücksichtigt werden: welche Orte und Plätze sicherer werden sollen, wo z. B. die Straûenbeleuchtung verbessert werden soll, wo mehr (oder weniger) Polizeipräsenz gewünscht wird, wie sich die Polizei gegenüber den Bürgern verhalten soll usw. Der Pb kann im Rahmen des Interviews über interessante Themen sprechen.

Keine Zeit mehr (während der Durchführung) Z

Z Z

Nur ein kompletter Fragebogen kann ausgewertet werden, bei Abbruch war alles umsonst! Verweis auf das nahende Ende des Fragebogens (auch wenn das nicht so ist). Zusicherung, daû sich der Interviewer besonders beeilt.

Keine (mitteilenswerte) Meinung Z Z

Z

Jede Meinung ist mitteilenswert. Jede zufällig ausgewählte Person ist wichtig für das Gelingen der Studie, ansonsten besteht Gefahr des Scheiterns der Untersuchung (¹Spielverderberª-Argument). Verweis darauf, daû die Fragen sehr einfach und allgemein gehalten sind.

Zu sensibles Thema Z

Verweis auf die sehr allgemeinen Fragestellungen.

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Z

S. 383

Bemerkung, daû wenn dem Pbn eine Frage nicht gefällt, sie selbstverständlich übersprungen wird (tatsächlich wird dann der Pb im Verlauf des Fragebogens feststellen, daû seine Befürchtungen, die Fragen seien zu heikel, unnötig waren).

Gewährleistung der Anonymität Z

Z Z

Z

Eine Gewährleistung der Anonymität wird selbstverständlich persönlich garantiert. Bei der Untersuchung ist nur die Meinung wichtig, nicht der Name des Bürgers. Verweis auf das Anschreiben als schriftliche Bestätigung der Gewährleistung der Anonymität. Verweis auf das seriöse Image der Studie als wissenschaftliche Befragung der Ruhr-Universität Bochum.

1.1.5.3

Die einzelnen Vorwände

Generelles Nichtinteresse Z

Z

Pb soll seine Bedenken gegen seine Teilnahme oder gegen die Studie an sich nennen (diese Bedenken können dann argumentativ zerstreut werden). Verweis auf die für die Allgemeinheit wichtigen Ziele und Zwecke der Studie.

Im Moment keine Zeit (auch als echter Einwand möglich) Z

Z Z

Eine Terminwahl für das Gespräch nach den freien Wünschen des Pbn ist möglich. Entschlossenheit zur Durchführung demonstrieren. Hinweis auf die besondere Wichtigkeit der Teilnahme des Pbn.

¾ngstliche Zielperson Z

Z

Z

Verweis auf das seriöse Image der Studie als wissenschaftliche Befragung durch die Universität in Zusammenarbeit mit Stadt und Polizei. Verweis auf das Anschreiben als schriftliche Bestätigung der Gewährleistung der Anonymität. Vorlage von Interviewerausweis und Personalausweis (nur face-to-face).

Betagte Zielperson Z

Z

Gerade auch die Meinung älterer Menschen ist uns wichtig, da sie heutzutage viel zu selten gehört werden. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen insbesondere älteren Menschen zugute kommen (Kriminalitätsvorbeugung und Steigerung der Lebensqualität).

383

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1.1.6

S. 384

Phasen im Interview, faktische Probleme und ihre Lösungen

Das Interview setzt sich aus mehreren Phasen zusammen. Zunächst die Gesprächseröffnungsphase, die beim face-to-face Interview mit dem Öffnen der Haustür und bei dem Telefoninterview mit dem Abnehmen des Hörers durch den Pbn beginnt. Ist die Zielperson ermittelt, beginnt die Motivationsphase, in der die Zielperson zur Teilnahme an der Befragung motiviert werden soll. Durch ggf. auftauchende Widerstände oder Verweigerungen der Zielperson wird die Einwandbehandlung nötig und vom Interviewer eingesetzt. Bei Bereitschaft des Pbn zur Befragung erfolgt nun das Durchgehen des Fragebogens und nach dessen kompletter Abarbeitung die Gesprächsausgangsphase und Verabschiedung. 1.1.6.1

Die Gesprächseröffnungsphase

Die Gesprächseröffnungphase, die auch als Kontaktaufnahmephase bezeichnet werden kann, beginnt mit einer freundlichen Begrüûung und dient neben der Grundsteinlegung für den ¹guten ersten Eindruckª der Ermittlung der Zielperson. Gegensprechanlage Ein in der Theorie selten bedachtes, aber in der Praxis äuûerst relevantes Problem stellen Gegensprechanlagen dar, die bei fast allen Mehrfamilien- bzw. Hochhäusern anzutreffen sind. Eine Gesprächseröffnung an der Gegensprechanlage ist schon deshalb problematisch, weil kein Blickkontakt mit dem Pb hergestellt werden kann und auûerdem die Stimme des Interviewers häufig durch die Anlage verzerrt wird. Die Hemmschwelle, den Interviewer abzulehnen, ist bei fehlendem Blickkontakt und der anonymen Distanz einer Gegensprechanlage naturgemäû wesentlich niedriger, als wenn ein persönlicher Kontakt hergestellt werden kann. Für den Pbn stellt die Gegensprechanlage zudem geradezu eine ¹Einladungª dar, die Teilnahme unter allgemeinen Vorwänden zu verweigern, ohne sich überhaupt gedanklich mit der Sache auseinander setzen zu müssen. Die groûe Verbreitung dieser Gegensprechanlagen kann demzufolge die Ausschöpfungsquote reduzieren und somit die Repräsentativität der ganzen Untersuchung einschränken. Es ist daher unumgänglich, sich bei der Planung der Umfrage offen und ehrlich dieser Problematik zu stellen. Um dem Interviewer trotz Gegensprechanlage die Möglichkeit zu eröffnen, dem Pbn in persönlichem Kontakt die für seine Teilnahme an der Untersuchung sprechenden Argumente vorzutragen, ist folgende Vorgehensweise ratsam: Falls ein Zugang nicht auf andere Weise möglich ist, kann bei einem anderen Mieter geklingelt werden, um Zutritt zum Treppenhaus gewährt zu bekommen. So wird die Möglichkeit geschaffen, direkt an der Wohnungstür des Pbn zu klingeln und ein persönliches Gespräch zu beginnen. 384

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S. 385

Türspion Bei dem Vorhandensein eines ¹Türspionsª sollte sich der Interviewer deutlich sichtbar vor die Tür stellen. Wenn Schritte oder der Schatten einer Person hinter der Tür zu vernehmen sind, sollte sich der Interviewer in Richtung Spion beugen, freundlich lächeln und grüûen. Der Wohnungsinhaber wird vermuten, er sei bereits bemerkt worden und wird die Tür öffnen. Bewegungsablauf während der Gesprächseröffnung Der Interviewer stellt sich vor der Haus- bzw. Wohnungstür auf die Fuûmatte. Wenn die Tür geöffnet wird, macht er eine leichte, aber doch wahrnehmbare Rückwärtsbewegung. Dadurch entsteht beim Pbn der Eindruck, der Interviewer sei unaufdringlich. Während oder nach der Begrüûungsformel tritt der Interviewer etwas auf den Pbn zu und putzt sich dabei die Schuhe auf der Fuûmatte ab (falls vorhanden). Durch diese Bewegung veranlaût tritt der Pbn voraussichtlich zur Seite, um den Interviewer einzulassen. Anrufbeantworter Beim telefonischen Interview kann sich als faktisches Hindernis vor allem das Vorhandensein eines Anrufbeantworters erweisen. Aus diesem Grund wurden folgende Standardtexte entwickelt, die bei den ersten beiden Kontaktversuchen auf das Band gesprochen werden: 1. Versuch: ¹Schönen guten Tag, Frau/Herr (Vorname/Nachname Zielperson), mein Name ist (Vorname/Nachname) von der Ruhr-Universität Bochum. Vielleicht können Sie sich erinnern, wir haben Ihnen ja einen Brief geschrieben, um mit ihnen ein kurzes Gespräch hier am Telefon zu führen. Schade, daû ich Sie nicht angetroffen habe, ich melde mich wieder. Auf Wiederhören!ª 2. Versuch: ¹Schönen guten Tag, Frau/Herr (Vorname/Nachname Zielperson), hier ist nochmals (Vorname/Nachname) von der Ruhr-Universität Bochum. Vielleicht können Sie sich erinnern, wir haben Ihnen ja einen Brief geschrieben, um mit ihnen ein kurzes Gespräch hier am Telefon zu führen. Da ich Sie leider wieder nicht erreichen konnte, möchte ich Sie bitten, kurz unter der Nummer 700±5245 in der Zeit von 9.00 bis 15.00 Uhr zurückzurufen, um mit uns einen Termin nach ihren Wünschen abzustimmen. Vielen Dank!ª

385

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1.1.6.2

S. 386

Motivationsphase

Die Motivationsphase beginnt praktisch schon in dem Moment, wenn der Interviewer nach der Begrüûung die Zielperson ermittelt hat und diese vor ihm steht oder er sie direkt am Telefon hat. Sie beinhaltet die Vorstellung des Projektes und die Argumentation des Interviewers, warum die Zielperson an der Befragung teilnehmen sollte. Aus diesen Gründen muû der Motivationsphase besondere Beachtung und Konzentration gewidmet werden, denn hier entscheidet sich, ob aus der Zielperson ein Pbn oder ein Verweigerer wird. Idealerweise zeigt sich die Zielperson sofort zum Interview bereit oder vereinbart bei momentanem Zeitmangel zumindest bereitwillig einen neuen Gesprächstermin. Bringt die Zielperson jedoch Einwände gegen die Teilnahme vor, gilt es im Rahmen der Einwandbehandlung, diese zu zerstreuen und doch noch das Interview durchzuführen oder zumindest einen anderen Termin zu vereinbaren. Für den Fall, daû sich die Zielperson schon nach dem Einleitungstext in der Gesprächseröffnungsphase spontan zur Teilnahme bereit erklärt, fällt die Motivationsphase folglich weg. Doch dieser Idealfall wird wohl eher die erfreuliche Ausnahme bleiben. In den meisten Fällen wird eine klug aufgebaute Argumentation notwendig sein, um die Zielperson zu der Teilnahme zu bewegen. Die Einwände, die die Zielperson gegen eine Teilnahme an der Befragung vorbringt, sind im Rahmen der sog. Einwandbehandlung zu zerstreuen. Doch damit nicht genug. Vor allem bei einem zeitintensiven Interview ± wie der Untersuchung Bochum III ± gilt es auch zu gewährleisten, daû der Pb nicht noch während der Durchführung abspringt. Um das zu erreichen, kann zunächst prophylaktisch vorgegangen werden, indem die Zielperson nicht nur halbherzig überredet wird, sondern von der Richtigkeit der Teilnahme überzeugt wird. Im ersten Fall würde die Zielperson nämlich ihre Zweifel an der Teilnahme mit in das Interview nehmen, während bei einer wirklichen Überzeugung diese Zweifel ausgeräumt sind. Sollten dem Pbn trotz anfänglicher Überzeugung während des Verlaufes der Befragung doch wieder Zweifel kommen, sind diese durch die Einwandbehandlung während der Befragung zu zerstreuen. Einsatz von Argumenten für die Teilnahme Auch der Einsatz der jeweiligen Argumente für die Teilnahme der Zielperson an der Befragung muû gut durchdacht sein. Das bedeutet zunächst, daû jedes Argument dem jeweiligen Einwand entspricht, d. h. auf seine Thematik bezogen ist, auf seinen Inhalt reagiert. Weiterhin sollten die verschiedenen Argumente nicht wahllos ¹verpulvertª werden, sondern klug dosiert werden. So sollte der Interviewer beim jeweiligen Einwand nicht voreilig mehr Gegenargumente als nötig vorbringen, um nicht zu früh ohne neue dazustehen. Auûerdem sollte zunächst immer erst das vermeintlich ¹schwächereª Argumente gebracht werden, um im Fall eines erneuten Einwands des Pbn noch ¹etwas drauflegenª zu können.

386

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S. 387

Problemfall Zielperson schimpft und möchte eine Diskussion beginnen Im Falle eines schimpfenden oder eine Diskussion beginnenden Pbn ist folgende Deeskalationstaktik anzuwenden: Z

Z Z Z

Z

Den Pbn ausreden und alle Argumente vortragen lassen, nicht unterbrechen (= ¹Dampf ablassenª)! Aktives Zuhören, face-to-face den Blickkontakt halten, nicht zurücktreten. Sachliche und freundliche Haltung bewahren. Nicht auf Diskussion einlassen, schon gar nicht eine gegensätzliche Position einnehmen. Vielmehr dem Pbn eine neutrale ¹Sammelantwortª geben (ggf. Einwandbehandlung einleiten). Wenn möglich, eine Diskussion auf das Ende des Interviews verschieben.

1.1.6.3

Einsatz des Fragebogens

Ist die Zielperson auf Anhieb oder zumindest durch die Argumentationsarbeit des Interviewers in der Motivationsphase zur Teilnahme an dem Interview bereit, sollte der Interviewer ohne unnötige Verzögerungen mit dem Fragebogen beginnen. Problemfall Pb will Diskussion beginnen Möchte der Pb an einer Stelle während der Durchführung des Interviews eine Diskussion beginnen, ist wie folgt zu verfahren: Z Z

Z

Neutrale Haltung bewahren, nicht auf Diskussion einlassen. Keine subjektive Stellungnahme abgeben (Gefahr der Verzerrung der Angaben des Pbn aufgrund der Tendenz zur sozialen Erwünschtheit). Wenn möglich, eine Diskussion auf das Ende des Interviews verschieben und ¹sanftª wieder zum Fragebogen überleiten.

Problemfall Pb will längere Erzählung beginnen Möchte der Pb an einer Stelle während der Durchführung des Interviews eine längere Erzählung beginnen, die nichts mit der Befragung zu tun hat, ist wie folgt zu verfahren: Z Z

Mit einer Frage oder Feststellung unterbrechen, die zum Interview zurückführt. Unterbrechung jedoch ¹sanftª einbringen, um den Pbn nicht zu verärgern.

Genaue Kenntnis des Fragebogens Grundlage für eine ordnungsgemäûe Durchführung des Fragebogens ist eine genaue Kenntnis desselben. So hat der Interviewer beispielsweise genau zu wissen, welche Antwort auf welche Frage zu einem Sprung an eine andere Stelle des Fragebogens führt (¹Filterführungª). Diese genaue Kenntnis hilft zum einen, Fehler beim Ausfüllen zu vermeiden, zum anderen könnte es gegenüber dem Pbn höchst 387

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S. 388

unseriös und unglaubwürdig wirken, wenn der Interviewer seinen eigenen Fragebogen nicht hundertprozentig beherrscht. Auch sollten unnötige Verzögerungen jeder Art vermieden werden, um nicht die Zeit oder Geduld des Pbn zu strapazieren. Juristische Kenntnisse zu den im Fragebogen erfragten Delikten Umfassende rechtliche Kenntnisse der vom Fragebogen umfaûten Delikte sind eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung des Interviews und daher wichtiger Bestandteil der Interviewerschulung. Wortwörtliche Fragestellung Wie schon erwähnt, müssen die Fragen aus dem Fragebogen zur Sicherung der Standardisierung unbedingt wortwörtlich gestellt werden, was am besten im Weg des direkten Ablesens gewährleistet ist. Allerdings sollten die Fragen nicht ¹wie abgelesenª wirken und somit monoton klingen. Auch aus diesem Grund sollte dem Interviewer der Fragebogen sehr vertraut sein. Keine suggestiv wirkenden Erläuterungen Die Fragen im Fragebogen sind neben der Verwendung von neutralen, nicht suggestiv wirkenden Fragestellungen zur besseren allgemeinen Verständlichkeit grundsätzlich so einfach wie möglich formuliert worden. Treten trotzdem bei der einen oder anderen Frage beim Pbn Verständnisschwierigkeiten auf, hat der Interviewer die Frage langsam zu wiederholen und den Pbn zu bitten, die Frage so zu beantworten, wie er sie verstanden hat. Auf diese Weise können und müssen suggestiv wirkende Erläuterungen vermieden werden. Unterteilung der Antwortalternativen beim Telefoninterview Einige Fragen des Fragebogens enthalten sehr viele Antwortalternativen. Solange ein Fragenkomplex so konstruiert ist, daû der Interviewer die Antwort des Pb selbständig unter die jeweilig passende Antwortalternative subsumiert, spielt die Menge der im Fragebogen enthaltenen Antwortalternativen für den Pb keine unmittelbare Rolle. Bei den Fragenkomplexen jedoch, bei denen dem Pb die Antwortalternativen genannt und somit zur Auswahl gestellt werden, ergibt sich eine besondere Problematik. Der Pb ist nämlich hierbei gezwungen, sich neben dem Inhalt der Frage auch noch die verschiedenen Antwortalternativen zu merken. Schon bei den Fragetypen, bei denen der Pb Zustimmungstendenzen anzugeben hat, die sich über viele Wahlmöglichkeiten erstrecken, besteht die Gefahr einer deutlichen Überforderung. Beim face-to-face geführten Interview kann dieser Überforderung wirksam begegnet werden, indem der Interviewer dem Pbn zur visuellen Unterstützung die Antwortkategorien in Kärtchenform zeigt.

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S. 389

Beim telefonischen Interview ist diese Möglichkeit allerdings nicht gegeben. Aus diesem Grund muû sich der Interviewer hier einer anderen hilfreichen Vorgehensweise bedienen: Der begrenzten Merkfähigkeit am Telefon ¹muû Rechnung getragen werden, indem stufenweise abgefragt wirdª12. Der Interviewer hat hier dem Pbn am Telefon zunächst eine gröbere Auswahl an Tendenzen vorzugeben. Hat sich dann der Pb für eine Tendenz entschieden, sind ihm die nuancierten Wahlmöglichkeiten der entsprechenden Tendenz vorzutragen. Dieses Verfahren, das auch häufig als ¹Abschichten der Antwortalternativenª bezeichnet wird, ist ebenfalls Inhalt der Interviewerschulung. Aufrechterhaltung der Motivation Ist der Pb zur Teilnahme bereit, ist die Motivationsarbeit jedoch noch lange nicht beendet. Vor allem bei einem umfangreichen Fragebogen wie bei der Untersuchung Bochum III gilt es, die Motivation des Pbn während der gesamten Dauer des Interviews zu erhalten. Dazu stehen dem Interviewer neben der Beachtung der zuvor dargestellten Grundregeln aus der Gesprächsführung, wie z. B. das aktive Zuhören, und neben den Grundsätzen aus Sprachstil und Rhetorik noch weitere Hilfsmittel zur Verfügung: Z

Z

Spontan eingestreute, kurze ¹Dankeschönsª nach Beantwortung der einen oder anderen Frage können helfen, die Stimmung und Motivation des Pbn zu erhalten. Wird durch das Verhalten oder ¾uûerungen deutlich, daû dem Pbn das Interview zu lange dauert, sollten folgende ¾uûerungen ein nahendes Ende in Aussicht stellen: ¹So, jetzt sind es nur noch wenige Fragenª; ¹So jetzt haben wir es bald geschafft.ª etc.

1.1.6.4

Gesprächsausgangsphase

Die Gesprächsausgangsphase besteht im wesentlichen aus zwei Komponenten: einem herzlich vorgetragenen Dankeschön und einer freundlichen Verabschiedung. Sollte der Pb noch Fragen zu der Studie haben, z. B. was mit den Ergebnissen der Umfrage geschehen wird, sind diese selbstverständlich bereitwillig zu beantworten. Der Interviewer sollte auf diese Weise dafür sorgen, daû der Pb mit einem positiven Gefühl aus dem Interview geht und somit die Befragung in guter Erinnerung behält.

12 Prince, Marie: Methoden telefonischer Befragung. In: Franz, Hans-Werner (Hg.): 22. Dt. Soziologentag. Opladen 1985, S. 262.

389

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1.2

S. 390

Anschreiben

Anschreiben face-to-face Befragung

390

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S. 391

Anschreiben telefonische Befragung

391

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S. 392

Anschreiben face-to-face Verweigerer

392

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S. 393

2

Materialien aus der Erhebungsphase

2.1

Mantelfragebogen

393

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394

S. 394

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S. 395

395

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396

S. 396

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2.2

S. 397

Deliktsfragebogen Diebstahl/Raub

397

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398

S. 398

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2.3

S. 399

Deliktsfragebogen Körperverletzung

399

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400

S. 400

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2.4

S. 401

Antwortvorgaben

Antwortvorgaben Mantelfragebogen Frage 23*

03

Bargeld

04: 05: 06: 07: 08: 09: 10: 11: 12: 13: 14:

Sparbuch, Wertpapiere Schmuck, Uhr, Silber, Antiquitäten Werkzeug Baumaterial Kleidung, Schuhe Fahrrad Moped, Motorrad Kinderspielzeug Auto Fahrzeugteile, Zubehör Radio, Fernsehen, Plattenspieler, Tonbandgerät, Kassettenrecorder

15: Fernglas, Fotoapparat, Filmkamera, Dia-Projektor 16: Lebensmittel 17: Zigaretten 18: Spirituosen 19: Tasche (und Inhalt) 20: Wohnungseinrichtung (Möbel, Teppich usw.) 21: Papiere (Scheck, Scheckkarte, Ausweise) 22: Benzin, Heizöl

* Die Antwortvorgaben wurden auf grauem Papier gedruckt und in Kärtchenform den Pbn vorgelegt bzw. beim Telefoninterview dem Pbn vorgelesen. Die Kärtchen 01 und 02 waren den Antwortkategorien ¹weiû nichtª und ¹keine Angabeª vorbehalten.

401

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S. 402

Antwortvorgaben Deliktsfragebögen Diebstahl/Raub (Frage DR 18) und Körperverletzung (Frage KV 17)*

01

Es kostet zu viel Zeit, zur Polizei zu gehen.

02: 03: 04: 05: 06: 07: 08: 09: 10: 11: 12: 13: 14: 15: 16:

Die Polizei braucht zu lange für die Nachforschungen. Die Polizei bekommt doch nichts heraus. Nachher bei Gericht kommt doch nichts heraus. Bei geringem Schaden lohnt es sich einfach nicht. Der Täter kann einem leid tun. Der Täter ist einem persönlich bekannt oder mit einem verwandt. Das ist mit dem Täter selbst in Ordnung gebracht worden. Man hat Angst vor dem Täter. Der Täter kann einen beruflich schädigen. Man kommt sich als Verräter (oder Denunziant) vor. Es ist unangenehm, in eine solche Geschichte verwickelt zu sein. Um so etwas kümmert man sich doch nicht weiter. Man weiû nicht, daû man das hätte anzeigen können. Die Polizei glaubt einem sowieso nicht, die ist doch gegen einen eingestellt. Man will mit Behörden nichts zu tun haben, schon gar nicht mit der Polizei.

* Die Antwortvorgaben wurden auf grünem Papier gedruckt und in Kärtchenform den Pbn vorgelegt. Beim Telefoninterview wurde die Frage nach den Gründen für die Nichtanzeige als offene Frage konzipiert.

402

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2.5

S. 403

Kontaktprotokollbogen mit Legende

403

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404

S. 404

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3

S. 405

Pressespiegel

Stadtspiegel Bochum vom 6. 1. 1999

405

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S. 406

Stadtspiegel Bochum vom 6. 1. 1999

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S. 407

Hürriyet vom 6. 1. 1999

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S. 408

Ruhr Nachrichten vom 6. 1. 1999

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S. 409

Ruhr Nachrichten vom 6. 1. 1999

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S. 410

Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 6. 1. 1999

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S. 411

Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 6. 1. 1999

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S. 412

Ruhr Nachrichten vom 27. 1. 1999

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S. 413

Stadtspiegel Bochum vom 10. 2. 1999

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S. 414

Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 12. 2. 1999

414

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S. 415

4

Verzeichnisse und Glossar

4.1

Verzeichnis der Übersichten

Übersicht 1: Übersicht 2: Übersicht 3: Übersicht 4: Übersicht 5: Übersicht 6: Übersicht 7: Übersicht 8: Übersicht 9: Übersicht 10: Übersicht 11: Übersicht 12: Übersicht 13: Übersicht 14: Übersicht 15: Übersicht 16: Übersicht 17: Übersicht 18: Übersicht 19: Übersicht 20: Übersicht 21: Übersicht 22: Übersicht 23: Übersicht 24:

Rückkoppelungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sondererfassungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die untersuchten Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . Polizeibezirke der Stadt Bochum 1998 . . . . . . . . . . . . . Statistische Wohnplätze der Stadt Bochum 1975 und 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitungsartikel: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 6. 1. 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschöpfungsquoten der beiden Befragungsarten in der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktversuche bei den realisierten Interviews . . . . . . Dauer der Interviews (in Minuten) . . . . . . . . . . . . . . . . Ein fiktives Beispiel für unterschiedliche Schadenssummen bei Diebstahlsopfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel I für den Zusammenhang zwischen zwei Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel II für den Zusammenhang zwischen zwei Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel III für den Zusammenhang zwischen zwei Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interpretation des p-Wertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenstellung von Körpergröûe X und Körpergewicht Y (fiktives Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streuungsdiagramm (fiktives Beispiel) . . . . . . . . . . . . . Streuungsdiagramm mit angepaûter Regressionsgerade Intervallschätzungen bei festgelegtem Stichprobenumfang, Konfidenzniveau: 95 %. . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesrepublik Deutschland. Registrierte Gesamtkriminalität (bekannt gewordene Fälle) . . . . . . . . . . . . Bundesrepublik Deutschland. Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen und bekannt gewordene Fälle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland. Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen. Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen) . . Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen. Diebstahlsdelikte (Häufigkeitszahlen) . . . . . . . . . . . . . . Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen. Raubdelikte (Häufigkeitszahlen). . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. 6 15 17 18

. 19 . 25 . 28 . 29 . 30 . 34 . 37 . 37 . 38 . 41 . 44 . 45 . 45 . 49 . 54 . 57 . 59 . 61 . 64 . 68 415

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Übersicht 25: Übersicht 26: Übersicht 27: Übersicht 28: Übersicht 29: Übersicht 30: Übersicht 31: Übersicht 32: Übersicht 33: Übersicht 34: Übersicht 35: Übersicht 36: Übersicht 37: Übersicht 38: Übersicht 39: Übersicht 40: Übersicht 41: Übersicht 42: Übersicht 43: Übersicht 44:

416

S. 416

Bochum im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen. Vorsätzliche Körperverletzungsdelikte (Häufigkeitszahlen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Bochumer Bevölkerungs- und Sozialstruktur 1975, 1986 und 1998. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Ausschnitt aus einer ¹MapInfoª-Karte (Straûennamen verändert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Kriminalitätszahlen aus der Sondererfassung für alle 46 Polizeibezirke der Stadt Bochum. . . . . . . . . 80 f. Korrelationen zwischen verschiedenen Kriminalitätsindikatoren im Hellfeld in den 46 Bochumer Polizeibezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Vergleich der Häufigkeitszahlen aller erfaûten Delikte aus den Untersuchungen Bochum I, II und III . . . . . . . . 84 a Wohnsitzverteilung der Tatverdächtigen in Bochum 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Verteilung der Tatverdächtigenwohnsitze im Stadtgebiet Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Einschätzung der Sozialstruktur von 15 ausgewählten Bezirken durch die Fachämter . . . . . . . . . . 90 Vor- und Nachteile verschiedener Befragungsmethoden. 104 Prävalenzraten von Diebstahl (insgesamt), Raub und Körperverletzung in ausgewählten Opferbefragungen . . 118 Prävalenzraten verschiedener Delikte in der Untersuchung Bochum III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Zusammenhang zwischen Viktimisierungen durch Diebstahl und Körperverletzungen innerhalb der letzten 12 Monate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Zusammenhänge zwischen Viktimisierungen innerhalb der letzten 12 Monate und innerhalb der letzten fünf Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Geschätzte Häufigkeiten (Inzidenzen) der untersuchten Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Summe angezeigter Straftaten gemäû Sondererfassung der Polizei und Opferbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Fälle schweren Diebstahls sowie geschätzte Dunkelzifferrelationen bei Zugrundelegung verschiedener Berechnungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Dunkelzifferrelationen verschiedener Delikte in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III . . . . . . . . . . 140 Entwicklung angezeigter und nicht angezeigter Körperverletzungen in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Anzahl der Diebstahlsdelikte (ohne Warenhausdiebstahl) in Abhängigkeit vom Wert der entwendeten Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

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Übersicht 45: Übersicht 46: Übersicht 47: Übersicht 48: Übersicht 49: Übersicht 50: Übersicht 51: Übersicht 52: Übersicht 53: Übersicht 54: Übersicht 55: Übersicht 56: Übersicht 57: Übersicht 58: Übersicht 59: Übersicht 60: Übersicht 61: Übersicht 62: Übersicht 63: Übersicht 64: Übersicht 65: Übersicht 66: Übersicht 67:

S. 417

Prävalenzraten in der face-to-face und der telefonischen Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inzidenzraten von Diebstahlsdelikten bzw. Raub und Körperverletzung getrennt nach Altersgruppen . . Inzidenzraten von weiblichen und männlichen Pbn . . . Inzidenzraten von deutschen und nicht-deutschen Pbn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Motivanalyse des Anzeigeverhaltens . . . . . . . . . . . . . . Anzeigequoten bei verschiedenen Delikten . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Versicherungsschutz und Anzeigeverhalten bei Diebstahlsdelikten . . . . . . . . . . . Anzeigequoten und Versicherungsschutz (bei Eigentumsdelikten) in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmungsgründe der subjektiven Schwere von Diebstahlsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bereitschaft zur informellen Konfliktregelung (deskriptive Ergebnisse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Leichtigkeit einer Anzeigeerstattung (deskriptive Ergebnisse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeigequoten in Abhängigkeit von der selbsteingeschätzten Kompetenz zur Anzeigeerstattung . . . . . . Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten und dem Geschlecht des Opfers bei Körperverletzungen . . Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten und dem Alter des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und der Nationalität des Opfers (bei Diebstahlsdelikten) . . Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und Alter des Tatverdächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Anzeigebereitschaft und (vermuteter) Nationalität des Täters . . . . . . . . . . . . . . Gründe für die Anzeige eines erlittenen Diebstahls (einfacher und schwerer Diebstahl) . . . . . . . . . . . . . . Der wichtigste Zweck der Freiheitsstrafe aus der Sicht der (Bochumer) Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat bei Diebstahlsdelikten (einfacher und schwerer Diebstahl) Zuordnung der 15 möglichen Gründe für eine Nicht-Anzeige zu fünf Kategorien. . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für die Nicht-Anzeige von Diebstahlsdelikten in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III (zusammengefaût nach Kategorien) . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhänge zwischen den Komponenten der Kriminalitätsfurcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 148 . 148 . 150 . 151 . 169 . 186 . 187 . 188 . 192 . 193 . 194 . 195 . 196 . 196 . 198 . 199 . 200 . 202 . 204 . 206 . 207 . 208 . 227 417

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Übersicht 68: Übersicht 69: Übersicht 70: Übersicht 71: Übersicht 72: Übersicht 73: Übersicht 74: Übersicht 75: Übersicht 76: Übersicht 77: Übersicht 78: Übersicht 79: Übersicht 80: Übersicht 81: Übersicht 82: Übersicht 83: Übersicht 84: Übersicht 85: Übersicht 86: 418

S. 418

Zusammenhänge zwischen Viktimisierungen, der Viktimisierungserwartung und dem Unsicherheitsgefühl nach Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsicherheitsgefühle in Bochum 1999 . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Unsicherheitsgefühle: Vergleich der Untersuchungen Bochum II und III . . . . . . . . . . . . Einschätzung der Veränderung der Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland sowie in der eigenen Wohngegend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten in Bochum 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viktimisierungserwartung in Bochum 1999 . . . . . . . . . Vermeidungsverhalten und Ergreifung von Abwehrmaûnahmen in Bochum 1987 und 1999 ± Angaben der Zustimmung in Prozent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skalenbildung bei den verschiedenen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht in der Untersuchung Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhänge einiger Komponenten der Kriminalitätsfurcht untereinander . . . . . . . . . . . . . . . Überschätzung der Vorkommenshäufigkeit schwerer Straftaten und Unsicherheitsgefühl bzw. Viktimisierungserwartung in Bochum 1999 . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl und der geschätzten Vorkommenshäufigkeit von Mord und Totschlag in Bochum 1999 . . . . . . . . . . . . . Nächtliches Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung nach dem Geschlecht in den Untersuchungen Bochum I, II und III . . . . . . . . . . . . . Ausmaû des Unsicherheitsgefühls (Mittelwerte auf einer Skala von 0 bis 12) in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen der Bewältigung von Opfererfahrungen und Unsicherheitsgefühlen (Mittelwerte auf einer Skala von 0 bis 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einschätzung von Zeichen sozialer Destabilisierung in Bochum 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Helligkeit der Straûenbeleuchtung und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl in Bochum 1999 . . . . . Das Ansehen der Polizei in der Untersuchung Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermuteter Ruf der Polizei im Vergleich der Untersuchungen Bochum II und Bochum III . . . . . . . . . . . . Persönliche Bewertung der Polizei. . . . . . . . . . . . . . . .

. 237 . 248 . 250 . 252 . 254 . 255 . 258 . 260 . 261 . 262 . 262 . 264 . 268 . 271 . 274 . 278 . 288 . 311 . 312

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Übersicht 87: Übersicht 88:

Übersicht 89: Übersicht 90: Übersicht 91:

Übersicht 92: Übersicht 93: Übersicht 94: Übersicht 95: Übersicht 96: Übersicht 97: Übersicht 98: Übersicht 99: Übersicht 100: Übersicht 101: Übersicht 102: Übersicht 103: Übersicht 104: Übersicht 105: Übersicht 106: Übersicht 107:

S. 419

Bewertung der Aufgabenerfüllung im Straûenverkehr und bei der Kriminalitätsbekämpfung . . . . . . . Bewertung der Polizei insgesamt und Bewertung der Aufgabenerfüllung im Bereich des Straûenverkehrs und der Kriminalitätsbekämpfung (Durchschnittsnoten auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6) . . . . . . . . . Bewertung eines typischen Bochumer Polizeibeamten . . Einschätzung eines Polizeibeamten als Respektsperson . Regressionsanalyse zum Einfluû der Bewertung des Straûenverkehrs, der Kriminalitätsbekämpfung und der Umgangsformen/Kompetenz auf die persönliche Bewertung der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei bei der Anzeigeerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung verschiedener Umgangsformen des Polizeibeamten in der Anzeigesituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung weiterer Aspekte in der Anzeigesituation. . . Verteilung der Kontakte der Bochumer Pbn mit der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontakte im Straûenverkehr nach Altersgruppen. . . . . Bundesrepublik Deutschland. Registrierte Gesamtkriminalität (Häufigkeitszahlen und bekannt gewordene Fälle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dunkelzifferrelationen verschiedener Delikte in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III . . . . . . . Summe angezeigter Straftaten gemäû Sondererfassung der Polizei und Opferbefragung . . . . . . . . . . Inzidenzraten von Diebstahlsdelikten bzw. Raub und Körperverletzung getrennt nach Altersgruppen . . . Anzeigequoten und Versicherungsschutz (bei Eigentumsdelikten) in den Untersuchungen Bochum I bis Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für die Anzeige eines erlittenen Diebstahls (einfacher und schwerer Diebstahl) . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für die Nicht-Anzeige einer Straftat bei Diebstahlsdelikten (einfacher und schwerer Diebstahl). . . . . Unsicherheitsgefühle in Bochum 1999. . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen der Bewältigung von Opfererfahrungen und Unsicherheitsgefühlen (Mittelwerte auf einer Skala von 0 bis 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Helligkeit der Straûenbeleuchtung und dem nächtlichen Unsicherheitsgefühl in Bochum 1999 . . . . . Nächtliches Unsicherheitsgefühl auûerhalb der Wohnung nach dem Geschlecht in den Untersuchungen Bochum I, II und III. . . . . . . . . . . . . .

314

319 320 321

322 324 327 328 331 332 344 347 348 349 350 352 353 355 358 360 361 419

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S. 420

Übersicht 108: Übersicht 109: Übersicht 110: Übersicht 111: Übersicht 112:

420

Aufbau der Untersuchung zum Ansehen der Polizei . . Persönliche Bewertung der Polizei. . . . . . . . . . . . . . . Bewertung eines typischen Bochumer Polizeibeamten Bewertung weiterer Aspekte in der Anzeigesituation . Ruf der Polizei im Vergleich der Untersuchungen Bochum II und Bochum III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

362 363 364 365

. . 367

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4.2

S. 421

Abkürzungsverzeichnis

a. a. O. Aufl.

am angegebenen Ort Auflage

b Bd. BewHi

beta Band Bewährungshilfe. Fachzeitschrift für Bewährungs-, Gerichts und Straffälligenhilfe BGBl. Bundesgesetzblatt BKA Bundeskriminalamt Brit. J.Criminol. British Journal of Criminology bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca.

circa

d. h. Diss.

das heiût Dissertation

ed./eds. EDV et al. etc.

edition (Auflage); editor/-s (Herausgeber) Elektronische Datenverarbeitung et alii (und andere) et cetera

f/ff FN

folgende Seite/-n Fuûnote

GABl.NW I

Gemeinsames Amtsblatt Nordrhein-Westfalen Teil I Kultusministerium

Hg. Hz

Herausgeber Häufigkeitszahl (-en)

i. Br. i. d. R. i. S. d. i. S.

im Breisgau in der Regel im Sinne der/des im Sinne

Jg. JuS

Jahrgang Juristische Schulung

KPB KrimJ KZfSSP

Kreispolizeibehörde Kriminologisches Journal Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 421

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S. 422

LKA

Landeskriminalamt

m. w. N. Mio. MschrKrim

mit weiteren Nachweisen Millionen Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform

n n. s. Nr. NRW NStZ

Anzahl der Pbn in der Stichprobe nicht signifikant Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht

o. J. Obb.

ohne Jahresangabe Oberbayern

p Pb Pbn PI PKS PolG NW

Signifikanzniveau Proband Probanden Polizeiinspektion Polizeiliche Kriminalstatistik Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen

qkm

Quadratkilometer

r

Korrelationskoeffizient

S. sog. StGB StPO StVG SWP

Seite sogenannt (-e/-er/-es) Strafgesetzbuch Strafprozeûordnung Straûenverkehrsgesetz Statistische Wohnplätze

TVBZ

Tatverdächtigenbelastungszahl

u. a. u. U. usw.

und andere/unter anderem unter Umständen und so weiter

vgl.

vergleiche

z. B. z. T. ZfStrVo zit. ZStW

zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe zitiert Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

422

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4.3

S. 423

Glossar

Arithmetisches Mittel Das arithmetische Mittel gibt den Durchschnitt einer Folge von Werten an, indem man die Summe der Werte durch die Anzahl der Werte dividiert (vgl. ausführlich § 2±1.1). Ausschöpfungsquote Unter der Ausschöpfungsquote wird der Prozentanteil der auswertbaren Interviews oder Fragebögen einer (Ü Stichproben-)Erhebung verstanden. Das Komplement zu 100 % kann entsprechend als Ausfallquote bezeichnet werden. Die Ausfallquote setzt sich im wesentlichen aus Verweigerern und nicht erreichbaren Pbn zusammen. Beta-Koeffizient Die Beta-Koeffizienten werden in der Ü Regressionsanalyse verwendet. Sie entsprechen den Regressionskoeffizienten, die man nach einer vorherigen Transformation der Daten erhält. Man kann die Beta-Koeffizienten heranziehen, wenn man verschiedene Regressoren hinsichtlich der Stärke ihres Einflusses vergleichen möchte. Ganz allgemein gibt der Beta-Koeffizient an, inwiefern von einem Merkmal auf ein anderes Merkmal geschlossen werden kann. Coping Bewältigung bzw. Coping bezieht sich auf den Versuch, den Anforderungen der Umwelt so zu begegnen, daû keine negativen Konsequenzen für die Person auftreten. So wird sich beispielsweise eine Person nach einem schweren Autounfall bemühen, mit diesem Ereignis so umzugehen, daû sie keine Alpträume bekommt. Dabei gibt es diverse Techniken der Bewältigung (so z. B. den Versuch, ein Problem anzugehen, nach Unterstützung zu suchen, mit jemandem darüber zu reden, dem Problem aus dem Weg zu gehen oder es zu vermeiden und zu vergessen), die jedoch nicht alle zu Zufriedenheit bzw. allgemeinem Wohlbefinden führen. Cronbachs alpha Häufig wird versucht, verschiedene Variablen zu einer Ü Skala zusammenzufassen. Das Maû Cronbachs alpha gibt an, inwiefern eine solche Skalenbildung bei den zugrundeliegenden Merkmalen sinnvoll ist, d. h. ob die Merkmale das gleiche ausdrücken bzw. messen (vgl. ausführlich § 2±5). Diversionsmaûnahmen Unter Diversionsmaûnahmen werden Reaktionen des Staats auf strafwürdige Handlungen eines Täters verstanden, bei denen auf eine formelle Sanktion i. S. d. 423

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S. 424

Strafrechts verzichtet wird. Statt dessen wird vom Täter oftmals eine Teilnahme an sozialen Trainingskursen oder das Leisten sozialnütziger Arbeit erwartet. Diversionsmaûnahmen werden vor allem bei (jugendlichen) Ersttätern angewandt bzw. dann, wenn der Täter nur als wenig gefährlich eingestuft wird. Einwohneramtsstichproben Bei dieser Art der Stichprobenziehung besteht die Grundgesamtheit aus allen Personen, die zu einem gegebenen Stichtag als Einwohner einer Gemeinde im zuständigen Einwohneramt registriert sind. Aus dieser Ü Grundgesamtheit wird nach einem Zufallsverfahren (zumeist EDV-gestützt) eine Ü Stichprobe gezogen. Ein Vorteil dieser Art der Stichprobenziehung besteht darin, daû jedes Element der Stichprobe (d. h. jeder Bürger der betreffenden Gemeinde) die gleiche Chance hat, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Filterfrage Bei einer Filterfrage beeinfluût die Antwort des Pbn, welche Frage ihm als nächste gestellt wird. Beispiel: Nur Pbn, die auf die (Filter-)Frage ¹Sind Sie in den letzten 12 Monaten Opfer eines Diebstahls geworden?ª mit ¹Jaª antworten, werden gefragt, ob sie danach die Polizei alarmiert haben. Grundgesamtheit Die Grundgesamtheit bezeichnet die Menge der Objekte, Personen oder anderer Dinge, über die Informationen gewonnen werden sollen. Die Grundgesamtheit muû eine eindeutig bestimmbare und zeitlich sowie räumlich abgrenzbare Menge sein. Beispiel: In der Untersuchung Bochum III sind alle Einwohner der Stadt Bochum über 14 Jahre, die ihren Erstwohnsitz in Bochum haben, die Grundgesamtheit. Häufigkeitszahl Die Häufigkeitszahl (Hz) ist die Zahl der bekannt gewordenen Fälle insgesamt oder innerhalb einer Deliktsgruppe, errechnet auf 100.000 Einwohner: Hz ˆ

F aÈ lle  100:000 Einwohnerzahl

Hypothese In einer Hypothese kommen Erfahrungen, Vermutungen oder theoretische Überlegungen über die Verteilung einer Ü Grundgesamtheit zum Ausdruck. Solche Hypothesen werden anhand der Ergebnisse einer Ü Stichprobe überprüft. Dabei 424

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S. 425

wird eine Hypothese als statistisch widerlegt angesehen, wenn das Stichprobenergebnis in deutlichem (= signifikantem) Widerspruch zu ihr steht. Beispiel: Es soll die Hypothese untersucht werden, die besagt, daû es keinen (bzw. einen) Zusammenhang zwischen dem Geschlecht eines Pbn und seinem Unsicherheitsgefühl gibt. Entsprechende Überprüfungsverfahren von Hypothesen heiûen Ü Signifikanztests. Die zu untersuchende Hypothese wird auch Nullhypothese genannt, das Gegenteil auch Alternativhypothese. Inzidenzrate Unter der Inzidenzrate versteht man bei Opferbefragungen das Verhältnis zwischen der Anzahl der berichteten Delikte und der Anzahl der Befragten. Treten unter den Befragten Mehrfachopfer (Personen, die angeben, mehrmals Opfer eines Deliktes geworden zu sein) auf, dann ist die Inzidenzrate höher als die Ü Prävalenzrate. Gibt es unter den Befragten keine Mehrfachopfer, so ist die Inzidenzrate gleich der Prävalenzrate. Irrtumswahrscheinlichkeit Bei Aussagen über die Richtigkeit einer Ü (Alternativ-)Hypothese können, wenn nur eine Ü Stichprobe aus der betreffenden Ü Grundgesamtheit als Informationsquelle zur Verfügung steht, falsche Aussagen entstehen, da die Stichprobe nur einen Ausschnitt aus der Grundgesamtheit darstellt. Es gibt hierbei zwei Arten von Fehlern: Z

Z

Fehler 1. Art: Fehler, die Hypothese aufgrund der Stichprobe zu verwerfen, obwohl sie auf die Grundgesamtheit zutrifft. Fehler 2. Art: Fehler, die Hypothese aufgrund der Stichprobe nicht zu verwerfen, obwohl sie auf die Grundgesamtheit nicht zutrifft.

In der Regel ist es möglich, Wahrscheinlichkeiten für die Fehler beider Arten zu quantifizieren. Die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler 1. Art wird Irrtumswahrscheinlichkeit genannt. Konfidenzniveau Zur Einschätzung der Genauigkeit von Punktschätzern werden sog. Konfidenzoder Vertrauensintervalle (Intervallschätzer) angegeben. Diese Intervalle werden um den Parameterschätzer ¹herumgelegtª und umschlieûen den Bereich, in dem der zu schätzende Parameter mit sehr groûer Sicherheit liegt. Der Grad der Sicherheit wird Konfidenzniveau bzw. Vertrauensniveau genannt. Übliche Konfidenzniveaus sind 90 %, 95 % oder 99 %. Beispiel: Es besteht die Vermutung, daû ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht eines Pb und seinem Unsicherheitsgefühl besteht. Diese Annahme gilt 425

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S. 426

als bestätigt, wenn sich der Ü Korrelationskoeffizent in der Stichprobe wesentlich von Null unterscheidet. Um Konfidenzintervalle konstruieren zu können, müssen Verteilungsannahmen oder Verteilungssimulationen für den Schätzer vorliegen. Korrelation Mit ¹Korrelationª wird der lineare Zusammenhang zwischen zwei quantitativen Merkmalen X und Y bezeichnet. Beispiele: Z

Z

Die quantitativen Merkmale X und Y bezeichnen Körpergröûe und Körpergewicht. Aus der Erfahrung weiû man: Groûe Körpergröûen sind in der Regel mit hohem Körpergewicht verbunden und umgekehrt. Dann sagt man ¹die beiden Variablen (Merkmale) sind positiv korreliertª. Die quantitativen Merkmale X und Y bezeichnen Gehalt und Freizeit. Aus Erfahrung weiû man: Viel Gehalt ist in der Regel mit wenig Freizeit verbunden und umgekehrt. Dann sagt man ¹die beiden Variablen (Merkmale) sind negativ korreliertª.

Korrelationskoeffizient Als Maû für die Ü Korrelation werden verschiedene Korrelationskoeffizienten verwendet, die jeweils an bestimmte Voraussetzungen gebunden sind. Der in der Untersuchung Bochum III verwendete Koeffizient wird auch als Rangkorrelationskoeffizient bezeichnet. Der mögliche Wert liegt zwischen ± 1 und + 1 (vgl. ausführlich § 2±1.2). Zusammenfassend gilt also: Ist der Korrelationskoeffizient positiv, so kann man sagen, daû hohe Werte von X tendenziell gemeinsam mit hohen Werten von Y auftreten. Ist der Korrelationskoeffizient negativ, so bedeutet dies, daû hohe Werte von X eher gemeinsam mit niedrigen Werten von Y einhergehen. Bei deterministischem, positivem (negativem) Zusammenhang beträgt der Korrelationskoeffizient 1 (± 1). Kriminalprävention Unter Kriminalprävention werden alle Maûnahmen verstanden, deren Ziel es ist, strafbare Handlungen zu verhindern. Hierbei wird allgemein zwischen verschiedenen Ansätzen der Kriminalprävention unterschieden. Z

Unter Generalprävention werden sämtliche Maûnahmen zusammengefaût, die sich an die Allgemeinheit richten. Hierzu zählen z. B. Maûnahmen zur Erhöhung des Unrechtsgefühls hinsichtlich eines bestimmten (strafbaren) Verhaltens oder das Ziel,begangeneStraftatenmöglichst häufigaufzuklären,dahoheAufklärungsquoten eine abschreckende Wirkung auf potentielle Straftäter haben (können).

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Spezialprävention hebt im Gegensatz dazu auf Anstrengungen ab, die Rückfallwahrscheinlichkeit eines (ganz bestimmten) Straftäters zu senken.

Darüber hinaus wird häufig zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Kriminalprävention unterschieden. Die primäre Prävention hat die Reduzierung der Ursachen kriminellen Verhaltens zum Ziel und bezieht sich auf alle Bürger einer Gesellschaft. Die sekundäre Prävention möchte hingegen die Abschreckung potentieller Straftäter bewirken. Die tertiäre Prävention schlieûlich richtet sich an Straftäter und hat eine Rückfallminderung zum Ziel. Median Der Median (auch Zentralwert genannt) einer Folge von Werten ist der mittlere der der Gröûe nach geordneten Werte (vgl. ausführlich § 2±1.1). Neben dem Ü arithmetischen Mittel ist der Median die bedeutendste Kennzahl zur Beschreibung des Zentrums einer Verteilung. National Crime Survey Beim National Crime Survey handelt es sich um eine in den USA seit Mitte der 60 er Jahre regelmäûig durchgeführte Opferbefragung, bei der alle sechs Monate ca. 58.000 amerikanische Bürger danach gefragt werden, welchen Delikten sie im vergangenen halben Jahr zum Opfer gefallen sind. Panelanalyse Unter einer Panelanalyse wird eine Untersuchung verstanden, bei der dieselbe Ü Stichprobe (¹the panelª) zu mehreren Zeitpunkten untersucht wird. Partialkorrelation Häufig bestehen signifikante Ü Korrelationen zwischen zwei Variablen, ohne daû zwischen diesen irgendeine kausale Beziehung existiert. Solche Ü Scheinkorrelationen können mit Hilfe von sog. Partialkorrelationen aufgedeckt werden (vgl. ausführlich § 2±1.3). Hierbei wird der Zusammenhang zwischen zwei Variablen von der Wirkung einer dritten Variablen ¹befreitª, die einen Einfluû auf beide ursprünglich untersuchten Variablen ausübt. Prävalenzrate Unter der Prävalenzrate versteht man bei Opferbefragungen das Verhältnis zwischen der Anzahl der Opfer (Personen, die angeben, Opfer eines Deliktes geworden zu sein) und der Anzahl der Befragten. Treten unter den Befragten Mehrfachopfer (Personen, die angeben, mehrmals Opfer eines Deliktes geworden zu sein) auf, dann ist die Prävalenzrate niedriger als die Ü Inzidenzrate. Gibt es unter den Befragten keine Mehrfachopfer, so ist die Prävalenzrate gleich der Inzidenzrate. 427

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Regressionsanalyse Die Regressionsanalyse ist ein Verfahren, bei dem versucht wird, ein schwer meûbares Merkmal durch ein einfach zu messendes Merkmal qualitativ zu beschreiben (vgl. ausführlich § 2±4). Beispiel: Eine in Australien weit verbreitete Lungenkrankheit bei Schafen wird durch Würmer in den Lungen hervorgerufen. Um durch eine Untersuchung der Lungen die Erkrankung zweifelsfrei zu diagnostizieren, müûte man eigentlich das Schaf schlachten. Um dieses zu vermeiden, kann man jedoch auch die Anzahl der Würmerlarven im Kot der erkrankten Tiere zählen. Die Abhängigkeit zwischen der Anzahl der Larven im Kot und der Anzahl der Würmer in der Lunge wird durch die Regressionsanalyse bestimmt. Reliabilität Die Genauigkeit von Informationen umfaût materielle und formale Aspekte. Die formale Genauigkeit, die Zuverlässigkeit (Reliabilität) von Informationen, beinhaltet die bei wiederholten Messungen ermittelte Stabilität der Ergebnisse. Reliabilität bedeutet somit die Reproduzierbarkeit eines Ergebnisses unter identisch gehaltenen Versuchsbedingungen. Beispiel: Man möchte mit einer Waage das Körpergewicht von Menschen bestimmen. Wird eine Person mehrmals hintereinander gewogen und zeigt die Waage jeweils das gleiche Gewicht an, so nennt man dieses Meûinstrument reliabel. Die materielle Genauigkeit wird Ü Validität genannt. Repräsentativität (einer Stichprobe) Da aufgrund der Ergebnisse einer Stichprobenerhebung in der Regel Rückschlüsse auf die Ü Grundgesamtheit gemacht werden sollen, ist es notwendig, daû die Ü Stichprobe einen repräsentativen Querschnitt der Grundgesamtheit darstellt, d. h., daû die wesentlichen Charakteristika der Grundgesamtheit durch die Stichprobe wiedergegeben werden. Eine Stichprobe heiût repräsentativ, wenn sie in der Verteilung aller interessierenden Merkmale der Gesamtheit entspricht, wenn sie also ein zwar ¹verkleinertesª, aber ansonsten wirklichkeitsgetreues Abbild der Gesamtheit darstellt. Eine bedeutende Möglichkeit, eine repräsentative Stichprobe zu erhalten, ist durch die Zufallsauswahl gegeben. Die Repräsentativität einer Zufallsstichprobe kann durch das gewählte Stichprobenverfahren beeinfluût werden. Die verschiedenen Stichprobenverfahren werden in der Literatur ausführlich diskutiert. Scheinkorrelation Besteht zwischen zwei Merkmalen ein linearer Zusammenhang (d. h. r 6ˆ 0), so ist neben der Messung der Ü Korrelation für die Beantwortung der Frage nach einem Zusammenhang zwischen den beiden Merkmalen auch das Vorhandensein eines 428

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kausalen Zusammenhangs von wesentlicher Bedeutung. Von hohen Beträgen des Korrelationskoeffizienten darf nicht ohne weiteres auf einen kausalen Zusammenhang zwischen den Merkmalen geschlossen werden. Grundsätzlich sollte in jedem Einzelfall überlegt werden, ob für einen hohen Korrelationskoeffizienten eine sinnvolle kausale Begründung gegeben werden kann. Ist dies nicht der Fall, so wird von einer Scheinkorrelation zwischen den beiden Merkmalen gesprochen. Beispiel: Ein bekanntes Beispiel für eine Scheinkorrelation ist die parallel verlaufende Abnahme von Storchennestern und menschlichen Neugeborenen. Beide Phänome sind jedoch eine Konsequenz der zunehmenden Industrialisierung respektive der Fortschritte im Bereich der ¹Chemieª und zeigen nicht etwa, daû Störche eben doch die Kinder bringen. Signifikanzniveau Siehe Signifikanztest. Signifikanztest Der Signifikanztest ist ein Verfahren, um Nullhypothesen statistisch zu überprüfen (vgl. ausführlich § 2±3). Beim klassischen Signifikanztest ist es das Ziel, den Fehler 1. Art (Ü Irrtumswahrscheinlichkeit) möglichst klein zu halten, also ein möglichst geringes Risiko einer irrtümlichen Ablehnung der Nullhypothese einzugehen. Die Nullhypothese wird folglich nur verworfen, wenn das Ergebnis aus der Stichprobe unter der Nullhypothese sehr unwahrscheinlich ist. Vor Durchführung eines Signifikanztests muû festgelegt werden, wie hoch die maximale Irrtumswahrscheinlichkeit sein soll, d. h. ab wann ein Ergebnis als ¹sehr unwahrscheinlichª angesehen wird. Diese maximale Irrtumswahrscheinlichkeit wird Signifikanzniveau genannt. Skala, Skalenanalyse Häufig ist es sinnvoll, eine Variable nicht nur durch einen, sondern durch mehrere Indikatoren zu messen, da auf diese Weise die Messung genauer wird. Beispiel: Zur Messung des Unsicherheitsgefühls wurden in der Untersuchung Bochum III die Pbn danach gefragt, wie unsicher sie sich nachts bzw. tagsüber in ihrer Wohnung bzw. auûerhalb ihrer Wohnung fühlen. Das Unsicherheitsgefühl wurde somit durch insgesamt vier Indikatoren gemessen. Um nun herauszufinden, ob diese vier Indikatoren das gleiche messen, wird eine Skalenanalyse durchgeführt (vgl. ausführlich § 2±5). Hierbei wird überprüft, inwiefern eine Reihe von Variablen zu einer Skala zusammengefaût werden kann.

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Soziodemographische Variablen Hierunter versteht man Variablen, welche die allgemeine Lebenssituation eines Pb anhand objektiver Merkmale erheben sollen. Zu den am häufigsten verwandten soziodemographischen Variablen gehören Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildung sowie die Staatsangehörigkeit eines Pb. Stichprobe Der Begriff ¹Stichprobeª stammt aus der industriellen Chemie. Mit einem Stechrohr wurden der laufenden Produktion in bestimmten Zeitabständen Kontrollproben entnommen, die sog. ¹Stichprobenª. Eine Stichprobe ist ein ausgewählter Ausschnitt oder eine Teilmenge aus einer Ü Grundgesamtheit, die möglichst wirklichkeitsgetreue qualitative oder statistische Aussagen über eine Grundgesamtheit zulassen. Eine Stichprobe gilt als zufällig, wenn jedes Element der Grundgesamtheit eine (berechenbare) gleiche Chance hat, in die Stichprobe ¹aufgenommenª zu werden. Tatverdächtigenbelastungszahl Die Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ) ist die Zahl der bekannt gewordenen Tatverdächtigen eines Gebiets, errechnet auf 100.000 Einwohner: TVBZ ˆ

Tatverd aÈ chtige  100:000 Einwohnerzahl

Validität Im Gegensatz zur Ü Reliabilität einer Information beinhaltet die Validität die materielle Genauigkeit einer Information. Die Gültigkeit oder Validität von Informationen bringt zum Ausdruck, inwieweit das Meûergebnis auch tatsächlich auf den zu untersuchenden Sachverhalt Bezug nimmt und ihn beschreibt bzw. inwieweit inhaltlich jene Information gemessen wird, die zu messen beabsichtigt war. Beispiel: Man möchte das Körpergewicht von Menschen bestimmen. Setzt man hierzu ein Maûband als Meûinstrument ein, so ist die Validität der Meûergebnisse nicht gegeben.

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