Sparkassen im kommunalen Raum

October 13, 2016 | Author: Cornelius Mann | Category: N/A
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Sparkassen im kommunalen Raum Aus dem Inhalt

Seite

– Grundsatz – Energieverbrauch senken, regenerative Energien fördern – die Energiewende bietet Chancen für die Kommunen Von Georg Fahrenschon3 Städte in Zeiten der Eurokrise – Stabilitätsfaktor der Volkswirtschaft Von Dr. Stephan Articus5 Agenda 2020 – Wege aus dem Schuldenstaat Von Dr. Gerd Landsberg10

Breitbandversorgung in der Fläche – Herausforderung für Kommunen und Sparkassen Von Prof. Dr. Hans-Günter Henneke14 Sparkassen und Kommunen als natürliche Partner – Gilt das auch unter Basel III? Von Dr. Schackmann-Fallis17

– Energie –

Aus dem Inhalt

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Kommunale Verschuldung sichtbar und beherrschbar machen Von Sebastian Bergmann50 Kommunaler Dienstleister in der Sparkassen-Finanzgruppe Von Hans-Joachim Wegner und Rainer Book53 Wirtschaftlichkeitsvorteile durch Paketvergabe von Bauund Betriebsleistungen – Erfolgreiche Umsetzung aus der S-Finanzgruppe im Landkreis Miesbach Von Gerhard de Biasio, Luitpold Grabmeyer und Rainer Book56 Rahmenbedingungen für die Kommunalfinanzierung – Refinanzierung, öffentliche Pfandbriefe, Basel III –1 Von RA Ralf Josten60 Kultur = Mehrwert für die Region Von Gerald Rodecker und Olivia Zwach67 Alternativen bei der Finanzierung kommunaler Investitionen

Ein Erfahrungsbericht von Thomas Schmid und Gerd Marxreiter71

– Infrastruktur –

Sparkassenfinanzgruppe – Partner der Energiewende Bayern Von Prof. Rudolf Faltermeier19

ÖPP-Marktanalyse: öffentliche Beschaffungsalternative mit Zukunftspotenzial

„Den Bürger mitnehmen – wie die Energiewende vor Ort gelingen kann“ Von Hans-Joachim Reck20

Kommunalwirtschaft im Umbruch? Im Aufbruch? – Wege zur Zukunftsfähigkeit Von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus J. Beckmann76

Helfen Bürgerbeteiligungen bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben kommunaler Energieversorgungsunternehmen?

„Chancen muss man sich nehmen“ – Ländliche Entwicklung und Städtebauförderung als Antwort auf die demografischen Fragen Von Andrea Bastian und Dietmar Attenhuber81

Von Prof. Dr. Heinrich Degenhart und Dipl.-Volkswirt Lars Holstenkamp23

Wie Kommunen und kommunale Unternehmen sparen können Von Detlev-W. Kalischer29 Rekommunalisierung der Energieversorgung Von Prof. Dr. Wolf Gottschalk31 KfW-Aktionsplan Energiewende: Eine große Chance für die kommunale Infrastruktur! Von Martin Köppen34 Investitionen in Effizienz und erneuerbare Energien werden sich auszahlen Interview mit Frank Wunderlich36 KfW-Förderprogramme für Kommunen und kommunale Unternehmen – ein Überblick: Je effizienter, desto billiger

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Gemeinsam Werte für die Energieversorgung von Morgen schaffen Von Kai Ostermann und Markus Strehle39 Kommunales Bürgerbeteiligungsmodell bei Windenergieanlagen Von Franz Schonlau41 Kommunaler Klimaschutz: Weniger Theorie – mehr Praxis!

Von Carolin Frohnauer und Martin Behrends42

– Finanzierung – Zinsrisiken: Kommunen mit Bausparen auf der sicheren Seite Von Hermann Litz44 Rahmenbedingungen für die Finanzierung der öffentlichen Hand Von Matthias Wohltmann45

Von Sebastian Bergmann, Melanie Kunzmann und André Weidemann75

Nachhaltige Wirtschaft in der Stadt – ein neues kommunales Handlungsfeld?

Von Beate Hollbach-Grömig und Dr. Busso Grabow82

Kindergärten in Partnerschaften bauen und betreiben Von Bernward Kulle87

– Sparkassen und Innovationen – Zahlungsverkehr wird europäisch

Von Carl-Ludwig Thiele94

Girogo – ein Meilenstein auf dem Weg zum Mobile Payment Von Günter Distelrath98 Kompetenz für KMU Von Lars Fuchs99 Neue Bezahllösungen für moderne Verbraucher Von Robert Beer 

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Evolution der Geldbörse Von Ingo Limburg104 Neuer Personalausweis als Schlüssel zum E-Government Von Christian Mohser106 Kommunales Forderungsmanagement – Liquiditätsreserven freisetzen Von Karsten Schneider109 Öffentlich-Private Partnerschaften in deutschen Kommunen – ein Überblick Von Bernward Kulle und Anja Tannhäuser110 Der LBS Zukunftskompass „Kommunen gestalten – Generationengerechtes Wohnen und Leben“: Maßnahmen für zukunftsfähige Kommunen

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Personalien115

Zeitschrift für das gesamte Verwaltungswesen, die sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben der Städte, Landkreise und Landgemeinden Organ des Vereins für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik e.V. Verlag Kommunal-Verlag Fachverlag für Kommunalwirtschaft und Umwelttechnik Wuppertal

Gegründet im Jahre 1910 in Berlin Verlagsort Wuppertal

Sonderausgabe

August 2012

– Grundsatz – Energieverbrauch senken, regenerative Energien fördern – die Energiewende bietet Chancen für die Kommunen Von Georg Fahrenschon – Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Berlin Die Energiewende gehört zu den ambitioniertesten politischen Projekten der letzten Jahre. Trends lassen sich bereits heute absehen. Die Energieerzeugung ist bereits auf dem Weg, kleinteiliger und dezentraler zu werden. Und das Ziel, den Energieverbrauch zu senken, wird nur lokal umgesetzt werden können. Dementsprechend rückt die Energiewende immer stärker in den Fokus von Kommunen und Mittelstand. Weil für neue, innovative Techniken gerade die Finanzierungsfrage ein entscheidender Erfolgsfaktor ist, sind so auch die Sparkassen gefordert. Sie verstehen sich als der Finanzierungspartner für Kommunen ebenso wie für Privat- und Firmenkunden, wenn es um Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien geht. Dafür werden eigene Kreditmittel vergeben, aber auch Förderkredite der KfW. Hier haben unsere Institute einen Anteil von gut 40 Prozent bei der Vergabe – über alle Förderkredite hinweg von 2009 bis 2011 mehr als 22 Milliarden Euro.

Staatliche Förderung nutzen Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Sie muss sich aber auch für die Investoren rechnen. Bei Maßnahmen zur Energieeffizienz ist es sehr häufig möglich, durch die Einsparungen die Investitionen zu refinanzieren. In vielen Fällen sind aber Förderprogramme ein notwendiger Anreiz. Hier gibt es sehr gute Programme, die aber stärker bekannt gemacht und genutzt werden sollten. Wir sehen einen großen Bedarf bei der energetischen Sanierung von Gebäuden.

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

Denn Energie, die gar nicht erst verbraucht wird, muss weder produziert noch über größere Strecken transportiert werden. Leider wird derzeit jährlich nur rund ein Prozent des Gebäudebestands energetisch saniert. Das ist viel zu wenig, wenn der Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent gesenkt werden soll. Allein die elektrischen Antriebe in Industrie und Gewerbe verbrauchen fast zwei Fünftel des gesamten Stroms in Deutschland. Energieeffizienz ist dort künftig ein Schlüsselfaktor. Zum einen werden die Energiekosten in den nächsten Jahren deutlich steigen. Sich darauf durch gezielte Maßnahmen rechtzeitig vorzubereiten, ist eine wesentliche Frage für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Zum anderen zeigen solche Unternehmen ihre Innovationskraft und verbessern ihre Reputation im Markt. All das spielt künftig für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit eine große Rolle.

Lokalen Unternehmen und Handwerksbetrieben kommt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende zu Drei Viertel aller deutschen Unternehmen sind unsere Kunden. Darunter sind sehr viele mittelständische und familiengeführte Unternehmen, durchaus nicht nur lokal tätige, sondern in vielen Fällen Weltmarktführer in ihrem Bereich. Diese Unternehmen und ihre Eigentümer sind es gewohnt, langfristig zu denken und zu handeln. Sie sind deshalb sehr gut für Maßnahmen der ökologischen Nachhaltigkeit zu gewinnen. Und ohne Handwerksbetriebe sind weder energetische Sanierungen noch Energieeffizienzmaßnahmen praktisch

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umsetzbar. Für sie ist das auch ein großes Geschäftsfeld. Mittelständische Unternehmen sind deshalb natürliche Verbündete für eine rasche und wirtschaftlich vernünftige Umsetzung der Energiewende. Die Energiewende wird nur gelingen, wenn sie in den Kommunen durch die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen breit getragen wird. Es muss uns gelingen, für diese Herkulesaufgabe privates Kapital und Engagement vor Ort zu mobilisieren. Sparkassen arbeiten nach dem Prinzip „Geld aus der Region für die Region“. Damit können Sparkassen lokale Aktionen für mehr Energieeffizienz starten, häufig zusammen mit den Kommunen. Sie beteiligen sich in vielen Fällen an regionalen Initiativen, deren Zielsetzungen die Umsteuerung in regenerative Energien, Klimaneutralität oder bessere regionale Wertschöpfungen sind. Und vor allem können sie helfen, finanzielle Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern bei regenerativen Energieanlagen oder der Übernahme lokaler Energienetze zu organisieren. Möglich ist dies etwa mit Geldanlagen in Umwelt- und Klimasparbriefe, deren Aufkommen in solche Maßnahmen investiert werden. Die Menschen spüren, dass sie damit etwas für die eigene Region tun. Das schafft Vertrauen und erhöht die Akzeptanz für die Energiewende.

Herausforderungen in den Kommunen bei der Umstellung der Energieversorgung von zentral auf dezentral Die Energiewende mit ihren ambitionierten energiepolitischen Zielen wird sicher nicht ohne Großanlagen gelingen. Offshore-Windanlagen sind dabei ein Element, um diese Ziele zu erreichen. Diese Technologie hat aber das Problem, dass bei ihr der Strom über weite Strecken transportiert werden muss. Gegen die dafür geplanten überirdischen Höchstspannungsleitungen regt sich schon jetzt Bürgerprotest. Es sollte deshalb möglichst viel Energie dort produziert werden, wo sie verbraucht wird – also vor Ort in den Kommunen. Allerdings sehen wir auch, dass es dort vielfach noch an den intelligenten Netzinfrastrukturen fehlt, die eine dezentrale Einspeisung und bedarfsgerechten Abruf von Strom ermöglichen. Das ist neben der Speicherung von Energie die größte Herausforderung, die ich sehe.

Die Energiewende bedarf erheblicher Investitionen Dazu kommt der hohe Finanzierungsbedarf. Nach Schätzungen des DSGV müssen für die Realisierung von Einsparpotenzialen, die Erschließung alternativer und vor allem erneuerbarer Energien und den Aufbau neuer Netzinfrastrukturen bis 2020 rund 370 Milliarden Euro investiert werden. Allein das Investitionsvolumen in die regionalen Verteilernetze dürfte bei mehr als 22 Milliarden Euro liegen, eine gewaltige Summe, die vor allem von Kommunen und Stadtwerken gestemmt werden muss. Für Deutschland als exportorientiertes Industrieland wird es eine große Herausforderung, die Energiewende zu realisieren, ohne die Energieversorgung zu teuer und in Bezug auf die Versorgungssicherheit unkalkulierbar zu machen. Angesichts der enormen Investitionen, die für die Energiewende benötigt werden, reichen staatliche Förderungen in der Tat nicht aus. Es muss deutlich mehr privates Kapital

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mobilisiert werden. Höchstspannungsnetze oder Großanlagen im Gas- oder Solarsektor werden wohl nur durch institutionelle Anleger bewältigt werden können. Darauf konzentriert sich derzeit die Aufmerksamkeit. Die ambitionierten Ziele zur Energieeinsparung und Umsteuerung auf regenerative Energien werden aber nur zu erreichen sein, wenn jeder in seinem Umfeld das Mögliche tut. Wir müssen deshalb Bürgern und Unternehmen helfen, die richtigen Investitionen bei sich selbst durchzuführen. Und wir müssen dafür sorgen, dass auch privates Kapital in kleinen Volumina vor Ort in Bürgerbeteiligungsmodellen investiert wird. Das mobilisiert das notwendige Kapital, macht das Thema Energiewende aber auch zu einem Anliegen der Bürger selbst. Ich sehe darin auch eine große Chance für bürgerschaftliches Engagement und damit eine Belebung der kommunalen Selbstverwaltung.

Beispiel für eine gelungene Finanzierung Dafür gibt es bereits einige Beispiele. Im vergangenen Jahr hat die Sparkasse Mainz zusammen mit einem Solarmodulhersteller sowie den Mainzer Stadtwerken den Bürgern erstmals die Möglichkeit gegeben, in Solarenergie zu investieren – auch wenn sie nicht über ein eigenes Hausdach verfügen. Um Mainzer Solarbürger zu werden, genügte eine Mindesteinlage von 1.000 Euro in den „Bürger-Solarsparbrief“. Über eine Laufzeit von fünf Jahren werden attraktive Zinsen gewährt. Dabei ist der Zinsertrag nicht an den Ertrag der Photovoltaikanlage gebunden. Das limitierte Kontingent des Sparbriefs entspricht dem Investitionsvolumen der Photovoltaikanlagen und bietet damit eine wirklich nachhaltige Geldanlage.

Energiepolitik der Zukunft Zusammengefasst sollte die Energiepolitik nach meiner Einschätzung drei große Ziele verfolgen: Erstens müssen wir den Ehrgeiz entwickeln, Energie so sparsam wie möglich einzusetzen. Dabei geht es um die bessere Energieeffizienz. Zweitens müssen wir auf solche Energieträger umstellen, die umwelt- und klimapolitisch vertretbar sind. Wo immer möglich, sollten wir das Ziel einer Klimaneutralität verfolgen. Und drittens muss es darum gehen, die Energieabhängigkeit Deutschlands zu verringern. Diese drei Zielsetzungen stehen in inneren Konflikten zueinander. Die Kunst wird sein, möglichst viel von allen drei Zielen zu erreichen. Die Sparkassen verstehen sich seit über 200 Jahren als Mitgestalter grundlegender Umbruchprozesse. Sie sind in der Zeit der Industrialisierung gegründet worden. Damals ging es darum, industrielle und soziale Verwerfungen abzufedern und zu gestalten. Nach zwei Weltkriegen und der Deutschen Einheit haben die Sparkassen wesentliche Leistungen für den Wiederaufbau und wirtschaftlichen Wohlstand erbracht. Ich sehe in der Energiewende eine der ganz großen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen dieses Vorhaben so gestalten, dass wir den Anforderungen an ökologische Nachhaltigkeit entsprechen, ohne Unternehmen und Bürger wirtschaftlich zu überfordern. Bezahlbare Energie ist nicht zuletzt auch eine soziale Frage. Die Aufgabe ist so bedeutsam, dass die Sparkassen ihr wirtschaftliches Know-how und ihre lokale Verankerung unbedingt einbringen müssen.

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

Städte in Zeiten der Eurokrise – Stabilitätsfaktor der Volkswirtschaft Von Dr. Stephan Articus – Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städtetages, Berlin Für die Zukunftsfähigkeit der Städte sind die Erhaltung und Stärkung einer leistungsfähigen Infrastruktur von größter Bedeutung. Eine Vielfalt an kulturellen Angeboten, eine moderne Verkehrsinfrastruktur, gute Schulen, ein attraktives Wohnumfeld, Angebote zu sportlichen Aktivitäten machen unsere Städte erst zu Orten, in denen Menschen gerne leben. Auch Wirtschaftsunternehmen treffen ihre Standortentscheidungen naturgemäß auch im Hinblick auf die Qualität der Infrastruktur. Die Stabilität einer Volkswirtschaft ist schon aus diesen Gründen wesentlich an die Funktions- und Handlungsfähigkeit der Städte geknüpft. In Folge der Finanzmarktkrise und der danach ergriffenen Maßnahmen hatten auch die deutschen Kommunen in den letzten Jahren mit Rekorddefiziten zu kämpfen. Drastische Anstrengungen waren und sind erforderlich, um insbesondere die ruinöse Entwicklung der Kreditbestände zur Liquiditätssicherung im kommunalen Bereich einzudämmen. In diesem Jahr könnte es jedoch gelingen, erstmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008, wieder einen Überschuss für die Gesamtheit der Kommunen zu erwirtschaften. Bei den Steuereinnahmen wurde im Jahr 2011 (mit mehr als 76 Milliarden Euro) das Niveau vor der Krise endlich wieder erreicht. Für das Jahr 2012 wird das bundesweite Volumen der Gewerbesteuer (einschließlich Stadtstaaten) mit 42,6 Milliarden Euro prognostiziert. Es hat sich also gelohnt, dass der Deutsche Städtetag in der Gemeindefinanzkommission leidenschaftlich und mit Erfolg für die Beibehaltung der Gewerbesteuer gekämpft hat. Gleichzeitig müssen wir mit Besorgnis zur Kenntnis nehmen: Die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum flaut nicht ab. Trotz eines historisch niedrigen Zinsniveaus sind zunehmende Korrekturen der Konjunkturprognosen nach unten für den gesamten Euro-Raum zu beobachten. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Europa und einer zunehmenden Europäisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist der prüfende Blick auf mögliche Potenziale aber auch Probleme der deutschen Kommunen zu richten. Ist die Handlungsfähigkeit insbesondere der Städte gesichert?

Kommunale Schulden als Teil der öffentlichen Verschuldung Der Anteil der kommunalen Schulden an der öffentlichen Verschuldung in Deutschland ist in vergangenen zehn Jahren gesunken. Derzeit liegt er bei ca. 6 %. Im Jahr 2000 waren es noch 8 %. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt erreichen die kommunalen Schulden einen Anteil von rund 5 %1. Dass der Anteil der Gemeinden an der öffentlichen Verschuldung in Deutschland trotz gestiegener Schuldenstände nicht gewachsen ist, liegt insbesondere an dem rasanten Aufwuchs der Schulden der staatlichen Ebene. Kommunale Schulden machen gegenwärtig 17 % der gesamten Länderschulden aus. Die vergleichsweise moderate Entwicklung der Kommunalverschuldung in Deutschland – obwohl über 60 Prozent der öffentlichen Investitionen kommunale Investitionen sind – lässt sich erklären: Die Kreditaufnahme von Kommunen ist vor allem an der Investitionstätigkeit ausgerichtet. Ob und in welchem Maße sich eine Kommune verschulden kann, richtet sich nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Die kommunale Kreditaufnahme bedarf in nahezu allen Ländern der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht der Länder.

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

Die Neuverschuldung einzelner Kommunen hat damit für den Kapitalmarkt vergleichsweise geringe Bedeutung. So handelt es sich bei den kommunalen Schulden fast ausschließlich um Direktausleihungen der Kreditinstitute (97 %). Von Gemeinden begebene Anleihen sind hingegen Ausnahmen. Dagegen machen bei der Verschuldung von Ländern und Bund Direktausleihungen der Kreditinstitute nur einen vergleichsweise geringen Anteil aus (bei Ländern 31 % und beim Bund ca. 1 %). In diesen Relationen unterscheiden sich u. a. die kommunale und staatliche Schuldenaufnahme in Deutschland. Ein Grund zur Entwarnung ist diese Gesamtentwicklung für viele Städte dennoch nicht. Die Finanzlage vieler Städte bleibt auch unter den aktuellen konjunkturellen Gegebenheiten sehr ernst. Kassenkredite in Rekordhöhe belasten vor allem strukturschwache Kommunen, deren Probleme haben sich durch die Finanzmarktkrise noch einmal zusätzlich verschärft. Der Deutsche Städtetag wirbt deshalb derzeit insbesondere für eine deutliche Entschuldung der Kommunen, die finanzielle Entlastung bei den Sozialausgaben, die Durchsetzung des Konnexitätsprinzips („Wer bestellt, bezahlt!“) und die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in einzelnen Bundesländern.

Problem: Liquiditätssicherung Rund ein Drittel der kommunalen Schulden sind durch die Notwendigkeit zur Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung bedingt. Während Kommunen der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen fast ohne Kassenkredite auskommen, finden sich in den Büchern der nordrhein-westfälischen Kommunen rund die Hälfte der bundesweiten Kassenkreditbestände. Zieht man zur Analyse die Kennzahl Kassenkredite pro Einwohner heran, sind insbesondere die Kommunen des Saarlandes, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalens mit hohen Beträgen auffällig. Aber auch in Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind anhaltend hohe Bestände je Einwohner zu verzeichnen2. Nachgewiesen ist ein statistisch-signifikanter Zusammenhang zwischen der Dynamik der Sozialausgaben der Sozialleistungsträger und der Dynamik der Kassenkreditbestände3. Selbst wenn die Ursachen für die hohe Verschuldung teilweise heterogen bewertet werden, es besteht dringender Handlungsbedarf. Da die Zinsen für die Kredite zur Liquiditätssicherung zurzeit ein historisch niedriges Niveau aufweisen, drohen bei ansteigenden Zinssätzen deutlich höhere Belastungen der kommunalen Haushalte. Ohne Gegenmaßnahmen wird befürchtet, dass die Kassenkredite z.B. der nordrhein-westfälischen Kommunen selbst bei einer konservativen Schätzung bis Ende 2020 etwa 50 Mrd. Euro erreichen werden4. Den Ländern stellt sich in erster Linie die Aufgabe, die Finanzausstattung der Kommunen so zu gestalten, dass die Finanzmisere nicht perpetuiert wird. Hier geht es darum, den kommunalen Finanzausgleich aufgabengerecht zu dotieren und zu gestalten. Erste Schritte in diese Richtung hat beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen bereits getan. Solche Anpassungen des kommunalen Finanzausgleichs sind jedoch oft nur mittelfristig zu erreichen. Entwicklungsszenarien zur Verschuldungs- und Zinsentwicklung zeigen aber, dass Initiativen gegen die finanziellen Altlasten der strukturellen Unterfinanzierung keinen weiteren Aufschub dulden. Hier ist unverzügliches Handeln erforderlich. Dabei ist es unverzichtbar, dass

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die Landesregierungen alle Umsetzungsschritte im engen Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden abstimmen. Insbesondere wenn, mangels auskömmlicher Dotierung der Programme, Mittel auf einen kleineren Empfängerkreis konzentriert werden sollen und interkommunale Solidarität eingefordert wird, sind besondere Anforderungen bezüglich Transparenz und sachlicher Angemessenheit einzuhalten.

Entschuldungsprogramme und Konsolidierungshilfen In nahezu allen Ländern, insbesondere dort, wo hohe Kassenkreditbestände auf kommunaler Ebene ausgewiesen werden, finden derzeit Gespräche zu geeigneten Maßnahmen für eine Entschuldung der betroffenen Kommunen statt. Dafür setzen die Länder eigene Mittel ein, fordern jedoch auch die interkommunale Solidarität heraus. In der Regel sind die Maßnahmen mit konkreten Konsolidierungsauflagen im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Verträgen für die teilhabenden Kommunen verbunden. Dabei sind die Konzepte und Vorgehensweisen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sowohl in den gewählten Bezeichnungen der Hilfe als auch in der konkreten Ausformung (z.B. als spezielle Fonds oder gesonderte Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, konkrete Maßnahmen im Zins- und Schuldenmanagement). Überwiegend sind die Konzepte auf den unmittelbaren Abbau oder zumindest die Reduzierung der Kassenkreditbestände ausgerichtet. Ein „Blick über den eigenen Gartenzaun“ lohnt da allemal. So lässt sich inzwischen auf Initiativen für die Entschuldung von Kommunen in der überwiegenden Zahl der Flächenländer verweisen. Dazu gehören u.a. der „Kommunale Schutzschirm“ in Hessen, der „Kommunale Konsolidierungsfonds“ in Mecklenburg-Vorpommern, der „Zukunftsvertrag – Entschuldungsfonds“ in Niedersachsen, der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ in Nordrhein-Westfalen, der „Kommunale Entschuldungsfonds“ in Rheinland-Pfalz, die „Konsolidierungshilfen“ in Schleswig-Holstein und „STARK II“ in Sachsen-Anhalt. Diese ergriffenen Maßnahmen sind erste, wichtige und notwendige Hilfestellungen der Länder für Kommunen mit strukturellen Defiziten. Allen, die einen konkreten Nachweis für die verfassungsrechtlich verankerte Haftungskette in Deutschland einfordern, kann hier gezeigt werden: Das bündische Prinzip im föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik hält und ist gelebte Praxis. Wir setzen uns dafür ein, dass die Hilfen transparent, sachlich angemessen sowie nachhaltig ausgestaltet werden und die notwendigen eigenen kommunalen Konsolidierungsanstrengungen der teilnehmenden Kommunen unterstützen. Schließlich geht es auch darum, dass die beabsichtigten Entschuldungsfonds nicht zu Knebeln kommunaler Selbstverwaltung und zu unpraktikablen bürokratischen Monstren werden. Sollen Entschuldungsfonds dauerhaft Wirkung zeigen, müssen die Faktoren, die zu dem enormen Anstieg der Defizite geführt haben, dauerhaft korrigiert werden.

Fiskalische Nachhaltigkeit Würde das Konnexitätsprinzip („Wer bestellt, bezahlt!“) konsequent gelten, wäre es nicht zur schwierigen aktuellen Situation in einer beachtlichen Zahl von Kommunen gekommen. Deshalb ist die Einhaltung dieses Prinzips für die Zukunft elementar. Denn in den betroffenen Kommunen wachsen die Kassenkreditbestände aufgrund der ungelösten strukturellen Probleme täglich weiter an. Gegenmaßnahmen dulden keinen weiteren Aufschub.

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Flankierend sind u. a. Möglichkeiten zu strategischen Investitionen über die bisherigen Finanzierungsmechanismen hinaus sowie Sanierungsansätze jenseits der klassischen Haushaltskonsolidierung in den einzelnen Kommunen auszuloten. Fiskalische Nachhaltigkeit ist in zweifacher Hinsicht zu erreichen: Kommunale Politik muss finanzierbar sein oder auf selbsttragenden wirtschaftlichen Effekten beruhen. Zum anderen müssen die Ressourcen bewahrt werden. Deshalb sind ein ausgeglichener Haushalt und der Schuldenabbau zu Gunsten kommender Generationen zentrale Ziele der Stadtpolitik5. Diese Ziele verlangen massive Anstrengungen von Seiten der Kommunen. Sie erfordern jedoch auch eine strukturelle Entlastung.

Konsequenzen der Schuldenbremse für Bund und Länder Bund und Länder stehen in der Pflicht, Voraussetzungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der Kommunen zu schaffen. Die künftigen Herausforderungen für das Finanzmanagement der Kommunen sind gravierend. So besteht für die kommenden Jahre die Gefahr, dass durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse der zunehmende Konsolidierungsdruck über die Länder weitgehend auf die kommunale Ebene verlagert wird. Es muss ein effektiver Schutzmechanismus verankert werden, durch den verhindert wird, dass Bund und Länder – statt den unbequemen Weg des Aufgabenabbaus und der Entbürokratisierung einzuschlagen – die Verschuldung auf die kommunalen Haushalte verlagern. Eindringlich richten wir an die Länder den Appell, die Schuldenbremse nicht zu Lasten der Kommunen anzuwenden. Die öffentliche Verschuldung muss auf allen Ebenen begrenzt werden. Die Länder dürfen den Konsolidierungsdruck durch die Schuldenbremse, die sie selbst einhalten müssen, nicht auf die Kommunen abwälzen. Jede Ebene muss zuerst und vor allem im eigenen Verantwortungsbereich sparen. Alles andere ist eine Mogelpackung und würde die Finanzprobleme der Kommunen verschärfen.

Zum Fiskalpakt Der Fiskalpakt ist eher ein Rahmenvertrag, der noch konkretisiert werden muss. Darin sind Chancen aber auch Gefahren für die Kommunen zu sehen. Klar ist, die Länder müssen ihre Finanzierungsverantwortung gegenüber ihren Kommunen unabhängig von eigenen Konsolidierungsbedarfen anerkennen. Wir treten dafür ein, dass eine unabhängige nationale Institution die Einhaltung der Regelungen überwacht. Aufgrund der Berücksichtigung der kommunalen Finanzierungssalden bei der Ermittlung des gesamtstaatlichen Defizits im Rahmen des Fiskalpakts sowie des Risikos einer kommunalen Beteiligung an etwaigen Sanktionszahlungen ist die ständige Beteiligung der Kommunen im Stabilitätsrat sicherzustellen.

Sicherung der Bonität der Kommunen Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit jeder einzelnen Kommune ist wesentlich für die künftigen Kreditkonditionen der Gesamtheit inländischer kommunalen Gebietskörperschaften. Vor dem Hintergrund, dass für Kommunen als juristische Personen des öffentlichen Rechts in allen Bundesländern die Insolvenzfähigkeit ausgeschlossen ist, und es keine Statistik des Zahlungsverzuges von inländischen Kommunen gibt, da es in der Vergangenheit keine derartigen Verzugs- oder Ausfälle gab, gilt die Direktausleihung an inländische Kommunen in Bankkreisen als risiko- und damit aber auch als margenarm. Kommunalkredite sind damit (auch gegenwärtig) zu günstigen Konditionen am Markt verfügbar6.

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

Bei Ausschreibungen von Kreditbedarf durch Kommunen zeigt sich in den letzten Monaten, dass sich der Kreis der anbietenden Kreditinstitute insbesondere bei langfristigen Krediten mit Zinsbindung und bei Liquiditätskrediten verengt hat. Kreditinstitute sind dazu übergegangen, über Limite das Kommunalengagement zu steuern, um „Klumpenrisiken“ zu vermeiden. Dabei spielt zum einen die Frage, ob sie bei den geringen Margen des Kommunalkredits dieses Geschäftssegment beschränken oder gar ganz aufgeben, eine entscheidende Rolle. Zum anderen ist es bei der Limitsetzung für Einzelkommunen die Frage, ob das betreffende Kreditinstitut bereit ist, unbegrenzt die Refinanzierung zu übernehmen oder eine Teilhabe anderer Institute als Voraussetzung des Engagements ansieht.

Basel III : Zur Regulierung der Finanzmärkte Hintergrund der zu beobachtenden Änderungen auf dem Bietermarkt für Kommunalfinanzierungen dürften die aktuellen Verhandlungen um neue bankenaufsichtsrechtliche Regelungen – „Basel III“ – sein. Aus Sicht der Kommunen sind in Reaktion auf die Finanzmarktkrise Reformen notwendig, die insbesondere an den Stellen ansetzen und zu Verschärfungen führen müssen, die sich in der Vergangenheit als besonders fragil und problembehaftet erwiesen haben. Das von der EUKommission vorgelegte Regulierungspaket zur Umsetzung von Basel III schert jedoch alle Kreditinstitute unabhängig davon, wie risikobehaftet ihr Geschäftsmodell ist, „über einen Kamm“. Basel III wurde aber für große international tätige Banken entwickelt. Die undifferenzierte Umsetzung dieses Regelwerks auf alle Institute in Europa wird der unterschiedlichen Größe und den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Risiken der Institute nicht gerecht. Die pauschale Anhebung der Eigenkapitalanforderungen für alle Institute in der EU und deren Geschäfte ist der falsche Weg, um die notwendigen Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Den Besonderheiten der unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Banken muss Rechnung getragen werden, um nicht in jenen Bereichen Kreditklemmen auszulösen, die gravierende Folgen für die Realwirtschaft und die Zukunftsfähigkeit von Regionen haben. Die europäische Umsetzung von Basel III sollte sich auf die international tätigen Großbanken und damit den Kreis von Kreditinstituten beschränken, für den die Regeln im Baseler Ausschuss geschaffen worden ist. Insbesondere Kreditinstitute, die entweder überwiegend einem Förderauftrag unterliegen oder regional tätig und retailorientiert überwiegend klassisches Bankgeschäft betreiben und deren Bilanzsumme eine bestimmte Größenordnung nicht übersteigt, sind von den beabsichtigten Regelungen auszunehmen. Öffentlich-rechtliche Banken, Pfandbriefbanken und Sparkassen engagieren sich seit Jahren insbesondere in der langfristigen Vorfinanzierung kommunaler Aufgaben über den Kommunalkredit und haben sich als verlässliche Partner der inländischen Kommunen erwiesen. Insofern müssen im Rahmen der derzeitigen Debatte um regulatorische Rahmenbedingungen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen auch mögliche Konsequenzen für die Kreditfinanzierung der Kommunen Beachtung erfahren. Eine undifferenzierte Umsetzung der Reglungen von Basel III bezogen auf alle Kreditinstitute in Europa wird den unterschiedlichen Größen und Geschäftsmodellen der Institute nicht gerecht. Rückwirkungen für das Angebot an Kommunalkrediten werden von neuen Kennzahlen für die Bankenaufsicht erwartet: Dabei spielt insbesondere der „Leverage Ratio“ (Verschuldungsobergrenze) eine große Rolle. Der Deutsche Städtetag hat bei allen Gesprächen auf die Gefahr hingewiesen, dass

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das risikolose und margenarme Kreditgeschäft wie der Kommunalkredit durch renditeträchtigere, aber auch riskantere Geschäfte der Banken ersetzt wird. Von unserer Seite wurde nachdrücklich gefordert, im Rahmen der Umsetzung von Basel III auf europäischer Ebene für eine risikoorientierte Modifizierung der Kennziffer „Leverage Ratio“ zu werben. Diese Position scheint sich inzwischen durchzusetzen. Sowohl ECOFIN als auch ECON schlagen nunmehr vor, bis 2018 die Quote für die Verschuldungsgrenze auf Ebene der Mitgliedstaaten zu regeln. Erwogen wird die Einführung einer oder mehrerer Quoten für die Leverage Ratio in Abhängigkeit des Institutstyps. Nach jetzt vorliegenden Ergebnissen der ECON-Verhandlungen sollen als mögliche Quoten durch die Europäische Bankenaufsicht (EBA) differenzierte Quoten geprüft werden: • 1,5 % für Institute mit risikoarmen Aktivitäten • 3 % für Institute mit durchschnittlichem Risikoprofil • 5 % für Institute mit einem risikobehafteten Geschäftsmodell. Setzt sich diese Position weiter durch, wird es zu einer Entspannung in der Debatte um Basel III kommen können.

Kein externes Rating für Kommunen Gegenwärtig ist auf den Märkten noch ausreichend Liquidität vorhanden und ein externes Rating für deutsche Kommunen für Zwecke der Refinanzierung nicht erforderlich. Gleichwohl werben derzeit einige Geschäftsbanken und insbesondere Rating-Agenturen offensiv um ein individuelles Rating für deutsche Kommunen. Im August 2011 hat beispielsweise Moodys ein Request for Comment veröffentlicht und darin verlangt, dass Eigentümer bzw. Träger (Supportgeber) einer Institution, die durch Moody's geratet wird, zukünftig ebenfalls durch Moody's bewertet werden müsse. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat dies strikt zurückgewiesen. Die Orientierung, dass alle Supportgeber eigene Ratingverträge mit Rating-Agenturen abzuschließen hätten, ist weder sachgerecht noch akzeptabel. Erzwungene Vertragsbeziehungen mit deutschen Kommunen sind weder zu billigen noch hinzunehmen. Hinter diesen „Angeboten“ ist das geschäftliche Interesse zu vermuten, ein zusätzliches, für Kommunen und damit für die Steuerzahler/-innen kostenträchtiges Produkt der Finanzwirtschaft eben das „Kommunalrating“ auf dem Markt unterzubringen.

Modernes Kommunales Finanzmanagement Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die weltweite Staatsschuldenkrise haben auch zu Verunsicherungen im Management der öffentlichen Haushalte geführt. Die Herausforderungen für ein zukunftsfähiges öffentliches Haushalts- und Finanzmanagement sind beachtlich. Deshalb ist der Erfahrungs- und Ideenaustausch der kommunalen Akteure mit der interessierten Fachöffentlichkeit und der Bürgerschaft um tragfähige Konzepte besonders wertvoll.

Transparenz des Haushalts- und Rechnungswesens Auf EU–Ebene wird derzeit die europaweite Einführung kaufmännischer, einheitlicher Rechnungslegungsstandards für öffentliche Haushalte für eine verbesserte Transparenz und Finanzkommunikation mit Investoren geprüft. Die Kommunen haben bereits vor einigen Jahren die Erforderlichkeit von verbesserter Transparenz und Finanzsteuerung erkannt: Für den kommunalen Bereich ist in Deutschland seit fast acht Jahren ein Paradigmenwechsel durch die Einführung eines

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

periodengerechten und am Ressourcenverbrauch orientierten Haushalts- und Rechnungswesens im Gange (die integrierte Verbundrechnung der kommunalen Doppik). Deutsche Kommunen haben in großer Zahl ihr Haushalts- und Rechnungswesen bereits von einem Geldverbrauchskonzept auf ein Ressourcenverbrauchsmodell mit den Rechengrößen „Aufwand“ und „Ertrag“ umgestellt7. In Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Brandenburg haben inzwischen alle Kommunen eine periodengerechte und nach kaufmännischen Grundsätzen ausgerichtete Rechnungslegung eingeführt. Eine integrierte Verbundrechnung mit einer Ergebnis-, einer Finanz- und einer Vermögensrechnung liegen damit vor. Die Daten der Finanzrechnung werden insbesondere für die Finanzstatistik aufbereitet. Eine nachhaltige, für die künftigen Generationen gerechte Steuerung öffentlicher Ressourcen wird damit möglich, weil eine völlig neue Informationsbasis für politische Entscheidungsprozesse besteht. Denn mit diesem neuen Rechnungswesen werden auch nicht zahlungswirksame Finanz- und Vermögensvorgänge erfasst und dokumentiert, wie etwa Abschreibungen für Sachanlagen oder Rückstellungen z. B. für künftige Zahlungsverpflichtungen (Pensionsverpflichtungen). Die staatliche Ebene hat in Deutschland diesen wesentlichen Veränderungsschritt bisher nur mit wenigen Ausnahmen vollzogen. Deshalb wäre zunächst auf staatlicher Ebene der Übergang zu einer periodengerechten Abrechnung auch unter Beachtung der nichtzahlungswirksamen Vorgänge zu vollziehen. Ob internationale Rechnungslegungsstandards (sogenannte IPSAS) dafür die geeignete Basis darstellt, kann von kommunaler Ebene nicht abschließend beurteilt werden. Es ist davon auszugehen, dass die in Deutschland erarbeiteten Standards für die staatliche Doppik auch in wesentlichen Punkten von IPSAS abweichen. Für Kommunen, die ihre Rechnungslegung bereits umgestellt haben, ist es wichtig, dass diese Investitionen nicht entwertet werden. Daher besteht ein Interesse daran, dass ein internationaler Systemwechsel der öffentlichen Rechnungslegung möglichst umfassend auf dem bisherigen System aufbaut.

Kommunales Zins- und Schuldenmanagement Beim Deutschen Städtetag ist seit dem Sommer 2004 eine Arbeitsgruppe aktiv, in der sich kommunale Praktiker regelmäßig über Erfahrungen und neue Erfordernisse des städtischen Zins- und Schuldenmanagements austauschen. Wesentliche Ergebnisse der Arbeitsgruppe sind in Mustern für verwaltungsinterne Regelungen zum kommunalen Zins- und Schuldenmanagement zusammengefasst. Dabei handelt es sich um Muster für Regelungen • der Neuaufnahme und Umschuldung von Krediten • der Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung/ Kassenkrediten • des Einsatzes von derivativen Finanzinstrumenten im kommunalen Zins- und Schuldenmanagement. Diese drei Papiere sind veröffentlicht und damit einem breiten Fachpublikum zugänglich8. Vor allem sind sie Arbeitshilfen für jene Kommunen, die sich aktuell mit verwaltungsinternen Regelungen zum Zins- und Schuldenmanagement auseinandersetzen.

Zur EU-Vergaberechtsreform Die EU-Kommission hat am 20. Dezember 2011 ihre Vorschläge zur Vergaberechtsreform vorgelegt. Das Ziel der Reform – Vereinfachung und Verstärkung des Vergaberechts – wird je-

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doch mit den bekannten Vorschlägen verfehlt. Die Vorschläge sind sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt sehr komplex und als solche kein Beitrag zur Entbürokratisierung. In den Richtlinienentwürfen zur öffentlichen Auftragsvergabe und der sektorenspezifischen Vergabe sind insbesondere (neben geplanten Neuregelung von sozialen und anderen Dienstleistungen, Regelungen zur interkommunalen Zusammenarbeit und Inhouse-Geschäften) Regelungen zur Aufnahme von Krediten hervorzuheben, die dringend einer grundsätzlichen Änderung bedürfen. Nach geltendem Recht sind „Geschäfte, die der Geld- und Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber dienen“ von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen. Diese Ausnahme soll nun entfallen. Davon betroffen ist auch die Kreditaufnahme der Kommunen, die damit zukünftig in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen soll. Derzeit werden in Brüssel Gespräche über Vorschläge der EU-Kommission zur Vergaberechtsreform geführt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände deutlich dafür eingesetzt, dass die bisherige Ausnahmeregelung für die Geld- und Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber beibehalten bleibt. Für diese Position sprechen zum einen die bestehenden wettbewerblichen Verfahren9 bei der Kreditaufnahme sowie das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Fazit Die Kommunen in Deutschland haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die notwendigen Änderungsprozesse in Europa hin zu einer Fiskalunion und einer Finanzmarktunion sind mit Augenmaß zu verfolgen. Die Reformen müssen insbesondere an den Stellen ansetzen und zu Verschärfungen führen, die sich in der Vergangenheit als besonders fragil und problembehaftet erwiesen haben. Ein Mehr an Transparenz, die Festlegung von Mindeststandards unter Wahrung dezentraler Vielfalt sollten Gradmesser wie Orientierung für die Sicherung von Stabilität und lebendiger Demokratie in Europa sein. Bei der Neufassung der Regelungen in der EU sind die europäischen Staaten gefordert, Wirkungen der Regulierung auf die Realwirtschaft zu berücksichtigen und die finanzielle Handlungsfähigkeit ihrer Gebietskörperschaften zu sichern. Gerade die Kommunen haben damit eine wichtige Funktion als Stabilisator in der Realwirtschaft. Insbesondere die Städte müssen über eine hinreichende Finanzausstattung und stabile Refinanzierung verfügen, um dieser Funktion gerecht werden zu können. Anmerkungen: 1 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2011, S.54 2 FORA Forschungsgemeinschaft für Raumfinanzpolitik mbH, Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrheinwestfalen, 2011, S. 21 ff. 3 Vgl. Dazu auch: M. Eltges, Kommunale Kassenkredite – strukturell begründet oder hausgemacht? http://www.haushaltssteuerung.de/weblog-kassenkredit-schuldenbremsen-in-der-kommunalen-doppik.html 4 M. Junkernheinrich, T. Lenk, F. Boettcher, M. Hesse, B. Holler, G. Micosatt, Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen – Zusammenfassung, S. 2 5 Vgl. dazu Städte für ein nachhaltiges Deutschland, Deutschen Institut für Urbanistik, Juni 2011 6 Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht, sind unzulässig, wenn das Landesrecht dies bestimmt (§12 Abs. 1 Nr.2 Insolvenzordnung). Z.B. in NRW ist dies durch §128 (2) GO bestimmt: „Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinde findet nicht statt.“ 7 Vgl. Deutscher Städtetag, PricewaterhouseCoopers AG; Evaluierung der Reform des kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens, Berlin 2011 8 DST-Beiträge zur Finanzpolitik, Kommunales Zins- und Schuldenmanagement, Deutscher Städtetag, Berlin, Köln 2011 9 Vgl. dazu DST-Beiträge zur Finanzpolitik, Kommunales Zins- und Schuldenmanagement, Deutscher Städtetag, Berlin, Köln 2011

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Agenda 2020 – Wege aus dem Schuldenstaat Von Dr. Gerd Landsberg – Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Berlin Bund, Länder und Kommunen in Deutschland sind mit über zwei Billionen Euro verschuldet. Das sind fast 25.000 Euro je Einwohner. Die jährlichen Zinsausgaben betragen allein 76,7 Milliarden Euro. Täglich müssen ca. 210 Millionen Euro an Zinsen aufgebracht werden. Geld, das für wichtige Vorhaben wie den Weg in die Bildungsrepublik, den Ausbau der Kleinkinderbetreuung und dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur fehlt. Trotz einer guten konjunkturellen Entwicklung und eines robusten Arbeitsmarktes kommen die staatlichen Haushalte weiterhin nicht ohne neue Schulden aus. Dabei führt die aktuelle Schuldenkrise im Euroraum deutlich vor Augen, welche Risiken mit übermäßigen Staatsschulden verbunden sind. Der Bürger begegnet dem Staat in erster Linie in seiner Stadt und Gemeinde. Wenn dort nicht mehr ansatzweise das Notwendigste geleistet werden kann, wird die Politikverdrossenheit weiter steigen, die Partizipation und die Bereitschaft, sich für die Allgemeinheit einzusetzen, sinken. Die Politik muss die Wende herbeiführen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert daher eine Agenda 2020, mit der die notwendigen Reformen und die Neuausrichtung unserer Gesellschaft eingeleitet werden. Die Reformen müssen dazu beitragen, dass der Sozialstaat dauerhaft finanzierbar bleibt und zukunftsfest wird. Gleichzeitig muss dem demografischen Wandel Rechnung getragen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter gestärkt werden. Dies wird nur mit starken Städten und Gemeinden verwirklicht werden können. Nur wer die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden sichert, ihre Gestaltungsmöglichkeiten erweitert und die kommunalen Kompetenzen sinnvoll nutzt, sichert damit auch die Demokratie und den Wohlstand unserer Gesellschaft.

Städte und Gemeinden in der Krise Vielen Kommunen droht weiterhin die Handlungsunfähigkeit. Das hat gravierende Folgen für das Leben der Menschen vor Ort und führt zwangsläufig zu weniger Investitionen und zum weiteren Verfall der Infrastruktur. Die kommunalen Einnahmen halten nach wie vor nicht Schritt mit den kommunalen Ausgaben. Trotz eines guten Wirtschaftswachstums und Steuermehreinnahmen haben die Kommunen im Jahr 2011 ein Defizit von fast drei Milliarden Euro verzeichnet. Immer häufiger müssen Städte und Gemeinden auf Kassenkredite zurückgreifen. Kassenkredite, eigentlich zur kurzfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit gedacht, entwickeln sich

damit mehr und mehr zu einem Instrument der dauerhaften Schuldenfinanzierung. Ende des Jahres 2011 erreichten die kommunalen Kassenkredite den Höchststand von 45 Milliarden Euro. Seit Ausbruch der Krise Ende 2008 legten sie allein um 15 Milliarden Euro zu. Diese Zahlen belegen einmal mehr, dass die Kommunen strukturell unterfinanziert sind.

Kein Fiskalpakt ohne kommunales Entlastungsprogramm Die Schuldenbremsen in Deutschland und der EU-Fiskalpakt sind richtig. Insbesondere die Umsetzung des EU-Fiskalpaktes, der schon mit dem Jahre 2014 greifen soll, muss aber mit einem kommunalen Entlastungsprogramm einhergehen. Andernfalls wird Deutschland die Kriterien des EU-Fiskalpaktes nicht einhalten können. Denn bereits die kommunalen Kassenkredite schöpfen schon fast 50 Prozent des Verschuldensvolumens der zulässigen Staatsverschuldung von Bund, Länder und Kommunen zusammen aus. Diese darf höchstens 14 Milliarden Euro pro Jahr betragen. So wünschenswert die Konsolidierung der Haushalte ist, so darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nicht ein Gesetzeswerk, sondern letztlich nur die Reduzierung von Ausgaben und die Verbesserung von Einnahmen den gewünschten Erfolg erzielen können.

Kommunale Einnahmen verbessern Nach den aktuellen Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung sollen die gemeindlichen Steuereinnahmen in den Jahren 2012 bis 2016 um insgesamt 2,8 Milliarden Euro höher ausfallen, als noch im November 2011 angenommen. Ausschlaggebend ist insbesondere die weiterhin positive Entwicklung bei der Gewerbesteuer. Im Jahr 2012 wird mit einer weiteren Erholung der Gewerbesteuereinnahmen netto um sechs Prozent bzw. zwei Milliarden Euro auf 35,6 Milliarden Euro gerechnet. Damit werden die Gewerbesteuereinnahmen im Jahr 2012 das hohe Niveau des Jahres 2008 (34,3 Milliarden Euro) überschreiten. Diese Entwicklung der Gewerbesteuer zeigt, dass es richtig war, an ihr festzuhalten. So erfreulich diese prognostizierten Mehreinnahmen sind, so schnell werden sie von den steigenden Sozialausgaben, den zusätzlichen Anforderungen beim Ausbau der Kindertagesbetreuung und nicht zuletzt durch den hohen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst aufgezehrt. Allein der Tarifabschluss kostet die kommunalen Arbeitgeber im Jahr 2012 zusätzlich 2,1 Milliarden Euro und im Jahr 2013 weitere zwei Milliarden Euro. Insofern sind die Kommunen auf diese Steuermehreinnahmen dringend angewiesen! Für die von der Bundesregierung mit dem Abbau der kalten Progression angestrebte Steuerentlastung der Bürger von sechs Milliarden Euro jährlich gibt es vor dem Hintergrund der nach wie vor äußerst angespannten Haushaltslage der Städte und Gemeinden keinen Spielraum. Stattdessen ist die kommunale Einnahmesituation weiter zu verbessern. Ein wichtiger Baustein ist hier die Stabilisierung der Gewerbesteuer beispielsweise durch Einbeziehung der freien Berufe. Auch die Reform der Grundsteuer muss vorangebracht werden. Weitere Entlastungen könnten durch eine Erhöhung des gemeindlichen Umsatzsteueranteils erzielt werden.

Sozialstaat zukunftsfest gestalten Um der Schuldenspirale zu entkommen, wird kein Weg daran vorbei gehen, auch die Ausgaben zu reduzieren. Die Sozi-

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alausgaben haben sich seit der Wiedervereinigung mit fast 45 Milliarden Euro in 2011 verdoppelt. Die meisten der kommunalen Soziallasten werden von Bund und Ländern vorgegeben und können von den Städten und Gemeinden wenig beeinflusst werden. Große Sorgen bereitet den Kommunen die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen mit einem Volumen von 13,8 Milliarden Euro in 2010. Aufgrund einer Ausweitung der gesetzlichen Ansprüche und einer Zunahme der leistungsberechtigten Personen in Deutschland sind die Ausgaben hier um über 74 Prozent seit 1998 auf über dreizehn Milliarden Euro im Jahr gestiegen. Selbstverständlich benötigen die Betroffenen Unterstützung. Das Risiko einer Behinderung kann jeden treffen, sei es nach einem Unfall oder auch durch Geburt. Allerdings handelt es sich hierbei um ein allgemeines Lebensrisiko. Hierauf hat eine Stadt mit ihren politischen Gestaltungsmöglichkeiten keinen Einfluss. Als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind Hilfen für Menschen mit Behinderungen auch gesamtgesellschaftlich zu erbringen und nicht allein von den Kommunen zu finanzieren. Der Vorstoß des Freistaats Bayern, wonach die Leistungen für Menschen mit Behinderung und Betreuungsleistungen für Menschen mit Demenz in einem steuerfinanzierten Bundesleistungsgesetz geregelt werden sollen, ist deshalb richtig.

Eigenverantwortung und Eigenvorsorge stärken Grundprinzip der Sozialhilfe ist das „Bedürftigkeitsprinzip“. Dementsprechend müssen die Leistungen auf die wirklich Bedürftigen konzentriert werden. Das bedeutet, dass Einkommen und Vermögen im Allgemeinen anzurechnen und Unterhaltspflichtige heranzuziehen sind, und zwar nicht nur in Höhe von 46 Euro pro Monat. Es muss auch hier der Grundsatz gelten, dass leistungsfähige Menschen dazu beitragen, dass die Leistungen auch denjenigen gewährt werden können, die nicht selbst dafür aufkommen können. Mit Blick auf die nahende Erbengeneration wird diese Frage in der Zukunft an praktischer Bedeutung noch zunehmen. Sofern Leistungsberechtigte über ererbtes Vermögen verfügen, müssen sie aus diesem Vermögen etwas dazu beizutragen, die öffentlichen Leistungen zu sichern. Die Ausgabenreduzierung wird nicht ohne eine stärkere Eigenverantwortung und Eigenvorsorge einhergehen können. Erforderlich sind bessere Rahmenbedingungen und Anreize, damit die Menschen in größerem Umfang für das Alter, für Pflege oder Behinderung Eigenvorsorge betreiben. Ein „Pflegeriester“ kann hier hilfreich sein. Auch die Bereitschaft, über das 67. Lebensjahr hinaus zu arbeiten, sollte nicht verteufelt, sondern gefördert werden.

Vorrang für Investitionen Die Struktur der kommunalen Ausgaben wird zunehmend auch zu einem volkswirt-schaftlichen Problem. Die kommunalen Investitionen werden seit Jahren immer stärker – wegen der Belastungen durch steigende Sozialleistungen – reduziert. Es muss zukünftig der Grundsatz vom Vorrang für Investitionen in Bildung und Infrastruktur vor höheren Transferleistungen gelten. Die stetige Erhöhung oder Neueinführung von Transferleistungen hat sich nicht bewährt. Das Betreuungsgeld ist eine weitere sozialpolitische Leistung die hinzukommt und die überstrapazierten Sozialetats weiter belastet. Eltern benötigen ein verlässliches, qualitativ gutes Betreuungsangebot. Von daher sollte das Betreuungsgeld zurückgestellt werden und die Mittel sollten stattdessen zusätzlich in den Betreuungsausbau fließen.

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Familienpolitische Leistungen neu ordnen! Deutschland liegt hinter Luxemburg und Dänemark mit seinen über 150 familienpolitischen Maßnahmen, die jährlich 189 Milliarden Euro kosten, auf dem 3. Platz in Europa. Wir geben somit Unsummen für familienpolitische Leistungen aus, aber die Geburtenrate ist im Vergleich dazu äußerst gering. Deutschland muss umdenken. Unsere europäischen Nachbarn machen es vor: Mehr Infrastruktur statt Leistungen nach dem Gießkannenprinzip. In diesem Kontext müssen dann aber alle familienpolitischen Leistungen auf den Prüfstand. Es macht wenig Sinn, eine einzelne familienpolitische Leistung neu zu konzipieren, aber alle anderen 150 Maßnahmen außen vor zu lassen. Es müssten endlich klare Zielsetzungen definiert werden, um die Familienpolitik nach einheitlichen Kriterien neu zu ordnen.

Aktionsprogramm Kinderbetreuung umsetzen Nach Schätzungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fehlen bis zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ab dem 1. August 2013 noch bis zu 160.000 Betreuungsplätze. Die Erfüllung des Rechtsanspruchs ist ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt. Er stellt die Städte und Gemeinden vor enorme Herausforderungen. Im Vergleich zum Jahr 2006 sind bis heute annähernd 335.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen worden. Da sich bereits heute abzeichnet, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen – bei allen Anstrengungen – weit größer sein wird als das Angebot, müssen dringend Lösungen gefunden werden, um eine Klagewelle enttäuschter Eltern zu vermeiden. Bund, Länder und Kommunen müssen hier zusammenarbeiten. Auf die Agenda muss ein Aktionsprogramm Kinderbetreuung. Dazu gehört unter anderem der Start einer Ausbildungsinitiative für Erzieherinnen und Erzieher. Neben der Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sind Programme für Berufsrückkehrer, Personalentwicklungsmaßnahmen zum Verbleib im Beruf und Qualifizierungsprogramme für Quereinsteiger über die Bundesagentur für Arbeit notwendig. Bis 2013 fehlen mindestens 14.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher und mindestens 16.000 Tagesmütter. Da ein Großteil der Erzieherinnen halbtags tätig ist, besteht eine Chance auch darin, Anreize zu bieten, dass diese Personen wenigstens vorübergehend Vollzeit arbeiten. Speziell für die Hilfe im Bereich der Kinderbetreuung sollten – gegebenenfalls befristet auf zwei Jahre – zusätzlich Plätze im Bundesfreiwilligendienst geschaffen werden. Insbesondere der Ausbau der Tagesbetreuung von Kindern von Tagesmüttern und Tagesväter muss deutlich gesteigert und für diese Tätigkeiten aktiv geworben werden. Die erheblichen bürokratischen Hindernisse für Tagesmütter müssen abgeschafft werden. Wer nicht mehr als zwei oder drei Kinder zusätzlich betreut, sollte von der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen befreit werden. Gerade Mütter, die ein eigenes Kind haben, und bei denen der Mann berufstätig ist, wären durchaus bereit, ein oder zwei weitere Kinder mit zu betreuen, wenn entsprechende finanzielle Anreize bestehen. Auch bei Erwerbslosen jungen Müttern, die Hartz-IV-Bezüge erhalten, sollen die Einkünfte aus der Kindertagespflege, wenn sie ein oder zwei zusätzliche Kinder betreuen, nicht angerechnet werden. Eine solche Tätigkeit bietet auch die Chance, als Erzieherin und Erzieher langfristig in den ersten Arbeitsmarkt zurückzufinden. Nicht nur der Staat ist hier gefordert, sondern auch die Wirtschaft muss sich stärker bemühen, die vorhandenen Betriebs-

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kindergärten weiter auszubauen und zusätzliche Tagesmütter einzustellen. Kleinere Unternehmen können hier zusammenarbeiten oder auch mit den Kommunen kooperieren. Zusätzliche Finanzhilfen sind unverzichtbar. Insbesondere für diejenigen Städte und Gemeinden, die sich in schwieriger Haushaltslage befinden und Schwierigkeiten haben, neue Einrichtungen zu finanzieren. Nicht nur der Bund muss seine Bemühungen verstärken, sondern vor allem die Länder müssen ihrer Finanzierungspflicht nachkommen. Das gebietet auch das Konnexitätsprinzip, zu dem sich die Länder in ihren Verfassungen bekannt haben. Die Kommunen sind darauf angewiesen, die für den flächendeckenden Ausbau der Krippenbetreuung notwendigen Mittel von den Ländern zu erhalten. Bund und Länder haben den Rechtsanspruch gemeinsam beschlossen und stehen nun in der Verantwortung.

Energiewende nutzen Die Agenda 2020 sollte auch einen Fokus auf die Energiewende legen. Dieses Projekt ist eine der größten Infrastrukturherausforderungen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Wenn sie misslingt, hätte das gravierende Auswirkung auf den Wirtschaftsstandort Deutschland und würde unseren Wohlstand gefährden. Die Energiewende kann nur mit den Kommunen, ihren Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft gemeinsam umgesetzt werden. Alle Akteure müssen zusammenarbeiten: Die Stadtwerke, die großen Energieversorger, die Kommunen und die Bürger. Den Städten und Gemeinden kommt eine besondere Rolle zu. Denn hier müssen die alternativen Energien angesiedelt, hier müssen die Stromtrassen gebaut, die Infra- und Speicherstruktur geschaffen werden und hier wird der Strom verbraucht. Die Mehrheit der Bevölkerung will den schnellen Ausstieg aus der Atomenergie, dann muss die Politik aber auch dafür sorgen, dass die notwendigen Ausbaumaßnahmen akzeptiert, und nicht immer weiter verzögert werden. Städte und Gemeinden können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass der Ausbau von großen Windkraftanlagen und Stromtrassen vor Ort bei den Bürgern auf mehr Akzeptanz stößt und damit schneller voran geht. Einschnitte in die Landschaft und höhere Strompreise, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien unmittelbar zusammenhängen, sind allerdings nur vermittelbar, wenn im Energiewendeprozess ein Mehrwert für Kommunen und Bürger entsteht. Bislang profitieren Gemeinden allerdings kaum von Gewinnen der Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Insbesondere bei den Besteuerungsgrundlagen von Windkraftanlagen sollte deshalb nachgebessert werden. Bislang sind es vor allem Investoren, die einen Nutzen aus den Erneuerbaren Energien ziehen. Diese werden jedoch am Ende nicht ausreichend für die Akzeptanz vor Ort sorgen können. Damit die Energiewende ein Erfolg wird, werden wir alle Ressourcen der alternativen Energieerzeugung mobilisieren müssen. Hier darf jedoch kein Missverhältnis zwischen zentralen, großindustriellen Anlagen und dezentralen Anlagen von Privaten, Stadtwerken, interkommunalen Gemeindewerken oder Bürgerkraftwerken entstehen. Um jahrelange Verzögerungen bei der Planung und beim Bau zu vermeiden, sind eine aktive Informationspolitik und eine frühzeitige Beteiligung der Bürger bei den Planungsvorhaben notwendig. Aktive Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von privaten Akteuren wie Wirtschaft und Handel führt zu einer stärkeren Identifikation, Akzeptanz und Durchsetzung von Entscheidungen.

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Die Umstellung auf alternative Energien und das Abschalten der Atomkraftwerke führt notwendigerweise zu Stromschwankungen im Netz. Um die Stabilität der Netze langfristig zu sichern, sind Reservekraftwerke notwendig, die bei Bedarf aktiviert werden können. Die Städte und ihre Stadtwerke sind bereit und in der Lage, die insoweit vorhandenen Strukturen weiter auszubauen. Notwendig ist allerdings Planungs- und Investitionssicherheit, die auch langfristig angelegt sein muss. Derzeit fehlen dafür jedoch die gesetzgeberischen Voraussetzungen. Zudem muss das Stromnetz den neuen Bedürfnissen angepasst werden. Über 90 Prozent der Erneuerbaren Energien werden in die Verteilnetze eingespeist. Durch intelligente Netze, sogenannte „smart grids“, kann mittels Kombination von Energie- und Kommunikationsnetzen der Energiefluss effizienter gesteuert, Netzüberlastungen vermieden und eine bessere Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Die Energiewende bedeutet zugleich eine Chance für Städte und Gemeinden, die sich selbst aktiv oder gemeinsam mit ihren Stadtwerken auf der einen und den Bürgern auf der anderen Seite durch den Bau und Betrieb von ErneuerbarenEnergien-Anlagen an der Energiewende beteiligen können. Voraussetzung dafür, dass Städte und Gemeinden selbst oder gemeinsam mit Partnern aktiv sind, ist jedoch, dass bei den Bestimmungen einzelner Gemeindeordnungen der Länder zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden weniger strengere Vorgaben gemacht werden. Maßgeblich für das Gelingen der Energiewende ist vor allem eine bessere Abstimmung und Koordinierung zwischen Bund, Ländern, Kommunen und weiteren beteiligten Energieakteuren. An dieser Stelle ist ein Umsetzungsplan zur Energiewende gefordert, der fortlaufend kontrolliert, gegebenenfalls angepasst und durch einen unabhängigen Sachverständigenrat begleitet wird. Die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Energiewende ist dabei ein erster Schritt. Um den Energiewendeprozess insgesamt schneller voran zu bringen, muss die Koordinierung fortlaufend sein, es müssen aber auch die richtigen inhaltlichen Anreize gesetzt werden. Dazu gehören neben verbesserten Investitionsbedingungen für den Aus- und Umbau der verschiedenen Netzebenen auch eine verbesserte Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Wertschöpfung und eine Straffung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Eine schnelle und zudem bezahlbare Energiewende bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit wird es nicht zum Null-Tarif geben. Verbraucher, Kommunen und Unternehmen dürfen aber nicht durch zu hohe Energiepreise überfordert werden. Erforderlich sind Transparenz und Ehrlichkeit in der Debatte. Staatliche Subventionen für erneuerbare Energien müssen deshalb regelmäßig in einem transparenten Verfahren überprüft werden, um einen möglichst effizienten Mitteleinsatz zu gewährleisten. Gleiches gilt für die im Netzbereich anfallenden Kosten durch notwendige Investitionen in die Energieverteilnetze zur Integration der erneuerbaren Energien und für die Kosten des Ausbaus der Übertragungsnetze. Mit der Energiewende verbundene Mehrkosten müssen gerecht verteilt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist zu beachten. Wir brauchen eine Energiewende mit Augenmaß.

Umsetzung der Agenda mit Transparenz und Bürgerbeteiligung Die Agenda 2020 ist kein Projekt, das sich von heute auf morgen umsetzen lässt. Sie wird zum Teil mit unpopulären Entscheidungen verbunden sein. Wenn wir unsere Gesell-

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schaulich zu kommunizieren. Hierbei bieten die Regeln des Baugesetzbuchs eine grundsätzlich ausreichende Grundlage. Wenn die Bürger das Gefühl haben, es bestehe ein „Closed Shop“, geht die Akzeptanz eines Projekts aber schnell verloren.

schaft fit für die Zukunft machen wollen, sind grundlegende Reformen unverzichtbar. Dieses muss den Bürgern vermittelt werden, ansonsten besteht die Gefahr, dass die Politikverdrossenheit weiter steigen und unser Sozialstaat mit seinen demokratischen Grundwerten zunehmend in Frage gestellt wird. Die repräsentative Demokratie lebt vom Wissen und den Ideen ihrer Bürgerinnen und Bürger. Das Ausschöpfen dieses Potentials bedeutet gerade für die Städte und Gemeinden bei der Planung von Projekten einen unschätzbaren Mehrwert. Angesichts der aktuellen Herausforderungen, zum Beispiel im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energien sowie bei der Umsetzung sonstiger städtebaulicher Projekte, gewinnt ein früher, aktiver und nachhaltiger Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern immer mehr an Bedeutung. Insbesondere bei Großprojekten kann dieser zu einer Qualitätsverbesserung der Planung und damit auch des Vorhabens selbst führen. Zudem wird die Akzeptanz eines Vorhabens durch Partizipation der Bürgerschaft gesteigert. Ziel muss es sein, durch eine Modernisierung der Bürgerbeteiligung und durch transparente Verfahren die Planungsprozesse insgesamt zu beschleunigen. Dies bedingt eine über den gesamten Planungsprozess andauernde Bürgerbeteiligung. Die Beteiligung darf nicht erst dann einsetzen, wenn der Konflikt schon ausgebrochen ist. Städte und Gemeinden sollten daher den Mut haben, Planungsunterlagen frühzeitig und an-

Die Art und Form der Bürgerbeteiligung ist immer kontext- und projektabhängig. So können offene Kommunikationsformen wie das Internet sinnvoll sein, beispielsweise im Bereich der Ausrichtung der Stadtentwicklung oder bei Einsparvorschlägen der Bürgerinnen und Bürger für den Kommunalhaushalt. Bei komplexeren Projekten, etwa beim Ausbau der Windenergie an Land oder bei Stadtentwicklungsprojekten, ist es hingegen sinnvoll, ergänzend zum Internet über Bürgerversammlungen, Planungswerkstätten oder Workshops den persönlichen Kontakt zu suchen und eine offene Diskussion mit den Betroffenen zu führen. Online- und Offline-Beteiligungen sollten sich also ergänzen. Klar ist allerdings auch: Bürgerbeteiligung macht nur dort Sinn, wo es Alternativen gibt. Eine bloße „Feigenblatt-Beteiligung“ zur vermeintlichen Legitimation eines Vorhabens führt nur zu Unmut. Zudem ist es wichtig, die Bürgerbeteiligung nicht nur auf unmittelbar Betroffene zu beschränken. Beteiligungsformen sollten sich verstärkt an Allgemeinwohl dienenden Zielen orientieren, denn unsere Städte und Gemeinden in Deutschland sind dem Gemeinwohl und nicht der Summe von Partikularinteressen verpflichtet. Bürgerbeteiligung ist aber auch eine Kostenfrage. Städten und Gemeinden fehlt oftmals das Geld und qualifiziertes Personal, um eine umfassende und „moderne“ Bürgerbeteiligung durchzuführen. Speziell für frühzeitige Beteiligungsformen ist daher eine klare Regelung auch für die Zuordnung entstehender Kosten, etwa zu einem späteren Investor, nötig. Es ist nicht einsehbar, dass eine nachhaltige, moderne und umfassende Bürgerbeteiligung an der Finanzsituation in den Städten und Gemeinden scheitert. Die Formen der Bürgerbeteiligung dürfen die repräsentative Demokratie nicht in Frage stellen, sondern sollten diese konstruktiv stärken. Denn die eigenständige und abschließende Entscheidung und Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange liegt rechtlich in der Verantwortung des Planungsträgers und damit der gewählten und legitimierten Räte einer Kommune.

Breitbandversorgung in der Fläche – Herausforderung für Kommunen und Sparkassen Von Prof. Dr. Hans-Günter Henneke – Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags, Vizepräsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Berlin Die flächendeckende Sicherstellung einer nachfragegerechten Versorgung mit hochleistungsfähigen Breitbandanschlüssen ist eine der zentralen infrastrukturellen Herausforderungen der Gegenwart. Es handelt sich um ein Thema, für das sich zahlreiche Kommunen bereits seit einigen Jahren engagieren, das aber auch aus Sicht der Sparkassen ganz fraglos an Bedeutung gewinnen wird.

Breitbandversorgung als wichtiger Standortfaktor Die Möglichkeit eines schnellen Zugangs zum Internet ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Standortfaktoren

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geworden. Die Entscheidung von Unternehmen, sich im ländlichen Raum anzusiedeln oder dort weiter tätig zu sein, wird ebenso wie die Wohnortwahl der Bürger zunehmend von der Verfügbarkeit schneller Breitbandanschlüsse beeinflusst. Solche Anschlüsse sind Voraussetzung für die Teilhabe an neuen, internetbasierten Dienstleistungsangeboten wie ELearning, E-Health, E-Commerce oder E-Government, die unter den Vorzeichen des demografischen Wandels gerade in ländlichen Regionen immer bedeutsamer werden. Für mittelständische Unternehmen, die in großer Zahl im ländlichen Raum angesiedelt sind, öffnet das Internet Tore zu den Märkten in aller Welt und ist häufig unverzichtbare Voraussetzung

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der Geschäftstätigkeit. Dienste wie das Cloud Computing, dem gerade auch für kleinere und mittlere Unternehmen ein erhebliches Potenzial zugeschrieben wird, aber auch Angebote wie internetbasiertes Fernsehen oder Video on demand, die aus der modernen Lebenswelt nicht mehr wegzudenken sind, lassen die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Internetanschlüssen laufend anwachsen. Die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums hängt mithin entscheidend von der Bereitbandversorgung ab. Dies ist keine bloße Vermutung, sondern lässt sich an harten Fakten – wie etwa der Wertentwicklung von Immobilien in nicht- oder unterversorgten Regionen – schon heute sehr genau beobachten. Die Kommunen im ländlichen Raum ebenso wie die Sparkassen müssen daher ein vitales Interesse an der Versorgung ihrer Bürger und Unternehmen mit „schnellen“ Internetanschlüssen haben.

Sicherstellung einer breitbandigen Grundversorgung Erstes Ziel muss dabei die Sicherstellung einer breitbandigen Grundversorgung mit Übertragungsraten von 1 bis 2 MBit/s sein. Mit solchen Übertragungsraten können die meisten der heute über das Internet genutzten Angebote problemlos genutzt werden. Es ist erfreulich, dass dieses Ziel mittlerweile in vielen Teilen Deutschlands bereits erreicht werden konnte. Insoweit hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Im ländlichen Raum gibt es aber immer noch „weiße Flecken“, die zeitnah beseitigt werden müssen. Hier besteht die Erwartung, dass der eingeleitete Aufbau neuer Mobilfunknetze auf Basis des sog. LTE-Standards entscheidend zur Schließung der verbleibenden Lücken beitragen wird. Die Mobilfunkanbieter sind deshalb aufgefordert, ihre Anstrengungen in diesem Bereich fortzusetzen und den Ausbau des LTE-Netzes im ländlichen Raum – auch über die ihnen im Rahmen der Frequenzversteigerung auferlegten Versorgungspflichten hinaus – zu forcieren. Mit dem Aufbau der Infrastruktur ist es dabei nicht getan. Die Unternehmen müssen auch attraktive Tarifangebote vorlegen und durch eine aktive Informationspolitik immer noch bestehende Vorbehalte gegenüber funkbasierten Breitbandzugängen überwinden. Der Erfolg der LTE-Technologie liegt nicht nur im ureigenen wirtschaftlichen Interesse der Unternehmen. Sollte es auf diese Weise nicht gelingen, die verbleibenden Grundversorgungslücken sehr zeitnah zu schließen, muss die Frage eines Breitband-Universaldienstes, über den zuletzt im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Novelle des Telekommunikationsgesetzes diskutiert wurde, neu gestellt und entschieden werden.

Flächendeckender Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandnetze vorantreiben Die Sicherstellung einer breitbandigen Grundversorgung kann aber nur ein erster Schritt sein. Wie der Blick auf die Entwicklung des Breitbandbedarfs in den vergangenen Jahren belegt, werden schon in absehbarer Zukunft Übertragungsraten deutlich über dem Grundversorgungsstandard erforderlich sein, damit Unternehmen und Bürger auch im ländlichen Raum gleichberechtigt am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilhaben können. Dies verdeutlichen auch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage, die der Deutsche Landkreistag in Kooperation mit der Wegweiser GmbH Berlin durchgeführt hat. Danach gehen nur 15 Prozent der an der Befragung teilnehmenden Kreise davon aus, dass eine Breitbandversorgung mit weniger als 6 MBit/s zur Nutzung ihrer E-Government-Angebote ausreichend sei. Knapp die Hälfte der Teilnehmer hält einen Internetanschluss mit einer Bandbreite von 6 bis 25 MBit/s für erforderlich, und etwas mehr als ein Fünftel nimmt an, dass Bandbreiten zwischen 25 und 50 MBit/s notwendig seien.

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Demgegenüber stellt sich die tatsächliche Versorgungslage als deutlich schlechter dar. Ausweislich des im Dezember 2011 vorgelegten 2. Monitoringberichts zur Breitbandstrategie der Bundesregierung verfügen derzeit lediglich 40,6 Prozent der Haushalte über einen solchen Hochgeschwindigkeitsanschluss, wobei die Kluft zwischen der Versorgungssituation in den Ballungsgebieten mit einem Versorgungsgrad von 60,3 und derjenigen im ländlichen Raum mit lediglich 4 Prozent sehr deutlich ist. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich der Koalitionsausschuss am 4.3.2012 darauf verständigt hat, bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit Bandbreiten von mindestens 50 MBit/s anzustreben. Diese hohen Übertragungsraten lassen sich mit dem vorhandenen, in weiten Teilen immer noch kupferbasierten Netzen nicht verwirklichen. Das Ziel muss deshalb sein, den Ausbau moderner Glasfaserinfrastrukturen (NGA-Netze) voranzutreiben. Dabei gilt: je näher die Glasfaser an den Endanschluss heranrückt, umso höhere Übertragungsraten lassen sich erreichen, umso teurer wird aber auch der Netzausbau. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine schrittweise vorgehende, planvoll gesteuerte und Synergien nutzende Ausbaustrategie. Zu prüfen sein wird auch, ob und inwieweit Fortentwicklungen im Bereich der Mobilfunktechnologie (z. B. „LTE – Advanced“) einen Beitrag zum Aufbau hochleistungsfähiger Netze mit entsprechenden Übertragungsraten im ländlichen Raum leisten können.

Kommunales Engagement für den Breitbandausbau Eines hat die Erfahrung der letzten Jahre dabei gezeigt: rein marktgetrieben wird der flächendeckende Ausbau des Breitbandnetzes nicht zu realisieren sein. Die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte im Jahr 1996 hat zwar für einen lebendigen Wettbewerb und für einen erheblichen Innovationsschub gesorgt. Die Bereitschaft der Unternehmen, erhebliche Summen in neue Infrastrukturen zu investieren, deren Bau sich nicht zeitnah, sondern erst in einer längerfristigen Perspektive rentiert, hat sich aber – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – als gering erwiesen. Auch wenn der Ausbau des Breitbandnetzes daher in erster Linie eine Aufgabe der privaten Telekommunikationsunternehmen bleibt, ist klar, dass der Staat eine wesentliche Rolle übernehmen muss, wenn eine flächendeckende Versorgung mit hochleistungsfähigen Breitbandanschlüssen zeitnah realisiert werden soll. Neben dem Bund und den Ländern, die für die Setzung der rechtlichen Rahmenbedingungen verantwortlich sind und Fördermittel zur Verfügung stellen, kommt dabei vor allem den Kommunen und namentlich auch den Landkreisen große Bedeutung zu. Denn wenn Kommunen sich für den Ausbau von NGA-Netzen engagieren, ist es sehr sinnvoll, die entsprechenden Bemühungen auf der Ebene der Landkreise zu bündeln. Dafür spricht eine Reihe von Gründen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der NGA-Ausbau eine Aufgabe ist, die die Verwaltungs- und Wirtschaftskraft vieler kleinerer, kreisangehöriger Gemeinden übersteigt. Hinzukommt, dass über einen kreisweiten Ansatz eine tatsächlich flächendeckende Versorgung im Kreisgebiet gewährleistet werden kann. Bei „Insellösungen“ für einzelne Gemeinden besteht dagegen die Gefahr, dass es nach wie vor un- oder unterversorgte Gebiete in einem Landkreis gibt. Derartige „Insellösungen“ könnten überdies zu einer in technischer Hinsicht nachteiligen Zersplitterung des Netzes führen. Schließlich besteht auch auf Seiten der TK-Wirtschaft ein Interesse daran, die Versorgung eines ganzen Kreises sicherzustellen, statt mit jeder Gemeinde einzeln verhandeln zu müssen.

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Landkreise als wichtige Akteure für den Breitbandausbau Wie sich aus der bereits erwähnten Umfrage ergibt, planen immerhin 54 Prozent der teilnehmen Landkreise Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandversorgung. Das Engagement der Landkreise für den Breitbandausbau kann dabei – in Abhängigkeit vor allem von den konkreten Verhältnisse vor Ort – ganz unterschiedliche Formen annehmen. Das Spektrum ihrer Bemühungen reicht von der Bündelung entsprechender gemeindlicher Initiativen bis hin zu Gründung von BreitbandInfrastrukturgesellschaften und dem Bau kreiseigener Breitbandnetze. Diesen Weg hat unlängst etwa der Main-KinzigKreis mit der Gründung der „Breitband Main-Kinzig GmbH“ beschritten. Schon weiter fortgeschritten ist das Projekt des Odenwaldkreises, der über seine Wirtschaftsförderungsgesellschaft den Aufbau eines flächendeckenden Breitbandnetzes in seinem Kreisgebiet vorantreibt. Eine ähnliche Initiative gibt es im Landkreis Cochem-Zell, dort unter besonders intensiver Einbindung privater Partner aus der Telekommunikations- und Energiebranche. Mitunter schließen sich auch einige Landkreise zusammen, um – gemeinsam mit ihren Gemeinden – zu übergreifenden Lösungen zu gelangen. Dies gilt etwa für die TelekommunikationsGesellschaft Südwestfalen GmbH, deren Ursprünge zwar im Hochsauerlandkreise liegen, die aber mittlerweile vom Kreis Olpe und – seit dem 1.1.2012 auch von den Kreisen Soest und Siegen-Wittgenstein mitgetragen wird. Diese Gesellschaft ist insoweit typisch für die Aktivitäten der Kreise, als sie sich auf die „passiven“ Teile der Versorgung mit Breitbandanschlüssen beschränkt. Die Gesellschaft errichtet also nur die Netzinfrastruktur und verpachtet diese dann an geeignete (private) Netzbetreiber. Das Endkundengeschäft wiederum liegt in den Händen von Internet Service Providern. Auch wenn hier nur einige Beispiele erwähnt werden konnten – es handelt sich nicht um Einzelfälle. Immerhin 16 Prozent der in der Umfrage der Wegweiser GmbH befragten Landkreise gaben an, eigene Breitbandinfrastrukturen errichten zu wollen. Weitere 65 Prozent haben kreisweite Lösungen initiiert. Angesichts der erheblichen finanziellen Herausforderungen und rechtlichen Hürden – besonders hinzuweisen ist insoweit etwa auf das europäische Beihilfenrecht, aber auch auf die in einigen Bundesländern bestehenden kommunalrechtlichen Restriktionen – ist dies ein bemerkenswertes Ergebnis. Rechnet man die vielfältigen Aktivitäten der Gemeinden und Städte und hier insbesondere der kommunalen Unternehmen hinzu, führt dies zu einer „Kommunalisierung“ im Bereich der Telekommunikation, mit der vor dem Hintergrund der Privatisierungs- und Liberalisierungseuphorie in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht zu rechnen war.

Die Sparkassen als wichtige Partner Als Hindernis eines flächendeckenden Ausbaus hochleistungsfähiger Breitbandnetze im ländlichen Raum gilt auch die fehlende Bereitschaft der Kreditinstitute, entsprechende Investitionen privater Unternehmen – aber auch der Kommunen – zu finanzieren. Das fehlende Engagement der Kreditwirtschaft wird dabei im Allgemeinen zweifach begründet. Zum einen wird geltend gemacht, dass die vergleichsweise niedrige Zahlungsbereitschaft und die Ungewissheit darüber, in welchem Umfang das neue Netz von den Kunden genutzt werden wird, die Erarbeitung eines überzeugenden „Business Plans“ als Grundlage einer Projektfinanzierung erschwert. Zum anderen wird darauf verwiesen, dass sich der wirtschaftliche Wert eines neu geschaffenen Glasfasernetzes nur schwer einschätzen ließe. Da sind fraglos gewichtige Gesichtspunkte. Gleichwohl sollten gerade die Sparkassen als sozusagen „geborene“ Finanzierer kommunaler Investitionen Anstren-

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gungen unternehmen, um dieses Geschäftsfeld für sich zu erschließen. Dafür spricht nicht nur, dass leistungsfähige Breitbandinfrastrukturen zunehmend zur Voraussetzung für weiteres wirtschaftliches Wachstum im ländlichen Raum werden, die Errichtung solcher Infrastrukturen also im ureigensten Interesse nicht zuletzt der Sparkassen an der wirtschaftlichen Entwicklung ihres jeweiligen Einzugsgebietes liegt. Vielmehr sollte man sich auch vor Augen führen, dass sich – neben den unverkennbaren Risiken – auch erhebliche Chancen mit der Finanzierung von Breitbandprojekten verbinden. Insbesondere darf nicht verkannt werden, dass Glasfasernetze, die heute im ländlichen Raum neu geschaffen werden, ein (natürliches) Monopol darstellen werden. Dies verspricht – jedenfalls auf längere Sicht – stabile Renditeerwartungen. Es ist angesichts der in den letzten Jahren auf den TK-Märkten zu beobachtenden Entwicklungen nicht zu erwarten, dass die neuen Netze nicht aus genutzt werden würden. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass die Sparkasse Odenwaldkreis zu den aktiven Partner des dortigen Projektes gehört.

Die Rahmenbedingungen müssen stimmen Kommunales, aber auch unternehmerisches Engagement für den Breitbandausbau kann seine volle Wirkkraft nur entfalten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Insoweit gibt es – trotz unbestreitbarer Fortschritte – noch eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten auf der Ebene der Europäischen Union, des Bundes und der Länder, auf die abschließend hinzuweisen ist.

Die Rolle der Europäischen Union Die Europäische Union ist maßgeblich für die Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens für die Telekommunikationsmärkte einschließlich der Vorgaben für den Universaldienst zuständig. Die Union stellt aber auch Fördermittel zur Verfügung und wacht – in Gestalt der Europäischen Kommission – über die Einhaltung der unionsrechtlichen Beihilfenvorschriften. Aktuell wird auf europäischer Ebene der finanzielle Rahmen für die Förderperiode 2014 – 2020 diskutiert. Dabei zeichnet sich ab, dass es keine Fortführung der Infrastrukturförderung in stärker entwickelten Regionen mehr geben soll. Für Deutschland bedeutete dies konkret, dass Fördermittel aus den Strukturfonds für den Breitbandausbau nur noch in Ostdeutschland und der Region Lüneburg zur Verfügung stünden. Diese Beschränkung der Fördermittel ist abzulehnen. Auch innerhalb stärker entwickelten Regionen – das zeigt sich gerade am Beispiel des Breitbandausbaus – gibt es Entwicklungsdisparitäten, die Investitionen in den Infrastrukturausbau erforderlich machen. Neben den bisherigen Strukturfonds soll ein Infrastrukturfonds „Connecting Europe Facility“ geschaffen werden, über den 7 Mrd. Euro für den beschleunigten Breitbandausbau bereit gestellt werden sollen. Dies kann ein sinnvoller Schritt sein, wenn es sich tatsächlich um zusätzliche Mittel handelt, die bisher nicht für den Breitbandausbau zur Verfügung standen. Bemerkenswert ist, dass der neue Fonds unmittelbar von der Kommission verwaltet und nicht über die Mitgliedstaaten ausgereicht werden soll. Vor dem Hintergrund der bisherigen, eher schlechten Erfahrungen mit der europäischen Förderbürokratie wird darauf zu achten, dass der Zugang zu diesen Fördermitteln nicht durch überzogene bürokratische Anforderungen erschwert wird. Außerdem muss sichergestellt sein, dass von den Fördermitteln in erster Linie der nur schwer mit hochleistungsfähigen Breitbandanschlüssen zu versorgende ländliche Raum in Deutschland profitieren wird. Auch die Beihilfenleitlinien der Europäischen Kommission für den Breitbandausbau stehen derzeit auf dem Prüfstand. Diese sind von besonderer Bedeutung, weil de facto jedes Projekt, an dem

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eine Kommune auf die eine oder andere Weise beteiligt ist, der Beihilfenkontrolle unterliegt. Deshalb ist es ein vordringliches Anliegen, dass die kommunalen Aktivitäten für den Breitbandausbau stärker berücksichtigt werden. Hilfreich wäre z. B. eine Klarstellung, wonach Breitbandinfrastrukturen grundsätzlich – solange nicht ein privater Investor verbindlich einen zeitnahen Ausbau zugesichert hat – durch öffentliche Träger wie Landkreise errichtet und zu marktmäßigen Konditionen Betreibern zur Verfügung gestellt werden können. Auch sollten die beihilfenrechtlichen Voraussetzungen für PPP-Modelle und kommunale Breitbandgesellschaften geklärt werden. Schließlich geht es darum, die Überschaubarkeit der Breitbandleitlinien zu verbessern. Auch dies dient dem Ziel einer Verringerung des administrativen Aufwandes für den Einsatz von Fördermitteln auf kommunaler Ebene. Dieses Ziel kann erreicht werden durch eine stärkere Fokussierung auf hochleistungsfähige Netze und Erleichterungen bei den Nachweispflichten, etwa zum Vorliegen einer Unterversorgung, eines Marktversagens oder der Bedarfsermittlung.

Bund und Länder müssen ihrer Verantwortung gerecht werden Auch für den Bund und die Länder gilt, dass sie einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen ausgestalten und andererseits über die Bereitstellung von Fördermitteln wichtige Anreize für den Breitbandausbau setzen. Insoweit ist zunächst positiv zu vermerken, dass mit der Verabschiedung der Novelle zum Telekommunikationsgesetz (TKG) deutliche Fortschritte erzielt wurden. Das gilt bspw. für den Infrastrukturatlas, der ein wichtiges Instrument zur Hebung von Synergien ist, bislang aber darunter gelitten hat, dass nicht alle Unternehmen – dazu zählte zuletzt auch wieder die Deutsche Telekom – bereit waren, ihre Infrastrukturdaten freiwillig zur Verfügung zu stellen. Mit Inkrafttreten des novellierten TKG wird die Bundesnetzagentur über die rechtlichen Mittel verfügen, alle relevanten Infrastrukturen zu erfassen und einem berechtigten Nutzerkreis – dazu zählen auch die Landkreise – für Zwecke des Breitbandausbaus zur Verfügung zu stellen (§ 77a Abs. 3 TKG n. F.). Unter dem Gesichtspunkt der Hebung von Synergien ist es ein seit jeher von vielen Landkreisen beklagtes Ärgernis, dass Infrastrukturen des Bundes, namentlich Glasfaserleitungen bzw. Leerrohre entlang der Bahntrassen, der Bundesautobahnen sowie der Bundesstraßen und -wasserstraßen nicht für Zwecke des Breitbandausbaus im ländlichen Raum zur Verfügung

gestellt wurden. Deshalb ist es besonders zu begrüßen, dass im novellierten TKG in den §§ 77c – 77e Regelungen zu Mitbenutzungsansprüchen vorgesehen sind. Nunmehr wird es darauf ankommen, diese Regelungen anzuwenden und mit Leben zu erfüllen. Angesichts der bisherigen Erfahrungen bedarf es insoweit voraussichtlich deutlicher Signale – auch aus dem politischen Raum – insbesondere an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Neben der Setzung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen ist auch eine Fortführung und Verstärkung der finanziellen Förderung durch den Bund und die Länder unverzichtbar. Nach der Schließung der letzten Lücken in der Grundversorgung muss dabei der Ausbau hochleistungsfähiger Netze im Fokus stehen. Die Förderung der Grundversorgung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur- und Küstenschutz – kurz GAK – hat sich bewährt. Das GAK-Programm für den Breitbandausbau sollte daher fortgeführt und die Förderrichtlinie so geändert werden, dass auch eine Förderung des NGA-Ausbaus möglich wird. Darüber hinaus sollte ein eigenständiges, gezielt auf den NGA-Ausbau ausgerichtetes Förderprogramm auf Bundesebene aufgelegt werden. Es ist absehbar, dass das Ziel eines flächendeckenden Ausbaus hochleistungsfähiger Breitbandnetze ohne ein solches Förderprogramm innerhalb des gesteckten zeitlichen Rahmens nicht zu erreichen sein wird.

Auch die Förderbanken sind gefordert Mit Blick auf die oben angesprochenen Finanzierungsprobleme und die Rolle der Kreditwirtschaft im Allgemeinen und der Sparkassen im Besonderen sind aber auch die staatlichen Förderbanken gefordert. Auf Ebene der Länder gibt es – etwa in Hessen – zum Teil schon beispielhafte Programme. Demgegenüber sieht die KfW bislang noch keine Notwendigkeit für ein dezidiertes Breitband-Finanzierungsprogramm. Es wird vielmehr auf bestehende Programme verwiesen, die auch für Breitbandprojekte nutzbar seien. Dies wird der herausgehobenen Bedeutung der Aufgabe des Breitbandausbaus in Deutschland nicht gerecht. Deshalb ist es zu begrüßen, dass Bund und Länder im Vermittlungsverfahren zur Novelle des TKG zugesagt haben, gemeinsam mit der KfW-Förderbank Vorschläge zu entwickeln, um die bestehenden KfW-Programme für Kommunen besser zum Breitbandausbau nutzen zu können. Auch dies zeigt: der Breitbandausbau in der Fläche wird nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen.

Sparkassen und Kommunen als natürliche Partner – Gilt das auch unter Basel III? Von Dr. Schackmann-Fallis – Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Berlin Die Sparkassen sind für ihre Träger, die Kommunen, unverändert der wichtigste Finanzpartner. Bezogen nur auf die Gemeinden inkl. Zweckverbände stellte die SparkassenFinanzgruppe 2011 rd. 82 Mrd. Euro (dv. 47,6 Mrd. Euro Landesbanken, 34,4 Mrd. Euro Sparkassen) des Gesamtvolumens von 175,9 Mrd. Euro zur Verfügung und ist damit mit einem Marktanteil von 46 % Hausbank der Kommunen.1 Gerade die oftmals strukturell bedingten Haushaltsdefizite erschweren es den Kommunen, ihre vielfältigen Leistungen für die Menschen zu finanzieren, obwohl sich angesichts der guten aktuellen Konjunktursituation in Deutschland das Jahresdefizit der Kommunen 2011 ggü. dem Vorjahr lt. Statistischem Bundesamt um fast sechs Mrd. Euro verringerte.

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Diese positiven Nachrichten ändern aber kurzfristig nichts an der besorgniserregenden finanziellen Situation vieler Kommunen. – Die Kassenkreditverschuldung hat eine Rekordhöhe von rd. 43 Mrd. Euro erreicht, innerhalb der letzten zehn Jahre hat sie sich mehr als vervierfacht. Nach einer aktuellen Studie der TU Kaiserslautern wird sogar ein weiterer Anstieg auf bis zu 90 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 vorhergesagt (unterstellt wurde ein moderates Wachstum). Damit werden mittels der Kassenkredite Ausgaben finanziert, denen keine Investitionen z. B. in die kommunale Infrastruktur gegenüberstehen, sondern laufende Ausgaben werden über Neuaufnahmen von Kredite beglichen.

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– Laut einer aktuellen Studie des Difu (Deutsches Institut für Urbanistik) beträgt allein der Investitionsrückstand auf kommunaler Ebene rd. 100 Mrd. Euro. – Letztlich wird auch die ab 2016 für den Bund und ab 2020 für die Länder geltende Schuldenbremse ggf. dazu beitragen die finanziellen Herausforderungen für die Kommunen, sei es durch geringere Umlagen im Finanzausgleich, sei es durch Übertragung weiterer Aufgaben, zu erhöhen. Die Herausforderungen des demografischen Wandels, die neben der Bewältigung der Energiewende und der Aufrechterhaltung der Infrastruktur z. B. im Bereich Bildung und Verkehr künftig zu bewältigen sind, sind gewaltig und werden ohne weitere Neukreditaufnahme nicht umsetzbar sein.

Herausforderungen der Banken In dieses kommunale schwierige Umfeld sind nun die Veränderungen der Bankenlandschaft in Europa und in Deutschland, welche auch durch die regulatorischen Rahmenbedingungen (Basel III) künftig determiniert werden sowie die Auswirkungen der Diskussion über die Verschuldung europäischer Staaten (Fall Griechenland), einzuordnen. Insbesondere die derzeit sich in Verhandlung befindlichen Pläne der EU-Kommission zur Umsetzung der Vorschläge des Baseler Ausschusses (Basel III) in europäisches Recht setzen neue Rahmenbedingungen in den Banken für die klassische Kommunalfinanzierung. Denn Ziel von Basel III ist es, durch die Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen das Risiko einzelner Banken zu reduzieren und durch neue Liquiditätsvorschriften dafür zu sorgen, dass Banken unter Stresssituationen über ausreichend Liquidität verfügen, damit die Refinanzierung sichergestellt ist. Insbesondere die neue „Leverage Ratio“ könnte bei deren Umsetzung dazu führen, dass die bislang von einer Eigenkapitalunterlegung freigestellten Staats- und Kommunalkredite (Investitionsdarlehen, Kassenkredite) zwar nicht aufgrund ihres „Risikos“, sondern aufgrund ihres Volumens dennoch mit einer Eigenkapitalunterlegung und damit einem Verzinsungsanspruch auf das gebundene Eigenkapital belastet werden würden. Nach aktueller Gesetzeslage („Solvabilitätsverordnung“) ist für Forderungen an die Bundesrepublik Deutschland sowie regionale Gebietskörperschaften ein Risikogewicht von 0 % anzusetzen. Folglich muss nach heutigem Stand für Kredite an Städte und Gemeinden kein Eigenkapital vorgehalten werden, da es sich um „risikolose“ Aktiva handelt. Sollte nun über Basel III eine risikounabhängige Quote (Leverage Ratio) vorgeschrieben werden, kann am Ende des Prozesses eine Konkurrenzsituation innerhalb der jeweiligen Bank zwischen dem margenengen und großvolumigen Kommunalfinanzierungsgeschäft und anderen, margenhöheren Kreditopportunitäten entstehen. Folge wäre, dass Kommunalkredite weniger seitens der Banken angeboten werden bzw. die Margen deutlich in Richtung des Niveaus vergleichbarer Kreditarten ansteigen würden.

Europäische Schuldenkrise strahlt aus Die europäische Schuldenkrise strahlt auch auf den deutschen Markt für Finanzierung der öffentlichen Hand aus, es ist eine aufkommende Unsicherheit bei den Kreditinstituten zu konstatieren. Denn speziell die Krise in Griechenland und der damit einhergehende „Haircut“ bei den privaten Gläubigern haben erstmals in der Eurozone gezeigt, dass die Grundannahme der „Risikolosigkeit“ von Staatsanleihen und Krediten an sonstige öffentliche Haushalte nicht mehr unein-

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geschränkt zutrifft. Auf den kommunalen Kreditmärken sind die Auswirkungen dieses Wandels aktuell zu beobachten, so zum Beispiel durch die öffentliche Nachricht der WL-Bank im Herbst 2011, sich aus der Kreditvergabe an Kommunen im Nothaushalt zurückzuziehen. Im Markt wird die Unsicherheit mit Fragen wie: Wenn eine Beordnung der Schulden von Staaten in Europa denkbar ist, warum dann nicht auch bei Kommunen im Nothaushalt?; Sind beide nicht gleichermaßen strukturell defizitär? zum Ausdruck gebracht. Dieser Diskussion ist angesichts der sich daraus ergebenden nicht abschätzbaren Konsequenzen entgegenzuwirken. Gemäß der oben erwähnten Gesetzeslage („Nullanrechnung“ gemäß Solvabilitätsverordnung) besteht weder für ein Kreditinstitut ein zwingendes Erfordernis, eine Kommune zu raten, noch für die Kommune, ein externes Rating zu beauftragen, auch wenn einige Markteilnehmer dies öffentlich anders bewerten. Hintergrund ist, dass Kommunen gemäß § 12 Insolvenzordnung nicht insolvenzfähig sind. Auch ist nicht vorstellbar, dass Kommunen als integraler Bestandteil der Länder keine finanzielle Unterstützung erfahren, wenn sie ihre wichtigsten Aufgaben nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen können. In der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat stehen alle staatlichen Ebenen in klar definierten Verfahren füreinander ein. Wünschenswert wäre, wenn die Bundesländer angesichts der skizzierten Diskussion über die Bonitätssituation der Kommunen eindeutige Signale geben würden, dass sie, bevor einmal der Fall der tatsächlichen Haftungsübernahme ansteht, die Kommunen rechtzeitig mit den nötigen finanziellen Mitteln ausstatten werden. Alle staatlichen Ebenen müssen sich dem Schuldenabbau verpflichten. Insgesamt sind aber die politischen Weichen in Deutschland zur Überwindung der Staatsschuldenkrise auf Grundlage einer nachhaltigen Haushaltspolitik und mit der Verankerung der Schuldenbremse richtig gesetzt. Die dauerhafte Handlungsfähigkeit des öffentlichen Finanzsystems ist dadurch gesichert. Diese Schuldenbremse wird aktuell von anderen EU-Ländern übernommen und hat damit eine Vorbildfunktion für Europa.

Initiative „Kommunale Verschuldungsdiagnose“ der Sparkassen-Finanzgruppe Die Kommunen selber stehen nun vor der Situation, sich über den Umgang und die Entwicklung ihres Schuldenportfolios intensiver Gedanken zu machen. Vor allem aber ist ein genauer Überblick über das gesamte Schuldenportfolio unabdingbar. Denn ansteigende Kreditkonditionen und reduzierte Zahl der Anbieter bei der Prolongation bestehender Kredite oder bei der Neuaufnahmen dürften künftig, sollte für „risikolose“ Kommunaldarlehen nach Basel III die „Leverage Ratio“ wirklich nach den laufenden abschließenden Beratungen zu Basel III zur Umsetzung kommen, durchaus im Markt ankommen. Als Partner der Kommunen begleiten die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe diese bei den anstehenden Herausforderungen im Umgang mit der ansteigenden Verschuldung. So hat die Sparkassen-Finanzgruppe beispielsweise bei über 880 Kommunen in Deutschland eine „Kommunale Verschuldungsdiagnose“ (KVD) durchgeführt, um ihnen konkrete Hilfestellung bei der Steuerung ihres Schuldenportfolios und ihrer Zinsbelastung zu geben. Die Resonanz auf die „KVD“ in den beiden Jahren 2010 / 2011 ist beachtlich. Das erfasste und analysierte Gesamtvolumen von über 880 Kommunen beträgt rd. 49 Mrd. Euro. Dies entspricht rund 35 Prozent der Verschuldung auf kommunaler Ebene.

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Für 2012 besteht erneut für Landkreise, Städte und Gemeinden bundesweit die Möglichkeit, das Angebot der Sparkassen-Finanzgruppe einer neutralen Analyse des kommunalen Schulden- und Derivateportfolios nebst einer speziellen Vergleichsanalyse der Teilnehmer zu nutzen.

Ausblick Der hohe Finanzbedarf der Kommunen zur Deckung der laufenden Ausgaben (z. B. über Aufnahme von Kassenkrediten), zur Finanzierung der anstehenden Investitionen in Infrastrukturprojekte und die Energiewende ist in den nächsten Jahren

aus dem deutschen Bankensektor zu decken. Anhaltende Diskussionen über die Bonitäten der Kommunen oder gar Forderungen nach einem Ratingansatz sind in diesem Prozess nicht hilfreich und führen eher zur weiteren Verunsicherung des Marktes. Hilfreich für eine stabile Kommunalfinanzierung in der Zukunft wäre neben der nachhaltigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte insgesamt eine genauere Definition der Haftungskaskade im föderalen System, um jeglicher Diskussion über eine denkbare Insolvenz von Kommunen eine Absage zu erteilen. Anmerkung: 1 gem. Bundesbankstatistik per 31.12.2011

– Energie – Sparkassenfinanzgruppe – Partner der Energiewende Bayern Von Prof. Rudolf Faltermeier – Vize-Präsident Sparkassenverband Bayern, München Der Weg zu einer weitestgehend „grünen“ Stromversorgung in Deutschland ist weit. Das zeigen auch die aktuellen Schlagzeilen wieder. Der Ausstieg aus der Atomenergie erfordert ein starkes gemeinschaftliches Handeln und hohe Investitionen. Die bayerischen Kommunen und kommunalen Unternehmen haben mit der Sparkassen-Finanzgruppe für die Herkulesaufgabe „Energiewende“ einen verlässlichen Partner an ihrer Seite: Einen Partner, der mit 45 Prozent Marktführer bei der Finanzierung erneuerbarer Energien ist. Der mit seinen starken Verbund- und Kooperationspartnern Orientierung und vielfältig Unterstützung bietet. Und dessen Selbstverständnis seit jeher auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Der Erhalt des Gemeinwohls, des sozialen und ökonomischen Systems und damit der sorgfältige Umgang mit Ressourcen, ist seit der Gründung Hauptzweck der Sparkassen. Ihr Selbstverständnis ist per se nachhaltig und zukunftsorientiert. Durch diese historische Gegebenheit und die dadurch bedingte dichte Vernetzung im Geschäftsgebiet übernehmen die Sparkassen eine permanente und dynamische Katalysatorfunktion in der Region – und das konsequent auch beim Projekt Energiewende: Bürgermeister, Landräte, regionale Energieerzeuger, Initiatoren, Grundstückseigentümer und alle Bürger, die in neue Anlagen investieren, erhalten von den Sparkassen und ihren Partnern der Sparkassen-Finanzgruppe Informationen, Beratung und eine verlässliche Begleitung bei der Umsetzung und Finanzierung. Energiewende – der Begriff umfasst den Ausbau erneuerbarer Energien sowie der Energienetze und -speicher. Energiewende bedeutet auch eine verbesserte Energieausnutzung und grundlegend eine Vermeidung von Energieverbrauch. Die Sparkassen-Finanzgruppe zeigt den Kommunen, denen als große Energieverbraucher und als Planungs- und Genehmigungsinstanzen eine tragende Rolle zukommt, für alle Aspekte ihre Potentiale und ihren Investitionsbedarf auf und erstellt maßgeschneiderte Finanzierungslösungen. Die Einbindung von Fördermitteln ist ein Selbstverständnis. Für die Kommunen ist die Einsparung von Energiekosten, die Verbesserung der Energieeffizienz und die damit verbundene Entlastung des Haushalts immer noch ein Schwerpunkt zur Reduzierung der energiebedingten Schadstoffemissionen.

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Die Sparkassenfinanzgruppe bietet als wichtige Voraussetzung für die Planung eine Bestandsanalyse und Zieldefinition vor Ort: – eine Grundlagenermittlung und Ist-Analyse hinsichtlich Energiebedarf (Wärme und Strom), Energieinfrastruktur und örtliche Energiequellen. – Konzepte und Maßnahmen, darunter koordinierte „kleine“ Machbarkeitsstudien sowie Handlungsanweisungen mit Verantwortungsbereichen, Kosten und Zeitplan sowie Auswirkungen auf den Klimaschutz – Umsetzungsstrategien mit abgestimmten Zielvorgaben und Leitlinien, als Planungsinstrument für Politik, Verwaltung, Bürger und Betreiber zur Beratung, Förderung und Planung und einer Implementierung von Monitoring und Evaluierung. Wir zeigen die Potenziale im Bereich der energetischen Sanierung des kommunalen Gebäudebestandes auf …

Die Sparkassen-Finanzgruppe begleitet die Kommunen nicht nur bei einem nachhaltigen Immobilienmanagement, sondern in allen Handlungsfeldern der Energiewende – bereits ab der Planungsphase. Sie bietet bedarfsgerechte Lösungen, ob es sich um einen Aus-, Um- oder Rückbau von Netzen handelt oder um die strategische Optimierung von regionalen Ener-

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gieversorgern bzw. deren Neugründungen. Sie unterstützt regional Kommunen und Bürger beim Ausbau erneuerbarer Energien und überregional beim Bau von Kraftwerken und Investitionen in Speicher. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist ein verlässlicher Partner – durch: – fundiertes technisches Projekt-Wissen – ein bewährtes Netzwerk mit Herstellern, Projektentwicklern, Betreibern und Verbänden – eine breite Datenbasis zur Plausibilisierung der (Wirtschaftlichkeits-) Konzepte und Abschätzung der Risiken – vielfach erprobte Antworten auf Finanzierungsfragen – maßgeschneiderte Finanzierungslösungen – langjährige Erfahrung in der Begleitung als Finanzierungspartner – Branchen-Kenntnisse zu Chancen und Risiken während der gesamten Projektlaufzeit – vorausschauende und faire Finanzierungsmodalitäten – Modelle zur Einbindung von Bürgerkapital Zur Finanzierung dieser großen Aufgabe muss es konsequent das Ziel sein, möglichst viele regionale Kapitalgeber einzubinden, damit die Wertschöpfung in der Region bleibt. Die Sparkassen-Finanzgruppe finanziert derzeit mehr als 1.200 Windkraftanlagen, 1.000 Photovoltaik-Anlagen und 450 landwirtschaftliche Biogas-Anlagen. Auch bei der Finanzierung von Holzheizkraftwerken, Wasserkraft und aktuell zwei Geothermie-Projekten in Bayern ist die Finanzgruppe aktiv. Bayern ist das Bundesland mit dem größten Windkraft-Potential . Mit einer Finanzierung wie unten stehend abgebildet lässt sich das Ziel einer regionalen Wertschöpfung umsetzen (s. Tabelle links): Um stets am Ball der Entwicklungen zu bleiben, ist die Sparkassen-Finanzgruppe regional und überregional gut vernetzt: Viele bayerische Sparkassen sind im Umweltpakt Bayern, der Vereinbarung zwischen der Bayerischen Staatsregierung und

der Bayerischen Wirtschaft, seit Jahren aktiv. Anfang 2012 ist der Sparkassenverband Bündnispartner der Bayerischen Klima-Allianz geworden. Deren wesentliches Anliegen ist es, „gesellschaftlichen Akteure zu vernetzen, sich gegenseitig bei Maßnahmen zum nachhaltigen Klimaschutz zu unterstützen, Wissen zu vermitteln und zum Handeln zu motivieren.“ Die Klima-Allianz richtet an vielen bayerischen Orten vom 16. bis 23. Juni zum fünften Mal die Bayerische Klimawoche (www. klimawoche.bayern.de) aus, an der sich auch die Sparkassen seit zwei Jahren beteiligen. Für die Sparkassen bedeutet Nachhaltigkeit nicht einfach ein Megatrend, sondern eine konsequente Weiterverfolgung ihres öffentlichen Auftrags. Im Verbund mit ihren Partnern in der Sparkassen-Finanzgruppe bieten sie mit ihrem umfangreichen Produktangebot, qualifizierter Beratung und einem dichten Netzwerk ein grundsolides Fundament für ein starkes gemeinschaftliches Handeln beim Projekt „Energiewende Bayern.“

„Den Bürger mitnehmen – wie die Energiewende vor Ort gelingen kann“ Von Hans-Joachim Reck – Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen (VKU), für die Kommunalwirtschaft Der nachhaltige Umbau unseres Energiesystems ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Seitdem die Bundesregierung nach den Ereignissen in Fukushima im Eiltempo Gesetze erlassen hat, die den Weg für die Energiewende geebnet haben, befindet sich die deutsche Energiewirtschaft in einer Umbruchphase. Bis 2050 soll die Energieversorgung Deutschlands zu 80 Prozent durch erneuerbare Energien gewährleistet werden. Wir alle wissen, dass mit der Entscheidung für die Wende der Umbau noch lange nicht erreicht ist. Ohne die technologische Umgestaltung des Energiesystems und den Ausbau der Infrastruktur scheitert das energiepolitische Engagement. Die Stadtwerke sind mit ihrem dezentralen Geschäftsmodell ein wichtiger Player, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen. Wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen, dann spielen die deutschen Stadtwerke beim Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Bau neuer, hocheffizienter Kraftwerke eine entscheidende Rolle! Dieses Mammutprojekt muss aber auch finanziell gestemmt werden! Verschiedene Studien errechneten allein bis 2020 ein Volumen von rund 200 Milliarden Euro. Der Deutsche Spar-

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kassen- und Giroverband (DSGV) geht gar von einem Investitionsvolumen von rund 370 Milliarden aus. Auch kommunale Unternehmen werden einen erheblichen finanziellen Aufwand haben. Es stellt kleine und auch große Stadtwerke vor neue Herausforderungen. Die bisher eher widersprüchliche Energiepolitik der Bundesregierung kann zu einem Hindernis für bestimmte notwendige Investitionsvorhaben werden. Stadtwerke und die Energiewirtschaft insgesamt müssen sich auf die Kontinuität von politischen Entscheidungen verlassen können. Denn für jede Finanzierung – egal ob für kommunale Unternehmen oder Banken – sind langfristige stabile gesetzliche Rahmenbedingungen Grundvoraussetzung. Zudem kann der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien nur gemeinsam mit den Bürgern gelingen. Vertrauen und Akzeptanz für die Energiewende in der Bevölkerung sind die wichtigsten Grundlagen, ohne die das größte Projekt seit der deutschen Wiedervereinigung zum Scheitern verurteilt ist. Um die Energieversorgung durch erneuerbare Energien in der angestrebten Zeit zu erreichen, ist es notwendig, die Infrastruktur an den wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien

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anzupassen. Das heißt aber, dass teilweise im unmittelbaren Lebensumfeld der Bürger solche Infrastrukturprojekte realisiert werden. Wir müssen große Wind- und Solarparks errichten, großflächige Pumpspeicherkraftwerke bauen und das Strom- und Gasnetz erweitern. Das alles gelingt nur mit der Zustimmung der Bürger – und den entsprechenden finanziellen Mitteln.

Schwierige Finanzierungssituation Banken tragen die meisten Infrastrukturprojekte zu einem großen Teil über Finanzierungslösungen. Jedoch zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, insbesondere seit der Finanzkrise 2008/09, dass die Finanzierung von großen Infrastrukturprojekten deutlich schwieriger geworden ist. Banken, Landesbanken und Sparkassen stellen zunehmend höhere Anforderungen an die Kreditvergabe, was kommunale Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Gerade die rückläufige Bereitschaft zur Konsortialführerschaft erhöht für unsere Unternehmen den administrativen Aufwand erheblich. Zudem führt dies in aller Regel zu einer enormen Verteuerung der Kredite. Die Kreditvergabe bei großen Projekten erfolgt in der Regel nicht über eine Bank, sondern über ein Konsortium. Da sich die einzelnen Kredithäuser mit jeweils immer geringeren Volumina in einem solchen Konsortium beteiligen, sind die Finanzierungsgespräche mit einer immer größer werden Anzahl an Banken zu führen. Das erschwert die Verhandlungen immens. Hinzu kommt, dass die vor einigen Jahren noch gängige Praxis, wonach eine Bank als Konsortialführer bereit steht und das Syndikat anderer Banken steuert, heute kaum noch existiert. Vielmehr wollen alle Bankinstitute zu gleichen Teilen ihre Ansprüche geltend machen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es macht sich offenbar bemerkbar, dass ehemals gewichtige Projektfinanzierer wie die West LB ausfallen beziehungsweise ihr Engagement deutlich zurückfahren. Ein weiterer wesentlicher Grund könnte im stark gesunkenen Vertrauen der Kreditinstitute untereinander liegen. Für unsere Unternehmen bedeutet das, nicht mehr mit einem Konsortialführer, sondern mit einer Vielzahl gleichberechtigter Kreditinstitute zu verhandeln, was vor allem die Finanzierung von Großprojekten außerordentlich schwierig macht. So verschlechtern sich dabei oft die Konditionen für den Kunden erheblich, da der Investor zu Zugeständnissen gezwungen ist, um das Konsortium zusammenzuhalten.

Hohe Auflagen, große Herausforderungen In der letzten Zeit beobachteten wir mit großer Sorge die stetig steigenden Auflagen bei der Kreditvergabe, die sich auch auf unsere Unternehmen auswirken. Es ist immer stärker zu spüren, dass die Institute seit den Erfahrungen der Finanzkrise deutlich weniger Risiken eingehen und zunehmend höhere Sicherungsansprüche stellen. Die geringere Risikobereitschaft ist gerade bei Erneuerbaren-Energie-Projekten zu spüren. Vor allem dann, wenn kaum Erfahrungswerte bestehen, wie zum Beispiel bei großen Offshore-Windparks. Für Kreditinstitute sind solche Projekte dann oft eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten, da weder die genaue Investitionshöhe, noch die Betriebs- oder Wartungskosten genau kalkulierbar sind. Dementsprechend hoch ist auch die Risikobewertung. Dafür werden unseren kommunalen Unternehmen oft zahlreiche, kaum noch leistbare Risikoübernahmen – etwa der Abschluss von Lieferverträgen mit nicht zwingend marktgerechten Preisvereinbarungen – abverlangt. Diese sichert der Projektgesellschaft einen hohen Cash Flow, um unter anderem die Kreditverbindlichkeiten erfüllen zu können. Bei allem

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Verständnis dafür, dass Fremdkapitalgeber unternehmerische Risiken des Investors nicht mittragen sollen, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass in einigen Fällen übertriebene Sicherungsanforderungen gestellt wurden. Sollte dies gängige Praxis werden, ist das möglicherweise eine Gefahr für die Energiewende. Weiter erschwerend dürften die ab 2013 geltenden BASEL III Richtlinien wirken. Die darin enthaltenen, erhöhten Eigenkapitalhinterlegungsanforderungen für Banken werden insbesondere bei Projektfinanzierungen zu höheren Zinsen führen. Die bislang regelmäßig noch günstigeren Unternehmensfinanzierungen drohen zudem angesichts einer möglichen risikounabhängigen Begrenzung der Kreditvergabe (Leverage Ratio) für die Finanzinstitute unattraktiv zu werden. Aus diesem Grund schließen sich immer mehr unserer Unternehmen in Kooperationen zusammen, um gemeinsam eine solidere Ausgangsbasis zu schaffen. Jedoch ist die Energiewende eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und kann nicht nur von einigen Wenigen getragen werden.

Ohne stabile politische Rahmenbedingungen keine Finanzierung Gerade deshalb ist auch der Gesetzgeber stärker gefragt. Grundvoraussetzungen für jede Finanzierung, egal ob sie von einer Bank, Landesbank oder Sparkasse kommt, sind langfristig stabile gesetzliche Rahmenbedingungen. So sind beispielsweise einige erneuerbare Energien heute noch ohne staatliche Förderprogramme nicht rentabel beziehungsweise mit konventionellen Energieerzeugern kaum konkurrenzfähig. Gesetzlich verbindliche Entscheidungen bei Anreizprogrammen sind deshalb unerlässlich. Auch eine verlässliche Festlegung der Einspeisevergütung ist wichtig. Sie muss dabei so gestaltet sein, dass sich die Kosten eines Projektes innerhalb seiner technischen Lebensdauer amortisieren lassen. Es gibt inzwischen einen breiten Konsens darüber, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz verstärkt dezentrale Lösungen und Ansätze erfordern. Die dezentrale Versorgung aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung ist eine Domäne kommunaler Energieerzeuger. Gerade beim Neubau von Gaskraftwerken sehen wir hier die Regierung stärker in der Pflicht. Gaskraftwerke können und sollten vor allem in der Übergangszeit die Versorgungssicherheit gewährleisten. Mit dem Einspeisevorrang für erneuerbarer Energien sind Neubauprojekte allerdings ohne staatliche Förderung kaum wirtschaftlich umsetzbar. Solange politisch verlässliche Rahmenbedingungen fehlen, wird es schwierig, tragfähige Finanzierungslösungen zu bekommen. Denn Banken und Sparkassen vergeben verständlicherweise keine Kredite, die sich innerhalb der Laufzeit nicht amortisieren. Für eine flächendeckende Umstellung der Energieversorgung muss aber die nötige Infrastruktur für die Erzeugung, Speicherung und Verteilung der Energie ausgebaut werden. Zum Beispiel sehen wir für den dringend notwenigen Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur Handlungsbedarf. Der beschleunigte Umbau der Energielandschaft braucht insbesondere auf der Verteilnetzebene eine leistungsfähige Infrastruktur. Schon heute werden auf dieser Netzebene 97 Prozent der erneuerbaren Energien eingespeist, zudem ist auf dieser Netzebene mit 83 Gigawatt bereits mehr Leistung angeschlossen als an den Übertragungsnetzen. Um die Netzqualität und damit die Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, muss der Verteilnetzausbau bei der Neugestaltung unseres Energiesystems mitgedacht werden. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) schätzt den Investitionsbedarf in die Verteilnetze auf 25 Milliarden Euro bis 2030 plus weitere sieben Milliarden Euro, die in ein sogenanntes Smart Grid

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(intelligente Netze) investiert werden müssen (Kosten für die Informations- und Kommunikationstechnologie). Ein dezentrales Smart Grid ist Voraussetzung, um die schwankenden erneuerbaren Energien zu steuern. Wenn es gelingt, die Verbraucher vor Ort mit diesen Anlagen intelligent zu integrieren, kann die Vision einer nachhaltigen, überwiegend auf Effizienz und erneuerbaren Energien gestützten Versorgung Wirklichkeit werden. Generell brauchen wir hier also eine schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie stabile Netzentgelte, die sich am Markt orientieren.

Gemeinsam mit den Bürgern für eine umweltfreundliche Kommune Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben und erfordert deshalb das Engagement aller gesellschaftlichen Akteure. Ohne den Willen der Bevölkerung, den Umbau auch finanziell mitzutragen, wäre dieses wegweisende Projekt zum Scheitern verurteilt. Eine repräsentative Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des VKU zeigt, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, mehr Geld für den Umbau des Energiesystems auszugeben, hoch ist. 61 Prozent der Befragten ist bereit, mehr für ihren Strom zu bezahlen, um damit den Ausbau erneuerbarer Energien voranzubringen. Die forsa-Umfrage zeigt auch, dass 54 Prozent der Befragten es gut beziehungsweise sehr gut finden, wenn in der Nachbarschaft eine Wind-Energie-Anlage stünde. Die Erfahrungen der letzten Jahre, besonders bei Stuttgart 21, haben allerdings gezeigt wie schwierig es ist, große Infrastrukturprojekte umzusetzen, wenn dafür die Akzeptanz in der Bevölkerung fehlt. Umso erfreulicher ist es zu sehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Bau von Windkraftanlagen in der Region akzeptiert. Das bestärkt die Bemühungen der kommunalen Energieversorger, die seit Jahren in den Ausbau regenerativer Infrastrukturprojekte investieren und durch die Netzerweiterung die Voraussetzung für die intelligenten Netze der Zukunft schaffen. Derzeit investieren kommunale Versorger fast sieben Milliarden Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien. Es gibt aber auch Umfragen, die zeigen, dass es in der Bevölkerung zwar eine breite Akzeptanz für erneuerbare Energien gibt, die Zustimmung bei den Bürgern aber rapide sinkt, wenn ihre direkte Nachbarschaft von Infrastrukturprojekten betroffen ist. Richten sich Bürgerinitiativen gegen neue Projekte, dann steht dahinter meist die Sorge um wirtschaftliche und ökologische Beeinträchtigungen. Bürger wollen in Entscheidungen, die ihre Lebensstandards beeinflussen, direkt einbezogen werden. Wenn die Energiewende nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance für die Wirtschaft und Gesellschaft empfunden werden soll, muss man neue Infrastrukturprojekte offen vermitteln.

Sparkassen-Finanzgruppe ist wichtiger Partner Trotz aller bürokratischen Hemmnisse und Hürden sind insbesondere Sparkassen und Landesbanken für kommunale Unternehmen wichtige Partner bei der Umsetzung der Energiewende. Mit ihrem mittelständisch geprägten und gemeinwohlorientierten Geschäftsmodell sind sie gut positioniert, um die Energiewende in den Kommunen zu begleiten. Sparkassen sind ebenso wie unsere Stadtwerke vor Ort und in der Region verankert, arbeiten in überschaubaren Strukturen und stehen auf kommunaler Ebene mit den Bürgern in direktem Kontakt. Stadtwerke und Sparkassen haben deshalb besondere Möglichkeiten, Vertrauen in erneuerbare Energien zu schaffen, Transparenz zu erzeugen und die Akzeptanz für den Ausbau

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neuer Erzeugungskapazitäten zu erhöhen. Der erste Schritt ist eine ausführliche Information der Bürger über die geplanten Projekte. Informationen schaffen Transparenz und demonstrieren den Bürgern, dass sie bei den Planüberlegungen einbezogen werden. Zudem steigt die Akzeptanz von energetischen Infrastrukturprojekten, wenn die Bürger die Möglichkeit bekommen, sich finanziell am energiewirtschaftlichen Engagement ihrer Kommune zu beteiligen.Die Finanzierung der dezentralen Energiepolitik ermöglicht oftmals bürgerschaftliche Beteiligungen. Grundidee dieser Bürgerbeteiligungsmodelle ist, dass die Menschen vor Ort auch wirtschaftlich an der Energiewende partizipieren und somit eine hohe Identifikation erreicht wird. Bereits jetzt gibt es in zahlreichen Kommunen erfolgreiche Kooperationen zwischen Stadtwerken und Sparkassen. Diese Kooperationen haben das Ziel, den Einsatz von erneuerbaren Energien in der kommunalen Energieversorgung zu verstärken. Beide Partner ermöglichen den Bürgern vor Ort den Erwerb von Kapitalanlagen, beispielsweise Sparbriefe, Inhaberschuldverschreibungen oder Genussrechte. Die so angelegten Beträge werden dann als nachhaltige Kredite zur Finanzierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien, wie Wind-, Solar- und Bioenergie an die kommunalen Energieversorger ausgegeben. Damit ist es den Bürgern möglich, in wirtschaftlich sinnvolle Anlagemöglichkeiten in ihrer Region zu investieren. Neben aussichtsreichen Renditechancen können die Anleger zudem noch etwas Gutes für die Gesellschaft tun und sich an der Förderung von Umweltund Klimaschutztechnologien beteiligen. Diese können von der Realisierung kleiner Photovoltaikprojekte auf öffentlichen Gebäuden, über den Neubau von Biomasseheizkraftwerken bis hin zu Windparks reichen. Aber auch der Ausbau neuer Geschäftsfelder wie Elektromobilität wird damit zunehmend forciert. Das Interesse an diesen Kapitalanlagen ist groß: Die meisten Fonds und Sparbriefe sind nach wenigen Tagen überzeichnet. Durch dieses Modell wird für die Projektfinanzierung ein Teil oder auch die gesamte Investitionssumme im Rahmen von Bürgerbeteiligungen aufgebracht. Beteiligungsmodelle tragen dazu bei, die Akzeptanz für Kraftwerksneubauten im lokalen Umfeld zu fördern. Denn wenn Bürger an Nutzen des Umstiegs auch finanziell teilhaben, tragen sie die erforderlichen Baumaßnahmen eher mit. Energieprojekte werden so zu Bürgerprojekten, mit denen sich die Menschen identifizieren können.

Chancen nutzen Die Einbindung der Bürger bei der Finanzierung und Ausgestaltung der Energiewende ist ein wegweisender Schritt, der in Zukunft auch auf größere Projekte übertragen werden kann. Dennoch sehen wir es als dringend erforderlich, auch die Finanzierungsbereitschaft durch klassische Finanzmodelle zu überdenken und bessere Zugänge zu ermöglichen – und das nicht nur für kommunale Unternehmen. Investitionen in die Infrastrukturen Deutschlands sind lohnende Investments für Banken und Sparkassen. Kommunale Unternehmen verfügen dabei oft über eine hohe Bonität und langjährige Erfahrungen, gerade im Bereich erneuerbare Energien und mindern so das Risiko für Kreditinstitute. Wenn alle notwendigen gesellschaftlichen Kräfte, Unternehmen, Politik und Finanzinstitute an einem Strang ziehen und ihren Beitrag zur Energiewende leisten, haben wir damit die einzigartige Möglichkeit, Deutschland zum Vorreiter neuer Umwelttechnologien zu machen. Das würde gleichzeitig den Wirtschaftsstandort stärken und Vorbildcharakter für andere Nationen haben.

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Helfen Bürgerbeteiligungen bei der Finanzierung von ErneuerbareEnergien-Vorhaben kommunaler Energieversorgungsunternehmen? Von Prof. Dr. Heinrich Degenhart und Dipl.-Volkswirt Lars Holstenkamp – Professur für Finanzierung und Finanzwirtschaft, Leuphana Universität Lüneburg1 Seit einigen Jahren wird an der Professur für Finanzierung und Finanzwirtschaft der Leuphana Universität Lüneburg zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben geforscht. Im Rahmen der Forschungsprojekte wurden u.a. die Themen Bürgerbeteiligung und kommunale Energieversorgungsunternehmen in diversen Expertengesprächen aufgearbeitet (vgl http://www.leuphana.de/professuren/finanzierung-finanzwirtschaft.html). Der folgende Artikel präsentiert einige Ergebnisse der Untersuchungen. Das Interesse der Stadt- und Gemeindewerke an der Erzeugung erneuerbarer Energien bezieht sich regelmäßig auf folgende Punkte: – eigene Stromerzeugung als zusätzliche wirtschaftliche Aktivität, – Verringerung der Abhängigkeit von anderen Energieerzeugern, – Vertriebsunterstützung und Kundenbindung beim Verkauf von erneuerbarer Energie in der Region aus der Region, – Beitrag zur Mobilisierung und Einbindung der Bevölkerung, – Beitrag zum Gelingen der Energiewende als Teil des öffentlichen Auftrags. In den Expertengesprächen ergaben sich aber auch finanzielle Grenzen der Umsetzung: – Einige kommunale Energieversorgungsunternehmen und die dahinter stehenden Gemeinden sind zu klein und zu finanzschwach, um hinreichend große Investitionsbudgets für Erneuerbare-Energien-Kraftwerke bereit zu stellen; es fehlt an Eigenkapital und der wirtschaftlichen Basis für die Beschaffung von Fremdkapital. – Auch wenn eine weitere Kreditaufnahme möglich wäre, so scheut sich manches Energieversorgungsunternehmen, zusätzliche Kredite aufzunehmen, um sich nicht in eine weitere Bankabhängigkeit zu begeben. – Manche kommunale Energieversorgungsunternehmen wollen zwar die Erzeugung erneuerbarer Energie in ihrer Region fördern, sehen dies aber nicht als so vorrangiges Ziel an, dass sie dazu ihre knappen Investitionsbudgets verwenden wollen. In den letzten Jahren ist ein zunehmendes Interesse der kommunalen Energieversorgungsunternehmen an Bürgerbeteiligungsmodellen zu beobachten. Ein Teil der genannten Probleme könnte sich durch solche Modelle lösen lassen.

Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung an Erneuerbare-Energien-Vorhaben Der Begriff des Bürgerbeteiligungsmodells wird in wissenschaftlicher Literatur und Praxis sehr unterschiedlich ausgelegt. Man kann für Finanzierungszwecke unter einem Bürgerbeteiligungsmodell im Bereich erneuerbarer Energien einen Ansatz verstehen, bei dem es darum geht: – möglichst viele Angehörige einer lokal oder regional begrenzten (politischen) Einheit – an der Entwicklung der Energieproduktion und/oder -verteilung aus regenerativen Energiequellen – durch die Bereitstellung von Kapital, vor allem Eigenkapital, – mit Stimmrecht zu beteiligen.

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Man kann grob zwei wesentliche Quellen für Bürgerbeteiligungen bei erneuerbaren Energien unterscheiden: Historisch gesehen hat es eine Reihe von Pionieren aus der Ökologiebewegung gegeben, die gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen errichtet haben und der Energiewirtschaft „von unten“ ein anderes Gesicht geben wollten (und wollen). Daneben stehen Top-Down-Ansätze stärkerer direkter Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern, die sich u.a. aus partizipativen demokratietheoretischen Überlegungen speisen. Die Überwindung möglicher Implementationswiderstände gilt als eine Motivation, verstärkt partizipative Elemente einzuführen. Ziel ist es, dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, die lokale, kommunale oder regionale Energieversorgung mitzugestalten. In diesem Sinne erfolgt bei Bürgerbeteiligungsmodellen im hier verstandenen Sinne die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger direkt, nicht mittelbar über eine öffentliche Organisation (z. B. eine Kommune oder ein kommunales Unternehmen). Mit dem zweiten Definitionsmerkmal wird offen gelassen, worin genau die Tätigkeit der gegründeten Gesellschaft bzw. der Gemeinschaft beteiligter Bürgerinnen und Bürger liegt. Im Regelfall wird es um die Errichtung und den Betrieb von Anlagen/Kraftwerken (Produktion, generation) bzw. von Verteilernetzen (distribution) gehen. Auch direkte Beteiligungen an Stadt- und Gemeindewerken sind denkbar. Sofern hier die Herausforderungen durch die Energiewende ein wesentliches Motiv bilden, die Bürgerbeteiligung umzusetzen, könnte man solche Formen auch als Bürgerbeteiligungsmodell für erneuerbare Energien einordnen. Bürgerbeteiligungsmodelle im engeren Sinne sind gesellschaftsrechtliche Beteiligungen. Im weiteren Sinne zählen auch Formen der finanziellen Teilhabe dazu, die kein Eigenkapital darstellen, z. B. „Bürgergenussrechte“ oder Inhaberschuldverschreibungen („Bürgeranleihen“). Bei der Qualifizierung des Beteiligungsbegriffes kommt es wesentlich auf die faktischen Mitsprachemöglichkeiten an. Insofern sind auch Treuhandkonstruktionen bei geschlossenen Fonds neben Mezzanin- und Fremdkapitalinstrumenten allenfalls in einem sehr weiten Sinne als Bürgerbeteiligungsmodell zu qualifizieren. Vorsichtiger könnte von „finanzieller Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger“ gesprochen werden. Dabei sollte wenigstens das Ziel, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger partizipieren zu lassen, eine starke Ausprägung besitzen. In finanzwirtschaftlicher Perspektive sind nur solche Ansätze als Bürgerbeteiligungsmodelle zu qualifizieren, bei denen die Bürgerinnen und Bürger auch Kapital für die Umsetzung der Aktivitäten zur Verfügung stellen. Daneben gibt es andere Formen der Partizipation, die bei erneuerbaren Energien eine Rolle spielen können, z. B.: – politische bzw. öffentlich-rechtliche Beteiligung im Rahmen von Genehmigungsverfahren oder bei der Aufstellung kommunaler bzw. regionaler Pläne zur Energieversorgung; – die finanzielle Teilhabe in Form von Ausgleichszahlungen an negativ betroffene Bürgerinnen und Bürger (Ausgleich negativer externer Effekte); – indirekte Beteiligungen über Repräsentanten; – der Bezug regional erzeugten Stroms (Partizipation als Kundinnen und Kunden).

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Bürgerbeteiligungen im engeren Sinne können mittels unterschiedlicher Gesellschaftsformen umgesetzt werden, wobei die eingetragene Genossenschaft (eG), Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und Gesellschaft mit beschränkter Haftung Compagnie Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG) die häufigsten Formen darstellen dürften. Auch Aktiengesellschaften (AGs) kommen vor: – eG: Mindestens drei Mitglieder gründen eine Genossenschaft und lassen diese nach erfolgreicher Gründungsprüfung durch einen Prüfungsverband ins Register eintragen. eGs zeichnen sich u.a. durch die unternehmensinterne Demokratie („one member, one vote“) aus. Abweichungen bei der Stimmrechtsverteilung sind nur in wenigen Ausnahmefällen möglich, etwa bei Dachgenossenschaftskonstruktionen: Mitglieder einer Dachgenossenschaft werden Stadtwerk oder Kommune und zwei Genossenschaften (Projektgesellschaft, Bürgerbeteiligungsgenossenschaft). Dem kommunalen Partner wird ein Mehrstimmrecht (z.B. zwei Stimmen) zugeordnet. Stadtwerke können bei eGs – ggf. gemeinsam mit Banken – als Initiator wirken und sich evtl. finanziell als ein Mitglied finanziell beteiligen. eGs sind von der Prospektpflicht ausgenommen. Eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren eGs seit der Genossenschaftsrechtsnovelle 2006 verbunden mit den Gründungsinitiativen der Genossenschaftsverbände. – GbR: Auf Grund der z.T. sehr geringen Investitionsvolumina wird im Bereich der Photovoltaik (PV) häufig auf die GbR zurückgegriffen. Die Gründungskosten sind bei einer GbR erheblich geringer als etwa bei der eG, aber auch der GmbH & Co. KG. Als problematisch erweist sich hier die im Außenverhältnis unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter. In manchen Fällen übernimmt ein eingetragener Verein (e.V.) wesentliche Risiken. Oft fungiert der e.V. zugleich als Initiator der Bürgerbeteiligung. – GmbH & Co. KG (KG-Modell): Das Management der KG übernimmt eine GmbH, die zugleich als Komplementärin fungiert. Bürgerinnen und Bürger können sich als begrenzt haftende Kommanditisten an der Gesellschaft beteiligen. Die Stimmrechte sind in der Regel proportional zum Kapitaleinsatz gestaffelt. Von diesem Grundsatz kann jedoch auch abgewichen werden. GmbH & Co. KGs sind die für geschlossene Publikumsfonds übliche Rechtsform. Das Stadt- oder Gemeindewerk kann in diesem Fall eine GmbH gründen und das Projekt initiieren. Gerade im Bereich der Onshore-Windenergie werden aber oft auch komplette Projekte angekauft. Die GmbH & Co. KG besteht hier im Regelfall bereits. Es sind Sonderkonstruktionen denkbar. So könnte sich z.B. an der GmbH & Co. KG eine eG als Kommanditistin beteiligen. Denkbar ist auch eine Beteiligung der eG als Komplementärin an der KG (eG & Co. KG). – AG: Ähnlich wie die eG wird auch eine AG im Regelfall für einen unbegrenzten Zeitraum gegründet, ist somit ein sich entwickelndes Unternehmen. Stadt- und Gemeindewerke prägen als Initiatoren und Manager, ggf. auch als Aktionäre, die Entwicklung des Unternehmens.

kein Stimmrecht, sondern lediglich schuldrechtliche Ansprüche. Insofern sind sie auch nicht als Bürgerbeteiligung im engeren Sinne zu qualifizieren. – Nachrangdarlehen: Hierbei nimmt das Stadt- und Gemeindewerk – oder eine Projektgesellschaft – ein Darlehen auf, das bestimmten Fremdkapitalgebern gegenüber nachrangig gestellt wird, d.h. über eine Nachrangabrede bzw. Rangrücktrittsvereinbarung. Eine Verlustbeteiligung findet nicht statt. Über die bei Darlehen üblichen Informations- und Kontrollrechte hinaus haben die beteiligten Bürgerinnen und Bürger allerdings auch hier keine Mitwirkungsmöglichkeiten. – Anleihen: Fremdkapital kann auch auf dem Kapitalmarkt eingeworben werden. Inhaber einer Anleihe (Bond, Inhaberschuldverschreibung, Obligation) besitzen einen Anspruch auf Verzinsung, Tilgung und vorrangige Rückzahlung gegenüber den Eigenkapitalgebern im Insolvenzfall. Üblich sind feste Verzinsungen. – Sparbriefe: Eine Bank – in vielen Praxisfällen eine Sparkasse – bietet einem regional abgegrenzten Zielpublikum eine festverzinsliche Anlage an. Zwischen Bürgerin/Bürger und Stadt- oder Gemeindewerk besteht keine direkte Verbindung. In vielen Fällen verpflichtet sich das Kreditinstitut lediglich, das angelegte Kapital in Form von Darlehen für bestimmte Projekttypen an den kommunalen Energieversorger auszugeben. Die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sind hier von allen beschriebenen Instrumenten am geringsten.

Zu den finanziellen Teilhabemodellen bzw. den Bürgerbeteiligungen im weiteren Sinne zählen darüber hinaus mezzanine Finanzierungsformen (Genussscheine, Nachrangdarlehen) und Fremdkapitalinstrumente (Anleihen, Sparbriefe): – Genussrechtskapital: Stadt- und Gemeindewerke können Genussrechte gewähren. Die Vergütung kann flexibel ausgestaltet werden, fix oder variabel. Genussrechtskapitalgeber nehmen in der Regel auch an Verlusten teil. Genussrechteinhaber besitzen keine Mitgliedschaftsrechte, z.B.

Bürgerbeteiligungen finden mehrheitlich im PV-Bereich statt. Dies spiegelt die geringere Komplexität und die begrenzten Volumina der Bürgerbeteiligungsmodelle wider. Die geführten Interviews zeigen jedoch, dass es ein zunehmendes Interesse gibt, Onshore-Windenergie-Vorhaben mit Bürgerbeteiligungskomponente durchzuführen. Mit 29 % der Bürgerbeteiligungen, für die entsprechende Daten verfügbar waren, bilden verschiedene Projekte zusammen – gebündelt in einem Anlagenportfolio – die zweitgrößte Gruppe.

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Finanzielle Einbindung der Bürger in kommunalen Energieversorgungsunternehmen Um die praktische Bedeutung unterschiedlicher Formen der Bürgerbeteiligung bzw. der finanziellen Teilhabe zu analysieren, wurde auf Basis der Mitgliederliste des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) eine Stichprobe gezogen. Dabei wurden für 200 kommunale Energieversorger Daten ermittelt. Stadt- und Gemeindewerke sind dabei Energieversorgungsunternehmen, die sich mehrheitlich in kommunalem Eigentum befinden, d.h. mindestens zu 50,01 %. Die kommunale Beteiligung muss dabei nicht direkt erfolgen. Als Datenquelle zu den Beteiligungsformen dienten im Wesentlichen Dokumente, die im Internet zugänglich sind, d.h. Internetseiten der Energieversorger. Insofern ist davon auszugehen, dass die Zahl der vorhandenen Bürgerbeteiligungsmodelle (im weiteren Sinne) eher höher anzusetzen ist. Daten zu Bürgerbeteiligungsmodellen mit Bezug zu erneuerbaren Energien konnten für 44 der 200 Stadtwerke ermittelt werden. Dies entspricht fast einem Viertel aller Stadtwerke (22 %). Betrachtet man die Flächenländer, so lässt sich feststellen, dass der Anteil in Hessen (46 %), Baden-Württemberg (41 %) und Rheinland-Pfalz (je 38 %) besonders hoch ist. Bei der zeitlichen Entwicklung ist ein starker Anstieg in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen. Daten zum Emissionszeitpunkt sind für 40 Bürgerbeteiligungen vorhanden, wovon 23 auf den Zeitraum seit 2010 fallen.

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Die Platzierung erfolgt überwiegend lokal bzw. regional (69 %). In diesen Fällen wird offenbar nicht zwischen Kunden und Nicht-Kunden differenziert bzw. die Bürgerbeteiligung auch dazu genutzt, das Image des kommunalen Energieversorgers zu stärken und ggf. neue Kunden auf diesem Weg zu gewinnen. In etwas mehr als einem Viertel der identifizierten Bürgerbeteiligungen sind die Adressaten ausschließlich Kunden.

PV: Photovoltaik; n = 42.

Abb. 1: Aufteilung nach Energieart/Investitionsobjekt

AG: Aktiengesellschaft, eG: eingetragene Genossenschaft, GbR: Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GmbH & Co. KG: Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Compagnie Kommanditgesellschaft; n = 40.

Abb. 2: Aufteilung nach Beteiligungsform Bei den Beteiligungsformen fällt auf, dass Stadt- und Gemeindewerke seltener Bürgerbeteiligungen im engeren Sinne (zusammen 35 %) initiieren als Mezzaninkapital (17,5 %), Fremdkapital (12,5 %) und Sparbriefe (35 %), die zusammen fast zwei Drittel der Fälle ausmachen. Mögliche Gründe könnten sein: a) Instrumente mit geringeren Risiken für die Bürgerinnen und Bürger bergen zugleich geringere Gefahren der Unzufriedenheit von Kunden und damit für die Reputation des kommunalen Energieversorgers. b) Es sollen auch solche Personen angesprochen werden, die nur ein geringes frei verfügbares Vermögen haben und für die damit unternehmerische Beteiligungen kein adäquates Investment darstellen. c) Die kommunalen Energieversorger wollen die Hoheit über alle wesentlichen Entscheidungen zur Ausgestaltung der Projekte behalten und den mit der Bürgerbeteiligung verbundenen Verwaltungsaufwand gering halten.

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In Interviews mit Verantwortlichen in ausgewählten Stadtwerken wurde auch nach Motiven für die Umsetzung oder Nicht-Umsetzung von Bürgerbeteiligungen im weiteren Sinne gefragt. Im Ergebnis lassen sich vier wesentliche Argumentationsstränge unterscheiden: – Bürgerbeteiligungsmodelle werden kritisch gesehen, weil das kommunale Energieversorgungsunternehmen indirekt den Bürgern gehöre und damit eine Mitbestimmung erfolge – im Kern also Vertreter eines repräsentativen Demokratieverständnisses, hier übertragen bzw. angewandt auf den Energiebereich. Bei einigen Gesprächen, in denen dieses Argument genannt wurde, erfuhr jedoch die direkte Beteiligung von Bürgern an den Stadtwerken, ggf. über eine oder in Form einer eG, eine grundsätzlich positive Bewertung. – Mit Verweis auf sozial Schwache – vorwiegend bezogen auf städtische, ggf. gar großstädtische Kontexte – ohne frei verfügbarem Vermögen, das investiert werden könnte, wird auf die negativen distributiven Wirkungen hingewiesen. Überspitzt formuliert: Bürgerbeteiligungen sind etwas für die (obere) Mittelschicht. Dies Argument spricht wenigstens dafür, das gewählte Instrument und/oder die Investitionsobjekte so zu strukturieren, dass sie zu einem möglichst großen Kreis an Bürgerinnen und Bürgern passt. – Die Wirkung auf die Schaffung oder Verbesserung von Akzeptanz wird zwar sehr stark von lokalen Gegebenheiten beeinflusst, scheint aber eine wesentliche Argumentationslinie bei den meisten befragten kommunalen Energieversorgern zu sein, sofern sie nicht grundlegend kritisch gegenüber solcherlei Beteiligungsmodellen eingestellt sind. In Richtung Akzeptanzsteigerung denken auch Kommunalpolitiker, wenn sie die kommunalen Energieversorgungsunternehmen für Bürgerbeteiligungsmodelle motivieren wollen. – Ein wesentliches Motiv in allen Gesprächen war die Kundenbindung: Für die Kunden wird eine Kapitalanlagemöglichkeit geschaffen, die zunächst einmal positiv besetzt ist. Damit erklärt sich zugleich die Zurückhaltung gegenüber Eigenkapitalinstrumenten, d.h. Bürgerbeteiligungen im engeren Sinne, denn diese sind mit höheren (nämlich unternehmerischen) Risiken behaftet. Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Kunden mit der finanziellen Entwicklung der Investition unzufrieden sind, was auf das Image des Initiators zurückwirken könnte. An dieser Stelle handeln die kommunalen Energieversorger insofern risikoavers. In einem Interview wurde jedoch auch deutlich gemacht, dass das fremdkapitalähnliche Instrument gewählt wurde, um – wohl mit einer als risikoarm wahrgenommenen Variante – Erfahrungen im Bereich der Bürgerbeteiligungsmodelle zu sammeln. Finanzielle Erwägungen spielen offenbar aktuell nur eine untergeordnete Rolle. So betonen die meisten Gesprächs-

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partner, dass es derzeit keine finanziellen Engpässe gebe. Man könnte die Projekte rein aus finanzwirtschaftlicher Perspektive auch ohne Bürgerbeteiligung durchführen. In den Interviews wurde zugleich von einigen Gesprächspartnern deutlich gemacht, dass diesem Motiv in der Zukunft jedoch durchaus eine größere Rolle zukommen könne.

Bewertung der Bürger-Finanzierung erneuerbarer Energie-Vorhaben Wenn kommunale Energieversorgungsunternehmen Kraftwerke zur Erzeugung erneuerbarer Energien errichten wollen, können sie dies zum einen im Rahmen ihres normalen Geschäftsbetriebs tun und finanzieren. Zum anderen können Stadt-und Gemeindewerke als Sponsoren in Projektfinanzierungen für Erneuerbare-Energien-Vorhaben auftreten. Projektfinanzierungen sind in diesem Zusammenhang üblich und sinnvoll, wenn die Geldbeschaffung im Rahmen einer Unternehmensfinanzierung der kommunalen Energieversorgungsunternehmen nicht mehr möglich ist oder aus anderen Gründen nicht gewollt ist, gleichwohl aber großes Interesse an der Durchführung des Vorhabens besteht. Bürgerbeteiligungen in der Gestalt von rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Gesellschaften, die sich auf Bau und Betrieb einzelner Kraftwerke konzentrieren, sind nach ihrer Struktur regelmäßig Projektfinanzierungen. Wenn Bürger entsprechend zweckgebundene Genussscheine, Anleihen oder Sparbriefe kaufen, führen sie den kommunale Energieversorgungsunternehmen oder den Energieprojekten ebenfalls Finanzierungsmittel zu. Ob eine Bürgerbeteiligung für kommunale Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben interessant ist, hängt von den jeweiligen Verhältnissen ab: Große und größere kommunale Energieversorgungsunternehmen werden Erzeugungsanlagen im Rahmen ihrer bilanziellen Verhältnisse finanzierenden können. Selbst Windparks mit einem Finanzbedarf im großen zweistelligen Millionenbereich dürften hier kein Problem darstellen. Demnach ist es vor allem für kleinere kommunale Energieversorgungsunternehmen aus finanziellen Gründen interessant, projektbezogene Bürgerbeteiligungen zu fördern, um die Umsetzung vor Ort zu erleichtern. Die Finanzierungskosten dürften bei Engagements von kommunalen Energieversorgungsunternehmen zu Gunsten von Bürgerbeteiligungen in den meisten Fällen nicht ausschlaggebend sein. Kommunale Energieversorgungsunternehmen, die als Eigenbetrieb oder als Anstalt öffentlichen Rechts geführt werden oder die vollständig in öffentlichem Eigentum stehen und bei denen die kommunalen Eigentümer haften, werden sich in der Regel zu sehr günstigen Kommunalkreditkonditionen Fremdkapital beschaffen können. Auch ohne öffentliche Haftung kommen kommunale Energieversorgungsunternehmen aufgrund eines soliden energiewirtschaftlichen Geschäftsmodells und bei entsprechenden Geschäftszahlen in der Regel an sehr günstige Finanzierungskonditionen. Allerdings kann sich die Einschätzung des Kommunalkredits im Zuge der Neubewertung der Staatsfinanzierung durch die Banken auf mittlere Sicht verschlechtern und einen Bedarf nach alternativer Finanzierung auslösen. Zwar sind die Kommunalkredite im Rahmen der bankaufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen nach Basel II/III weiterhin begünstigt. Wegen der kommenden bankaufsichtlichen Liquiditätsregeln aus Basel III könnte die für Kraftwerke erforderliche langfristige Finanzierung zukünftig allerdings schwieriger - knapper und teurer - werden. Sofern die langfristigen Mittel über die Erneuerbaren-Energien-Programme der Förderbanken wie KfW oder Landwirtschaftliche Rentenbank beschafft werden können, dürfte dieser Effekt allerdings gering ausfallen.

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Etwas anders sieht es mit den Budgetrestriktionen bei der Finanzierung von Erneuerbaren-Energien-Vorhaben aus. Eigenbetriebe sind ein Teil des kommunalen Haushaltes. Anstalten des öffentlichen Rechts unterliegen ebenfalls dem Haushaltsrecht. In beiden Fällen kann die Knappheit der Haushaltsmittel bei den kommunalen Energieversorgungsunternehmen schnell zu Finanzierungsengpässen führen. In diesem Fall sind kommunale Energieversorgungsunternehmen gezwungen, Finanzierungswege außerhalb des Haushalts zu suchen, wenn sie die Erzeugung erneuerbarer Energie fördern wollen. Auch unabhängig vom Haushaltsrecht gibt es innerhalb der kommunalen Energieversorgungsunternehmen Konkurrenz bei der Verwendung knapper Investitionsbudgets. Die Erhaltung und der Ausbau der Netze haben in einigen kommunalen Energieversorgungsunternehmen eine höhere Priorität als die Erzeugung erneuerbarer Energie. Insbesondere bei kleineren und mittleren kommunalen Energieversorgungsunternehmen kann es daher zur Knappheit von Finanzierungsmitteln bereits für einzelne Vorhaben kommen. Dies betrifft sowohl Eigen- als auch Fremdkapital. Bei den größeren kommunalen Energieversorgungsunternehmen wird lediglich die Finanzierung der Summe der geplanten Investitionen in die Erzeugung erneuerbarer Energie kritisch. Grundsätzlich können die kommunalen Energieversorgungsunternehmen ihre eigenen Vertriebskanäle nutzen, um Finanzierungsmittel bei den Bürgern direkt einzuwerben, und können damit übliche Platzierungsprovisionen sparen. Dabei ist jedoch die Anwendung der Regeln des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) und der Gewerbeordnung (GewO) zu prüfen. Für die Beschaffung des fehlenden Eigenkapitals über Bürgerbeteiligungen kommen drei der oben genannten Modelle in Betracht: das KG-Modell, das Genossenschaftsmodell und die (börsennotierte) Aktiengesellschaft. Die GbR sollte wegen der unbegrenzten Haftung der Gesellschafter für Bürgerbeteiligungsmodelle nicht genutzt werden. Grundsätzlich ist es möglich, über das Modell einer Publikums-KG sowohl viele Gesellschafter als auch große Summen an Eigenkapital für Erneuerbare-Energien-Vorhaben einzusammeln. Das KG-Modell ist in Deutschland bekannt und erprobt. Der Fondsmarkt ist für erneuerbare Energien selbst unter den aktuell schwierigen Bedingungen noch ergiebig wie die Statistik des Verbands Geschlossene Fonds e.V. zeigt. Fondskonzeption, Platzierung und laufende Betreuung erfordern allerdings einen größeren Aufwand und eine gewisse Professionalität. Daher werden solche Fonds zweckmäßigerweise von erfahrenen Emissionshäusern aufgelegt. Das Problem der geschlossenen Fonds sind die so genannten Weichkosten. Dies sind Provisionen und andere nützliche Aufwendungen, die für Konzeption, Platzierung und Betreuung an die verschiedenen Beteiligten gezahlt werden müssen. In dem zwar relativ sicheren, aber renditeschwachen Umfeld der Erzeugung erneuerbarer Energien kann es dann zu einem nicht lösbaren Konflikt zwischen den Weichkostenanforderungen des Marktes und den Rentabilitätszielen der Beteiligungsgeber kommen. Eine Reduktion der Weichkosten durch Eigenemission ist bei genügenden Volumina und Mengengerüsten denkbar. Für einzelne kommunale Energieversorgungsunternehmen mit gelegentlichem Finanzbedarf dürfte sich aber der Aufbau einer eigenen Expertise kaum lohnen. Hier müssten sich gegebenenfalls interessierte kommunale Energieversorgungsunternehmen zusammenschließen, wenn man keines der erfahrenen Emissionshäuser einschalten will. Im Hinblick auf die Akzeptanz bei potentiellen Geldgebern weist das Genossenschaftsmodell gegenüber dem KG-Mo-

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dell deutliche Vorteile auf. Das demokratisch ausgerichtete Beteiligungsmodell und die damit verbundenen Mitbestimmungsmöglichkeiten führen zu einer guten Akzeptanz in der regionalen Bevölkerung. Insbesondere in ländlichen Regionen ist das Genossenschaftsmodell bekannt und geschätzt. Für die Finanzierung erneuerbarer Energie-Vorhaben wird das Modell inzwischen breit eingesetzt. Auch die Beschaffung größerer Eigenkapitalbeträge ist nachweislich möglich. Allerdings sind die meisten Energiegenossenschaften mit kleineren Projektvolumina befasst. Über Mezzanin-Finanzierungen können zudem auch eventuelle Eigenkapitalprobleme der Genossenschaft gelöst werden. Da die Platzierung von Genossenschaftsanteilen nicht dem Vermögensanlagengesetz unterliegt, sind die Platzierungskosten deutlich geringer als beim KG-Modell. Hier kann sich das Energieversorgungsunternehmen auch ohne größere Risiken selbst betätigen. Gründung und Verwaltung der Genossenschaften ist wegen klarer rechtlicher Regelungen im Genossenschaftsgesetz und mit Unterstützung der Genossenschaftsverbände ebenfalls kostengünstiger möglich als beim KG-Modell. Durch Satzungsregelung ist die regionale Begrenzung der Mitgliedschaft leicht umsetzbar. Aus Sicht der kommunalen Energieversorgungsunternehmen kommt eine Genossenschaftslösung allerdings nur in Betracht, wenn auf eine Einflussnahme auf die Bürgerbeteiligung weitgehend verzichtet werden soll, da die Stimmrechtsbeschränkung des Genossenschaftsgesetzes auch für kommunale Energieversorgungsunternehmen gilt. Ein Ausweg bietet möglicherweise die Einrichtung einer Dachgenossenschaft, wie das bei der Fernwärmegenossenschaft Marktoberdorf geschehen ist. Interessant ist das Modell der börsennotierten Aktiengesellschaft. Grundsätzlich ist die Aktiengesellschaft aufgrund der gesetzlichen Regelungen im Aktienrecht nämlich besser geeignet als die Genossenschaft und die KG, zahlreiche Personen als Eigentümer aufzunehmen und zugleich größere Eigenkapitalsummen aufzubringen. Hier können sich Bürger in der jeweils gewünschten Größenordnung beteiligen. Im Börsensegment Entry-Standard können auch relativ kleine Aktiengesellschaften die Börsennotierung erreichen. Dies erleichtert den Ausstieg der Bürger aus den Beteiligungen, ohne der Gesellschaft Kapital zu entziehen. Gründung und Verwaltung der AG ist wegen klarer rechtlicher Regelungen im Aktiengesetz ebenfalls kostengünstiger möglich als beim KG-Modell, auch wenn eine entsprechende Beratung zu bezahlen ist. Zwar ist die Platzierung nicht so günstig wie beim Genossenschaftsmodell. Bei Aktien sind die marktüblichen Platzierungsprovisionen aber deutlich geringer als beim KGModell. Spätestens bei einer Börsennotierung können allerdings die regionale Eigentümerstruktur und damit die Merkmale der Bürgerbeteiligung nicht mehr kontrolliert werden. Aus Sicht von kommunalen Energieversorgungsunternehmen ist dieses Finanzierungsmodell interessant, da hier eine maßgebliche Beteiligung mit entsprechendem Einfluss gehalten werden kann. Bei Energieprojekten mit langfristig stabilen Einspeisevergütungen nach dem EEG ist die Fremdkapitalbeschaffung durch Kredite grundsätzlich unproblematisch, selbst wenn sie nicht zu den günstigen Kommunalkreditkonditionen erfolgt. Die für Erneuerbare-Energie-Vorhaben verfügbaren Förderkredite der Förderbanken z.B. KfW und Landwirtschaftliche Rentenbank sind ebenfalls attraktiv. Stille Beteiligungen, Genussscheinkapital, nachrangiges Kapital und Anleihen der Bürger können sowohl in Projektfinanzierungen als auch bei den kommunalen Energieversorgungsunternehmen unmittelbar eingesetzt werden. Die

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Beträge und deren Verteilung auf die Bürger sind nach den jeweiligen Anforderungen des kommunalen Energieversorgungsunternehmens gestaltbar. Mit den Mezzanin-Formen der Kapitalbeschaffung kann auch eine Eigenkapitalknappheit bei den kommunalen Energieversorgungsunternehmen beseitigt werden. Diese Finanzierungsinstrumente sind Standardprodukte der Kreditinstitute. Die Banken verdienen hier nicht an der Finanzierung sondern an der Strukturierung und Platzierung der Instrumente. Erfolgreiche Beispiele aus dem Bereich der kommunalen Energieversorgungsunternehmen zeigen, dass auch Eigenemissionen ohne Einschaltung von Kreditinstituten möglich sind. Der Konzeptions- und Administrationsaufwand ist überschaubar. Die Platzierung in der Bürgerschaft kann direkt oder mit technischer Unterstützung der (lokalen) Kreditinstitute erfolgen. Gegenüber direkten Bankfinanzierungen können allerdings meist keine Kosten gespart werden. Da hier der Bürger-Kapitalmarkt angezapft wird, wirken sich die neuen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen an die Banken im Gegensatz zu Krediten nicht negativ aus. Es wird eine zusätzliche, bankenunabhängige Finanzierungsquelle erschlossen. Sofern die Banken aus Bonitätsgründen die Pläne der kommunalen Energieversorger nicht begleiten wollen, kommt eine Finanzierung über die Bürger allerdings nicht in Betracht, da die Bürger diese Risiken in der Regel nicht einschätzen können und entsprechend schutzbedürftig sind. Das Sparbriefmodell führt zwar ebenfalls zum Mittelzufluss in die Bürgerbeteiligungsprojekte oder die kommunalen Energieversorgungsunternehmen, allerdings nur indirekt. Da Sparbriefe nur von Kreditinstituten emittiert werden dürfen (Einlagegeschäft nach Kreditwesengesetz, KWG), gibt es keine direkte vertragliche Beziehung zwischen dem Inhaber des Sparbriefs und den kommunalen Energieversorgungsunternehmen. Ohne weitere Vereinbarungen haben weder die kommunalen Energieversorgungsunternehmen das Recht, das Geld aus diesem Sparbrief für ihre Projekte zu erhalten, noch haben die Inhaber des Sparbriefs einen Anspruch gegen die kommunalen Energieversorgungsunternehmen auf bestimmte Mittelverwendungen. Erfahrungen zeigen allerdings, dass mit einem solchen Sparbrief relativ leicht Geld von den Bürgern mobilisiert werden kann, da die Verknüpfung von lokalem Kreditinstitut und Stadtwerk die Erwartungen der Bürger im Hinblick auf Rendite, Sicherheit und Verwendungszweck erfüllt. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die finanzielle Beteiligung der Bürger in der Region an der Erzeugung erneuerbarer Energien den kommunalen Stadtwerken neue Finanzierungsquellen erschließen kann. Interessant ist dies vor allem bei Eigenkapitalknappheit. Im Fremdkapitalbereich kann vor allem die Unabhängigkeit von den Kreditinstituten vergrößert werden. Eine Reduktion der Fremdfinanzierungskosten ist nicht zu erwarten. Die Ergebnisse der Interviews haben auch gezeigt, dass Finanzierungsengpässe aktuell nicht das zentrale Motiv bei Bürgerbeteiligungen von Stadtwerken darstellen. Es besteht bei einigen Befragten aber die Erwartung, dass sich dies im Zuge der Umsetzung der Energiewende bei restriktiverer Kreditvergabe durch Banken ändern könnte.

Anmerkung: 1 Die Autoren danken Mark Harré für die Durchführung einiger Interviews und die Datenrecherche. In Teilen wird auf Vorarbeiten der Autoren zurückgegriffen. Ein ausführliches Arbeitspapier zur Definition von Bürgerbeteiligungsmodellen erscheint in der Arbeitspapierreihe Wirtschaft & Recht, Leuphana Universität Lüneburg.

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

Wie Kommunen und kommunale Unternehmen sparen können Kommunen und kommunale Unternehmen sind die Motoren der Energiewende – und können von ihrer Schlüsselrolle auch finanziell profitieren

Von Detlev-W. Kalischer – Direktor der KfW, Leiter Geschäftsbereich KfW Kommunalbank, KfW Bankengruppe, Frankfurt/Main Deutschland arbeitet mit Hochdruck an der Energiewende. Die Bundesregierung bezeichnet sie als zentrale Aufgabe und betont, dass deren Umsetzung große Anstrengungen erfordert. Die KfW als Förderbank des Bundes unterstützt diesen Prozess mit Engagement und Nachdruck.

de massiv und zügig ausbauen. Neben der Vervielfachung der reinen Produktionskapazitäten für Strom aus regenerativen Energien sind dafür auch der Ausbau der Stromnetze und die Entwicklung und Implementierung von Energiespeichern erforderlich.

Vor drei Jahren, im Sommer 2009, schrieb die Kommunalwirtschaft, dass die KfW einen Förderschwerpunkt auf die Kommunen gesetzt habe. Mit der Energiewende hat die KfW ihr Förderangebot für Städte, Gemeinden, Landkreise, Gemeindeverbände und kommunale Unternehmen noch einmal ordentlich aufgestockt und finanziert neben Basisinvestitionen viele zukunftsweisende energetische Investitionen. Dabei gilt: Je energieeffizienter die Investition im Ergebnis, desto günstiger sind die Fördermittel.

Kommunen und kommunale Unternehmen können hier vom neuen KfW-Programm „Kommunale Energieversorgung“ profitieren. Denn die dezentrale Stromerzeugung ist nicht nur eines der Standbeine der Schließung der Versorgungslücke – sie ist auch ein Zukunftsmarkt, den sich Städte, Gemeinden, Landkreise und Gemeindeverbände zur Konsolidierung der kommunalen Kassen nicht entgehen lassen sollten. Jede Region hat ihre Ressourcen, die sie nutzen kann, um mit Biomasse, Wind, Wasser, Geothermie oder Sonne Energie zu gewinnen. Und niemand kennt diese Ressourcen so gut wie die Kommunen und kommunalen Unternehmen vor Ort.

Unser Land hat sich mit dem Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt: Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 sogar um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. In diesem Konzept spielte die Atomkraft noch eine wichtige Rolle als Brückentechnologie. Drei Monate nach der Katastrophe von Fukushima, im Juni 2011, hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier zur Energiewende beschlossen, in dem die Rolle der Kernkraft neu bewertet wurde: Die während des Moratoriums sofort stillgelegten sieben deutschen Altreaktoren bleiben abgeschaltet und die Laufzeiten der noch betriebenen Anlagen werden drastisch verkürzt. Durch den Beschluss, alle Kernreaktoren bis zum Jahr 2022 abzuschalten, sind klare Vorgaben geschaffen. Die Ziele sind hoch gesteckt und die Kommunen und kommunalen Unternehmen werden einen großen Anteil daran haben, ob wir sie erreichen oder nicht. Deutschland möchte von Stromimporten aus dem Ausland unabhängig bleiben. Zudem dürfen wir die Sicherheit der Energieversorgung in unserem Land, das zu den wirtschaftlich stärksten weltweit gehört, nicht gefährden. Wir müssen unsere Leistungsfähigkeit und einen Teil unserer Wirtschaftskraft darauf verwenden, erneuerbare Energien schnell, flächendeckend und in großem Stil auszubauen. Diese große Aufgabe verlangt ein entschlossenes Vorgehen, starkes Engagement von vielen Akteuren der Gesellschaft – und hohe Investitionen. Das alles wird nicht von heute auf morgen gehen. Wir benötigen eine neue Brückentechnologie. Sie heißt Energieeffizienz. Die KfW als Förderbank des Bundes ist gefordert, einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der nötigen mittel- und langfristigen Investitionen zu leisten. Dabei kann die KfW auf eine jahrelange Expertise in der Energiefinanzierung und Innovationsförderung zurückgreifen. Um die Energiewende in Deutschland voran zu treiben, hat die KfW den Aktionsplan Energiewende vorgelegt, der sich auf drei Säulen stützt.

Drei Säulen im KfW-Aktionsplan Energiewende Um zu verhindern, dass es durch das Abschalten der Atomkraftwerke zu einer Versorgungslücke kommt, müssen wir erneuerbare Energien als eine tragende Säule der Energiewen-

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„Die dezentrale Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ist ein Zukunftsmarkt, den die Kommunen sich zur Konsolidierung ihrer Kassen nicht entgehen lassen sollten.“ Die zweite tragende Säule im KfW-Aktionsplan Energiewende ist die Reduktion des Energieverbrauchs. Entscheidend ist, wie viel Energie wir aus den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen gewinnen und wie wir diese verbrauchen. Das spart Geld und mindert den Ausstoß klimaschädlicher Gase. Dabei muss weder auf Mobilität oder Wärme, noch auf Wirtschaftswachstum verzichtet werden, sofern eine erhebliche Effizienzsteigerung in allen Bereichen, in denen Energie verbraucht wird, erreicht werden kann. Dazu gehört vor allem die Heizwärme in öffentlich, privat und gewerblich genutzten Gebäuden, aber auch die Prozesswärme für Wirtschaft, Verkehr, Ver- und Entsorgung. Für Kommunen und kommunale Unternehmen eröffnen die KfW-Programme die Möglichkeit, ohnehin reparaturbedürftige Gebäude zu Konditionen zu sanieren, die weit unter jedem Marktzins liegen. Hohe Einsparpotenziale gibt es auch bei der Stadtbeleuchtung und der Infrastruktur zur Ver- und Entsorgung. Gerade bei großen Vorhaben ist eine umfassende und kompetente Analyse und Planung unabdingbar. Die KfW bezuschusst deshalb integrierte Quartierskonzepte für energetische Sanierungsmaßnahmen. Dazu gehören Lösungen für die Wärmeversorgung, Energieeinsparung, -speicherung und -gewinnung. So können Kommunen, aber auch Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften, Eigentümer von selbst genutzten oder vermieteten Wohngebäuden, insbesondere Eigentümerstandortgemeinschaften vertiefende integrierte Quartierskonzepte von Experten erstellen lassen. Die dritte tragende Säule im KfW-Aktionsplan Energiewende besteht in der Förderung der (Weiter-) Entwicklung von Technologien zur Energieeinsparung, zur effizienteren Energieerzeugung, zur Energiespeicherung und zur effizienteren Energieübertragung. Denn nur durch ambitionierte Forschung und Entwicklung können wir gewährleisten, dass über neue innovative Technologien regenerative Energien bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden können.

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Ein maßgeblicher Beitrag der Kommunen und kommunalen Unternehmen wird dabei sein, sich mit politischem Willen an die Spitze der Bewegung für regenerative Energien in ihrer Region zu setzen, indem sie Innovationen und Investitionen vor Ort initiieren, unterstützen oder selbst umsetzen. Das nützt nicht nur der Energiewende – das ist gute und zukunftsgerichtete Standortpolitik. Die Rolle des technologischen Vorreiters ist beste Tradition deutscher Ingenieurskunst. Auch in dieser Hinsicht arbeiten wir hier an der Zukunft Deutschlands.

Die besondere Rolle der Kommunen und kommunalen Unternehmen für die Energiewende „So, wie der Mittelstand Motor der deutschen Wirtschaft ist, sind Kommunen und kommunale Unternehmen die Motoren der Energiewende in Deutschland. Dieser Schlüsselrolle trägt die KfW durch speziell zugeschnittene Programme zu konkurrenzlos günstigen Konditionen Rechnung.“

Lebensphasen komfortabel zu bewohnen seien, um eine altersbedingte Fluktuation aus dem Stadtkern zu verhindern. Oberbürgermeister Röglin band bei der Sanierung des Quartiers alle Akteure mit ein: Wohnungsbaugesellschaften, private Eigentümervereine, Energieversorger und Kulturbetriebe. Sie boten Workshops an, durch die alle Beteiligte sich einbringen und über Fördermöglichkeiten der KfW zur Umsetzung der Pläne informieren konnten. Röglin: „Unser Ziel ist, dass sich unsere Investitionen für alle Beteiligten lohnen – für Mieter, Vermieter und Gewerbetreibende.“

Unsere Brückentechnologie heißt Energieeffizienz Die Energieeffizienz ist zunächst unser größtes Potenzial. Der Bestand an kommunalen Gebäuden in Deutschland liegt bei 176.000. Die meisten davon sind noch unsaniert und verursachen darum hohe Energiekosten. Trotz des Konjunkturpakets II, das zu massiven Investitionen in die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur und zur energetischen Sanierung von Schulen und Kindergärten in ganz Deutschland geführt hat,

Die Energiewende bedeutet einen Kraftakt für alle Akteure der Gesellschaft. Die Kommunen und kommunalen Unternehmen spielen dabei eine besondere Rolle, denn sie haben großen Einfluss auf wesentliche Bereiche der Energiewende: Das sind einerseits Energieeinsparungen in kommunalen Gebäuden und der regionalen Versorgungsinfrastruktur, andererseits die Nutzung von Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse sowie der Einsatz dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung. Hinzu kommen wichtige soziale und strukturelle Funktionen der Kommunen in ihren Regionen: Nimmt die Gemeinde oder der Landkreis eine Vorreiterrolle ein und saniert kommunale Einrichtungen und Gebäude, so kommen diese Signale auch bei Unternehmen und privaten Haushalten an. Ergreifen Kommunen und kommunale Unternehmen hingegen keine Initiative, läuft jeder Aufruf zu einer gemeinsamen Anstrengung ins Leere.

Von Einzelmaßnahmen zum größeren Wurf Um Effizienzpotenziale ausschöpfen zu können, müssen wir vernetzt denken. Ein Beispiel dafür ist die neue KfW-Förderung zur energetischen Sanierung der Quartiersversorgung. Sie schafft eine neue Grundlage für die Kommunen und kommunalen Unternehmen, die Wärmeversorgung und Wasserver- und -entsorgung hoch effizient zu gestalten. Der Effekt ist wesentlich größer, als nach einander einzelne Kleinprojekte abzuarbeiten. Da lohnt es sich zum Beispiel, ein hocheffizientes, wärmegeführtes Blockheizkraftwerk zu bauen und ein Stadtquartier über ein Nahwärmenetz mit Heizenergie versorgen. Das BHKW kann auch ein kommunales oder privates Unternehmen betreiben. Ebenso kann industrielle Abwärme eingespeist und auf diese Art sinnvoll genutzt werden – zum Vorteil aller Beteiligten. Um ein umfassendes Sanierungsprojekt stemmen zu können, sind Experten nötig, die das Projekt planen, durchkalkulieren und in der Umsetzung begleiten. Die KfW-Zuschüsse für Konzeption und Management solcher Maßnahmen ermöglichen mit der Beauftragung Dritter auch den größeren Wurf. Ein Paradebeispiel bietet hier die Stadt Wurzen in Sachsen. Wurzen ist 1050 Jahre alt und hat einen mittelalterlichen Stadtkern. „Diese Baustruktur macht es bei steigenden Energiepreisen zur Herausforderung, die Nebenkosten niedrig und die Attraktivität für das Wohnen hoch zu halten“, so Wurzens Oberbürgermeister Jörg Röglin. Zudem lege die Stadt Wert darauf, die Quartiere so zu gestalten, dass sie über mehrere

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bleibt allein in diesen Bereichen ein Investitionsstau von 87,4 Mrd. Euro bei den Städten und Gemeinden und von etwa 12,5 Mrd. Euro bei den Landkreisen. Um die Steigerung der Energieeffizienz kommunaler Gebäude zu beschleunigen, hat die KfW ihr Programm „Energieeffizient Sanieren – Kommunen“ im vergangenen Jahr auf alle kommunalen Nichtwohngebäude ausgeweitet. Nun ist auch die Sanierung von Rathäusern, Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern, Altenheimen, Sport- und Kulturstätten förderfähig. Eine leichte und sehr effektive Investition in die Energieeffizienz ist das Ersetzen veralteter Stadtbeleuchtung durch moderne Leuchttechnik. In Deutschland werden jährlich bis zu vier Milliarden Kilowattstunden für die Beleuchtung im öffentlichen Raum verbraucht, die Kosten von etwa 850 Millionen Euro verursachen. Durch den Einsatz aktueller LED-Technik könnten Jahr für Jahr etwa 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom oder 260 Millionen Euro eingespart werden. Ein leuchtendes Beispiel bietet hierfür die Stadt Langen im Landkreis Cuxhaven. Die Stadt Langen rüstete ihre 2.500 Straßenlampen auf LEDTechnik um. „Wir sehen Klimaschutz als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und stellen uns dieser Verantwortung auf lokaler Ebene“, begründet Bürgermeister Thorsten Krüger seinen Schritt. Trotz einer Investition von 1,5 Millionen Euro – für eine Kleinstadt eine erhebliche Summe – ist die Investition schon während der Darlehenslaufzeit absolut kostenneutral. Denn die Stadt spart jährlich etwa 95.000 Euro Stromkosten

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plus 60.000 Euro Unterhaltskosten ein. Von diesen Einsparungen kann sie Zins und Tilgung des außerordentlich zinsgünstigen KfW-Darlehens begleichen.

Effizienzsteigerungen und neue Technologien für kommunale Unternehmen Kommunale Unternehmen unterhalten eine Infrastruktur, die höchste Versorgungssicherheit gewährleisten muss. Neue Aggregate erhöhen nicht nur die Zuverlässigkeit dieser Strukturen, sondern ermöglichen auch Effizienzsteigerungen, die den Energieverbrauch und damit die Betriebskosten erheblich verringern – zum Beispiel in der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Moderne Pumpentechnik bietet hierfür hocheffiziente Motoren und intelligente Regelungen. Darüber hinaus stehen Technologien zur Energierückgewinnung zur Verfügung. So können kleine Kraftwerke an Gefällestrecken von Wasserleitungen implementiert werden. Warme Abwässer werden zur Wärmerückgewinnung genutzt und reduzieren so Heizkosten. Derartige Technologien amortisieren sich nach wenigen Jahren. Kommunale Unternehmen können auch zum Bau hocheffizienter Gas- und Dampfkraftwerke oder KWK-Anlagen KfW-Kredite beantragen.

Regenerative Energien zahlen sich aus Viele Gemeinden haben bereits gezeigt, dass es sich lohnt, konsequent auf alternative Energien zu setzen. Die Kleinstadt Morbach im Hunsrück zum Beispiel betreibt 14 Wind-

räder, 4.000 Quadratmeter Solarmodule, eine Biogasanlage und eine Hackschnitzelanlage. Die Anlagen erzeugen die dreifache Menge des Strombedarfs von ganz Morbach. Die Stromgebühren der Einwohner bleiben in der Gemeinde und schaffen neue Arbeitsplätze. Kommunen in Deutschland haben also eine sehr günstige Gelegenheit, sich Unabhängigkeit von großen Energieversorgern und eine neue Einnahmequelle zu verschaffen.

Die Zukunft fest im Blick Um die Energiewende zu bewältigen, wird die KfW es nicht bei den bestehenden Förderprogrammen belassen. Noch in diesem Jahr planen wir, kommunalen Unternehmen Programme für energieeffiziente Sanierung anzubieten. Darüber hinaus erwartet die Städte, Gemeinden, kommunalen Unternehmen und sozialen Träger eine weitere große Aufgabe: Die demografische Entwicklung wird einen altersgerechten Umbau unserer Städte erfordern. Voraussichtlich ab September 2012 werden wir darum eine Programmfamilie „Barrierearme Stadt“ anbieten. Für Städte, Gemeinden, Landkreise und Gemeindeverbände und die kommunalen Unternehmen lohnt es sich stets, nach aktuellen Programmen der KfW zu fragen. Besonders, wenn es darum geht, durch günstige Investitionen die Zukunft mit zu gestalten.

Rekommunalisierung der Energieversorgung Von Prof. Dr. Wolf Gottschalk – Universität Göttingen, Geschäftsführer a.D. beim Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU), Köln Vorbemerkungen

Rahmenbedingungen

Mitte dieses Jahrzehnts geriet die oligopolistisch geprägte Struktur der Strom- und Gasversorgung in Deutschland in die öffentliche Kritik und ins Visier der europäischen und deutschen Politik und Aufsichtsbehörden. Auslöser waren Diskussionen über Preishöhen und Preisstrukturen in der Strom- und Gaswirtschaft und Verhaltensweisen einiger Vertreter der Verbundwirtschaft in öffentlichen Diskussionen zu Stromerzeugungstechnologien und erneuerbaren Energien.

Eine Rekommunalisierung von Versorgungsaufgaben ist möglich, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür vorhanden sind oder geschaffen werden können. Die kommunalen Entscheidungsträger müssen sich also fragen, ob eine solche beabsichtigte Maßnahme überhaupt mit dem europäischen und dem nationalen Recht übereinstimmt. Im Bereich der Energiewirtschaft müssen außerdem noch europäische und deutsche sektorspezifische Rahmenbedingungen geprüft werden.1 Nach europäischem Recht gehören gemeinwohlorientierte Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, für die es Märkte gibt, zu der Gruppe von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Unbestritten zählt auch dazu die leitungsgebundene Energieversorgung. Die europäischen Vorschriften sind markt- und wettbewerbsorientiert und stehen somit einer unternehmerischen Tätigkeit von Kommunen nicht entgegen, wenn diese sich wie auch private Unternehmen an die daraus sich ergebenden Vorschriften und Regeln halten (Ausschreibung, Vergabe, Transparenz etc.).

Das Prinzip einer dezentralisierten, endkundennahen, klimaund umweltorientierten sowie nachhaltigen Energieversorgung gewann immer mehr Anhänger in Öffentlichkeit und Politik. Kommunale Energieversorgung, insbesondere diejenige auf Basis der Kraft-Wärme-Kopplung und dezentraler Nutzung von erneuerbaren Energien, wurde zunehmend auch von Personen und Institutionen anerkannt und gewürdigt, die bislang in großtechnischen Anlagen die bestmöglichen Einrichtungen zur Versorgung der Volkswirtschaft mit Strom gesehen hatten. In den Städten empfand man wieder so etwas wie Stolz und Zufriedenheit über die Existenz der kommunalen Versorgungsbetriebe und Infrastruktureinrichtungen. Nicht mehr der Verkauf, sondern der Rückkauf von Beteiligungen und Neugründungen von Stadtwerken, also eine Rekommunalisierung, wurde in vielen Stadt- und Gemeinderäten diskutiert und erfolgreich praktiziert. Dabei wurden auch Erfahrungen und Erkenntnisse genutzt, die man mit der Rekommunalisierung von der Energie- und Wasserversorgung in den neunziger Jahren in den neuen Bundesländern gesammelt hatte.

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Zur Entscheidungsvorbereitung einer Rekommunalisierung müssen die nationalen Rahmenbedingungen geprüft werden. Hier sind zunächst die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts anzuführen. Die dafür erlassenen Vorschriften sind Ländersache und keineswegs in allen Ländern einheitlich formuliert. Den unternehmerischen Aktivitäten der Kommunen werden hier zum Teil enge Grenzen gesetzt. So muss die versorgungswirtschaftliche Tätigkeit einer Kommune einen öffentlichen Zweck erfüllen, sie darf die wirtschaftliche Leistungsfä-

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higkeit der Gemeinde nicht überfordern, sie muss sich auf die Örtlichkeit der Gemeinde beschränken, und das kommunale Unternehmen muss die Aufgabe ebenso effizient (in manchen Gemeindeordnungen: noch effizienter) wie ein privates konkurrierendes Unternehmen erfüllen (einfaches bzw. strenges Subsidiaritätsprinzip). Die sog. Schrankentrias erweist sich – vor allem in denjenigen Ländern, die sie besonders streng handhaben – als Hemmnis für eine Rekommunalisierung von Stadtwerken. Es hängt dann häufig vom Wohlwollen der politischen und administrativen Entscheidungsträger in dem jeweiligen Bundesland ab, ob die Rekommunalisierung von Stadtwerken gefördert oder ausgebremst wird. Das gilt vor allem für solche Fälle, in denen ein kommunales Unternehmen über die örtlichen Grenzen einer Gemeinde oder gar eines Bundeslandes hinaus tätig werden möchte. Zu den sektorspezifischen Rahmenbedingungen gehören das Energiewirtschaftsgesetz von 2005 (geänd. 2009) nebst seinen Rechtsverordnungen, insb. der Verordnung zur Anreizregulierung, das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (2002/ 2008), das Erneuerbare-Energien-Gesetz (2000/2009) und die Konzessionsabgaben-Verordnung (1992/ 2005). Die letztgenannte Verordnung ist deshalb für die vorliegenden Überlegungen zur Rekommunalisierung besonders wichtig, weil in den neunziger Jahren abgeschlossene Konzessionsverträge, die höchstens 20 Jahre laufen dürfen, nun in den nächsten Jahren ablaufen werden und entweder verlängert oder mit anderen Vertragspartnern, z.B. eigenen oder fremden kommunalen Unternehmen, neu abgeschlossen werden können. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist, dass der in den Konzessionsverträgen in den Endschaftsbestimmungen üblicherweise vorgesehene (entgeltliche) Eigentumsübertragungsanspruch auch tatsächlich durchgesetzt werden kann, wie 2009 höchstrichterlich entschieden wurde. (BGH-Entscheidung vom 29.9.2009).

Entscheidungskriterien Es gibt vielfältige Gründe, warum eine Gemeinde sich entscheidet, die kommunale Versorgung mit Strom, Gas, Fernwärme und Trinkwasser, die Entsorgung und den ÖPNV in Teilen oder als Ganzes zu betreiben oder wieder zurück zu übernehmen.2 Dies ist zunächst Ausdruck des Rechts der Kommunen auf Selbstverwaltung gemäß Artikel 28,2 GG, das übrigens nunmehr auch im Vertrag von Lissabon eine Bestätigung auf europäischer Ebene gefunden hat. In vielen Gemeinden ist man davon überzeugt, dass sich mit eigenen Ver- und Entsorgungsunternehmen wichtige kommunalpolitische und kommunalwirtschaftliche Ziele besser, effizienter und unmittelbarer erreichen lassen als bei einer Ver- und Entsorgung durch fremde, nach privatwirtschaftlichen Zielen handelnde und örtlich entfernte Konzernunternehmen. Zu den in den Gemeinden inzwischen unstrittigen Ziele zählen die des Ressourcen-, Umwelt- und Klimaschutzes, ebenso der Wunsch, direkten Einfluss auf den kommunalen Infrastrukturausbau im Rahmen der kommunalen Gesamtentwicklungsplanung nehmen zu können. Es hat sich auch gezeigt, dass es den Bürgern und der Wirtschaft in einer Gemeinde keineswegs gleichgültig ist, von wem sie versorgt werden oder wer ihren Abfall und ihr Abwasser entsorgt. Darauf deuten neuere Umfragen zur Akzeptanz von kommunalen Querverbundunternehmen hin.3 Wichtige Entscheidungskriterien für Kommunen können der Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen bei dem betreffenden kommunalen Unternehmen sein sowie indirekt in privaten Unternehmen im Ort (z.B. durch – vergaberechtskonforme – Auftragsvergaben), ferner bürgerschaftliche Einflussnahme auf Entscheidungen des Versorgungsunterneh-

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mens hinsichtlich seiner Preis- und Tarifgestaltung und der Bezugs- und Lieferkonditionen; Einflussnahmen auf Stromerzeugung am Ort, insbesondere durch erneuerbare Energieträger und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen; Aufbau und steuerliche Optimierung eines betrieblichen Querverbunds mit ÖPNV, Bäderbetrieb, Straßenbeleuchtung und anderen Verund Entsorgungsbereichen. Größte Bedeutung für eine kommunale Entscheidung für oder gegen eine Rekommunalisierung haben wirtschaftliche Kriterien. Diese muss sich nämlich wirtschaftlich rechnen. Das schließt auch steuerliche Fragen mit ein. Es ist ferner zu bedenken, dass durch die inzwischen eingeführte Anreizregulierung der Strom- und Gasnetze die im Netzbetrieb zu erlösenden Erträge nach oben begrenzt sind und die Durchführung des Regulierungsverfahrens einen hohen betrieblichen Aufwand mit entsprechendem fachlichen Know-how erfordern. Auch sollte man bedenken, daß man mit der Übernahme des Netzes noch nicht die daran angeschlossenen Kunden mit übernommen hat. Die kommunalen Unternehmen stehen in einem ständigen und harten Wettbewerb um Kunden mit professionell handelnden Konkurrenten der Verbundstufe. Investiert werden muss nicht nur in moderne Anlagen und Einrichtungen, sondern auch in qualifiziertes und entsprechend teures Führungs- und Mitarbeiterpersonal. Der kommunale Eigentümer braucht in seinen Reihen fachlich vorgebildete politische Entscheidungsträger in den Aufsichtsgremien zur verantwortungsvollen und richtigen Steuerung der gemeindeeignen Wirtschaftsunternehmen. Für kommunale Aufsichtsräte gelten klare gesetzliche Regelungen des Gemeindewirtschafts- und -haushaltsrechts und des Bilanz-, Gesellschafts- und Haftungsrechts. Es werden hohe Anforderungen an die hier tätigen Personen gestellt.

Formen der Rekommunalisierung Bei der Rekommunalisierung denkt man zunächst an die Zurückholung früher teilweise oder vollständig an Dritte veräußerter Stadtwerke. Viele Gemeinden bemühen sich den Fremdanteil wieder zurückzukaufen. In Fällen, in denen die seinerzeit abgeschlossenen Beteiligungsverträge diesen Rückkauf zuließen, wurde das unter erheblichem finanziellem Aufwand auch so durchgeführt, z.B. in Leipzig. Man kann allerdings beobachten, dass derartige Vertragskonstruktionen nicht häufig anzutreffen sind und in den anderen eher ungünstig gelagerten Fällen noch andere Gegebenheiten dazu kommen müssen, um ein Konzernunternehmen zu bewegen, sich von einer einmal eingegangenen Beteiligung zu trennen. Dies könnten z.B. Auflagen des Kartellamtes sein, sich von bestimmten Anteilen zu trennen, wenn es dafür andere Beteiligungskonstruktionen genehmigen soll. Es ist zu beobachten, dass seit 2008 auch in einigen großen Städten darüber nachgedacht wird, wieder eigene Stadtwerke zu gründen, nachdem man sie vor Jahren an Dritte verkauft hatte, so z.B. in Stuttgart, Hamburg und Berlin. Allen diesen Fällen gemeinsam ist, dass den politisch Verantwortlichen in den Rathäusern ihre Einflusslosigkeit auf die zentralen Funktionen der Versorgung und Infrastrukturentwicklung irgendwann schmerzlich bewusst wurde. Eine in der nächsten Zeit wichtiger werdende Form der Rekommunalisierung ist die Übernahme und Eingliederung bestehender Versorgungseinrichtungen nach Auslaufen von Konzessionsverträgen. Hier gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten4, z.B.: – Integration des Netzes eines ausgelaufenen Konzessionsvertrags in eine bestehende kommunale Netzstruktur – Neugründung eines Stadtwerkes unter Übernahme der Netzkonzession – Neugründung eines Stadtwerkes unter Beteiligung eines Dritten, der das Netz einbringt

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– Pachtweise Integration eines Netzes in ein bestehendes Stadtwerknetz – Neugründung eines Stadtwerkes und Pachten des Netzes des früheren Konzessionsinhabers – Neugründung eines Stadtwerkes als kommunaler Dienstleistungsbetrieb ohne eigene Energie- und Wasserversorgungsnetze in Form einer kommunalen Infrastrukturgesellschaft5 Überlegungen, welche Gestaltungsmöglichkeit ausgewählt werden sollte, werden sowohl in den Gremien der Gemeinden als auch in den Stadtwerken und ihren Verbänden diskutiert. Dabei müssen die Folgepflichten und Folgekosten der möglichen Optionen einander gegenübergestellt werden, nachdem vorher die gleiche sorgfältige Prüfung hinsichtlich der Beendigung des Konzessionsvertrags vorgenommen wurde6. Die Risikobetrachtung kann ergeben, dass es für eine einzelne Gemeinde allein wirtschaftlich nicht möglich ist, eine der oben aufgezeigten Optionen zu wählen. Dann kann erwogen werden, dies in Kooperation mit anderen kommunalen Unternehmen zu tun. Auch dafür gibt es zahlreiche Varianten, die sich zum Teil bereits in der Praxis bewähren: – Neugründung eines Regionalwerks, in dem Gemeinden oder deren Stadtwerke Gesellschafter sind und dem die Netze und das Personal der Gesellschafter übertragen werden. Beispiel: Regionalwerk Bodensee RWB – Gemeinsame Gründung eines Stadtwerks durch mehrere andere Stadtwerke als strategische Partner. Beispiel: Stadtwerke Springe – Neugründung eines Stadtwerks nahe benachbarter Städte. Beispiele: Stadtwerke Müllheim-Staufen, Mainhardt-Wüstenrot – Überlassung von Konzessionen und Einbringung von Netzen gegen Geschäftsanteile in ein regionales Stadtwerk. Beispiel: RheinEnergie Köln – Konzessionsübernahmen und Betriebsführungen. Beispiel: Stadtwerke Weserbergland – Kooperationen zum Zwecke des gemeinsamen Baues und Betriebs von besonderen Infrastruktureinrichtungen, z.B. Kraftwerksanlagen. Beispiele dafür sind die Trianel und die SüdwestStrom Kooperationslösungen sind empfindliche Gebilde, sowohl beim Zustandekommen als auch im Alltag des täglichen Betriebs. Sie gelingen umso besser, je größer der wirtschaftliche Druck von außen ist, je sorgfältiger die Interessen der Partner aufeinander rücksichtsvoll abgestimmt sind und je sensibler der Umgang der beteiligten Personen auf den Ebenen der Eigentümer und der Unternehmen untereinander ist. Alle gelungenen Kooperationen lassen sich auf diese einfachen Faktoren zurückführen, alle misslungenen ebenso. Das ausgefeilteste Kooperationsmodell ist zum Scheitern verurteilt, wenn das Verhalten und der menschliche Umgang beteiligter Personen in kommunalpolitischen Gremien und unternehmerischen Leitungsfunktionen die Umsetzung in die Praxis sabotiert. Eine andere Form der Rekommunalisierung besteht darin, dass sich Kommunen und ihre Stadtwerke gemeinschaftlich an überörtlich tätigen Versorgungsunternehmen und Beteiligungskonzernen beteiligen oder diese vollständig übernehmen. Ein Beispiel für eine solche kommunale Beteiligung mehrerer kommunaler Unternehmen an einem Gasimport- und Gasversorgungsunternehmen ist die 1991 gegründete kommunale VNG Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mit einem Aktienanteil an der VNG AG von zunächst 15 %, heute aufgestockt auf 25 %. Sie bestand bei ihrer Gründung aus 14 ostdeutschen Städten und Stadtwerken, die ihren Anteil von

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der damaligen Treuhandanstalt käuflich erwarben und damit aktienrechtliche Einflussmöglichkeiten auf die VNG AG bekamen und am Ertrag der Gesellschaft beteiligt wurden. Ein anderes Beispiel ist der Kauf der Thüga AG durch mehrere kommunale Unternehmen im Jahre 2009. Die Thüga war eine Tochtergesellschaft der E-on AG und betätigte sich bisher im Wesentlichen als eine Beteiligungsholding an ca. 120 kommunalen Unternehmen jeweils in Minderheitspositionen. Ihre starke Stellung in der kommunalen Versorgungswirtschaft erlangte die Thüga dadurch, dass sie durch eine kluge Vertragspolitik wichtige Dienstleistungen für ihre beteiligten Stadtwerke erbrachte und so einen größeren Einfluss erlangte als durch förmliche Mehrheitspositionen. Die Käufer sind zu je 20,75 % drei große Stadtwerke (Enercity Hannover, N-ergie Nürnberg, Mainova Frankfurt a.M.) und die Kooperationsgesellschaft Kom9 (das ist eine Kooperationsgesellschaft aus 46 mittleren und kleineren Stadtwerken). Aus den ersten Erklärungen der neuen kommunalen Eigentümer der Thüga wird deutlich, dass der Erwerb dieser Gesellschaft nicht als Finanzbeteiligung betrachtet wird, sondern als Instrument zur Mitgestaltung der deutschen Energieversorgung und einer ökologischen Energiewende. Ein drittes Beispiel für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung ist der Kauf (51 %) des Steinkohle-Stromerzeugers STEAG AG durch ein Konsortium aus den Stadtwerken Dinslaken, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Bochum.

Auslaufen von Konzessionsverträgen: Handlungsoptionen, Verfahrensfragen Viele Gemeinderäte stehen vor der Frage, ob sie nach dem bevorstehenden Auslaufen der Konzessionsverträge die Versorgung rekommunalisieren sollen oder dem bisherigen Versorger wieder einen Konzessionsvertrag anbieten sollen. Handlungsbedarf besteht in jedem Fall, nämlich: – Zwei Jahre vor Ende des Konzessionsvertrags, der 20 Jahre Laufzeit nicht überschreiten darf, ist der Vertragsablauf öffentlich anzuzeigen (Bundesanzeiger bzw bei mehr als 100 000 Kunden im Amtsblatt der EU) – Bei vorzeitiger Verlängerung eines Konzessionsvertrags muss das vorzeitige Ende des Vertrags drei Monate vor dem neuen Vertragsabschluß bekanntgegeben werden. – Wenn sich mehrere Bewerber um die Konzession bemüht haben, ist das Ergebnis der Auswahlentscheidung unter Bekanntgabe der Gründe öffentlich zu machen.7 – In vielen Fällen wird es, wenn die eben genannten Voraussetzungen gegeben sind, zu einer Verlängerung des Konzessionsvertrags kommen. Das könnte dort der Fall sein, wo Konzessionsnehmer ein anderes kommunales Unternehmen ist und mit diesem Hintergrund der kommunalen Versorgungswirtschaft verbunden ist. Es ist aber auch nicht ungewöhnlich, dass Gemeinden mit dem bisherigen überörtlich tätigen Konzessionsnehmer sehr zufrieden waren. Dann geht es nur noch um vertragliche Verbesserungen im Detail. Im übrigen wird die bisherige Versorgungssituation fortgesetzt. Anders sieht es aus, wenn der Konzessionsvertrag auf Wunsch des Gemeinderats beendet werden soll und die Frage ansteht: Rekommunalisierung in Eigenständigkeit oder mit strategischen Partnern, letztere entweder andere kommunale Unternehmen (horizontale Kooperation) oder überörtlich tätige Konzernunternehmen als Minderheitspartner (vertikale Kooperation). Entscheidungskriterien für eine der Lösungen sind zunächst wirtschaftlicher Art. Im Falle der Eigenständigkeit heißt das:

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alle wirtschaftliche Lasten und absehbare Risiken müssen allein getragen werden, ein Sachverhalt, der auch von der Kommunalaufsicht beim Landesinnenministerium kritisch, d.h. negativ, beurteilt werden könnte. Die Gemeindeordnungen legen übereinstimmend fest, dass ein eigenes kommunales Wirtschaftsunternehmen die Gemeinde im Hinblick auf Kapital, Personal und Know-how nicht überfordern darf und deshalb zu Recht untersagt werden muss, wenn ein solcher Fall vorliegt. Ein Ausweg ist die Einbeziehung strategischer Partner in horizontaler oder vertikaler Kooperation. Im letzteren Falle liegt Rekommunalisierung nur vor, wenn sich dieser Partner in einer Minderheitsposition befindet, was bei Konzernunternehmen häufig abgelehnt wird, da deren Ziel- und Renditevorstellungen und zentral gesteuerte Unternehmensstrukturen der eines kommunalen Unternehmens widersprechen würden. Selbst, wenn das Konzernunternehmen öffentliche Eigner hat, betätigt es sich unter vorrangig privatwirtschaftlichen Bedingungen und Zielen. So läuft eine vertikale-kooperative Rekommunalisierung längerfristig entweder auf eine volle Integration des kommunalen Unternehmens in den Konzern oder auf eine Trennung der Partner hinaus, wenn die partnerschaftlichen Konflikte nicht mehr auszuhalten sind. Um zu einem sicheren Urteil über die Auswahl eines geeigneten (horizontalen) Kooperationspartners für eine Rekommunalisierung zu gelangen, müssen die Entscheidungsträger in den betreffenden Gemeinden die möglichen Alternativen und Optionen gründlich untersuchen und bewerten. Schließlich handelt es sich um eine sehr langfristige Zusammenarbeit. Unter Verwendung einer Kriterienliste von Peter Turkowski8 kann man folgende Bewertungskriterien zur Prüfung von Handlungsoptionen aus der Sicht der Kommunen vorschlagen: – Beurteilung eines finanziellen Erfolgs (Gewinne, Steuern, Konzessionsabgaben) unter Berücksichtigung kapitalmäßiger Anforderungen und haushaltsmäßiger Belastungen – Unterstützung einer umwelt-, klima- und ressourcenschonenden Entwicklung der Kommunen – Soziales Engagement und Unterstützung der Gemeinden bei sozialen Aufgaben – Unterstützung der Gemeinden bei ihren notwendigen wirtschaftlichen Aktivitäten – Unterstützung bei der Kommunalen Gesamtentwicklung und Standortpolitik, insbesondere im Bereich der Entwick-

lung der Infrastruktur, des ÖPNV, von Sanierungsvorhaben, gemeindlichen Bauvorhaben und der kommunalen Gebäudewirtschaft – Einflussmöglichkeiten auf die Produkt-, Preis- und Konditionengestaltung des angestrebten Versorgungsunternehmens – Möglichkeiten lokaler Auftragsvergaben im Rahmen des Vergaberechts an lokale Anbieter von Produkten der Industrie, des Handwerks, des Handels und der Dienstleister, damit mittelbar Unterstützung von Arbeit und Beschäftigung in den Gemeindegebieten – Gewährleistung eines betrieblichen und steuerlichen Querverbunds im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten – Akzeptanz des Unternehmens in der Öffentlichkeit und beim Bürger – Optimale Sicherstellung der Anforderungen des Energiewirtschaftsrechts Das vorstehende Prüfungsschema ist zur ersten vorläufigen Entscheidungsfindung in den Gremien der Gemeinden geeignet ist. Anschließend erwarten die dortigen politischen Entscheidungsträger noch weitere vertiefende Aussagen derjenigen Personen in den kommunalen Unternehmen, die die späteren technischen und wirtschaftlichen Konsequenzen der kooperativen Rekommunalisierung zu tragen und zu verantworten haben. Sie müssen in einem weiteren Schritt die technisch-wirtschaftlichen Erfolgskriterien entwickeln, vorstellen und bewerten. Anmerkungen: 1 Lattmann, Jens: Rekommunalisierung der Energieversorgung – mehr als nur rein Trend? - unveröff. Manuskript ICG-Seminar “Rekommunalisierung – Neugründung von Stadtwerken” (2009) 2 Theobald, Christian: Auslaufende Konzessionsverträge Strom und Gas. In: Die Öffentliche Verwaltung 5/2009, S. 358 f 3 TNS EMNID: Stadtwerke und kommunale Wasserversorger im Spiegelbild der öffentlichen Meinung. Umfrage 8/2009 4 Verband kommunaler Unternehmen (VKU) (Hrsg.): Stadtwerk der Zukunft IV: Konzessionsverträge. Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke. Berlin 2009, S.25 ff 5 Jänig, Christian: Stadtwerke als kommunaler Infrastrukturleister. In: VKU (Hrsg.): Stadtwerk der Zukunft IV, Berlin 2009, S. 55 ff 6 Theobald, Christian, a.a.O., S. 359 f 7 Verband kommunaler Unternehmen, a.a.O., S. 75 8 Turkowski, Peter: Handlungsoptionen bei auslaufendem Konzessionsvertrag. In: VKU (Hrsg.): Stadtwerk der Zukunft IV, S. 77 ff Quellenhinweis: Siehe Schriftenreihe Nr. 61 des DSGV.

KfW-Aktionsplan Energiewende: Eine große Chance für die kommunale Infrastruktur! Von Martin Köppen – Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Berlin Die energiepolitische Wende: Ein tiefgreifender Paradigmenwechsel Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima überprüfte die Bundesregierung ihre Energiepolitik und verkündete im Juni 2011 ihre Absicht, die erst ein halbes Jahr zuvor beschlossene Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke (AKW) in Teilen rückgängig zu machen. Stattdessen gingen die ältesten sieben Atommeiler nach einem drei Monate andauernden Moratorium gar nicht erst wieder ans Netz und weitere Atomkraftwerke werden bereits früher vom Netz genommen, als es bisher im Atom-Konsens aus dem Jahr 2000 geplant war. Diesen Konsens hatte die VorgängerRegierung seinerzeit mit der Atomwirtschaft mühsam ausgehandelt. Neuer politischer Wille ist es nunmehr, die sog. Erneuerbaren Energien schneller und deutlich effektiver aus-

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bauen, die Energieeffizienz zu steigern und den Energieverbrauch fossiler Energiequellen noch stärker, als es bisher geplant war, abzusenken. Um diese energiepolitisch höchst ehrgeizigen und radikal neu gesteckten Ziele wirklich zu erreichen, versprach die Bundesregierung, ihre Förderung aus Mitteln des Bundeshaushalts signifikant aufzustocken und noch feiner zu justieren.

Konsequent: KfW überprüft geschäftspolitische Ausrichtung und… Diesen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik hat die KfW Bankengruppe als wichtigstes Förderinstitut des Bundes und der Länder zum Anlass genommen, im Sommer 2011 für den gesamten Konzern einen Aktionsplan zu erarbeiten. Bausteine des Aktionsplanes sind: Erneuerbare Energien aus-

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bauen, Energieeffizienz nutzen, Energieeffizienz erzeugen. Die KfW geht davon aus, dass der angestrebte Umbau der deutschen Energieversorgung insgesamt einen zusätzlichen Investitionsbedarf von jährlich 25 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 auslösen wird.

… gewichtet ihre Fördermaßnahmen neu Der KfW-Aktionsplan Energiewende setzt in allen drei für das inländische Fördergeschäft verantwortlichen Teilbanken des Konzerns an. Dabei verfolgt die KfW die Strategie, sich auf die Investitionsförderung auf den Gebieten Energieeffizienz, Stromerzeugung, zusätzliche Gaskraftwerke und den Stromnetz-Ausbau zu konzentrieren. Andererseits reduziert die KfW nicht mehr so dringende Fördermaßnahmen und stellt bestimmte Förderprogramme auch ganz ein.

Kommunen und kommunalen Unternehmen: Partnerschaft wird weiter ausgebaut! Ganz besonders profitieren die Kommunen und kommunalnahe Unternehmen1 von dem verabschiedeten Aktionsplan Energiewende: Im Bereich der kommunalen und sozialen Infrastruktur hat die KfW Kommunalbank bereits zum 01. Oktober 2011 die Förderhöchstbeträge für große Vorhaben zur Verbesserung der Energieeffizienz in ihren Basisprogrammen in signifikantem Umfang auf nunmehr 50 Millionen Euro pro Vorhaben angehoben. Seit Jahresbeginn 2012 bietet sie den Kommunen und kommunalnahen Unternehmen auch zinsgünstige Förderangebote (a) zur Wärmeversorgung und energieeffizienten Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie (b) zur Stromversorgung und Stromspeicherung an. Außerdem will die KfW künftig mit dem Förderfenster Energetische Stadtsanierung noch stärker EnergieeffizienzInvestitionen in Stadtquartieren fördern. Die Umstellung von Kommunen auf energieeffiziente Stadtbeleuchtung fördert die KfW bereits seit 01. April 2011. Einen vollständigen und eingehenden Überblick der Produktpalette der KfW Kommunalbank enthält der in diesem Heft erscheinende Beitrag von Detlev Kalischer, (Titel des Beitrags), auf den hier zur Vermeidung von Redundanzen verwiesen wird.

Signifikante Ausweitung der Unternehmensfinanzierung Auch in der gewerblichen Unternehmensfinanzierung durchforstete die KfW ihre Produktpalette und fokussierte sie neu. Bereits im Sommer 2011 legte die KfW Mittelstandsbank als Sofort-Maßnahme ein mit 5 Mrd. EUR dotiertes neues Förderprogramm zum Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland auf. Zum Jahresbeginn 2012 hat sie außerdem das bisher aus ERP-Mitteln finanzierte Umwelt- und Energieeffizienzprogramm in zwei getrennte Förderprogramme aufgeteilt: – Das KfW-Energieeffizienzprogramm steht jetzt zur Verfügung, wenn damit Investitionen zur Steigerung der betrieblichen Energieeffizienz finanziert werden. Dieses Programm können neuerdings auch größere Unternehmen nutzen, deren jährlicher Gruppenumsatz bis zu 3 Mrd. EUR (bisher 500 Mio EUR) betragen darf. Außerdem erhöhte die KfW den Kredithöchstbetrag von 10 Mio EUR auf 25 Mio EUR! – Für gewerbliche Investitionen in allgemeine Umweltschutzmaßnahmen steht seit 01. Januar 2012 ausschließlich das KfW-Umweltprogramm zur Verfügung, dessen Kredithöchstbetrag auf 10 Mio EUR (bisher 2 Mio EUR) hinauf gesetzt wurde.

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Zeitgleich hat die KfW zwei schon bestehende Förderprogramme erheblich ausgeweitet: – Beim KfW-Programm Erneuerbare Energien - Standard wurde der Verwendungszweck erweitert: Nunmehr fördert die KfW aus diesem Programm auch Biogasanlagen, selbst wenn sie nicht der Stromerzeugung dienen, sowie vorgelagerte objektnahe Nieder- und Mittelspannungsnetze, und zwar bis zu maximal 25 Mio EUR (bisher 10 Mio EUR). Dieses Programm steht nunmehr auch Unternehmen zur Verfügung, deren jährlicher Gruppenumsatz 500 Mio EUR überschreitet. – Für Vorhaben im Rahmen der Energiewende, also für Innovationen zur speziellen Weiterentwicklung von Technologien zur Energieerzeugung, -Einsparung, -Speicherung und -Übertragung, ist das ERP-Innovationsprogramm eindrucksvoll erweitert worden: Bis zu 25 Mio EUR pro Vorhaben und maximal 50 Mio EUR pro Unternehmen pro Kalenderjahr stehen daraus neuerdings für diese Förderzwecke zur Verfügung. Bis Ende 2011 wurden Innovationen im gewerblichen Bereich aus diesem Programm nur bis zu 5 Mio EUR pro Vorhaben gefördert. Zusätzlich gewährt die KfW seit dem 01. Januar 2012 größeren Unternehmen, deren Jahres-Gruppenumsatz zwischen 500 Mio und 3 Mrd. EUR liegt, im Wege der KfW-Finanzierungsinitiative Energiewende Darlehen zu Marktkonditionen für Investitionen zur Nutzung erneuerbarer Energien, zur Steigerung der betrieblichen Energieeffizienz und für Innovationsvorhaben (Forschung und Entwicklung) in den Bereichen Energieerzeugung, -Einsparung und -Übertragung. Dieses Programm freilich sieht Kreditbeträge ab 25 Mio bis zu maximal 100 Mio EUR vor.

Wichtiger Umbau der Wohnungsbauförderung Die KfW Privatkundenbank fokussiert jetzt ihre Förderung inhaltlich auf die Schwerpunkte Energiewende und Begleitung des demografischen Wandels. Dazu erweiterte sie ihre höchst erfolgreiche Programmgruppe Energieeffizient Bauen und Sanieren zum 01. April 2012 um den neuen Standard KfW-Effizienzhaus Denkmal und fördert damit endlich auch die energetische Sanierung von Baudenkmälern und sonstigem erhaltenswerten Baubestand. Außerdem bietet sie das Förderprogramm Altersgerecht Umbauen nach Auslaufen der Bundesförderung seit 01. Januar 2012 aus eigenen Mitteln weiter an. Zum 01. April 2012 wurde Bedingungen für dieses Förderprogramm deutlich vereinfacht Dagegen reduzierte die KfW den Fördermöglichkeiten aus dem KfW-Wohneigentumsprogramm und schloss das Förderprogramm Wohnraum modernisieren Ende 2011 vollständig: eine Konsequenz da-

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raus, dass die Bildung von Wohneigentum und die Anpassung bzw. Modernisierung des bestehenden Wohnraums nicht mehr höchste Förderpriorität genießt.

Zusammenfassung Die politisch beschlossene Abkehr von der Atomenergie zwingt die KfW als größtes deutsches Förderinstitut ihre Förderprogramme neu zu fokussieren. Mit dem KfW-Aktionsplan Energiewende weitet sie ihre Förderkulisse hauptsächlich auf Investitionen in Energieeffizienz und Innovationen diesbezüglicher Technologien aus, ohne dabei die Anforderungen des demografischen Wandels zu vernachlässigen. Andererseits

reduziert sie gleichzeitig Fördermaßnahmen, die außerhalb ihrer nunmehr exakter und teilweise enger gefassten Förderziele rangieren. Die Kreditwirtschaft erkennt darin neue geschäftliche Chancen, für die Kommunen und die ihnen nahestehenden Unternehmen öffnen sich neue Perspektiven, bisher zurück gestellte Infrastruktur-Investitionen jetzt doch noch anzugehen.

Anmerkung: 1 Darunter versteht die KfW nicht nur selbstständig geführte kommunale Eigenbetriebe sondern auch Unternehmen in privater Rechtsform (z.B. AG oder GmbH), deren Gesellschaftsanteile zu 50 Prozent und mehr in der Hand von einer oder mehreren Kommunen liegt.

Investitionen in Effizienz und erneuerbare Energien werden sich auszahlen Interview mit Frank Wunderlich – Abteilungsdirektor Kreditgeschäft, Vertrieb im Geschäftsbereich KfW Kommunalbank in Berlin Frage: Herr Wunderlich, die KfW fördert schon seit Jahren Kommunen und kommunale Unternehmen mit speziellen Programmen. Es gibt sogar einen eigenen Geschäftsbereich dafür – die KfW Kommunalbank. Jetzt haben Sie einen zusätzlichen Fokus. Welchen?

vier großen Bereiche sind die energetische Sanierung kommunaler Gebäude, die Modernisierung der Stadtbeleuchtung, die Effizienzsteigerungen bei der Infrastruktur für Wärme sowie Wasserver- und Abwasserentsorgung und als viertes der Auf- und Ausbau intelligenter Stromnetze.

Wunderlich: Es ist richtig, wir haben die Belange der Kommunen und kommunalen Unternehmen seit Jahren im Blick und vergeben deshalb besonders günstige Förderdarlehen für investive Maßnahmen. Das Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 und der Beschluss vom 6. Juni 2011, bis 2022 alle Kernkraftwerke abzuschalten, stellen uns nun vor neue große Aufgaben. Bei der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, regenerative Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung auszubauen und alle Effizienzpotenziale zum Energiesparen auszuschöpfen, bauen wir auf die Kommunen und kommunalen Unternehmen, denn ohne sie werden die ambitionierten Ziele nicht umzusetzen sein. Wir bieten ihnen daher besonders zinsgünstige Förderprogramme an, von denen sie im Ergebnis selbst auch finanziell profitieren können.

Frage: Wie hoch sind denn da die Einsparpotenziale?

Frage: Das heißt aber zunächst, dass Dörfer, Städte oder Landkreise trotz Ebbe in der Kasse jetzt erst einmal investieren sollen, um die drohende Energielücke zu schließen? Wunderlich: Gerade diese leeren Kassen sind ein Problem, das die Kommunen mit unserem Förderansatz definitiv langfristig verringern können. Denn durch nachhaltige Investitionen senken sie Energiekosten und können im günstigsten Fall sogar Einnahmen aus der Energieproduktion generieren. Das Zusammenspiel von Zuschüssen für integrierte Quartierskonzepte und extrem niedrigen Zinsen der KfW-Darlehen für die sich anschließenden investiven Maßnahmen, aus denen dann die Einsparungen bei den Energiekosten generiert werden, senkt die Belastungen der Kassen von Kommunen und kommunalen Unternehmen dauerhaft. Frage: Was genau können Kommunen und kommunale Unternehmen zur Umsetzung der Energiewende beitragen? Wunderlich: Die Energieeffizienz steigern und die erneuerbaren Energien ausbauen. Beginnen wir mit der Energieeffizienz: Durch den beschlossenen früheren Wegfall der vorher als Brückentechnologie bezeichneten Kernenergie ist nun die Effizienzsteigerung zu unserer neuen Brücke geworden. Die

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Wunderlich: Die Strom- und Heizkosten kommunaler Gebäude liegen bundesweit bei 2,5 Milliarden Euro jährlich. In bereits durchgeführten Projekten konnten Energieeinsparungen von bis zu 70 Prozent erreicht werden, zum Beispiel durch die Sanierung der Berufsbildenden Schule Haarentor in Oldenburg. Oder nehmen wir die Beleuchtung von Straßen, öffentlichen Flächen und Parkhäusern: Allein hier könnten die Kommunen bundesweit 1,7 Milliarden Kilowattstunden bzw. 260 Millionen Euro Energiekosten sparen. Jedes Jahr! Die Stadt Langen erwartet, durch die Umrüstung ihrer 2.500 Straßenlampen auf LED-Technik, jährlich etwa 95.000 Euro Stromkosten plus 60.000 Euro Unterhaltskosten zu sparen. Weitere Potenziale liegen in der Versorgung mit Frischwasser und der Entsorgung von Abwasser. Moderne Steuerungen, effiziente Pumpentechnik und Technologien zur Energierückgewinnung helfen hier den kommunalen Unternehmen, Energie einzusparen. Frage: Welche Programme hält die KfW für die Kommunen und kommunale Unternehmen bereit und was leisten diese? Wunderlich: Wir bieten für Kommunen und kommunale Unternehmen maßgeschneiderte Programme insoweit an, dass wir, neben je einem Programm für Basisinvestitionen, mit entsprechenden Förderfenstern bestimmte energetische bzw. energieeffiziente Investitionen zinsgünstig finanzieren. Die Programme zur Unterstützung der Energiewende in den Kommunen sind: – „Kommunale Energieversorgung“ zum Ausbau von Verteilnetzen oder zur Implementierung von Energiespeichern, – „Energieeffizient Sanieren – Kommunen“ für die energetische Sanierung von Gebäuden der kommunalen und sozialen Infrastruktur, – „Energieeffiziente Stadtbeleuchtung“ für Investitionen in eine energieeffiziente kommunale Beleuchtung bei Straßen, öffentlichen Freiflächen oder Ampelanlagen, – „Energieeffiziente Quartiersversorgung“ zur Verbesserung

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der Energieeffizienz kommunaler Versorgungssysteme in den Bereichen Wärme, Wasser und Abwasser, – Zudem gewähren wir Zuschüsse zur Finanzierung von integrierten Konzepten und von Sanierungsmanagern zur Realisierung energieeffizienter Investitionen im Quartier. Wie erwähnt bietet die KfW den Kommunen, abgesehen von diesen speziellen Programmen zur Umsetzung der Energiewende, auch ein Basisprogramm an, nämlich den „KfWInvestitionskredit – Kommunen“. In diesem Basisprogramm werden für alle Investitionen in die kommunale und soziale Infrastruktur finanziert. Beispielhaft können genannt werden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, in die Abfallwirtschaft, in Kindergärten, Schulen oder Sporteinrichtungen, in Krankenhäuser oder Altenpflege- und Behinderteneinrichtungen oder auch in Breitbandnetze, um an dieser Stelle nur einige Verwendungszwecke zu nennen. Frage: Stehen die Programme in gleicher Form auch kommunalen Unternehmen zur Verfügung? Wunderlich: Für die kommunalen Unternehmen gibt es vergleichbare Programme. Der wichtigste Unterschied: Kommunen beantragen die KfW-Kredite direkt bei der KfW, kommunale Unternehmen hingegen über ihre Hausbank bei der KfW. Die Förderziele der Programme für kommunale Unternehmen sind darüber hinaus an die typischen Aufgaben kommunaler Unternehmen angepasst. Die Programme zur Unterstützung der Energiewende durch kommunale Unternehmen sind im Einzelnen: – Kommunale Energieversorgung“ zum Ausbau von Verteilnetzen, zur Implementierung von Energiespeichern, zu Neuund Ausbau von Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerken sowie zur Flexibilitätserhöhung der Stromerzeugung bei gasbetriebenen KWK-Anlagen,

– „Energieeffiziente Stadtbeleuchtung“ für Investitionen in eine energieeffiziente kommunale Beleuchtung bei Straßen, öffentlichen Freiflächen oder Ampelanlagen, – „Energieeffiziente Quartiersversorgung“ zur Verbesserung der Energieeffizienz kommunaler Versorgungssysteme in den Bereichen Wärme, Wasser und Abwasser. Auch hier unterstützen wir auch die kommunalen Unternehmen mit einem Basisprogramm, dem „KfW-Investitionskredit Kommunale Unternehmen“ für alle Investitionen in die kommunale und soziale Infrastruktur. Frage: Gibt es noch etwas, worauf Sie die kommunalen Unternehmen hinweisen möchten? Wunderlich: Neben der Einführung der neuen Förderprogramme haben wir die Förderhöchstbeträge sukzessive auf 50 Millionen Euro je Investitionsvorhaben verdoppelt. Somit können auch größere Investitionen von kommunalen Unternehmen durch die KfW gefördert werden.

KfW-Förderprogramme für Kommunen und kommunale Unternehmen – ein Überblick: Je effizienter, desto billiger Förderprogramme der KfW für Kommunen und kommunale Unternehmen belohnen hohe Umweltstandards

Kommunen und kommunale Unternehmen – Gleiche Ziele, verschiedene Wege

Die KfW Kommunalbank hält für Kommunen und kommunale Unternehmen schon seit Jahren Investitionskredite für eine breite Anwendungspalette bereit. Um die Energiewende in Deutschland zu unterstützen, bietet die KfW spezielle Programme zur Steigerung der Energieeffizienz der kommunalen Infrastruktur sowie zum Ausbau erneuerbarer Energien und von Kraft-Wärme-Kopplung.

Unabhängig vom Investitionsziel hängt es von den örtlichen Organisationsstrukturen ab, ob die Kommune selbst den Kreditantrag stellt oder ein kommunales Unternehmen. Während Kommunen ihren Kreditantrag direkt bei der KfW stellen, wenden sich kommunale Unternehmen für eine KfW-Förderung an ihre Hausbank.

Durch eine hoch effiziente Bauweise können Kommunen gleich zweimal sparen: Einerseits senken sie die Unterhaltskosten für Gebäude und Infrastruktur, andererseits belohnen einige Programme höhere Energiestandards durch höhere Förderbeträge. So ermöglichen die günstigen Konditionen, dass höhere Investitionen in Energieeffizienz sich auf zwei Wegen rechnen. Ob eine Kommune oder ein kommunales Unternehmen eines der besonders zinsverbilligten Förderfenster in Anspruch nehmen kann oder das jeweilige KfW Basisprogramm „Investitionskredit“, richtet sich nach dem Ziel der Investition und dem erreichten Energiestandard.

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Ob das neue Blockheizkraftwerk in einem Stadtquartier nun aber von der Gemeinde betrieben wird oder von einem kommunalen Unternehmen – die Investition und der Effekt bleiben gleich. Darum spricht die KfW von Schwesterprogrammen für Kommunen und kommunale Unternehmen. Im Folgenden ist die Förderpalette der KfW für Kommunen und kommunale Unternehmen in einem kurzen Überblick zusammen gefasst. Weitere Informationen unter: www.kfw.de/infrastruktur.

KfW-Investitionskredit – der Alleskönner Dieser Investitionskredit ermöglicht langfristige und breite Investitionen in die kommunale Infrastruktur zu günstigen Zins-

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sätzen. Förderfähig sind nahezu alle Projekte zum Ausbau der technischen und sozialen kommunalen Infrastruktur, wie zum Beispiel – die Ver- und Entsorgung, zum Beispiel die Abfallwirtschaft und die Wasser- und Abwasserwirtschaft, aber auch Stromund Breitbandnetze, – die kommunale Verkehrsinfrastruktur einschließlich Öffentlicher Personennahverkehr, – soziale und Bildungseinrichtungen wie Krankenhäuser, Altenheime, Kindertagesstätten und Schulen, – Baulanderschließung, – aber auch der Erwerb von Beteiligungen von Kommunen an privaten, kommunalen oder gemeinnützigen Unternehmen, die Aufgaben im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge wahrnehmen, bzw. von kommunalen Unternehmen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Auch Investitionen in Energieeffizienz oder -produktion, für die es eigene Förderfenster gibt, können über den Investitionskredit finanziert werden, wenn sie nicht die Anforderungen für das jeweilige Förderfenster erfüllen. IKK-Investitionskredit Kommunen, Programmnummer 208 = www.kfw.de/208 IKU-Investitionskredit Kommunale Unternehmen, Programmnummer 148 = www.kfw.de/148

Energetische Stadtsanierung – Zuschuss für Konzeption und Sanierungsmanagement Maßnahmen zur Energetischen Sanierung von Gebäuden und ihrer Ver- und Entsorgung lohnen sich besonders. Dabei sollte nach Möglichkeit nicht ein Haus, sondern ein größeres Areal in den Blick genommen werden. Über den Effekt hinaus, dass so gleich mehrere Häuser energetisch saniert werden, bietet die Sanierung von Quartieren zusätzliche Synergien, die ein Einzelobjekt nicht bieten könnte. Zum Beispiel ist der Bau eines Blockheizkraftwerkes besonders effektiv, wenn die Wärme in ein Nahwärmenetzwerk eingespeist wird, das gleich mehrere Gebäude mit Wärme versorgt. Auf diese Art lässt sich auch industrielle Abwärme besonders sinnvoll verwerten. Ebenso kosteneffizient ist in den Größenordnungen eines Quartiers auch die energetische Sanierung von Wasserund Abwassersystemen. Diese und weitere Modernisierungsmaßnahmen an der Infrastruktur, wie beispielsweise die Beleuchtung, müssen im Vorfeld aufeinander abgestimmt werden. Das erfordert eine solide Konzeption. In der Umsetzung ist ein kompetentes Management gefragt, dass das Projekt zielgerichtet voran treibt und gleichzeitig die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt. Die KfW fördert deshalb sowohl die Erstellung eines vertieften integrierten Quartiersonzepts als auch das Management der Umsetzung der Maßnahmen und die Koordinierung aller Beteiligten mit einem Zuschuss von jeweils 65 Prozent der förderfähigen Kosten. Für die Konzeption gibt es dabei keinen Höchstbetrag, für die Leistung des Sanierungsmanagers sind es 120.000 Euro pro Vorhaben. Der Zuschuss kann von Kommunen ebenso in Anspruch genommen werden, wie von kommunalen Unternehmen. Die Antragstellung erfolgt in jedem Fall über die Kommune. Siehe: Energetische Stadtsanierung – Zuschuss, Programmnummer 432 = www.kfw.de/432

Energieeffiziente Quartiersversorgung – Synergien konsequent nutzen Das Programm fördert die Verbesserung der Energieeffizienz von Versorgungssystemen in Stadtquartieren in den Bereichen Wärme sowie Wasserver- und Abwasserentsorgung in Stadtquartieren. Im Bereich Wärmeversorgung werden u. a. gefördert: – Neubau oder Erweiterung von hocheffizienten, wärmegeführten Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, – Anlagen zur Nutzung industrieller Abwärme, – Neu- und Ausbau von Wärmenetzen, – dezentrale Wärmespeicher. Im Bereich Wasserver- und Abwasserentsorgung im Quartier werden u. a. gefördert: – Umrüstung auf hocheffiziente Motoren und Pumpen, – moderne Mess- und Regeltechnik, – Installation von Systemen zur Energierückgewinnung an Gefällestrecken durch Turbinen oder rückwärtslaufende Pumpen, – Errichtung von Anlagen zur Wärmerückgewinnung in öffentlichen Kanalsystemen, z. B. Wärmepumpen, Wärmetauscher, auch in Kombination mit Blockheizkraftwerken – Errichtung von Anlagen zur Energiegewinnung aus Klärbzw. Faulgasen, Umrüstung bestehender Anlagen – Verbesserung der Energieeffizienz bei der Belüftung von Belebungsanlagen. Siehe: Energetische Stadtsanierung – Energieeffiziente Quartiersversorgung (Kommunen), Programmnummer 201 = www.kfw.de/201 Siehe: Energetische Stadtsanierung – Energieeffiziente Quartiersversorgung (Kommunale Unternehmen), Programmnummer 202 = www.kfw.de/202

Kommunale Energieversorgung – Auf dem Weg zu effizienterer und flexiblerer Energie Die sukzessive Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energieträger setzt große Effizienzsteigerungen voraus und bietet Kommunen und kommunalen Unternehmen gleichzeitig die Chance, in die dezentrale Stromerzeugung einzusteigen oder sie auszubauen. Das Programm „Kommunale Energieversorgung“ fördert: – Ausbau der Verteilnetze zur Einbindung dezentraler Stromerzeuger, – Aufbau intelligenter Stromnetze („Smart Grids“), – Energiemanagement, intelligente Messsysteme („Smart Metering“), – Neubau und Ausbau von dezentralen Speichern für Energie aus Strom. Kommunale Unternehmen können sich zudem Investitionen Gas-und-Dampfturbine-Kraftwerke sowie zur Flexibilitätserhöhung der Stromerzeugung bei gasbetriebenen KWK-Anlagen fördern lassen. Siehe: IKK – Kommunale Energieversorgung (Kommunen), Programmnummer 203 = www.kfw.de/203 Siehe: IKU – Kommunale Energieversorgung (Kommunale Unternehmen), Programmnummer 204 = www.kfw.de/204

Die energetischen bzw. energieeffizienten Investitionen selbst lassen sich über die im Folgenden dargestellten Programme finanzieren.

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KfW-Investitionskredit Energieeffiziente Stadtbeleuchtung – Für helle Köpfe

Siehe: Kommunal Investieren Premium – Energieeffiziente Stadtbeleuchtung (Kommunale Unternehmen), Programmnummer 216 = www.kfw.de/216

Energieeffizient Sanieren – Heizen wird teuer: Ziehen Sie sich schon mal warm an!

Die Beleuchtung von Straßen, Parkplätzen und öffentlichen Plätzen verbraucht in Deutschland jährlich etwa vier Milliarden Kilowattstunden Strom. An vielen Orten stammt die Technik noch aus den 1960er Jahren. Eine konsequente Umrüstung würde bundesweit den Verbrauch von 1,7 Milliarden Kilowattstunden vermeiden und den Kommunen 260 Millionen Euro an Energiekosten ersparen. Die KfW fördert mit dem Investitionskredit Energieeffiziente Stadtbeleuchtung die Umrüstung veralteter Beleuchtungstechnik auf Energie sparendere Technologien bei Straßen und Ampelanlagen sowie den Neubau energieeffizienter Beleuchtungssysteme im öffentlichen Raum. Im Rahmen einer solchen Förderung können auch Ladestationen für Elektrofahrzeuge mitfinanziert werden. Siehe: KfW-Investitionskredit Kommunen Premium – Energieeffiziente Stadtbeleuchtung (Kommunen), Programmnummer 215 = www.kfw.de/215

Der günstigste Weg zum warmen Gebäude führt über eine gute Dämmung von Wand und Dach, Isolierglasfenster, ein effizientes Heizsystem und andere energetische Maßnahmen. Der Energieverbrauch eines Gebäudes kann aber auch durch eine effiziente Beleuchtung verbessert werden. Ebenso bringt der Einsatz von Lüftungsanlagen gleich mehrere Vorteile: Neben der Energieeinsparung durch die Wärmerückgewinnung bleibt die Luftqualität immer gut, und auch Allergiker können durch die Filterung der Frischluft profitieren. Das Programm Energieeffizient Sanieren fördert die energetische Sanierung von allen kommunalen Nichtwohngebäuden zum KfW-Effizienzhaus 85 oder 100*. Das zu sanierende Gebäude muss vor 1995 gebaut worden sein. Auch ein Sachverständiger wird gefördert, wenn für ihn keine andere Förderung in Anspruch genommen wurde. *Die Zahl gibt an, wie hoch der Jahresprimärenergiebedarf in Relation (%) zu einem vergleichbaren Neubau nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung sein darf.

Alternativ zu einer Komplettsanierung zum KfW-Effizienzhaus 85 oder 100 können auch Einzelmaßnahmen gefördert werden: – die Wärmedämmung der gesamten thermischen Hülle, z. B. der Außenwände, des Daches oder der obersten Geschossdecke, der Kellerdecke zum kalten Keller – neue Fenster und Eingangstüren – Sonnenschutzeinrichtungen – Lüftungsanlagen – Innenraumbeleuchtung – Heizung, Einbau Steuerungstechnik, hydraulischer Abgleich Siehe: Energieeffizient Sanieren – Kommunen Programmnummer 218 = www.kfw.de/218.

Gemeinsam Werte für die Energieversorgung von Morgen schaffen Von Kai Ostermann – Vorstandsvorsitzender der Deutsche Leasing AG, Bad Homburg v.d. Höhe und Markus Strehle – Vorsitzender der Geschäftsführung der DAL Deutsche Anlagen-Leasing, Wiesbaden Die Energiewende stellt kommunale und kommunalnahe Energieversorger vor besondere Herausforderungen. Vor allem das Thema Dezentralität – viele kleine Anlagen, anstatt weniger großer Kraftwerke – macht neue Investitionsformen sowie Flächen- und Nutzungskonzepte für umweltfreundliche Energieerzeugungsanlagen notwendig. Die Sparkassen-Finanzgruppe als langjähriger Partner kommunaler Versorgungsunternehmen bietet – gemeinsam mit ihrem Verbundunternehmen Deutsche Leasing – alternative Konzepte zur Investitionsbegleitung.

Aufbau grüner Energieproduktionsstätten voranzutreiben, um die Energieversorgung sicherzustellen. Jedoch stehen dieser Entwicklung beschränkte finanzielle Mittel entgegen. Die Handlungsspielräume für die Realisierung notwendiger Investitionen sind oft nicht mehr gegeben, trotz – so das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) – eines Investitionsbedarfs von rund 704 Milliarden Euro für die Jahre 2006 bis 2020.

Sparkassen-Finanzgruppe als Partner der Stadtwerke

Die Energiewende hat erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Notwendige Voraussetzung für den erfolgreichen Umstieg auf nachhaltige Energiekonzepte, ist die Bereitschaft von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.

Solche Herausforderungen verlangen nach ganzheitlichen Lösungsansätzen, in denen die bestehenden Strukturen und die speziellen Anforderungen der kommunalen Versorger berücksichtigt werden müssen. Vor allem bei Finanzdienstleistungen genügt es deshalb nicht, Standardprodukte anzubieten.

Kommunale und kommunalnahe Unternehmen haben dabei die Aufgabe, die Energiewende durch die Investitionen in den

Die Sparkassen-Finanzgruppe hat – genau wie die Stadtwerke – eine lange kommunale Historie und steht mit ihrer

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Projekt- und Strukturierungskompetenz als Partner kommunaler Versorgungsunternehmen längst für mehr als nur Kommunaldarlehen und Kassenkredite. Sie setzt auf nachhaltiges Wirtschaften im Interesse ihrer Kunden. Und die SparkassenFinanzgruppe ist ein stabilisierender regionaler Faktor für die Versorgungsunternehmen in den zunehmend dezentralen Energiemärkten. Um den öffentlichen Kunden Stabilität und eine möglichst breite Palette maßgeschneiderter Produkte anbieten zu können, werden die Sparkassen deshalb vor Ort durch zahlreiche Spezialisten unterstützt. Dazu gehört auch die Deutsche Leasing, die zusammen mit ihrem Tochterunternehmen DAL Deutsche Anlagen-Leasing das Kompetenzzentrum für Mobilien- und Immobilien-Finanzierungslösungen innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe ist. Sie hat den Anspruch, individuelle, ganzheitliche Lösungen für die jeweiligen Bedürfnisse ihrer kommunalen und kommunalnahen Kunden zu entwickeln. Seit mehr als 20 Jahren realisiert die DAL Photovoltaik-, Wind- (On-shore) und Bioenergie-Projekte. Das Angebotsspektrum reicht von der Prüfung auf Förderfähigkeit über die Entwicklung von Finanzierungsstrukturen bis hin zum Arrangement einer Fremdfinanzierung und möglicher Übernahme der Konsortialführerschaft. Ein breites Branchen-Netzwerk an Projektentwicklern, Herstellern, Generalunternehmern und Betreibern unterstützt die DAL dabei.

Chancen für Kommunen durch Bürgerbeteiligungsmodelle Die eigenen Bürger bei der Gestaltung der Energiewende mitzunehmen, beinhaltet für Kommunen etliche Chancen aber auch nicht zu unterschätzende Fallstricke. Positiv zu werten ist das Interesse der Bürger an regionalen Anlagenmöglichkeiten, wie auch an möglichen Einflüssen auf die Energieversorgung. Weiterhin erreichen kommunale Versorger eine hohe Akzeptanz, wenn sie Bürger in eigene Energieprojekte einbinden. So können sich kommunale Versorgungsunternehmen zusätzliche wirtschaftliche Potenziale vor der eigenen Haustür sichern. Dennoch sollten sich die Gebietskörperschaften und regionale Versorger im Klaren darüber sein, bei der Mitgestaltung der Energiewende vielfach Neuland zu betreten und daher aus Bürgerprojekten entstehende Herausforderungen und Risiken auch offen kommunizieren. Dabei gilt: je unmittelbarer eine Kommune den Projektprozess begleitet und je direkter die Einbindung der Bürger ist, umso größer werden auf beiden Seiten die unternehmerischen Risiken.

Insofern ist die Bewertung der Übernahme einzelner Projektschritte auch eine grundsätzliche Entscheidung auf Seite der Kommune. In diesem Zusammenhang kann die DAL, falls von der Kommune gewünscht, Kontakte zu möglichen Partnern herstellen. Ist der konkrete Projektablauf und die Verteilung der Verantwortlichkeiten geregelt, stellt sich die Frage der geeigneten Einbindung von Bürgern. Bei der Überprüfung geeigneter Alternativen bedarf es zunächst einer umfassenden und kritischen Bestandsaufnahme des Projektes selbst, wie aber auch der realistischen Einschätzung der eigenen Ressourcen durch die Kommune bzw. das kommunalnahe Unternehmen. Im Vordergrund steht die Frage: was will und kann ich selbst leisten und was vergebe ich an Spezialisten. Für eine relativ schlanke Abwicklung ohne Projektrisiken bieten sich Öko-Sparkassenbriefe an, deren Einlagen seitens der Sparkassen direkt für die Darlehensvergabe für regenerative Projekte verwendet werden können. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass die Bürger über ihre regionale Sparkasse Anleihen von Energieunternehmen zeichnen. Eine weitere Form der Bürgerbeteiligung besteht in einer Beteiligung am Projekt selbst, über eine Projektgesellschaft. Hier wird zwischen indirekter und direkter Beteiligung an der Projektgesellschaft unterschieden. Bei der indirekten Beteiligung ist einerseits die Vergabe von festverzinslichen Darlehen möglich sowie andererseits die typisch stille Beteiligung an der Gesellschaft mit erfolgsabhängiger Verzinsung. Weiterhin ist eine atypische stille Beteiligung mit direkter Teilhabe an Ergebnis und Wertentwicklung des Projektes möglich. Eine direkte Beteiligung von Bürgern als Gesellschafter an Projektgesellschaften kann als klassisches Fondsmodell oder Genossenschaftsmodell strukturiert werden. Die Anforderungen an diese Strukturen sind jedoch hoch. Bereits im Vorfeld einer Entscheidung hinsichtlich der Gesellschaftsform und möglicher Beteiligter gilt es sich über die Aufgabenstellungen im Klaren zu sein: Wer betreut die Anleger, wer verhandelt mit Vertragspartnern in den verschiedenen Situationen? Wer übernimmt die technische und kaufmännische Betriebsführung? Wie wird die Eigenkapitaleinwerbung und Finanzierung sichergestellt? Wer bewertet die Wirtschaftlichkeit des Projektes? Bereits im Vorfeld sind zeitliche Parameter des Projektablaufs zu überprüfen – und nicht zuletzt: das Thema Repowering bzw. Abbau/Rückbau muss frühzeitig in der Projektkalkulation berücksichtigt werden.

Fazit:

Mögliche Themen und Aufgaben von Kommunen und Regionalen Versorgern im Rahmen von Bürgerbeteiligungsmodellen

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die Energiewende eröffnet kommunalen und kommunalnahen Unternehmen zahlreiche Chancen, aber auch Risiken, Investitionen in erneuerbare Energien umzusetzen. Hierzu empfiehlt es sich, im Vorfeld über die jeweiligen Besonderheiten zu informieren und zu den verschiedenen Themenblöcken die richtigen Partner ins Boot zu holen. Die Sparkassen und ihr Verbundpartner Deutsche Leasing stehen zusammen mit deren Tochterunternehmen DAL Deutsche Anlagen-Leasing bei der Umsetzung solcher Investitionsvorhaben beratend und begleitend zur Seite, insbesondere als Strukturierer und Arrangeur der Gesamtfinanzierung.

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Kommunales Bürgerbeteiligungsmodell bei Windenergieanlagen Von Franz Schonlau – Städtebauliches Projektmanagement, Bayern Grund GmbH, München Die Bayerische Staatsregierung hat mit dem Energiekonzept vom 24.05.2011 den Weg für den Umbau zu einer weitgehend auf Erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung geebnet. Getragen von der technischen Entwicklung der Windkraftanlagen, die mit Nabenhöhen von 140 Metern und Rotordurchmessern von bis zu 120 Metern die Nutzung der Windenergie auch in weiten Teilen Bayerns wirtschaftlich möglich machte, ist eine erstaunliche Entwicklungsdynamik festzustellen. Aufgrund der bauplanungsrechtlichen Privilegierung von Windenenergieanlagen im Außenbereich sind alle Kommunen unter Handlungsdruck Vorrangflächen für Windenergieanlagen auszuweisen, um ihre Planungshoheit bei der Errichtung von Windenergieanlagen durchzusetzen.

Schlüsselrolle der Kommunen Die Zukunft liegt in der dezentralen und regenerativen Energieversorgung darin sind sich Experten einig. Beim Umbau der Energieversorgung kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu, wird auch von den Vertretern der Bayerischen Staatsregierung betont. So klar die Aussagen zur Bedeutung der Kommune bei der Energiewende sind, so vage sind die Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung dieser Rolle. Umso respektabler ist, mit welchem Elan Kommunen mit ihren Bürgern an vielen Projekten arbeiten. Um die Akzeptanz für die Errichtung von Windenergieanlagen zu erhöhen und die teilweise erheblichen Widerstände zu überwinden, werden vielfach Bürgerbeteiligungsmodelle favorisiert. Die Nutzung der finanziellen Ressourcen der Bürger ist durchaus geeignet, die regionale Wertschöpfung zu sichern. Doch wird der Begriff der Bürgerbeteiligung auch für viele Modelle strapaziert, die letztlich von externen Investoren getragen werden und lediglich auch die Beteiligung von Bürgern in mehr oder weniger großen Anteilen zulassen. Ein echtes Bürgerbeteiligungsmodell sollte eine grundlegende Verankerung in der betroffenen Bevölkerung vor Ort finden. Wie weit dann der Kreis der Beteiligten gezogen wird, muss individuell entschieden werden. Garant dieser lokalen Verortung kann nur die Kommune sein. Dies kann von keinem privatwirtschaftlichen Initiator erwartet werden. Bürgerbeteiligung braucht eine maßgebliche Mitwirkung der Kommune, – weil die Kommune die Interessen aller Bürger vertritt, – weil die Kommune Ansprechpartner und potentieller Treiber einer Bürgerbeteiligung ist, – weil die Kommune ihre und die Interessen ihrer Bürger bei der Konzeption von Projekten durchsetzen kann, – weil nur die Kommune Gewähr für die Sicherung der regionalen Wertschöpfung bietet.

Kommunales Bürgerbeteiligungsmodell Das Kommunale Bürgerbeteiligungsmodell der BayernGrund bietet die Möglichkeit für Kommunen gemeinsam mit ihren Bürgern und weiteren gesellschaftlichen Gruppen, wie beispielsweise einer Bürgerenergiegenossenschaft, sowie örtlichen Unternehmen gemeinsam Windenergieanlagen zu betreiben. Kommunen können durch ein eigenes finanzielles Engagement auch die Bürger indirekt beteiligen, die keine finanziellen Mittel zur Beteiligung verfügbar haben. Eine finanzielle Beteiligung der Kommune ist aber nicht Voraussetzung für das Modell. Eine tragende Rolle kann den Stadt- und Ge-

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meindewerken als Beteiligte und technische Betriebsführer zukommen. Wesentliches Merkmal dieses Modells ist die maßgeblich steuernde Rolle der Kommune und/oder ihrer Gemeinde-/Stadtwerke. Das Modell basiert auf der Rechtsform der GmbH & Co. KG, die u.a. folgende Vorteile bietet: – Haftungsbeschränkung der Anleger – Klare Geschäftsführungsstruktur – Geschäftsführer ist vollhaftender Komplementär – Stimmgewichtung entsprechend der Gesellschaftsanteile – Keine Körperschaftssteuer, Freibetrag und Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer – Transparenz und Sicherheit durch Verkaufsprospekt Die Rolle der Kommune und ihrer Gemeinde-/Stadtwerke kann u.a. in einem Gesellschafterbeirat hervorgehoben werden. Die erforderliche Prospekterstellung schafft Transparenz und Sicherheit, da der Prospekt ein Testat eines Wirtschaftsprüfers erhält und von der BaFin gestattet werden muss. Der Verkaufsprospekt bildet die Grundlage für die professionelle Anlageberatung bei Verkauf der Anteile, die sinnvollerweise bei den örtlichen Sparkassen angesiedelt sein sollte, da diese die Grundidee der regionalen Beteiligung in idealer Weise abbilden können.

Abgrenzung zu anderen Rechtsformen Im Vergleich mit anderen Rechtsformen hat sich die GmbH & Co. KG bei der Errichtung von Windenergieanlagen als zweckmäßigste Rechtsform erwiesen. Viele Rechtsformen kommen für Bürgerbeteiligungsmodelle mangels der Möglichkeit, die Haftung der Anleger zu begrenzen, eher nicht in Betracht. Deshalb werden meist die Rechtsformen der Genossenschaft oder der GmbH & Co. KG diskutiert. Leider werden jedoch diese beiden Rechtsformen oftmals nur alternativ gegenüber gestellt ohne ihre spezifischen Vorteile und Kombinationsmöglichkeiten zu beachten. Obwohl die Genossenschaften von der Prospektierungspflicht ausgenommen sind, sollte bei Investitionsvolumen von mehreren Millionen Euro für Windenergieanlagen die Prospektierung auch für Genossenschaften eine Selbstverständlichkeit sein. Die GmbH & Co. KG weist in steuerlicher Hinsicht für die Anleger deutliche Vorteile auf, da sie nicht der Körperschaftssteuer unterliegt, in der Gewerbesteuer Freibeträge geltend machen kann und darüberhinausgehende Anteile der Gewerbesteuer beim Anleger steuermindernd angesetzt werden können. Doch auch aufgrund der klaren Geschäftsführungsstruktur und der bei diesen Investitionsvolumen angemessenen Stimmengewichtung nach Beteiligungshöhe hat sich die GmbH & Co. KG als geeignete Rechtsform für das kommunale Bürgerbeteiligungsmodell herausgestellt. Unabhängig von der Gestaltung der Betreibergesellschaft kommt es auf die Auswahl kompetenter Partner bei der Entwicklung eines Projekts an. Sofern die Kommune über eigene Standorte verfügen kann, muss ein fachkundiges Unternehmen mit der Entwicklung betraut werden. BayernGrund unterstützt die Kommune gerne auch bei der Auswahl dieser Partner. Doch sind durchaus auch Projektentwickler, die über einen Standort verfügen, an einer Zusammenarbeit mit der Kommune und ihren Bürgern interessiert. Auch bei diesen Verhandlungen wird die Kommune von BayernGrund kompetent unterstützt.

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Leistungen der BayernGrund Parallel zur Projektentwicklung erfolgt die Vorbereitung des Bürgerbeteiligungsmodells. Maßgeblich für das Modell ist die Berechnung der zu erwartenden Erträge. Voraussetzung ist, dass nach Berücksichtigung ausreichender Sicherheitsabschläge eine angemessene Rendite für die Anleger zu erwarten ist. BayernGrund übernimmt für die Kommune diese Verfahrensschritte und kümmert sich um die Prospektierung und die Gründung der Gesellschaft. Darüber hinaus ist es im Rahmen des aufsichtsrechtlich zulässigen Engagements der Kommune möglich, Gesellschaftsanteile der Kommune zu finanzieren und damit auch dem Projekt eine Anschubfinanzierung zu geben.

BayernGrund stellt einen gesellschaftsrechtlichen Rahmen für das Bürgerbeteiligungsmodell zur Verfügung und unterstützt die Kommune auch in der Entwicklungsphase mit folgenden Leistungen: – Beratungsleistungen – Vorbereitung der Gesellschaft (Modellrechnung, Vertragsgestaltungen, Prospektierung) – Einbindung technischer, juristischer und betriebswirtschaftlicher Partner – Bereitstellung und Führung der Komplementär-GmbH – Kaufmännische Abwicklung des Geschäftsbetriebs Unabhängig vom Bürgerbeteiligungsmodell kann die Kommune mit dem BayernGrund-Finanzierungsmodell auch entsprechende Projekte finanzieren.

Kommunaler Klimaschutz: Weniger Theorie – mehr Praxis! Mit dem „Kommunalen Energiesparpaket“ unterstützt die BayernFM Kommunen Schritt für Schritt auf dem Weg in die Klimaneutralität.

Von Carolin Frohnauer und Martin Behrends – Beratung + Vertrieb BayernFM, München Die Stichworte steigende Energiekosten, Klimawandel, endliche Ressourcen und neue Chancen für die Regionen zeigen, dass die Energiewende eine der zentralen Herausforderungen und Chancen unserer Zeit ist. Es geht darum, den zukünftigen Energieverbrauch durch baulich/technische Maßnahmen und ein optimiertes Nutzerverhalten zu reduzieren, die Energieerzeugung auf erneuerbare Energiequellen umzustellen und die nicht vermeidbaren CO2-Emissionen durch Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Auf diesem Weg geben die Energiekonzepte von Bund und Ländern die Leitplanken vor. Die konkrete Umsetzung, wirtschaftlich sinnvoller Maßnahmen kann aber nur vor Ort auf der Ebene der einzelnen Akteure und Verbraucher geschehen. Den Kommunen kommt dabei eine Schlüsselstellung als Vorreiter, Rahmengeber, Multiplikator aber vor allem auch Nutznießer der Energiewende zu: Eine Entlastung der Haushalte durch sinkende oder stabilisierte Energiekosten, neue Impulse für die regionale Wirtschaftsentwicklung, neue regionale Finanzkreisläufe, ein positives Image durch einen aktiven Beitrag

zum Klimaschutz sollten Motivation genug sein, das Thema anzupacken.

Papier ist geduldig Wie sollte man den kommunalen Klimaschutz vor Ort anpacken? Nicht empfehlenswert ist es, sich in unabgestimmten Einzelmaßnahmen zu verzetteln. Ein anderer – wegen der Förderung im Rahmen der Klimaschutzinitiative der Bundesregierung – momentan häufiger beschrittener Weg, ist die Erstellung eines kommunalen Klimaschutzkonzeptes. Dieses ermöglicht einen umfassenden Auftakt in den Klimaschutzprozess, hat aber aus unserer Sicht zugleich wesentliche Schwächen: – Die Ergebnisse und Maßnahmen sind i.d.R. zu oberflächlich, zu wenig praxisorientiert und unzureichend auf die tatsächliche (wirtschaftlich sinnvolle) Machbarkeit vor Ort untersucht – Vor einer politischen Entscheidung sind weitere (kostenintensive) Detailanalysen erforderlich – Papier ist geduldig: Die Praxis zeigt, dass nur die wenigsten Maßnahmen umgesetzt werden1

Von der Theorie zur Praxis Vor diesem Hintergrund hat die BayernFM das „Kommunale Energiesparpaket“ entwickelt. Das Konzept zeichnet sich durch eine stufenweise Vorgehensweise, einen hohe Praxisorientierung sowie die Konzentration auf die wesentlichen Themen Energieerzeugung, kommunale Liegenschaften sowie eine Implementierung eines umfassenden Klimaschutzprozesses (European Energy Award – eea® vor Ort aus. Die Vorteile sind: – Ein dauerhafter Klimaschutzprozess ist implementiert – Den Gremien liegen entscheidungsreife und durchgerechnete Maßnahmenvorschläge vor – Werden die Kriterien für den eea® erfüllt, erhält die Kommune eine anerkannte Auszeichnung – ein gutes Argument im Wettbewerb der Regionen Im Baustein „Energieleitplan“ geht es darum, die Energieversorgung an die voraussichtliche Entwicklung des Energiebedarfs und die Ansprüche der Anbieter und Verbraucher vor Ort optimal anzupassen. Dazu wird zunächst der aktuelle

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wie die Einbindung der lokalen Akteure, Mobilität, Kommunikation etc. in den Prozess vor Ort integriert. Das Kommunale Energiesparpaket eignet sich sowohl als umsetzungsorientierter Einstieg in den Klimaschutz als auch als eine ideale Fortführung – von der Theorie in die Praxis – für die Kommunen, die bereits ein klassisches Klimaschutzkonzept vorliegen haben und jetzt konsequent in den Umsetzungsprozess starrten möchten. Eine Förderung der oben genannten Bausteine ist – mit Ausnahme des eea® ist grundsätzlich möglich.

2 : 0 für mehr Klimaschutz

Energieverbrauch erfasst und Szenarien für die zukünftige Verbrauchsentwicklung errechnet. Daneben werden die Potenziale für erneuerbare Energien analysiert. Danach werden wirtschaftlich sinnvolle Projekte ausgewählt und im Rahmen einer ersten Machbarkeitsbetrachtung im Detail analysiert und durchgerechnet. Im Baustein „Kommunale Liegenschaften“ werden die Gebäude baulich-technisch auf Herz und Nieren überprüft, anschließend detaillierte Sanierungskonzepte erarbeitet und ebenfalls in einer ersten Machbarkeitsbetrachtung durchgerechnet. Mit der Implementierung eea®-Prozess wird sichergestellt, dass die Aufgabe Klimaschutz umfassend und dauerhaft in der Kommune verankert wird. Im Rahmen des eea® werden zudem auch alle anderen bedeutsamen Themen

Neben den Kommunen sind auch die Sparkassen vor Ort wichtige Klimaschutz-Akteure. Als Finanzier mit regionalem Hintergrund sollten sie aber nicht nur ein Teil sondern einer der Treiber dieses Wandels sein. Das heißt, auch die eigenen Umweltwirkungen zu minimieren Mit dem Beratungsansatz „Klimaschutzsparkasse“ unterstützt die BayernFM Sparkasseninstitute auf diesem Weg2. Zahlreiche Argumente sprechen für einen aktiven Klimaschutz in der eigenen Region. Nicht zuletzt die folgende Tatsache: Es geht um uns, unseren Lebensstil und die Zukunft unserer Kinder! Anmerkungen: 1 Evaluierungsstudie mit einer Grundgesamtheit von 350 Klimaschutzkonzepten in NRW und 170 in Bayern aus den Jahren 1995 bis 2003. 2 Der Ansatz „Klimaschutzsparkasse“ wurde im Rahmen des Projektes EnergieSparkasse des Sparkassenverbandes Bayern entwickelt.

– Finanzierung – Zinsrisiken: Kommunen mit Bausparen auf der sicheren Seite Von Hermann Litz – Leiter Regionaldirektor Kommunen der LBS Bayern, München Deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise haben einen Investitionsrückstand von knapp 100 Milliarden Euro. Das geht aus dem KfW Kommunalpanel hervor, für das das Deutsche Institut für Urbanistik deutschlandweit rund 2250 Städte, Gemeinden und Landkreise befragt hat. Drei Viertel der Städte und Gemeinden und über die Hälfte der Landkreise nehmen an, dass sich dieser in den nächsten fünf Jahren auch nicht wesentlich verringern wird. Außerdem kommen vor dem Hintergrund der Energiewende zusätzliche Belastungen auf die Kommunen zu. Das derzeit historisch niedrige Zinsniveau wirkt sich positiv aus und entlastet die Haushalte. Gleichzeitig bietet sich die Chance, diesen Vorteil auch für die Zukunft zu sichern – mit kommunalem Bausparen.

Die Zinsen sind niedrig – doch wie lange noch? Diese Frage stellt sich nicht nur privaten Bauherren und Immobilienfinanzierern, sondern auch Kommunen. Angesichts des permanenten Investitionsbedarfs und der häufig sehr angespannten Haushaltslage ist es gerade für Städte, Gemeinden und Landkreise unerlässlich, sich – je nach Zinseinschätzung – zu positionieren. Eine Alternative gibt es ohnehin nicht. Denn auch wer keine Vorsorge trifft, agiert am Kapitalmarkt: Er setzt auf anhaltend niedrige oder sogar fallende Zinsen. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Zinsen in der Zukunft steigen werden, ist es sinnvoll, das derzeit günstige Zinsniveau langfristig zu sichern. Immer mehr Kommunen entdecken dafür das Bausparen als passendes Instrument.

Angesichts erheblicher Zinsänderungsrisiken kommen auch Kommunen nicht an einem systematischen Finanzrisikomanagement vorbei. Neben dem klassischen Kommunaldarlehen lässt sich dazu auch das kommunale Bausparen einsetzen. Zudem können Gemeinden, Landkreise und kommunale Unternehmen auf diesem Weg langfristig von niedrigen Zinsen profitieren – und dennoch flexibel bleiben, wenn sie Neubauten und Modernisierungen von Schulen, Rathäusern oder Kliniken finanzieren müssen.

In Bayern hat das kommunale Bausparen Tradition und fungiert vielerorts bereits als ein bewährtes Instrument zur Finanzierung und Zinssicherung. Die LBS Bayern betreut derzeit eine Bausparsumme von einer Milliarde Euro für Kommunen und kommunalnahe Unternehmen im Freistaat. Seit Jahren nimmt das Interesse zu. Während die Bausparsumme der neu abgeschlossenen Verträge im kommunalen Geschäft der LBS Bayern 2001 noch bei rund 12 Millionen Euro lag, stieg sie bis 2005 auf fast 100 Millionen Euro und hat sich bis heute

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etwa versechzehnfacht. Für die Kommunen ist insbesondere die feste Kalkulationsbasis, die das Bausparen gewährt, ein wichtiges Argument. So lässt sich Zinssicherheit für die gesamte Laufzeit einer Finanzierung bis zur Dauer von 32 Jahren herstellen. Und das mit einem einfachen Produkt, das keiner komplexen Strukturen bedarf. Gleichzeitig bleibt Flexibilität gewahrt: Sondertilgungen sind bei Bauspardarlehen kostenfrei und uneingeschränkt jederzeit möglich. So kann zum Beispiel auch auf sinkende Zinsen reagiert werden. Zudem lässt sich das Bausparen mit anderen Zinssicherungsinstrumenten – etwa Derivaten –, klassischen Kommunaldarlehen oder KfW-Krediten kombinieren. Vor dem Hintergrund der Energiewende spielt das Bausparen für Kommunen und kommunale Unternehmen eine besondere Rolle. Zum einen betrifft dies die regenerative Energieerzeugung. Denn die Erlöse aus dem Betrieb von Wind- und Solarparks unterliegen – je nach Wetterbedingungen – erheblichen Schwankungen. Die Finanzierung solcher Projekte mit Hilfe eines kommunalen Bausparvertrags ermöglicht es, darauf flexibel zu reagieren. In Zeiten mit unerwartet hohen Erlösen aus solchen Energieerzeugungsanlagen sind bei einem Bauspardarlehen im Gegensatz zu einem klassischen Kommunaldarlehen jederzeit kostenfreie Sondertilgungen in unbeschränkter Höhe möglich. So wird das Darlehen früher zurückgeführt und es werden Kosten gespart. Die Erlöse aus der Einspeisevergütung stehen dann schneller für andere Maßnahmen zur Verfügung. Neben der Energieerzeugung steht auch das Energiesparen im Fokus. In diesem Zusammenhang stellt die Energiewende die Kommunen vor Herausforderungen. Denn sie müssen mit erheblichen Investitionskosten für ihre Infrastruktur rechnen. In Bayern zum Beispiel sind etwa 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs dem Gebäudesektor zuzuordnen. Den Kommunen als größten Immobilieneigentümern in Deutschland kommt deshalb bei der effizienten Energienutzung eine besondere Bedeutung zu. Viele kommunale Gebäude wie Rathäuser, Kindergärten, Schulen, Seniorenheime und Krankenhäuser verbrauchen ein Mehrfaches der Energie eines Neubaus. Den Immobilienbestand energetisch zu modernisieren, erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Gerade hierbei bietet die Kombinierbarkeit des Bausparens mit öffentlichen Förderprogrammen große Chancen. Mitunter bieten Förderbanken, so zum Beispiel in Bayern die BayernLabo als Förderbank des Freistaats Bayern, kommunale Finanzierungen für energetische Gebäudesanierungen mit null Prozent Zin-

sen in den ersten zehn Jahren. Dann aber ist eine Anschlussfinanzierung erforderlich, wenn der Kredit zum Anpassungstermin nicht komplett zurückgeführt werden kann. Gegen das dadurch entstehende Zinsänderungsrisiko können sich Kommunen absichern, indem sie die Finanzierung mit einem Bausparvertrag kombinieren. Dann kann im Anschluss an das Förderdarlehen ein günstiges Bauspardarlehen in Anspruch genommen werden. Das ermöglicht es, das derzeit historisch niedrige Zinsniveau für die Dauer der Gesamtfinanzierung zu sichern. Die maximalen Gesamtkosten und die sich für die gesamte Laufzeit des Kredits ergebenden Belastungen sind für die Kommune von Anfang an kalkulierbar. Und falls die Zinsen zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zinsfestschreibung des Förderkredits unter dem bereits heute garantierten Bauspardarlehenszins liegen sollten, besteht keine Verpflichtung, das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Dadurch kann die Kommune zusätzlich noch Geld sparen. Das kommunale Bausparen eignet sich für eine Vielzahl von Vorhaben. So kann die Erschließung von Wohngebieten ebenso finanziert werden, wie die Modernisierung von öffentlichen Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern und Altenheimen. Die Vorteile lassen sich nicht nur nutzen, wenn eine Finanzierung für ein Projekt unmittelbar ansteht. Auch für zukünftige Investitionen, die im Rahmen der mittelfristigen Haushaltsplanung vorgesehen sind, kann per Bausparvertrag der kapitalmarktunabhängige Zins gesichert werden. Kein anderes Finanzierungsinstrument bietet diesen Vorteil. Mit Blick auf das aktuelle Zinsniveau ist der Zinsnachteil während der Ansparphase gegenüber alternativen Geldanlagen besonders gering. Zugleich erscheint es hochattraktiv, das historisch niedrige Zinsniveau möglichst lange in die Zukunft fortzuschreiben. „Die teils angespannte Haushaltslage der Kommunen erfordert es, Belastungen durch Zins- und Tilgungsleistungen für Kredite auf mehrere Jahre hinaus möglichst genau zu planen. Dafür ist ein Bausparvertrag ein ideales Instrument, das es zudem erlaubt, das derzeit historisch niedrige Zinsniveau auf viele Jahre zu sichern“, erklärt Hermann Litz, Leiter des Kommunalgeschäfts bei der LBS Bayern. „Als Bausparkasse der Sparkassen verfügen wir über eine natürlich gegebene Verbindung zu den öffentlichen Haushalten und sehen es als eine wichtige Aufgabe an, nicht nur die Bevölkerung bei privaten Neubau- und Modernisierungsprojekten zu unterstützen, sondern auch den Kommunen als zuverlässiger Finanzierungspartner zur Seite zu stehen“, so Hermann Litz.

Rahmenbedingungen für die Finanzierung der öffentlichen Hand Von Matthias Wohltmann – Beigeordneter für Öffentliche Finanzen, Daseinsvorsorge und Sparkassenwesen Deutscher Landkreistag, Berlin „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ Gelegentlich sollte man sich an dieses alte Sprichwort erinnern, wenn wieder einmal hektisch und aufgeregt über Sachverhalte oder zukünftige Ereignisse, die alles verändern und neue, große Herausforderungen bringen werden, gesprochen wird. Oft lösen sich diese Diskussionen schnell von dem Gesamtkontext und gewinnen rasch eine Eigendynamik, die sich bei näherem Hinsehen doch deutlich relativiert. Exemplarisch für eine solche Debatte ist etwa die erst vor kurzem geführte aufgeregte Diskussion um die kommunale Bettensteuer, die in verschiedenen (Groß-)Städten eingeführt

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worden ist. Recht schnell wurden hier in den zahlreichen Veröffentlichungen und Presseartikeln die wachsenden Sozialausgaben der Kommunen als eigentliche Triebfeder der Einführung identifiziert. Kritiklos wurde diese Verknüpfung von vielen übernommen. Bei einem näheren Blick auf die quantitativen Dimensionen – die gesamten örtlichen Aufwand- und Verbrauchsteuern machen gerade einmal 0,33 % der gesamten kommunalen Einnahmen aus; bezogen auf die kommunale Bettensteuer bewegt man sich noch nicht einmal mehr im Promillebereich – muss einem jedoch unmittelbar klar werden, auf welch‘ tönernen Füßen diese Verbindung steht. Bei den im Moment v.a. mit Blick auf Basel III und die Griechen-

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land-Krise von verschiedenen Seiten zu hörenden Kassandrarufen zur Kommunalfinanzierung unter veränderten Rahmenbedingungen beschleicht einen manchmal ein ähnlicher Eindruck. Notwendig ist deshalb ein nüchterner Blick, was sich tatsächlich ändert und was nicht.

Weitgehend unveränderte Rahmenbedingungen im kommunalen Finanzsystem Wird zunächst auf das kommunale Einnahmesystem geblickt, so ist festzustellen, dass sich in den systematischen Grundzügen nichts verändert. Maßgebliche Finanzierungsquelle der Kommunen bleiben die kommunalen Steuereinnahmen und die in und außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs fließenden Zuweisungen der Länder. Zusammen mit den Gebühren und Beiträgen sowie den privatrechtlichen Erträgen und Entgelten aus der Nutzung oder der Veräußerung von Vermögen decken sie über 95 % der kommunalen Einnahmen ab. Für die kommenden Jahre geht die aktuelle Steuerschätzung von weiterhin deutlich steigenden Steuereinnahmen aus, auf deren Basis der Stabilitätsrat der kommunalen Ebene ab dem Jahr 2012 sogar Finanzierungsüberschüsse voraussagt. Auf der Ausgabeseite ist zudem auf die in der Gemeindefinanzkommission verabredete vollständige Übernahme der Finanzierungslasten durch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund hinzuweisen. Sie entlastet in der vollen Jahreswirkung die Kommunalhaushalte um mehr als 4 Mr. Euro jährlich – angesichts der Dynamik der Grundsicherung im Alter mit steigender Tendenz. Ansonsten sind auch hier die Rahmenbedingungen stabil. Über veränderte Rahmenbedingungen wird allerdings derzeit im Bereich der öffentlichen Schuldaufnahme diskutiert. Sie betreffen aber nicht die gesamte Kommunalfinanzierung, sondern mit den kommunalen Krediteinnahmen gerade einmal 3,9 % der gesamten kommunalen Jahreseinnahmen. Insgesamt sind dabei zwei Stränge zu unterscheiden, die allerdings z.T. ineinandergreifen: Dabei handelt es sich zum einen um die Folgen von Basel III und seiner europäischen Umsetzung sowie zum anderen um die Folgen der Griechenland-Krise.

Basel III und seine europäische Umsetzung Als Konsequenz aus der Finanzmarktkrise wird derzeit das bankenaufsichtliche Regelwerk neu gefasst. Ein wesentlicher Baustein dazu sind die Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht („Basel III“), die nun stufenweise von 2012 bis 2018 umgesetzt werden sollen. Zur Umsetzung in das europäische Recht hatte die EU-Kommission bereits im Juli 2011 ein Gesetzespaket, bestehend aus einem Richtlinienentwurf (KOM/2011/453) und einem Verordnungsentwurf (KOM/2011/452), angenommen, zu dem der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament (ECON) am 14.5.2012 mit dem fast einstimmig angenommenen Bericht des österreichischen Abgeordneten Karas ausführlich Stellung genommen hat. Parallel dazu wurde im Europäischen Rat verhandelt und eine Einigung erzielt. Die Abstimmung im Plenum im Parlament ist nunmehr für den 3.7.2012 geplant. Alle Parteien sind bestrebt, die TrilogVerhandlungen bis zu diesem Termin abzuschließen, um das CRD IV-Paket noch vor der Sommerpause final zu verabschieden und damit die EU als Vorreiter bei der Umsetzung der G20-Beschlüsse zu platzieren. Die EU-Kommission hatte in ihrem an alle Kreditinstitute gerichteten Vorschlag die Empfehlungen des Baseler Ausschusses weitgehend übernommen, die für international tätige

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Banken formuliert wurden. Entsprechend sieht der Vorschlag der Kommission für die von den Banken vorzuhaltenden Eigenmittel quantitativ und qualitativ höhere Anforderungen vor und enthielt harmonisierte Regeln für die vorzunehmenden Abzüge vom Eigenkapital. Forderungen der Kreditinstitute und Wertpapierfirmen an Gebietskörperschaften können weiterhin in derselben Weise behandelt werden wie Forderungen an den Zentralstaat. In Deutschland bleibt es für die kommunale Ebene somit bei der zur sog. „Nullanrechnung“. Um die kurzfristige Resilienz des Liquiditätsrisikoprofils der Finanzinstitute zu verbessern, schlägt die Kommission die Einführung einer Liquiditätsdeckungsquote vor, über deren genaue Zusammensetzung und Kalibrierung nach Ablauf einer Beobachtungs- und Prüfungsphase im Jahr 2015 entschieden werden soll. Damit die Verschuldung in den Bilanzen der Kreditinstitute und Wertpapierfirmen nicht ausufert, schlägt die Kommission zudem die Einführung einer der aufsichtlichen Überprüfung unterliegenden Verschuldungsquote vor (Leverage Ratio). Bevor diese dann am 1.1.2018 möglicherweise verbindlich wird, sollen jedoch ihre Auswirkungen genauestens geprüft werden.

Erfolgreiche kommunale Verbesserungen Aus kommunaler Sicht wurde dieses alle Kreditinstitute – unabhängig von der Risikolastigkeit ihres Geschäftsmodells – über einen Kamm scherende Reformvorhaben kritisiert. Basel III wurde für große international tätige Banken entwickelt. Die undifferenzierte Umsetzung dieses Regelwerks auf alle Institute in Europa wird der unterschiedlichen Größe und den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Risiken der Institute nicht gerecht und ist der falsche Weg, um die notwendigen Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Auch wenn der europäische Umsetzungsvorschlag bereits eine Reihe von begrüßenswerten Änderungen im Vergleich zu den Empfehlungen des Baseler Ausschusses enthält, bestand hier für die Kommunen nach wie vor Nachbesserungsbedarf. Bei der Kapitaldefinition in Art. 25 CRR konnte nun erreicht werden, dass die Sparkassen ausdrücklich aufgenommen werden. Damit ist klar, dass nicht nur Aktien und Gewinnrücklagen als Eigenkapital anerkannt werden, sondern alle anderen Eigenkapitalformen, die die aufgestellten Kriterien erfüllen. Damit wird Benachteiligung bestimmter Rechtsformen vermieden. Mit der expliziten Aufnahme der Sparkassen ist es gelungen, dass Instrumente des harten Kernkapitals der Sparkassen, die nicht Aktien sind, auch künftig als regulatorisches Eigenkapital der höchsten Stufe anerkannt werden (Common Equity Tier 1). Voraussetzung ist weiterhin, dass sie den aufgestellten Prinzipien gerecht werden. Aufgrund der rechtsformneutralen Ausgestaltung der Regelung des Art. 24 CRR ist zudem für Sparkassen und Landesbanken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft sichergestellt, dass sie – bei Erfüllung der Kriterien – auch künftig z.B. stille Einlagen als hartes Kernkapital anrechnen können. Zum anderen wäre für alle Sparkassen gewährleistet, dass unter Beachtung der Sparkassengesetze Kapitalinstrumente begeben werden können, die dann anerkannt sind. Auch die EU-Finanzminister haben sich sowohl für eine rechtsformneutrale Ausgestaltung als auch die explizite Aufnahme von Sparkassen in Art. 25 ausgesprochen. Damit wird einer wichtigen Position der Kommunen entsprochen. Als äußerst problematisch wurde von den kommunalen Spitzenverbänden darüber hinaus die zunächst vorgesehene Regelung der Anrechnung der indirekten bzw. direkten Finanzbeteiligungen auf das Kernkapital gesehen. Zwar war in dem

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europäischen Regelwerk eine Ausnahme für Verbände mit Institutssicherungssystemen vorgesehen. Zusätzlich wurde aber konzerngleich eine konsolidierte Bilanz sowie ein System des Liquiditätsausgleichs gefordert, was dazu geführt hätte, dass die Sparkassen die bei den Regionalverbänden gehaltenen Verbundbeteiligungen von dem Eigenkapital abziehen müssten. Folge wäre ein Wegfall von bundesdurchschnittlich 20 % des belastbaren Eigenkapitals der Sparkassen gewesen, die zusammen mit den Landesbanken der bei den Städten und Gemeinden ca. 50 % und im Landkreisbereich sogar rund 80 % des Kommunalkreditvolumens bedienen. Der Berichterstatter im Europäischen Parlament Karas hatte indes im Rahmen eines am Vorabend zur Sitzung des Präsidiums des Deutschen Landkreistages am 7./8.3.2012 geführten Gesprächs am 6.3.2012 signalisiert, diesen Kritikpunkt aufgreifen zu wollen. Die Ausnahme vom Abzug mittelbarer Beteiligungen (Art. 46 Abs. 3 CRR) wurde tatsächlich in von den kommunalen Spitzenverbänden und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband vorgetragenen Sinne vorgenommen. Entsprechend wurden die Regelungen für den Liquiditätsausgleich im Verbund angepasst sowie eine aggregierte Bilanzierung akzeptiert. Der Kompromiss im ECON sieht nun – analog zu den Regelungen für die Nullanrechnung verbundinterner Forderungen gemäß Art. 108 Abs. 7 CRR – vor, dass anstatt einer Vollkonsolidierung auch eine aggregierte Rechnung erbracht werden kann. Dies gilt sowohl für die Erstellung einer Bilanz für die Mitglieder des Haftungsverbundes als auch für den Nachweis, dass innerhalb des Verbundes keine Doppelbelegung von Eigenkapital stattfindet. Das Bundesministerium der Finanzen hat im Rat durchgesetzt, dass die zusätzlich in Art. 46 Abs. 3 enthaltene Anforderung eines Liquiditätsausgleichs im Verbund (Cash-Clearing) gänzlich gestrichen wurde (das Parlament hat hier Änderungen im kommunalen Sinn vorgenommen). Zudem wurde ein Erwägungsgrund auf-

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genommen, der bei Verbundstrukturen die Aggregation einer Konsolidierung gleichstellt. Weiterhin zu kritisieren war aus kommunaler Sicht die geplante Einführung des Leverage Ratio, auch wenn sie zunächst nur als nicht-veröffentlichungspflichtige Beobachtungskennziffer Anwendung finden soll. Basel III ändert wie geschildert zwar formal nichts an der Nullgewichtung für Kredite an deutsche Kommunen. Kommunalkredite haben aber – je nach Anbieter und seiner Geschäftsausrichtung in einem unterschiedlichen Ausmaß – nur dann eine Chance, ins (durch die Kennziffer limitierte) Portfolio aufgenommen zu werden, wenn die Renditen der Kreditinstitute deutlich erhöht oder aber die Kommunalkredite mit zusätzlichem Eigenkapital unterlegt werden. Damit wird aber die Nullanrechnung faktisch ausgehebelt. In beiden Konstellationen kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung der Kommunalkreditkonditionen. Erst 2018 sollte nach den ursprünglichen Plänen entschieden werden, ob die zunächst als Beobachtungskennzahl beabsichtigte Größe durch einen Legislativvorschlag zur Einführung einer verbindlichen Mindestquote ergänzt werden soll (Artikel 482 Abs. 1).Für die Kommunen ist aber nicht der Status der Kennziffer entscheidend. Wichtig ist, welche Wirkungen sie auf den Märkten entfaltet. Hier ist zu beobachten, dass die Kennziffer schon jetzt zu einem Teilrückzug der Banken aus dem Kommunalkreditgeschäft führt. Dies dürfte sich fortsetzen. Die kommunalen Spitzenverbände haben deshalb bei allen Gesprächen nachdrücklich auf die Gefahr hingewiesen, dass mit den derzeitigen Kommissionvorschlägen das risikolose und margenarme Kreditgeschäft wie der Kommunalkredit durch renditeträchtigere, aber auch riskantere Geschäfte der Banken ersetzt wird. Gefordert wurde, im Rahmen der Umsetzung von Basel III auf europäischer Ebene für eine risikoorientierte Modifizierung der Kennziffer „Leverage Ratio“ zu werben oder alternativ nullgewichtete Kredite aus-

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drücklich von der Kennziffer auszunehmen. Eine dauerhafte Fortführung der Kennziffer als Beobachtungskennziffer wurde lediglich eine second best-Lösung angesehen. Auch hier ist trotz des aufgrund der Griechenland-Krise nicht einfachen Umfelds zumindest ein kommunaler Teilerfolg festzustellen. So spricht sich ECON-Ausschuss des EU-Parlaments in dem neu eingeführten Erwägungsgrund 78c der CRR für die Einführung einer differenzierten leverage ratio aus und kommt damit der kommunalen Mindestforderung nach. Konkretisiert wird dies durch einen Vorschlag in Art. 482 CRR, in dem EBA mit der Prüfung einer nach Geschäftsmodellen und Risikoprofilen differenzierten Höhe der leverage ratio (in den Stufen 1,5 %, 3 % und 5 %) beauftragt wird. Art. 482 Abs. 3 Buchstabe a (iii) CRR erwähnt in diesem Zusammenhang explizit „municipal loans“. Zeithorizont für die EBA ist Oktober 2016. An den Parametern der leverage ratio erfolgen hingegen keine grundlegenden Änderungen. Auch der Europäische Rat spricht sich in Erwägungsgrund 69 der CRR dafür aus, bei der Kalibrierung und Überprüfung der leverage ratio ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen auf bestimmte risikoarme Geschäfte bzw. Geschäftsmodelle zu legen: „When reviewing the impact of the leverage ratio on different business models, particular attention should be paid to business models which are considered to entail low risk, such as mortgage lending and specialised lending with regional governments, local authorities or public sector entities.“ Auch die Liquiditäts- und Refinanzierungsvorschriften passen nicht zu den kleinen und mittleren Instituten. Sie fußen auf Beobachtungen in der Krise, insbesondere bei großen kapitalmarktorientierten Instituten. Diese Vorschriften sind für die Bilanzstruktur kleiner regional agierender Institute unpassend und wirken eher destabilisierend. Daher müssen diese Vorschriften durch eine Verbreiterung des Liquiditätspuffers (Diversifizierung) auf das Geschäftsmodell kleiner Institute angepasst werden, um ihre Wirkung zu entfalten. Kredite an öffentliche Gebietskörperschaften sollten zudem als hochliquide Aktiva (Level 2 Assets) im Sinne der Liquidity Coverage Ration (LCR) bewertet werden. Wenn die ursprünglichen Anforderungen aus Basel III mit unverminderter Wucht auf die Kreditinstitute hätten angewandt werden müssten, hätte dies zur Folge, dass nicht nur der Kommunalkredit betroffen sein wird. Auch die Kredite an Unternehmer (insb. den Mittelstand) würden sich verringern, zumindest aber deutlich teurer werden. Da die Sparkassen 25 % Marktanteil an Mittelstandkrediten haben (mit Landesbanken zusammen über 42 %), würden diese Einschnitte den Mittelstand (insbesondere in der Fläche) besonders betreffen. Es war deshalb aus kommunaler Sicht – im Übrigen auch aus Verlusterfahrungen heraus – erforderlich, das Risikogewicht und damit die Eigenkapitalunterlegung für Mittelstandkredite an das tatsächliche Risiko anzupassen und abzusenken. Der Berichterstatter Karas selbst formulierte hierzu Änderungsanträge, die von den kommunalen Spitzenverbänden unterstützt wurden. Das Risikogewicht für Mittelstandkredite soll nun nach den Vorstellungen aus dem ECON um den Faktor 76,19 abgesenkt werden. Es bleibe damit beim Niveau von Basel II. Der ursprüngliche Verordnungsentwurf der EU-Kommission sah vor, das Risikogewicht für KMU im IRBA und KSA (für letzteren Ansatz aktuell 75 % Risikogewicht im Mengengeschäft) zu überprüfen. Die Kompromissentscheidung im ECON sieht nun vor, das Risikogewicht von 75 % um den Faktor 76,19 % auf effektiv 57,14 % effektiv abzusenken. Diese gilt allerdings nur für die KMU innerhalb der Forderungsklasse Mengengeschäft. Das Risikogewicht für Privatkunden bliebe un-

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verändert bei 75%. Der Kompromiss sieht explizit vor, dass Handwerker und Freiberufler als KMU gelten. Weiterhin sieht der Kompromissvorschlag vor, die Grenze für das Mengengeschäftsportfolio insgesamt von 1 Mio. auf 2 Mio. Euro anzuheben. Der Rat will zunächst abwarten, zu welchen Ergebnissen die EBA kommt. Sie führt aktuell Datenanalysen durch, um empirisch zu untermauern, dass eine Absenkung des Risikogewichts gerechtfertigt ist. Die Bundesbank unterstützt dieses Vorhaben. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat mit ihren anonymisiert zur Verfügung gestellten Daten wesentlichen Anteil an der Solidität der Ergebnisse. Die Analyseergebnisse sollen bis Juni 2012 vorliegen. Sollte die EBA dennoch zu dem Schluss kommen, dass eine Absenkung des Risikogewichts aufgrund der Analyseergebnisse nicht gerechtfertigt ist, könnte der ECON-Kompromiss zunächst wieder in Frage gestellt werden. Schließlich konnte auch hinsichtlich der Rolle der EBA ein Erfolg erzielt werden. Die kommunalen Spitzenverbände hatten gefordert, dass die bankaufsichtlichen Standards der EBA keine unmittelbare Wirkung für kleine und mittlere Institute entfalten sollten. Die Standards orientierten sich an der Regulierung internationaler Banken und seien daher für kleine Institute und ihr Geschäftsmodell nicht angemessen. Daher sollten bankaufsichtliche Standards für kleine Institute nach wie vor von den nationalen Aufsichtsbehörden erlassen werden. Der ECON Ausschuss fordert zumindest nunmehr ausdrücklich, bei Auslegungen der Regelungen durch die europäische Bankaufsichtsbehörde EBA eine stärkere Differenzierung nach Geschäftsmodellen und Unternehmensformen vorzunehmen. Das Parlament verlangt, dass die EBA bei ihren technischen Standards die Spezifika von Regionalinstituten (stärker) berücksichtigt. Allerdings ist dies als generelle Forderung formuliert, ohne dass spezifische Erleichterungen vorgesehen sind. Hier bleibt abzuwarten, wie die EBA diese Forderung in der Praxis umsetzt. Im Ergebnis könnte die europäische Umsetzung von Basel III zwar durchaus zu einer Verknappung des Angebots an Kommunalkrediten führen. Ob sie eintrifft und wie hoch sie dann ausfällt, hängt von der endgültigen Ausgestaltung des Regelwerks sowie den Reaktionen der Marktteilnehmer ab. Mit der Entscheidung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) hat das EU-Parlament seine Verhandlungsposition festgelegt. Es ist als Erfolg zu werten, dass die Positionen der kommunalen Spitzenverbände und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in wichtigen Punkten bei den Ausschussmitgliedern durchgesetzt werden konnten. Auch der Europäische Rat hat mit der erzielten allgemeinen Ausrichtung seine Position festgelegt und wesentliche Punkte im Sinne der Kommunen aufgenommen. Nunmehr beginnen die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament und es bleibt abzuwarten, in welcher Weise die Positionen zusammengeführt werden. Festzuhalten ist aber bereits jetzt eines: Basel III erfordert weder eine Risikodifferenzierung in der kommunalen Kreditvergabe noch zwingend die Nutzung alternativer Finanzierungsinstrumente. Natürlich sind die Kommunen aber offen für neue Finanzierungsinstrumente, soweit sie sich insbesondere mit Blick auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als realistische Alternative zum Kommunalkredit erweisen.

Folgen der Griechenlandkrise Neben Basel III schimmert bei den Diskussionen um die veränderten Rahmenbedingungen der kommunalen Schuld-

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aufnahme immer wieder auch das Stichwort „Griechenland“ durch. Zwar wolle man ja nicht die deutschen Kommunen mit Griechenland vergleichen und beileibe nicht die Kreditwürdigkeit der Kommunen in Frage stellen. Aber der Fall Griechenland habe grundsätzlich misstrauisch gemacht und dazu geführt, dass bislang undenkbare Szenarien wie etwa ein kommunaler Zahlungsausfall als möglich durchspielt werden. Unterstützend wird meist auf einzelne Kommunen sowie allgemein auf die Entwicklung der kommunalen Kassenkredite (Stand 31.12.2011: 45 Mrd. Euro) verwiesen.

Kommunale Positionierung Betrachtet man die Zahlen zur Entwicklung der öffentlichen Schulden in Deutschland, so zeigen diese, dass sich die Verschuldung der kommunalen Ebene mit griechischen Verhältnissen überhaupt nicht vergleichen lässt und sie im Vergleich zur Verschuldung von Bund und Ländern mit deutlich geringeren Zuwachsraten verlaufen ist. Das am 18.4.2012 vom Bundeskabinett gebilligte Deutsche Stabilitätsprogramm 2012 weist aus, dass die Kommunen bereits im vergangenen Jahr zur deutschen Defizitquote nach den Maastricht-Kriterien einen negativen Beitrag – sprich einen Überschuss – beigetragen haben. Grund dafür ist das restriktivere kommunale Haushaltsrecht, dass die kommunale Schuldaufnahme nur für investive Zwecke zulässt und sie in allen Bundesländern einem staatlichen Genehmigungsvorbehalt unterwirft, der ausdrücklich auf die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune abstellt. Anders als bei Bund und Ländern existiert auf kommunaler Ebene seit Jahrzehnten schon eine Schuldenbremse, die die Kreditfinanzierung laufender Ausgaben unterbindet. Allerdings hat sich seit Beginn dieses Jahrtausends in verschiedenen Bundesländern das Volumen der eigentlich nur zur unterjährigen Überbrückung von Liquiditätslücken aufgrund des unterschiedlichen zeitlichen Anfalls von Einnahmen aus und Ausgaben zulässigen Kassenkredite sehr exponentiell entwickelt. Auch in anderer Hinsicht hinken die zu Griechenland gezogenen Vergleiche gewaltig. Anders als bei den deutschen Kommunen gab es im Fall Griechenland eben keinen Haftungsverbund, in den das Land eingebettet war. Die ganzen Diskussionen in den vergangenen Monaten über ESM u.ä. wurden ja gerade aus diesem Grund geführt. Ganz anders stellt sich aber die Situation für die deutschen Kommunen dar, die seit jeher verfassungsrechtlich abgesichert in das bundesdeutsche Finanzausgleichssystem eingebunden sind. Angesprochen sind damit zum einen auf der Bund-LänderEbene das bündische Prinzip, welches nach der Rechtsprechung des obersten deutschen Verfassungsgerichts gerade in Fällen von Haushaltsnotlagen greift (BVerGE 86, 148) und somit als zusätzliche Absicherung des Kreditrisikos einzustufen ist, und zum anderen der durch Art. 28 Abs. 2 GG manifestierte und auf Länderebene verfassungsrechtlich ebenfalls abgesicherte Finanzausstattungsanspruch. Danach sind alle Länder verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, eine aufgabenangemessene Finanzausstattung und die Wahrnehmung zumindest eines Mindestmaßes an freiwilliger Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. In kreditwirtschaftlichen Kreisen hört man oft relativierend, die Einstandspflicht der Länder i.S. einer finanziellen Mindestausstattung und einer darüber hinausgehend von der Leistungsfähigkeit des Landes abhängigen verteilungssymmetrischen Finanzausstattung werde politisch unterschiedlich beurteilt und könne deshalb nicht als „hartes“ Argument herhalten. Dies ist unzutreffend und wird auch nicht dem

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Stellenwert verfassungsrechtlicher Gebote gerecht. Verfassungsrecht ist kein „soft law“! Inhaltlich ist zudem nicht der kommunale Finanzausstattungsanspruch an das Land an sich umstritten; er ist dem Grunde nach anerkannt und wird auch von allen Landesverfassungsgerichten bestätigt. Strittig wird lediglich diskutiert, ab welcher Grenze dieser Anspruch justiziabel durchsetzbar greift. Mit der Entscheidung des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 14.2.2012 wurde nun aber erstmals auch ausdrücklich eine quantitative Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf angemessene kommunale Finanzausstattung feststellt und dem Land aufgegeben, einen spürbaren Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise zu leisten. Bis dahin hatten sich die Landesverfassungsgerichte und Staatsgerichtshöfe in ihren Entscheidungsgründen mehr auf prozedurale Gesichtspunkte oder aber Fragen der Transparenz bezogen und die schlussendliche Feststellung einer quantitativen Verletzung des Finanzausstattungsgebots eher gescheut, wenn sie die Verfassungswidrigkeit eines Finanzausgleichsgesetzes oder eines seiner Bestandteile festgestellt haben. Mit dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat nun erstmals ein Landesverfassungsgericht dem Land als Verantwortlichen für die Finanzausstattung der Kommunen ausdrücklich aufgegeben, substanziell finanziell – z.B. durch Verbreiterung der Verbundmasse oder Erhöhung des Verbundsatzes – nachzubessern. Dabei habe sich das Land an der Steigerung der Soziallasten zu orientieren und im Ergebnis die Wahrnehmung nicht kreditfinanzierter Selbstverwaltungsaufgaben zu ermöglichen. Der Verfassungsgerichtshof stellt zudem explizit heraus, dass dem sich nicht entgegenhalten halte, dass die Aufgaben im Bereich der sozialen Sicherung ganz überwiegend nicht aus Landes- sondern aus Bundegesetzen folgen würden. Die Einstandspflicht des Landes für seine Kommunen könne nicht mit Hinweis auf nötige Kostenerstattungen durch den Bund verneint werden. Vielmehr seien diese im vorliegenden zweistufigen Staatsaufbau von vornherein ausgeschlossen. Es bestehe stattdessen eine Mitverantwortung des Landes für die Finanzierung der signifikant hohen Sozialausgaben. Das Land sei zudem verpflichtet, die finanziellen Belange seiner Kommunen auf Bundesebene als eigene zu wahren und durchzusetzen. Die Entscheidung des VerfGH Rheinland-Pfalz belegt, dass das Verfassungsrecht kein „soft law“ ist. Sie setzt zudem einen klaren Kontrapunkt zu den Befürchtungen, dass die Länder infolge der Schuldenbremse die Bemessung des kommunalen Finanzausgleichs in den kommenden Jahren deutlich zusammenkürzen können und werden. Nicht nur die aktuelle Entscheidung des VerfGH Rheinland-Pfalz steht dem entgegen, da auch die früheren landesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen bereits deutlich einer einseitigen Finanzverteilungspolitik zu Lasten der Kommunen eine Absage erteilten. Im Übrigen zeigen auch die in den vergangenen Monaten in einer Vielzahl von Ländern etablierten kommunalen Entschuldungsfonds und -programme, dass die Länder sich durchaus ihrer Verantwortung für die Kommunalfinanzen bewusst sind und diese auch ernst nehmen. Angesichts der seit Jahren bestehenden strukturellen Schieflagen sowie der weiteren Finanzaussichten muss nämlich auch eine Lösung für die über die Jahre aufgelaufenen Altfehlbeträge und damit für das Problem der kumulierten Kassenkreditbestände gefunden werden. Eine Korrektur, die die Strukturen für die Zukunft neu ausrichtet, reicht allein nicht aus. Ohne Bewältigung des Kas-

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senkreditproblems würden die bislang defizitären Kommunen in Gefahr laufen, auch weiterhin in einer „Vergeblichkeitsfalle“ gefangen zu bleiben. Hierfür muss deshalb eine gesonderte Lösung gesucht werden. In der Pflicht stehen auch hier vor allem die Länder. Gesonderte Maßnahmen zur kommunalen Entschuldung sind mittlerweile in Hessen („Kommunaler Schutzschirm“), Mecklenburg-Vorpommern („Kommunaler Konsolidierungsfonds“), Niedersachsen („Zukunftsvertrag – Entschuldungsfonds“), Nordrhein-Westfalen („Stärkungspakt Stadtfinanzen“), Rheinland-Pfalz („Kommunaler Entschuldungsfonds“), SachsenAnhalt („STARK II“) und in Schleswig-Holstein („Konsolidierungshilfen“) geschaffen worden. I.d.R. setzen sie an einen Abbau der Kassenkreditbestände (Ausnahmen: Der „Kommunale Schutzschirm“ umfasst auch Kreditmarktschulden; bei „STARK II“ stehen nur die normalen Kreditmarktschulden im Fokus) an und verpflichten die (freiwillig) teilnehmenden Städte, Landkreise und Gemeinden (der „Stärkungspakt

Stadtfinanzen“ steht nur den Städten und Gemeinden offen) mittels Konsolidierungsvereinbarungen oder -auflagen zu zusätzlichen eigenen Sparanstrengungen. Daneben wird in der überwiegenden Zahl der Länder die kommunale Solidargemeinschaft über eine entsprechende Entnahme aus dem kommunalen Finanzausgleich bei der Gewährung der Finanzhilfen oder der Ablösung des Fonds herangezogen (Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein). Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Kommunen sind daher grundlos und völlig unberechtigt. Von kommunaler Seite wird daher allen – letztlich auf eine Margenverbesserung gerichteten - Bestrebungen, die von Basel III unangetastete Nullgewichtung der Kommunen zu umgehen und bei der kommunalen Kreditvergabe scheinbar eine unterschiedliche Bonität signalisierende Ratings einzuführen, eine Absage erteilt. Unterschiedliche Konditionen für die kreditnehmenden Kommunen sind weder geboten noch angezeigt.

Kommunale Verschuldung sichtbar und beherrschbar machen mit der „Kommunalen Verschuldungsdiagnose“ der Sparkassen-Finanzgruppe der Herausforderung begegnen

Von Sebastian Bergmann – Abteilungsdirektor für Kommunen/PPP des DSGV, Berlin Wie hoch ist die kommunale Verschuldung wirklich? Wie entwickeln sich Zinsausgaben, wenn das Zinsniveau ansteigt? Wie gestaltet sich die kommunale Finanzierungsstruktur? Und wie stellen Kämmerer und sein Berater dieses z.B. dem Finanzausschuss oder dem Gemeinderat auf eine verständliche Art und Weise dar? Diese und viele weitere Fragen beantwortet ab November 2012 zum dritten Mal die „Kommunale Verschuldungsdiagnose“ (KVD). Kommunen und kommunalnahe Unternehmen sind von der Sparkassen-Finanzgruppe unter Federführung des deutschen Sparkassen- und Giroverbands nach den Jahren 2010, 2011 wiederum zu dieser Initiative aufgerufen. In 2010 und 2011 nahmen bereits über 880 Kommunen an der Initiative teil. Insgesamt wurden mit etwa 48 Mrd. EUR analysiertem Schuldenvolumen ca.38% der bundesweiten kommunalen Verschuldung in die Auswertung einbezogen. Ihre Kredit- und Derivateportfolios wurden auf Stein und Nieren geprüft und das Ganze am Ende in prägnanter Form präsentiert. Die derzeitige Haushaltslage stellt viele kommunale Finanzentscheider vor große Herausforderungen. Allein von März 2011 bis März 2012 stiegen die Schulden der Städte und Kommunen um sechs Mrd. Euro, so dass ihre Schuldenlast binnen eines Jahres um 4,7 Prozent auf rund 133 Mrd. Euro anschwoll. Zwar gibt es Hoffnung, dass im Rahmen des Fiskalpaktes die soziale Grundsicherung schneller vom Bundeshaushalt übernommen wird, auch zusätzliche Kita-Plätze sollen vom Bund unterstützt werden. Wie sich diese Maßnahmen in den Kommunalen Haushalten auswirken, bleibt jedoch abzuwarten. Vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen „Eurokrise“ und ihren Auswirkungen auf die Konjunktur und damit auf die Haupteinnahmequelle vieler Kommunen, die Gewerbesteuer, bleiben kurzfristige Prognosen zur kommunalen Verschuldungssituation verhalten. Ein weiterer Aspekt der Diskussion um kommunale Finanzen ist diejenige um die Vorteilhaftigkeit von Derivaten. Diese hat sich im laufenden Jahr weiter fortgeführt, getrieben von den Diskussionen um die CMS Swaps der Deutschen Bank (SpreadLadder Swaps) .

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Vor diesem Hintergrund bietet die „Kommunale Verschuldungsdiagnose 2012“ (KVD 2012) den Kommunen und Kommunalnahen Unternehmen Transparenz, Sicherheit und Unabhängigkeit im kommunalen Schuldenmanagement. Angelika Kerstenski, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft deutscher Kämmerer, der kommunalen Finanz-, Kassen- und Rechnungsbeamten, empfiehlt Ihren Kollegen die Teilnahme an der KVD: „Was ich mir aber sehr wünschen würde, ist eine regere Teilnahme meiner Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen an der „KVD“. Je mehr mitmachen umso aussagekräftiger sind die Ergebnisse.“

Zins- und Tilgungszahlungen im Zeitablauf und ihre Risiken – Resultate der „KVD“ Welchen Mehrwert bringt die Kommunale Verschuldungsdiagnose? Die Initiative der Sparkassen-Finanzgruppe liefert den Kommunen und kommunalnahen Unternehmen detaillierte und optisch verständliche Aufbereitungen des eigenen kommunalen Schulden- und Derivateportfolios. Hierzu wurde im Expertenkreis aus Vertretern der Sparkassen-Finanzgruppe und den Kommunen ein aussagekräftiges Set an Finanzkennzahlen, Szenarien und Übersichten entwickelt, das Entscheidungsträgern einen adäquaten Überblick verschafft. Stärken und Schwächen der Finanzierungsstruktur werden somit offenbar. Zusammen mit der beratenden Sparkasse oder Landesbank werden im anschließenden Beratungs-gespräch Handlungsoptionen erarbeitet und der Weg zu einem aktiven Schuldenmanagement geebnet. Erstmalig wurden im Jahr 2011 auch im Sinn einer Pilotierung kommunalnahe Unternehmen in die Analyse einbezogen. Aufgrund des positiven Feedbacks und des offensichtlich auch für kommunalnahe Unternehmen bestehenden Bedarfs nach Schuldenanalyse werden im Rahmen der „KVD 2012“ kommunalnahe Unternehmen explizit mit angesprochen. Auch eine vergleichende Analyse soll es für kommunalnahe Unternehmen geben. Obwohl gerade bei den Stadtwerken

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die Ertrags- und Finanzierungsstruktur aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstrukturen teilweise sehr unterschiedlich ist, wird sich doch die ein oder andere valide Aussage treffen lassen.

Projektstruktur Mit bemerkenswertem Einsatz engagiert sich die Sparkassen-Finanzgruppe für die Initiative „KVD“: Im Projektteam aus Sparkassen, Landesbanken sowie Vertretern aller Regionalverbände und des DSGV wurde das Konzept der „Kommunalen Verschuldungsdiagnose“ weiterentwickelt. Insgesamt 270 Sparkassen sowie allen Landesbanken und den Regionalverbänden begleiteten die teilnehmenden Kommunen im Rahmen von Beratungsgesprächen. Unterstützt wird die Sparkassen-Finanzgruppe durch den Dienstleister Lucht Probst Associates (LPA), der auch den Sparkassen und Landesbanken die dafür notwendige Software ( „LPA Portfolioanalyzer“) zur Verfügung gestellt hat. Diese Software generiert zunächst die Analysepräsentation für jede einzelne Kommune.

Vorgehen in der „KVD“ Am Ende der Erfassungsfrist folgt dann der kommunale Vergleich: Die Ergebnisse aller Teilnehmer werden anhand von Einwohnerzahl und Verschuldungsgröße in Vergleichs-gruppen zusammengefasst. Jede Kommune erhält die Vergleichspräsentation, die ihre Ergebnisse mit denen ihrer Vergleichsgruppen gegenüberstellt. Dieser Vergleich ist ein exklusiv von der S-Finanzgruppe für ihre Kommunen und kommunalnahen Unternehmen entwickeltes Steuerungsinstrument. So können für jede einzelne Kommune Hinweise zu ihrer Positionierung im Zinsmanagement entwickelt, aber auch auf Bundesebene objektivierende Erkenntnisse gewonnen werden.

verschiedene Kommunen, die es erlaubt, allgemeinere Aussagen über die Finanzierungsstrukturen in den Kommunen zu treffen. So liegt in allen betrachteten Bundesländern der Derivateanteil (Derivatevolumen im Verhältnis zum Verschuldungsvolumen) zwischen 0 % und 22%, der Bundesdurchschnitt beträgt ca. 13 %. 8,2 % der von den Teilnehmern abgeschlossenen Derivate hatten einen Optimierungscharakter – wären z.B. Zinslösungen mit Fremdwährungsrisiko (Zins- und Währungsswap) oder andere strukturierte Finanzprodukte mit einer Zinsobergrenze oberhalb von 7,5%. Auch lässt sich feststellen, dass der Derivateanteil in der mittleren Verschuldungsgruppe zwischen 100 – 500 Mio. EUR Kreditportfolio am höchsten ist – diese verfügt im Durchschnitt über einen Derivateanteil von 14%. Zum Vergleich: Vertreter der „kleinsten“ Verschuldungsgruppe haben im Durchschnitt weniger als 7% ihrer Verschuldung mit Derivaten belegt, große mit einem Verschuldungsvolumen über 500 Mio. EUR im Durchschnitt 12%. (Siehe Abbildung 1.) Im Vergleich zur „Kommunalen Verschuldungsdiagnose“ aus 2010 weist die Stichprobe weist einen Anstieg des Derivateanteils in nahezu allen Verschuldungsgruppen auf. Insgesamt erhöhte sich der Anteil von 10% auf 13%. Eine mögliche Erklärung wäre an dieser Stelle, dass Kommunen das aktuell historisch günstige Zinsniveau genutzt haben, um diese niedrigen Zinsen mit Hilfe von Derivaten für die Zukunft festzuschreiben – hierfür spricht auch die um drei Prozentpunkte von 71% auf 74% gestiegene Festzinsbindungsquote. Der Anteil der Optimierungsderivate an der Gesamtsumme der Derivate blieb unverändert.

Qualität – Kompetenz – Neutralität In den zahlreichen Beratungsgesprächen der Sparkassen und Landesbanken mit den kommunalen Finanzentscheidern im Zuge der Vorstellung der Analyseergebnisse zeigte sich der Nutzen der Initiative. Die Kommunen testierten den Mehrwert der KVD in den Jahren 2010 und 2011 wie folgt: „Die KVD ist für unsere Kämmerei ein wertvolles Instrument zur aktiven Zins- und Risikosteuerung.“ (Richard Fuchs, Kreis Germersheim) „Unsere Datenqualität im Zins- und Schuldenmanagement hat sich mit der KVD weiter verbessert Die Analysen der KVD verschaffen uns einen sehr guten Überblick über unsere Verschuldungssituation.“ (Thomas Eckes, Stadt BadKreuznach) „Wissen ist Macht und mehr Wissen ist eben auch mehr Macht“, d.h. bessere Ergebnisse im gesamten Finanzmanagement der Stadt“ (Angelika Kerstenski, Stadt Wriezen) „Die Teilnahme an der KVD war gemessen an den ausführlichen Analyseergebnissen schnell, einfach und unkompliziert durchgeführt, die Ansprechpartner hilfsbereit. Besonders die Wiederholung ging schnell“ (Richard Fuchs, Kreis Germersheim)

Diskussion um Zinssicherungsinstrumente versachlichen Die KVD bietet neben einer soliden Entscheidungsgrundlage für die einzelne Kommune auch eine breite Datenbasis über

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Abbildung 1: Derivateanteil am Portfolio nach Verschuldungsgruppen (Basis 344 Portfolios)

Ergebnisse aus der „Kommunalen Verschuldungsdiagnose 2011“ In der Verschuldungsstruktur der kommunalen Haushalte sind deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern festzustellen. So beträgt in Bayern und Baden-Württemberg (141 Kommunen) im Durchschnitt die Zinsbindungsquote fast 95 %, während die Zinsbindungsquote bei den teilnehmenden Kommunen aus Nordrhein-Westfalen (115 Kommunen) und Brandenburg (16 Kommunen) bei ca. 60 % liegt. Diese unterschiedlichen Festzinsbindungsquoten – sowohl auf individueller Ebene als auch auf aggregierter Gesamtebene – führen unmittelbar zu stark abweichenden Durchschnittsverzinsungen und zu der Frage einer „Chance / Risiko“ Relation. So liegt die ermittelte absolute Durchschnittsverzinsung in Bayern bei 3,50 %, während diese in Hessen, NRW, Brandenburg, Sachsen und Niedersachen 50-75 Basispunkte weniger beträgt. Die Kehrseite dieser niedrigeren Durchschnittsverzinsung ist ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko: Eine Erhöhung des Marktzinsniveaus um 1,0 % wirkt sich sehr unterschiedlich auf die jeweilige Erhöhung der Durchschnittsverzinsung aus (Marktzinssensitivität). (Siehe Abbildung 2)

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Im Bundesdurchschnitt steigt der Zinsaufwand um 0,45% bei einem Anstieg des Zinsniveaus um 1,0 % (z.B. Bayern + 0,3 %, NRW, Niedersachsen, Hessen + ca. 0,5%). Diese Feststellung liegt in der heterogenen kommunalen Finanzierungsstruktur begründet. Kommunen, die im Rahmen ihrer angespannten Finanzierungssituation Kassenkredite aufnehmen müssen, tun dies meist auf variabler Basis. Diese häufig zinsgünstigeren kurzfristigen Kredite am Geldmarkt werden bei Fälligkeit nicht zurückgezahlt sondern auf variabler Basis prolongiert. Somit ist die Kommune bei jeder Verlängerung dem Risiko steigender Zinsen ausgesetzt.

durchgeführt. Erneut bietet die Initiative ihren Teilnehmern eine neutralen Analyse des kommunalen Schulden- und Derivateportfolios, sowie die exklusiv von der SparkassenFinanzgruppe erstellte Vergleichsanalyse. Bereits in 2011 hatten neben den kommunalen Kernhaushalten auch „Kommunalnahe Unternehmen“ im Rahmen eines Pilotprojekts die Möglichkeit, teilzunehmen. Das sehr positive Feedback dieser Teilnehmergruppe hat gezeigt, dass auch Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften, Öffentliche Nahverkehrsunternehmen und die vielen anderen kommunalnahen Unternehmen von einer detaillierten Analyse ihrer Schuldenportfolios profitieren. Besonders im Fokus der KVD III stehen aufgrund der im Rahmen der Energiewende umfangreichen zu erwartenden Investitions- und Finanzierungsentscheidungen die kommunalen Stadtwerke. Für Stadtwerke sowie auch für Wohnungsbaugesellschaften, die aufgrund ihrer häufig umfangreichen Kreditportfoliostruktur der KVD großes Interesse entgegenbringen, wird bei ausreichender Beteiligung im Jahr 2012 erstmalig ein Vergleich erstellt

Neu ab 2013: Der „S-Schuldenmanager“ (Arbeitstitel)

Abbildung 2: Marktwertsensitivität im Vergleich zur Zinslast, Quelle: eigene Berechnungen Weiterhin konnte aus der Betrachtung der erfassten Kreditpositionen erkannt werden, dass Fremdwährungskredite in den kommunalen Portfolien eine untergeordnete Rolle spielen. Mit einem Volumen von ca. 580 Millionen EUR beträgt der Anteil von Fremdwährungen im Bundesdurchschnitt ca. 2,4 Prozent bezogen auf das erfasste Volumen von 25 Milliarden Euro. In den Verschuldungsgruppen von 2 bis 100 Millionen EUR liegt der Fremdwährungsanteil jeweils unterhalb von 0,75 Prozent der Gesamtverschuldung. Die Finanzierungen in Fremdwährung sind ausschließlich in Schweizer Franken erfolgt.

Fortführung der „KVD“ im Jahr 2012 Aufgrund der positiven Resonanz der KVD 2010 und 2011wird die kommunale Verschuldungsdiagnose nun zum dritten Mal

Die Erfahrungen der KVD 2010 und 2011 haben gezeigt, dass in den Kämmereien häufig die Kreditverwaltung manuell geschieht. Für die oft sehr diversifizierten Kreditportfolios erscheint jedoch die Einsetzung einer Software sinnvoll. Eine solche wird aktuell im Rahmen der „KVD 2012“ unter der Schirmherrschaft des DSGV entwickelt. Die Software wird exakt auf die Bedürfnisse von Kommunen und Kommunalnahen Unternehmen zugeschnitten sein – Kassenstatistiken per Knopfdruck, Zinsszenarien im Zeitablauf, sowie Berichte für Gremien und Ausschüsse inklusive. Als besonderer Service der Sparkassen-Finanzgruppe wird im Anschluss an die KVD jedem Teilnehmer diese Software für eine Testphase von sechs Monaten unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen zur „KVD 2012“ erhalten Sie bei Herrn Sebastian Bergmann (Abteilungsdirektor Öffentliche Hand / PPP, DSGV) unter der Telefonnummer 030/20225-5721; E-Mail [email protected]. Alternativ wenden Sie sich an das KVD Projektbüro unter [email protected]

DKC – Deka Kommunal Consult GmbH:

Kommunaler Dienstleister in der Sparkassen-Finanzgruppe Von Hans-Joachim Wegner – Geschäftsführer und Rainer Book – Prokurist der DKC Deka Kommunal Consult GmbH, Düsseldorf Die DKC ist die Kommunalberatungsgesellschaft der Sparkassenorganisation. Sie vereint profundes fachliches Know-how und Methodenwissen mit kommunalem Erfahrungswissen als Grundlage für fundierte Analysen und umsetzungsfähige Lösungskonzepte für Kommunen, kommunale Unternehmen und Sparkassen. Inhaltliche Schwerpunkte sind Haushaltsund Finanzwirtschaft, Verwaltungsorganisation und -management, Infrastrukturinvestitionen und deren Finanzierung, kommunale Unternehmen und Beteiligungen, Organisations- und Finanzierungsmodelle im Bereich der Erneuerbaren Energien (mit und ohne Bürgerbeteiligung) sowie Rekommunalisierungsprojekte im Bereich der Versorgung.

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Die DKC ergänzt die Angebotspalette der Sparkassen und Landesbanken im Bereich der Finanzierung um Analysen, Wirtschaftlichkeitsvergleiche, Organisationsmodelle, Strategieentwicklungen und Handlungsempfehlungen sowie um Angebote zur Umsetzungsbegleitung. Dabei wird DKC oft im Vorfeld von konkreten Finanzierungslösungen tätig, wenn es etwa um die Bewertung verschiedener Umsetzungsmodelle für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen geht: Der Vergleich der klassischen Eigenrealisierung mit gewerkeweiser Ausschreibung und Kommunalkredit-Finanzierung mit z.B. Leasing-Optionen, Mietmodellen und sonstigen alternativen Beschaffungen ist eine Standardaufgabe, bei der DKC

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die örtlichen Rahmenbedingungen analysiert, bewertet und gangbare Lösungswege aufzeigt sowie – falls gewünscht – deren Umsetzung begleitet.

Ganzheitlicher Beratungsansatz

DekaBank präsent. Die eigentliche Arbeit erfolgt allerdings immer vor Ort: Workshops, Einzelgespräche, Projektgruppensitzungen, Coachings, Verhandlungen, Standortbegehungen usw. Zur Vor-Ort-Arbeit gehört für DKC immer auch die Abstimmung mit der Sparkasse, die die örtlichen Gegebenheiten kennt sowie wichtige Informationen liefern kann.

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Sparkassen

Der Beratungsansatz und die Themenpalette der DKC entsprechen den sich wandelnden Bedürfnissen und Anforderungen der kommunalen Kunden und der Sparkassenkunden. Derzeit stehen folgende Beratungsfelder im Vordergrund: – Investitionen wirtschaftlich realisieren – Immobilien effizient managen – Kommunale Leistungsfähigkeit sichern ­– Haushalts- und Finanzwirtschaft ­– Verwaltungsmodernisierung ­– Demografische Entwicklung ­– Zins- und Schuldenmanagement – Den „Konzern Kommune“ für den Wettbewerb stärken ­– Rekommunalisierung / Stadtwerke / Erneuerbare Energien ­– Gesundheitswesen Bei diesen Themen verfügt DKC über umfassende Erfahrungen und Referenzen. Für die Beratungsaufträge wird Wert darauf gelegt, auch Erkenntnisse und Erfahrungen aus „benachbarten“ Themenbereichen einzubringen – z.B. sind Analysen und Handlungsstrategien zur Immobilienwirtschaft und für konkrete Investitionsvorhaben immer auch unter dem Gesichtspunkt demografischer Entwicklungen zu bewerten und mit der Haushaltswirtschaft der Kommune zu verknüpfen. Durch ihren ganzheitlichen Ansatz sichert die DKC eine optimale Beratungsqualität und ist in der Lage, passgenaue Lösungen zu entwickeln.

Als Tochtergesellschaft der DekaBank ist DKC „100% Sparkasse!“. Dies verpflichtet nicht nur zur Zusammenarbeit mit den Instituten vor Ort, sondern ist zugleich eine Chance und ein Qualitätsmerkmal der DKC. – Die Sparkassen sind meistens erster Ansprechpartner für die Kommunen. Die Kommunalkundenbetreuer der Sparkassen vor Ort kennen die relevanten Themen und Fragen der Kommunen und kommunalen Unternehmen. Sie können einschätzen, wo eine unterstützende Beratung und fachliche Begleitung sinnvoll sein kann. Im Rahmen der Betreuung werden regelmäßig Kontakte zur DKC vermittelt und individuelle Lösungen initiiert. – Die Sparkassen setzen thematische Impulse für das Kommunalgeschäft. Zum Beispiel beim Kommunalforum mit Bürgermeistern und / oder Kämmerern, beim „Jahresgespräch“ im Rahmen des Sparkassenfinanzkonzeptes sowie in fallbezogenen Einzelgesprächen vor Ort werden neben Marktentwicklungen auch Zukunftsthemen erörtert. Die geplante Rekommunalisierung von Versorgungsnetzen, die kommunale Wertschöpfung durch Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien, Bürgerbeteiligungsmodelle sowie die Steuerung der Folgen demografischer Prozesse sind dazu aktuelle Stichworte. – DKC ist mit Fachvorträgen, in Workshops, bei Pilotprojekten und in Einzelgesprächen mit Kommunen für die Sparkassen tätig. Hinzu kommen Handlungsleitfäden zu konkreten kommunal- und sparkassenrelevanten Themen , die im Auftrag der regionalen Sparkassenverbände oder des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes erstellt werden und den Landkreisen, Städten und Gemeinden sowie den Sparkassen praktische Hilfestellungen geben sollen. Diese Leitfäden werden gemeinsam mit Pilotkommunen, Pilotsparkassen und i.d.R. mit kommunalen Spitzenverbänden sowie Aufsichtsbehörden erarbeitet.

Know-how, Individualität und Netzwerke statt aufgeblähter Beratungskonzerne Die Leistungen werden von einem Team von 8 Beratern erbracht, die nach Bedarf auf zusätzliche Kapazitäten aus der S-Finanzgruppe sowie auf Kooperationspartner zurückgreifen können. Fachlich werden alle wesentlichen Disziplinen abgedeckt: Verwaltungswissenschaftler, Volks- und Betriebswirte, Architekten, Ingenieure und Immobilienwirtschaftler. Hinzu kommen Berater mit langjährigen kommunalen Berufserfahrungen. Renommierte Anwaltskanzleien, Steuerberater und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie spezialisierte Ingenieurbüros stehen DKC als Kooperationspartner in erprobter Zusammenarbeit zur Verfügung. Die DKC verfügt über Büros in Düsseldorf und Berlin und ist auch am Frankfurter Sitz der

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– Zur Erstellung von Beratungsangeboten und bei der Bearbeitung konkreter Aufträge sind die Sparkassen mit ihrem ortsbezogenen Know-how ein wichtiger Partner der DKC. Wenn es z. B. um lokale und regionale Märkte oder Strukturen geht, sind die Sparkassen ausgewiesene Kenner und

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Experten, deren Informationen und Beurteilungen für den Erfolg von Beratungsprojekten von großer Bedeutung sein können und die durch bloße Schreibtisch-Analysen und Literatur-Recherchen nicht zu ersetzen sind.

Während andere Berater sich häufig nach einem Beratungsprojekt verabschieden, bleibt die Sparkassenorganisation der verlässliche Partner. Das betrifft auch die Umsetzung von Beratungsergebnissen: mit den Finanzierungslösungen und mit den Angeboten aus der Sparkassen-Finanzgruppe etwa zum Thema Leasing, Contracting, Cash- und Dept-Management, Bodenmanagement, Facility-Leistungen bis hin zur Umsetzungsbegleitung durch DKC wird eine umfassende, ganzheitliche Betreuung der kommunalen Partner möglich. Aus Sicht der Kommunen ergibt sich damit ein weiterer Vorteil: durch die Einbindung in die Sparkassenorganisation kann DKC als Insider sehr genau und verlässlich bewerten, welche Lösungen und Empfehlungen tatsächlich umsetzbar und finanzierbar sind: realistische und umsetzungsfähige Lösungen statt theoretischer Konstrukte.

Kommunalberatung konkret: Projektbeispiele Wie die Sparkassenorganisation mit der DKC bedarfsgerechte Lösungen vor Ort gestaltet und umsetzt, zeigt das Beispiel „Landkreis Miesbach“. Das Projekt zum Neubau und Betrieb von drei kreiseigenen Schulen wird in einem gesonderten Artikel in diesem Heft behandelt. Beispiele für erfolgreiche Kooperationen gibt es auch im Themenfeld „Energiewende“: Im

Auftrag der örtlichen Sparkasse hat die DKC in einer Machbarkeitsstudie für zwei Landkreise in Rheinland-Pfalz die Potentiale und Chancen untersucht, die für die Kommunen in der Erzeugung und im Vertrieb Erneuerbarer Energien stecken. Es sollte aufgezeigt werden, inwieweit unter dem Gesichtspunkt der Steigerung der regionalen Wertschöpfung eine direkte Beteiligung von Kommunen an Windkraftanlagen wirtschaftlich sinnvoller als eine reine Flächenverpachtung sein kann. In der Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung konnte dargelegt werden, dass bei direkter finanzieller Beteiligung eine um bis zu 50 Prozent höhere Einnahmenquote als bei einer Pachtlösung möglich sein würde. Die Schaffung kommunaler Unternehmensstrukturen zur Umsetzung von Windkraftprojekten unter kommunaler Führung wurde daher einmütig empfohlen. Das Umsetzungskonzept sieht den Aufbau einer kommunalen Energiegesellschaft in der Rechtsform einer GmbH vor, in der Städte, Gemeinden und der Landkreis selbst vertreten sind. Weiterhin ist die Einbindung der regional ansässigen Banken sowie weiterer strategischer Partner, das heißt Energieversorgungsunternehmen und/oder Energiedienstleister, vorgesehen. Die Öffentliche Hand soll über mehr als 50 Prozent der Anteile verfügen. Hauptaufgaben dieser neu entstehenden Energiegesellschaft sind zunächst die Entwicklung von Windkraftstandorten, nach Fertigstellung der Anlagen folgen Betrieb, Wartung und Verwaltung. Die einzelnen Anlagen können als kommunale Projektgesellschaften unter dem Dach der übergeordneten Energiegesellschaft umgesetzt werden. Hier besteht für die Kommunen, für strategische Partner, aber auch für die Bürger die Möglichkeit, sich als Kommanditisten zu beteiligen und an den Erträgen zu partizipieren. Zudem bietet dieses von DKC erarbeitete und von den Landräten und den Bürgermeistern sehr positiv aufgenommene Modell verschiedene geschäftliche Ansatzpunkte für die Sparkasse – und nicht zuletzt tritt sie als Mitinitiator einer weithin akzeptierten Idee zur Umsetzung der Energiewende in den Kommunen auf.

Erstkontakt und verbindliches Beratungsangebot Kommunen können sich mit ihren Fragenstellungen entweder an ihre Sparkasse oder auch direkt an DKC wenden (sofern einverstanden, erfolgt dann eine Kontaktaufnahme zur Sparkasse durch DKC). Die Sachverhalte und Aufgabenstellungen werden dann in einem Erstgespräch gemeinsam erfasst. Auf dieser Basis erstellt DKC ein verbindliches Beratungsangebot, in dem die Arbeitsschritte zur Problemlösung aufgezeigt und der Bearbeitungsaufwand kalkuliert werden. Üblich ist es, das jeweilige Beratungsangebot z.B. im Kreistag, im Stadt- bzw. Gemeinderat zu erläutern.

Wirtschaftlichkeitsvorteile durch Paketvergabe von Bau- und Betriebsleistungen – Erfolgreiche Umsetzung aus der S-Finanzgruppe im Landkreis Miesbach Von Gerhard de Biasio – Kämmerer des Landkreises Miesbach, Luitpold Grabmeyer – Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, und Rainer Book – Prokurist der DKC – Deka Kommunal Consult GmbH Im Mai hat der Landkreis Miesbach einen seiner bisher größten Aufträge vergeben: den Bau eines neuen Gymnasiums sowie einer Fachoberschule nebst gemeinsamer Sporthalle in Holzkirchen, den Realschul-Neubau mit Sporthalle in Gmund und die 25-jährige umfassende Bewirtschaftung dieser Objekte als Paketlösung. Das gesamte ÖPP-Projekt „Schulen Landkreis Miesbach “ umfasst ein Volumen von zirka 28.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche. Damit wird die Bildungslandschaft im Kreisgebiet bedarfsgerecht ausgebaut. Das dies so erfolgen kann, geht auch auf eine intensive Zu-

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sammenarbeit zwischen dem Landkreis und der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee zurück, die umfassendes Knowhow aus der Sparkassen-Finanzgruppe eingebracht hat. Schon nach der Bedarfsfeststellung und den schulaufsichtlichen Genehmigungen für die neuen Bildungsangebote war im Landkreis klar, dass die angestrebte Größenordnung den Haushalt des Landkreises dauerhaft erheblich belasten wird. Für Landrat Dr. Jakob Kreidl, Präsident des Bayerischen Landkreistages und Kämmerer Gerhard de Biasio, stand da-

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her schon bei den ersten Überlegungen im Jahr 2009 fest, dass alle Optimierungspotenziale genutzt und alternative Realisierungswege geprüft werden müssen. Dies erfolgte dann im Team mit der Kreissparkasse, die für den Landkreis zunächst eine Arbeitsgruppe aus Experten der S-Finanzgruppe organisierte.

Konzeptentwicklung aus der Sparkassen-Finanzgruppe Über den klassischen Kommunalkredit hinaus sollten alle Alternativen erörtert und geprüft werden: Leasing, Miete und Modelle wie z.B. Public Private Partnership. Für Detailanalysen und Bewertungen wurde dann die Kommunalberatungsgesellschaft der Sparkassenorganisation, die Deka Kommunal Consult (DKC) beauftragt, ein optimal auf den Landkreis Miesbach zugeschnittenes Modell zu entwickeln.

Individuelle Umsetzungslösung Die Empfehlung der DKC war ein individuelles ÖPP-Modell, bei dem ein privater Partner die Planungen übernimmt, die Investitionen nach einer funktionalen Vorgabe durch den Landkreis durchführt und vorfinanziert, dann aber auch langfristig für die Instandhaltung und den technischen Gebäudebetrieb verantwortlich zeichnen soll. Wichtig ist, dass das Eigentum an den Schulen in jedem Fall beim Landkreis verbleibt – nur so können auch Mittel aus der staatlichen Schulbauförderung in Anspruch genommen werden. „Aus Sicht des Landkreises können mit diesem Modell einerseits Kostenvorteile generiert, andererseits zusätzlich auch typische Projektrisiken auf den privaten Partner übertragen werden“, so die Begründungen der DKC bei der Konzeptvorstellung im Kreistag. Die Argumente und auch die Beispiele anderer, in Deutschland realisierter ÖPP-Schulprojekte waren für die Kreisräte überzeugend: Sie fassten im April 2010 den Beschluss, die benötigten Schulen im Rahmen eines ÖPP-Projektes zu generieren, sofern damit eine größere Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann. Dies galt es mit dem anschließenden Vergabeverfahren zu gewährleisten.

Komplexe Ausschreibung im Verhandlungsverfahren Im Team mit der DKC sowie spezialisierten Juristen und einem Ingenieurbüro machte sich eine Projektgruppe des Landkreises an die komplexe Aufgabe, die gewünschten Bau- und Betriebsleistungen funktional zu beschreiben, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorzugeben und das Gesamtpaket in den Wettbewerb zu stellen. Es folgte die europaweite Ausschreibung, die zunächst mit der Eignungsprüfung von Interessenten im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbes begann, um dann in verschiedenen Angebotsstufen und Verhandlungsrunden im Wettbewerb die SKE Facility Management GmbH als obsiegenden Bieter auszuwählen. Das Unternehmen verfügt über umfangreiche ÖPP-Erfahrungen und konnte in Deutschland bereits zahlreiche Projekte im Auftrag der öffentlichen Hand erfolgreich realisieren, darunter mehrere große Schul-Komplexe. Die Entscheidung für die SKE fiel dabei auf Basis differenzierter „Zuschlagskriterien“, mit denen einerseits die Kosten und andererseits die jeweils angebotenen Qualitäten und Funktionalitäten gemessen wurden. Der gesamte Ausschreibungsprozess wurde durch die DKC als kommunaler Dienstleister organisiert. Das Unternehmen

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Realschule Gmund der S-Finanz-gruppe konnte dafür auf umfassende Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten in ganz Deutschland zurückgreifen. Auch die wirtschaftliche Auswertung der vorgelegten Angebote oblag der DKC im Team mit der Projektgruppe des Landkreises. Nach dem Nachweis der Wirtschaftlichkeit, nach kommunalaufsichtlicher Genehmigung und Beschluss des Kreistages erfolgte im Mai 2012 der Vertragsschluss zwischen Landkreis und SKE. Damit konnten alle zu Beginn der Überlegungen in Miesbach aufgestellten zeitlichen Planungen und Prognosen voll erfüllt werden. Zeitliche Meileinsteine im ÖPP-Projekt des Landkreises Miesbach Beratungsauftrag Umsetzungsvarianten  Dez 09 Kreistags-Entscheidung: ÖPP-Realisierung  Apr 10 Veröffentlichung der Europaweiten Ausschreibung  Okt 10 im EU-Amtsblatt Abschluss Teilnahmewettbewerb / Bieterauswahl  Jan 11 Auswahl obsigendes Angebot nach mehreren Angebostsstufen und intensiven Verhandlungen  Feb 12 Vergabebeschluss Kreistag  Mrz 12 Vertragsschluss  Mai 12 Geplante Baufertigstellung / Betriebsbeginn Standort Gmund (Realschule)  Dez 13 Standort Holzkirchen (FOS, Gymnasium)  Jul 14 Vertragsende  2035

Komplettleistung aus Bau und Betrieb Den Neubauten einer Realschule (18 Klassen) nebst Dreifeldsporthalle in Gmund sowie eines Gymnasiums (31 Klassen), einer Fachoberschule (18 Klassen) und ebenfalls einer angegliederten Dreifeldsporthalle und Freisportanlagen für beide Schulformen in Holzkirchen steht nun nichts mehr im Wege. Nach der Fertigstellung der beiden Standorte – Gmund im Dezember 2013 und Holzkirchen im Juli 2014 – werden rund 1.800 Schülerinnen und Schüler ihr neues „Bildungszuhause“ beziehen können. Danach schließen sich die vereinbarten gebäudebezogenen Betriebsleistungen seitens der SKE an, die für 25 Jahre geleistet werden müssen. Beauftragt wurden z.B. – alle Wartungen, Inspektionen, technische und bauliche Innstandhaltungen,

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Für die sich an die Baufertigstellung anschließenden Betriebsleistungen wurden monatliche Abschläge vereinbart, die wegen der langen Laufzeit des Vertrages an ausgewählte Preisindizes des Statistischen Bundesamtes gekoppelt sind. „Das gibt die Realität wieder, der wir auch bei herkömmlicher Vorgehensweise ausgesetzt gewesen wären“, argumentiert der Kämmerer. Sollte es einmal zu Mängeln bei den Leistungen des Vertragspartners kommen, ist der Landkreis gut gerüstet: In den Verträgen wurden Möglichkeiten und Regelungen verankert, die vereinbarten Entgelte angemessen zu kürzen. Im Ernstfall, also bei wiederholter bzw. dauerhafter Schlechtleistung bestehen für den Landkreis zudem natürlich Kündigungsrechte. Gymnasium und Fachoberschule Holzkirchen – Hausmeisterdienste und Schlüsseldienst – Reinigung und Grünpflege, Winterdienst bis hin zum – Catering. Der Vertragspartner des Landkreises ist zudem mit der energetischen Bewirtschaftung betraut. In der Ausschreibung ist dafür vorgegeben worden, dass die Obergrenzen aus der aktuellen Energie-Einsparverordnung um mindestens 30 Prozent unterschritten werden müssen. In diesem Rahmen wurden maximale Energiemengen vertraglich definiert.

Ausgewogene Risikoverteilung Damit der Vertragspartner auch langfristig seinen Verpflichtungen nachkommt, hat sich der Landkreis ein umfangreiches Sicherheitenpaket mit Bürgschaften und Rücklagen geben lassen. „In der Bauphase sind wir wie auch bei klassischen Bauausschreibungen mit Bürg-schaften abgesichert. Hinzu kommt, dass der Landkreis erst nach kompletter Baufertig-stellung zahlt – und nicht wie sonst nach Baufortschritt. Für uns ist das ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn und eine Entlastung des Haushaltes in dem derzeit schwierigen Finanzierungsumfeld“, bestätigt Kreiskämmerer Gerhard de Biasio. Für die Betriebsleistungen, bei denen in herkömmlicher Herangehensweise durch Auftragnehmer kaum Sicherheiten gestellt werden, wurden besondere Vereinbarungen getroffen: Neben einer durchgängig laufenden, vom Vertragspartner zu stellenden Betriebsbürgschaft wird für die Instandhaltungen ein gesondertes und insolvenzfestes Konto angelegt, über das Landkreis und die SKE nur gemeinsam verfügen können. Eine Zweckentfremdung der Mittel ist ausgeschlossen. Die Schulen und Sporthallen können so langfristig in einem guten und funktionsgerechten Zustand gehalten werden. Auch zum Vertragsende wird es keinen Sanierungsstau geben.

Finanzierung und Entgelte Für die Leistungen und natürlich auch das Sicherheitenpaket entrichtet der Landkreis Zahlungen an den Vertragspartner. Die Bauleistung wird dabei nach Prüfung und Abnahme der vertragsgemäß errichteten Gebäude in einer Summe entgolten – die Beträge sind bereits einschließlich der Bauzeitfinanzierungskosten fixiert. Abzüglich der vom Freistaat Bayern bereits zugesagten Schulbau-Fördermittel ist die langfristige Haushaltsbelastung durch Kommunalkreditaufnahme bereits heute exakt bestimmbar.

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Stattliche zwölf Ordner umfasst das Vertragswerk zu dem komplexen Auftrag des Landkreises. Foto: R. Book

Erhebliche Wirtschaftlichkeitsvorteile realisiert Das gesamte Auftragsvolumen beläuft sich für die Bau- und die 25-jährige Betriebszeit auf etwa 90 Millionen Euro. Damit ist die Paketlösung etwa 15 Prozent wirtschaftlicher als eine herkömmliche Herangehensweise mit gesonderter Planung, gewerkeweiser Ausschreibung von Bauleistungen und Erbringung der Betriebsleistungen über eigene Kräfte und Einzelvergaben. Dies konnte von dem für den Landkreis tätigen Beratungsunternehmen DKC plausibel nachgewiesen werden. Die Zahlen haben der Prüfung durch die Regierung von Oberbayern Stand gehalten. Der Wirtschaftlichkeitsvorteil ergibt sich nach gemeinsamer Einschätzung von DKC und dem Landkreis vor allem durch – die konsequente Ausrichtung von Planung und Bau auf eine Optimierung der Betriebskosten („Lebenszykluskosten“), – Mengenvorteile aus der Paketausschreibung mehrerer Bauten und langfristiger Betriebsleistungen, – die marktseitigen Vorteile des privaten Partners im Vergleich zu den Rahmenbedingungen der öffentlichen Hand und nicht zuletzt durch die besondere Ausschreibungsform im Verhandlungsverfahren, bei dem mit den Bietern rechtlich zulässig intensiv um Qualitäten und Preise gerungen wurde. „Entscheidend war der Wettbewerb, bei dem uns von konkurrierenden Bietern ausgefeilte und voll durchkalkulierte Angebote vorgelegt wurden“, so der Projektleiter des Landkreises Miesbach, Karl Grundler.

Breite Mehrheit im Kreistag Die Ausschreibung der Schulbauten und Betriebsleistungen als ÖPP-Projekt hat sich für den Landkreis bewährt. Über die sehr deutlich ausgefallenen Wirtschaftlichkeitsvorteile hinaus konnten auch architektonisch und funktional optimale

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Lösungen gefunden werden. Komplexität und damit auch der Zeitbedarf für die europaweite Ausschreibung werden durch Vorteile in der Bauzeit nahezu ausgeglichen. Für den Landkreis eine Punktlandung. Dem stimmte auch der Kreistag zu, der am 7. Mai 2012 mit überragender Mehrheit die Vergabe an den ausgewählten Vertragspartner beschlossen hat.

Umsetzung erfolgreich angelaufen Nach dem Vertragsschluss zwischen Landkreis und dem Unternehmen SKE am 7. Mai 2012 wird jetzt mit Hochdruck an der Genehmigungsplanung gearbeitet. Alles ist voll im Zeit-

plan. Auch für die Kreissparkasse hat sich das Engagement gelohnt: Sie konnte bereits in einem sehr frühen Projektstadium im Auftrag des Landkreises die erwarteten investiven Mittel binden und die Zinsbelastung fixieren. Für den Landkreis, der das Vorgehen mit der Regierung von Oberbayern im Detail abgestimmt hat, sind sowohl die Wirtschaftlichkeitsvorteile als auch die Sicherheit in der Haushaltsplanung ein echter Gewinn. Dass die neuen Schulen darüber hinaus natürlich auch ein Impuls in der Bildungslandschaft und ein wesentlicher Beitrag zur Zukunftssicherung des Landkreises Miesbach sind, versteht sich von selbst.

Beziehungsgeflecht Sparkasse – Kommune:

Rahmenbedingungen für die Kommunalfinanzierung – Refinanzierung, öffentliche Pfandbriefe, Basel III –1 Von RA Ralf Josten, LL.M. oec – Chefsyndikus Direktor des Zentralbereichs Kommunen/Recht, Kreissparkasse Köln Einleitung Die Krise der kommunalen Finanzen bleibt weiterhin zugespitzt. Als kommunale Kreditinstitute engagieren sich die Sparkassen seit jeher auf dem Sektor des Kommunalgeschäfts. Die Versorgung des kommunalen Trägers mit unterschiedlichen bankwirtschaftlichen Produkten versteht sich vielerorts als Ausprägung der Funktion des Sparkassenwesens als „Hausbank der Kommunen“. Gerade in Zeiten der kommunalen Finanzkrise stellt sich die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen das Kommunalgeschäft der Sparkasse fortgesetzt werden kann.

Finanzwirtschaftliche Ausgangslage I. Finanzierungsdefizit 2010 und 2011

Im Jahr 2010 nahmen Städte und Kreise mehr Schulden auf als je zuvor.2 Nach Angaben des Deutschen Städtetages belief sich das Finanzierungsdefizit auf 9,8 Mrd. Euro. Dieser bundesdeutsche Nachkriegsrekord gründete insbesondere auf den Ausgaben für soziale Leistungen, die alleine in den vergangenen fünf Jahren um 20 % (7 Mrd. Euro) anstiegen. Auch im Haushaltsjahr 2010 erhöhten sich die Sozialausgaben wiederum um rund 2,0 Mrd. Euro und erreichten einen Spitzenwert von 42,2 Mrd. Euro. Die Ausgabensteigerung erfasste dabei alle Bereiche, vor allem die Jugendhilfe und die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Ebenso für das Haushaltsjahr 2011 prognostizierte der Deutsche Städtetag ein gegenüber 2010 fast gleich hohes Defizit in Höhe von 9,6 Mrd. Euro. Auf der Einnahmenseite erhöht sich das Gewerbesteueraufkommen nach dem drastischen Rückgang im Krisenjahr 2009 um 8,6 %. Alleine die Stabilisierung der Gewerbesteuer und erforderliche Entlastungen im sozialen Bereich sind notwendig, um den Kommunen überhaupt noch Raum für freiwillige Leistungen zugunsten der Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.

junktur, denn rund ein Drittel des Einanhmeanstiegs gründet auf starken Zuwächsen der Gewerbesteuer in Nettohöhe von 13,3 %. Aber auch die Ausgaben stiegen um 5,0 Mrd. Euro (2,7 %) auf 187,2 Mrd. Euro. Der negative Finanzierungssaldo zwischen Einnahmen und Ausgaben fiel im Jahr 2011 mit „nur“ 2,5 Mrd. Euro geringer aus, als es prognostiziert war. Für das Jahr 2012 rechnet man bei anhaltend stabiler Konjunktur mit einem Überschuss von rund 2,0 Mrd. Euro. III. Struktur kommunaler Verschuldung Konsequenz aus dem nach wie vor sichtbaren Verfall der Kommunalfinanzen ist zunächst ein Rückgang der kommunalen Investitionstätigkeit. Dieser mag sich einerseits aus der Notwendigkeit erklären, notgedrungen auf weitere Ausgaben zu verzichten. Andererseits wirken aber auch haushaltsrechtliche Restriktionen, die es insbesondere Nothaushalts-Kommunen gebieten, weitere Verschuldungen auf den Betrag der tatsächlich erbrachten Tilgungsleistungen zu begrenzen. Der Deutsche Städtetag prognostizierte einen diesbezüglichen Rückgang der kommunalen Investitionen um 3,4 % auf 22,8 Mrd. Euro, obwohl wie im Vorjahr aus dem Konjunkturpaket II Mittel in gleicher Höhe zur Verfügung stehen. Im Jahr 2012 muss zudem mit einem noch schärferen Rückgang gerechnet werden. Der Deutsche Städtetag geht davon aus, dass im Jahr 2012 die kommunalen Invstitionen höchstens das Niveau des Jahres 2008 erreichen.4

II. Aktuelle Finanzlage der Kommunen

Entgegengesetzt zur Abnahme der langfristigen Investitionstätigkeit entwickelten sich die kurzfristigen Finanzierungsbedürfnisse der Kommunen eher explosionsartig: Ende des 3. Quartals 2010 beliefen sich die Kassenkredite bundesweit auf 40,5 Mrd. Euro. Gegenüber dem Gesamtvolumen an Kassenkrediten des Jahres 2004 bedeutet dies eine Verdoppelung. Schon Ende 2009 war der Kassenkreditbestand auf 34,9 Mrd. Euro gestiegen.5

Zumindest bei den kommunalen Einnahmen stellte sich im Jahr 20113 eine Verbesserung ein, indem ein Anstieg um 5,9 % von 10,2 Mrd. Euro auf 184,7 Mrd. Euro tatsächlich zu verzeichnen war. Ausschlaggebend war hierfür die gute Kon-

Dennoch vermag das rückläufige Defizit im Jahr 2011 und die positive Überschussprognose für 2012 nicht beruhigen. Der nach wie vor problematische Anstieg der Kassenkredite konnte nur geringfügig verlangsamt werden, denn im

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Zeitraum nur eines Jahres stiegen die Kassenkredite um 3,9 Mrd. Euro auf nunmehr 44,3 Mrd. Euro.6 Rund die Hälfte aller deutschen Kassenkredite entfallen dabei auf NordrheinWestfälische Kommunen. Entsprechend einer EinwohnerSchulden-Relation verzeichneten den höchsten Bestand an Kassenkrediten je Einwohner Ende 2009 die Kommunen im Saarland (1.350,- Euro), in Rheinland-Pfalz (1.152,- Euro) und Nordrhein-Westfalen (963,- Euro).7 Seit Beginn der Finanzmarktkrise zum Ende des Jahres 2008 wuchsen die Kassenkredite um mehr als 14,5 Mrd. Euro an. Dies entspricht einen Zuwachs des Kassenkreditvolumens von nahezu 50 % in nur drei Jahren.8

Kommunen als Kreditnehmer I. Kapitaldienstfähigkeit

Angesichts der prekären Situation der Kommunalfinanzen stellt sich die Frage, inwieweit Banken und Sparkassen den Kommunen noch weiteren Kredit gewähren können. Schließlich ist bei (zu) vielen Kommunen nicht geklärt, woraus die Mittel zur Kreditrückführung herrühren sollen. Die Folge ist eher notgedrungen, dass zur Rückführung anstehende Kreditabschnitte nur prolongiert oder in neue Kreditverhältnisse umgeschichtet werden. Kassenkreditlinien stehen derzeit fortwährend zur Prolongation an und sollen nach Wunsch vieler kommunalen Adressen darüber hinaus noch drastisch ausgeweitet werden. Kurzum: Der Mangel an einer adäquaten Finanzausstattung verlagert sich – aus kommunaler Sicht notgedrungen – immer mehr auf die Kreditwirtschaft. Hierdurch droht die Gefahr, dass eine traditionelle Grundregel der Bankwirtschaft für das Kreditgeschäft weitgehend außer Kraft gesetzt wird: Demnach hat eine Kreditvergabe stets zu unterbleiben, wenn von vornherein die Rückzahlung des Kredits durch den Kreditnehmer nicht gewährleistet ist. Diese Situation ist bei vielen Kommunen zu beklagen, denn vielerorts können sie ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen. Insbesondere die Möglichkeit sich fortgesetzt immer weiter zu verschulden erlaubt es, noch von einer „Kapitaldienstfähigkeit“ der Kommunen auszugehen. Diese „Kapitaldienstfähigkeit“ kann bankwirtschaftlich allenfalls in einem uneigentlichen Sinne verstanden werden, denn aus eigener Kraft sind die Kommunen als rückzahlungsverpflichteter Kreditnehmer nicht in der Lage, den fälligen Kapitaldienst zu erbringen. II. Insolvenzunfähigkeit Kredite an Städte, Gemeinden und Kreise sind dennoch nicht ausfallgefährdet, weil Kommunen nicht insolvenzfähig sind. Die Privilegierung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. den jeweiligen landesgesetzlichen Bestimmungen der Gemeindeordnungen.9 Seit jeher können in Deutschland die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden nicht Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein. Dieser Umstand bildet die entscheidende Stabilisierung für den gesamten öffentlichen Kredit. Diese Privilegierung der Gebietskörperschaften gegenüber privatrechtlichen Rechtsformen rechtfertigt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Begründungen.10 Zunächst vollziehen Kommunen öffentliche Aufgaben und sind damit – anders als die meisten privatrechtlich verfassten Unternehmen – nicht auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet, sondern der Daseinsvorsorge verpflichtet. Unterstellt man die öffentliche Verwaltung dem Prinzip der Gewinnerzielung oder wenigstens einer Kostendeckung, liefe man Gefahr eines Funktionsverlustes. Des Weiteren kann aus unterschiedlichen Gründen ein kommunales Vermögen nicht wie dasjenige einer Kapitalgesellschaft

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liquidiert werden. Als Gebietskörperschaft kann die Kommune nach Abschluss eines Liquidationsverfahrens schlechterdings nicht aufgelöst werden, wie dies bei einer Gesellschaft der Fall sein kann. Weitgehende Funktionen des öffentlichen Lebens, sowohl auf Sektor der Leistungs- aber auch der Eingriffsverwaltung (Gefahrenabwehr) liefen bei der Möglichkeit eines kommunalen Insolvenzverfahrens leer. Würde letztlich die Insolvenzunfähigkeit von Gebietskörperschaften entfallen, müßte ein Gläubiger der öffentlichen Hand um die Rückzahlung seiner Kreditforderung fürchten. Letztlich stünde der Fortbestand des gesamten öffentlichen Kredits in seiner traditionellen Form in Zweifel. Nicht nur die gesamte Fremdfinanzierung der öffentlichen Hand, sondern letztlich auch der Fortbestand des staatlichen Gemeinwesens stünde auf dem Spiel. Zu bemerken ist, dass die Insolvenzunfähigkeit von Kommunen lediglich einfach-gesetzlich verbürgt ist, und nicht etwa Verfassungsrang besitzt. Folglich könnte diese kommunale Privilegierung durch eine landesrechtliche Änderung der einfach-gesetzlichen Gemeindeordnung entfallen, mit der Konsequenz, dass die Forderungen gegenüber kommunalen Schuldnern ausfallgefährdet würden. Von daher ist es gerade in der jetzigen Situation der kommunalen Finanzkrise von grundlegender Bedeutung, dass das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit – und damit in die Zahlungsfähigkeit – der Kommunen erhalten bleibt. Diese Vertrauensbasis, die jedweder Kreditvergabe innewohnen muss, wurde durch die Staatenkrise Griechenlands erschüttert. Der oktroyierte „Haircut“, der in einen Forderungsverlust der Gläubiger führte, forcierte Befürchtungen, dass Ähnliches auch mit den Forderungen gegenüber anderen öffentlichen Händen drohen könnte. Nicht mehr und nicht minder gilt es daher, das Vertrauen in die Solvenz der Kommunen zu erhalten und zu stabilisieren.

Kommunalkreditmarkt Der Kommunalkreditmarkt veränderte sich in den letzten Jahren zusehends, indem verschiedene Kreditgeber sich von diesem Geschäftszweig zurückzogen. Eine Ursache für diese Umstrukturierung mag zum einen in der angespannten Finanzsituation der Kommunen begründet sein. In erster Linie mag aber die Liquiditätsanspannung verschiedener Kreditgeber in der Finanzmarktkrise eine geschäftspolitische Umschichtung der verfügbaren Kreditmittel bewirkt haben. Zu beobachten ist vor allem ein Rückzug privater Geschäftsbanken aus dem klassischen Kommunalkreditgeschäft, insbesondere aus dem kurzfristigen Geschäft. Die Tendenz ist hierbei zu verspüren, dass man sich gegenüber kommunalen Adressen auf andere, insbesondere rentablere Produkte, wie zum Beispiel Zinsderivatgeschäfte, beschränkt. Einige Anbieter sind hauptsächlich auf Grund von fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten vollständig aus dem Anbieterkreis von Kommunalfinanzierungen verschwunden. Die Bedienung kommunaler Kreditbedürfnisse konzentriert sich derzeit vorwiegend auf den Kreis der Förderbanken,11 die Institute der Sparkassenorganisation und zum Teil Genossenschaftsbanken.

„Kommunale Bindung“ des Sparkassenwesens Anders als bei privatrechtlich oder auch genossenschaftlich verfassten Kreditinstituten ergibt sich für die Sparkassen eine deutlich engere Beziehung zu den Kommunen, die man im Schrifttum12 und Rechtsprechung13 gemeinhin als „kommunale Bindung“ apostrophiert. Ausdruck dieser kommunalen Bindung sind zahlreiche rechtliche Verknüpfungen, die sich in Gestalt vielseitiger Grund-

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satzregelungen in den einzelnen Landessparkassengesetzen finden: Ausschließlich Gemeinden und Gemeindeverbände können auf Grundlage der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Sparkassen als ihre Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsform einer landesrechtlichen Anstalt des öffentlichen Rechts nach Maßgabe des einschlägigen Sparkassengesetzes errichten und betreiben, § 1 Abs. 1 nw SpkG 2008.14 Mit ausdrücklicher Ausnahme der Sparkassen ist den Kommunen ihrerseits jedwede Errichtung und auch der Betrieb von Bankgeschäften nach dem überlieferten „Kommunalbankverbot“ ausdrücklich untersagt.15 Kraft ihrer regionalen Bindung ist den Sparkassen eine Errichtung von Zweigstellen ausschließlich auf dem Gebiet ihres kommunalen Trägers erlaubt, § 1 Abs. 2 nw SpkG 2008. Diese Regionalbindung sichert unter anderem eine flächendeckende Versorgung des Trägergebiets mit Bankdienstleistungen. Die kommunale Verknüpfung des Sparkassenwesens zeigt sich besonders am Einfluss der Trägerkommune auf die eigene Sparkasse. So konstituiert sich der Verwaltungsrat der Sparkasse zu 2/3 aus kommunalen Vertretern. Anders als etwa dem Aufsichtsrat bei der Aktiengesellschaft obliegt dem Verwaltungsrat nicht nur die Überwachung der Geschäftsführung, sondern weitergehend auch die Bestimmung der Richtlinien der Geschäftspolitik, § 15 Abs. 1 nw SpkG 2008. Neben einer Vielzahl weiterer Zuständigkeiten fasst der Verwaltungsrat Beschluss über die Bestellung, Wiederbestellung, die Ablehnung der Wiederbestellung und die Abberufung der Vorstandsmitglieder, § 15 Abs. 2 a) nw SpkG 2008. Die Vertretung des Trägers beschließt auf Vorschlag des Verwaltungsrats über die Verwendung des Jahresüberschusses, § 24 Abs. 4 Satz 2 nw SpkG 2008, und somit auch über den an den Träger auszuschüttenden Betrag des Jahresüberschusses, § 25 Abs. 1 a) nw SpkG 2008. Bereits die hier nur exemplarisch aufgeführten kommunalen Beziehungen des Sparkassenwesens legen bereits eine bankwirtschaftliche Versorgung der betreffenden Kommune in ihrer spezifischen Eigenschaft als Sparkassenträger nahe. Diese Intention der Landessparkassengesetzgeber findet sich darüber hinaus auch in Form einer unmittelbaren sparkassengesetzlichen Verfestigung. Die traditionelle gesetzliche Determination des „öffentlichen Auftrags“ der Sparkasse umfasst die „geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft insbesondere des Geschäftsgebietes und ihres Trägers,“ § 2 Abs. 1 nw SpkG 2008. Mithin zählt der eigene Träger der Sparkasse unmittelbar zu den bankwirtschaftlichen Zieladressen, die entsprechend dem gesetzlich institutionalisierten Unternehmenszweck vorgegeben sind. Ein aktiv betriebenes Kommunalgeschäft ist damit nicht nur rechtsförmlich legitimiert, sondern ebenso als elementarer Bestandteil des geschäftspolitischen Auftrags zu verstehen. Keine andere Institutsgruppe verfügt über einen vergleichbaren Gesetzesauftrag. Insofern kommt den Sparkassen ein Alleinstellungsmerkmal zu als Hausbank ihres Trägers zu wirken.

Grundlagen der Kommunalfinanzierung I. Definition „Kommunalkredit“

Definitorisch kann man den Begriff „Kommunalkredit“ als Kredit oder auch Darlehen an gemeindliche Gebietskörperschaften, also Gemeinden, Gemeindeverbände, Städte und Landkreise verstehen. In einem weiteren Sinne lassen sich hierunter auch noch die Kredite an Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts fassen. Typischerweise wird der Kommunalkredit ohne Sicherheiten gewährt.

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1. Anstalt öffentlichen Rechts Dies gilt in besonderer Weise für die in der Kommunalverwaltung immer populärer werdende Anstalt öffentlichen Rechts (AöR). Die Verwaltung kann öffentliche Aufgaben auf die AöR übertragen und damit in einem eigenständigen öffentlichrechtlich verfassten Unternehmen vollziehen lassen. Kreditwirtschaftlich genießt die AöR eine umfassende Gewährträgerhaftung ihrer Trägerkommune17, sodass infolge der unbeschränkten Haftung des kommunalen Trägers aufgrund dessen eigener Insolvenzunfähigkeit ein Ausfallrisiko faktisch nicht besteht. Mit dieser besonderen Rechtsnatur als juristische Person des öffentlichen Rechts ist allerdings nicht wie bei Gebietskörperschaften die vollständige Freistellung von einer Eigenkapitalunterlegung verbunden. Bankaufsichtsrechtlich hält die Bafin18 an der Differenzierung fest, dass bei einer nicht wirtschaftlichen Aufgabenerfüllung dennoch ein privilegierter Anrechnungssatz von 20 % zu unterlegen ist. Dabei muss die Erledigung öffentlicher Aufgaben im Vordergrund stehen. Werden hingegen Erwerbsabsichten mittels der AöR verfolgt, ist der vollständige Anrechnungssatz zu 100 % zugrunde zulegen. Die jeweilige Eigenkapitalunterlegung ist bei der Konditionierung zu berücksichtigen. Trotz fehlendem Ausfallrisiko nehmen Kreditgeber von der Trägerkommune der AöR eine kommunale Bürgschaft herein, um somit eine wenigstens „kommunalkreditähnliche Kondition“ darstellen zu können. 2. Kommunale- und kommunalnahe Unternehmen In der bankwirtschaftlichen Praxis verwendet man gelegentlich auch Finanzierungen zugunsten von kommunalen oder auch kommunalnahen Unternehmen unter den Oberbegriff Kommunalkredit. Hierbei ist Vorsicht geboten, denn sämtliche Unternehmen der öffentlichen Hand in privater Rechtsform, wie etwa der GmbH oder auch der AG, unterstehen – wie jedes andere Privatunternehmen – in privater Gesellschafterhand der uneingeschränkten Insolvenzfähigkeit. Einer als Kapitalgesellschaft verfassten Kommunaladresse wohnt damit stets ein Ausfallrisiko inne, denn es besteht gesellschaftsrechtlich gerade keine persönliche Haftung des Gesellschafters. Dementsprechend gelten die oben geschilderten Privilegierungen des eigentlichen Kommunalkredits für diese Finanzierungen nicht. Insbesondere ist eine Kreditsicherung und auch eine Eigenkapitalunterlegung notwendig. II. Gemeinderechtliche Formen des Kommunalkredits Das Gemeinderecht differenziert zwischen zwei Grundformen des Kommunalkredits, nämlich dem langfristigen Investitionskredit und dem – jedenfalls nach der gesetzlichen Zweckbestimmung – kurzfristig angelegten „Kredit zur Liquiditätssicherung“, der gemeinhin als „Kassenkredit“ Bezeichnung findet. 1. Investitionskredite Nach der Grundregel (§ 86 Abs. 1 Satz 1 nw GO) dürfen Kredite nur für Investitionen und Umschuldungen aufgenommen werden. Obgleich es derzeit wegen der kommunalen Finanzkrise außer Betrachtung geraten sein mag, geht das Gemeinderecht nach wie vor davon aus, dass es sich bei der Kreditaufnahme um einen Ausnahmetatbestand handelt. Nach § 77 Abs. 3 nw GO darf die Gemeinde nur Investitionskredite aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Diese gesetzliche Subsidiarität der Kreditaufnahme basiert auf der Annahme, dass kommunale Haushalte ausgeglichen sind. Der formale

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Haushaltsausgleich erfolgt aber in tatsächlicher Hinsicht erst durch eine entsprechende Kreditaufnahme. Materielle Voraussetzung einer jeden Kreditaufnahme bildet der Umstand, dass die aus Krediten übernommenen Verpflichtungen „mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde in Einklang stehen müssen,“ § 86 Abs. 1 Satz 2 nw GO. Verfahrensmäßig bedarf die Kreditaufnahme einer besonderen Ermächtigung in der Haushaltssatzung, § 78 Abs. 2 Nr 1 c) nw GO. Diese Kreditermächtigung erlischt nicht am Ende des Haushaltsjahres, sondern gilt wenigstens bis zum Ende des folgenden Jahres oder falls die Haushaltssatzung für das übernächste Jahr nicht rechtzeitig öffentlich bekannt gemacht wird, bis zum Erlass dieser Haushaltssatzung, § 85 Abs. 2 nw GO. Landesrechtlich existieren unterschiedliche haushaltsrechtliche Verfahrens- und Genehmigungsanforderungen für eine Kreditaufnahme, welche bei Kreditvergaben sparkassenseitig zu klären sind. In Nordrhein-Westfalen sind die aufgenommenen Kreditverpflichtungen spätestens einen Monat vor der rechtsverbindlichen Eingehung der Verpflichtung schriftlich bei der Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen, § 86 Abs. 1 nw GO. In anderen Bundesländern steht die Aufnahme von Investitionskrediten sogar unter Genehmigungsvorbehalt der Aufsichtsbehörde. Die Gemeinde darf zur Sicherung von Krediten grundsätzlich keine Sicherheiten bestellen, es sei denn, die Bestellung von Sicherheiten entspricht der Verkehrsübung, § 86 Abs. 5 nw GO. 2. Kredite zur Liquiditätssicherung (Kassenkredite) Gegenüber dem Investitionskredit bildet der nach der Terminologie des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) sogenannte „Kredit zur Liquiditätssicherung“ (Kassenkredit) seinerseits wiederum einen Sonderfall. Die Gemeinde ist gesetzlich angehalten ihre Zahlungsfähigkeit durch eine angemessene Liquiditätsplanung sicherzustellen, § 89 nw GO. Die Kassenkredite dürfen nur zur rechtzeitigen Leistung der gemeindlichen Auszahlungen aufgenommen werden. Sie dienen der gesetzlichen Gestaltung nach – an sich – nur zum Ausgleich vorübergehender Liquiditätsspitzen. Diese auf Kurzfristigkeit ausgerichtete Natur der „Kredite zur Liquiditätssicherung“ pervertierte im Laufe der Jahre in der Haushaltspraxis. Zwischenzeitlich werden nicht nur Altfehlbeträge aus früheren Haushaltsjahren, laufende Ausgaben, wie zum Beispiel Lohn- und Gehaltszahlungen oder auch langfristige Investitionsmaßnahmen etwa für Instandsetzungen über den Kassenkredit finanziert. Faktisch erfuhr das haushaltswirtschaftliche Instrument des Kassenkredits zu großen Teilen eine Wesensveränderung contra legem.

Bonitätsprüfung, die Kreditsicherung oder auch ein Rating der konkreten Kreditnehmeradresse beim Kommunaldarlehen gerade nicht erforderlich sind, führt dies einerseits dazu, dass diese Kredite nur mit geringen Zinsmargen versehen werden können. Insbesondere die geringe Komplexität, die die Entscheidung über die Gewährung eines Kommunaldarlehens erfordert, macht dieses Produkt am Markt zu einem völlig austauschbaren Produkt, welches von nahezu jedem Kreditinstitut problemlos vergeben werden kann. 2. Kredite zur Liquiditätssicherung (Kassenkredite) Die bankwirtschaftlichen Darreichungsformen sind bei Kassenkrediten flexibel gestaltbar. Neben einer entsprechenden Vereinbarung einer Kassenkreditlinie ermöglicht sich die Tageskreditaufnahme und auch die Nutzung als Terminkredit, bei dem ein betragsmäßig festgelegter Höchstbetrag mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr als Festabschnitt gewährt wird. Darüber hinaus besteht grundsätzlich die Möglichkeit mehrjährige Kassenkredite aufzunehmen. Kommunalrechtlich ist dabei zu klären, inwieweit die Kommunalaufsichtsbehörden Zinsfestschreibungen bei Kassenkrediten tolerieren. Nicht zuletzt das Ausmass an kurzfristiger Verschuldung gab in Nordrhein-Westfalen Anlass, die bisherige Erlassregelung19 zur Zinsfestschreibung für Kassenkredite deutlich zu extensivieren.20 Demnach darf eine Kommune für die Hälfte des Gesamtbestands an Krediten zur Liquiditätssicherung Zinsvereinbarungen mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren abschließen. Für ein weiteres Viertel am Gesamtbestand solcher Kredite dürfen wiederum Zinsvereinbarungen mit einer Laufzeit von maximal fünf Jahren festgelegt werden. Zinsvereinbarungen, die eine Laufzeit von fünf Jahren überschreiten, muss die Kommune zuvor mit der örtlich zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde abstimmen.

Geschäftspolitische Bedeutung Das Engagement einer Sparkasse auf Sektor der Kommunalfinanzierung in Form von Investitions- oder auch Kassenkrediten darf im Hinblick auf deren geschäftspolitische Bedeutung keineswegs isoliert Bewertung finden. Die eigentliche Vergabe von Kommunalkrediten lässt sich in gleichem Umfang wie die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für die Kommunen als „Ankerprodukt“ für eine umfassende Geschäftsbeziehung zwischen Sparkasse und dem „Konzern Kommune“ gestalten. In gleichem Maße, wie

III. Bankwirtschaftliche Darreichungsformen 1. Investitionskredite Investitionskredite im gemeinderechtlichen Sinne werden regelmäßig in der Form des altbekannten „Kommunaldarlehens“ zur Verfügung gestellt. Stets handelt es sich um längerfristigere Finanzierungen, die begriffsnotwendig ohne Sicherheiten erfolgen. In den Tilgungsstrukturen gibt es unterschiedliche Variationsmöglichkeiten als annuitätisch oder ratierlich zu tilgende Darlehen. Weil Kommunaldarlehen eben nicht ausfallbedroht sind und deshalb auch nicht mit Eigenkapital zu unterlegen sind, ist deren Gewährung von nur geringer Komplexität. Weil die üblicherweise bei einer Kreditentscheidung zugrunde liegenden Kriterien, wie etwa die

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„Leistungsspektrum im Kommunalgeschäft“

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sich Kommunalverwaltungen modernisieren, hat sich auch das Sparkassengeschäft durch innovative Geschäftsansätze fortzuentwickeln. Dabei finden sich höchst attraktive Geschäftsbeziehungen insbesondere zu den kommunalnahen Unternehmen. Betrachtungen, in denen das Kommunalgeschäft hauptsächlich mit der Vergabe von margenschwachen Kommunaldarlehen identifiziert wurden, sind längst vergangen. Die heutige Geschäftspalette umfasst das gesamte bankwirtschaftliche Produktportfolio, welches auf die spezifischen Belange der kommunalen Adressen zugeschnitten sein muss:

Refinanzierung I. Problematik

Hinsichtlich der Refinanzierung des Kommunalkreditgeschäfts gelten zunächst die üblichen Grundsätze. Der anteilige Einsatz von Eigenkapital und die Verwendung der im Passivgeschäft beschafften Einlagen bilden die Grundlagen der Refinanzierung. Im Bereich der Kommunalfinanzierung zeigt sich nicht zuletzt wegen ständig anwachsender Kassenkreditbedürfnisse zwischen dem Einlagenaufkommen und den umfangreichen Finanzierungsbedürfnissen eine von den Kreditinstituten nicht mehr ohne weiteres zu schließende Deckungslücke. Eine unbeschränkte Hereinnahme von Geldund Kapitalmarktmitteln würde weiterhin zu einer Erhöhung der Refinanzierungskosten führen. II. Begebung eines öffentlichen Pfandbriefs Speziell die längerfristigen Kommunaldarlehen können sich durchaus für die Begebung eines öffentlichen Pfandbriefs (Kommunalpfandbrief) eignen.21 Der Pfandbrief stellt eine von einer Pfandbriefbank emittierte Anleihe dar, wobei dem Zeichner neben der Bonität der emittierenden Bank oder Sparkasse im Falle ihrer Insolvenz zusätzlich noch die sogenannte Deckungsmasse zur Befriedigung seiner Rückzahlungsforderung offen steht. Der besondere Schutz des Zeichners besteht darin, dass die Deckungsmasse nicht am Insolvenzverfahren des Emittenten teilnimmt, sondern ausschließlich zur Befriedigung der Pfandbriefgläubiger zur Verfügung steht („Insolvenzvorrecht“). Von daher ist es von hervorzuhebender Wichtigkeit, dass die in der Deckungsmasse eingestellten Forderungen von gesteigerter Sicherheit und Güte sind. Neben dem öffentlichen Pfandbrief (Kommunalpfandbrief, früher auch „Kommunalschuldverschreibung“) können des Weiteren als deckungsstockfähig erstrangig bis 60 % des Beleihungswertes gesicherte Hypotheken sowie Schiffs- oder auch Flugzeughypotheken dienen.22 Die Emission erfolgt auf Basis des Pfandbriefgesetzes, welches insbesondere die Intention verfolgt, eine gesteigerte Sicherheit der Pfandbriefe zu gewährleisten. Damit wird zum einen dem Sicherheitsbedürfnis eines bestimmten Anlegerkreises entsprochen, zum anderen verfügen die Pfandbriefemittenten aufgrund der niedrigen zu zahlenden Risikoprämie über eine günstige und zuverlässige Refinanzierungsquelle, die sich am Kapitalmarktzins orientiert. Selbstverständlich sind nicht alle von einer Pfandbriefbank vergebenen Kredite als Deckungswerte geeignet. In Bezug auf den öffentlichen Pfandbrief regelt § 20 Pfandbriefgesetz die Anforderungen im Einzelnen. Demnach dürfen zur Deckung öffentlicher Pfandbriefe nur Geldforderungen aus der Vergabe von Darlehen, aus Schuldverschreibungen oder aus einem vergleichbaren Rechtsgeschäft benutzt werden. Unter anderem müssen sie sich unmittelbar gegen inländische Gebietskörperschaften und solche Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts richten, für die eine Anstaltslast oder eine Gewährträ-

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gerhaftung oder eine staatliche Refinanzierungsgarantie gilt oder die das gesetzliche Recht zur Erhebung von Gebühren, Umlagen oder andere Abgaben innehaben, § 20 Abs. 1 Ziff. 1 Pfandbriefgesetz. Die Begebung eines öffentlichen Pfandbriefs ist naturgemäß mit erheblichem Transaktionsaufwand verbunden. Von daher erscheint einer Mindestgröße der Emission in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages als angemessene Größenordnung. Dennoch kann das unter Rentabilitätsaspekten als niedrigverzinsliche Anlageform definierte Produkt „Kommunaldarlehen“ unter dieser Refinanzierungsmöglichkeit eine gewisse Renaissance verzeichnen. III. EZB-Refinanzierung Der Kommunalpfandbrief scheidet jedoch bei kurzfristigen Finanzierungen als Refinanzierungsinstrument aus. Aber gerade das ansteigende Bedürfnis nach Kassenkrediten verlangt ebenso nach alternativen Möglichkeiten, um den Kundenbedürfnissen hinreichend Rechnung tragen zu können. Beanspruchungen im Rahmen von Kassenkreditlinien sind nicht zuletzt wegen der Volatilität der jeweiligen Tagessalden nicht deckungsfähig und scheiden somit bereits aus technischen Gründen aus. Es verbleibt allerdings der alternative Weg über eine Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank, wobei aber auch die eigentlich beanspruchte Kassenkreditlinie wegen ihres wechselnden Bestands als solche nicht nutzbar ist. Es verbleibt aber die Möglichkeit, aus der beanspruchten Kreditlinie einzelne Festabschnitte in Form von „Terminkrediten“ (mehrjährig zinsgebundene Kassenkredite) auszuplatzieren. Voraussetzung ist, dass der kommunale Kunde den Finanzbedarf schon zu Anfang für einen bestimmten Zeitabschnitt vorausschauen kann. In der schuldrechtlichen Abrede kann sodann eine feste Laufzeit mit einem entsprechend verhandelten Festzinssatz vereinbart werden. Die Frage stellt sich, welche Laufzeiten für derartige Festzinsabschnitte von der EZB akzeptiert werden können. Eine Laufzeit von nur 60 Tagen wird wohl noch möglich sein, jedoch wirtschaftlich wenig Sinn machen. Gewiss ist, dass eine Laufzeit von 90 Tagen und mehr geeignet ist. In geschäftspolitischer Hinsicht bedarf diese Refinanzierungsvariante selbstverständlich der Mitwirkung des kommunalen Kunden. Hier ist rechtzeitig – etwa bei Wunsch einer Erhöhung der bisher eingeräumten Kassenkreditlinie – eine entsprechende Gestaltung zu verhandeln. Im Hinblick auf das derzeitige Zinsniveau disponieren viele Kommunen ihren Liquiditätsbedarf durch Tageskreditaufnahmen. Eine Tendenz zur Umschichtung ist aber gerade bei Kommunen in der ungeregelten Haushaltsführung (Nothaushalt) festzustellen. Im Übrigen wird es derzeit wohl noch schwierig erscheinen, entsprechend längere Kreditlaufzeiten auf Terminkreditbasis durchzusetzen, weil diese notgedrungen mit einem höheren Zinssatz einhergehen.

Von Basel II zu Basel III I. Aktuelle Rechslage

In der seinerzeitigen Umsetzung der Richtlinien nach Basel II in deutsches Recht wurde für die Kommunalfinanzierung eine dauerhafte Ausnahme von dem an sich anwendbaren IRB-Ansatz23 festgeschrieben („partial use“). Dies erfolgte in § 70 der seit 01.01.2007 in Kraft getretenen Solvabilitäts-

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verordnung (SolvV), wonach Forderungen unter anderem an inländische Gemeinden und Gemeindeverbände ohne jede zeitliche Beschränkung vom IRB-Ansatz herausgenommen werden können. Hieraus ergibt sich auch heute noch die Möglichkeit, in Abweichung zur Basel II – Grundregel, Kredite an deutsche Kommunen wie bisher nicht mit haftendem Eigenkapital unterlegen zu müssen. Mit dem seinerzeitigen Erlass der Solvabilitätsverordnung stufte die Bundesregierung die Kredite an Kommunen als „risikolos“ ein.24 Diese Privilegierung, die in § 70 SolvV als „zeitlich unbeschränkt“ apostrophiert wurde, dauert ungeachtet aller europarechtlichen Änderungs- und Reformansätze derzeit unverändert fort, und bedürfte einer formalen Aufhebung oder Abänderung durch den zuständigen Verordnungsgeber. Die Kreditwirtschaft kann also bis zu einer möglichen Änderung auf den partial use (und damit auf die Nullanrechnung) zugunsten der Kommunalfinanzierung zumindest formal vertrauen. Es sollte jedoch nicht zu dem Phlegma führen, dass eine Änderung der SolvV als ausgeschlossen gilt. Betrachtet man die Motive, die den Verordnungsgeber seinerzeit dazu bewogen die Forderungen an Kommunen als „risikolos“ zu betrachten, können angesichts der fortdauernden kommunalen Finanzkrise durchaus Zweifel entstehen, die einen Änderungsanlass wenigstens diskutabel erscheinen lassen. Europarechtlich ging man sicherheitsbezogen davon aus, dass sich Forderungen an den Zentralstaat nicht von kommunalen Forderungen unterscheiden, weil die Gebietskörperschaften über eigenständige Steuererhebungsrechte verfügen und besondere institutionelle Vorkehrungen getroffen wurden, um ihr Ausfallrisiko zu reduzieren.25 Unter diesen institutionellen Vorkehrungen ist in erster Linie an die Fortgeltung der Insolvenzunfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen zu denken und erst danach an den Finanzausgleich zwischen Bund und den Ländern sowie den Finanzausgleich auf Gemeindeebene. Würde alleine bereits die Insolvenzunfähigkeit entfallen, bedeutete dies eine vollständige Umgestaltung des gesamten öffentlichen Kredits. II. Basel III Eine Änderung der geschilderten aktuellen Rechtslage und somit die Auswirkungen auf das Kommunalgeschäft von Banken und Sparkassen durch das Reformvorhaben Basel III ist noch nicht endgültig absehbar. Insbesondere ist derzeit noch nicht feststehend, dass über den partial use zugunsten der Kommunen diskutiert wird, geschweige, dass die Nullanrechnung nach der Solvabilitätsverordnung abgeschafft wird. Von daher kann nach wie vor von der Stabilität dieser Grundsätze ausgegangen werden. Dennoch wird auch die Umsetzung von Basel III das kommunale Geschäft berühren. 1. Rechtsetzungsverfahren Nachdem am 12. September 2010 die Chefs der Notenbanken und Aufsichtsbehörden von 27 Staaten im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht neue Kapital- und Liquiditätsvorschriften für Kreditinstitute beschlossen haben, steht die Umsetzung dieser Basel III-Regeln international und auf europäischer Ebene an. Intention von Basel III ist es, die Krisenresistenz von Instituten, insbesondere durch strengere Regeln für das Eigenkapital, zu stärken. Die Europäische Kommission unterbreitete bereits Vorschläge, die bestehenden europarechtlichen Eigenkapitalvorschriften der Richtlinien 2006/48/ EG und 2006/49/EG zu ändern. Diese Vorschläge der Kommission bezeichnet man als „Capital Requirements Directive“ und werden als „CRD II“, „CRD III“ und „CRD IV“ abgekürzt. Vom Zeitplan her, sollen die Basel III – Vorgaben ab 2013 schrittweise bis 2018 in Kraft treten.

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Die Umsetzung von Basel III durch die CRD IV wurde anfangs als umfassende Kapitaladäquanzrichtlinie geplant, soll aber nach Auffassung der Kommission nicht durch einen Richtlinie, sondern durch eine Verordnung erfolgen, welche die Regelungsbereiche Eigenkapital, Liquidität und Offenlegung erfasst.26 Für die Transformation von Europarecht in nationales Recht kommt dieser vordergründigen Verfahrensfrage erhebliche Bedeutung zu. Während sich eine Richtlinie an die Mitgliedstaaten wendet und auf eine Ausfüllung und Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber angelegt ist, lässt demgegenüber eine Verordnung grundsätzlich keinen Gestaltungsraum mehr zu. Die erlassene Verordnung würde stattdessen alle Kreditinstitute unmittelbar erfassen, ohne durch das jeweilige Geschäftsmodell notwendige Differenzierungen zuzulassen. Konsequenz wäre, dass für die Regelungsmaterien Eigenkapital, Liquidität und Offenlegung die bestehenden Vorschriften des KWG suspendiert und letztlich mit eigener Begrifflichkeit in der europäischen Verordnung Niederschlag fänden. Diese Tendenz der Kommission zur Schaffung eines europaweit verbindlichen „Single Rule Book“ birgt nicht nur die Gefahr einer kaum mehr überschaubaren Gemengelage zwischen Verordnung und dem nationalstaatlichen KWG. Bedrohlicher erscheint stattdessen der Umstand, dass in Folge einer „Einheitsregelung“ spezifische Interessen einzelner Institutsgruppen – und hier besonders diejenigen der deutschen Sparkassen – unberücksichtigt bleiben und aufsichtsrechtlich zu einer Umgestaltung gezwungen werden können. Die Festlegungen im Rahmen von Basel III wurden schließlich am Leitbild von international tätigen Großbanken, vornehmlich an börsennotierten Aktiengesellschaften angloamerikanischen Zuschnitts, konzipiert. 2. Gesteigerter Eigenkapitalanforderungen Aus Erfahrungen der Finanzmarktkrise resultierend setzt Basel III auf eine erhebliche Verschärfung der bestehenden Eigenkapitalanforderungen.27 So sollen die Mindestanforderungen für das harte Kernkapital von 2 % auf 4,5 % angehoben werden. Zusätzlich will man Kreditinstitute verpflichten einen Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 % vorzuhalten, um eine taugliche Abwehr gegen künftige Stressphasen zu erhalten. Der Kapitalerhaltungspuffer verhindert, dass Kapital in Krisensituationen zu schnell aufgezehrt wird. Es steigen damit die Mindestanforderungen für das harte Kernkapital auf insgesamt 7 % . Ergänzt werden diese Regeln durch enger gefasste Definitionen für das Eigenkapital und höhere Eigenkapitalvorschriften für das Handels-, Derivativ- und Verbriefungsgeschäft. Ein antizyklischer Kapitalpuffer zwischen 0 – 2,5 % bestehend aus hartem Kernkapital oder sonstigem Kapital, das eine vollständige Verlustabsorption gewährleistet, wird eingeführt. Ratio ist der Schutz des Bankensektors vor einem übermäßigen hohen Wachstum des Gesamtkreditvolumens. Sofern die geforderten Quoten des antizyklischen Kapitalpuffers und Kapitalerhaltungspuffers verfehlt werden, sind Ausschüttungsbeschränkungen bzw. eine Pflicht zur Gewinnthesaurierung vorgesehen. Zudem sollen Bonifikationszahlungen eingeschränkt werden. 3. Leverage Ratio Eine Besonderheit im Zuge der neuen Eigenkapitalvorschriften bildet die „Leverage Ratio“ im Sinne einer Bemessung des Fremdverschuldungsgrads. Diese Kennzahl ist derzeit als Meldekennzahl ausgestaltet, soll aber ab 2018 für die Kreditinstitute verbindlich werden. Die Leverage Ratio setzt das bankaufsichtliche Eigenkapital in Relation zur Summe der bilanziellen und außerbilanziellen Geschäfte des Instituts. Dieses Verhältnis wird auf drei Prozent begrenzt. Besonders

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schmerzlich werden dabei von den deutschen Sparkassen die verschäften Anfoderungen empfunden, die an die Anerkennung sog. „harter Kernkapitalinstrumente“ gestellt werden.28 So sollen die vielfach von Sparkassen hereingenommenen stillen Einlagen zukünftig nur noch unter erheblich verschärften engen Vorgaben diesbezüglich anerkannt werden. Per definitionem reduziert sich damit bislang tatsächlich vorhandenes Eigenkapital. Ähnlich nachteilig verändert sich die Eigenkapitalanrechnung bezüglich der direkten und indirekten Beteiligungen von Sparkassen. Diese müssen zukünftig sämtlichst vom harten Kernkapital abgezogen werden, wodurch insbesondere Verbundorganisationen, wie die Sparkassenorganisation, aber auch Genossenschaftsbanken, Nachteile erleiden. Bezogen auf die Kommunalfinanzierung müßten an sich Kommunalkredite – wie bei der Kapitalanrechnung – ebenso bei Berechnung der Leverage Ratio unberücksichtigt bleiben. Da man aber das Risiko der kontrahierten Geschäfte bei Bemessung der Leverage Ratio aber gerade nicht berücksichtigen will, fließen auch die Kommunalkredite mit ein. Der Effekt wird sich darin zeigen, dass bei einer Einrechnung der Kommunalkredite sich die Eigenkapitalquote verringert. Die bislang auf Sektor der Kommunalfinanzierung besonders engagierten Institute geraten damit schneller in die Situation aus Gründen der institutsspezifischen Verschuldungsquote Aktiva abbauen zu müssen. Bei dieser Zuweisung vorhandenen Eigenkapitals liegt es nahe, dass gerade das Kommunalkreditgeschäft als ein margenschwächeres Aktivgeschäft zugunsten anderer Betätigungsfelder reduziert wird. Letztlich kann deshalb über die geplante definitorische Ausgestaltung der Leverage Ratio durchaus ein Fehlanreiz einher gehen, unter Abbau des Kommunlakreditgeschäfts risikoreichere Gechäfte zu präferieren, um somit dem Rentabilitätsdruck zu entsprechen. 4. Liquidity Coverage Ratio (LCR) Gemäß den Vorschlägen nach Basel III soll sich eine weitere Kennzahl etablieren, die eine Mindestliquiditätsquote festschreibt. Verkürzt dargestellt wird durch die Liquidity Coverage Ratio die Relation des Bestands an erstklssiger Aktiva zum gesamten Nettaoabfluss binnen der nächsten 30 Tage beschrieben. Die Liquidity Coverage Ratio dient der Liquiditätsvorsorge, indem sie sicherstellen soll, dass ein Kreditinstitut einen hinreichenden Bestand an liquider Aktiva vorhält, der kurzfristig mobilisiert werden kann. Diese Kennzahl startete bereits in der Beobachtungsphase und wird ab 2015 verbindlich. 5. Net Stable Funding Ratio (NSFR) Die Liquidity Coverage Ratio wird durch die Net Stable Funding Ratio als eine strukturelle Liquiditätsquote ergänzt, welche eine angemessene Fristenstrukur zwischen Aktiva und Passiva erreichen soll. Betrachtungszeitraum ist dabei ein Jahr. Die mittel- und langfristige Refinanzierung des Aktivgeschäfts soll durch die Net Stable Funding Ratio Stabiliserung erfahren. 6. Relevanz für das Kommunalgeschäft Die für das Kommunalgeschäft relevante Frage einer Eigenkapitalunterlegung und die damit einhergehende Privilegierung durch die Nullanrechnung steht durchaus im thematischen Zusammenhang mit den geplanten Verschärfungen der Eigenkapitalregeln. Zwar mag ein europarechtlich intendierter Eingriff in diese Rechtslage – auf lange Sicht – nicht auszuschließen sein, jedenfalls wird das Kommunalgeschäft – wie alle anderen Geschäftsfelder einer Sparkasse – ebenso

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von den Auswirkungen erfasst werden. Besonders die Einrechnung der Kommunalkredite in die Leverage Ratio wird durch die damit verbundene schärfere Zuweisung des Eigenkapitals auf rentabilitätswirksamere Aktivgeschäfte zu Lasten dieses Geschäftszweigs restriktiv wirken. Alleine bereits das Vorhalten einer größeren Eigenkapitalausstattung veranlasst alle Kreditinstitute rentabler zu arbeiten, um fortschreitend zu einer Eigenkapitalstärkung gelangen zu können. Die Sparkassen sind hier besonders gefordert, denn ihnen ist eine Aufstockung ihres Eigenkapitals nur durch Gewinnerzielung möglich. Auch hierdurch belegt sich eine Benachteiligung der Sparkasse gegenüber als Aktienbanken verfassten Kreditinstituten. Eher zwangsläufig werden die gesteigerten Eigenkapitalanforderungen auch zu höheren Kosten führen. Dies gilt im Rahmen der Gesamtbanksteuerung für sämtliche Produktgruppen. Der Kommunalkredit wird hier keine Ausnahme bilden. Mit Umsetzung der Basel III – Regeln werden die Kommunen mit weiteren geschäftlichen Restriktionen auf Seiten der Anbieter von Kommunalfinanzierungen rechnen müssen. Notgedrungen werden sich die Aufschläge auf den Einstandszins erhöhen, mit der Folge, dass sich die Konditionierung für Kommunalkredite überproportional zum Marktzins erhöhen wird.

Fazit Ausmaß und Intensität der derzeitigen kommunalen Finanzkrise haben den Grad des Vertretbaren überschritten. Die Sicherstellung einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen ist eine staatliche Aufgabe und keine Verantwortungsspähre von Banken und Sparkassen. Die Kreditwirtschaft ist demgegenüber dazu berufen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hilfestellungen zu geben. Unabweisbare Voraussetzung bildet hierfür der Fortbestand der Vertrauensgrundlage in die Sovenz der kommunalen Kreditnehmer, wie sie jeder Kreditvergabe zugrunde liegen muss. Allzu leichtfertige Diskussionen über eine etwaige Abschaffung der Insolvenzunfähigkeit kommunaler Gebietskörperschaften sind diesbezüglich schädlich und gefährden letztlich den Fortbestand des öffentlichen Kredits. Sowohl das wirtschaftliche als auch das regulatorische Umfeld laden derzeit Kreditinstitute nicht zu einem stärkeren Engagement auf Sektor des Kommunalgeschäfts ein. Der Rückzug mancher privaten Geschäftsbank oder auch anders verfasster Institute aus der Kommunalfinanzierung kann für Sparkassen kein Beispiel sein. Als kommunale Institute sind sie qua Rechtsform ihrem Träger verpflichtet. Der öffentliche Auftrag umfasst in institutionell abgesicherter Weise durch die Landessparkassengesetze die bankwirtschaftliche Versorgung des eigenen kommunalen Trägers. Der Kommunalkredit bildet innerhalb der kommunal ausgerichteten Palette an Bankdienstleistungen ein Ankerprodukt für die gesamte Geschäftsbeziehung. Durch eine breit aufgestellte Produktpalette und Bedienung des gesamten „Konzerns Kommune“ lässt sich ein so verstandenes Kommunalgeschäft auch erfolgreich gestalten. Die Regelungen nach Basel III werden zu weiteren deutlichen Umgestaltungen des Kommunalkreditmarkts führen und werden speziell für die Sparkassen eine besondere Herausforderung darstellen.

Anmerkungen: 1 Der Beitrag erschien im Jahr 2011 in verkürzter Form in Heft 61 der Reihe S-Management Praxis, S. 18 ff. Die vorliegende Fassung wurde demgegenüber aktualisiert und inhaltlich erweitert. Sie gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wider. Bei landesrechtlichen Gesetzeszitaten, werden diejenigen von Nordrhein-Westfalen herangezogen. 2 Anfolgende Zahlenangaben Quelle: Kommunalfinanzen 2009-2011 – Pro-

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gnose der kommunalen Spitzenverbände vom 14.02.2011 – Bundesvereinigung der deutschen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, abrufbar unter http:// staedtetag.de/imperia/mdcontent/pressedien/2011/3.pdf. 3 Quelle: Deutscher Städtetag, Aktuelle Finanzlage der Städte, Rückblick auf 2011 und Prognose für 2012, vom 14.02.2012, abrufbar unter : www.staedtetag.de/imperia/md/content/dst/20120214_finanzlage_2011.pdf. 4 Deutscher Städtetag, Aktuelle Finanzlage der Städte, Rückblick auf 2011 und Prognose für 2012, S. 3. 5 Kommunalfinanzen 2009-2011 – Prognose der kommunalen Spitzenverbände vom 14.02.2011 – Bundesvereinigung der deutschen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund), a.a.O. 6 Deutscher Städtetag, Aktuelle Finanzlage der Städte, Rückblick auf 2011 und Prognose für 2012, S. 2. 7 Quelle:Bundesministerium der Finanzen „Bundespolitik und Kommunalfinanzen“, abrufbar:http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4486/DE/ BMF_Startseite/Aktuelles/Monatsbericht_des_BMF/2010/09/analysen-undberichte//bü02/bü02-Bundespolitik-und-Kommunalfinanzen.html. 8 Deutscher Städtetag, Aktuelle Finanzlage der Städte, Rückblick auf 2011 und Prognose für 2012, ebenda. 9 Nach § 128 Abs. 2 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (nw GO) findet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinde nicht statt. 10 Vgl. zur Thematik: Josten, Kommunalkreditgeschäft: Kommunen zwischen Insolvenzunfähigkeit und finanzwirtschaftlichem Kollaps, Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2006. 133 ff. 11 Eine herausgehobene Beachtung erfuhr in diesem Kontext die Haltung der KfW. Aus Sicht eines Bundesinstitutes stand es bei der KfW zur Debatte, ob man Kreditvergaben an Kommunen begrenzt. Hierbei ist die Gefahr nicht auszuschließen, dass gerade finanziell schwächere Kommunen betroffen sein können, vgl. hierzu „Weniger Kredite für die Kommunen“, Handelsblatt vom 14.12.2010. 12 Umfassend: Stern, Sparkasse und Kommunen – Ihre kommunal- und sparkassenrechtliche Verknüpfung, in Standortbestimmung, Entwicklungslinien

der Deutschen Kreditwirtschaft, herausgegeben vom DSGV, Stuttgart 1984; S. 133 ff. m.w.N. 13 V  gl. nur Bay. VGH 26, 177 (180); 34, 23 (29). 14  Die sparkassenrechtlichen Bestimmungen werden hier am Beispiel des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen vom 18.11.2008 (GV NRW S. 696), abgekürzt „nw SpkG 2008“, zitiert. 15 V  gl. das Kommunalbankverbot etwa in § 107 Abs. 6 nw GO. 16 V  gl. zur AöR § 114 a nw GO. 17 §  114 a Abs. 5 nw GO. 18 B  AFin Geschäftszeichen I 5 – A 231 – 6/2002 vom 16.07.2002. 19 Runderlass des Innenministeriums NRW vom 09.10.2006 –34-48.05.01/01letzte Änderung vom 13.12.2010, SMBL. NRW 652. 20 Vgl. die aktuelle Rechtslage: Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales – 34 – 48.05.01/01 – 8/11 – vom 06.05.2011, MBl. NRW 2011 Nr. 17 vom 12.07.2011, S. 227 ff; vgl. auch dazu Mitteilungen des Städteund Gemeindebundes NRW, Mitt. StGB NRW 9/2011 Anm. 359. 21 Zur Emission von Pfandbriefen vgl. Verband der Pfandbriefbanken (vdp), Der Pfandbrief 2009/2010, ebenda Tolckmitt/Stöcker, „Die rechtlichen Grundlagen der Pfandbriefemission“, S. 7 ff. 22 §  1 Abs. 3 Pfandbriefgesetz. 23 Zum IRB-Ansatz vergleiche § 55 Abs. 1 SolvV: = der auf internem Rating basierende Ansatz. 24 Vgl. hierzu nur Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Basel II und Auswirkungen auf Kommunen, in StGB NW-Mitteiling 381/2004 vom 17.05.2004. 25 Europäische Union, Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten, Amtsblatt EG L 177/1 Anhang VI Rdn. 9. 26 Börsenzeitung vom 25.02.2011, „Bei Basel III-Umsetzung droht komplizierte Gemengelage“. 27 Vgl. zur Übersicht Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rdn. 1.84 = S. 35. 28 Vgl. etwa Schackmann-Fallis, Kapitalmarktregulierung trifft die Falschen, EUROPA kommunal 2/2012, S. 5 f.

Kultur = Mehrwert für die Region Von Gerald Rodecker – Referent Stiftungen und Olivia Zwach – Referentin Kulturförderung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Berlin Indem Sparkassenstiftungen, der Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und die Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe die lokalen und regionalen Kultur-, Freizeit- und Bildungsangebote fördern, verbessern sie die Lebensqualität und das Image einer Region. Diese wiederum gewinnen als s. g. „weiche Standortfaktoren“ bei Wirtschaftsunternehmen immer mehr an Bedeutung, beispielsweise beim Anwerben von hochqualifizierten Mitarbeitern. Bei der Standortwahl der Wirtschaftsunternehmen treten immer mehr auch weiche Standortfaktoren in Erscheinung, wie z. B. Freizeitmöglichkeiten, Kultur- und Bildungsangebote. Sie machen eine Stadt, eine Gemeinde, ein Dorf erst lebenswert und tragen maßgeblich zur Identität und zum Image einer Region bei. Im Wettbewerb um hoch qualifizierte Mitarbeiter ist es vielen Unternehmen wichtig, dass eine Region über ein lebendiges und vielfältiges kulturelles Angebot verfügt. Das zeugt von Lebensqualität und Weltoffenheit einer Region und spielt bei der Entscheidung für einen Wohn- und Arbeitsort eine wichtige Rolle. So geraten diese weichen Standortfaktoren auch in den Fokus der regionalen Wirtschaftsförderung. Ohne Kultur geht es nicht aber es gibt sie nicht zum Nulltarif. Sie kostet Geld und wirft meist keine Gewinne ab. Gemeinnützige Kultur-, Sport- und Bildungseinrichtungen sind auf staatliche und private Zuwendungen angewiesen. Die Sparkassenstiftungen sind wie auch die Sparkassen regional verortet und gehören zu den Förderern der sozialen und kulturellen Einrichtungen und Projekte vor Ort.

ihnen sorgt die Rechtsform dafür, dass sie sich nicht ausschließlich an kurzfristigen Renditeerwartungen internationaler Investoren ausrichten müssen. Weil sie nicht dem Diktat der Kapitalmärkte unterliegen, können sich die Sparkassen intensiver und mit langfristiger Perspektive um die Entwicklung ihres Geschäftsgebiets kümmern. Sie arbeiten vor Ort gemeinwohl- und gewinnorientiert – aber nicht gewinnmaximierend. Sparkassen können damit in ihrer Struktur Substanz schaffen. Und über ihre Stiftungen und langfristigen Förderungen verstärken die Sparkassen diese positive Wirkung für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld bei gleichzeitig besonders hoher Nachhaltigkeit. Die Stiftungen können darüber hinaus weitestgehend unabhängig von erzielten Gewinnen oder Verlusten arbeiten. Da Stiftungen in der Regel für die Ewigkeit errichtet werden, ist es eine besonders nachhaltige Form des gesellschaftlichen Engagements.

Die Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe

Sparkassen und gesellschaftliche Verantwortung

Sparkassen und Stiftungen sind seit langem miteinander verbunden. Schon die ersten Sparkassen wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als private Stiftungen gegründet. Einzelne Sparkassen begannen Anfang des 19. Jahrhunderts ihrerseits Stiftungen zu gründen. Diese Stiftungen sprachen unterschiedliche Zielgruppen und Zielbereiche an, verstanden sich aber stets als Mittel zur Förderung öffentlicher Aufgaben, beispielsweise für Denkmalpflege, Sozialfürsorge, Forschung und Wissenschaft.

Sparkassen sind besonders gute Beispiele für Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft, die in einem sozialen Kontext stehen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Bei

Im 20. Jahrhundert hat sich die Gründung von Stiftungen, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, sehr beschleunigt. Wurden in den 50er Jahren noch knapp 32 Stiftungen,

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in den 60ern immerhin schon etwa 48 pro Jahr gegründet, so stieg diese Zahl doch vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten rasant an. Was die Neugründungen von Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe betrifft, so lässt sich auch hier eine fortwährende Steigerung, insbesondere seit den achtziger und neunziger Jahren feststellen. Mittlerweile gibt es bundesweit 730 gemeinnützige Stiftungen, die von Sparkassen, Landesbanken, Sparkassen- und Giroverbänden oder weiteren Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe gegründet wurden. Zusammen verfügen sie über ein Kapital in Höhe von 2,1 Mrd. Euro und schütten jährlich 72 Mio. Euro für gemeinnützige Zwecke aus. Ein Großteil der Mittel fließt in kleinere, regionale und lokale Initiativen, da die Sparkassenstiftungen wie die Sparkassen einen dezentralen Charakter aufweisen. Aber auch nationale wie internationale Projekte werden unterstützt. Die Förderschwerpunkte der Stiftungen ließen sich 2011 wie folgt auffächern: 178 Stiftungen fördern satzungsgemäß Kultur, 111 Stiftungen haben ihren Förderschwerpunkt im Bereich sozialer Maßnahmen. Hauptsächlich den Bereich Sport fördern 29 Stiftungen, vornehmlich in der Forschungs- und Wissenschaftsförderung sind 30 Stiftungen aktiv. 14 Stiftungen fördern ausschließlich Umweltvorhaben. Weitere gemeinwohlorientierte Zwecke (z. B. Brauchtumspflege, regionale oder internationale Projekte) oder Förderungen mit mehreren Stiftungszwecken werden von 368 Stiftungen verfolgt.

Ein Beispiel: Die Stiftungen der Sparkasse Holstein Die Sparkasse Holstein mit Doppelsitz in Bad Oldesloe und Eutin bzw. ihre beiden Rechtsvorgängerinnen gründeten seit 1970 bis heute insgesamt 17 Sparkassen-Stiftungen. Das Ziel ist, das gesellschaftliche Engagement durch die Gründung von Stiftungen auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Einige der Stiftungen sind s. g. Anstalts- oder Einrichtungsträgerstiftungen, die bestimmte soziale oder kulturelle Einrichtungen unterhalten. Greifen wir uns ein gefördertes Stiftungsprojekt heraus: das „Naturerlebnis Grabau“. Hierbei handelt es sich um ein waldpädagogisches Angebot für Kindergärten, Schulen sowie Jugendgruppen überwiegend aus dem Kreis Stormarn. Das Ziel ist, die Bedeutung des Waldes als Lebensraum, Erholungsraum und Wirtschaftraum darzustellen und dies für die Kinder erfahrbar zu machen. Zwei festangestellte Förster und zwei Biologinnen machen die Führungen mit den Kindern und bringen Ihnen das Ökosystem Wald näher. Es gibt außerdem einen Waldspielplatz, einen Niedrigseilgarten, Grillhütten und vor allem für richtig schlechtes Wetter ein Seminargebäude und Räume zum Experimentieren. Die Kinder werden mit Bussen zum „Naturerlebnis Grabau“ hin- und zurückgebracht. Das Angebot ist für die Teilnehmer komplett kostenlos. Jährlich nehmen ca. 8.000 Kinder an dem Programm teil. Daneben stehen Lehrpfad, Niedrigseilgarten und Waldspielplatz jederzeit Besuchern kostenfrei zur Verfügung. Die Stormarner Kreispräsidentin Christa Zeuke, „Schirmherrin“ des Naturlerlebnis Grabau und Vorsitzende des Stiftungsrates der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn formuliert: „Das was Kinder im Naturerlebnis Grabau begreifen, was sie hier erfahren, worauf sie hier aufmerksam gemacht werden, das nehmen sie mit in ihr späteres Leben hinein. Sie erfahren hier die Ehrfurcht vor der Natur und können dann später damit ganz anders umgehen. Sie wissen, was wirklich wichtig für das Leben ist. – Wir sind stolz darauf, dass es das Naturerlebnis Grabau für unsere Stormarner Kinder gibt.“

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Ermöglicht wird das „Naturerlebnis Grabau“ durch zwei Stiftungen der Sparkasse Holstein: die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn und die Sparkassen-Stiftung Stormarn. Weitere lokale Partner sind beteiligt: Das lokale Busunternehmen Autokraft GmbH, der Kreis Stormarn mit dem Naturschutzund dem Schulbereich, der Kreisjugendring Stormarn e.V. und die Landwirtschaftskammer Schleswig Holstein mit ihrer Forstabteilung. Das „Naturerlebnis Grabau“ ist das mit Abstand größte Einzelprojekt im Bereich der Aktivitäten zur Verbesserung der Bildung in Stormarn nach Aussage von Dr. Martin Lüdiger, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Holstein und stv. Vorsitzender des Stiftungsvorstandes der Sparkassen-Stiftung Stormarn und des Stiftungsvorstandes der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn, die gemeinsam Projektträger sind. Das Projektvolumen lag bei 2 Mio Euro und die laufenden Kosten liegen bei rund 300.000 Euro pro Jahr. Dabei wirkt das Naturerlebnis Grabau nicht nur hinsichtlich der Bildung sondern verbessert auch nachhaltig den Freizeitwert und die Lebensqualität in der Region, da ein großer Teil des Außengeländes jederzeit frei und kostenlos zugänglich ist. Damit steigt auch die Attraktivität einer Region für neue Bewohner und auch für Unternehmen, die sich ein gutes Lebensumfeld für ihre Mitarbeiter wünschen. Ein weiteres Projekt der Sparkassen-Stiftung Ostholstein ist das sogenannte „Erlebnis Bungsberg“, das im Rahmen ihres Projektes „BildungsSpaß Ostholstein“ neben mehreren schon vorhandenen außerschulischen und von der Stiftung ebenfalls geförderten Lernorten zu einem Standort mit einem eigenständigen Angebot entwickelt wird. Es soll ein attraktives Ausflugsziel und ein Leuchtturmprojekt für die Region werden. Auch das „Erlebnis Bungsberg“ ist ein Kooperationsprojekt. Die Kooperationspartner sind die Sparkassen-Stiftung Ostholstein und der Zweckverband Bungsberg, dem die Gemeinde Schönwalde und der Kreis Ostholstein angehören. Mit im Boot sind das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume sowie die AktivRegion Holsteinische Schweiz und die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Dr. Martin Lüdiger, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Holstein und stv. Vorsitzender des Stiftungsvorstandes der Sparkassen-Stiftung Ostholstein: „Der Bungsberg hat als höchster Berg im Land einen besonderen Symbol-Wert für den Kreis Ostholstein. Entstanden in der Eiszeit vor etwa 150.000 Jahren, hatte er eine besondere Bedeutung bei der späteren Besiedlung der Landschaft. Am Bungsberg lassen sich umweltpädagogische Ziele und letztlich auch ein touristischer Nutzen auf hervorragende Art und Weise miteinander verbinden.“ Neben Kindergärten und Schulklassen soll das „Erlebnis Bungsberg“ vor allem auch als Ausflugsziel für Familien aus Schleswig-Holstein, Urlauber, Radwanderer und andere Aktive ausgebaut werden. Diese finden dort lehrreiche, aktive und erholsame Freizeitmöglichkeiten. All diese Angebote des Zweckverbandes und der Sparkassen-Stiftung sind komplett kostenfrei. Ergänzend zu den geplanten Spiel-, Spaß- und Bildungsmöglichkeiten wird auch eine Waldschänke in Anlehnung an das ehemalige historische Forsthaus errichtet, die jahreszeitliche, regionale Speisen offerieren wird. Des Weiteren wird es einen Waldspielplatz geben und mittelfristig ist auch ein Baumwipfelpfad geplant. Das Konzept für das „Erlebnis Bungsberg“ wird in mehreren Stufen realisiert. Die Finanzierung und die laufenden Kosten für das Bildungsangebot übernimmt weitgehend die Sparkassen-Stiftung Ostholstein. Ergänzend

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kommen noch öffentliche Fördermittel (Land Schleswig-Holstein und AktivRegion) hinzu. Das Projektvolumen liegt bei über 3 Mio Euro Die vorbereitenden Bauarbeiten haben im Februar 2012 begonnen. Das „Erlebnis Bungsberg“ wird Teil des größeren Projektes „BildungsSpaß Ostholstein“, bei dem es nach Aussage von Dr. Martin Lüdiger mittelfristig darum geht, „allen Kindern aus ostholsteinischen Grundschulen und Kindergärten einmal im Jahr einen Besuch eines außerschulischen Lernorts kostenfrei zu ermöglichen“. Die Stiftungen der Sparkasse Holstein tragen mit dem Erlebnis Bungsberg dazu bei, den Freizeitwert und damit auch die Lebensqualität in ihrer Region nachhaltig zu erhöhen. Damit steigt auch die Attraktivität einer Region für neue Bewohner und auch für Unternehmen, die sich ein gutes Lebensumfeld für ihre Mitarbeiter wünschen. Was das „Erlebnis Bungsberg“ für die Region bedeutet, machen die folgenden Statements deutlich: „Durch das auf die Bildung ausgerichtete Engagement der Sparkassen-Stiftung Ostholstein werden die Voraussetzungen auch für den touristischen Besucherverkehr verbessert“, sagt Ulrich Rüder, stellvertretender Landrat des Kreises Ostholstein. „Wir sind der Sparkasse Holstein und ihrer Stiftung sehr dankbar“, ergänzt Hans-Alfred Plötner, Vorsitzender des Zweckverbandes Bungsberg und Bürgermeister der Gemeinde Schönwalde. „Nachdem lange nur geredet wurde, kommt es jetzt endlich zu konkretem Handeln. Für unsere Region ist die Realisierung ein ganz wichtiges positives Signal. Dass vor allem Kinder und ihre Eltern hiervon profitieren, ist besonders schön und macht uns stolz. Das nebenbei auch noch die Situation für den Tourismus verbessert wird, ist für uns natürlich besonders erfreulich.“ An dem Bungsberg-Projekt wird deutlich, dass eine Partnerschaft zwischen der Sparkassen-Stiftung Ostholstein und dem Zweckverband Ostholstein – bestehend aus der Gemeinde Schönwalde und dem Kreis Ostholstein – sowie einem Landesministerium und den Landesforsten sehr gut funktioniert. Dabei haben sich die unterschiedlichen Partner aus der Region zusammengetan um ein wichtiges Projekt umzusetzen, das der gesamten Bevölkerung zugute kommt. Nachdem der Bungsberg jahrzehntelang vernachlässigt wurde und mehrere Versuche, den Ort wieder zu beleben, scheiterten, glaubte kaum noch jemand an eine Besserung der Verhältnisse. Seit Februar 2012 jedoch, als die Bagger anrückten und die Bauarbeiten begannen, herrscht eine regelrechte Aufbruchstimmung in der Bungsberg-Region: Bauaufträge werden vergeben und es werden Arbeitsplätze am Bungsberg mit seinen Bildungs- und Freizeit-Einrichtungen entstehen. Aber nicht minder bedeutsam ist die Tatsache, dass ein kultureller Ort mit Bildungs- und Freizeitwert wiederbelebt wird, der schon immer für die Identität der Region von großer Bedeutung war. Die Vorfreude und die Zuversicht sind groß, dass der Bungsberg als Bildungs- und Erholungsort wieder an seine besten Zeiten anknüpfen wird. Das Projekt strahlt jetzt schon auf das ganze Bundesland aus, mit positiver Resonanz.

Der Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Der Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes (DSGV) ist Ende des Jahres 1999 auf Beschluss der Mitgliederversammlung des DSGV errichtet worden. Aufgabe des Sparkassen-Kulturfonds ist es, sich für die Institute und Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe als verlässlicher und kompetenter Partner im Feld der Kulturför-

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derung zu etablieren. Als Partner, der kulturelle Initiativen in den Regionen mit aufnimmt, mit fördert, diese bündelt und überregional kommuniziert. Der Sparkassen-Kulturfonds versteht sich in sofern „als Mittler“ zwischen den Trägern von Kultur und den regionalen Partnern der Sparkassen-Finanzgruppe, die sich kulturell engagieren. Die Errichtung des Sparkassen-Kulturfonds ist Teil des gesellschaftlichen Engagements des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes und steht in direktem Zusammenhang mit dem Anspruch der Sparkassen-Finanzgruppe, ihr Handeln im Sinne der Regionen und der Menschen auch unter dem Aspekt des nutzstiftenden Gemeinwohls auszurichten, also gesellschaftlich engagiert zu sein. Im Jahr 2011 unterstützte die Sparkassen-Finanzgruppe kulturelle Projekte mit rund 150 Mio. Euro. Damit ist sie der größte nicht-staatliche Kulturförderer in Deutschland.

Von der Sparkassen-Finanzgruppe geförderte überregionale Kulturprojekte – Kooperationen mit Museen Die Kernaufgaben der Museen sind das Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Durch ihre Arbeit tragen die Museen als Kultur-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen zur Identitätsbildung und zum Image in einer Region bei. Je nach Attraktivität locken sie viele Besucher, auch aus anderen Regionen, an und erhöhen die Lebensqualität der Menschen vor Ort. Sie können in Einzelfällen sogar zum Aushängeschild einer Stadt oder einer Kommune werden. Die Trägerschaften von Museen sind sehr unterschiedlich: Bund, Länder, Kommunen (staatliche Museen), aber auch Stiftungen, Vereine, Firmen und Privatpersonen treten als Betreiber von Museen auf. Die Stiftungen, Sparkassen und Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe unterstützen die Museen in Deutschland im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Seit 2006 besteht eine umfassende Kooperation zwischen den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der SparkassenFinanzgruppe mit dem Ziel, das herausragende kulturelle Profil Dresdens und Sachsens weiter zu stärken. Neben herausragenden Einzelausstellungen wird auch ein Projekt der Kunstvermittlung unterstützt. Seit 2011 wurde der Kreis der Förderer erweitert: Ostdeutscher Sparkassenverband, Sparkassen-Versicherung Sachsen, DekaBank, Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, alle sächsischen Sparkassen, die LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse AG und die Sachsen Bank. Seit 2011 ist die Sparkassen-Finanzgruppe, vertreten durch den Sparkassen-Kulturfonds, die Berliner Sparkasse und die DekaBank, Hauptförderer der Staatlichen Museen zu Berlin. Im Rahmen dieser Partnerschaft werden herausragende Ausstellungen, ein Ideenwettbewerb der Staatlichen Museen zu Berlin für Jugendliche und eine Imagekampagne umgesetzt.

„Jugend musiziert“ Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt von Anfang an „Jugend musiziert“, den bedeutendsten Nachwuchswettbewerb für klassische Musik in Deutschland. Jährlich nehmen bis zu 20.000 Kinder und Jugendliche daran teil. Der Wettbewerb feiert im Jahr 2013 sein 50-jähriges Jubiläum. Für die Teilnehmer ist der Wettbewerb eine gute Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und erste Schritte in Richtung einer erfolgreichen musikalischen Karriere zu machen. Ziel von „Jugend musiziert“ ist es, Talente zu finden und zu fördern. Im Rahmen des mehrstufigen Wettbewerbs werden aus einer breiten Ba-

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sis in ganz Deutschland hochbegabte junge Menschen zu Spitzenleistungen geführt und einem breiten Publikum vorgestellt. International erfolgreiche Musiker wie Anne-Sophie Mutter oder Tabea Zimmermann haben ihre Laufbahn hier begonnen. Der Wettbewerb verbindet sowohl die Breiten- als auch die Spitzenförderung miteinander und entspricht damit der Förderphilosophie der Sparkassen-Finanzgruppe, junge Menschen, die zu Leistungsträgern der Gesellschaft werden, auf ihrem Weg zum Erfolg zu unterstützen. Die SparkassenFinanzgruppe unterstützt „Jugend musiziert“ von Anfang an auf allen Ebenen. Zahlreiche Sparkassen und regionale Sparkassenverbände fördern die Regional- und Landeswettbewerbe. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband unterstützt den Bundeswettbewerb. Die Förderung reicht dabei von finanzieller Unterstützung der Veranstaltungen, über die Vergabe von Sonderpreisen bis hin zur Ausgabe von Stipendien.

„Meisterschüler – Meister“ Eine herausragende Initiative des Sparkassen-Kulturfonds der letzten Jahre ist die Konzertreihe „Meisterschüler-Meister“, die bei Publikum und Veranstaltern auf große Resonanz stieß. Aus der Taufe gehoben wurde „Meisterschüler – Meister“ im Jahr 2009 gemeinsam mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival. Das Konzept der Reihe trägt in mehrfacher Hinsicht dem Erfolg des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ Rechnung: Junge Nachwuchsmusiker, die für ihre Leistungen bei „Jugend musiziert“ ausgezeichnet worden sind, treffen auf international bekannte Klassik-Stars, die zu Beginn ihrer Karrieren oft ebenfalls den Bundeswettbewerb gewonnen haben. Sie studieren gemeinsam ein Konzertprogramm ein und bringen es anschließend öffentlich zur Aufführung.

Die aktuell in 2012 laufende dOCUMENTA (13) realisiert Ausstellungsteile und Veranstaltungen an rund 40 Orten im gesamten Kasseler Stadtgebiet. Die Besucher stehen also vor der Aufgabe, sich in Kassel sowie zwischen den verschiedenen Ausstellungen und Veranstaltungen zurechtzufinden. Um den Besuchern bei der Orientierung zu helfen und gleichzeitig, wie auch 2007, eine multimediale Rezeption der Kunst zu ermöglichen, hat die Sparkassen-Finanzgruppe in Zusammenarbeit mit der künstlerischen Leitung für die dOCUMENTA (13) eine Applikation für Smartphones entwickelt. dMAPS enthält neben Kartenmaterial Informationen über die Ausstellungen, besondere Audioführungen sowie Serviceinformationen rund um die dOCUMENTA (13). Das Engagement zur Realisierung von dMAPS und für die dOCUMENTA (13) wird gemeinsam getragen von der Kasseler Sparkasse, vom Sparkassen- und Giroverband HessenThüringen und seiner Kulturstiftung, von der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, der SV SparkassenVersicherung, der DekaBank Deutsche Girozentrale, von der Finanz Informatik sowie dem Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Die documenta lockt alle fünf Jahre 600.000 bis 750.000 Besucher nach Kassel: Eine bedeutende Zahl für die Tourismuswirtschaft der rund 430.000 Einwohner zählenden Stadt. Darüber hinaus hat die documenta positiv zur Imagebildung der Stadt beigetragen und war ursächlich für die Entwicklung Kassels zu einem der bedeutendsten Museums- und Ausstellungsorte in Deutschland mit der drittgrößten Museumsdichte in Deutschland.

Nach einem erfolgreichen Start beim Schleswig-HolsteinMusik Festival wurde das Konzept der Konzertreihe auf das Musikfest Stuttgart ausgeweitet. Darüber hinaus erfolgte 2011 zum ersten Mal eine Einbindung in das Rheingau Musik Festival. Die Konzertreihe „Meisterschüler – Meister“ verbindet damit erstmals drei der namhaftesten Klassik-Festivals in Deutschland.

dOCUMENTA (13) Bereits von Anfang an unterstützt die Sparkassen-Finanzgruppe, namentlich die Kasseler Sparkasse, die documenta in Kassel. Sie ist die international bedeutendste Ausstellung für zeitgenössische Kunst. In einem Rhythmus von fünf Jahren zeigt sie die aktuellen Tendenzen der zeitgenössischen Kunst. Seit 1955 fördert die Kasseler Sparkasse die Weltkunstausstellung, seit 1997 ist die Sparkassen-Finanzgruppe Hauptsponsor.

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Fazit Die Kulturförderung der Sparkassen-Finanzgruppe betrug in 2011 insgesamt rund 150 Mio. Euro. Damit ist die Sparkassen-Finanzgruppe der größte nichtstaatliche Kulturförderer in Deutschland. Zusammen mit den Mitteln der öffentlichen Hand und der lokalen Wirtschaft ist die Kulturförderung der Sparkassen-Finanzgruppe für die Regionen von hoher Relevanz. Durch Kooperationen mit Gemeinde- und Stadtverwaltungen sowie mit Akteuren aus der Wirtschaft und Zivilgesellschaft vor Ort kann eine große Hebelwirkung bei der Realisierung gemeinnütziger Projekte erzielt werden. Damit wird gesellschaftliches Engagement von Bürgern ermöglicht und gefördert, Sport-, Freizeit und Kultureinrichtungen werden unterstützt und vieles andere mehr. Die Lebensqualität und das Image einer Region werden verbessert. Letzteres trägt mitunter dazu bei, dass sich die Bewohner in ihrem Heimatort wohl fühlen und dieser auch für neue Bewohner attraktiv wird.

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Alternativen bei der Finanzierung kommunaler Investitionen Ein Erfahrungsbericht von Thomas Schmid – Vorstandsmitglied der Sparkasse Dachau und Gerd Marxreiter – Kommunalkundenbeauftragter des Vorstandes der Sparkasse Dachau In Zeiten knapper Haushaltskassen sind gemeindliche Investitionen und Planungen mehr denn je von den hierfür zur Verfügung stehenden Finanzmitteln abhängig. Die Finanzsituation vieler Städte und Kommunen hat sich bundesweit in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Der Gesamtschuldenstand deutscher Kommunen ist im Jahr 2010 auf rd. 9,8 Milliarden Euro angewachsen. Vor diesem Hintergrund haben neben dem klassischen Kommunalkredit Sonderformen zur Investitionsfinanzierung wieder vermehrt an Aufmerksamkeit gewonnen.

Die Sparkasse Dachau in knappen Zahlen Bilanzsumme:

2,25 Mrd. Euro

Anzahl der Geschäftsstellen: Anzahl der Mitarbeiter:

30 + 10 SB-Standorte 576 davon Auszubildende 50

Geschäftsgebiet (deckungsgleich mit dem Gebiet des Landkreises Dachau), Fläche:

rd. 580 km²

Einwohner:

ca. 138.500

Internetadresse:www.sparkasse-dachau.de E-Mail-Adresse:[email protected] Internet:www.sparkasse-dachau.de

Überblick Bereits etwa ab 1960 wurden in einzelnen Bundesländern sog. Haushaltsmodelle entwickelt, um schon damals Kommunen mit beschränkten Haushaltsressourcen Möglichkeiten an die Hand zu geben, vordringliche kommunale Investitionen zu finanzieren. Beispielgebend kann hier die Baulandausweisung mit Erschließung (u. a. kommunale Einheimischen-Modelle, dringend benötigte Gewerbeflächen, Erwerb von Vorratsflächen u. Ä.) sowie Maßnahmen auf dem Sektor Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung und der Müllentsorgung angeführt werden. Nach der Wende hat dann vor allem die Diskussion um die Privatfinanzierung des Infrastrukturausbaus in den neuen Bundesländern dazu geführt, dass weitere Finanzierungsmodelle für kommunale Investitionen entwickelt wurden. Am bekanntesten ist dabei das für die Abwasserbeseitigung diskutierte Betreibermodell. Haushaltsrechtlich betrachtet fallen Sonderformen der Investitionsfinanzierung unter den Begriff der kreditähnlichen Rechtsgeschäfte. Diese lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen gliedern. Auf der einen Seite stehen reine Finanzierungslösungen. Hierzu zählen: – Bausparverträge, – Leibrentenverträge, – Vorfinanzierungsverträge, – Zwischenfinanzierungsverträge, – im weiteren Sinne auch Bürgschaften, Factoring und verwandte Rechtsgeschäfte sowie Finanzierungsleasing. Auf der anderen Seite finden sich sog. Full-Service-Verträge, bei denen neben der Finanzierung auch Planung, Bau und Bereitstellung von Anlagen und Einrichtungen durch den Fi-

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nanzierungsgläubiger übernommen werden. Hierzu zählen insbesondere: – Mobilien- und Immobilienleasing, – Ratenkauf, – Mietkauf und – langfristige Mietverträge. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Modelle, bei denen zusätzlich auch der spätere Betrieb einer Einrichtung durch einen Privaten übernommen wird. Hierzu zählen z. B. das Betreiber- und Kooperationsmodell im Rahmen der Erfüllung von Entsorgungsaufgaben.

Keine fragwürdigen Experimente Wie sich in der Praxis gezeigt hat, ist der anfänglichen Euphorie vieler Kommunen gegenüber manch hoch gepriesenen kommunalen Finanzierungskonzepten – vielleicht auch bedingt durch die seit kurzem gerade überstandene Finanzkrise – eine kritische Ernüchterung gefolgt. Nur um Haushaltslöcher zu stopfen und auch an das „schnelle Geld“ zu kommen, haben beispielsweise einige überwiegend größere Städte fragwürdige Cross-Boarder-Leasing- und Sales-Back-Leasing-Verträge mit ganz unterschiedlichen Investoren abgeschlossen und ihre Abwassereinrichtungen, Müllheizkraftwerke, Wasserversorgungsanlagen, Schienennetze der öffentlichen Verkehrsbetriebe, U-Bahn- und Straßenbahnzüge usw. verkauft. Diese Form der Geldbeschaffung gehört nach streng haushaltsrechtlichen Maßstäben zu den riskantesten Finanzkonstruktionen, deren Folgen für die betroffenen Kommunen heute noch gar nicht absehbar sind.

Das Solide wird sich auch in Zukunft bewähren: das Haushaltsmodell BayernGrund Anders hingegen verhält es sich mit kommunalen Haushaltsmodellen, die sich in langjähriger Praxis bewährt haben, wie beispielsweise BayernGrund, einem Verbundpartner der BayernLB und der bayerischen Sparkassen. Die BayernGrund GmbH hat einen öffentlich-rechtlichen Gesellschafterhintergrund: Freistaat Bayern 25 %, die Bayerische Landesbank mit 50 %, (davon wiederum 94,03 % in Händen des Freistaates Bayern und 5,97 % beim Sparkassenverband) und die Bayerische Ärzteversorgung mit 25 %. Die Gesellschaft kann seit ihrer Gründung im Jahre 1972 auf eine bald 40-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Von 2.056 bayerischen Kommunen ist sie derzeit bei rd. 1.050 Kommunen tätig und hat mehr als 3.300 Projekte abgewickelt. Diese Zahlen spiegeln viel Erfahrung bei der Finanzierung und Betreuung kommunaler Investitionen in allen Größenordnungen wider. Beim BayernGrund-Modell steht neben einer Dienstleistungskomponente die Schaffung gemeindlicher Liquidität im Vordergrund. Kommunale Infrastrukturmaßnahmen werden in der Weise finanziert, dass anstelle der Kommune die BayernGrund Kreditnehmerin wird. Der Haushalt der Kommune wird während der Durchführung der Maßnahme somit nicht belastet. Die Kommune bleibt nicht nur Entscheidungsträgerin, sondern auch Eigentümerin bzw. Bauherrin der vorzufinanzierenden Maßnahme. Dies ist in der Regel auch Bedingung für die Gewährung von öffentlichen Zuschüssen und Fördermitteln. Es können grundsätzlich alle kommunalen Infrastrukturmaßnahmen finanziert werden. Besonders sinn-

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voll ist der Einsatz dieses Modells bei sämtlichen kostenrechnenden und kostendeckenden Investitionen, wie Kläranlagen, Ortskanälen, Wasserversorgungsanlagen, Erwerb und Erschließung von Baugebieten für Wohnungen, Gewerbe und Industrie. Hinzu kommt seit etwa 14 Jahren auch die Übernahme von Erschließungsträgerschaften gemäß § 124 BauGB. BayernGrund ist hier „Dritter“ i. S. dieser Vorschrift und stellt die Erschließungsanlagen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung für die Kommune her. Die notwendigen Finanzierungsmittel werden jeweils von der örtlichen Sparkasse und/oder der BayernLB zur Verfügung gestellt. Während der Bau- und Abwicklungszeit übernimmt die BayernGrund den gesamten Rechnungs- und Zahlungsverkehr für alle anfallenden Behörden-, Ingenieur- und Unternehmer-Rechnungen bzw. für die Kosten des Grunderwerbs. Die Finanzierungskosten werden über ein Kontokorrentkonto abgewickelt. Zinsen fallen erst ab Zahlung der Rechnungen an, d. h. eine Zinsbelastung entsteht nur aus der jeweiligen tatsächlichen Inanspruchnahme des Kredites. Bereitstellungszinsen für noch nicht in Anspruch genommene Kreditteile fallen nicht an. Die Rückführung des Kredites erfolgt durch öffentliche Zuschüsse, durch Erschließungs- oder Abwasserbeiträge bzw. Erlöse aus Grundstücksverkäufen oder durch spätere Eigenmittel der Kommune zu einem vertraglich vereinbarten Termin. Die Kommune ist berechtigt, jederzeit Rückzahlungen zu leisten und kann so den Schuldenstand und die Zinslast je nach Kassenlage mindern.



se. In Bayern genügt es aber gem. Ziff.8.2 der oben zitierten Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren für die Genehmigung, wenn die Kommune bei dieser Art der Sonderfinanzierung insgesamt mindestens ebenso günstig fährt wie bei einer herkömmlichen Kreditfinanzierung. Dies ist in aller Regel der Fall, da die Finanzierung nach dem kommunalen Haushaltsmodell auf Kontokorrentbasis erfolgt und im Gegensatz zur Darlehensaufnahme keine Bereitstellungszinsen anfallen, jederzeitige Inanspruchnahme und Rückzahlungen zulässig sind und aufgrund der durchgängigen Finanzierung Zinsersparnisse durch kürzere Bau- und Abwicklungszeiträume möglich werden. Das Haushaltsmodell BayernGrund ist an klare haushaltsrechtliche und formelle Auflagen gebunden. Die mit den Kommunen abzuschließenden Geschäftsbesorgungsverträge müssen von den kommunalen Entscheidungsgremien beschlossen und anschließend den Rechtsaufsichtsbehörden (in Bayern: Landratsämter bzw. Bezirksregierungen) zur Genehmigung vorgelegt werden. Als Beurteilungsmaßstab für die rechtsaufsichtliche Genehmigung werden vorwiegend zwei Kriterien herangezogen, nämlich die „freie Finanzspanne“ und die „dauernde Leistungsfähigkeit“ einer Kommune. So gilt auch für BayernGrund-finanzierte Maßnahmen der Grundsatz aus dem Haushaltsrecht: „eigene Finanzkraft kommt aus der freien Finanzspanne“. Die freie Finanzspanne wiederum bringt die dauernde Leistungsfähigkeit. Kreditfinanzierung ist „geliehene“ eigene Finanzkraft. Wird eine Kommune im Falle einer geeigneten Investition nach diesen Grundsätzen beraten, käme ein Haushaltsmodell zumindest in die engere Wahl. Den bayerischen Sparkassen steht damit im Verbund ein Produkt zur Verfügung, das sie in die Lage versetzt, Kommunalkredite quasi über eine „zweite Schiene Haushaltsmodell“ auszureichen.

Erfahrungen der Sparkasse Dachau mit dem BayernGrund-Modell: eine Erfolgsgeschichte

Kommunal- und haushaltsrechtliche Beurteilung Verträge über die Finanzierung kommunaler Infrastrukturmaßnahmen neben dem Haushalt (sog. Finanzbetreuungsverträge) und in der Mehrzahl auch Fälle von Erschließungs-verträgen gemäß § 124 BauGB kommen einer Kreditaufnahme wirtschaftlich gleich. Sie bedürfen daher gemäß den praktisch inhaltsgleichen kommunalrechtlichen Vorschriften der einzelnen Bundesländer der Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. In Bayern ist dies der Art. 72 Abs. 1 der bayerischen Gemeindeordnung (GO) i. V. mit Ziff. 8.1.8 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 5.5.1983 Nr.1 B 4-3036-28/4.MABL. Nr. 14/1983. Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit eines Geschäftsbesorgungs- bzw. Erschließungsvertrages ist, dass diese dem in allen Bundesländern für kommunale Haushalte geltenden Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung entsprechen. Das wiederum setzt voraus, dass die Übertragung einer kommunalen Pflichtaufgabe oder der Bau einer kommunalen Einrichtung durch einen Dritten mindestens ebenso wirtschaftlich ist wie eine Maßnahmendurchführung durch die Kommune selbst in herkömmlicher Wei-

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Das Geschäftsgebiet der Sparkasse Dachau ist mit dem Landkreisgebiet deckungsgleich. Es liegt im Nordwesten der Landeshauptstadt München und umfasst einschließlich der Großen Kreisstadt Dachau 17 Kommunen. Davon sind etwa 10 - 12 noch eher ländlich strukturiert, unterliegen teilweise aber einem erheblichen Siedlungsdruck (Wohnbau und Gewerbe) mit allen sich daraus ergebenden Herausforderungen. Die übrigen Gemeinden im südlichen und östlichen Landkreisgebiet haben ihren früheren dörflichen Charakter meist weitgehend verändert. Diese Kommunen, quasi im „Speckgürtel“ der Landeshauptstadt München gelegen, profitieren einerseits von dieser Randlage, müssen andererseits gerade deswegen neben neuen Wohn- und Gewerbegebieten oft sehr kostspielige Infrastrukturprojekte schultern. In regelmäßigen Gesprächen mit den Landkreiskommunen hat sich gezeigt, dass inzwischen alle Gemeindehaushalte mehr oder weniger angespannt sind. Eine Wende zum Positiven ist nicht in Sicht. Bei geplanten oft nicht aufschiebbaren Investitionen entsteht deshalb meistens ein Spagat zwischen politischem Wunsch und Finanzierbarkeit. Der Vorstand der Sparkasse Dachau hat sich diesen Herausforderungen stets offensiv gestellt. Seine Geschäftspolitik ist deshalb traditionell stark auf die kommunalen Bedürfnisse ausgerichtet. Die Kontakte zu den wichtigen kommunalen Entscheidungsträgern werden intensiv gepflegt. Dadurch ist die Akzeptanz der Sparkasse bei den Landkreiskommunen sehr hoch. Dies wiederum spiegelt sich wider in einem gu-

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ten Kommunalkredit-Engagement sowohl über die konventionelle Schiene als auch über das Haushaltsmodell BayernGrund. So trägt auch die verbundfreundliche Geschäftspolitik Früchte und es eröffnen sich für die Sparkasse diverse „Cross Selling“-Ansätze: – im Anlagegeschäft, – im Bereich kommunales mobiles Leasing, – in der Grundstücksvermarktung, – im Versicherungsgeschäft – beim kommunalen Bausparen und – für die S-Grundverkehrsgesellschaft. Die Sparkasse Dachau unterstützt ihren Verbundpartner akquisitorisch und profitiert im Gegenzug von dessen erfolgreicher Tätigkeit im Landkreis. Oftmals fungiert die Sparkasse wegen ihrer hohen Akzeptanz im Landkreis auch als „Türöffner“ für den Verbundpartner, im Ergebnis eine perfekte WinWin-Situation. Alle kommunalen Projekte werden in der Regel über einen Kontokorrentkredit anfinanziert und nach Bedarf auf kurzoder mittelfristige Darlehen umgeschuldet. KfW-Darlehen oder sonstige öffentliche Fördermittel werden auf Wunsch der Kommune und nach den jeweiligen Kapitalmarktverhältnissen eingesetzt. Die Sparkasse Dachau stellt je nach Sachlage entweder die benötigten Kreditmittel in vollem Umfang oder nur in Höhe einer vorher vereinbarten Quote zur Verfügung (in der Regel bei größeren Projekten). Der jeweilige Rest wird dann von der BayernLB übernommen. Beteiligt sich die Sparkasse hingegen nicht an der Finanzierung (meistens bei kleineren Projekten), erhält sie eine angemessene Provision als Anerkennung ihres Beitrages für den Verbund.

hat S-Bahnanschluss. Das Gemeindegebiet umfasst knapp 20 km². Die Gemeinde hat 12 Ortsteile. Wegen der hohen Nachfrage nach Wohnbau- und Gewerbeflächen hat der Gemeinderat bereits in früheren Jahren mehrere geeignete Gebiete ausgewiesen. Die Flächen konnten immer sehr schnell weiterveräußert werden. Mit dem im Frühjahr 2007 beschlossenen Bebauungsplan „Trattanger“ (WA) beabsichtigte der Gemeinderat, ein zentrumsnahes Wohnen im Hauptort zu entwickeln. Das Gebiet umfasst eine Gesamtfläche von rd. 80.000 m². Nach Abzug von Straßen- und Ausgleichsflächen verbleiben rd. 45.000 m² reine Baulandfläche. Da sich die Flächen im Eigentum von 40 privaten Eigentümern befanden (darunter auch die kath. Pfarrpfründestiftung), war ein gesetzliches Umlegungsverfahren Voraussetzung für die spätere Erschließung. Nach mehreren Vorgesprächen zwischen dem Bürgermeister, der Sparkasse und BayernGrund hat sich der Gemeinderat auf einer Sitzung im November 2008 für den Abschluss eines Erschließungsvertrages gem. § 124 BauGB mit der Gesellschaft entschieden. Die privaten Grundeigentümer und die Pfarrpfründe haben daraufhin die notwendigen Kostenerstattungsverträge mit BayernGrund unterzeichnet. Die Herstellungskosten der Gesamterschließung belaufen sich auf rd. 4,7 Mio. Euro. Die von BayernGrund benötigten Finanzmittel werden ausschließlich von der Sparkasse Dachau bereitgestellt.

BayernGrund ist bei 13 von 17 Landkreisgemeinden tätig. Sie hat 55 Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von knapp 150 Mio. Euro in allen Größenordnungen abgewickelt, d. h. von der Erschließung kleinerer und größerer Wohnbaugebiete bis hin zu großen Gewerbegebieten, einer gemeindlichen Ortsverbindungsstraße oder jüngst der Herstellung eines kommunalen Nahwärmenetzes. Dieses Ergebnis stellt angesichts des relativ kleinen Geschäftsgebietes und meistens vorhandener Konkurrenz eine beispielhafte Verbundleistung dar, die im Wesentlichen auf drei Säulen beruht, nämlich: – einer intensiven Akquisition, – der hohen Akzeptanz der Sparkasse im Landkreis und – einer kompetenten Begleitung durch die BayernGrund.

Aus der Praxis für die Praxis: zwei aktuelle Beispielfälle aus dem Landkreis Dachau Die beiden nachstehenden Maßnahmen wurden repräsentativ aus dem Gesamtpool der im Landkreis betreuten Projekte ausgewählt. Ihre Finanzierung wurde in den jeweiligen Gemeindegremien erst 2008 bzw. 2009 beschlossen. Die Maßnahmen sind also zeitnah. Beide kamen mit Hilfe der Sparkasse zustande und sind beispielgebend für bedarfsgerechte qualifizierte Beratung der Sparkasse und den vorteilhaften Einsatz des Haushaltsmodells BayernGrund.

Erschließung des Wohnbaugebietes „Trattanger“ in der Gemeinde Vierkirchen Vierkirchen ist eine aufstrebende Gemeinde mit rd. 4.500 Einwohnern. Sie liegt ca. 13 Kilometer nördlich von Dachau und

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Für Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat waren für diesen Abwicklungsweg folgende Gesichtspunkte ausschlaggebend: – Die zur Finanzierung der Maßnahme erforderlichen Kommunalkreditmittel sind nicht im gemeindlichen Haushalt zu veranschlagen. Dadurch erhöht sich die freie Finanzspanne der Gemeinde, was sich wiederum positiv auf ihre dauernde Leistungsfähigkeit auswirkt. Die Baugebietserschließung ist eine kostenrechnende Einrichtung. – Die Erschließung wird unter Mitsprache der Gemeinde von dem privaten Erschließungsträger BayernGrund im eigenen Namen und auf eigene Rechnung hergestellt. Die Herstellungskosten werden zwischen dem Träger und den Grundeigentümern mittels Kostenerstattungsvertrag abgerechnet. Das hat für die Gemeinde den Vorteil, dass sie alle nach BauGB anfallenden Herstellungskosten, also sowohl die umlagefähigen wie auch die nicht umlagefähigen an die Eigentümer weitergeben kann. – Neben der Haushaltsentlastung spart sich die Gemeinde eigene Verwaltungskapazität. Das geringe Honorar des Erschließungsträgers fließt samt Zinsen in die Gesamtkosten

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der Maßnahme ein und wird auf die Grundeigentümer umgelegt. – Die Gemeinde Vierkirchen hat bereits im Jahre 1995 mit Hilfe von Sparkasse und BayernGrund den Ausbau des Kanalnetzes und die Errichtung einer zentralen Kläranlage finanziert. Aufgrund der damals positiven Erfahrungen und der reibungslosen Zusammenarbeit wurde auch die Erschließungsträgerschaft „Trattanger“ an BayernGrund übertragen.

Grund zugestimmt. Die Sparkasse Dachau hat die Maßnahme auf Grund ihrer guten Kontakte zur Gemeinde Karlsfeld akquiriert und beteiligt sich mit rd. 10,0 Mio Euro an der Gesamtfinanzierung. Den Rest von rd. 30,0 Mio Euro übernimmt die BayernLB.

Für die Sparkasse Dachau haben sich aus der Maßnahme folgende Vorteile ergeben: – Bereitstellung der Kommunalkreditmittel in Höhe von rd. 4,7 Mio. Euro. Damit wurden günstige Voraussetzungen und Möglichkeiten für Folgegeschäfte geschaffen. – Beispiele: Abschluss von Vertriebsaufträgen mit einer großen Anzahl von Grundeigentümern und der Gemeinde. Damit wiederum konnte die Sparkasse neue Geschäftskunden akquirieren und mit den Bauwerbern längerfristige Wohnbaukreditgeschäfte abschließen.

Nahwärmeversorgung der Gemeinde Karlsfeld (Kraftwerksbauten und Leitungsnetz) Karlsfeld ist mit seinen rd. 18.000 Einwohnern die zweitgrößte Gemeinde im Landkreis Dachau. Ihr Gemeindegebiet umfasst etwa 16 km². Die Gemeinde liegt im südlichen Bereich des Landkreises und grenzt unmittelbar an den Stadtteil Allach (Industriestandort) der Landeshauptstadt München an. Im Zuge des Gesamtvorhabens „Neue Energie Karlsfeld“ plant die Gemeinde in mehreren Ausbaustufen über einen Zeitraum von etwa 10-15 Jahren eine Wärmeversorgung und Stromerzeugung. Damit hat Karlsfeld auf Grund einer Machbarkeitsstudie einen neuen Weg beschritten. Der früher geplante Ausbau der Tiefengeothermie wurde bis auf weiteres zurückgestellt und dafür ein reines Heizkraftwerk mit ORCTurbine zur Stromerzeugung in Auftrag gegeben. Neben einem sog. HKW 1, das inzwischen in Betrieb genommen wurde, soll in einigen Jahren ein weiteres HKW folgen, falls es die Nachfrage erfordert. Eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung des Gesamtprojektes ist der schrittweise Ausbau des gemeindlichen Nahwärmenetzes. Dieses Netz war bisher nicht vorhanden und muss deshalb abschnittweise und bedarfsgerecht hergestellt werden. Sobald eine ausreichende Zahl von Interessenten eine Erweiterung des Netzes wirtschaftlich vertretbar macht, können nach und nach weitere Ortsbereiche erschlossen werden. Die Gemeinde hat sich vor Beginn des Vorhabens von einem seriösen Energieberatungsunternehmen schlüssige Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorlegen lassen, d. h. es wurde geprüft, ob die Investitionskosten bei den einzelnen Ausbaustufen durch eine ausreichende Anzahl von Wärmeabnehmern gedeckt sind bzw. ob sich für die Gemeinde am Ende sogar ein Gewinn erwirtschaften lässt. Das Thema Wirtschaftlichkeit spielte dann auch in den Finanzierungsgesprächen mit der Sparkasse eine wichtige Rolle. Die Sparkasse hat bei einem zu erwartenden Gesamtvolumen von rd. 40,0 Mio. Euro zwei Finanzierungswege aufgezeigt: entweder über einen klassischen Kommunalkredit oder über das Haushaltsmodell BayernGrund. Da der Wirtschaftsplan der Gemeindewerke Karlsfeld durch laufende Projekte mittelfristig bereits stark belastet war und die Wirtschaftlichkeitsberechnungen die Rentierlichkeit des Vorhabens bestätigten, hat der Werkausschuss im Frühjahr 2009 dem Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit Bayern-

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Für Bürgermeister, Werkausschuss und Gemeindewerke waren für diesen Abwicklungsweg folgende Gesichtspunkte ausschlaggebend: – die zur Finanzierung der Maßnahme erforderlichen Kommunalkreditmittel sind nicht im Wirtschaftsplan der gemeindlichen Werke aufzunehmen. Die gemäß Baufortschritt auflaufenden Herstellungskosten und die von den Gemeindewerken beantragten KfW-Darlehen können mit Hilfe der „flüssigen Baukasse BayernGrund“ (Kontokorrenteffekt) vorbzw. zwischenfinanziert und bei Bedarf abgelöst werden. Dank seiner Wirtschaftlichkeit ist das Projekt Nahwärme eine sog. kostenrechnende Einrichtung. Die Herstellungskosten der Investition können durch Anschlussbeiträge und Wärmeverbrauchsgebühren in vollem Umfang auf die Verbraucher umgelegt werden. – das Vorhaben kann unabhängig vom Wirtschaftsplan der Gemeindewerke zeitnah realisiert werden. Durch die stets „liquide Baukasse“ könnten bei Bedarf auch spätere Bauabschnitte vorgezogen werden. – die Finanzierung der Investition ist mit dem einmaligen Beschluss des Werkausschusses und der rechtsaufsichtlichen Genehmigung vom Spatenstich bis zu ihrer Fertigstellung gesichert. – Sparkasse und BayernLB haben den Gemeindewerken günstige Zinssätze zur Finanzierung angeboten. – die Gemeinde Karlsfeld hat bereits bei etlichen früheren Projekten mit BayernGrund gute Erfahrungen sammeln können. Dies war ein gewichtiger Grund für den Zuschlag beim Großprojekt Nahwärme. – die Verwaltung der Gemeindewerke wird bei einem niedrigen Honorarsatz der BayernGrund spürbar entlastet. – auch beim Haushaltsmodell bleibt die Vorsteuerabzugsfähigkeit des kommunalen Eigenbetriebes Gemeindewerke in vollem Umfang erhalten. Für die Sparkasse Dachau hat sich aus der Maßnahme folgender Vorteil ergeben: – die Sparkasse ist mit einer angemessenen Quote an der Gesamtfinanzierung beteiligt. Dadurch wurden günstige Voraussetzungen für spätere Umschuldungen (z.B. mitteloder längerfristige Darlehen) oder auch kurzfristige Geldanlagen eröffnet.

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Fazit und Ausblick Mit dem Haushaltsmodell BayernGrund ist die Sparkasse Dachau in der Lage, ihren Kommunen eine bewährte und seriöse Finanzhilfe bei geeigneten Investitionen anzubieten. Sie kann damit Kommunalkreditmittel quasi über ihren Verbundpartner BayernGrund ausreichen. Andererseits unterliegt dieses Modell klaren haushaltsrechtlichen Grundsätzen und der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Es ist also nicht „grenzenlos“ einsetzbar. Die Anwendbarkeit

muss in Gesprächen mit der Kommune vorweg geprüft werden (Rentierlichkeit, dauernde Leistungsfähigkeit). Neben der mittelfristigen Finanzplanung spielen auch die angebotenen Finanzierungskonditionen wegen des allgemeinen Konkurrenzdrucks eine nicht unwesentliche Rolle. Sind hingegen diese Voraussetzungen gegeben, liegen die Vorteile sowohl für die Kommune als auch für die Sparkasse auf der Hand: die Sparkasse ist mit Hilfe der BayernGrund Kompetenzträger vor Ort. Die Kommune kann ihre Investition wie geplant umsetzen.

– Infrastruktur – ÖPP-Marktanalyse: öffentliche Beschaffungsalternative mit Zukunftspotenzial Von Sebastian Bergmann – Abteilungsdirektor Öffentliche Hand /PPP Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Berlin / Melanie Kunzmann und André Weidemann – Berater DKC Deka Kommunal Consult GmbH, Berlin Immer mehr Kommunen in Deutschland setzen bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur auf Nachhaltigkeit. Ein Beispiel für nachhaltige, auf die Lebenszykluskosten ausgerichtete, Beschaffungsvarianten sind Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP). Die Anzahl dieser Partnerschaftsmodelle ist seit ihrer Markteinführung in Deutschland kontinuierlich angestiegen. Trotz der „Marktdelle“ im Zeitraum 2009 / 2010, die unter anderem im Zusammenhang mit der Finanzkrise und den Konjunkturpaketen des Bundes steht, ist zu Beginn des Jahres 2012 eine leichte Tendenz zur Wiederbelebung des ÖPP-Marktes zu beobachten. Positive Prognosen für den deutschen ÖPPMarkt, wie sie angesichts des immer noch immensen Instandhaltungsstaus bei der bestehenden Infrastruktur, des umfangreichen Bedarfs für kommunale Neubaumaßnahmen sowie mit den zu erwartenden Auswirkungen der „Schuldenbremse“ auf die kommunale Investitionsstrategie begründet werden, bieten durchaus Potenzial für die Zukunft. Auch ist zu erwarten, dass PPP nahe Modelle im Gesundheitswesen (z.B. Krankenhäuser wie die Hochtaunus-Kliniken) sowie im kommunalen Straßenbau diese Variante der Beschaffung öffentlicher Infrastruktur weiter befördern werden.

welche sich neben allgemeinen Marktdaten auch mit den Beteiligungsstrukturen auf Seiten der Finanzierer, der Bauunternehmen sowie der Berater auf öffentlicher Seite befasst, an mindestens 92 der insgesamt 181 zum Stichtag 31.12.2011 unterzeichneten ÖPP-Projekte im Hochbau beteiligt. Bezogen auf das gesamte Investitionsvolumen in Höhe von mehr als 5 Milliarden Euro liegt der Marktanteil sogar bei 65% (ca. 3,3 Mrd. Euro). Dabei beteiligen sich Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe mit ihren Beratungs- und Finanzierungsangeboten über nahezu alle Projektphasen, alle Projektgrößenklassen, alle Finanzierungsarten und alle Sektoren an ÖPP-Beschaffungsprozessen.

Marktanteil der Sparkassen-Finanzgruppe nach der Projektanzahl in einzelnen Sektoren

Entwicklung des ÖPP-Marktes in Deutschland nach Projektanzahl und Investitionsvolumen Die Sparkassen-Finanzgruppe hat die Potenziale dieser Beschaffungsform für Kommunen, Länder und den Bund bereits früh erkannt und den Entwicklungsprozess von ÖPP in Deutschland eng begleitet. So ist die Sparkassen-Finanzgruppe nach einer im Auftrag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) von DKC erstellten ÖPP-Marktanalyse,

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ÖPP-Modelle sind mittlerweile zu einer etablierten Beschaffungsalternative der öffentlichen Hand geworden. Insbesondere Vorhaben im Hochbau mit Investitionsvolumen zwischen 10 und 25 Millionen Euro machen einen Großteil der deutschlandweit umgesetzten ÖPP-Projekte aus. Eine weitere DKC-Studie zeigt jedoch, dass den erfolgreich umgesetzten Vorhaben auch eine beachtliche Anzahl gescheiterter Projekte gegenübersteht. Ein Teil dieser Projekte wird anschließend in konventioneller Form realisiert, der größere Teil jedoch wird schlicht nicht weiter verfolgt. Neben dem damit verbundenen allgemeinen Imageschaden für die Beschaffungsvariante ÖPP bedeutet dies ein ungenutztes Marktvolumen von bislang bereits deutlich mehr als 1 Mrd. Euro. Sucht man nach den Gründen und Motiven für das Nichtzustandekommen und Scheitern von

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ÖPP-Hochbauprojekten, so stellt man fest, dass diese – häufig trotz grundsätzlicher Eignung – regelmäßig auf eine mangelhafte Projektorganisation zurückzuführen sind. Viele Projekte sind vor allem wegen unzureichender inhaltlicher und organisatorischer Vorbereitung oder wegen unzureichender Einbindung von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung, der Rechtsaufsicht oder der Öffentlichkeit nicht zum Abschluss gekommen. Hinzu kommt in vielen Fällen eine mangelhafte Reflexion von grundsätzlichen Vorbehalten oder falschen Erwartungen einzelner Akteure bezüglich der Leistungsfähigkeit von PPP-Modellen. Auf der anderen Seite bestehen nach wie vor – besonders in kleineren Kommunen, aber nicht nur dort – Vorbehalte bezüglich des hohen organisatorischen Aufwands und des vermeintlich hohen Bedarfs an verwaltungsinternen Ressourcen, die zu einem frühzeitigen Ausschluss von ÖPPModellen als Beschaffungsvariante führen können. Analysen des ÖPP-Beschaffungsprozesses zeigen, dass vor allem in der Frühphase der Vorhaben, also bei der Initiierung von Projekten, die entscheidenden Weichen für den Projekterfolg gestellt werden. In dieser Phase spielen der Aufbau einer Projektorganisation mit effizienten Arbeitsstrukturen und eine offensive und transparente Kommunikationsstrategie eine entscheidende Rolle. Um den erforderlichen verwaltungsinternen Ressourceneinsatz über den gesamten Prozess auf ein sinnvolles Maß einzugrenzen und die Verfahrenskosten minimieren zu können, sind eine frühzeitige, zielgerichtete und intensive Vorbereitung sowie die frühzeitige und umfassende Information aller Verfahrensbeteiligten erforderlich. Darüber hinaus ist es hilfreich, eine vertiefte Kenntnis des Ablaufs sowie der entscheidenden Verfahrensschritte eines ÖPP-Projektes zu erlangen. Hier bietet der neue DSGV-Leitfaden „PPP Projektmanagement für Kommunen“ Unterstützung an: Neben Erläuterungen zu Stolpersteinen und kritischen Phasen bietet der Leitfaden eine übersichtliche, klar gegliederte Darstellung des gesamten Prozesses und vielfältige Hinweise für eine zielgerichtete und erfolgreiche Bearbeitung aller Verfahrensschritte. Sind in der ersten Phase mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung der Beschaffungsidee und der Eignungsprüfung überwiegend die kommunalen Verwaltungen und Entscheidungsgremien gefordert, erweitert sich das Aufgabenfeld in den weiteren Phasen auf die korrekte Anwendung des Vergaberechts, die Prüfung der Maßnahmenwirtschaftlichkeit sowie der Finanzierbarkeit und schließlich der Einholung aufsichtsrechtlicher Genehmigungen. Parallel dazu steigt die Anzahl der

Die Phasen des ÖPP-Beschaffungsprozesses Verfahrensbeteiligten. Vielfach steht eine interessierte Öffentlichkeit den einzelnen Verfahrensschritten distanziert bis skeptisch gegenüber. ÖPP-Modelle sind in verschiedenen auf die jeweiligen Anforderungen in den Sektoren der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung angepassten Modellvarianten vorstellbar. Bisher konzentriert sich der deutsche ÖPP-Markt stark auf kleinteilige Vorhaben im Bereich des öffentlichen Hochbaus. Hier liegen die Schwerpunkte vorwiegend im Bereich der Bildung, der Verwaltung und im Bereich der Sportstätten. Erste erfolgreiche Praxisbeispiele aus anderen Sektoren zeigen aber auch, dass die Potenziale zur Generierung von Vorteilen in der Beschaffung öffentlicher Infrastrukturen über den Lebenszyklus damit noch nicht ausgeschöpft sind. Diese nicht ausgeschöpften wirtschaftlichen Potenziale werden vor dem Hintergrund des beschriebenen Investitionsbedarfes für Instandhaltung und Neubau sowie der finanzwirtschaftlich eingeschränkten Spielräume vieler öffentlicher Haushalte den Einsatz alternativer Beschaffungsmodelle wie ÖPP wieder verstärkt in den Fokus öffentlicher Entscheidungsträger rücken lassen.

Kommunalwirtschaft im Umbruch? Im Aufbruch? – Wege zur Zukunftsfähigkeit Von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus J. Beckmann – Wissenschaftlicher Direktor und Institutsleiter Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Berlin Kommunalwirtschaft als ein Träger der Daseinsvorsorge gewinnt in letzter Zeit verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit – sei es in Diskussionen um Wasserverträge und Wasserpreise, um Vergaben von Verkehrsleistungen des öffentlichen Personennahverkehrs ÖPNV, um rechtliche Regelungen zur privaten oder kommunalen Leistungserbringung im Bereich der Wertstoffsammlung und verwertung, um Beteiligungen an Energieversorgungsunternehmen oder um den Verkauf von kommunalen Wohnungsbeständen oder gesamten kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Zu fragen ist, ob diese Befundlage belastbar ist. Was sind die Rahmenbedingungen, welches die Ziele und langfristigen Tendenzen?

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Mega-Trends der Rahmenbedingungen und Handlungserfordernisse Die langfristigen demografischen Entwicklungstendenzen (bis 2040, 2050) mit großräumiger Schrumpfung in der Mehrzahl der deutschen Regionen – Ausnahmen bilden einige wirtschaftsstarke Regionen Süd- und Nordwestdeutschlands – sind mit einem Absinken der Gesamtnachfrage wie auch der flächenspezifischen Nachfrage (pro m² oder pro km²) verbunden. Wie die Bevölkerungsabnahme der letzten 20 Jahre in vielen Städten und Stadtteilen Ostdeutschlands zeigt, bedeutet dies eine Umorganisation von Standortssystemen

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sozialer Infrastrukturen wie Kinderkrippen, Kindergärten, Kinderhorte, Grundschulen, Gymnasien, aber auch Kultur-, Freizeit-, Sozial- und Alteneinrichtungen. Für Infrastrukturnetze der Ver- und Entsorgung und des Verkehrs bedeutet es entweder veränderte und aufwendigere Betriebsformen oder auch Um- und Rückbau. Hinzu kommen die alters- und haushaltsstrukturellen Veränderungen („Alterung“, „Vereinzelung“) sowie teilräumliche Umstrukturierungen der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung. Veränderte Quantitäten und Strukturen sowie räumliche Verteilungen – z.B. „Ausdünnung – der Nachfrage im Bereich der sozialen und technischen (öffentlichen) Infrastrukturen und auch der erwerbswirtschaftlichen Infrastrukturen (Lebensmittelnahversorgung, medizinische Versorgung, Dienstleistungen usw.) sind die Folge. Da gleichzeitig Lebensweisen, Konsummuster wie auch alltägliche Aktionsräume verstärkt durch eine Individualisierung geprägt sind, ergeben sich weitere räumliche Veränderungen der Nachfrage- und Versorgungsstrukturen. Mehr Wahlmöglichkeiten, „Jederzeitigkeit“ und „Sofortigkeit“ der Erfüllung von Konsumwünschen – all dies fördert den Internethandel, die Ausbreitung von Cap-Diensten, gleichzeitig aber auch die Ausdünnung von wohnungsnahen standortfesten Versorgungseinrichtungen. Informations- und Kommunikationstechniken gestützte Überwachungs- und Steuerungseinrichtungen, z.B. im Bereich Haustechnik oder Gesundheitsbetreuung, ermöglichen und vereinfachen eine Haushaltsführung als Einzelpersonen auch in höherem Alter. Allerdings wird dieser Entwicklung insofern zumindest partiell entgegengewirkt, als mit Blick auf die Wahl von Wohnstandorten eine „Renaissance der Städte“ festzustellen ist. Hier bieten die städtischen Infrastrukturangebote, deren Umfang und Vielfalt die erwünschten Wahlmöglichkeiten und die Unterstützung der Haushalte durch Dienste (Kinderbetreuung, Lebensmittel-Lieferung). Auch Handelseinrichtungen bevorzugen wieder städtische Standorte, wie die Entstehung innenstädtischer Einkaufszentren zeigt, ebenso Unternehmen und Arbeitsplätze der Forschung und Entwicklung sowie der zukunftsträchtigen „Kreativwirtschaft“. Die wirtschaftsstrukturellen Veränderungen vom Vorherrschen der Industrieproduktion über die Dienstleistungs- zur Wissensgesellschaft bedeuten verstärkte Affinitäten zu städtischen Standorten, sind aber zum Teil auch vermehrt mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und mit Mehrfacharbeitsverhältnissen verbunden. Letzteres lässt den Anteil der Bevölkerung steigen, der an oder unter der Armutsgrenze lebt und für das Alter ein Leben in Altersarmut zu erwarten hat. Dies beeinflusst Qualität und Struktur sowie das Preisniveau der Nachfrage nach Wohnungen, nach Ver- und Entsorgungsleistungen, nach Mobilitätsdiensten wie auch das aktionsräumliche Verhalten. Die Leistungen der Kommunalwirtschaft und der Daseinsvorsorge, ihre Ausgestaltung und Bereitstellung werden vor allem durch zwei Entwicklungen geprägt: das „Auslaufen“ der „fossilen Gesellschaft“ und den Übergang zur „postfossilen Gesellschaft“ sowie die Energiewende. Die sinkende Abnahme von Energie und Wärme durch Effizienzsteigerung in Industrie, Gewerbe, Wohngebäuden und Verkehr, die Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren des Verbrauchs und der Energie-/Wärmebereitstellung bedeuten ebenso wie die exponentielle Verstärkung der „regenerativen Energieerzeugung“ (Wasserkraft, Windenergie, Sonnenenergie, Erdwärme usw.) einen dramatischen Umbau mit Blick auf Gebäudesubstanz, Produktionsprozesse, insbesondere aber auch die Strukturen der Energieerzeugung- und verteilung. Es geht um

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Abbildung 1 basierend auf: Reidenbach, Michael; Bracher, Tilmann; Grabow, Busso; Schneider, Stefan; Seidel-Schulze, Antje (2008): Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen. In: Difu (Hrsg.): Edition Difu, Bd. 4, Berlin. eine Verstärkung dezentraler (oder semi-zentraler) Strukturen mit Solarzellen, dezentralen bodennahen Windrädern, Blockheizkraftwerken in Gebäuden, Baublöcken oder Quartieren, eventuell auch verbunden mit dezentraler Speicherung in Gebäuden oder in Kraftfahrzeugen – z.B. mittels „smart grid“Netzen unter Einbindung von Batterien der batterie-elektrisch betriebenen Fahrzeuge. Diese Umstellungen korrespondieren synergetisch mit dem Ziel der drastischen Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 und 2050. Diese dezentralen Strukturen müssen aber eingebunden werden in modifizierte zentrale Strukturen der Energieerzeugung/Energieversorgung – z.B. mit Off-Shore-Windparks in Norddeutschland oder Solarzellen-Farmen in Süddeutschland mit den Verbrauchsschwerpunkten verbindenden Hochspannungsnetzen. Die derzeit kaum mehr vermeidbare Erhöhung der Temperaturen um +2 °C und der resultierende Klimawandel erfordern zur Anpassung vor allem einen Umbau von städtischen Entwässerungs- und Wasserrückhaltesystemen („Starkregen“) wie auch dezentraler Speicher zum Teilausgleich von extremen Trockenzeiten. Die Störungsempfindlichkeit und freiheit („Resilience“) der technischen Infrastruktursysteme stellt dabei an kommunale Unternehmen der Ver- und Entsorgung sowie des Verkehrs besondere Anforderungen. Auch Maßnahmen der Gesundheitsprävention und -betreuung können die kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Notrufsysteme, Krankenhäuser) betreffen. Diese aktuellen und zukünftigen Anpassungserfordernisse der technischen und sozialen Infrastrukturen treffen aber auf einen Investitionsbedarf für kommunale Infrastrukturen in Höhe von 704 Mrd. Euro (2006-2020, Difu 2008; vgl. auch Abbildung 1) und einen Nachholbedarf von ca. 74,7 Mrd. Euro. Dies zeigen gleichermaßen die Difu-Infrastrukturbedarfsstudie von 2008 und neue Schätzungen aus dem vom Difu durchgeführten Kommunalpanel von 2009 und 2010 (vgl. Abbildungen 2 und 3). Dabei bestimmt sich der Hintergrund zum einen durch steigende Kommunalschulden, exponentiell anwachsende kommunale Kassenkredite, zum anderen durch die Schuldenbremse und die zunehmend greifenden Folgen des Entfechtungsgesetzes – und zwar hinsichtlich Umstrukturierung der Wohnbauförderung, hinsichtlich Entfall der Leistungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) sowie der unklaren Weiterführung des Regionalisierungsgesetzes. Die Bereitstellung der Infrastrukturen, vor allem aber die Leistungserbringungen müssen überdies den – zum Teil eher behindernden und kontrapro-

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Abbildung 2 und 3 basierend auf: KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2010): KfW-Kommunalpannel 2010, S. 38, Berlin. duktiven – Regelungen des europäischen Wettbewerbs- und Beihilferechts entsprechen. Diese Veränderungen der Rahmenbedingungen und der Anforderungen an Strukturen, Quantitäten und Formen der Leistungserbringung öffentlicher Dienste, sozialer und technischer Infrastrukturen treffen auf eine Bevölkerung, die zunehmend intensive Information und Beteiligung, Mitsprache und zum Teil Mitwirkung einfordert. Dies gilt insbesondere für Trägerschaften kommunaler Unternehmen, für Kooperations- und Finanzierungsformen, vor allem auch für die Akzeptanz des Neubaus, Umbaus und veränderter Betriebsformen technischer Infrastrukturen – z.B. Energieversorgung, Leitungsnetze als Fernleitungen, Regionalleitungen und Verteilungsnetze, Energiespeicherung. Der Handlungsbedarf ist in den nächsten ein bis drei Jahrzehnten sehr hoch. Er erfordert Offenheit, Innovationen, Akzeptanz und Mitwirkung durch die Bevölkerung. Die Aufgaben sind gleichermaßen anspruchsvoll und reizvoll, da sie Voraussetzungen zur Zukunftssicherung sind. Die Umgestaltungen müssen vor allem mit „intelligenten“ Systemen der Informations- und Kommunikationstechnik flankiert werden, um Zustände zu erfassen, Effizienz zu verbessern, Speichermöglichkeiten zu erhöhen, Betriebe und Anlagen sowie Netzkonzepte zu evaluieren und verbrauchsbezogen anbieten zu können.

Renaissance der (öffentlichen) Daseinsvorsorge – das Schwinden des „blinden Glaubens“ an privatwirtschaftliche Lösungen Anforderungen und Kriterien der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit waren neben Regelungen des Wettbewerbs- und Beihilferechts wichtige Treiber für eine über mehrere Jahrzehnte forcierte Privatisierung öffentlicher Leistungserbringung, so für Abfallbeseitigung, Abwasserreinigung, Entwässerungsnetze, Wasser- und Energieversorgung, Krankenhäuser, öffentliche Gebäude usw. Nicht selten wurden dabei Argumente zurückgestellt, etwa die Kontrollierbarkeit der Leistungserbringung, die Ausgestaltung und Befolgung sozialer Ziele wie Ausgleich, Inklusion, Familienförderung, Behinderten- und Altengerechtigkeit oder ökologische Ziele wie Energieeinsparung, Energieeffizienz, Einsatz regenerativer Energieträger, Ressourcenschutz in den Bereichen Boden oder Wasser sowie ganzheitlicher Umweltschutz. Dabei waren die Ziele der Effizienz durchaus begründet, weil Zuständigkeiten und Abläufe sowie Kostenstrukturen in kommunalen Betrieben („Regiebetriebe“, „Eigenbetriebe“)

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oder in kommunalen Gesellschaften („Eigengesellschaften“) häufig verbesserungsbedürftig waren. Auch Wirtschaftlichkeitsziele – vor allem verengt auf Betriebswirtschaftlichkeit – waren unbestreitbar, aber schon als Volks- bzw. Gesamtwirtschaftlichkeit – unter Einschluss externer Effekte – kritisch zu prüfen. Vor allem aber wurde in der Praxis des Betriebs nach Veräußerung an Private („vollständige Privatisierung“), nach Ausgliederung in privatwirtschaftliche Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung, aber auch als kommunale Eigengesellschaften („AGs“, „GmbHs“) deutlich: eine Steuerung durch die demokratisch-legitimierten Gremien („Räte“) war stark erschwert. Verträge mit privaten Partnern enthielten nicht selten nur unzureichende Aussagen hinsichtlich zu verfolgender öffentlicher Ziele. Kommunale Betriebe wurden auch deshalb in Eigengesellschaften umgewandelt, um diese zu großem politischen Einfluss zu entziehen. Allerdings, die Annahme, die Politik möge sich auf strategische Steuerung konzentrieren, ließ lange Zeit unberücksichtigt, dass dies höchst voraussetzungsvoll ist.

Abbildung 3 entnommen: KfW Bankengruppe (Hrsg.)(2010): KfW-Kommunalpannel 2010, S. 33, Berlin. Die Zivilgesellschaft war und ist hinsichtlich dieser Entwicklungen zumindest zweigeteilt – häufig steht einer deutlich mehrheitlichen Unterstützung durch die Wirtschaft eine latente oder auch vehemente Ablehnung aus der Bürgerschaft gegenüber, zumindest dann, wenn es sich um Kernbereiche der Daseinsvorsorge handelt. Die veränderten Rahmenbedingungen – familiäre und soziale Entwicklungen, soziale Spaltung mit steigender privater Armut gerade von Haushalten mit aufwachsenden Kindern – und die verstärkten Forderungen aus der Zivilgesellschaft nach Partizipation, Beteiligung, Mitentscheidung, Mitverantwortung und Mitgestaltung zeigen das wachsende Spannungsfeld. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Kosten der Leistungen steigen und damit die Belastungen privater Haushaltsbudgets (Miethöhe nach energetischer Modernisierung, „zweite“ Miete der Nebenkosten, höhere Mobilitätskosten) zur Nichtauskömmlichkeit oder zu Einschränkungen in anderen Bedarfsfeldern führen, etwa mit Blick auf Lebensmittel, Wohnungsgröße, Ausstattung mit Mobilitätsoptionen, Schulbildung, Betreuung und Ausstattung der Kinder, Bildung und Kultur, Sport und Freizeit sowie Erholung/Urlaub. Die für die Gesellschaft und die Wirtschaft kategorial zu unterscheidenden Vermittlungsprinzipien von Gütern, Waren und Leistungen unterliegen je nach den skizzierten Rahmenbedingungen und Grundsätzen des Gesellschafts-, Sozial- und Wirtschaftssystems (z.B. „Marktwirtschaft“, „soziale Markt-

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wirtschaft“, „Planwirtschaft“) kontinuierlich, zum Teil auch strukturbruchhaften Verschiebungen und Verlagerungen. Es sind dies die Vermittlungsprinzipien von: – Markt/Tausch (zwischen selbständig handelnden und auf Ertrag ausgerichteten Wirtschaftssubjekten); – Transfer (durch Einsatz von gesellschaftlich abgeschöpften Mitteln – „Steuern“ u.Ä. – zum sozialen und räumlichen, eventuell auch sektoralen Ausgleich); – Gegenseitigkeit (Leistungserbringung in familiären und zivilgesellschaftlichen, nachbarschaftlichen und sozialen, z.B. karitativen, Zusammenhängen). Die steigenden Erfordernisse, Teilhabe, Teilnahme und soziale Inklusion zu sichern, machen gerade auf der regionalen und lokalen Ebene eine Neudefinition und Neuausgestaltung der Leistungsprinzipien „Transfer“ und „Gegenseitigkeit“ notwendig. Deren Ausgestaltung muss in den Grundzügen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene – auch unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips und der konsequenten Umsetzung des Konnexitätsprinzips – bestimmt werden. Die konkreten Ausformungen, Umsetzungen und Trägerschaften müssen vor allem „vor Ort“, d.h. unter Ausformulierung und Umsetzung lokaler und regionaler Ziele, erfolgen. Eine solche Neubesinnung auf das „Gemeinwohl“, damit auf die Ausgestaltung der Vermittlungsprinzipien von „Transfer“ und „Gegenseitigkeit“ durch Schaffung und Förderung geeigneter Rahmenbedingungen, ist vielerorts festzustellen. Sie ist in gewissem Sinne die zweite Seite der Medaille, deren erste Seite geprägt ist durch: – Erwartungen an das zivilgesellschaftliche Engagement, – Verantwortungsübernahme durch Bürger und – Anforderungen an Effizienz und partiell Suffizienz in allen Leistungsbereichen. Es resultieren veränderte Leistungs- und Versorgungsprinzipien, dies vor allem durch eine örtliche/lokale Trägerschaft, Organisation, Mitverantwortung für und Mitwirkung an der Leistungserbringung gekennzeichnet sind. Es ergibt sich ein synergetisches Wechselverhältnis zwischen „technischen“ Bedingungen der Leistungsfelder auf der einen Seite – Netzwerkbildung, IKT-gestützte Netzwerksteuerung, Dezentralität und Semi-Zentralität der Leistungserbringung und -vermittlung zur Sicherung von Anpassungsfähigkeit, Redundanzen und Fehlerfreundlichkeit sowie Zusammenwirken von öffentlicher, semi-öffentlicher, privatwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Leistungserbringung. Auf der anderen Seite stehen vermehrt Verantwortungsübergabe an die Zivilgesellschaft sowie Beteiligung der Bürger an den Entscheidungsprozessen und der konkreten Leistungserbringung auf der kommunalen Ebene.

Rekommunalisierung als Strategie Bei der dargestellten Entwicklungsgeschichte und den sich dramatisch verändernden Rahmenbedingungen ist es nicht nur nicht unerwartet, sondern vielmehr eine logische Konsequenz, dass die Rekommunalisierung ein zentraler Strang kommunalpolitischer Überlegungen und zivilgesellschaftlicher Forderungen ist. Die Schwerpunkte der Diskussion und der politischen Auseinandersetzungen liegen in der Verhinderung/Ermöglichung weiterer Verkäufe an Private oder auf der kritischen Prüfung der Schaffung weiterer „Eigengesellschaften“ oder Gesellschaftsformen mit starker privater Beteiligung.

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Besondere Diskussionsfelder sind: – der Voll- oder Teilverkauf von Wohnungsbeständen, – die Erhaltung der kommunalen Leistungen in der Abfall- und Wertstoffwirtschaft, – die Rekommunalisierung von Wasser- und Energie´versorgungsunternehmen (Gas, Elektrizität, Wärme/ Fernwärme), – die kritische Prüfung der auslaufenden Konzessionsverträge in den Bereichen Wasser, Energie, öffentlicher Personennahverkehr und deren Weiterführung oder Rückführung in kommunale Gesellschaftsformen, – die Prüfung der Effizienz, Wirksamkeit, Steuerbarkeit und Anpassungsfähigkeit von Public-Private-Partnership-Projekten vor allem im kommunalen Hochbau (Kindergärten, Schulen, Verwaltungsgebäude) wie auch im kommunalen Anlagenbau (z.B. Betriebshöfe, Kläranlagen, Busbahnhöfe) – dies vor dem Hintergrund wachsender Erkenntnis, dass neue Nachhaltigkeitsziele des Ökologischen und Sozialen häufig nur schwierig und mit hohen Aufwendungen zu sichern sind. Die Tendenzen gehen eindeutig zu einer Wiederannäherung an eine öffentliche (kommunale) Voll-Verantwortlichkeit und einer Aufgabe der „Probleme ausputzenden Restverantwortlichkeit“ – wie Bereitstellung von Wohnungen unter sozialen Kriterien, Reinigung der Plätze privater Wertstoffsammelung, Förderung dezentraler Anlagen der Energieerzeugung, Energiespeicherung und verteilung. So bleiben beispielsweise die Verantwortlichkeiten für die vielfach geforderten öffentlichen Ladepunkte und Ladesäulen für private Elektrofahrzeuge – sowohl von Einzelpersonen, Haushalten, aber auch von lokalen Handwerks-, Dienstleistungs- und Lieferunternehmen – weitgehend in kommunaler Hand. Dies ermöglicht integrierte und abgestimmte Lösungsansätze für: –n  achhaltige Mobilitätsentwicklung und Einsatz nachhaltiger, d.h. CO2-emissionsfreier Fahrzeuge, – die Förderung intermodaler und multimodaler Mobilitätsmuster und die Unterstützung der Nutzung von Leihfahrzeugen statt vermehrtem Fahrzeugbesitz, –d  ie stadträumliche und stadtgestalterische Integration von Ladepunkten, Ladesäulen oder induktiven Ladeschleifen, –d  ie abgestimmte Bereitstellung von privaten Ladepunkten (Einstellplätze, Garagen, Carports, Tiefgaragen) an Wohnungen und an Arbeitsplätzen, von semi-öffentlichen Ladepunkten (Tankstellen, Auto-Werkstätten, Parkhäuser, Discounter, Verbrauchermärkte, Einkaufcenter, FreizeitGroßeinrichtungen usw.) und von öffentlichen Ladesäulen auf Straßen und Plätzen, –d  ie verkehrliche Privilegierung durch Straßenverkehrsrecht und Ordnungsrecht (öffentliche Parkflächen für Ladevorgänge, eventuelle Mitnutzung von Busspuren in „Versuchsphasen“). Ähnliche Koordinierungsaufgaben erfordert ein integriertes Infrastruktur(erneuerungs)management für Straßen, Straßenbahntrassen/-gleise, Entwässerungskanäle, Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgungsleitungen und Kabel sowie für Fernwärmeleitungen, nicht zuletzt aus Gründen der dramatischen Alterung und des Rückstandes der Unterhaltungs-, Instandsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen bei den Verkehrs- sowie der Ver und Entsorgungsinfrastrukturen. Wenn es gelingt, Aufgabenträger, Straßenbaulastträger, Versorgungsträger an „ einen Tisch“ unter der Leitung der Kommunalverwaltungen zu bringen und zu verlässlichen Verabredungen über Zustände, Maßnahmen, Handlungsstrategien, Priorisierungen u.Ä. zu führen, kann dies zu deutlichen Kosteneinsparungen beitragen, z.B. indem vermieden wird, gleiche/ähnliche Teilleistungen (z.B. Aufgrabungen, Wieder-

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verfüllung, Verdichtung, Herstellung Unterbau und Oberbau der Straßen) mehrfach auszuführen. Eine entsprechende kommunale Koordinationsstelle macht sich bei genauer Kalkulation und bei Kooperationsbereitschaft aller Partner innerhalb kürzester Zeit bezahlt. Die Kooperation wird aber vor allem dann effizient und nebenwirkungsfrei gelingen, wenn die beteiligten Unternehmen und Partner unter gleichen kommunalen Gesamtzielen zusammenwirken. Zu diesen zählen der gesamtwirtschaftliche Blickwinkel, der Wille, die Belastungen der Bürger durch Erhaltungsmängel und wiederholte Unterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen zu reduzieren, die Verbesserung von Maßnahmen, die CO2-Emissionen mindern, die „postfossile Stadt“ fördern und zu sozialer Inklusion führen.

Die Entwicklung von „smart cities“ – was heißt das für die Kommunalwirtschaft? Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung erfährt die Entwicklung elektronischer Dienste – sowohl in der verwaltungsinternen Zusammenarbeit als auch in der Leistungserbringung für Bürger, Unternehmen und Andere – eine zunehmende Bedeutung (vgl. das Konzept „ServiceStadt Berlin 2016“ Difu, 2009). Dabei werden nicht nur per Internet Informationen bereitgestellt, gesamte Antrags- oder Beteiligungsverfahren mit elektronischen Medien abgewickelt, kontrolliert und abgesichert, sondern Anlagen und Leistungen gesteuert und überwacht (z.B. Verkehrslenkung). Gleichzeitig steigen mit der Individualisierung von Lebensweisen der Bürger die Erfordernisse von Kontakten und Leistungserbringungen, die auf Informations- und Kommunikationstechnologien beruhen. Dies gilt gleichermaßen für den internetgestützten Warenaustausch mit Bestellung, Organisation der Lieferung, Vertragsabwicklung, Rechnungslegung und Bezahlung wie auch für die Steuerung von Haustechnik (Heizung, Beleuchtung oder Überwachung) oder für internetgestützte Ausbildungsvorgänge oder Arbeitsvorgänge („Home Office“). Mit der Dezentralisierung von Ver- und Entsorgungstechnik und -einrichtungen wachsen Erfordernisse der dezentralen Detektion von Bedarfen (Strom, Wärme, Gas, Wasser, Abwasser), der dezentralen Optimierung der Leistungsabgabe und der darauf gestützten Abrechnung. In Bezug auf Energieeinsparung, Energieeffizienz, optimierende Auslastung der Versorgungsnetze und Anpassung von Leistungsbereitstellung und Leistungsabnahme eröffnet die dezentrale Detektion – zum Beispiel durch „smart metering“ zur Ermittlung und zeitlichen Optimierung von Stromverbräuchen – die technische Option und die Umsetzung von Tarifstrukturen, die Anreize zur Optimierung des Verbrauchs setzen. Dies kann zu entsprechenden Regelungen von Geräten in Haushalten und Unternehmen (Beleuchtung, Heiz- und Kühlanlagen, Kommunikationsgeräte, Küchengeräte, Aufladestationen für Speicher – z.B. Autobatterien usw.) führen, aber ebenso das Nutzer- und Verbraucherverhalten verändern. Belastungsabhängige Tarifstrukturen für Energie- und Wärmeversorgung, für die Nutzung von Kommunikationsnetzen oder Mobilitätsangeboten geben Anreize, die Art und zeitliche Struktur der Nachfrage umzustellen – mit dem Effekt, Spitzennachfragen zu entlasten und private Kosten durch Entgelte oder Gebühren zu reduzieren. Die zunehmende Vereinzelung auch älterer und unterstützungsbedürftiger Menschen, die weiter in der angestammten Umgebung von Wohnung, Haus und Quartier leben möchten, setzt vermehrt Kommunikations-, Überwachungs- und Betreuungsleistungen voraus, die zumindest teilweise elektronische Informations- und Kommunikationsdienste voraussetzen: internetgestützte Bestellung von Waren- und Lebensmittellieferungen, funk- und internetgestützte

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Überwachung des Gesundheitszustandes (Bewegungsmelder, Blutdruckmessung u.Ä.) wie auch des Betriebs von Gebäuden, Haus- und Küchentechnik. Im Bereich dezentraler und semi-zentraler Ver- und Entsorgungsstrukturen oder auch der Leistungsnetze der Verwaltung kommt einer dezentralen Detektion von Systemzuständen, einer semi-zentralen oder zentralen Regelung von Systembelastungen und einer dezentralen Umsetzung der Leistungserbringung eine wachsende Bedeutung zu. Das Konzept der Einbindung von Speichern („Batterien“) aus Elektrofahrzeugen in die dezentrale Speicherung von Strom bei Überschuss aus regenerativer Energieerzeugung (Windkraft, Solarzellen, Wasserkraft) und deren dezentrale Abgabe an die Verbraucher „Fahrzeuge“ für den Antrieb oder an andere Verbraucher aus Haushalten, Gewerbe und Industrie oder öffentlichem Bereich (Straßenbeleuchtung, Strombedarf öffentlicher Gebäude) eröffnet eine weitere Option des Netzbetriebs („smart grid“). Dies setzt noch zu entwickelnde Speicher („Batterien“) mit effizienter Ladung und Abgabe sowie entsprechende Steuerungsmöglichkeiten voraus. „Smart cities“ sind demnach durch den Ausbau sowie die optimierte Vernetzung und Steuerung von Erzeugern, Speichern, Verbrauchern und Netzbetriebsmitteln mit der dazu erforderliche Informations- und Kommunikationstechnologie geprägt. Es ergeben sich damit auch erweiterte Optionen zu Kaskaden der Ressourcennutzung – beispielsweise im Bereich von Energie mit zeitlicher Entzerrung und Abflachung von Nachfragespitzen, mit Speicherung und Zwischenspeicherung sowie Rückspeisung oder im Bereich der Nutzung von Wasserressourcen durch dezentrale Niederschlagswasserspeicherung und -nutzung für Prozesswasser bei der Produktion, für Bewässerung und Toilettenspülung oder Waschmaschinen in Haushalten, aber auch für dezentrale Zweitnutzung von Grauwasser in Haushalten (z.B. Duschwasser für Toilettenspülung u.Ä.). Letztlich stellen Wärmepumpen in Gebäuden eine entsprechende kaskadenförmige Nutzung dar. Das Wechselspiel von Leistungserstellung, Transportund Leitungsnetzen sowie Leistungsabnahme benötigt also bei Warenversorgung, Versorgung mit Dienstleistungen, Energie-, Wärme- und Wasserversorgung die Verfügbarkeit bzw. Bereitstellung von leistungsfähigen Informations- und Kommunikationsnetzen mit dezentraler Detektion von Bedarfszuständen, von Leistungsabnahmen, aber auch dezentraler Bereitstellung von Informationen über Leistungsabnahme und deren Kosten. Für die Kommunalwirtschaft können daraus innovative und erweiterte Leistungsbereiche einer optimierten Versorgung entstehen. Diese können für alle Beteiligten aus Leistungsbereitstellung (z.B. Energieerzeugung), Leistungsverteilung bzw. Leitungsnetzen (Energieverteilung und -speicherung) und Leistungsabnahme (Unternehmen, Haushalte, Verkehr) zu Win-Win-Situationen führen und einen reduzierten Netzausbau, den Einsatz regenerativer Energieerneuerung mit witterungsbedingten Schwankungen der Leistungserzeugung, aber auch Energieeinsparung und Reduktion der Energiekosten ermöglichen. Derartige neue Betriebsformen werden in deutschen Städten in Pilotprojekten bereits ausprobiert (vgl. beispielsweise T-City Friedrichshafen). Sie können Deutschland zu einem Leitmarkt entwickeln und deutsche Anbieter angesichts der weltweiten Verstädterung zu Leitanbietern machen.

Veränderung von Handlungs- und Betriebsprinzipien Mit den beobachtbaren und zu erwartenden demographischen und wirtschaftsstrukturellen Veränderungen ist davon

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auszugehen, dass für alle Leistungsbereiche – auch jene der Ver- und Entsorgung sowie des Verkehrs – das Bestreben der Nutzer und Kunden vorherrscht, hinsichtlich Leistungsart, Nachfragezeitpunkten und Nachfrageorten vermehrt Wahlmöglichkeiten zu haben. Im Verkehr führt dies beispielsweise zur „Jederzeitigkeit“ und „Ubiquität“ von Anforderungen an Mobilitäts- oder Transportangebote, zur Intermodalität (d.h. „Verkehrsmittelwechsel auf einem Weg“) und Multimodalität (d.h. „situationsspezifische Verkehrsmittelwahl“). Dabei wachsen die Anforderungen an Systemeffizienz hinsichtlich Kapazitätsbereitstellung, Zuverlässigkeit der Leistungserbringung sowie Steuerung der Kapazitätsbeanspruchung, hinsichtlich Energie- und Ressourceneffizienz sowie einer Reduktion von Umweltbelastungen. Damit sind Infrastrukturbereitstellung (Bau von Netzen und Anlagen), Infrastrukturerhaltung und -erneuerung sowie Infrastrukturbetrieb zu optimieren. Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen sowie Steuerung und Regelung sind dazu unverzichtbare Voraussetzungen. Sie dienen der Erfassung von Systemzuständen, der Sicherung von Systemstabilität und Systemzuverlässigkeit. Die notwendigen dezentralen und vernetzten Strukturen sind Mindestvoraussetzung zur Sicherung der „Resilience“ technischer Ver- und Entsorgungssysteme sowie der Verkehrssysteme gegenüber geogenen oder klimatisch-bedingten Störungen (Starkregen und Überschwemmungen, Großfeuer infolge Dauerhitze o.Ä.) wie auch gegenüber anthropogenen Eingriffen (Terror, Blockaden u.v.m.). Literatur: Beckmann, Klaus J. K. J. (2008): „Demografische Entwicklung – Konsequenzen für die Stadtentwicklung, Städtebau und Infrastruktur“. In: DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (Hrsg.): Demografischer Wandel. Herausforderungen und Chancen für die Deutsche Wasserwirtschaft, Hennef. Beckmann, Klaus J. K. J. (2006): „Leistungen der Zivilgesellschaft im Rahmen der Daseinsvorsorge – Chancen oder Überforderung“. In Difu (Hrsg.): DifuBerichte 4/2006, Berlin. Beckmann, Klaus J. K. J. (2001): „Stadtentwicklung und Verkehr“. In: Mehlhorn, G.; Köhler, U. (Hrsg.): Der Ingenieurbau, Verkehr – Straße, Schiene, Luft, Verlag Ernst & Sohn, S. 34-57, Berlin. Beckmann, Klaus J. (1988): „Vom Umgang mit dem Alltäglichen - Aufgaben und Probleme der Infrastrukturplanung“. In: Institut für Städtebau und Landesplanung, Universität Karlsruhe (Hrsg.): Schriftenreihe Nr. 21, Karlsruhe.

Dies bedeutet vermehrt auch dezentrale Strukturen der Kommunalwirtschaft oder zumindest eine verstärkte Kooperation mit dezentralen Partnern der Leistungserstellung und Leistungsverteilung, aber auch der kundenbezogenen Leistungsangebote. Technische Dezentralität ist jedoch nicht gleichbedeutend mit organisatorischer Qualität. Im Gegenteil, die Gewährleistung von Versorgungsqualitäten oder von technischen oder hygienischen Standards, die spartenübergreifende Verzahnung etwa im Bereich des Energiemanagements dürfte auch künftig gewachsene Organisationsformen der Kommunalwirtschaft nicht nur erforderlich machen sondern ist eine Chance im Sinne erweiterter Geschäftsmodelle. Auch wenn, wie zu erwarten, neue Trägerformen wie EnergieGenossenschaften oder auch Wassergenossenschaften an Bedeutung gewinnen, wird die Überwachungs- und partielle Gewährleistungsverantwortung bei Städten und Gemeinden liegen müssen.

Fazit Die Zukunft der Kommunalwirtschaft ist vielfältig und anspruchsvoll. Sie erfordert Innovationsbereitschaft und kann eine Stärkung der Rolle der Kommunen in der Daseinsvorsorge bedeuten – in enger Einbindung der entscheidungslegitimierten Gremien („Räte“), aber auch in enger Kooperation mit lokaler/regionaler Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Der zu erwartende Umbruch der Leistungsanforderungen und Leistungserbringung kann und sollte ein Aufbruch zu einer nachhaltigen Versorgungswirtschaft bedeuten. Beckmann, Klaus J. (1986): Strategien zur Anpassung von Bedarf und Angebot im Leistungsbereich kommunaler Einrichtungen – eine Skizze des Problemzusammenhangs. In: Institut für Städtebau und Landesplanung, Universität Karlsruhe (Hrsg.): Seminarbericht Sommersemester 1986; S. 29-98, Karlsruhe. Grabow, Busso; Knipp, Rüdiger; Schneider, Stefan (2009): ServiceStadt Berlin 2016. In: Difu (Hrsg.): Difu-Impulse 4, Bd. 4/2009. Libbe, Jens; Hanke, Stefanie; Verbücheln, Maic (2011): Rekommunalisierung – eine Bestandsaufnahme. In: Difu (Hrsg.): Difu-Papers, Berlin. Libbe, Jens (2011): Rekommunalisierung als Trend und Chance für Kommunen. In: Difu (Hrsg): Difu-Berichte 3/2011, S. 2-3. Libbe, Jens; Köhler, Hadia; Beckmann, Klaus J. (2010): Infrastruktur und Stadtentwicklung; technische und soziale Infrastrukturen – Herausforderungen und Handlungsoptionen für Infrastruktur und Stadtplanung. In: Difu/Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Edition Difu, Bd. 10.

„Chancen muss man sich nehmen“ – Ländliche Entwicklung und Städtebauförderung als Antwort auf die demografischen Fragen Von Andrea Bastian und Dietmar Attenhuber – Referenten Kommunalgeschäft, Sparkassen Verband Bayern, München Die Wiederbelebung der Ortskerne gehört angesichts zahlreicher leer stehender Objekte im ländlichen Raum zu den größten Herausforderungen für die Kommunen. Die Vermarktung dieser Leerstände ist dabei eine der Kernaufgaben. Die Gemeinden können und müssen diese Herausforderung jedoch nicht allein bewältigen. Die Sparkassen übernehmen hier als Mittler zwischen Politik und Projekt vielfältig Verantwortung. Auf der Unternehmerkonferenz in Nürnberg hatte jüngst Beatrix Drago, Sachgebietsleiterin Dorferneuerung / Integrierte ländliche Entwicklung in der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung, erläutert, auf welche Herausforderungen sich die Kommunen durch den demografischen Wandel einstellen müssen: die Abwanderung der jungen,

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gebildeten Schichten, den wirtschafts-strukturellen/gesellschaftlichen Wandel, auf zunehmende Leerstände in den Ortszentren, eine gefährdete Nahversorgung, den Unterhalt der Infrastruktureinrichtungen sowie die Bedürfnisse einer älter werdenden Bevölkerung. Bei der genannten Veranstaltung „Ländliche Entwicklung und Städtebauförderung als Antwort auf die demografischen Fragen“ stellte Dietmar Attenbrunner, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Freyung-Grafenau, den Blickwinkel der regionalen Sparkasse dar. Auch er skizzierte die drohenden Konsequenzen von Abwanderung und fehlender Zuwanderung. Die örtlichen Betriebe im Landkreis würden zunehmend Schwierigkeiten bekommen ihre Arbeitsplätze zu besetzen, es werde zu Betriebsschließungen, Geschäfts-

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aufgaben und zu Kaufkraftverlust kommen. Man müsse mit Wertminderungen der bestehenden Gebäude und mit einem Nachfragerückgang gewerblich/wohnwirtschaftlicher Flächen rechnen. Ein Einnahmen-Rückgang aus Gewerbesteuer bzw. Tourismus in den Kommunen sei so unausweichlich. Doch die Kommunen – das hatte Dietmar Attenbrunner sehr deutlich gemacht – sind angesichts dieses düsteren Szenarios nicht allein auf sich gestellt. Die Sparkassen mit ihren guten Kontakten zu Bürgern, Kommunen und Wirtschaft fungieren als Mittler zwischen Projekt und Politik und stehen den Gemeinden mit ihrer Kompetenz in der Beratung zu Finanzierung, Bewirtschaftung, Sanierung und in puncto Fördermitteln zur Seite. Auch anhand innovativer Modelle wie Beteiligungen, Genossenschaften, Stiftungen oder Fonds bzw. bei der Finanzierung und Vermittlung derartiger Maßnahmen und Projekte unterstütze man – wie auch bei der Vermarktung. Dazu gehören die Bewertung und Marktpreisermittlung der Immobilien unter Berücksichtigung der Vermarktungschancen, die Aufbereitung der Objekte für den Vertrieb sowie die gemeinsame Vermarktung . Chancen zur Revitalisierung der Ortszentren können in einer bevorzugten Gewerbe-Ansiedlung im Innenbereich, der Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze, der Verbesserung des Investitionsklimas im Ortszentrum, im Bereitstellen von Infrastruktur (Breitband, öffentlicher Nahverkehr), in der interkommunalen Zusammenarbeit, der Netzwerkbildung sowie der Sensibilisierung der Bevölkerung und der Förderung von Privatinvestitionen und Eigeninitiative stecken. Wie eine kommunale Ortsbelebung konkret in Angriff genommen werden kann, verdeutlichte im Nürnberger KongressZentrum Max Köberl, Bürgermeister der Gemeinde Ringelai. In der Gemeinde im Landkreis Freyung-Grafenau hat man schon vor vielen Jahren den Handlungsbedarf erkannt. Der 2.000 Einwohner-Ort gehört seit 2005, also seit der Gründung,

zu der Kommunalallianz „ILE Ilzer Land“. Zu dem Projekt „Integrierte ländliche Entwicklung“ haben sich neun Kommunen im Ilztal im Bayerischen Wald zusammengeschlossen: Grafenau, Hutthurm, Schönberg, Perlesreut, Röhrnbach, Fürsteneck, Ringelai, Saldenburg und Thurmannsbang. Gemeinsam wollen sie zur Stärkung des Wirtschafts-, Kultur- und Lebensraums beitragen. Seit 2006 werden gemeindeübergreifend und querschnittsorientiert verschiedene Handlungsfelder bearbeitet. Max Köberl berichtete in Nürnberg, dass in den Ortskernen zahlreiche Leerstände und Sanierungsstau festgestellt wurden. Um die Grundversorgung in größeren Ortsteilen dauerhaft zu sichern, sollen die Hauptorte als Servicezentren entwickelt und die Erreichbarkeit verbessert werden. Dies könne nur durch eine verbesserte Vernetzung zwischen den Ortsteilen geschehen, für die gemeindeübergreifende Konzepte benötigt würden, betonte Köberl. Er selbst fungiere als „Projektmanager Innenentwicklung“. Seine Aufgabe sei es hierbei, als Partner zur Förderung der privaten Investitionen aufzutreten. Er sei fester Ansprechpartner vor Ort für private Investoren und Sanierungswillige, Vermittler von fachlicher Beratung (z. B. Machbarkeitsstudien), stelle den Kontakt zu Förderstellen und regionalen Banken her und sorge schließlich für die gezielte Vermarktung von „Schlüsselobjekten“. Die Sparkasse Freyung-Grafenau ist bei der „ILE Ilzer Land“ fest mit eingebunden. lm Ilzer Land liege beispielsweise das Augenmerk auf einer gemeinsamen Vermarktung der Objekte, auch der Teilleerstände, auf sämtlichen Vertriebskanälen aller beteiligten Banken. Bei der Entwicklung gemeinsamer Projekte arbeite man mit dem Projektmanagement des Ilzer Landes zusammen. Im Hinblick auf Kooperationspartner und Investoren gelte es noch Netzwerkkontakte herzustellen. Dietmar Attenbrunner zitierte abschließend – und wegweisend – den Erfurter Schriftsteller Gerd W. Heyse: „Chancen muss man sich nehmen.“

Nachhaltige Wirtschaft in der Stadt – ein neues kommunales Handlungsfeld? Von Beate Hollbach-Grömig und Dr. Busso Grabow – Prokurist/Leiter des Bereichs Wirtschaft und Finanzen, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin Nachhaltiges Wirtschaften als ein Element nachhaltiger Stadtentwicklung Spätestens mit dem sogenannten Brundtland-Bericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung 1987 ist der Begriff der „Nachhaltigen Entwicklung“ so etwas wie eine paradigmatische Leitidee geworden. Die wechselseitige Abhängigkeit von ökonomischer, sozialer und ökologischer Entwicklung und damit die Notwendigkeit, alle drei Aspekte bei allen Entwicklungsanstrengungen integriert zu betrachten, ist inzwischen allgemein anerkannt – auch wenn dies in der Umsetzung von Strategien und Maßnahmen immer wieder aus dem Auge verloren wird. Verschiedene Trends und Rahmenbedingungen verstärken den Druck auf Städte und Regionen, dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung gerecht zu werden – hier seien vor allem wirtschaftsbezogene Entwicklungen genannt. Globalisierungseffekte sind u.a. durch die weitere Verlagerung von Produktionsstandorten in Länder mit niedrigen Umweltstandards, geringen sozialen Standards und Billiglöhnen beschrieben. Eine wachsende Unternehmenskonzentration in

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Richtung von global playern hat zur Folge, dass Entscheidungen über Unternehmensstrategien und Standorte nicht weniger in lokalen/regionalen Zusammenhängen, sondern an anderen Orten der Welt getroffen werden. Der technologische Wandel führt unter anderem zu einer weiteren Automatisierung von Produktionsprozessen und zu Produktund Prozessinnovationen, die nicht per se nachhaltig sind. Zu den Entwicklungen, die die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens erhöhen, gehören u.a. die Verknappung und Verteuerung von Rohstoffen im Zusammenhang mit der verschärften Weltmarktkonkurrenz und steigenden Importabhängigkeiten, der rasante Anstieg der Energiepreise für herkömmliche Energieträger sowie ein wachsender Rechtfertigungsdruck für Unternehmen, die soziale oder umweltbezogene Mindeststandards nicht einhalten. Die „großen“ Trends im weltweiten Maßstab wie der Klimawandel und die Notwendigkeiten der Klimaanpassung, eine zunehmende Wasserknappheit und die Folgen der Urbanisierungseffekte in den Megastädten erhöhen ebenfalls den Druck auf Unternehmen, sich ökologisch verantwortungsvoller zu verhalten.

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Insgesamt hat auf städtischer Ebene eine integrierte, nachhaltige Stadtentwicklung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Nachhaltige Stadtentwicklung hat eine Vielzahl von Facetten und Handlungsfeldern: – Ressourcensparende und umweltgerechte Stadtentwicklung, – zukunftsfähiges Verwaltungshandeln und eine beteiligungsorientierte lokale/regionale Governance, – die Übernahme globaler Verantwortung, – verantwortungsvolle und generationengerechte Haushaltsführung, – sozialverantwortliche und umweltgerechte Daseinsvorsorge, – stadtverträgliche, sozial- und umweltgerechte Mobilität, – Maßnahmen zur Realisierung einer sozialen, integrativen, gesunden und sicheren Stadt, – identitätsstiftendes und zu breiter Beteiligung aufforderndes Kulturangebot, – eine Baukultur, die Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt und auf eine zukunftsfähige Stadtgestalt achtet, – die Gestaltung eines zukunftsfähigen Wirtschaftsstandorts und Arbeitsorts – als Bestandteil und Voraussetzung einer nachhaltigen Wirtschaft.

Nachhaltiges Wirtschaften in der Stadt – Was ist gemeint? Nachhaltiges Wirtschaften ist vorsorgendes Langzeitwirtschaften. Auf diese kurze Formel lassen sich die wechselseitige Abhängigkeit von ökonomischer, sozialer und ökologischer Entwicklung und die Notwendigkeit einer stärker nachhaltigen Ausrichtung der Wirtschaft bringen. Ein nicht an ökologischen und sozialen Erfordernissen orientiertes Wirtschaften entzieht letztlich der Wirtschaft ihre eigene Basis. Wirtschaft ist ein zentraler Bestandteil von Stadt. Vor allem städtische Räume sind unmittelbar vom internationalen Wettbewerb und den damit verbundenen Entwicklungen und Veränderungen betroffen. Die „klassischen“ alten Industrien verlieren seit Jahrzehnten an Bedeutung, der Dienstleistungssektor und wissensbasierte Unternehmen werden kontinuierlich wichtiger. „Nachhaltiges Wirtschaften in der Stadt“ ist ein kommunales Leitbild, hinter dem als zentrales Ziel vor allem der Erhalt bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze steht – ein „klassisches“ Ziel der kommunalen Wirtschaftsförderung. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf das Erhalten einer lebenswerten Umwelt sowie die Stärkung des sozialen Zu-

Quelle: Eigene Darstellung des Deutschen Instituts für Urbanistik.

Kommunalwirtschaft / Sonderausgabe 2012

sammenhalts gelegt werden (vgl. z.B. Hauff/Tarkan 2009: 17 ff). Um für Investoren und ansässige Unternehmen attraktiv zu sein, müssen nachhaltige Standort- und Infrastrukturqualitäten entwickelt werden. Wesentlich ist dabei der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen, im Verbrauch und in der Wiedernutzung (z.B. Rohstoffe, Wasser, Energie, Abfall). Dazu gehört die Verlangsamung des immer noch erheblichen Anstiegs der gewerblichen Flächeninanspruchnahme in der Stadt, durch verstärkte Wiedernutzung, (Nach-)Verdichtung und Innenentwicklung. Wichtiger wird die Entwicklung ökologischer Gewerbeflächen und -standorte (Hauff/Wolf 2009; BMU 2009). Elementarer Baustein eines nachhaltigen Wirtschaftens ist die stärkere Verbreitung innovativer, Ressourcen schonender und ökologisch fortschrittlicher Produktionsformen und Dienstleistungen, die den wirtschaftlichen Strukturwandel im Sinne zukunftsfähiger Branchen und Funktionen fördern (Reutter 2007b). Ein weiterer wichtiger Teilaspekt ist die Schaffung neuer regionaler Wertschöpfungsketten (z.B. Stoffstromnetze, Nutzung industrieller Abwärme). Alle diese Bausteine tragen zugleich zu einer Standortprofilierung bei, in der Strategien qualitativen Wirtschaftswachstums gegenüber dem quantitativen Wachstum in den Vordergrund gestellt werden. Aus ökonomischer Perspektive geht es darum, die Innovations- und Konkurrenzfähigkeit der lokalen und regionalen Wirtschaft, vor allem in zukunftsfähigen Wirtschaftsbereichen zu fördern – auch im globalen Maßstab (Floeting/HollbachGrömig 2005: 17ff). Dies betrifft alle Zukunftsfelder, die den aktuellen Innovationszyklus prägen. Durch gezielte Förderung von Existenzgründern kann sowohl die lokale Wirtschaft gestärkt als auch Absolventen und Wissensträgern ein Verbleiben am Standort möglich gemacht werden. Darüber hinaus sollte versucht werden, die Ansiedlung „passender“ innovativer Unternehmen zu betreiben – auch wenn Innovationsförderung noch nicht per se ökologische oder soziale Nachhaltigkeit bedeutet. Die soziale Nachhaltigkeit hängt vor allem mit dem Faktor Arbeit zusammen. Ziel ist es, eine „demografiefeste Arbeitswelt“ und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. (BMAS 2010: 22) Dazu gehören eine intensive Bildungsförderung über alle Altersstufen (von der Kita bis zum berufsbegleitenden Lernen und nach-arbeitsweltlichen Angeboten) sowie Programme und Maßnahmen zur besseren Integration junger Migranten in den Arbeitsmarkt. Formen der informellen Arbeit auf kommunaler Ebene (z.B. Bürgerarbeit, Tauschbörsen) sollten berücksichtigt werden (Henckel/Eberling/Grabow 1999: 218 f.). Städte (Verwaltung, kommunale Unternehmen etc.) sollten selbst Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften sein. Dies ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit. Städte und Gemeinden haben etwa im Bereich der öffentlichen Beschaffung ein großes Potenzial (Hogenmüller 2007: 379), das sie im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung nutzen sollten. Städte und Gemeinden sollten für ihre Beschaffung transparente soziale und umweltbezogene Maßstäbe setzen. Auch im Bereich der Wertschöpfung etwa durch kommunale Unternehmen (z.B. Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften) ist die Kommune im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gefordert. Elementarer Bestandteil der Stadtgesellschaft sind die Bürgerinnen und Bürger, die z.B. in ihrer Funktion als Konsumenten wichtige Akteure sind. Unternehmen übernehmen im Feld der nachhaltigen Wirtschaft eine gesellschaftliche Verantwortung – Stichwort Corporate Social Responsibility (CSR).

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Grundsätzlich hat das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens in der Stadt immer auch einen regionalen Bezug. Fragen der Ressourcennutzung und -kreisläufe, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Fragen der umweltverträglichen Mobilität oder Konsum haben in aller Regel einen regionalen Zusammenhang. Es gibt eine Vielzahl von Austauschbeziehungen zwischen Stadt und Region, woraus sich zwangsläufig Notwendigkeiten der regionalen Kooperation – und Hemmnisse durch eine vielfach vorhandene intraregionale Konkurrenz – ergeben.

Kommunale Aktivitäten: Vorbilder und Vorreiter

Quelle: Eigene Darstellung des Deutschen Instituts für Urbanistik

Eine Reihe von Kommunen ist im Handlungsfeld des nachhaltigen Wirtschaftens aktiv – teilweise schon seit vielen Jahren. Dabei können Städte, Gemeinden und Kreise über die eigene Vorbildfunktion (vgl. oben) hinaus: – Rahmenbedingungen setzen, um den Standort entsprechend zu profilieren: Um nachhaltiges Wirtschaften in der Stadt zu befördern, sollte die Verwaltung die Spielräume des Verwaltungshandelns ausschöpfen. Politische Beschlüsse und Absichten können das Thema entscheidend befördern, z.B. durch die Einrichtung von „Zukunftsfonds“, die Förderung der Altlastenbeseitigung auf Gewerbeflächen, die Förderung eines nachhaltigen Flächenmanagements und betrieblichen Innovationsmanagements (Fritsch 2005: 481) oder durch Wettbewerbe. – Aktiv sein, um Unternehmen in Richtung nachhaltigen Wirtschaftens zu fördern und zu unterstützen (Hollbach-Grömig 1999: 16): Besonders hilfreich sind konkrete Informationsund Beratungsangebote, aus denen erkennbarer Nutzen entsteht (z.B. Einsparungen bei der Ressourcennutzung, Kommunikation der positiven Effekte z.B. von ÖkoprofitProjekten). Schwieriger ist es etwa beim Thema „Übernahme von sozialer Verantwortung“. Durch IuK-Angebote können Flächenangebot und -nachfrage besser zusammengebracht werden (Grabow u.a. 2010: 11f). Hilfreich ist es, Unternehmen zu identifizieren und als Multiplikatoren zu nutzen, die bereits positive Erfahrungen mit nachhaltigem Wirtschaften gesammelt haben. Wichtig ist es auch, das Thema in die verschiedenen Verwaltungsbereiche zu transportieren und dort als Querschnittsthema zu platzieren.

Heidelberg gehört zu den Städten, die bereits seit einer Reihe von Jahren im Themenfeld des nachhaltigen Wirtschaftens sehr aktiv sind. Das Netzwerk „Nachhaltiges Wirtschaften für kleine und mittelständische Unternehmen“ wurde schon 2001 als von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) finanziell gefördertes Modellprojekt begonnen. Ziel ist es,

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vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der Einführung eines Umweltmanagementsystems zu unterstützen. So ist eines der bundesweit größten Nachhaltigkeitsnetzwerke von KMU entstanden - mit regelmäßigen Netzwerktreffen, das ein Selbstverständnis als „Elitenetzwerk“ Nachhaltiges Wirtschaften entwickelt hat (Servicestelle Kommunaler Klimaschutz im Difu 2012: 12ff.) Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Instrument „Ökoprofit“, mit dem Kommunen und örtliche Wirtschaft in Kooperation versuchen, Betriebskosten zu senken und dabei zugleich die natürlichen Ressourcen (u.a. Wasser, Energie) zu schonen. Eine Vielzahl von Kommunen setzt in Kooperation mit der örtlichen Wirtschaft auf dieses Instrument, darunter z.B. Graz, München, Hannover, Hamburg, Tübingen, Freiburg, Neumarkt/Opf.; in Nordrhein-Westfalen gibt es eine übergreifende Landesinitiative. Es gibt verschiedene „Null-Emissionsprojekte“ wie etwa das Zero-Emission Technologiezentrum der Mittelstandsinitiative Ahlen GmbH gemeinsam mit der Stadt Ahlen (IfaS 2008: 20 f.), das Zero-Emission Gewerbegebiet Kaiserslautern oder den Umweltcampus Birkenfeld. In Nordrhein-Westfalen finden sich verschiedene Modellprojekte ökologischer Gewerbegebiete, die mit dem Label „Eco Industrial Park“ versehen wurden (Hauff/Wolf 2009: 202). München hat ein sehr breites Spektrum an wirtschaftsbezogenen Nachhaltigkeitsinitiativen, mit dem Netzwerk BenE München e.V. – Bildung für nachhaltige Entwicklung, MOVA – Unterstützung der Migrantenökonomie bei Ausbildung und Qualifizierung, dem Phönix-Preis (Wirtschaftspreis für Migrantenunternehmen), Ökoprofit, Nachhaltiger Wasserwirtschaft, Projekten zum betrieblichen Mobilitätsmanagement, der Münchner Nachhaltigkeitskonferenz (veranstaltet vom Referat für Wirtschaft und Arbeit) und verschiedenen Corporate Social ResponsibilityAktivitäten. Nicht nur das Beispiel München zeigt, wie wichtig die Vorreiterrolle verantwortlich wirtschaftender kommunaler Unternehmen wie z.B. der Stadtwerke, der Wasserwerke oder der Wohnungswirtschaft ist. Ein Beispiel ist der „Enercity-Fonds proKlima“, der im Juni 1998 in Hannover als erster und in dieser Form bisher in Europa einzigartiger Klimaschutzfonds an den Start ging. Er ist ein Modell zur lokalen, freiwilligen und kooperativen Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. proKlima wird von den Städten Hannover, Hemmingen, Laatzen, Langenhagen, Ronnenberg und Seelze (zusammen proKlima-Fördergebiet) sowie der Stadtwerke Hannover AG (Enercity) finanziert. Enercity trägt den Großteil des jährlichen Fondsvolumens von rund fünf Millionen Euro. Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht nur ein Thema für große und wohlhabende Städte und Gemeinden. Dies zeigen Beispiele aus dem Bereich der nachhaltigen Beschaffung. So hat die Stadt Rheinstetten (20.000 Einwohner) eine Dienstanweisung nach der Produkte, die aus Dritte-Welt-Ländern importiert werden, aus fairem Handel bezogen werden müssen (Kaffee, Kakao, Blumen). Die „Rheinstettener Erklärung“ ist ein Grundsatzbeschluss – unterzeichnet von Akteuren aus Stadt, Politik, Wirtschaft, Vereinen, Kirchen und Schulen. (http://www.rheinstetten.de/mb280/RHE_ErklaerungEnglischeVersion_2005.pdf) Auch im Bereich von Umweltund Energiemanagementsystemen gibt es aktive kleinere Kommunen. So hat die Stadt Leutkirch (23.000 Einwohner) ein Öko-Audit-Team, bestehend aus Umweltmanagementbeauftragtem, Fachbeauftragten und weiteren kommunalen Ansprechpartnern, das ein Umweltmanagementsystem führt. 1998 hat die Stadt gemeinsam mit der Nachbarstadt Isny als

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erste deutsche Kommune das EMAS-Zertifikat für ihr kommunales Öko-Audit für Rathaus, Bauhof und Schulzentrum erhalten. Eine Ökobilanz dokumentier die durch die Verwaltung verursachten Umweltauswirkungen (http://www.nachhaltige-stadt-leutkirch.de)

Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaften in der Stadt 1. Akteure

Die Europäische Union (EU) (besonders DG Umwelt, DG Wettbewerb, DG Regionalpolitik, DG Energie) setzt zunehmend Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften. Mit der Strategie „Europa 2020“ hat die Europäische Union einen neuen „Fahrplan“ formuliert, um sich mit den zentralen gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen auseinanderzusetzen. „Europa 2020“ basiert auf drei sich gegenseitig verstärkenden Prioritäten. Sie umfassen die Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft, die Förderung einer ressourcenschonenden, ökologischeren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft sowie die Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und ausgeprägtem sozialem und territorialem Zusammenhalt. Im Mittelpunkt steht ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Damit gewinnt das Thema der Nachhaltigkeit – verknüpft mit Fragen des wirtschaftlichen Wachstums – auf europäischer Ebene deutlich an Bedeutung (Europäische Kommission 2010). Die Bundesebene, vor allem die Ministerien BMWi, BMU, BMVBS, aber auch das BMF und BMAS setzen ebenfalls Rahmenbedingungen. Für die Kommunen ist vor allem das BMVBS über Förderprogramme mit starkem stadtentwicklungspolitischem Bezug (teilweise auch explizitem Bezug auf Nachhaltigkeit) ein wichtiges Ministerium (Hollbach-Grömig/ Floeting 2009; Hollbach-Grömig et al. 2012). Das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens spielt darin jedoch höchstens indirekt eine Rolle (z.B. Maßnahmen des energetischen Bauens und der energetischen Sanierung, städtebaulicher Denkmalschutz, Stadtumbau). Ähnliches gilt für Programme des BMU, die inzwischen u.a. sehr intensiv Maßnahmen im Bereich des kommunalen Klimaschutzes fördern (vgl. vor allem Programme i.R. der Klimaschutzinitiative). Der Bund ist überdies für die Umsetzung von Vorgaben und Direktiven der EU (z.B. Richtlinien) verantwortlich, steuert durch steuerpolitische Instrumente und Normsetzung wirtschaftliche Prozesse und tritt als Nachfrager durch öffentliche Beschaffung auf. Die Länder sind als Normensetzer (auch Umsetzung von Vorgaben und Direktiven der EU), als Geber von Fördermitteln

Quelle: Eigene Darstellung des Deutschen Instituts für Urbanistik.

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(z.B. Ökoprofit, Umweltpartnerschaften, Innovationsmanagement), im Zusammenhang mit Zuweisungen an die Kommunen und als Nachfrager durch öffentliche Beschaffung ebenfalls wichtiger Akteur. Kommunen sind das „letzte Glied“ in einer (hierarchisch aufgebauten) Kette von dem staatlichen Bereich zugehörigen Institutionen und Akteuren. Ihre Handlungsmöglichkeiten spielen sich damit vor der Folie der staatlich und überstaatlich gesetzten Rahmenbedingungen ab. Damit geht es in der Mehrzahl der Fälle eher um kleinere Ansätze als um den „großen Wurf“. Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung sind nur in geringem Umfang durch Normensetzung (z.B. Verordnungen, Satzungen, in der Umsetzung von Rechtsnormen und im z.B. im Genehmigungsbereich) sowie bei den relevanten Steuern und Gebühren (z.B. Hebesätze) in der Lage, das Thema „Nachhaltige Wirtschaft in der Stadt“ zu forcieren. Sie haben jedoch – wie schon beschrieben – ein breites Spektrum an Möglichkeiten, das Leitbild einer nachhaltigen Wirtschaft in der Stadt voranzubringen. Neben der Wirtschaftsförderung sind auch andere Ressorts aktiv und gefordert (u.a. Reutter 2007b; Hollbach-Grömig 1999: 155ff). Auch wenn es keine neue Erkenntnis ist: Auch auf kommunaler Ebene ist entscheidend, dass engagierte Politiker und Verwaltungsmitarbeiter das Thema vorantreiben. Gute Beispiele machen die Möglichkeiten, die sich aus nachhaltigem Wirtschaften ergeben, anschaulicher. Dabei gilt auch für die kommunale Ebene, dass die erfolgreiche Förderung von Innovationen in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft vor Ort eine langfristige Perspektive benötigt. Lokale und regionale Unternehmen sind die eigentlichen Akteure nachhaltigen Wirtschaftens in der Stadt. Unabhängig von kommunalen Bestrebungen, das Thema zu forcieren, erkennen immer mehr Unternehmen die Wichtigkeit ökologisch angepasster Produktionsweisen, lassen sich auditieren oder durchlaufen den Prozess des Öko-Profit. Somit avancierten sie in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Zielgruppe und zugleich zu engagierten Akteuren in kommunalen Nachhaltigkeitsprozessen. Wünschenswert wäre eine stärkere Zusammenarbeit von Unternehmen in regionalen und ressourcenschonenden Wertschöpfungsketten. Gleiches gilt für eine noch stärkere Einbindung von Unternehmen der Green Economy in die lokale Unternehmenslandschaft, um so ihre Kompetenz zu nutzen und durch ihr Beispiel ein größeres Interesse an nachhaltigem Wirtschaften zu erzeugen. In Unternehmen wird Nachhaltigkeit heute oft umfassender verstanden als noch vor einigen Jahren. Nicht selten sind Umweltthemen im Themenfeld nachhaltiges Wirtschaften oder CSR aufgegangen. In der Regel sind Unternehmen besonders aktiv, wenn das Thema von engagierten Personen in der Unternehmensspitze vorangetrieben wird. Zu den Unternehmen gehören auch kommunale Unternehmen (z.B. Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften) in privater Rechtsform, die im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gefordert sind. Vorreiter-Unternehmen verbessern nach eigenen Aussagen ihre Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie sich offensiv zu einer nachhaltigen Unternehmenspolitik bekennen. Transparenz über die Nachhaltigkeitsleistungen steigert die Akzeptanz in der kommunalen Politik und bei den Bürgerinnen und Bürgern (Grabow u.a. 2011: 13 ff). Unternehmen, die sich entsprechend engagieren, geben in ihrer Unternehmensphilosophie der langfristigen „Stakeholder-Orientierung“ gegenüber der kurzfristigen „Shareholder-Orientierung“ größeres Gewicht. Sie erwirtschaften damit eine höhere „Stadtrendite“, mit der über die reine finanzwirtschaftliche Rechnung hinaus

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auch der gesamtgesellschaftliche Beitrag eines kommunalen Unternehmens für die Kommune monetär bewertet wird (u.a. Schwalbach 2006; Grabow/Schneider 2011). Auch Industrie- und Handelskammern und Unternehmensverbände sind in verschiedenen Kommunen und Regionen immer wieder wichtige Partner, um das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens zu unterstützen. Allerdings agieren sie teilweise ambivalent und nehmen bei Zielkonflikten als Lobbyisten eher eine ökonomische Interessenperspektive als die Nachhaltigkeitsperspektive ein. Es gibt Ausnahmen wie etwa den Bundesverband der grünen Wirtschaft. Wichtige bundesweite Netzwerke sind beispielsweise B.A.U.M. e.V, future e.V. oder CSR Germany. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielen können Akteure aus der Wissenschaft und Hochschulen in der Stadt und Region. Schließlich sind die Bürgerinnen und Bürger wichtige Protagonisten des Themas, die als Arbeitskräfte, als Nachfrager von Produkten, durch ihr Wohn- und Mobilitätsverhalten und durch ihr bürgerschaftliches Engagement den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft in der Stadt mit betreiben können. Noch ist allerdings nur eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen in dieser Hinsicht aktiv. „Die sozialökonomischen Faktoren (Eigennutzstreben, falsche Preissignale usw.), die das menschliche Verhalten zu einem großen Teil bestimmen, sind sehr stark“ (Rogall 2004: 78). Grundsätzlich ist die Entwicklung zu einer nachhaltigen Wirtschaft in der Stadt nur durch das Zusammenwirken verschiedener Akteure möglich, die sich in ihren jeweiligen Interessen und Handlungsorientierungen, Funktionen und Rollen erheblich unterscheiden (vgl. am Beispiel „Flächensparen“ BBR 2004; Grabow u.a. 2010: 10f) 2. Kooperations- und Koordinationserfordernisse Nachhaltige Wirtschaftspolitik erfordert die Koordination und Kooperation von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen (z.B. aus der Wirtschafts-, Fiskal-, Energie-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik). Dies gilt für alle Ebenen (EU, Bund, Länder, Kommunen). Die horizontale Koordination und Kooperation zwischen den Ressorts ist ebenso wichtig wie die Kooperation zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor (Netzwerke). Genauso wichtig ist die vertikale Koordination und Kooperation zwischen den Ebenen. Länder, Bund und EU sind in ihren Eigenschaften als Rahmen- und Normensetzer sowie Förderinstitutionen wichtige Akteure und Partner für Kommunen. Es gibt zahlreiche Beispiele für die Koordination und Kooperation zwischen den Ressorts im Rahmen von Bundesprogrammen und Initiativen – auch über unterschiedliche Politikebenen hinweg. Dies kann aber nicht überdecken, dass insgesamt die Kooperation zwischen den Ressorts – nicht nur auf Bundesebene – stark verbesserungsbedürftig ist (Hollbach-Grömig/Floeting 2009, Hollbach-Grömig et al. 2012). Auf der kommunalen Ebene sind es in der Regel vor allem die Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsreferate, die neben den kommunalen Unternehmen wichtige Akteure im Themenfeld sind. Die spezifischen Kompetenzen der unterschiedlichen Ressorts sollten genutzt werden und daraus eine Aufgabenteilung zwischen Umweltressorts- und Wirtschaftsförderung entwickelt werden. Bei Projekten klappt die Zusammenarbeit in der Regel gut, es gibt aber immer auch Zielkonflikte, die stärker noch als auf Bundesebene durch unterschiedliche politische Zugehörigkeit der Ressorts zu Parteien bzw. Fraktionen geprägt sind.

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Die Ebenen übergreifende Kooperation ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich ausgeprägt. In aktiven Städten klappt die Zusammenarbeit mit Land und/oder Bundeseinrichtungen meist sehr gut. „Auf der Ebene der Region können auch die verschiedenen Institutionen und Vertretungen der Länder, Städte und Gemeinden ihren Beitrag zur Förderung der Netzwerkbildung aller Interessengruppen der Wirtschaft leisten. Ihnen kommt in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung zu, ihr Engagement sollte durch die Bundesregierung gefördert werden.“ (BMAS 2010: 16) 3. Treiber und Bremser einer nachhaltigen Wirtschaft in der Stadt Das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens muss von der politischen Spitze (mit)getragen und im politischen Raum offensiv präsentiert und vertreten werden. Die Politik bestimmt den Handlungsrahmen einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik, die Verwaltung muss für die Formulierung der Ziele eines nachhaltigen Wirtschaftens und – einen Schritt weiter – für die Implementierung einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik Unterstützung von der politischen Führung fordern. Voraussetzung dafür sind eine Interessenkongruenz und das Erwarten gemeinsamer Nutzeneffekte aus der Verbindung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen. Auf der kommunalen Ebene sind es bisher einzelne engagierte Oberbürgermeister, Dezernenten oder Geschäftsführer von kommunalen Unternehmen, die das Thema vorantreiben. Sie finden Unterstützung vor Ort durch Lokale Agenda-Akteure, Unternehmen mit fortschrittlichen Ideen und teilweise auch von Interessenverbänden. Starke Bremser können international tätige Unternehmen im Subventionswettlauf sein, die sich die „Erpressbarkeit“ von Städten und Regionen zu Nutzen machen sowie unternehmerische Akteure, die ausschließlich unter kurzfristigen Effizienz- und Gewinnkriterien handeln. Deutliche Opposition kommt ebenfalls regelmäßig von einzelnen Unternehmen oder Unternehmensverbänden, die durch bestimmte Maßnahmen besonders betroffen sind (z.B. große Energieverbraucher, große Energieversorger). Interessensverbände wie etwa der ADAC oder der Verband der Automobilindustrie befördern zwar durchaus bestimmte Innovationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, können sich aber als durchsetzungskräftige Opponenten erweisen, wenn es etwa um grundsätzliche Fragen neuer nachhaltiger Mobilitätskonzepte geht, die mit Restriktionen verbunden sind oder die verursachungsgerechte Umlegung von Kosten geht. Schließlich sind die Verbraucher durch ihr faktisches Verhalten im Kontrast zu der in Befragungen dokumentierten Problemwahrnehmung zu häufig noch starke Bremser einer nachhaltigen Wirtschaft in der Stadt („Schnäppchenmentalität“). Zielkonflikte gibt es vor allem in der kurzfristigen Betrachtungsweise. Viele Investitionen in nachhaltigeres Wirtschaften rechnen sich erst mittel- bis langfristig. Teilweise sind die Nutznießer von entsprechenden Investitionen zudem nicht diejenigen, die die Kosten tragen müssen (gilt beispielsweise für bestimmte Vorleistungen der öffentlichen Hand). Zielkonflikte ergeben sich oft für einzelne Unternehmen. Beispielsweise ist bei Gewerbegebieten eine niedrige Geschossflächenzahl für einfaches Gewerbe im Sinne optimaler Produktionsbedingungen wünschenswert. Dem steht der Bedarf nach flächensparender Produktion entgegen. Ähnlich kann eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs bei Büroflächen durch Verdichtung mit verschlechterten Arbeitsbedingungen einhergehen.

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Perspektiven Nachhaltige Wirtschaftspolitik ist immer noch vor allem ein „Schönwetterthema“ oder anders formuliert: Sie leidet immer noch an einer gewissen Konjunkturanfälligkeit und Abhängigkeit von der jeweiligen Wirtschaftslage. Gegenwärtig bekommt das Thema durch veränderte Rahmenbedingungen (u.a. Klimawandel/-anpassung, Ressourcenknappheit, Fachkräftemangel, Energiewende, Finanzkrise) neue fördernde Impulse und rückt wieder stärker ins Blickfeld. Festzustellen ist auch, dass das Bewusstsein für das Thema und die Einsicht in die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise über die vergangenen Jahre gewachsen sind. Dazu haben nicht unerheblich die Anregungen aus einer Fülle von „guten Beispielen“, die in den vergangenen ca. 20 Jahren

erarbeitet wurden, beigetragen. Dies gilt auf Unternehmensebene ebenso wie auf der kommunalen und regionalen Ebene. Für die weitere Arbeit ist es wichtig, dass Thema aus der nach wie vor feststellbaren „Zyklizität“ in eine „Kontinuität“ zu überführen. Dazu sind Rahmenbedingungen durch Bund und Länder erforderlich, die diese Entwicklung erleichtern und kommunale Handlungsspielräume z.B. finanziell, aber auch im Hinblick auf Spielräume für Experimente und Pilotprojekte in der kommunalen Praxis erweitern. Kooperation, Vernetzung und Beteiligung sind Schlüsselfaktoren. Über Pilotprojekte, Experimente und eine intensive Kooperation der verschiedensten Akteure auf kommunaler und regionaler Ebene können die Beteiligten ein erhebliches innovatives Potenzial ausbauen, das wirtschafts-, beschäftigungs- und umweltpolitisch wirken kann.

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kommunale Finanzpolitik für eine intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 15-29. Hauff, Michael von, Veronika Wolf 2009: Vom Zero Emission Park zum nachhaltigen Industrie-/Gewerbegebiet, in: von Hauff/Tarkan (Hg.): Nachhaltige kommunale Finanzpolitik für eine intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 193-211. Henckel, Dietrich, Matthias Eberling, Busso Grabow 1999: Zukunft der Arbeit in der Stadt, Stuttgart. Hogenmüller, Daniel 2007: Umweltfreundliche Beschaffung in der kommunalen Praxis, in: Die Gemeinde, Stuttgart: Gemeindetag Baden-Württemberg; 130 (2007); Nr. 10; S. 379-383; Hollbach-Grömig, Beate 1999: Ökologisch orientierte Wirtschaftspolitik – ein neues kommunales Handlungsfeld, Berlin (Difu-Beiträge zur Stadtforschung, Bd. 29). Hollbach-Grömig, Beate/ Holger Floeting 2009: Der Beitrag des Bundes zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Online verfügbar unter http://www.bbsr.bund. de/cln_016/nn_21944/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BBSROnline/2009/ ON352009.html. Letzter Besuch der Seite am 23.02.2010. Institut für angewandtes Stoffstrommanagement IfaS (Hrsg.) 2008: Neue Wege in eine nachhaltige Industriegesellschaft. Null-Emissons-Netzwerk, Birkenfeld. Reutter, Oscar (Hrsg.) 2007a: Ressourceneffizienz – Der neue Reichtum der Städte. Impulse für eine zukunftsfähige Kommune, München. Reutter, Oscar 2007b: Kommunale Förderung des ressouceneffizienten Wirtschaftens, in: Ressourceneffizienz – Der neue Reichtum der Städte. Impulse für eine zukunftsfähige Kommune, S. 69-85. Schwalbach, J.; Schwenk, A.; Smuda, D.: Stadtrendite – der Wert eines Unternehmens für die Stadt, in: Forum Wohnen und Stadtentwicklung, Verbandszeitschrift des vhw, H.6/2006, S. 381-386. Servicestelle Kommunaler Klimaschutz im Difu (Hrsg.) (2012): Praktische Ansätze der Kommunen zur Förderung nachhaltigen Wirtschaftens, Köln. Umweltbundesamt (UBA) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) 2008: Instrumente zur Förderung von Umweltinnovationen. Bestandsaufnahme, Bewertung und Defizitanalyse, Dessau/Berlin, März 2008.

Kindergärten in Partnerschaften bauen und betreiben Von Bernward Kulle – Mitglied des Vorstands, ÖPP Deutschland AG, Berlin Krippenlücke, Krippengipfel, Zehn-Punkte-Plan – rund um den Ausbau des Betreuungsangebotes für unter 3-jährige Kinder wird es eng für Bund, Länder und Kommunen. Ab 2013 steht Eltern für ihre 1- bis 3-jährigen Kinder ein Betreuungsanspruch zu. Ob hierfür genügend Plätze zur Verfügung stehen und wie diese mithilfe von Öffentlich-Privaten Partnerschaften geschaffen werden können, beschreibt dieser Beitrag.

Die Vereinbarung „Heute ist ein besonderer Tag für die jungen Eltern und Familien in Deutschland“, sagte die ehemalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen nach dem abschließenden Bund-Länder-Gespräch zum Ausbau der Kinderbetreuung im August 2007 in Berlin. „Nach nur sieben Monaten haben sich Bund und Länder über die Finanzierung der Kinderbetreuung geeinigt. Deutschland schafft damit den Anschluss an die familienpolitisch erfolgreichen Länder in Nord- und Westeuropa.“1

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Bund und Länder haben darauf hin im Oktober 2007 die Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet. Zusammen gefasst sieht die gemeinsame Zielvereinbarung im Einzelnen vor2: – Die Kindertagesbetreuung (Kindertagesstätten) wird, ausgerichtet an einem bundesweit durchschnittlichen Bedarf, für 35 % der Kinder unter drei Jahren bis 2013 ausgebaut, d. h. ca. 750.000 Plätze werden geschaffen. – Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung in der Ausbauphase bis 2013 mit insgesamt 4 Mrd. Euro. Anschließend – ab 2014 – wird sich der Bund laufend mit 770 Mio. Euro p. a. an der Finanzierung der durch den Ausbau entstehenden zusätzlichen Betriebskosten, die über die Marge des Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) hinausgehen, beteiligen. Die Länder werden ebenfalls finanzielle Voraussetzungen dafür schaffen, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden. – Die Länder stimmen der bundesweiten Einführung eines Rechtsanspruches auf ein Betreuungsangebot für alle Kinder vom vollendeten 1. bis zum 3. Lebensjahr mit Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 zu.

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Das „Jahr des Kita-Ausbaus“ 2012/2013 In Anbetracht der relativ geringen Bedarfsdeckung in den meisten Bundesländern besteht ein erheblicher politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Druck zur Schaffung weiterer Betreuungsplätze im Bereich von Kindertagesstätten. Die Schaffung eines familienfreundlichen Umfeldes ist zudem ein wichtiger Standortfaktor für Kommunen. Durch die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Betreuungsplätzen für Kinder unter 3 Jahren aber auch für 3- bis 6-jährige kann der demographischen Entwicklung tendenziell und lokal entgegengewirkt werden. Das steigert die Attraktivität der Kommunen für Familien mit Kindern. Nachdem im Mai 2012 der dritte Evaluationsbericht zum Stand des Ausbaus der Kindertagesbetreuung3 vorgestellt wurde, stellte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kristina Schröder, am 30.Mai 2012 einen 10-Punkte-Plan zur Beschleunigung der Ausbaubemühungen vor. „Das vor uns liegende Jahr muss zum Jahr des KitaAusbaus werden“, sagte Schröder. Hintergrund ist der zwar deutliche, aber noch nicht ausreichende Ausbau der Betreuungsangebote, der sich gegenüber den Vorjahren leicht abschwächte. Im Zeitraum vom Mai 2012 bis zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf die Kindertagesbetreuung müssen nach Berechnungen des BMFSJ und des Statistischen Bundesamtes etwa 133.000 bis 160.000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden. Der Betreuungsstand des Jahres 2011 ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung 2: Kinder im Alter von unter 3 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege 2010 und 2011 nach Bundesländern (in Prozent an der altersgleichen Bevölkerung) Quelle: Dritter Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes5

Eltern Kitaplätze anbieten Der weitere Ausbau des Kinderbetreuungsangebots kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Die ÖPP Deutschland AG hat in der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) beauftragten Grundlagenarbeit „Öffentlich-Private Partnerschaften im Bereich von Kindergärten und Kindertagesstätten“ die bisher umgesetzten Möglichkeiten untersucht und deren Erfolgsfaktoren dargestellt. Die meisten Baumaßnahmen für Kindertagesstätten werden nach wie vor als kommunale Eigenrealisierung durchgeführt. Die nach Baugewerken getrennten Einzelausschreibungen auf der Grundlage von Leistungsbeschreibungen und Leistungsverzeichnissen führen regelmäßig zu einer Umsetzung des Projekts mit einer Vielzahl von Vertragspartnern. Die öffentliche Hand (oder ein hierfür beauftragter externer Berater) übernimmt das Projektmanagement und muss die Schnittstellen überwachen. Die sogenannten Lebensphasen eines Projektes: Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung werden hierbei getrennt. Es ist nicht möglich, aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung des Bauprojektes Einsparungen bzw. Effizienzpotenziale6 zu erzielen.

Quelle: Dritter Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes4

Wenn die Kommunen nicht selbst in Baumaßnahmen aktiv werden, können sie freie Träger für die Bereitstellung von Kitaplätzen einbeziehen. Mit der so geschaffenen Vielfalt wird dem Leistungsberechtigten die Möglichkeit geben, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Anbieter und damit zwischen unterschiedlichen Konzepten, Wertorientierungen, Methoden und Arbeitsformen zu wählen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz regelt in den §§ 3 und 4 SGB VIII für den Leistungsbereich der Jugendhilfe ausdrücklich ein Nebeneinander bzw. Miteinander von freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe.

Dabei unterscheiden sich die Angebote auf Bundeslandebene zum Teil deutlich. Während alle ostdeutschen Bundesländer Betreuungsquoten weit oberhalb des vereinbarten Wertes aufweisen, haben die westdeutschen Bundesländer zum Teil sehr großen Handlungsbedarf. Über die höchsten Betreuungsquoten verfügten im Jahr 2011 die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die höchsten Steigerungen des Betreuungsangebotes seit 2006 weisen die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf.

Eine weitere Option bietet die Realisierung von Kitprojekten als Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP). In ÖPP-Projekten wird eine langfristige Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Auftraggeber und Privatwirtschaft vertraglich vereinbart. Diese bezieht sich auf die Planung, die Finanzierung, den Bau oder die Sanierung, den Betrieb und die Instandhaltung des Kitaobjektes. Diese sind bisher bereits sehr erfolgreich umgesetzt worden. Von allen ÖPP-Projekten in Deutschland sind im Bildungsbereich insgesamt 38 % der Projekte umgesetzt worden.

Abbildung 1: Kinder im Alter von unter 3 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege 2011 in Deutschland, West- und Ostdeutschland (ohne Berlin) (in Prozent an der altersgleichen Bevölkerung)

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Bei der Umsetzung eines ÖPP-Projektes können unterschiedliche Vertragsmodelle angewendet werden. Dabei hängt die Wahl des richtigen Vertragsmodells vor allem von den rechtlichen, steuerlichen und politischen Rahmenbedingungen ab. Die ÖPP-Vertragsmodelle unterscheiden sich im Wesentlichen in der Übertragung des Eigentums während der Vertragslaufzeit. Die Führung der Kita bzw. die inhaltliche Ausgestaltung des Kitaalltags bleibt jedoch, wie bei der konventionellen Lösung, immer in der Verantwortung der Kommune bzw. des durch die Kommune beauftragten Trägers.

zentrale Verantwortung eines privaten Partners zu übergeben, der für die gesamte Laufzeit des Vertrages für die ordnungsgemäße Bereitstellung der Gebäude und Anlagen inkl. deren Betriebs- und Instandhaltungsleistungen verantwortlich ist. In der Abbildung ist die Struktur eines Inhabermodells mit Forfaitierung grafisch dargestellt.

Erprobte ÖPP-Modelle im Kitabereich ÖPP-Modelle sind in Deutschland mittlerweile eine weit verbreitete Beschaffungsvariante, die als Alternative zur konventionellen Beschaffung genutzt wird. Im Gegensatz zur konventionellen Beschaffung werden durch den kommunalen Auftraggeber Leistungen und Qualitäten vorgegeben (OutputOrientierung), die nur bei Erfüllung durch den privaten Betreiber vergütet werden (Bonus-Malus-System). So können Entgeltabzüge für den Fall vereinbart werden, dass beispielsweise die Reparatur eines kaputten Fensters nicht in einer bestimmten Zeit erfolgt oder die Raumtemperatur im Winter nicht erreicht wird. Die Projektrisiken werden zwischen dem privaten und öffentlichen Partner nach ihrer Möglichkeit zur Beeinflussung verteilt. Das bedeutet z. B., dass der private Partner die Risiken trägt, die er wirtschaftlich steuern kann. Bei Projekten im Bereich der Kitas handelt es sich in der Regel um so genannte kleine ÖPPs mit einem vergleichsweise kleinen Investitionsvolumen, da die Vielfältigkeit der Trägerlandschaft häufig einer umfassenden regionalen Bündelung der Objekte im Rahmen einer Ausschreibung entgegensteht. Eine gemeinsame Ausschreibung und Realisierung der Projekte von freien Trägern mit Kommunen dürfte in Anbetracht unterschiedlicher Entscheidungsstrukturen, Betriebsführungsmodellen, organisatorischen Voraussetzungen und Krediteinstufungen nicht umsetzbar sein. Dies gilt auch für gemeinschaftliche Projekte freier Träger. Die Bündelung von Sanierungsprojekten in den jeweiligen Kommunen ist wegen des geringen Investitionsvolumens der einzelnen Objekte häufig wirtschaftlich nicht tragfähig. Die Beispiele in Halle a.d.S., Leverkusen und Münster haben jedoch gezeigt, dass die Bündelung von Neubaumaßnahmen in diesem Bereich, z. T. aber auch die Durchführung einzelner Neubaumaßnahmen bzw. die Kombination von Kindertagestätten mit schulischen Einrichtungen, wirtschaftlich vorteilhaft sein kann und eine Beschleunigung der Zielerreichung (Bedarfsdeckung) ermöglicht. Von den abgeschlossen Projekten wurden beispielsweise zwei als Kombination mit Grundschulen umgesetzt. 1. Inhabermodell Von den verschiedenen ÖPP-Vertragsmodellen kommt das Inhabermodell bundesweit mit Abstand am häufigsten zur Anwendung. Beim Inhabermodell ist die öffentliche Hand über die gesamte Vertragslaufzeit zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Objekts. Das Objekt (oder die Objekte) wird dem privaten Partner lediglich für die vereinbarten Planungs-, Bau-, Betriebs- und Instandhaltungsleistungen auf vertraglicher Basis überlassen. Hierfür wird dem privaten Partner über die gesamte Vertragslaufzeit ein Leistungsentgelt gezahlt. Ziel dieser Beschaffungsvariante ist es, sämtliche Leistungen über den Lebenszyklus eines Projektes in die einheitliche und

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Abbildung: Inhabermodell mit einer Forfaitierung7 Da die Investitionsvolumina in der Regel eine so genannte Projektfinanzierung8 nicht tragen (die hohen Transaktionsund Finanzierungskosten zehren die Effizienzvorteile auf), sind diese Modelle nur im Rahmen einer Forfaitierung, d.h. mit einem Einrede- und Einwendungsverzicht des öffentlichen Projektträgers gegenüber der finanzierenden Bank, marktkonform. Durch eine langfristige Bepreisung von Bau-, Instandhaltungs- und Betriebskosten und Risiken erhält die öffentliche Hand – wie auch bei anderen ÖPP-Modellen – eine entsprechende Planungs- und Kostensicherheit sowie weitgehende Kostentransparenz.

Fallbeispiel In der Stadt Halle (Saale) ist eines der ersten kommunalen ÖPP-Projekte im Bereich Kitas umgesetzt worden. Ziel der Stadt war es, trotz einer äußerst angespannten Haushaltssituation dringende und unabweisbare Investitionen an neun Schulen und vier Kitas innerhalb eines ÖPP-Projektes zu realisieren. Im Vergleich zur konventionellen Beschaffung konnten nach Maßgabe der abschließenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Effizienzvorteile bei Schulen von 19 % (ca. 44 Mio. Euro) und bei Kitas von 12 % (ca. 4 Mio. Euro) erzielt werden. Es erfolgte kein Eigentumsübergang (ÖPPInhabermodell). In die Finanzierung des Projekts wurden verschiedene Fördermittel eingebunden. Für den Bau der Schulen wurden Bundesmittel im Rahmen des IZBB in Höhe von 6,8 Mio. Euro genutzt; bei den investiven Maßnahmen im Bereich der Kitas wurden Fördermittel des Landes in Höhe von 2 Mio. Euro eingesetzt. Der Zuschlag für die Planung, die nachhaltige Sanierung bzw. den Neubau, die Finanzierung und Bewirtschaftung der Schulen über 25 Jahre wurde der Schulen Halle GmbH (Bilfinger Berger GmbH, Günter Papenburg AG) erteilt. Für das Kita-Projekt ist die Zuschlagserteilung an die Weisenburger Kita Halle GmbH erfolgt. Die Leistungserbringung und Wertschöpfung wird zu einem erheblichen Anteil (ca. 70 bis 80 %) in der Region erbracht. Es wird hier der Ansatz verfolgt, Kinderbetreuung und Bildung zu verknüpfen. Eingeschlossen sind integrative Einrichtungen für geistig und körperlich behinderte Kin-

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der. Die Bestandsgebäude stammten aus unterschiedlichen Bauepochen, vom Altbau bis hin zu Typenschulen in Plattenbauweise. Die Sanierungs- und Neubaumaßnahmen des ÖPP-Pilotprojekts „Schulen und Kindertagesstätten Halle (Saale)“ wurden im September 2009 mit der Übergabe von vier weiteren Schulen abgeschlossen. Damit befinden sich alle Schulen und Kindertageseinrichtungen des ÖPP-Projektes rd. 2 Jahre nach Baubeginn in der Betriebsphase. Aus dem 2004 verabschiedeten Kindertagesstättenausbaugesetzes (KTAG) resultiert ein hoher Bedarf an zusätzlichen Betreuungsplätzen und damit die Notwendigkeit für die Kommunen, zusätzliche Infrastruktur bereitzustellen. Die durch das Gesetz vorgesehene Förderung von 18.000 Euro pro Platz reicht im Allgemeinen dafür zwar aus, wird jedoch nur für Betreuungsplätze für Kinder von unter 3 Jahren gewährt. Durch den üblichen Mix von Kindergruppen im Alter von unter und über 3 Jahren in einer Kindertagesstätte entsteht eine Finanzierungslücke, die durch eine Finanzierung auf ÖPP-Basis geschlossen werden soll. Der Eigenbetrieb Kindertagesstätten der Stadt Halle ist seit 01.01.2006 der Träger der Kindertageseinrichtungen in Halle (Saale). Die vier Kindertagesstätten des ÖPP-Pilotprojektes wurden übergeben und in Betrieb genommen. Die zwei ersten Kindertagesstätten wurden bereits im Dezember 2007 an die Stadt Halle (Saale) übergeben. Die weiteren Kitas konnten im November 2008 bzw. im Dezember 2008 fertiggestellt werden. Innerhalb des Projektes konnten Standardmodule für den Neubau von Kindertagesstätten entwickelt werden, welche durch einen auf eine optimale Größe der Einrichtungen (Gruppengröße, Anzahl der Gruppen) angepassten Zuschnitt die Lebenszykluskosten je Betreuungsplatz minimieren. Die Vorteile des Inhabermodells mit Forfaitierung sind u.a. der umfangreiche Risikotransfer auf den privaten Partner, die lebenszyklusübergreifende Optimierung und die damit einhergehende Erschließung von Effizienzpotenzialen für die Kommune. Außerdem kann eine Beschleunigung der Planungs- und Bauphase erreicht werden. Darüber hinaus können trotz knapper Haushaltsmittel durch diese Beschaffungsvariante aufgrund von langfristigen Einsparungen und der Streckung von Investitionskosten Maßnahmen vorzeitig realisiert und durch eine Forfaitierung kommunalkreditähnliche Finanzierungskonditionen erreicht werden. Die Frage der Haushaltsverträglichkeit ist auch in diesem Zusammenhang intensiv zu prüfen. Das Inhabermodell bietet sich insbesondere an, wenn die Kommune über baureife Grundstücke verfügt, deren Veräußerung nicht in Betracht kommt und eine schnelle Realisierung angestrebt wird. Anders als bei der Übertragung der Aufgabenerfüllung auf freie Träger hat die Kommune eine deutlich höhere Kostentransparenz und Einflussmöglichkeiten auf die Betriebsführung und pädagogischen Konzepte. 2. Mietmodell Beim Mietmodell übernimmt der private Auftragnehmer Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb und Verwertung einer Immobilie. Das Mietmodell entspricht weitgehend dem Leasing, jedoch ohne Kaufoption mit zuvor festgelegtem Kaufpreis. Das Gebäude kann zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs – abhängig von der vereinbarten Endschaftsregelung – häufig zu

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dem von einem Gutachter ermittelten Verkehrswert erworben werden. Der öffentliche Auftraggeber zahlt vertraglich vereinbarte Raten an den Auftragnehmer; Bestandteile dieser Raten sind das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung („Miete“) und den Betrieb (Facility Management) sowie ggf. weiterer Dienstleistungen. Im Vergleich zum Inhabermodell ist beim Mietmodell unter bestimmten Voraussetzungen die Inanspruchnahme gewerbesteuerlicher Vorteile möglich (wenn der Tatbestand der Vermögensverwaltung erfüllt ist). Zudem fallen bei der öffentlichen Hand keine rechtlichen und wirtschaftlichen Verpflichtungen aus der Eigentümerstellung (z. B. Verkehrssicherungspflichten, Verwertung und Anschlussnutzung) an. Mietmodelle sind in Anbetracht der zu übertragenden Verwertungsrisiken auf den Privaten nicht unproblematisch. Da Projekte im Kitabereich wegen des kleinen bis mittleren Investitionsvolumens vor allem für mittelständische Unternehmen geeignet sind, besteht insoweit ein erhebliches Umsetzungshindernis. Eine wirtschaftlich sinnvolle Anschlussnutzung dürfte in Anbetracht der spezifischen Gestaltung der Objekte – ohne aufwändige Umbaumaßnahmen – schwierig sein. Der Grundstückserwerb bindet Kapital und stellt vor allem für mittelständische Unternehmen ein Teilnahmehindernis an der Ausschreibung dar. Mietmodelle sind aber denkbar im Verhältnis der Kommune zu der rechtlich eigenständigen kommunalen Gesellschaft, da der Gesellschafter „Stadt“ bzw. „Kommune“ an einer adäquaten Nachnutzung interessiert sein dürfte und im Übrigen kraft Weisungsbeschluss des Rates den Abschluss eines Mietvertrages vorgeben kann. Es handelt sich bei dieser Variante allerdings nicht um ein ÖPPMietmodell, da der Mietvertrag nicht mit dem ÖPP-Partner, sondern der Eigengesellschaft abgeschlossen wird. Diese bedient sich bei der Leistungserbringung ggf. eines ÖPPPartners und wird damit zum öffentlichen Auftraggeber für ein ÖPP-Modell. 3. Weitere ÖPP-Modelle Neben dem Inhaber- und Mietmodell existieren weitere Möglichkeiten zur Umsetzung von Kitaprojekten als Öffentlich-Private Partnerschaft. Dazu gehören das ÖPP-Erwerbermodell mit Forfaitierung, das ÖPP-Inhabermodell mit einer kommunalen (rechtsfähigen) Eigengesellschaft, die Kooperation mit freien Trägern sowie ÖPP-ähnliche Modelle. Diese werden in der genannten Marktuntersuchung zu ÖPPs im Kitasektor der ÖPP Deutschland AG ausführlich dargestellt. Am Beispiel der Kitas Leverkusen wird die Einbindung von kommunalen Eigengesellschaften in die Projektumsetzung deutlich. Die Kommune ist dabei Anteilseigner an einem Unternehmen, das rechtlich selbständig (häufig privatrechtliche Rechtsform als AG oder GmbH) organisiert ist und in die öffentliche Aufgabenerledigung eingebunden wird.

Fallbeispiel Der Stadt Leverkusen hat im Jahre 2009 beschlossen, Tageseinrichtungen für Kinder auszubauen, so dass bis zum Jahre 2013 die rechtlichen Vorgaben im Bereich der Betreuung von Kindern unter 3 Jahren umgesetzt sind. Zu diesem Zweck plant die Stadt Leverkusen neben der punktuellen Erweiterung verschiedener bestehender Tageseinrichtungen für Kinder den Neubau von 10 Kindertagesstätten im gesamten Stadtgebiet. Hierzu haben ein umfangreicher

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Standortvergleich und ein Auswahlprozess zu den potentiellen Standorten stattgefunden. Es wurden hierbei sowohl Aspekte der Bebaubarkeit und der Grundstücksverfügbarkeit als auch Bedarfs- und Demographieaspekte beurteilt und abgewogen. Das von der Landesregierung vorgegebene Musterraumprogramm sowie die fachlichen Empfehlungen und Vorgaben zur Kitagestaltung sollen vollumfänglich umgesetzt werden. Hierzu sind Objekte mit Kapazitäten von jeweils 60 / 90 / 120 Kindern geplant. Die Voruntersuchungen ergaben eine Auswahl von geeigneten Objekten. Um die Auswahl der wirtschaftlichsten und nachhaltigsten Umsetzungs- und Beschaffungsvariante sicherzustellen, wurden im Vorfeld neben der klassischen konventionellen Beschaffung durch die Stadt Leverkusen auch Modelle mit ÖPP-Ansätzen untersucht. Seit 2004 gelten in Leverkusen die Bestimmungen der vorläufigen Haushaltsführung (Nothaushalt). Die Stadt Leverkusen wirtschaftet daher im Rahmen des so genannten Nothaushaltsrechts, wonach die Stadt ausschließlich Aufwendungen entstehen lassen darf, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind. Die Stadt Leverkusen hat die Vorgabe der Kommunalaufsicht zu beachten, wonach zur weiteren Haushaltskonsolidierung neue Kredite für Investitionsmaßnahmen nur bis zu 2/3 des Finanzvolumens jährlich getilgter Altdarlehen aufgenommen werden dürfen.

Schnell und einfach Kita-Projekte planen und umsetzen Bei der Überlegung, welche der aufgezeigten Umsetzungsvarianten für ein geplantes Kitaprojekt die für die Kommune passende ist, kann eine Nutzwertanalyse helfen. Mit ihr

Die Stadt Leverkusen ist die Eigentümerin der Wohnungsgesellschaft Leverkusen GmbH (WGL). Die WGL ist das kommunale Wohnungs- und Infrastrukturunternehmen und hat neben verschiedenen Bau- und Infrastrukturtätigkeiten +bereits zwei Kitas im Stadtgebiet errichtet und vermietet diese an die Stadt. Gleichzeitig ist die WGL zur Erbringung von Facility Management-Leistungen verpflichtet. Die Stadt räumt der Gesellschaft langfristige Erbbau-/Nutzungsrechte an den benötigten städtischen Grundstücken ein. Die Investitionen werden von der WGL übernommen. Es handelt sich dabei nicht um ein kreditähnliches Rechtsgeschäft, sondern ein klassisches Mietverhältnis, so dass eine kommunalaufsichtsrechtliche Genehmigung nach dem einschlägigen Krediterlass grundsätzlich nicht erforderlich ist. Dieser Aspekt kann – neben prognostizierten Effizienzvorteilen – ein Motiv zur Wahl dieser Projektstruktur bilden. Im Rahmen einer konventionellen Realisierung wäre die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung in Anbetracht der engen Investitionsspielräume die aus Vorgaben der Kommunalaufsicht resultieren, nicht möglich. Das Kita-Projekt der ersten Tranche mit 4 Kitas wurde im Dezember 2011 beauftragt und soll im Dezember 2012 fertig gestellt werden. Die Baukosten je Kitaplatz konnten von 38 Mio. Euro (Preis für die konventionelle Umsetzung durch die Bauverwaltung im Jahr 2009) auf 27,4 Mio. Euro im unterzeichneten Vertrag (12-2011) gesenkt werden. Diese enorme Ersparnis von über 10 Mio. Euro je Kitaplatz kommt der Kommune und den Steuerzahlern zugute. können die Umsetzungsmöglichkeiten qualitativ bewertet werden. Diese Bewertung ergänzt die quantitative Einschätzung im Rahmen einer vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Damit kann bereits im Vorfeld geklärt werden, auf welche Art und Weise die definierten Ziele am ehesten erreicht werden können.

Ziele Kommunaler Freie ÖPP- ÖPP- ÖPP- ÖPP- Modelle Eigenbau Träger ähnliches Inhaber- Erwerber Mietmodell mit ÖPP Modell mit model modell Ansätzen freien Trägern Effizienzvorteile über den Lebenszyklus

-- - + ++ ++ ++ +

Wirtschaftliche Anreize zur Optimierung

-- - ++ ++ ++ ++ +

Kostentransparenz

+ - - ++ ++ ++ +

Beschleunigung des Vorhabens

-- ++ + ++ + ++ +

Ökonomisch sinnvolle Risikoübertragung

-- - ++ ++ ++ ++ +

Geringe Transaktionskosten

++ + -- -- -- -- --

Reduzierung der Schnittstellen Einbindung von Fördermitteln

- - + ++ ++ ++ ++ ++ + + + + +

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Ziele Kommunaler Freie ÖPP- ÖPP- ÖPP- ÖPP- Modelle Eigenbau Träger ähnliches Inhaber- Erwerber Mietmodell mit ÖPP Modell mit model modell Ansätzen freien Trägern Geringe Finanzierungskosten Geringere Personalkosten

++ + - + - - ++ - ++ ++ + + + +

Genehmigungsfreiheit ohne die Einbindung der Kommunalaufsicht -- - -- -- -- ++ -Langfristig gesicherte Bedarfsdeckung

+ - - ++ ++ ++ ++

Sichern der Trägervielfalt

- ++ ++ - - - -

Flexibilität

+ + + - - - -

Übertragung der Risiken aus der Planungsphase

- + ++ ++ ++ ++ +

Übertragung der Risiken aus der Bauphase

- + ++ ++ ++ ++ +

Übertragung des Finanzierungsrisikos (Zinsänderungsrisikos) -- + ++ ++ ++ ++ Übertragung der Risiken aus der Betriebs -und Instandhaltungsphase

-- + ++ ++ ++ ++ ++

Steuerliche Vorteile

-- - -- -- -- ++ --

Legende: ++ weitestgehend erreichbar + teilweise erreichbar - schwer erreichbar -- nicht erreichbar Tabelle: Nutzwertanalyse zur Modellauswahl Sollte ein ÖPP-Modell (oder ein ÖPP-ähnliches Modell) nach der Nutzwertanalyse präferiert werden, ist ein ÖPPEignungstest durchzuführen. Die Eignungskriterien sind dem nachfolgenden Raster zu entnehmen und finden auf ÖPPUmsetzungen durch die Kommune, einen freien Träger oder eine rechtsfähige kommunale Eigengesellschaften in gleicher Weise Anwendung. Diese Prüfung kann nur eine erste Einschätzung liefern, die quantitativ durch eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unterlegt werden muss. Ist eines der Ausschlusskriterien, wie z. B. das Investitionsvolumen größer 2 Mio. Euro, nicht erfüllt, kommt eine ÖPP-Realisierung nicht in Betracht. Sind Kriterien von hoher Relevanz nicht erfüllt, ist eine Einzelfallprüfung im Rahmen einer Machbarkeitsuntersuchung erforderlich, um festzustellen, ob eine grundsätzliche ÖPP-Eignung gegeben ist oder ob es keinen bzw. nur geringen Spielraum für Effizienzvorteile gibt. Weiterhin kann die grundsätzliche Förderfähigkeit von ÖPPProjekten durch KfW-Kommunalkredite geprüft werden. Vor allem für das Inhabermodell, bei dem die Kommune der Eigentümer des Objektes ist, können diese angewendet werden.

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Jetzt die Hindernisse für mehr Betreuungsangebote aus dem Weg räumen Für den schleppenden Anstieg der Betreuungsquote nennen Bund, Länder und Kommune verschiedene Gründe. Der Bund bemängelt die zugesagte aber fehlende Mittelbereitstellung einiger Länder zur Mitfinanzierung und einen zu schleppenden Abruf der Bundesmittel anderer Länder. Die Kommunen und die freien Träger klagen über ein nicht ausreichendes Angebot an geeigneten Immobilien oder Grundstücken, an fehlenden eigenen Investitionsmitteln sowie nicht ausreichenden Personalressourcen in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Seitens der Industrie werden vor allem Hemmnisse bei der Einbeziehung von Fördermitteln sowie eine zu kleine Projektgröße als hinderlich – vor allem für die Umsetzung im Rahmen eines ÖPP-Projektes – angesehen. Mit der Umsetzung von Projekten als ÖPP kann es gelingen, dieses Spannungsfeld aufzulösen und mit einer Partnerschaft zwischen Öffentlicher Hand und Privatwirtschaft eine langfristige Bereitstellung der Räume und Dienstleistungen rund um die Kita nachhaltig und effizient zu gewährleisten. Hierbei gilt es, den bestmöglichen Lösungsansatz für die entsprechende Kommune zu finden. In den ÖPP-Kita-Projekten haben die öffentlichen Projektträger sehr gute Erfahrungen gesammelt.

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Prüfkriterien

ÖPP- ÖPP- ÖPPInhabermodell Mietmodell Erwerbermodell

Investitionsvolumen ( > 2 Mio. Euro)

++

++

++

Betriebsvolumen (> 80.000 Euro)

+

+

+

Lebenszyklusmodell

++ ++ ++

Private Finanzierung

+ + +

Funktionale /outputbasierte Leistungsbeschreibung

+

Haushaltsverträglichkeit

++ ++ ++

Nachhaltiger Bedarf

++ ++ ++

Ausreichende politische Unterstützung

++

++

++

Entgegenstehende vertragliche Bindungen

+

+

+

Vereinbarkeit mit Förderrichtlinien und -programmen

+

++

++

Verfügbarkeit eines baureifen Grundstücks

++

+

+

Marktkonforme Risikostruktur

++ ++ ++

Anreizorientierte Vergütung

+ + +

+

+

Legende: + hohe Relevanz ++ Ausschlusskriterium Tabelle: Entscheidungsmatrix zur Auswahl des geeigneten ÖPP-Modells Neben der Erzielung von Effizienzpotenzialen durch die Bündelung von Aufgaben wurden nachhaltige, mit wirtschaftlichen Anreizen versehene Bewirtschaftungskonzepte für die Kitas umgesetzt. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Sanierungs- und Bauvorhaben sehr zügig umgesetzt wurden und damit einen wesentlichen Beitrag leisten konnten, die ambitionierten Ausbauziele der Anzahl von Kitaplätzen auch kurzfristig zu erreichen. Dazu kommt, dass bei den Projekten nachhaltige Architekturkonzepte entwickelt wurden. Dies ist insbesondere auf die frühe Zusammenarbeit der unterschiedlichen Bereiche Planung, Bau und Betrieb zurückzuführen, aber auch auf die Innovationskraft, die ein privater Auftragnehmer in ein ÖPP-Verfahren einbringen kann. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen bietet es sich für öffentliche Auftraggeber an, für den Kita-Ausbau zukünftig auch die Umsetzung von ÖPP-Modellen in Betracht zu ziehen.

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Anmerkungen: 1 Vgl.: Pressemittteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Archiv/16legislatur,did=100442.html, 28.08.2007 2 Vgl.: Beschluss / Vereinbarung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Betreuungsausbau 28.8.2007, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 28.08.2007 3 Vgl.: Dritter Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, BMFSJ, Mai 2012 4 Vgl.: Dritter Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, BMFSJ, Mai 2012 5 Vgl.: Dritter Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, BMFSJ, Mai 2012 6 Die Effizienzvorteile der PPP-Projekte stellen Gesamtkostenvorteile der PPPVariante gegenüber der konventionellen Variante dar. 7 Eigene Darstellung 8 Darunter versteht man die Finanzierung einer wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Projektgesellschaft, die zur Planung, Errichtung, Finanzierung und Betreibung eines speziellen, abgrenzbaren Vorhabens gegründet wird. Das Ziel besteht darin, nach einer gewissen Anlaufphase den Kapitaldienst aus der eigenen Cash Flow heraus zu erwirtschaften.

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– Sparkassen und Innovationen – Zahlungsverkehr wird europäisch Von Carl-Ludwig Thiele – Vorstand der Deutschen Bundesbank, Frankfurt Das Euro-Bargeld gehört in Europa seit mehr als zehn Jahren zum Alltag. Bei unbaren Zahlungen aber lässt der europäische Binnenmarkt noch auf sich warten. Nun ist der entscheidende Durchbruch erreicht: SEPA („Single Euro Payments Area“) wird Wirklichkeit. Die nationalen Verfahren für Überweisungen und Lastschriften dürfen nur noch bis Februar 2014 angeboten werden. Die „Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009“ ist Ende März dieses Jahres in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat ihren Entwurf für ein SEPA-Begleitgesetz vorgelegt, der am 28. Juni im Deutschen Bundestag in erster Lesung beraten wurde. Damit sind die Weichen für den europäischen Binnenmarkt im unbaren Zahlungsverkehr gestellt. Die Deutsche Bundesbank setzt sich für einen möglichst reibungslosen und verbraucherfreundlichen Umstieg ein.

EU-Verordnung setzt den Rahmen Mit Inkrafttreten der SEPA-Verordnung dürfen alle Zahlungsdienstleiter im Euro-Raum ab dem 1. Februar 2014 nur noch Überweisungen und Lastschriften anbieten, die nach den in der Verordnung festgelegten gemeinsamen europäischen Regeln abgewickelt und grenzüberschreitend genutzt werden können. Damit wird der Zahlungsverkehr in Europa nicht komplizierter, wie einige befürchten, sondern einfacher und effizienter. Preisunterschiede von durchschnittlich 250 Euro im Jahr in einigen EU-Ländern gegenüber 30 Euro pro Jahr in anderen Ländern für die Nutzung eines Girokontos, dürften bald der Vergangenheit angehören. Die öffentliche Diskussion in Deutschland als einem Land mit einem sehr effizienten nationalen Zahlungsverkehr wurde lange Zeit durch Vorbehalte gegen SEPA beherrscht. Diese stellten aber vor allem auf die Probleme bei der Umstellung ab, und zweifelten weniger an der Zielsetzung. Doch mit der Ausgestaltung der SEPA-Verordnung konnten diese Hindernisse auf dem Weg zu SEPA entweder ganz ausgeräumt oder zumindest abgebaut werden. Für die notwendige Kooperation bei der Lösung der noch verbleibenden Schwierigkeiten

Abbildung 1: Euro-Indikator SEPA-Überweisung

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sorgt der SEPA-Rat, in dem unter dem Vorsitz von Bundesbank und Bundesministerium der Finanzen die Vertreter der Angebotsseite mit den Nutzern von Zahlungsdiensten die anstehende Migration diskutieren und gemeinsame Lösungswege erarbeiten. Enges Zeitfenster: Mit der Festlegung der Auslauftermine für die nationalen Verfahren für Überweisung und Lastschrift ist endlich die Unklarheit ausgeräumt, die viele Unternehmen, aber auch einige Kreditinstitute davon abgehalten hat, sich ernsthaft mit SEPA zu beschäftigten. Die bis Februar 2014 verbleibende Zeit ist knapp bemessen. Daher sollten Anbieter und Nutzer sich noch intensiver mit der Umstellung auf SEPA beschäftigen. Im Euro-Raum bewegt sich der Anteil der SEPA-Überweisungen an allen über Clearinghäuser abgewickelten Überweisungen mittlerweile auf knapp 30% zu (siehe Abbildung 1). Allerdings kann dieser Wert nicht einfach auf Deutschland übertragen werden. Der Wert in Deutschland lag in der zweiten Jahreshälfte 2011 bei nur 5,6%. Bei den Lastschriften ist der Weg noch deutlich länger. Der Anteil der SEPA-Lastschriften lag in Deutschland im gleichen Zeitraum bei nur 0,01%. Der sprunghafte Anstieg im Mai 2012 bei der Vergabe der Gläubiger-Identifikationsnummer deutet jedoch darauf hin, dass sich ein stärkeres Interesse an der Nutzung der SEPA-Lastschrift entwickelt (siehe Abbildung 2). Im SEPALastschriftmandat ist die Gläubiger-Identifikationsnummer ein verpflichtendes Merkmal zur kontounabhängigen und eindeutigen Kennzeichnung des Lastschriftgläubigers und kann bei der Bundesbank beantragt werden. Hilfestellung bei IBAN-BIC-Einführung: Auch nach dem 1. Februar 2014 kann der private Nutzer in Deutschland noch zwei Jahre länger die altbekannte Kontonummer und Bankleitzahl für Inlandszahlungen verwenden. Und ab dem 1. Februar 2016 wird es nur noch einen europaweit gültigen Standard zur Angabe der Kontoverbindung geben: die IBAN (International Bank Account Number), die sich in Deutschland aus dem Länderkürzel DE, einer zweistelligen Prüfziffer, der Bankleitzahl und der Kontonummer zusammensetzt. Auf

Abbildung 2: Anzahl der vergebenen Gläubiger-Identifikationsnummern

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die Angabe des BIC (einer acht- bis elfstelligen aus Buchstaben und Ziffern bestehenden Bankadresse), der bis dahin noch für grenzüberschreitende SEPA-Zahlungen notwendig ist, kann von dann an verzichtet werden. Um IBAN und BIC bekannt zu machen, muss vor allem die Kreditwirtschaft handeln. Zunächst gilt es, die IBAN und den BIC bereits auf den Bankkundenkarten anzugeben. Bisher ist dies nicht bei allen Banken und Sparkassen der Fall. Darüber hinaus müssen breiter angelegte Kundeninformationen entwickelt werden und die Umstellung der Firmenkundschaft vorangetrieben werden. Auch Unternehmen sollten frühzeitig dazu übergehen, beispielsweise auf Rechnungen ihre IBAN und den BIC anzugeben. Allgemeine Basisinformationen zu IBAN und BIC werden auch die Bundesregierung und die Bundesbank zur Verfügung stellen. Mandatsmigration geregelt: Darüber hinaus regelt die SEPAVerordnung ein rein deutsches Problem: die Umstellung der Mandate im Lastschriftverkehr. Bereits erteilte Einzugsermächtigungen werden im Verordnungswege auf das SEPALastschriftmandat umgestellt, falls keine nationale gesetzliche Regelung oder vertragliche Vereinbarung besteht. In Deutschland ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010 die Migration der Einzugsermächtigung in SEPA-Mandate bereits durch Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Verhältnis zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister möglich. Die Kreditwirtschaft hat die notwendigen Anpassungen bereits vorgenommen. Ein Inkrafttreten der geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist für Juli 2012 geplant. Mit diesen beiden Regelungen ist die Grundlage für eine rechtssichere Umstellung bestehender Einzugsermächtigungen auf das SEPA-Mandat geschaffen. Die jahrelang als mit der SEPAEinführung unvermeidbar geltende Neueinholung von Mandaten für die SEPA-Lastschrift wird damit überflüssig. Nicht abgedeckt durch die AGB-Regelung ist allerdings die Umstellung von Mandaten im Abbuchungsauftragsverfahren. Fristverlängerung für das ELV-Verfahren: Weiterhin ermöglicht die SEPA-Verordnung, dass dem allein in Deutschland genutzten Elektronischen Lastschriftverfahren (ELV) Bestandsschutz bis zum 1. Februar 2016 gewährt wird. Beim Elektronischen Lastschriftverfahren wird an der Ladenkasse mittels einer Zahlungskarte eine Einzugsermächtigung generiert, die der Kunde unterzeichnet. Die Ausnahmeregelung, von der der deutsche Gesetzgeber sicherlich Gebrauch machen dürfte, ist ein wichtiger deutscher Verhandlungserfolg. Denn das ELV-Verfahren wird vom deutschen Einzelhandel als weiterhin notwendige Ergänzung zum kreditwirtschaftlichen Girocard-Verfahren gesehen. Der Einzelhandel und die Kreditwirtschaft sollten jedoch die Zeit nutzen, um wenn nötig eine SEPA-fähige Alternative zu diesem Verfahren zu erarbeiten.

Umstellung des betrieblichen Zahlungsverkehrs Die Umstellung des hauseigenen Zahlungsverkehrs – auch in einer Kommune – sollte nicht unterschätzt werden. Denn vielfach sind die Zahlungsverkehrsanwendungen so in die Software-Architektur eingebunden, dass sich Wechselwirkungen mit anderen Programmen ergeben. Dies sollte zunächst genau analysiert werden. Möglicherweise kann die Einführung von SEPA von den Unternehmen zu einer strategischen Neuaufstellung ihres Zahlungsverkehrs genutzt werden. Stammdaten umstellen: Danach wird es darum gehen, die Kontoangaben von Zahlern und Lieferanten umzustellen. Die

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deutsche Kreditwirtschaft bietet dazu Hilfestellung bei der Umwandlung von Kontonummer/Bankleitzahl in IBAN und BIC. Einmal hilft dazu das IBAN-Portal des Bank-Verlages (www.iban-service-portal.de) oder als CD-Rom-Lösung „SEPA Account Converter“ der Star Finanz-Software Entwicklung und Vertriebs GmbH. Hier sollte die Hausbank befragt werden, welche Lösung sie ihren Kunden anbietet. SEPA-Datenformate: Nach dem 1. Februar 2014 ist das XMLNachrichtenformat des ISO-20022-Standards für Überweisungen und Lastschriften in Euro zu verwenden. Von dieser technischen Umstellung sind bei der Initiierung oder beim Empfang einzelner Zahlungen vor allem Zahlungsdienstleister betroffen. Bei der Einreichung oder der Auslieferung gebündelter Dateien mit Zahlungsnachrichten allerdings sind Anpassungen auch bei den Nutzern (z.B. Kommunen) in der Regel unvermeidbar. Umstellung von Lastschriften: In Deutschland ist durch die AGB-Änderung der Kreditwirtschaft sichergestellt, dass bestehende deutsche Einzugsermächtigungen ab dem 9. Juli 2012 auch für Einzüge im SEPA-Basislastschriftverfahren genutzt werden können. Es ist also nicht nötig, für die SEPA-Basislastschrift neue Mandate einzuholen – es sei denn, dass noch gar keine Einzugsermächtigung vorliegt (wie z.B. im Neukundengeschäft). Die bei der Einzugsermächtigung fehlenden Angaben Gläubiger-Identifikationsnummer und Mandatsreferenz sind dem Zahler vor dem ersten SEPALastschrifteinzug durch den Gläubiger mitzuteilen.

Unterstützung bei der Kommunikation Um die reibungslose Einführung von SEPA in Deutschland zu erleichtern, hat die Deutsche Bundesbank zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen den SEPA-Rat ins Leben gerufen, in dem sowohl die Anbieterseite (v.a. die Deutsche Kreditwirtschaft) als auch die Nachfrager (u.a. Unternehmen, Handel, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie öffentliche Verwaltungen) vertreten sind. Zurzeit wird von den Mitgliedern ein gemeinsamer Migrationsplan aufgestellt, in dem die Rahmenbedingungen für die SEPA-Umstellung skizziert sind und die Migrationsfortschritte in den einzelnen Wirtschaftsbereichen dargestellt werden. Um einen Überblick über den erreichten Fortschritt zu bekommen, wird der Plan in vierteljährlichen Abständen aktualisiert. Die im SEPA-Rat vertretenen Spitzenverbände der Landkreistage und Städte planen außerdem Handreichungen für ihre Mitglieder, die ab Sommer zur Verfügung stehen sollen. Darüber hinaus ist gerade eine zentrale SEPA-Website live geschaltet worden (siehe Abbildung 3). Unter www.sepadeutschland.de stehen alle wichtigen Informationen, die Antworten auf häufig gestellte Fragen und Links zum Thema gebündelt zur Verfügung. Dort kann auch ab Herbst ein kleines Faltblatt mit den Basisinformationen zu SEPA aus privater Nutzersicht bestellt werden. Öffentliche Verwaltungen erhalten auch größere Stückzahlen dieses Printmediums zur Verteilung kostenlos bei der Deutschen Bundesbank.

Zukunft des europäischen Zahlungsverkehrs Überweisung und Lastschrift weiter verbessern: Die kundenfreundliche Umstellung auf die SEPA-Verfahren ist ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen Migrationsprozess, der wesentlich vom Vertrauen der Kunden in die neuen Zahlverfahren abhängt. Daher ist die Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs im Interesse aller beteiligten Akteure. Dazu gehört neben umfangreichen Kommunikati-

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für grenzüberschreitendes Acquiring (Dienstleistungen für Händler bei der Abwicklung von Kreditkartenzahlungen) und die Trennung der Verwaltung eines Kartensystems von der Abwicklung der Kartentransaktionen. Ebenso wenig gäbe es Anreize für Zahler, die effizientesten Zahlungsmittel zu nutzen. Für den Zahler sei es nämlich kaum durchschaubar, welche Kosten beim Händler, etwa für eine Kartenzahlung, anfallen. Die Kommission wirft die Frage auf, ob den Kunden die Kosten des Händlers für die Nutzung des jeweiligen Zahlungsmittels mitgeteilt werden sollten. So könnten den Kunden eine ökonomisch sinnvolle Auswahl ermöglicht werden. Durch Rabatte oder Preisaufschläge könnte der Händler zusätzlich gezielt Anreize für die Nutzung bestimmter Instrumente setzen.

Abbildung 3: www.sepadeutschland.de onsmaßnahmen die Weiterentwicklung der SEPA-Lastschrift über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Wir brauchen in Deutschland ein elektronisches Lastschriftmandat (E-Mandat), das die Erteilung eines Mandats auf elektronischem Wege ermöglicht. Gerade im wachsenden Internethandel könnte die SEPA-Lastschrift auf diese Weise ein europaweit einsetzbares, attraktives Zahlungsinstrument werden. Auf besonderen Wunsch großer Nutzer wird die Deutschen Kreditwirtschaft ab November 2013 eine Option zur Verkürzung der Vorlauffristen bei der SEPA-Lastschrift nutzen. So kommt eine Variante der SEPA-Lastschrift auf den deutschen Markt, die mit einem Tag Vorlauffrist auskommt. Hier zeigt sich, dass mit der SEPA-Verordnung nur die Basis für einen einheitlichen europäischen Zahlungsverkehr geschaffen wurde, aber eine Verbesserung der Basisverfahren nach den Wünschen der Nachfragen weiterhin möglich ist. Bezahlen mit Karte, Handy und im Internet – EU Kommission drängt auf Harmonisierung: Nicht geregelt in der SEPAVerordnung sind Kartenzahlungen und Zahlverfahren für das Handy oder im Internet. Hier sieht die EU-Kommission den Binnenmarkt nicht erreicht. Um den Harmonisierungsbedarf einschätzen zu können, hat sie im Januar dieses Jahres ein Grünbuch mit dem Titel „Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen“ veröffentlicht. Die Marktteilnehmer waren aufgefordert, dieses bis April zu kommentieren. Eine erste Einschätzung und die Veröffentlichung der daraufhin eingegangenen Papiere steht kurz bevor. Im Fokus des Grünbuchs stehen Kartenzahlungen, die das am häufigsten genutzte unbare Zahlungsinstrument in Europa sind. Darüber hinaus bezieht die Kommission innovative Bezahlverfahren im Internet und mit dem Mobiltelefon ein, deren Nutzung zwar noch vergleichsweise gering ist, denen aber in den kommenden Jahren die größten Wachstumspotentiale beigemessen werden. Als eine Art Sprungbrett für das Angebot innovativer Bezahlverfahren soll dabei die Realisierung von SEPA wirken. Als problematisch für einen harmonisierten Binnenmarkt sieht die EU-Kommission die weiterhin bestehende nationale Fragmentierung der Märkte für Kartenzahlungen in Europa. Kritisch seien etwa die unterschiedliche Höhe multilateraler Interbankenentgelte, die begrenzten Möglichkeiten

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Eine Netzwerkindustrie wie der Zahlungsverkehr funktioniert nur effektiv, wenn ein gewisses Maß an Kooperation zwischen den beteiligten Dienstleistern besteht. Bei mobilen Bezahlverfahren spielt die Interoperabilität zwischen den Dienstleistern eine besonders große Rolle, da hier weitere Akteure, wie etwa Mobilfunknetzbetreiber und die Hersteller der Mobilfunkgeräte, beteiligt sind. Trotz der Initiativen des European Payments Council und der EBA Clearing sei auch bei den Internetbezahlverfahren bislang keine ausreichende Interoperabilität erreicht worden. Ein sehr umstrittenes Thema ist die Frage, ob die Information über den Kontostand der Kunden nur für die Kreditwirtschaft zugänglich sein soll. So haben sich inzwischen am Markt nichtkreditwirtschaftliche Angebote zur Zahlung von Interneteinkäufen etabliert, die den Zahler nach seiner Kontoverbindung und der Authentisierung (i.d.R. PIN- und TANNummer) fragen, um dann direkt über seine OnlinebankingApplikation eine vorausgefüllte Überweisung abzusenden. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob Kreditinstitute ihren Kunden die Weitergabe von PIN und TAN an Dritte untersagen können. Hier gilt es für die EU-Kommission einen geeigneten Weg zwischen der Verhinderung von Markteintrittsbarrieren, Sicherheit im Zahlungsverkehr und Datenschutzvorschriften zu finden. Neue Zahlungsdienste sind Aufgabe der Kreditwirtschaft: Mit ihrem Vorstoß zu einer weiteren Harmonisierung des Marktes zielt die EU-Kommission klar auf eine Stärkung des Wettbewerbs im Markt für Zahlungsdienste ab. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet auch die weitere Öffnung des Marktes für Nichtbanken, der aufgrund geänderter technischer Voraussetzungen immer interessanter für sie wird. Denn für Dienstleister aus anderen Bereichen (z.B. Betreiber von Suchmaschinen im Internet) kann es attraktiv sein, ihr Angebot auch auf Zahlungsdienste auszudehnen. Doch die Kreditwirtschaft beginnt allmählich die Zeichen der Zeit zu erkennen. So zeigt die deutsche Kreditwirtschaft einen ersten Versuch, innovative Bezahlverfahren auf breiter Fläche einzuführen, indem sie ihre Geldkarte zu einem Verfahren zum kontaktlosen Bezahlen ausbaut („girogo“). Um sich bei Zahlungsdiensten im Wettbewerb behaupten zu können, ist Innovation keine Option, sondern ein Muss. Dies gilt nicht nur für Neuanbieter, sondern auch für die etablierten Kräfte am Markt. Die Kreditwirtschaft sollte ihren Vertrauensvorsprung nicht verspielen, den sie bei ihrer Kundschaft aufgrund ihrer langen Erfahrung genießt. Ein europäischer Binnenmarkt im Zahlungsverkehr für Überweisungen, Lastschriften, Kartenzahlung und die innovativen Bezahlverfahren muss so ausgestaltet werden, dass die Grundlage für etablierte und neue Anbieter gleichermaßen stimmig ist.

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Girogo – ein Meilenstein auf dem Weg zum Mobile Payment Von Günter Distelrath – Verbandsgeschäftsführer Sparkassenverband Niedersachsen, Hannover Mobiles Bezahlen ist in aller Munde. Kreditkartengesellschaften, Mobilfunkbetreiber und Unternehmen der New Economy haben teilweise seit Jahren Konzepte in der Tasche. Konkrete Umsetzungen beschränkten sich jedoch in der Regel auf örtlich eng begrenzte Pilotierungen oder aber kleine Teilnehmerkreise. Bislang konnte die neue Technik nur an wenigen Orten in Deutschland mit ebenso wenigen NFC(Near Field Communication) -fähigen Kreditkarten genutzt werden. Viele Einzelhändler zögerten, in den Aufbau der Infrastruktur zu investieren, weil nicht sicher gestellt werden konnte, dass eine kritische Masse von Anwendern diese Verfahren nutzen können würde. Die Henne-Ei-Problematik führte wieder einmal zu einem Stillstand bei der Vermarktung innovativer Lösungen. Das ändert sich nun. Die Sparkassen statten als erste deutsche Kreditinstitutsgruppe flächendeckend die SparkassenCards ihrer Kunden mit NFC Chips aus. Gleichzeitig wird die nötige Infrastruktur für Handel und Dienstleister bereitgestellt. Das auf den Karten befindliche Zahlverfahren girogo wurde von der gesamten deutschen Kreditwirtschaft entwickelt und stellt ein zusätzliches Leistungsmerkmal auf den Karten dar. girogo ermöglicht, Kleinbetragszahlungen über eine elektronische Geldbörse kontaktlos zu zahlen. Die Sparkassen-Finanzgruppe stellt damit ihre Innovationsführerschaft im Kartengeschäft unter Beweis und setzt klare Markttrends. Nach einer Studie der Deutschen Bundesbank liegen 80 Prozent aller Transaktionen im Handel unter 20 € und etwa 95 Prozent dieser Transaktionen werden bar beglichen. Die Sparkassen-Finanzgruppe greift dieses Potenzial auf. Mittels eines vorgeladenen Guthabens auf der SparkassenCard können Kleinbetragszahlungen bis 20 € kontaktlos beglichen werden. Mit girogo erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten und -häufigkeiten der Debitkarten. Kleinbetragszahlungen können somit über girogo nicht nur schnell und bequem abgewickelt werden, sondern auch sehr effizient. Die Technologie der elektronischen Geldbörse führt zu deutlich sinkenden Transaktionskosten für Handel und Dienstleister. Mitte April 2012 begann in der Pilotregion Hannover / Wolfsburg / Braunschweig für zehn niedersächsische Sparkassen das „girogo-Zeitalter“ – im Rahmen des ersten großflächigen Projekts der Deutschen Kreditwirtschaft zum kontaktlosen Bezahlen. Die beteiligten Sparkassen haben bereits mehr als 1,3 Millionen SparkassenCards mit girogo in der niedersächsischen Pilotregion ausgegeben. Am 29. März wurde an einer Esso-Tankstelle in Hannover die erste girogo-Live-Transaktion in Deutschland durchgeführt. Die Karteninhaber können jetzt bei allen teilnehmenden Handelspartnern und Tankstellen kleine Beträge sekundenschnell kontaktlos bezahlen. Die Sparkassen-Finanzgruppe leistet auch darüber hinaus Pionierarbeit bei der Einführung der Kontaktlos-Technologie. Sie ist die erste deutsche Kreditinstitutsgruppe, die alle ihre rund 45 Millionen girocards mit der neuen Funktion, erkennbar am Kontaktlos- beziehungsweise girogo-Logo, ausstattet. Kontaktlose Zahlungen mit girogo erfolgen aus der elektronischen Geldbörse auf dem Chip, die der Kunde vorher mit maximal 200 Euro aufladen kann. Er steckt seine Karte an der Kasse zum Bezahlen nicht mehr in ein Lesegerät, sondern hält sie nur kurz, mit wenigen Zentimetern Abstand an ein spezielles Terminal. PIN-Eingabe oder Unterschrift sind

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nicht erforderlich, die Zahlung erfolgt in weniger als einer Sekunde. Für Kunden ist die Zahlung mit girogo vor allem bequem, sicher und schnell. Auch ist das Bezahlen mit Karte für den Kunden geübte und vertraute Praxis. Anders als bei Kontaktlos-Bezahlverfahren mittels Handy oder Smartphone, die in Deutschland noch in den Kinderschuhen stecken und von den Kunden bislang nicht akzeptiert sind. Auch weil das so wichtige Vertrauen in diese Systeme noch fehlt. Erfolgte die Aufladung des Chips bisher an Geldautomaten oder im Internet mit einem Chipkartenleser, so hat die Sparkassen-Finanzgruppe für girogo zwei neue Ladevarianten direkt für den Point of Sale entwickelt: das Abo-Ladeverfahren und das Laden vom Girokonto gegen PIN-Eingabe. Aus Sicht des Kunden lässt sich die elektronische Geldbörse am komfortabelsten durch das Abo-Laden direkt am Bezahlterminal auffüllen. Diese Ladevariante bieten zurzeit nur die Sparkassen an. Vorab erteilen die Kunden ihrer Sparkasse einen schriftlichen Abo-Ladeauftrag. Hierbei legen sie einen individuellen Ladebetrag zwischen 20 und 50 Euro fest. Die SparkassenCard wird nun immer mit dem vom Kunden festgelegten Betrag geladen, wenn das aktuelle Guthaben für die Bezahlung nicht mehr ausreicht. Aus Sicherheitsgründen ist das Abo-Laden nur einmal am Tag möglich. Ist kein Abo-Ladeauftrag hinterlegt, kann die elektronische Geldbörse am Bezahlterminal gegen Eingabe der PIN aufgeladen werden. Bei dieser Möglichkeit – die Option erscheint auf dem Display des Kontaktlos-Terminals – wird dem Kunden angeboten, die Karte mit dem vorgegebenen Betrag von 35 Euro zu laden, wenn der zu bezahlende Betrag nicht mehr auf der Karte vorhanden ist. Die Ladung erfolgt zu Lasten des Girokontos, nachdem die Karte ins Terminal gesteckt und die PIN eingegeben wurde, innerhalb weniger Sekunden. Der definierte Ladebetrag kann dabei weder vom Kunden noch vom Händler geändert werden. Er ist zentral vorgegeben, um den Ladevorgang so schnell wie möglich auszuführen, so dass Händler und Kunden gleichermaßen davon profitieren. Für den Handel ist der Einsatz von girogo aufgrund niedrigerer Entgelt- und Processing-Gebühren kostengünstiger und wirtschaftlicher als herkömmliche Kartenzahlungen. Das girogoHändlerentgelt beträgt 1, 2 oder drei Cent pro Transaktion, gestaffelt nach Höhe des Umsatzes bis 20 Euro. Langfristig reduzieren Einzelhändler mit der Kontaktlos-Akzeptanz auch ihre Kosten für das Bargeld-Handling: Immer mehr Kleinbetragszahlungen bis 20 Euro werden zukünftig effizient elektronisch abgewickelt und füllen dann nicht mehr die Kassenschubladen und Tresore der Händler. Außerdem bietet die girogo- Akzeptanz Potenzial für Umsatzsteigerungen. Durch die sekundenschnelle Zahlungsabwicklung erhöhen Händler den Durchsatz an ihren Kassen und können so ein Umsatzplus erzielen. In Kommunalverwaltungen und kommunalen Nebenbetrieben wird seit einigen Jahren die Akzeptanz von Kartenzahlungen stark ausgebaut. Da dort in vielen Fällen eher kleinere Beträge zu bezahlen sind, kann girogo aufgrund seiner attraktiven Entgeltstruktur zu signifikanten Kostensenkungen führen. Bei allen Bezahl- und Aufladevorgängen wird die Sicherheit groß geschrieben. So finden die gleichen hohen Sicherheitsstandards wie bei kontaktbehafteten Chip-Zahlungen Anwendung. Chipkarte und Händlerterminal tauschen Informati-

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onen verschlüsselt nach einem bewährten und hochsicheren Verfahren aus, das speziell für die Zahlungssysteme der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zugelassen ist. Zahlungen können nur über autorisierte Händlerterminals mit speziellen Sicherheitsmodulen abgewickelt werden. Die Einbindung einer Händlerkarte im Terminal beugt Kartenmissbrauch wirksam vor. Die elektronische Geldbörse kann am Point of Sale nicht auf ein Konto entladen werden – das funktioniert ausschließlich an einem Geldautomaten der Sparkassen-Finanzgruppe und nur, wenn der Kunde selbst diesen Vorgang ausführt. Somit ist auch ein Entladen der SparkassenCard mit girogo „im Vorbeigehen“ ausgeschlossen. Natürlich wurde auch den Datenschutzaspekten bei girogo Rechnung getragen. Die bisweilen zu hörende Befürchtung, die Karten könnten zur Überwachung und insbesondere zum Erstellen von Bewegungsprofilen genutzt werden, ist unbegründet. Die Karte kann nur über eine sehr geringe Distanz von wenigen Zentimetern kontaktiert werden. Distanzen von mehr als zehn Zentimetern sind theoretisch möglich, allerdings wird hier schon eine Antenne von über einem Meter Durchmesser benötigt. Da die Karte über eine Funkstrecke induktiv unter Strom gesetzt werden muss, steigt der Energiebedarf über die Distanz sehr stark, so dass Abstände von einem halben Meter oder mehr völlig unrealistisch umzusetzen sind. Zudem ist bei girogo nur eine Referenznummer, die die Karte in dem System eindeutig identifiziert, aber alleine nicht für Transaktionszwecke verwendet werden kann, auslesbar. Auch der Händler erhält beim Auslesen der Karte nur diese Identifikationsnummer, die sogenannte EF-ID der Karte. Diese lässt keine Rückschlüsse auf den Kunden oder die Kontonummer zu.

girogo wurden auch den Datenschützern der Länder im Rahmen des Arbeitskreises Technik des Düsseldorfer Kreises umfassend vorgestellt. Es wurde dabei nicht nur über die Einführung der Karte informiert, sondern auch die Transaktionsabläufe und die Verschlüsselungsmechanismen ausführlich erörtert. Im Ergebnis gab es hier keine kritischen Kommentare von Seiten der Datenschutzbehörden bezüglich des Verfahrens. Zu den ersten Anbietern im Handel gehören Filialen der Drogeriemarktkette dm, des Lebensmittelhändlers Edeka, des Netto Markendiscounters, der Parfümerie Douglas, der Buchhandlung Thalia, des Süßwarenherstellers Hussel, der Bretzelbäckerei Ditsch ebenso wie Schnellrestaurants von McDonald’s und Stationen von Esso und Sanifair. Im Laufe des Jahres werden viele neue regionale und überregionale Partner hinzukommen und das bestehende Netzwerk der girogo-Partner ergänzen. Esso will bis März 2013 bundesweit alle 1.100 Tankstellen für die kontaktlose Zahlung ausrüsten, die Douglas Gruppe alle 1.150 Filialen. Die Ausweitung des Pilottestes auf weitere Regionen und Großstädte ist bereits für 2012 vorgesehen, so dass girogo nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit auf Erfolgskurs gehen kann. Mit den neuen kontaktlosen Karten ist ein erster Schritt in Richtung noch einfacherer bequemerer Zahlungen getan. Allein durch die kompakte Form und die universellen Einsatzmöglichkeiten der NFC-Technik wird sich eine Vielzahl kreativer Anwendungen ergeben. Perspektivisch ist auch die Integration in Mobiltelefone vorgesehen. Entscheidend ist es dabei für die Sparkassen-Finanzgruppe, nicht nur rechtzeitig zukunftsorientierte Strukturen zu schaffen, sondern dem Markt immer einen Schritt voraus zu sein.

Kompetenz für KMU Risiken und Absicherungen in der Beratung für Gewerbekredite

Von Lars Fuchs – Mitglied der Geschäftsleitung, BNP Paribas Cardif Deutschland, Stuttgart Spätestens seit dem verhältnismäßig unbeschadeten Überstehen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Sparkassen erkannt, dass ihre größte Stärke ihr breiter Kundenstamm ist. Während sie Privatkunden schon lange eine Reihe von Zusatzleistungen vor allem für die Vorsorge anbieten, schließen sie zunehmend auch Angebotslücken für Klein- und Mittelständler. Bei der Beratung zum klassischen Kleinkredit für Gewerbetreibende entstehen so neue Möglichkeiten, auf die individuellen Kundenbedürfnisse einzugehen. Gerade bei Investitionen wenden sich Freiberufler und Selbständige gern an Sparkassen, laut KfW nehmen 72 Prozent hier einen Kredit auf. Viele Sparkassen richten sich durch Schulungen, Umstrukturierungen oder die Einstellung von KMU-Beratern verstärkt auf den Bedarf von Gewerbetreibenden aus. Im Zuge dessen wird auch das Produktportfolio erweitert, vor allem, was die Absicherung von Risiken über die klassische Risikolebensversicherung hinaus angeht, denn Insolvenzen sind nach wie vor ein ernstes Thema.

Insolvenz betrifft oft Kleinstgewerbe 2011 haben die Insolvenzgerichte 30.099 Firmenpleiten gemeldet (s. Grafik). Das sind zwar 5,4 Prozent weniger als im Vorjahr, aber vor der Finanzkrise waren es mit 29.160 Insolvenzen noch knapp eintausend weniger. Die Zahl von 2007

Gewerbeinsolvenzen nehmen in Deutschland seit den 90er-Jahren tendenziell zu.

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setzt den deutlichen Anstieg aus den 90er-Jahren fort – den Peak zwischen 2002 bis 2004 einmal ausgenommen, als die Dotcom-Krise reihenweise Internet-Start-ups das Genick brach. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass Kleinstgewerbe ohne Beschäftigte sehr oft betroffen sind: Fast jede zweite Insolvenz geht auf ihr Konto. Aber auch bei den derzeit monatlich gut 10.000 Privatinsolventen ist fast jeder Fünfte ehemals selbstständig – der Anteil Selbstständiger an der Gesamtbevölkerung macht hingegen nur 5,6 Prozent aus.

Gründe und Auswirkungen von Insolvenzen Wie kommt eine Insolvenz zustande? Oftmals beginnt es mit der Aufnahme eines Kredits, der die finanzielle Flexibilität einschränkt (s. Beispielkasten). Wenn eins der vier folgenden Ereignisse eintritt und der Kreditnehmer weder Reserven noch Gönner hat, ist eine Insolvenz kaum abzuwenden. 1. Illiquidität: Die Auftragslage wird infolge einer Rezession oder einer Zunahme der Konkurrenz schlechter. Vielleicht zahlt einfach nur ein einziger Auftraggeber eine größere Rechnungssumme nicht. Da Kleinunternehmen oft nur über geringe liquide Mittel verfügen, sind sie schnell unverschuldet zahlungsunfähig. 2. Arbeitsunfähigkeit: Ein Unfall oder eine Krankheit schränken den Gewerbetreibenden in seiner Tätigkeit ein. Bei Arbeitsunfähigkeit ist er nicht mehr in der Lage, den bisherigen Ertrag aufzubringen – wenn er überhaupt arbeiten gehen kann. Die Absicherung über Unfall- oder Krankentagegeldversicherungen reicht meistens nicht, auch noch die Kreditraten zu begleichen.

Beispielfall: Malermeister Herz Kredit für einen neuen Lieferwagen Harald Herz führt einen Malerbetrieb mit zwei Angestellten. Für einen neuen Lieferwagen nimmt er einen Kredit auf. Die vereinbarten 48 Monatsraten – inklusive der Versicherungsprämie für den Gewerbekreditschutz – kommen nun zu den üblichen Betriebsausgaben hinzu. Bei vielen Handwerksbetrieben ist der finanzielle Spielraum dann bereits erheblich eingeschränkt. Und Herr Herz muss weiterhin für seine Frau und seinen Sohn sorgen. Infarkt – schon droht die Insolvenz Herr Herz erleidet einen Infarkt. Zuerst ist er im Krankenhaus, dann zu Hause, schließlich in der Reha: Insgesamt kann er vier Monate nicht arbeiten. Zwar halten seine zwei Angestellten den Betrieb am Laufen, aber das Ergebnis sinkt deutlich – und der Kredit läuft weiter. Auch wenn sich die Familie einschränkt und beispielsweise nicht in Urlaub fährt, sind die meisten Posten des Lebensunterhalts fest. Die Krankentagegeldversicherung reicht bei den meisten Kleinunternehmern nicht aus, die Lücke zu schließen. Herr Herz macht jeden Monat Minus, Insolvenz droht mit all ihren Konsequenzen – die Genesung fördert das nicht. Auf einen Schlag schuldenfrei Wie sieht der Fall aus, wenn Herr Herz eine Gewerbekreditversicherung abschließt? Weil Infarkt als schwere Krankheit gilt, muss Herr Herz nur die Diagnose einreichen, damit BNP Paribas Cardif den gesamten noch ausstehenden Kredit inklusive Zinsen als Einmalzahlung tilgt. Herr Herz hat nicht nur während seiner Genesung das Problem los. Zurück im Betrieb kann er die Arbeit wieder langsam angehen, weil der Kredit die Ausgabenseite nicht mehr belastet.

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3. Eine schwere Krankheit: Ob ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder die Diagnose Krebs – auch wenn der Erkrankte wieder gesund und arbeitsfähig wird, kann er oftmals nicht mehr mit vollem Einsatz arbeiten und muss Umsatzeinbußen hinnehmen, die seine Finanzsituation dauerhaft verschärfen. 4. Tod: Wenn der Kleinunternehmer stirbt, laufen Kosten weiter und bringen die Firma schnell in finanzielle Schieflage. Gerade ein größerer Investitionskredit belastet die Angehörigen, die einen Schuldenberg erben und nicht wissen, wie sie die monatlichen Raten aufbringen sollen. Die Folgen von Zahlungsunfähigkeit für ein Unternehmen sind hinreichend bekannt: Zunächst wird das Mahnwesen beim Insolvenzgericht eingeleitet. Aufgrund ausstehender Ratenzahlungen kündigt die Sparkasse den Kredit und versucht, durch die Verwertung der Sicherheiten zumindest einen Teil des finanziellen Verlusts aufzufangen – was meistens nur unbefriedigend gelingt. Der Kreditnehmer verliert seine Bonität und erhält eine negative Schufa-Einstufung, die seine finanzielle Freiheit dauerhaft einschränkt. Der organisatorische Aufwand ist für den Insolventen zudem immens – von den psychischen und sozialen Folgen gar nicht zu reden.

Absicherung von Gewerbekrediten Kleine und mittelständische Gewerbetreibende gehören zu den Hauptzielgruppen der Sparkassen, die hier über Jahrzehnte Erfahrungen gesammelt und Vertrauen aufgebaut haben. Auf die Kompetenz der Firmen-, Geschäftskunden- oder Gewerbeberater kommt es an, damit Insolvenzen verhindert werden. Eine umsichtige Lösung, die in einer finanziellen Notsituation greift, ist die beste Grundlage für ein lebenslanges Kundenverhältnis. Der Alltag sieht bisher jedoch anders aus: Oftmals scheuen die Institute bei Krediten unter 50.000 Euro den Arbeitsaufwand, Sicherheiten zu prüfen. Auch wird eine detaillierte Prüfung der Risiken nicht einfacher, wenn die Konkurrenz der Konsumentenkreditbanken Kredite mit vollen Händen verteilt. Deshalb haben mehr als 90 Sparkassen bisher schon die unkomplizierte Kreditabsicherung über einen Gewerbekreditschutz implementiert. Dieser greift zum einen beim Verlust der hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit, die bei einem Einkommen über 25.000 Euro jährlich anfängt (40 Prozent der derzeitigen Beitragsbemessungsgrenze zur Sozialversicherung). Die Versicherung übernimmt in diesem Fall die Kreditraten bis zu 2.500 Euro monatlich – für ein Jahr, wenn es nötig ist. Bei einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit werden die Raten sogar bis zur vollständigen Tilgung an die Sparkasse als Versicherungsnehmer überwiesen. Im Falle des Todes oder einer schweren Krankheit leistet der Gewerbekreditschutz sogar die komplette Kreditsumme inklusive Zinsen als Einmalzahlung bis zu einer Höhe von 200.000 Euro. Als schwere Krankheit gelten Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs, die jährlich 800.000 mal diagnostiziert werden, und zusätzlich Taub- und Blindheit, weil sie besonders gravierende Auswirkungen auf das Leben des Betroffenen haben. Im Todesfall hat eine klassische Risikolebensversicherung eine andere Intention: Durch die meist gleichbleibende Deckungssumme sichert sie den Lebensunterhalt der Angehörigen. Der Gewerbekreditschutz passt sich dagegen durch die fallende Kreditsumme der verbleibenden Restschuld an und befreit die Angehörigen von der zusätzlichen Belastung durch den Kredit. Darüber hinaus kann der Gewerbekreditschutz auch gleich bleibende Raten abdecken: So können zum Beispiel auch Förderdarlehen als Teil der Gesamtraten abgesichert werden.

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Gewerbekontoschutz Saldosicherung im Schadensfall Der Gewerbekontoschutz ist die zweite wichtige Säule im Gewerbeschutz. Auch er kann ohne Gesundheitsprüfung abgeschlossen werden und deckt die gleichen Risiken wie der Gewerbekreditschutz ab: Bei Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit, Arbeitsunfähigkeit, schwerer Krankheit und Tod wird ein Kontokorrentkredit von maximal 50.000 Euro abgedeckt. Es gibt zwei Varianten: Entweder wird im Schadensfall der aktuelle Sollsaldo ausgeglichen, der Beitrag variiert je nach dem monatlichen Minus. Oder es gibt einen festen Beitrag unabhängig vom Kontostand: Im Schadensfall werden pauschal mindestens 30 Prozent der Kontokorrentlinie geleistet, oft ist der Auszahlungsbetrag also höher als das Minus auf dem Konto.

gerichtete Trainings schulen in Produkt, Bedarfsanalyse und Angebot, für Fragen während des Kundengesprächs steht den Beratern ein eigenes Service-Team jederzeit telefonisch zur Verfügung.

Im Gegensatz zur Risikolebensversicherung lässt sich der Gewerbekreditschutz ohne jegliche Gesundheitsprüfung abschließen. Hat das Unternehmen mehrere Angestellte, können für die Absicherung gegen alle vier Risiken bis zu drei Gefahrpersonen benannt werden, wenn sie leitend tätig sind und für den Kredit haften. Das gilt auch für den Gewerbekontoschutz, der den Kontokorrentkredit gegen die gleichen Risiken abdeckt (s. Kasten).

Ein zweiter wichtiger Baustein ist der reibungslose Ablauf im Verwaltungsprozess. Sowohl der Beitrags- als auch der Informationsfluss werden auf die jeweiligen Systeme und Prozesse der Sparkasse angepasst. „Für unseren Service ist es wichtig, dass wir eine schnelle Rückmeldung über die Vertragsannahme bekommen und auch über Leistungszusagen schnellstmöglich Bescheid wissen. BNP Paribas Cardif hat einen Prozess aufgesetzt, der für den Gewerbekundenberater ständige Transparenz sicher stellt“, sagt Friedrich Rieck, Leiter Verbundgeschäft der Kreissparkasse Heidenheim. Der Gewerbekreditschutz ist langfristig nur ein Bestandteil innerhalb der Erweiterung der gewerblichen Angebotspalette. Bankassurance-Angebote werden das Produktportfolio der Sparkassen immer mehr auffächern, um den Kunden in jeder Lebenssituation auch mit der Absicherung gerecht zu werden. Für Sparkassen ergeben sich dadurch eine festere Kundenbindung und zusätzliche Ertragsmöglichkeiten durch das Provisionsgeschäft, das nach den Einschränkungen im traditionellen Einlagen- und Kreditgeschäft durch Basel III an Bedeutung zunehmen wird. Nicht zuletzt trägt die Kreditsicherung dazu bei, die neuen Anforderungen des BIZ zur Risikosicherung zu erfüllen.

Jede Sparkasse ist ein bisschen anders

Feedback ist unter [email protected] jederzeit willkommen.

Die Fachleute der BNP Paribas Cardif haben sich darauf spezialisiert, sich auf die jeweiligen Voraussetzungen der Sparkasse einzustellen. Das betrifft zum einen den webbasierten Produktrechner, der mit wenigen Daten Angebot und Abschluss ermöglicht. Viele Sparkassen streben eine Einbindung in ihr OSPlus-System an, was die Beratung zusätzlich vereinfachen wird. Auch bei der Produktgestaltung kann das Team der BNP Paribas Cardif auf die Wünsche der einzelnen Sparkasse eingehen. „Dazu fand sogar ein Workshop mit der Stadtsparkasse Magdeburg und anderen institutionellen Partnern statt, um die Meinung aus der Praxis in die Produktgestaltung mit einfließen zu lassen“, berichtet Torsten Sauerzweig, dortiger Leiter der Geschäfts- und Gewerbekundenbetreuung. „Daran zeigt sich auch, wie flexibel und kundenorientiert BNP Paribas Cardif ist.“ Genauso wichtig ist es, die Kreditabsicherung in den Vertriebsprozess bei Gewerbeberatern zu integrieren. Auf die jeweilige Beraterstruktur aus-

BNP Paribas Cardif in Kürze BNP Paribas Cardif ist der Lebens-, Sach- und Unfallversicherer der BNP Paribas Gruppe, der neben Versicherungsauch Sparlösungen entwickelt und vertreibt. BNP Paribas Cardif ist in 36 Ländern, vor allem in Europa, Lateinamerika und Asien vertreten. Mit Bruttoprämieneinnahmen 2011 in Höhe von 23,3 Milliarden Euro und fast 10.000 Mitarbeitern weltweit ist BNP Paribas Cardif einer der 10 größten europäischen Versicherer. BNP Paribas Cardif stellt sich seiner sozialen Verantwortung, fördert Vielfalt im Unternehmen und schützt Umwelt und Klima in allen Unternehmensbereichen. Seit dem deutschen Markteintritt 1996 hat sich BNP Paribas Cardif (www.cardif.de) als Spezialversicherer etabliert.

Neue Bezahllösungen für moderne Verbraucher Von Robert Beer – Bereichsleiter Product Management & Marketing bei B+S Card Service, Frankfurt/Main Schon lange versuchen Kommunen und Unternehmen in öffentlicher Hand, die Nutzung und auch die Vergütung ihrer Leistungen für ihre Kunden so komfortabel wie möglich zu gestalten. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Optimierung der Bezahlvorgänge, etwa durch eine große Auswahl an Bezahlverfahren, den Einsatz von Automaten, die auch außerhalb gängiger Öffnungszeiten verfügbar sind usw. Hierbei haben öffentliche Einrichtungen in den vergangenen Jahren bereits in erheblichem Maße Flexibilität bewiesen, indem sie die veränderten Lebensgewohnheiten ihrer Kunden berücksichtigt haben. In der Welt der Bezahllösungen stehen dabei weitere große Veränderungen bevor, an deren Anfang wir ge-

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rade stehen. So ergab kürzlich eine aktuelle Studie des EHI Retail Institutes, dass sich mehr als drei Viertel aller befragten Handelsexperten vorstellen können, dass mobile Devices wie Smartphones, Tablet-PCs etc. in Deutschland bereits innerhalb der kommenden drei Jahre bei vielen Verbrauchern das Portemonnaie ganz oder zumindest teilweise ersetzen werden. Moderne Verbraucher sind schon heute „always on“, das heißt etwa permanent in sozialen Netzwerken online, egal, wo sie sich gerade aufhalten. Je mehr Bereiche des alltäglichen Lebens untrennbar mit dem eigenen Smartphone verknüpft

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sind, desto mehr ist auch die Erwartungshaltung ausgeprägt, dass Unternehmen sich auch auf diese neue Lebenswirklichkeit ihrer Kunden einstellen. Ein wichtiger Vorteil dieser Entwicklung, gerade auch für öffentliche Einrichtungen: Gleichzeitig steigt in der Regel die Bereitschaft der Kunden, innovative Alternativen zum Bargeld zu nutzen. Solche modernen Verfahren erlauben es, parallel die Abläufe im Unternehmen selbst deutlich zu beschleunigen und zu vereinfachen und müssen den Vergleich zu den Kosten des Bargeldhandlings nicht scheuen.

Immer mehr Kartenzahlung – in Zukunft auch bei kleinen Beträgen Generell zahlen bereits heute viel mehr Deutsche bargeldlos als noch vor einigen Jahren – inzwischen betrifft dies bereits mehr als 40 Prozent aller Zahlungen. Anders sieht das Verhältnis im Kleinbetragssegment aus. Zahlungen bis zu einem Wert von 20 Euro werden bisher nach wie vor fast ausschließlich bar geleistet. Gerade dieses Segment ist aber für Behörden oder etwa Betreiber von Kantinen, Automaten, ÖPNV, Stadien, Theatern oder auch Schwimmbädern oft besonders interessant. Durch den hohen Bargeldeinsatz entstehen nicht nur entsprechende Aufwände für Handling und Entsorgung, es verlangsamen sich wegen der Wechselgeldsuche und -ausgabe oft auch die Prozesse an der Kasse. Und kurze Wartezeiten sind für die Kundenzufriedenheit gerade in solchen Bereichen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Mit dem Start der Ausgabe von Karten, die das kontaktlose Bezahlen ermöglichen, haben inzwischen die Kreditinstitute in Deutschland, allen voran die Sparkassen, die ersten Voraussetzungen dafür geschaffen, Unternehmen eine komfortable, günstige und vor allen Dingen schnellere Alternative zu Barzahlungen zur Verfügung zu stellen. Nachdem im April in Niedersachsen das Pilotprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft erfolgreich gestartet ist, werden schon bald in Deutschland allein von den Sparkassen mehr als 45 Millionen Karten in Umlauf gebracht, die das neue Verfahren girogo unterstützen. Beim Bezahlen mit girogo wird an der Kasse vom Kunden lediglich die Karte in geringem Abstand vor ein Lesegerät gehalten – der Bezahlvorgang ist praktisch im gleichen Moment bereits abgeschlossen. Die Eingabe einer PIN oder das Leisten einer Unterschrift entfällt. Die ersten Erfahrungen aus Niedersachsen zeigen, dass die Verbraucher das neue Verfahren akzeptieren und schätzen. Vielen ist die grundsätzliche Methodik auf der Grundlage der NFC (Near Field Communication)-Technik bereits aus geschlossenen Systemen, etwa von der Zeiterfassung bei der Arbeit oder von Besuchen in Fußballstadien, seit langem vertraut. Durch girogo werden sie jetzt in die Lage versetzt, grundsätzlich überall bequem und schnell per Funk zu zahlen. Die Kreditkartenorganisationen MasterCard und Visa arbeiten parallel daran, auch die Verbreitung ihrer jeweiligen kontaktlosen Bezahlverfahren im deutschen Markt sicherzustellen bzw. deutlich zu erhöhen. In Deutschland wird dabei eine Entwicklung nachvollzogen, die in anderen europäischen Ländern wie etwa Polen oder Großbritannien schon deutlich weiter fortgeschritten ist. Hier ist das kontaktlose Bezahlen längst selbstverständlicher Teil des Einkaufsverhaltens geworden.

Kontaktloses Bezahlen: Gewinnung von Akzeptanzstellen ist entscheidend Ein wichtiger Aspekt für den Markterfolg und die Akzeptanz des kontaktlosen Bezahlens besteht darin, dass nicht nur die

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Verbraucher selbst über die Vorteile des neuen Verfahrens informiert sind und die neuen Karten gern einsetzen. Von entscheidender Bedeutung ist auch eine große Zahl von Akzeptanzstellen im Handel, die das Bezahlen z.B. mit girogo anbieten. Aufgrund ihrer Stellung am Markt und der oft engen und persönlichen Beziehungen sowohl zu Privat- als auch zu Firmenkunden haben etwa Sparkassen als kartenausgebende Institute die optimalen Voraussetzungen, das kontaktlose Bezahlen bei Verbrauchern und Unternehmen gleichermaßen bekannt zu machen. Hierbei unterstützt ein Dienstleister wie der Sparkassen-Händlerservice von B+S Card Service zum Beispiel mit den jeweils passenden Akzeptanzlösungen ebenso wie mit strategiekonformen Vermarktungskonzepten.

Infrastruktur: Das Smartphone erobert den POS Egal, ob kontaktbehaftet oder schon kontaktlos: Bargeldlos bezahlt wird in Deutschland heute in der Regel mit einer Karte an einem Zahlungsterminal. Die bestehende Terminalinfrastruktur kann dabei für Automaten oder klassische Kassenplätze auf Kontaktlosfähigkeit aufgerüstet werden. Daneben stehen aber auch hoch moderne Terminals einer neuen Generation zur Verfügung, die alle Zahlungen in besonders hoher Geschwindigkeit verarbeiten und daneben mit neuen Features wie etwa Farbdisplays oder Touchscreens überzeugen. Die Einführung solcher Geräte ist ein erster Meilenstein auf dem Weg zur „Eroberung“ des klassischen POS (Point of Sale) durch Smartphones und andere mobile Devices. Denn grundsätzlich spielt es schon mittelfristig keine Rolle mehr, ob die Zahlungsapplikation auf einer klassischen Bezahlkarte oder einem anderen Medium bereitgestellt wird. Ebenso können auch Zahlungen mit anderen Geräten als nur den bekannten Terminals akzeptiert werden. So bietet etwa B+S Card Service eine Smartphone-Applikation für Akzeptanzstellen an, mit der bequem und einfach schon heute kontaktlose Zahlungen entgegengenommen werden können. Auf Karteninhaber-Seite stellt das Beteiligungsunternehmen des Deutschen Sparkassenverlags eine App zur Verfügung, mit der Verbraucher an ihrem NFC-fähigen Smartphone das aktuelle Guthaben ihrer girogo-Karte jederzeit selbst überprüfen können. Diese App besticht durch ihre einfache Anwendung und wurde deshalb vom Handelsjournal zum Top Produkt 2012 gewählt.

Zeitfenster für kontaktlos-Einführung ist geöffnet Genau jetzt, im unmittelbaren Zusammenhang mit der gerade beginnenden flächendeckenden Ausgabe kontaktloser Zahlungskarten, ist auch für öffentliche Unternehmen der richtige Zeitpunkt gekommen, um die eigene Zahlungsinfrastruktur für dieses neue Zeitalter des Bezahlens einzurichten. Die Chancen, den Verbraucher im Kleinbetragssegment für die Kartenzahlung zu begeistern und gleichzeitig durch moderne Abläufe zu überzeugen, waren nie so günstig. Da girogo ein gemeinsames Verfahren der Deutschen Kreditwirtschaft ist, werden auf diese Weise schon bald sämtliche Kunden in der Lage sein, sowohl im Schwimmbad wie im Bürgeramt oder in der Straßenbahn überall das gleiche schnelle Bezahlverfahren zu nutzen. Unkomplizierte Bezahlvorgänge ohne lange Wartezeiten oder viel bürokratischen Aufwand tragen zu einem positiven Image bei und reduzieren nicht zuletzt effektiv die Prozesskosten.

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Evolution der Geldbörse Mit NFC-Technologie in eine neue Ära des Bezahlens

Von Ingo Limburg, Vorstandsvorsitzender der Initiative GeldKarte e.V., Berlin London setzt bei den diesjährigen olympischen Spielen Maßstäbe für das Bezahlen in Städten und Kommunen. Je größer die Stadt, je mehr Menschen dort zusammenkommen, umso größer sind auch die Anforderungen. Die Mega-Stadt und Trend-Metropole setzt bei der Bezahlung auf die rekordverdächtig schnelle Technologie Near Field Communication – kurz NFC. Wenn sie nicht gerade ihre Sportidole anfeuern, können Einheimische wie auch internationale Gäste kontaktlos per NFC-Technologie Snacks, Souvenirs und andere Waren fast im Vorbeigehen bezahlen. Ein Mammutprojekt. Vorgemacht, wie es geht, hat man in Deutschland bereits im April. Da hat die Deutsche Kreditwirtschaft im Großraum Hannover, erweitert um die Städte Braunschweig und Wolfsburg, mit girogo ein richtungweisendes Pilotprojekt zum kontaktlosen Bezahlen gestartet.

Beim kontaktlosen Bezahlen, z.B. mit girogo, schätzen Kunden das schnelle und bequeme Bezahlen, so das Ergebnis einer repräsentativen Online-Befragung der EURO Kartensysteme Seit Mitte April können in der Pilotregion über 1,3 Millionen Kunden von Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken an über 200 Akzeptanzstellen und weit über 800 Bezahlterminals mit dem Chip auf ihrer girocard (ehemals ec-Karte) Einkäufe bis 20 Euro schnell und bequem kontaktlos bezahlen. Bis Ende Juni sollen es bereits 400 Akzeptanzstellen sein. Das Bezahlen funktioniert dann kinderleicht: Einfach Karte an das Bezahlterminal halten. Fertig. Die Technologie basiert auf dem bewährten Prepaid-Verfahren der Deutschen Kreditwirtschaft, das bereits die GeldKarte nutzt. Bezahlt werden kann von dem Guthaben, das zuvor auf den Chip geladen wurde. So ist die Lösung besonders sicher. Auch bei den Ladeopti-

Info:

Diskrete Subventionierung wird in Jena bereits gelebt. Seit 2009 gibt es dort die „JenaBonus“-Karte auf Basis der GeldKarte. Empfänger sozialer Leistungen erhalten diese zweckgebunden als Punkteguthaben auf dem GeldKarte-Chip ihrer girocard (ehemals ec-Karte) für den öffentlichen Nahverkehr. Damit erhalten sie Tickets für öffentliche Verkehrsmittel um 50 Prozent günstiger. Und falls jemand kein eigenes Bankkonto hat, kann auch eine kontoungebundene Whitecard

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onen werden neue Wege gegangen. Beispielsweise können Sparkassenkunden ihren Chip auch im teilnehmenden Einzelhandel direkt an der Kasse laden. Das funktioniert zum einen über Abbuchung vom Konto mittels PIN-Eingabe. Noch bequemer ist es, wenn sich Kunden für ein Lade-Abo entscheiden. Dabei prüft das Kassenterminal das vorhandene Guthaben. Reicht es nicht zum Bezahlen aus, wird der Chip automatisch vom Konto nachgeladen. Damit wird der Großraum Hannover zum Vorreiter moderner Bezahltechnologie in Europa.

Chip mit Erfahrung in deutschen Gemeinden Die Technologie des Prepaid-Chips der Deutschen Kreditwirtschaft ist dabei längst etabliert und wird in zahlreichen städtischen Schulen und in Krankenhäusern eingesetzt. Zahlreiche Träger öffentlicher Einrichtungen haben die Vorteile der GeldKarte für sich erkannt: Ob das System von Patienten zum Bezahlen genutzt wird, die nach kurzer Zeit die Klinik wieder verlassen oder von Schülern zum Bezahlen des Mittagessens, die ihre Karte über Jahre behalten: Der Verwaltungsaufwand ist gering. Es kann sowohl mit kontoungebundenen Karten als auch mit der eigenen girocard (ehemals ec-Karte) bezahlt werden. Zudem können die Kosten für das Bargeldhandling deutlich gesenkt werden. In der Schulverpflegung bietet der Einsatz der GeldKarte einen besonderen Zugewinn. Das tägliche warme Mittagessen sollte für alle Kinder eine Selbstverständlichkeit sein, kein Luxus. Laut dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung haben Kinder darauf seit 2011 auch einen Rechtsanspruch. Doch manche Eltern können sich das nicht immer leisten. Auf dem Chip können ein niedrigeres Preisniveau oder auch die vollständige Kostenübernahme für das Schulessen eines Kindes gespeichert werden, ohne dass dies später für Außenstehende ersichtlich ist. Das Kind bezahlt sein Mittagessen wie alle anderen Kinder mit der Mensakarte. Angezeigt wird stets der Normalpreis der Mahlzeit – abgerechnet wird aber nur so viel, wie sozial verträglich ist. Also Förderung, ohne Stigmatisierung mit einer Karte, die die meisten Schüler schon über ihr Schülerkonto in der Tasche haben. Und wenn die Eltern nicht möchten, dass ihr Kind bereits ein eigenes Konto hat, können auch kontoungebundene Karten verwendet werden. Ein weiterer Vorteil: Da die Schüler dank der elektronischen Bezahlweise ohne Bargeld in der Schule auskommen, kommen viele Schulen dem Ziel einer „bargeldfreien“ Schule wesentlich näher. Was das GeldKarte-System in Schulen leisten kann, zeigt eine Studie von EARSandEYES, bei der 2011 im Auftrag der EURO Kartensysteme GmbH 300 Schüler deutschlandweit befragt wurden. Bargeld verführt eingesetzt werden. Besonders profitieren Kinder und Jugendliche von der Sozialkarte: Sie erhalten damit ihr Mittagessen in der Schule oder Kita kostenlos. Die Chipnummer der verwendeten GeldKarte muss dabei einmal registriert werden, anschließend erkennen Bezahlterminals, die am Subventionsprogramm teilnehmen, die Karte und buchen einen ermäßigten Preis oder „Null Euro“ vom Guthaben ab. Das System funktioniert so gut, dass es nun auf weitere Bereiche ausgedehnt werden soll, z.B: auch auf Kultur- und Freizeitangebote.

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nen jedoch viel mehr: Die Dortmunder UniCard bzw.FHCard dient als Bibliotheksausweis und zum Bezahlen. Mit ihr kann das Semesterticket ebenso abgerufen werden wie Studienbescheinigungen und das Datenkontrollblatt. Die An- und Abmeldung zu Veranstaltungen erledigen Studenten damit schnell und unkompliziert selbst und sie erhalten jederzeit Einsicht in ihre Prüfungsergebnisse und den Notendurchschnitt. Besonderes Plus: Die UniCard erlaubt auch die elektronische Signatur von E-Mails.

Ein Chip – viele Möglichkeiten

image Kunden von Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken in Hannover, Braunschweig und Wolfsburg haben die girogo-Funktion bereits auf ihrer girocard (ehemals ecKarte). und so geben 59 Prozent an, ihr Mittagsgeld schon einmal für etwas anderes verwendet zu haben. Ganz oben auf der Alternativenliste stehen Süßigkeiten (51 Prozent) und Erfrischungsgetränke (47 Prozent) vom Kiosk. Für dieses Jahr ist bereits eine neue Studie zur Schulverpflegung geplant.

Im Einsatz Das überzeugte auch die Stadt Plochingen. Sie führte die GeldKarte als Mensakarte gleich an drei Schulen ein: an der Grund- und Werkrealschule Burgschule, an der dortigen Realschule und am Gymnasium. Weil die Schüler das Mittagessen vorab mit ihrer Mensakarte bestellen und bezahlen, weiß der Caterer mit wenigen Handgriffen, wie viel von welchem Gericht benötigt wird. Sparen können dadurch vor allem die Träger der Mensen und das, ohne an Qualität zu verlieren. Denn wenn genau geplant werden kann, wie viel Essen benötigt wird, kann auch genau das zubereitet werden. Das Ergebnis: günstigere Einkäufe und deutlich reduzierte Abfallmengen bei gleicher Qualität. Im Kantinenbereich bietet ein elektronisches Bezahlsystem wie die GeldKarte noch einen weiteren großen Vorteil: Da kein Bargeld über den Tresen wandert und die Karte immer in der Hand des Schülers verbleibt, ist es besonders hygienisch. Kein Wunder dass mittlerweile über 380 Schulen deutschlandweit auf den Chip der Deutschen Kreditwirtschaft setzen.

NFC macht Schule In Aschaffenburg geht man in der Schulkantine sogar noch einen Schritt weiter und setzt auf die moderne NFC-Technologie. In der Privaten Real- und Wirtschaftsschule Krauß bezahlen die Schüler ihr Mittagessen bereits kontaktlos mit girogo. Weil das Essen dort nun in weniger als einer Sekunde bezahlt ist, verkürzen sich die Warteschlangen und die Kinder können ihre Pause länger genießen. „Wir möchten unseren Schülern die Chance bieten, schon früh ein modernes Bezahlmedium nutzen zu können. Das erhöht für die Schüler den Komfort und sie haben mehr Zeit in den Pausen“, sagt Franz Schuck, Leiter der Ganztagsbetreuung an der Privaten Real- und Wirtschaftsschule Krauß. „Und wir profitieren durch deutlich verbesserte Planbarkeit und reduziertes Bargeldhandling.“ Dabei ist der Chip ein Universaltalent: Kontaktlos bezahlen auch die Studenten der TU Dortmund und der FH Dortmund. Die Studentenausweise mit der GeldKarte-Funktion kön-

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Dass die GeldKarte vielseitig einsetzbar ist kommt nicht nur den Studenten zugute. So kann mit der GeldKarte und mit girogo nicht nur das Mittagessen diskret subventioniert werden, sondern bei Bedarf auch der Nachhilfeunterricht oder der Eintritt ins Hallenbad. Dieses Konzept steht in Einklang mit dem Bildungs- und Teilhabepaket, wie es von der Bundesregierung 2011 beschlossen wurde. Es soll für Chancengleichheit von Beginn an sorgen. Das will auch Uwe Schummer, Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, in seiner Heimatstadt Viersen umsetzen: „Um Chancengleichheit zu garantieren, müssen wir Kinder früh fördern. Das allein ermöglicht unserem Land, sein ganzes Potential auszuschöpfen – die Fähigkeiten seiner Bürger.“

Jugendschutz integriert Dabei müssen sich Eltern sowohl bei kontaktbehaftetem, als auch bei kontaktlosem Einsatz des goldenen Chips keine Sorgen machen, wofür ihre Kinder das Guthaben einsetzen. Auf dem Chip ist ein Jugendschutzmerkmal integriert. Ist der Besitzer der Karte unter 18, können mit ihr weder Alkohol noch Zigaretten am Automaten oder im Geschäft gekauft werden.

Sportlich unterwegs Dass girogo nicht nur flexibel einsetzbar ist, sondern auch belastbar, zeigt der Einsatz in Sport- und Eventstätten. So zahlen Fans bereits seit der Saison 2009/2010 im Stadion des Fußballbundesligisten Bayer 04 Leverkusen kontaktlos mit dem Chip der Deutschen Kreditwirtschaft. Der 1. FSV Mainz 05 setzt seit August 2011 auf den Kontaktlos-Chip als Stadionkarte. Dabei muss das System während der Spiele Höchstleistungen vollbringen. Voll besetzt fassen manche Bundesligastadien bis zu 80.000 Zuschauer. Der große Ansturm auf Imbiss- und Getränkestände in der Halbzeitpause ist auch für ein Bezahlsystem eine logistische Herausforderung. Schließlich wollen die Fans rechtzeitig zur zweiten Halbzeit zurück an ihren Plätzen sein. Dabei hat die Stadionkarte auf Basis des GeldKarte-Chips noch eine Besonderheit: Es ist ein „offenes System“. Das heißt, nach dem Spiel können die Fußballfans ihre Karte auch außerhalb des Stadions zum Bezahlen einsetzen. An deutschlandweit über 600.000 GeldKarte-Akzeptanzstellen, zum Beispiel im öffentlichen Personennahverkehr, an Snack- und an Zigarettenautomaten. Gleichzeitig können Gästefans und Gelegenheitsbesucher auf den Erwerb einer Stadionkarte verzichten und einfach den geladenen GeldKarte-Chip auf der girocard ihrer Bank- oder Sparkassenkarte nutzen.

Zukunftsweg NFC Große Zukunftschancen in allen Bereichen verspricht die NFC-Technologie. Schnelles Bezahlen und kurze Warteschlangen sind dabei für Kunden im Geschäft genauso ein Argument wie für Schüler, wenn sie in der kurzen Mittagspause ihre warme Mahlzeit kaufen. Modern und kontaktlos

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quasi im Vorbeigehen ist alles in weniger als einer Sekunde bezahlt. girogo ist nicht das einzige Bezahlsystem, das auf NFCTechnologie basiert. Kreditkarten und Smartphones können teilweise ebenfalls bereits zum berührungslosen Bezahlen via NFC eingesetzt werden. Doch girogo hat Vorteile: Das Prepaid-System entspricht den hohen Sicherheitsanforderungen der Deutschen Kreditwirtschaft. Das wissen auch die Verbraucher zu schätzen. Eine repräsentative Online-Befragung von EARSandEYES unter 1.040 Bundesbürgern zwischen 18 und 59 Jahren, die im Januar im Auftrag der EURO Kartensysteme GmbH durchgeführt wurde, bescheinigt girogo gute Noten. 43 Prozent der Befragten können sich gut vorstellen, in Zukunft kontaktlos zu bezahlen. Für die restlichen 57 Prozent ist es unter bestimmten Umständen denkbar. Eine große Rolle spielt dabei jedoch, mit welchem Medium berührungs-

Info:

Sie interessieren sich für girogo oder haben Fragen? Schreiben Sie eine E-Mail an: [email protected] los bezahlt werden soll. So sind 58 Prozent bereit, mit der girocard (ehemals ec-Karte) kontaktlos zu bezahlen. Mit dem Smartphone würden 50 Prozent Rechnungen per NFC-Technologie begleichen. Und für 41 Prozent wäre die Kreditkarte als Bezahlmittel denkbar. Grund dafür ist auch die empfundene Sicherheit. Die Bank- oder Sparkassenkarte halten rund Dreiviertel der Befragten für sicher: 26 Prozent der Befragten sind von der Sicherheit des Systems überzeugt. 48 Prozent halten dieses für relativ sicher.

Neuer Personalausweis als Schlüssel zum E-Government Von Christian Mohser – Experte bei Steria Mummert Consulting, Hamburg 90 Prozent der Entscheider in der öffentlichen Verwaltung sehen den neuen Personalausweis als Schlüssel zu einem stärkeren und besseren elektronischen Leistungsangebot von Bund, Ländern und Kommunen. Nach seiner Einführung Ende 2010 in Deutschland sind fast alle Entscheider in den Behörden mit den vielfältigen Funktionen des neuen Personalausweises im Prinzip vertraut. So geben 97 Prozent an, dass sie die Online-Ausweisfunktion kennen. Dennoch ist der Informationsbedarf ungeachtet bereits bestehender Angebote nicht ausgeschöpft. Das ist ein Ergebnis der Studie „E-Government mit dem neuen Personalausweis“ von Steria Mummert Consulting, die im Auftrag des Bundesministeriums des Innern erstellt wurde . Der neue Personalausweis bewegt die öffentlichen Verwaltungen in Deutschland. Er wurde bereits 12 Millionen Mal ausgegeben und bis 2020 wird ihn jeder Bundesbürger haben. Sein großer Vorteil: Mit der Online-Ausweisfunktion (eID-Funktion) können sich die Karten-Inhaber sicher im Internet identifizieren. Das bietet den Bürgern in vielen Fällen einen besseren Service. Bisher mussten sie sich an die Öffnungszeiten der Verwaltung halten oder im Internet verfügbare Dokumente zunächst ausdrucken, unterschreiben und dann per Post auf den Weg schicken. Dieser sogenannte Medienbruch verursachte häufiger Probleme und ist für den Kunden der Verwaltung unbequem. Mit dem neuen Personalausweis wird E-Government deutlich benutzerfreundlicher. Behördengänge können sicher und bequem im Internet durchgeführt werden – überall und jederzeit. Der Meinung sind auch die meisten deutschen Verwaltungen. 87 Prozent aller befragten Entscheider glauben, dass der neue Personalausweis dazu beiträgt, den Service für den Bürger zu erhöhen. Von den Landes- und Bundesbehörden geben die Entscheider einstimmig diese Überzeugung an, auf kommunaler Ebene sind es 84 Prozent . Bund, Länder und Kommunen verfolgen mit dem neuen Personalausweis ein gemeinsames Ziel: Bürokratieabbau und den Durchbruch für ein effizientes und benutzerfreundliches E-Government. Denn alle befragten Entscheider auf Landesund Bundesebene sowie 88 Prozent der Städte und Kommunen sehen den neuen Personalausweis mit der OnlineAusweisfunktion als Möglichkeit, mehr Leistungen als bisher vollständig elektronisch anzubieten. 79 Prozent glauben mit

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dem neuen Personalausweis ihre Verwaltung modernisieren zu können. Dass die moderne und effizientere Arbeitsweise jedoch auch Einsparmöglichkeiten bietet, wollen die Kommunen noch nicht glauben. Von ihnen geben nur 40 Prozent an, Kosten mit dem neuen Personalausweis einsparen zu wollen. Die Bundes- und Landesbehörden erhoffen sich in dieser Beziehung deutlich mehr: 76 Prozent geben Einsparpotenziale als Vorteil des neuen Personalausweises an.

Wissen vorhanden Bei den erhofften Vorteilen für eine moderne Verwaltung verwundert es nicht, dass sich die öffentlichen Verwaltungen in Deutschland zunehmend über den neuen Personalausweis informieren. Nach seiner Einführung Ende 2010 in Deutschland sind fast alle Entscheider in den Behörden mit den vielfältigen Funktionen des Personalausweises im Prinzip vertraut. So geben 97 Prozent an, dass sie die für das EGovernment besonders wichtige Online-Ausweisfunktion kennen. Dabei kennen sich viele Verwaltungen auch bei den Einsatzmöglichkeiten dieser Funktion gut aus. Das am häufigsten genannte Einsatzszenario ist das OnlineAntragsverfahren. 94 Prozent der Entscheider ist bekannt, dass manche Antragsverfahren komplett über eine Webseite abgewickelt werden können. Anträge zum Beispiel für ein polizeiliches Führungszeugnis oder für eine Rentenauskunft erfolgen nicht mehr in Papierform, sondern werden im Internet eingegeben, online verschickt und auch elektronisch innerhalb der Verwaltung weiterverarbeitet. Dadurch kann die durchschnittliche Bearbeitungszeit sinken, das ganze Verfahren wird transparenter und Verwaltungskosten können gesenkt werden. Neben der Möglichkeit von Online-Antragsverfahren ist vielen Verwaltungen auch die Altersbestätigung mit dem neuen Personalausweis bekannt. 77 Prozent der Entscheider wissen, dass mit eingeschalteter eID-Funktion eine Angabe erfolgen kann, ob der Ausweisinhaber ein bestimmtes Alter über- oder unterschreitet. Diese auch vom Zigarettenautomaten bekannte Funktion zum Jugendschutz kann mit dem neuen Personalausweis auch online eingesetzt werden. So kann verhindert werden, dass Jugendliche in Online-Shops Tabakwaren, Spirituosen oder nicht-jugendfreie Filme kaufen. Auch die Kommunikation mit einer Behörde kann alters-

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beschränkt sein, etwa für die Stadtbücherei oder Anträge wie die Gewerbeanmeldung. Dabei bleibt der Datenschutz erhalten, denn es wird nicht das genaue Geburtsdatum übermittelt, sondern nur, ob ein bestimmtes Alter (zum Beispiel 18 Jahre) überschritten wird. Neben dem Alter kann auch der Wohnort mit der OnlineAusweisfunktion bestätigt werden. Damit kann überprüft werden, ob ein Antragsteller tatsächlich an einem bestimmten Wohnort gemeldet ist. Diese Funktion ist gerade für Kommunen wichtig, die ein Bürgerportal anbieten wollen. Die Möglichkeit, mit dem neuen Personalausweis ein Bürgerkonto zu eröffnen, das den Zugang zu weiteren Verwaltungsverfahren erlaubt, ist ebenfalls 69 Prozent bekannt. Die Registerauskunft ist rund drei Viertel der Befragten ein Begriff. Dabei können Informationen aus dem Melde- oder Bundeszentralregister abgefragt werden. So wird zum Beispiel die Punkteabfrage beim Verkehrszentralregister in Flensburg einfacher. Das Trendthema E-Partizipation ist noch nicht in allen Verwaltungen bekannt. Nur 31 Prozent stimmen der Aussage zu, dass der neue Personalausweis dazu beiträgt, den Bürger an Verwaltungsentscheidungen zu beteiligen. Dabei würde eine elektronische Identifizierung bei Bürgerentscheiden wie zu Stuttgart 21 Aufwand und Kosten in der Verwaltung reduzieren und dazu beitragen, die Beteiligung zu erhöhen.

Praxisbeispiele Einige Kommunen und Behörden haben ihr Wissen bereits umgesetzt und Anwendungen mit dem neuen Personalausweis eingeführt. Insgesamt sind bisher 36 Online-Anwendungen verfügbar. Die westfälische Stadt Münster gehört zu den Vorreitern im E-Government mit dem neuen Personalausweis. Münster ist nach eigenen Angaben die erste Stadt, bei der Bürger ein Führungszeugnis online über das Internet bestellen können anstatt persönlich beim Amt vorsprechen zu müssen. Die elektronische Übermittlung vom heimischen PC des Bürgers über das Amt bis zum Bundesamt für Justiz verkürzt nach Angaben der Amtsleitung die Bearbeitungszeiten und verringert die Fehler, die beim Einlesen einer schriftlichen Antragstellung auftreten können. Auch der Antrag für ein Kfz-Wunschkennzeichen und die Bestellung von Personenstandsurkunden oder Katasterauszügen können in Münster komplett online erledigt werden. Sollen Elektrogroßgeräte von den Abfallwirtschaftsbetrieben abgeholt und entsorgt werden, genügen ein paar Klicks und der neue Personalausweis. In den kommenden Wochen und Monaten sollen die Möglichkeiten zur Nutzung der Online-Ausweisfunktion weiter ausgebaut werden. Auch Ingolstadt hat bereits einige Funktionen vorzuweisen. Seit Juni 2011 können sich die Ingolstädter über das Bürgerserviceportal auf der städtischen Internetseite mit dem neuen Personalausweis registrieren. Danach stehen mehrere Online-Formulare zur Verfügung. Zum Beispiel für das Wunschkennzeichen oder den Antrag auf eine Feinstaubplakette. Täglich gehen etwa acht Online-Anträge in der Verwaltung ein – es sollen jedoch deutlich mehr werden, denn die Stadt möchte ihr Angebot noch in diesem Jahr erweitern. Künftig sollen etwa Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister online möglich sein.

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Doch die Praxisbeispiele wurden scheinbar nur von einer kleinen Gruppe von Vorreitern umgesetzt. Bisher haben nur neun Prozent der befragten Entscheider aus deutschen Verwaltungen eine Anwendung im Angebot. 20 Prozent planen, in den kommenden zwölf Monaten eine Anwendung umzusetzen, 41 Prozent planen dies zwar ebenfalls, haben aber noch keinen Zeitplan definiert. 31 Prozent werden in den kommenden zwölf Monaten definitiv keine Anwendung anbieten.

Weitere Informationen benötigt Das Wissen um die Potenziale, die sich mit der Nutzung des neuen Personalausweises bieten, kommen bei den Kommunen noch zu wenig an. Viele Verwaltungen suchen nach ganz spezifischen Informationen, die Anwendungsbeispiele aus Kommunen mit den exakt gleichen Voraussetzungen an Mitarbeiter- und Einwohnerzahl oder IT-System bieten. 88 Prozent wünschen sich mehr Informationen über bestehende und geplante Anwendungen und 87 Prozent einen direkten Erfahrungsaustausch mit anderen Anbietern. Weil der Wissensbedarf sehr individuell ist, konnten einige Befragte bisher die benötigten Informationen nicht finden. So geben sieben Prozent an, bei ihrer Suche nach Informationen über bestehende Angebote nichts gefunden zu haben, weitere 58 Prozent fühlen sich nur teilweise informiert. Bei Veröffentlichungen in Fachzeitschriften oder Newslettern vermissen drei Prozent die nötigen Informationen und 64 Prozent sind zumindest bei einigen ihrer Fragen ohne Antwort geblieben. Die guten Beispiele aus Münster oder Ingolstadt sind immerhin noch 23 Prozent der Befragten unbekannt. Das Wissensdefizit ist bei dem Angebot der Deutschen Rentenversicherung am größten: 46 Prozent haben davon noch nichts gehört. Es könnte an den fehlenden exakten Informationen liegen, dass Behörden das künftige Potenzial der Online-Ausweisfunktion noch nicht klar beurteilen können. Etwa die Hälfte aller Verwaltungen sieht ein großes Potenzial, die anderen hingegen ein geringes. Die größten Möglichkeiten können mittelgroße Kommunen mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern erkennen – hier sehen 61 Prozent ein großes Potenzial. Bei kleinen Kommunen sind es nur 44 Prozent.

Hindernisse bei der Anwendung Die noch etwas schleppende Umsetzung von Online-Anwendungen mit dem neuen Personalausweis liegt auch an einigen Hürden, die von den Kommunen wahrgenommen werden. Dabei machen vor allem die internen Umstellungsprozesse den Verwaltungen zu schaffen. Vor der Einführung von Anwendungen nennen 89 Prozent die Finanzierung als

Info:

Alle Behörden, die Anwendungen mit dem neuen Personalausweis oder auch De-Mail planen oder diese bereits realisiert haben, können an der Initiative teilnehmen. Bei Interesse an den Unterstützungsmaßnahmen werden Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen gebeten, möglichst kurzfristig das Formular „Bereitstellung von Unterstützungsleistungen aus der E-Government-Initiative“ auszufüllen und per E-Mail ([email protected]) an das Referat IT4 im BMI zu senden. Mehr Informationen zur Initiative und das Formular zum Download finden sich unter www.personalausweisportal.de oder www.de-mail.de.

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größte Herausforderung. Denn im Gegensatz zu den noch recht unklaren Einsparmöglichkeiten verursachen Schulungen des Verwaltungspersonals, IT-Projekte und die Umstellung von Papier-Dokumenten auf Onlineformulare einige Kosten. Diese Umstellung der internen Verwaltungsprozesse wird mit 83 Prozent am zweithäufigsten als größte Herausforderung genannt. Dies braucht Zeit, verursacht Kosten und bindet Personal in Schulungen und im Projektmanagement. Weiterhin stellen die Identifikation geeigneter Verwaltungsprozesse, die Einteilung der personellen Kapazitäten und die Qualifizierung der Mitarbeiter weitere Herausforderungen für die Verwaltung auf dem Weg zum EGovernment dar. Ist die Entscheidung für eine Online-Anwendung gefallen, befürchten die öffentlichen Verwaltungen weitere Herausforderungen bei der Umsetzung. 82 Prozent sehen die Anpassung der Fachverfahren als größte Aufgabe. Schließlich verlangt die Arbeit mit rein digitalen Daten andere Arbeitsschritte als papierbasierte Formulare. 52 Prozent machen sich Gedanken über die Anpassung der eigenen IT-Systemlandschaft. 40 Prozent sehen in der Auswahl und Einrichtung eines eID-Servers ein potenzielles Problem. 71 Prozent der befragten Entscheider in Kommunen glauben zudem, dass es Anwendungen und Verfahren in ihrem Verwaltungsbereich gibt, die aufgrund bestehender Schriftform-Erfordernisse nicht für die Online-Ausweisfunktion geeignet sind. 32 Prozent wussten nicht, um welches Schriftformerfordernis es dabei konkret geht, die anderen Befragten konnten 49 Verfahren aufzählen. 43 Prozent sehen Probleme mit der Schriftform im Meldewesen, 14 Prozent beim Bauantrag, acht Prozent bei Beurkundungen. Immerhin sechs Prozent sehen das Führungszeugnis als problematisch für die Nutzung der Online-Ausweisfunktion an, obwohl Münster dieses bereits komplett online anbietet. Weiterhin genannt werden Gewerbeanmeldungen, Führerschein, Steuern, Wahlen, Kfz-Zulassungen und der Fischereischein. Ein weitere Herausforderung ist die Angst vor Sicherheitsrisiken auf Seiten der Bürger. Viele Inhaber eines neuen Personalausweises schalten ihre Online-Ausweisfunktion nicht ein und können daher auch die E-Government-Angebote nicht nutzen. Die eID-Einschaltquote liegt bundesweit aktuell nur bei 30,41 Prozent. Doch es zeigt sich, dass eine gute Informationspolitik hier viel bewirken kann. Werden die Inhaber des Personalausweises in den Bürgerämtern gut beraten, verdoppelt sich die Einschaltquote teilweise. In Ingolstadt liegt sie bei stattlichen 63,67 Prozent und in Münster immerhin bei 40,88 Prozent. Verwaltungen sollten schon bei der Ausstellung die Bürger dazu anregen, die eID-Funktion zu aktivieren, eine spätere Aktivierung ist mit Kosten für den Bürger und die Verwaltung verbunden und nur mit einer großen Verbreitung der Online-Ausweisfunktion können erfolgreiche Projekte gelingen.

E-Government-Initiative Die Verbesserung der Informationspolitik sowie die Erhö-

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hung der eID-Einschaltquote sind Ziele der E-GovernmentInitiative des Bundesministeriums des Innern. Diese im März auf der Cebit gestartete Initiative möchte besonders Kommunen bei der Umsetzung der Online-Ausweisfunktion unterstützen. Sie greift den Bedarf der Verwaltungen nach mehr Informationen über Praxisbeispiele sowie Wissenstransfer auf. Immerhin wünschen sich 79 Prozent der Befragten verfügbare Musterprozesse, 81 Prozent finden eine verwaltungsübergreifende Einführung zum Beispiel in Form von Verbundprojekten hilfreich. Deshalb ist eine der ersten Maßnahmen der Initiative die zeitnahe Veröffentlichung von Erfahrungswissen im Internet. Es sollen erfolgreiche Musteranwendungen für alle interessierten Verwaltungen identifiziert werden, die umfassende Informationen zu „Best Practice“-Vorhaben liefern. Die Mehrwerte sollen verdeutlicht und bekannt gemacht werden um einen breiten Einsatz des neuen Personalausweises in der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten. Doch neben dem Informations- und Wissensaufbau wird vor allem der Abbau von Hürden in den Bereichen Recht, Technik und Organisation vorangetrieben. Verwaltungen können sich beim Bundesministerium des Innern bewerben, um beispielsweise Unterstützung in Form von Workshops oder Beratung zu Projektmanagement und Prozessumstellung zu erhalten. Denn zentraler Bestandteil der E-Government-Initiative ist die Unterstützung von Modellvorhaben, damit diese dann deutschlandweit als „Best Practice“-Lösungen identifiziert, umgesetzt und anderen Verwaltungen als Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden können. Dabei werden Anwendungen bevorzugt, die möglichst vielen Nutzern einen hohen Mehrwert bieten.

Gemeinsam stark Die E-Government-Initiative initiiert einen Austausch zwischen verschiedenen Kommunen und fördert die übergreifende Zusammenarbeit. Denn 81 Prozent der Befragten wünschen sich eine verwaltungsübergreifende Umsetzung von Anwendungen zum Beispiel in Form von Verbundprojekten. Bisher finden diese übergreifenden Projekte vor allem durch zentrale Dienstleister statt, die mehreren Kommunen eine gemeinsame Basiskomponente anbieten. Die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) bringt im Freistaat das Thema Online-Ausweisfunktion voran. Die bayrischen Behörden können über das Serviceportal künftig ihre Online-Dienste an die eID-Funktion des neuen Personalausweises anbinden und den Bürger bei Nutzung der Dienste somit rechtssicher identifizieren. Die Bayern können auf Erfahrungen aus den Städten Ingolstadt und Würzburg zurückgreifen. Auch das Finanzministerium Thüringen bietet den Gemeinden im Bundesland eine einheitliche Diensteplattform, die eine Authentifizierung mit der Online-Ausweisfunktion vorsieht. Wenn mehrere Kommunen Online-Angebote in einem einheitlichen Verfahren abbilden können Kosten auf mehrere Schultern verteilt und Synergieeffekte erzielt werden. So lassen sich gleich mehrere genannte Hürden wie Finanzierung und Schwierigkeiten in den Umstellungsprozessen meistern.

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Kommunales Forderungsmanagement – Liquiditätsreserven freisetzen Von Karsten Schneider – Geschäftsführer der Bad Homburger Inkasso Trotz des guten Wirtschaftswachstums und zunehmender Gewerbesteuereinnahmen haben Kommunen das Jahr 2011 mit einem Defizit von 2,9 Milliarden Euro abgeschlossen. Allein die Kassenkredite der Kommunen sind im letzten Jahr nach Aussage des Deutschen Städte- und Gemeindebundes um fast 6 Milliarden Euro auf 45 Milliarden Euro angestiegen. Demgegenüber schätzen Experten die Außenstände der Kommunen auf 14 Milliarden Euro. Diese ungenutzten Liquiditätsreserven können mit einem professionellen Forderungsmanagement freigesetzt werden. Deshalb greifen immer mehr Städte und Gemeinden auf die Unterstützung spezialisierter Dienstleister zurück. Als Partner der Kommunen bietet die Sparkassen-Finanzgruppe ihren Kommunalkunden professionelle Lösungen im Forderungsmanagement an. Außenstände können aufgrund der umfassenden Spezialisierung schneller, wirtschaftlicher und mit höheren Zahlungsrückflüssen realisiert werden. Das Kompetenzcenter für Forderungs- und Sicherheitenmanagement der Sparkassen-Finanzgruppe, die Bad Homburger Inkasso (BHI), ist heute für rund 100 Städte, Gemeinden und Landkreise sowie kommunalnahe Unternehmen wie Wohnungsbaugesellschaften, Stadtwerke, Krankenhäuser und Verkehrsbetriebe tätig. Bis vor drei Jahren standen die Dienstleistungen der Spezialisten in Bad Homburg exklusiv den Sparkassen und Verbundunternehmen zur Verfügung. Aufgrund des hohen Bedarfs und der steigenden Nachfrage von Kommunal- und Mittelstandskunden, ist das Angebot mittlerweile fester Bestandteil des Sparkassen-Finanzkonzeptes. Die Dienstleistungen werden von den Sparkassen an interessierte Kommunen vermittelt.

Spezialisierung bietet Vorteile Die Abwicklung notleidender, gekündigter, ausgemahnter und niedergeschlagener Forderungen sowie die Vermarktung von Sicherheiten ist sehr zeit- und kostenintensiv. Zu dem eigentlichen Ausfall der Forderung summieren sich hohe Kosten für die Abwicklung: Personal- und Sachkosten sowie weitere Fremdkosten für Anschriftenermittlungen oder das Mahnund Vollstreckungsverfahren. Umfassendes Know-how sowie standardisierte und automatisierte Geschäftsprozesse sind die wesentlichen Voraussetzungen für eine betriebswirtschaftlich effiziente und professionelle Bearbeitung von Forderungen. Sie sind Garanten für eine dauerhaft hohe Bearbeitungsqualität und minimieren gleichzeitig die Fehlerquote. Die BHI unterstützt ihre Kommunalkunden bei der Herausforderung, den gesamten Prozess des Forderungsmanagements zu optimieren. Viele Kommunen verfügen bereits über ein gut funktionierendes Forderungsmanagement, aber es mangelt an personellen Ressourcen und die hohen internen Kosten für den Mahnprozess belasten zusätzlich die Haushaltskasse. Forderungen können deshalb nicht mit der Intensität und Konsequenz bearbeitet werden, wie es spezialisierte Dienstleister tun, um die Zahlungsrückstände gleichermaßen effizient wie effektiv abzubauen.

Unterstützungsleistungen für den Einzug öffentlich-rechtlicher Forderungen Das Angebot der BHI an Kommunen im Bereich öffentlichrechtlicher Forderungen aus Gebühren und Abgaben richtet sich ausschließlich auf Unterstützungsleistungen beim For-

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derungseinzug im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Alle hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse verbleiben bei der Kommune. Die delegierten Aufgaben und Bearbeitungsprozesse werden deshalb gut aufeinander abgestimmt und vertraglich festgelegt. Die Verwaltung der Daten unterliegt den strengen Weisungsvorgaben und der Kontrolle des Auftraggebers.

Serviceleistungen für Kommunen – Langfristige Überwachung und Bearbeitung niedergeschlagener Forderungen nach strikten Weisungsvorgaben der Kommune. – Schriftliche Korrespondenz und telefonische Kontaktaufnahme, um einvernehmliche Rückzahlungsvereinbarungen mit den zahlungspflichtigen Kunden abzustimmen. – Sofern die außergerichtlichen Maßnahmen erfolglos bleiben und Hinweise auf finanzielle Rückzahlungsspielräume vorliegen, wird der Vorgang an die zuständige Vollstreckungsbehörde zurückgegeben. – Sofern der Kunde unbekannt verzogen ist, werden Anschriftenermittlungen durchgeführt. – Im Auftrag der Kommune werden Amtshilfeersuche gestellt. – Auch Kleinstforderungen können wirtschaftlich sinnvoll in die Bearbeitung übernommen werden. Gegenüber den zahlungspflichtigen Kunden werden beim Einzug öffentlich-rechtlicher Forderungen keine weiteren Gebühren geltend gemacht. Kommunen profitieren durch die Unterstützungsleistungen von schnelleren und höheren Zahlungseingängen und die Anzahl der Vollstreckungsmaßnahmen können deutlich reduziert werden.

Kosten- und Erlösvorteile Der Mehrwert des Outsourcings ergibt sich für die Auftraggeber im Wesentlichen aus den nachfolgenden Gründen und ist abhängig von der Forderungsart und des Umfangs der Beauftragung: Kostenvorteile – Fixkosten werden im Rahmen des Outsourcings durch variable Kosten ersetzt. – Personalkosten für die Eigenabwicklung werden erheblich reduziert. – Sachkosten für die Arbeitsplätze der Eigenabwicklung wie Softwarelizenzen, Räumlichkeiten, Infrastruktur und PC-Kapazitäten werden reduziert. – Investitionskosten in Technik und Prozesse für die Eigenabwicklung entfallen. – Das Fremdkostenrisiko im Nichterfolgsfall wird teilweise auf den Outsourcing-Partner übertragen. Erlösvorteile – Steigerung der Bearbeitungsintensität durch standardisierte und automatisierte Prozesse. – Durch eine höhere Schuldnerkontaktquote können mehr Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen werden. – Auch langfristige Bearbeitungs- und Überwachungsprozesse können mit standardisierten und automatisierten Bearbeitungsprozessen wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden.

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– Sowohl Altfälle als auch Kleinstforderungen können wirtschaftlich sinnvoll bearbeitet werden. Weitere Vorteile – Umfangreiches Reporting und damit höhere Transparenz für den Auftraggeber. – Die Inkassophilosophie „Fair. Seriös. Professionell.“ ist auf die Belange öffentlich-rechtlicher Institutionen ausgerichtet. – Hohe Rechtssicherheit durch vertraglich vereinbarte Qualitäts- und Sicherheitsstandards.

Langer Atem zahlt sich aus Aufgrund der langjährigen Bearbeitungszeit von gekündigten,

ausgemahnten und niedergeschlagenen Forderungen wird der volle Nutzen und Mehrwert erst nach mehreren Jahren erreicht. Aber gerade darin liegt der Vorteil der Spezialisten: Sie sind aufgrund ihrer schlanken und effizienten Prozesse in der Lage, den vorübergehend zahlungsunfähigen Kunden ausreichend Zeit einzuräumen, die Forderungen entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten langfristig zurückzuzahlen. Dabei wird stets das Ziel einer vollen Rückführung der Forderung verfolgt. Für Kommunen als auch für Sparkassen hingegen ist es oftmals wirtschaftlicher, sich möglichst schnell auf eine Vergleichszahlung mit dem Kunden zu einigen oder die Beitreibungsmaßnahmen einzustellen, um die hohen internen Prozess- und Überwachungskosten langfristig einzusparen. Sie verzichten damit jedoch auf einen erheblichen Teil ihrer Forderung.

Öffentlich-Private Partnerschaften in deutschen Kommunen – ein Überblick Von Bernward Kulle – Vorstand und Anja Tannhäuser – Leiterin Marketing & Kommunikation, Partnerschaften Deutschland, ÖPP Deutschland AG, Berlin Bröckelnde Fassaden, undichte Dächer, zugige Fenster, veraltete Haustechnik – der Investitionsstau der deutschen Kommunen ist unübersehbar. Egal ob Kindertagesstätten, Rathäuser, Schulen, Schwimmbäder, Sportplätze oder kommunale Straßen, fast jede Kommune schiebt einige dringende Sanierungs- oder Neubauprojekte vor sich her. Durch Schuldenbremse, sinkende Steuereinnahmen, CO2-Einsparziele und den interkommunalen Wettkampf zur Erhaltung der regionalen Standortqualität sind viele Kommunen in eine Zwickmühle geraten. Bereits im Jahre 2008 bezifferte das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) den Nachholbedarf bei der öffentlichen kommunalen Infrastruktur auf 75 Milliarden Euro, der Investitionsbedarf bis zum Jahr 2020 wurde von den gleichen Experten auf über 700 Milliarden Euro geschätzt1. Die KfW spricht in ihrem kürzlich erschienenen Kommunal Panel 2012 von immerhin 100 Mrd. Euro Investitionsstau bis 2020.) Vor allem bei Straßen, Schulen und Sportstätten wurde erheblicher Bedarf festgestellt, sowohl als altersbedingter Ersatz wie auch als notwendige Erweiterung. Gleichzeitig empfahlen die Experten des DIFU die verstärkte Anwendung Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) als einen geeigneten Lösungsweg. Also die Planung, den Bau, die Finanzierung und den Betrieb öffentlicher Infrastruktur gemeinsam mit einem privaten Partner. Dabei stützten sie ihre Empfehlung auf die überwiegend positiven Erfahrungen der bis dahin realisierten rund 80 kommunalen ÖPP-Projekte im Hoch- und Tiefbau. Gut drei Jahre später, im Mai 2012, hat sich diese Zahl auf über 130 erhöht. Das Investitionsvolumen dieser Projekte beträgt rund 2,9 Milliarden Euro2. ÖPPs haben sich als Beschaffungsalternative etabliert.

Länder Schleswig-Holstein (Investitionen in Höhe von 47 Millionen Euro) und Brandenburg (Investitionen in Höhe von 34 Millionen Euro). Das höchste Investitionsvolumen wurde in Hessen realisiert (196 Millionen Euro). Niedersachsen wies das zweithöchste Investitionsvolumen auf, gefolgt von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg.3 Nordrhein-Westfalen bleibt bei einer kumulativen Betrachtung über die Jahre bezogen auf die Projektanzahl und das Investitionsvolumen Spitzenreiter auf kommunaler Ebene. Mit insgesamt 48 Projekten (46 im Hochbau, 2 im Tiefbau) mit einem Investitionsvolumen von 857 Millionen Euro zwischen 2002 und April 2012 bleibt der Anteil an allen kommunalen ÖPP-Projekten auch ohne Projekte im Jahr 2011 mit 37°Prozent (Anzahl) bzw. 30°Prozent (Investitionsvolumen) bestehen. Mit deutlichem Abstand folgen nach Investitionsvolumen die Kommunen in Hessen (12 Projekte, 738 Mio. Euro), Bayern (9 Projekte, 249 Mio. Euro), Baden-Württemberg (9 Projekte, 236 Mio. Euro) Schleswig-Holstein (16 Projekte, 228 Mio. Euro) und Sachsen-Anhalt (9 Projekte, 180 Mio. Euro).

Verteilung Zwar sind die Abschlusszahlen pro Jahr der neuen kommunalen ÖPP-Projekte seit 2008 gesunken, doch nach dem Auslaufen der Konjunkturpakete sind wieder vermehrt Kapazitäten für die Planung und Durchführung von ÖffentlichPrivaten Partnerschaften frei geworden und vermehrt Bedarf entstanden. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen für das Jahr 2011. Im kommunalen Bereich wurden 2011 erstmals die meisten Projekte in Niedersachsen vertraglich abgeschlossen (drei Projekte mit einem Investitionsvolumen von 93 Millionen Euro). Dahinter folgen mit zwei Projekten die

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Abbildung 1: Kommunale ÖPP-Projekte im Hoch- und Tiefbau ab 2002 nach Bundesländern, April 2012, Quelle: Partnerschaften Deutschland AG

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Anwendungsfelder/Kategorien

Finanzierungsmodelle

Die Anwendungsfelder für ÖPP-Projekte sind dabei vielfältig. Der größte Anteil der Hochbauprojekte entfällt auf den Bildungsbereich mit einem Anteil von fast 50°Prozent, gemessen am Investitionsvolumen beträgt der Anteil 56°Prozent (rund 1,6 Milliarden Euro Investitionen). Dabei umfasst diese Gruppe frühkindliche Erziehungsangebote wie Krippen und Kindertagesstätten, allgemeinbildende Schulen von der Grundschule bis zum Gymnasium sowie Bildungszentren und Berufsschulen. Seit 2002 wurden rund 230 allgemeinbildende Schulen mit mehr als 800 Gebäuden im Rahmen von ÖPP-Projekten saniert oder neu errichtet. Innerhalb des Bildungssektors ist dies die größte Gruppe. Dahinter folgen mit jeweils zehn Projekten die Teilsektoren Kindertagesstätten und Berufsschulen. Hierbei fällt besonders auf, dass der Anteil der Horte und Kindertagesstätten noch recht gering ausfällt. Hinsichtlich der ab 2013 gesetzlich festgelegten Betreuungsquote von 30°Prozent der unter drei jährigen Kinder und des noch hohen offenen Bedarfs war eine größere Anzahl an Kitaprojekten in den letzten beiden Jahren erwartet worden. Die ÖPP Deutschland AG hat 2011 untersucht, wie Kitaprojekte als ÖPP gestaltet werden können und welche Erfolgsfaktoren dabei eine Rolle spielen. Mit deutlichem Abstand und einem Anteil von 30°Prozent an allen kommunalen ÖPP-Projekten folgen Projekte aus dem Sektor Freizeit mit rund 550 Millionen Euro Investitionen. Bei der Hälfte dieser Projekte handelt sich um Bäderprojekte, wobei die Spanne vom normalen Hallenbad für den Vereins- und Freizeitsport bis zum Erlebnisbad mit Riesenrutschen und Sauna- und Wellnesslandschaften reicht. Einen weiteren Schwerpunkt innerhalb dieser Gruppe bilden Sporthallen von der normalen Dreifeldsporthalle bis zur universell nutzbaren Multifunktionsarena.

Bei den Finanzierungsstrukturen überwiegen gemessen an den Fallzahlen die Projekte mit Forfaitierung mit Einredeverzicht (Forderungsabtretung) gegenüber der Projektfinanzierung sehr deutlich. 85°Prozent der Projekte und 80°Prozent der Investitionen wurden mit Hilfe einer Kreditfinanzierung mit anschließender Forfaitierung und Einredeverzicht nach Inbetriebnahme finanziert. Aber auch das sogenannte „bayrische Modell“ mit einer vollständigen Tilgung der Baufinanzierung nach der Inbetriebnahme und langfristige Refinanzierung durch die kommunale Hand wurde in letzter Zeit einige Male abgeschlossen.

Verwaltungsgebäude machen einen Anteil von rund 11 Prozent an den kommunalen ÖPP-Hochbauprojekten aus. Es handelt sich im Wesentlichen um Kreis- und Rathäuser sowie um Landratsämter mit Projektgrößen von 5 bis fast 100 Millionen Euro. In den vergangenen drei Jahren hat dieser Sektor auf kommunaler Ebene am stärksten nachgelassen. Stark zulegen konnte dagegen der Bereich der Sicherheit. Bei diesen Projekten handelt es sich um Feuerwachen, Feuerwehrgerätehäuser und Rettungszentren. Ebenfalls zulegen konnte der Sektor Gesundheitswesen mit einem Anteil von fünf Prozent. Diesen Trend bestätigen auch die Zahlen der Projekte, welche sich derzeit in der Vorbereitung oder in der Ausschreibungsphase befinden. Den Großteil bilden nach wie vor Bildungs- sowie Freizeitprojekte. Vor allem Feuerwachen und Kranken- und Pflegeeinrichtungen haben ihren Anteil jedoch deutlich ausgebaut.

Vertragsmodelle Bei den ÖPP-Vertragsmodellen dominiert das Inhabermodell, das heißt, das Grundstück bleibt während der gesamten vereinbarten Laufzeit des Projektes im Eigentum des öffentlichen Auftraggebers. Im Jahr 2011 kam bei allen Hochbauprojekten das Inhabermodell zur Anwendung, wodurch sich der prozentuale Anteil gemessen an der Projektzahl auf fast 78°Prozent erhöhte. Bei Zugrundelegung des Investitionsvolumens liegt dieser Wert bei rund 73°Prozent. Immerhin noch bei 10 der 131 Projekte wurde eine Konzession vereinbart. Bei den Vorhaben handelt es sich fast ausschließlich um Bäderprojekte. Der Anteil dieser Projekte am Investitionsvolumen beträgt lediglich rund sechs Prozent. Alle anderen Vertragsmodelle wie Mietmodelle oder Leasing spielen auf kommunaler Ebene bei ÖPP-Projekten im Hoch- oder Straßenbau kaum eine Rolle.

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Wirtschaftlichkeit und nicht-monetäre Vorteile Von 87 kommunalen ÖPP-Projekten (im Hoch- und Tiefbau) liegen die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Vertragsabschluss vor. Im Durchschnitt beträgt der Effizienzvorteil der kommunalen ÖPP-Projekte rund 13°Prozent gegenüber dem für die konventionelle Realisierung errechneten Public Sector Comparator (PSC). Fast ebenso wichtig wie die monetären sind die nicht-wirtschaftlichen Vorteile mit positiven Effekten für die Nutzer, wie zum Beispiel die nachhaltige Bereitstellung der Infrastrukturprojekte mit gleich bleibenden, vergleichsweise hochwertigen Qualitäten (auch in den sogenannten „service levels“ und Reaktionszeiten), gesteigerte Funktionalität, vergleichsweise kurze Bauzeiten mit wenigen Überschreitungen oder innovative Ausführungen. Neben der wiederholt untersuchten Nutzerzufriedenheit in ÖPP-Projekten („Sanierung Schulen Eppelheim“ des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg4, „Nutzerzufriedenheit bei ÖPP-Schulprojekten“ des Instituts für Demoskopie Allensbach5) steigen mit der Anzahl der Projekte auch die Rückmeldungen zur erfolgreich umgesetzten Einbindung des regionalen Mittelstands („Sanierung Schulen Eppelheim“ des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg6, „Beteiligung des Mittelstands an PPP Projekten“ der TU Stuttgart7). Als für die regionale Wirtschaftsentwicklung förderlich wird die Einbindung des Mittelstandes über durchschnittlich 83 Prozent des Auftragswertes und über 73 Prozent des Auftragswertes an Unternehmen innerhalb eines Umkreises von 100 Kilometern zum Projektstandort angesehen. „Die Effizienz steigt mit der Qualität eines Gebäudes“, hebt Dr. Peter Ramsauer, MdB, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, im Vorwort zum im Herbst 2011 veröffentlichten Forschungsbericht „Architekturqualität für ÖPP“8 hervor. Diese Studie untersuchte anhand von 17 Fallstudien, die aus 92 in ÖPP realisierten Hochbauprojekten ausgesucht worden waren, wie architektonische Qualität bei Projekten in Öffentlich-Privater Partnerschaft sicher gestellt werden kann. In der Pflicht wird hier vor allem auch der öffentliche Auftraggeber gesehen, der die Qualität vor allem durch eine entsprechende Gestaltung der Anforderungen und Wertungskriterien in der Ausschreibung einfordern muss – aber auch in späteren Projekt-Phasen. Wie wichtig die Lebenszyklusbetrachtung für eine effiziente Haushaltsführung sein kann, hat die ÖPP-Taskforce NRW im Jahr 2011 untersucht9. Es wurden beispielhaft drei Bestandsbauten verglichen und untersucht, inwiefern eine Sanierungsmaßnahme in konventioneller oder ÖPP-Realisierung gegenüber dem „Nichtstun“ der sogenannten „Nullvariante“, also einem bloßen Funktionserhalt vorteilhaftig ist.

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Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass „Nichtstun“ am teuersten ist; also in der Summe einer vollständigen Finanzplanung aus buchhalterischer Gebäudesubstanz und Sanierungsausgaben das schlechteste Ergebnis erzielt . Die vorgelegten Rechenbeispiele zeigen, dass die Gesamtbelastung bei einer Betrachtung von allen anfallenden Kosten (Instandhaltungsmaßnahmen, Betriebskosten, Verfügbarkeitsund Nutzungsrisiken, saldiert mit dem mit gesetzmäßiger Abschreibung bewerteten Gebäuderestwert) über einen längeren Zeitraum hin höher ist als bei der Sanierung eines Gebäudes. Die dahinter stehende Lebenszykluskostenanalyse verdeutlicht, dass bei einem Vergleich aller über die Laufzeit eines Projektes entstehenden Kosten ÖPP-Modelle eine nachhaltig effiziente Alternative für die Bestandssanierung sein können. Die aufgezeigten immateriellen Vorteile sowie jene hinsichtlich der Effizienz bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten als ÖPP veranlassen mehr als 58°Prozent der Städte über 50.000 Einwohner zu einer Einschätzung von „ÖPP als Zukunftsoption“10. Kleinere Gemeinden geben immerhin noch zu ca. 45°Prozent diese Bewertung von ÖPP an. Unter den befragten Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern haben bereits 45,1°Prozent Erfahrungen mit ÖPP gesammelt, wohingegen die kleineren zu einem Viertel (zwischen 7.500 und 10.000 Einwohnern) und zu einem Zehntel (unter 2.500 Einwohner) ÖPP-Erfahrung gesammelt haben. ÖPP als Chance für eine wirtschaftliche Gestaltung der kommunalen Zukunft wird hier wahrgenommen.

Projekte in weiteren Sektoren Neben den klassischen und bauinvestitionsorientierten ÖPPProjekten existieren bereits etliche Projekte in Öffentlich-Privater Partnerschaft, welche sowohl hinsichtlich des Lebenszyklusansatzes wie auch des Partnerschaftsgedankens große Ähnlichkeiten mit den im Hoch- und Tiefbau angewandten Modellen aufweisen. Dabei handelt es sich um Projekte, die neben einer sachlichen Investition vor allem eine wesentliche Dienstleistung beinhalten.

Wachstumssektor Gesundheit: Technologiepartnerschaften erfolgreich Mittlerweile ist eine ganze Reihe von ÖPP-Projekten im Gesundheitswesen in der Umsetzung. Fünf dieser Projekte befinden sich in kommunaler Trägerschaft. Neben der klassischen ÖPP-Hochbauvariante gibt es auch bereits laufende Projekte mit teilweiser Einbeziehung von medizintechnischen Leistungen, wie auch Technologiepartnerschaften mit dem Fokus auf die Medizintechnik der betreffenden Kliniken. Zum Vorzeigeprojekt hat sich das Projekt Gesundheitszentrum Ruit entwickelt. Innerhalb von weniger als zwei Jahren wurde das bundesweit erste multifunktionale ÖPP-Krankenhausprojekt geplant, gebaut und unter Einschluss der Leistungen der festen Medizintechnik schlüsselfertig im November 2011 feierlich eingeweiht. Das Projekt mit einem Investitionsvolumen von 52 Millionen Euro hat eine Laufzeit von 20 Jahren und wurde Mitte 2011 vom Bundesverband PPP mit dem Innovationspreis ausgezeichnet. Mitten in der Bauphase befindet sich das ÖPP-Projekt „Neubau Hochtaunus-Kliniken“. Der Auftrag umfasst die Errichtung von zwei Klinikneubauten an den Standorten Bad Homburg und Usingen mit 335 bzw. 100 Betten und ein Investitionsvolumen von rund 200 Millionen Euro. Der Vertrag wurde im März 2011 geschlossen, seit Mitte 2011 wird gebaut und die

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Fertigstellung ist für den September 2013 vorgesehen. Der komplette Neubau der beiden Kliniken in Öffentlich-Privater Partnerschaft ist ein bundesweit bislang einmaliges Projekt und das größte im Bereich Hochbau in Deutschland im Jahr 2011. Seit August 2011 wird auch in Hofheim an den Ersatzneubauten für Innere Medizin, Geriatrie und Psychiatrie mit 173 stationären Betten sowie zehn tagesklinischen Plätzen an den Main-Taunus-Kliniken gebaut. Der 1. Bauabschnitt soll bereits Ende 2013 fertig gestellt, Ende 2015 das gesamte Projekt vollendet sein. Die Gesamtkosten für den Neubau in Hofheim sind mit rund 50 Millionen Euro veranschlagt. Neben den genannten Projekten mit Hochbauanteilen, gibt es bereits einige Projekte, welche Kooperationsmodelle über die Beschaffung, den Betrieb und die Wartung klinischer Medizintechnik darstellen. Diese Projekte weisen in der Regel Vertragsvolumina zwischen 20 und 60 Millionen Euro auf. Die Mehrzahl dieser häufig als Technologiepartnerschaften bezeichneten Projekte haben die Neuausstattung und Bewirtschaftung von bildgebenden Geräten inkl. Schulungsund Einweisungsmaßnahmen zum Vertragsgegenstand. Ziel dieser Projekte ist es, die einbezogenen Geräte während der Vertragslaufzeit regelmäßig durch Updates, Upgrades sowie Geräteaustausch auf höchstem technologischem Niveau verfügbar zu halten. Beispielhaft sei hier das Projekt des Klinikverbundes „Gesundheit Nordhessen“ genannt, welches die regelmäßige Erneuerung der medizintechnischen Geräte sowie die Durchführung von Prüfungs- Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten einschließlich der Bewirtschaftung der gesamten Radiologieausstattung an sechs Standorten beinhaltet. Dieses Projekt wurde vom Bundesverband PPP mit dem Innovationspreis in der Kategorie „Dienstleistungen“ ausgezeichnet. Ähnliche Partnerschaften wurden auch 2010 am Klinikum Stuttgart sowie 2011 an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) geschlossen. Ebenfalls vom Klinikverbund „Gesundheit Nordhessen“ stammt ein Nutzungsvertrag aus dem Jahr 2010 für den Betrieb und die systematische Erneuerung von rund 10.000 elektromedizinischen Geräten über eine Laufzeit von zehn Jahren vereinbart. Damit betreibt der Klinikverbund als Vorreiter nahezu den gesamten Gerätepark seiner Kliniken in Partnerschaftsmodellen und hält diesen über die komplette Vertragslaufzeit von jeweils 10 Jahren auf aktuellem Stand der Technik. Weitere ähnliche Projekte wurden z.B. in Bielefeld, Hannover und München realisiert. Aufgrund der festzustellenden Häufung von Projekten im Gesundheitswesen mit Fokus auf langfristige Partnerschaften hinsichtlich medizintechnischer Leistungen sowie des gesteigerten Interesses an derartigen Projekten zur kontinuierlichen Modernisierung und Standardisierung der Medizintechnik hat die ÖPP Deutschland AG sich in einer aktuellen Grundlagenarbeit im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales mit der Entwicklung von ÖPP-Projektstrukturen im Gesundheitswesen unter Einbeziehung von medizintechnischen Leistungen befasst. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz von medizintechnischen Leistungen in ÖPP-Projekten sinnvoll und marktgängig ist, welche Risiken der private Partner dabei übernehmen kann und welche Entgeltmechanismen adäquat erscheinen, um die Interessen der öffentlichen Auftraggeber zu wahren. Die Studie wird in wenigen Wochen auf der Homepage der ÖPP Deutschland AG zum Download erscheinen.

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Eine weitere Grundlagenarbeit der ÖPP Deutschland AG im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) behandelt gutachterlich ÖPP und Förderinstrumente einschließlich der Finanzierungssicherheiten und Gewährträgerhaftungen. Die Aussagen der Grundlagenarbeit werden mit der EUKommission auf Beihilfekonformität abgestimmt und sollen die herrschenden Unsicherheiten hinsichtlich der beihilferechtlich richtigen Gestaltung von Förderinstrumenten, Finanzierungssicherheiten- und Gewährträgerhaftungsfragen ausräumen soll. Ziel ist es, eine möglichst hohe Sicherheit bei der zukünftigen wirtschaftlichen Strukturierung von ÖPPProjekten insbesondere im Gesundheitswesen zu erreichen und den Markt somit entsprechend zu beleben.

Wachstumssektor Öffentliche Beleuchtung: LED-Technik auf dem Vormarsch Die Umsetzung moderner Straßenbeleuchtungsprojekte in Folge des technologischen Fortschritts zukunftsweisender LED-Technik verfolgt gleich mehrere Ziele. Neben der verbesserten verkehrssichernden Aufgabe durch ein höheres Beleuchtungsniveau stehen besonders die Einsparung von Energie, der Ersatz giftiger Bestandteile in den Beleuchtungsanlagen und ein deutlich gesenkter Instandhaltungs- und Reparaturbedarf im Vordergrund. Bei den bisher genutzten Beschaffungsvarianten verbleiben insbesondere die Eigentumsrechte an den Beleuchtungsanlagen bei den Kommunen, und der Betrieb wird über eine Inhouse-Vergabe an das lokale Stadtwerk oder den kommunalen Eigenbetrieb (z. B. Baubetriebshof) vergeben. Daneben fanden zur Neuvergabe der Straßenbeleuchtung ÖPP-ähnliche Modellvarianten mit Dienstleistungsverträgen, Betriebsführungsverträgen sowie Contracting-Modelle oder auch die Aufgabenerledigung durch eine Gemischtwirtschaftliche Gesellschaft (share deals) Anwendung. Bisher realisierte Straßenbeleuchtungsprojekte beispielsweise in den Städten Bremen, Düsseldorf, Gera, Halle, Cottbus, Hagen, Görlitz, Nauen, Kiel, Lüneburg, Rüsselsheim und Worms machen die möglichen Einsparpotenziale über eine Modernisierung der Straßenbeleuchtung deutlich. Beispielsweise spart die Stadt Halle an der Saale mit der Erneuerung und Modernisierung ihrer ca. 22.700 Straßenbeleuchtungsanlagen jährlich ca. 1,2 Mio. Euro im Haushalt bei gleichzeitig höherem Beleuchtungsqualitätsniveau. Die in den Städten Langen, Dormagen, Höxter, Burgdorf und Lehrte realisierten Energieeinsparungen liegen in Bereichen von 43 bis 68°Prozent. Neben den erheblichen finanziellen Einsparungen sind besonders die realisierten CO2–Einsparungen bemerkenswert. Mit der neueren Rechtsprechung zur Bestimmung des vergaberechtlich relevanten Fremdgeschäfts (OLG Hamburg) ist die Übertragung von Beleuchtungsleistungen an kommunale Gesellschaften wie z. B. Eigenbetriebe oder Stadtwerke über eine Inhouse-Vergabe weiter eingeschränkt und nur noch in seltenen Fällen möglich. In der Folge werden die Leistungen zur Erfüllung der Aufgabe „Straßenbeleuchtung“ vermehrt über Vergabeverfahren in den Wettbewerb gestellt werden müssen, wodurch der Markt für (ÖPP-)Partnerschaftsmodelle weiter belebt wird. Eine weitere Belebung des Beleuchtungsmarktes dürfte die Neuausschreibung vieler auslaufender zehnjähriger Konzessionen vor allem in den neuen Bundesländern bewirken. Auch im Hinblick auf die Finanzierung von kommunalen Investitionen in die Straßenbeleuchtung schaffen die im Jahr

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2011 neu aufgelegten Fördermittelprogramme der KfW Bankengruppe (215, 216) gute Voraussetzungen. Sie sind aufgrund ihrer günstigen Zinskonditionen für Kommunen besonders interessant und können explizit auch für ÖPP-Modelle genutzt werden. Voraussichtlich werden die Zinskonditionen im Laufe des Jahres 2012 noch attraktiver. Darüber hinaus stellt das BMU im Jahr 2012 erneut Zuschüsse für die Umsetzung von LED-Straßenbeleuchtungsprojekte zur Verfügung. Die bisherigen Referenzprojekte belegen die erheblichen Potenziale bei der Umsetzung von kommunalen Beleuchtungsprojekten im Wege von Partnerschaftsmodellen. Die aufgeführten Rahmenbedingungen sprechen zudem für eine erhöhte Projektpipeline für die nächsten Jahre. Auch für den Bereich der Lichtsignalanlagen (LSA) lässt sich aufgrund der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ein erhebliches Marktpotenzial für Partnerschaftsmodelle ableiten. Mit Hilfe neuerer Lichttechnik lässt sich der Energieverbrauch im Vergleich zu herkömmlichen Leuchtmitteln deutlich reduzieren, erste realisierte Projekte erreichen Einsparungen von bis zu 70°Prozent. Der Vorteil der LEDLeuchten besteht vor allem in einer längeren Lebensdauer und dadurch deutlich geringeren Instandhaltungskosten. ÖPP-Modelle zur Betriebsführung der LSA wurden beispielsweise in den Städten Berlin und Braunschweig umgesetzt. In beiden Fällen wurden positive Erfahrungen auf Seiten der Stadt mit der Neuvergabe der städtischen LSA über ein Vergabeverfahren gemacht. Weitere Projekte, mit denen erhebliche Energieeinsparungen über den Einsatz effizienter LEDLeuchtmittel erzielt werden konnten, wurden zum Beispiel in den Städten Graz, Bremen, Freiburg und Bamberg verwirklicht. Sowohl für kommunale Beleuchtungsprojekte wie auch für LSA-Projekte als ÖPP hat die ÖPP Deutschland AG in zwei Grundlagenarbeiten Musterverdingungsunterlagen entwickelt, die kostenfrei zur Verfügung stehen und die Durchführung eines solchen Projektvorhabens erheblich erleichtern helfen.

Projekte im IT- und Dienstleistungssektor: Clusterbildung voranbringen Die bisher beobachteten und von der ÖPP Deutschland AG beratenen Projekte im Bereich interner Dienstleistungen wie Dokumentenlogistik, Archivbetrieb, Facility Management und Prozessoptimierungen haben deutliche Kostenverbesserungspotenziale aufgezeigt und seitens der kommunalen und anderen öffentlichen Auftraggeber eine Professionalisierung und Konzentration auf Kernaufgaben erreicht. Die Beratungsprojekte im IT- und Dienstleistungsbereich zeigen, dass auch Partnerschaften zwischen Kommunen aber auch mit Privaten in diesen Segmenten zur Lösung von strukturellen Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung entscheidend beitragen können. Beispielsweise seien hier der Aufbau von Open-GovernmentModellen oder die Umsetzung moderner Software-Entwicklungen genannt. Die Projekte im Rahmen von ÖPP-Modellen weisen mehrheitlich monetäre und qualitative Vorteile gegenüber der Eigenerbringung und konventionellen Beschaffung auf. Die gestiegene Akzeptanz und Anerkennung von Partnerschafts- und Kooperationsmodellen im IT- und Dienstleistungsumfeld lässt für die nahe Zukunft ein erhebliches Wachstum in diesem Bereich erwarten.

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Weitere Sektoren: Vielfalt in der Anwendung Im Moment noch von eher untergeordneter Rolle, aber mit vielfältigen Möglichkeiten versehen, sind ÖPP-Modelle bei der Erhaltung und Erneuerung des kommunalen Straßennetzes. die ÖPP Deutschland AG hat gerade eine Grundlagenarbeit zu diesem Thema abgeschlossen. Es ist bei Kommunal- und Landestraßen nach einer Berechnung des Deutschen Verkehrsforums ein Instandhaltungsstau von etwa 160 Mrd. Euro zu verzeichnen. Laut DiFu sind etwa 21 Prozent des kommunalen Investitionsstaus in der Straßeninfrastruktur zu finden. Die Grundlagenarbeit analysiert die bisherigen wenigen ÖPP-Projekte und Projekterfahrungen, sie identifiziert die Erfolgsfaktoren und die zu vermeidenden Fehler im Projektvorfeld und bei der Projektstrukturierung. Ziel ist es, zu einer effizienten Gestaltung bei ÖPP-Projekten in der kommunalen Straßeninfrastruktur Hinweise und Arbeitshilfen zu geben. Die Arbeit wird in wenigen Wochen veröffentlicht. In den letzten Jahren in den Hintergrund geraten sind Projekte der Stadt- oder Kommunalentwicklung. Bereits Mitte der 90er Jahre, und damit lange vor dem Start der ÖPP-Initiative im Hochbau, gab es in vielen Kommunen partnerschaftliche Modelle zur Standortentwicklung und -verbesserung. Vor allem in Nordrhein-Westfalen wurden einige erfolgreiche Projekte durchgeführt. Allen gemeinsam ist eine Organisationsform, die sich im Wesentlichen als Kooperation oder gemischtwirtschaftliche Rechtsform darstellt und eine meist unbefristete Laufzeit aufweist. Viele dieser Projekte wurden nie als ÖPP-Projekte betitelt, obwohl sie den Ansprüchen und Kriterien entsprechen. Durch die Vielfältigkeit der Aufgaben ließen sich hier die besonderen Stärken von ÖPPs wie Projektbezogenheit, Prozessorientierung, Risikoverteilung und hohe Flexibilität besonders gut nutzen. Chancen für die erneute Anwendung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ergeben sich besonders in der Entwicklung von Flächen und Quartieren, die zum Beispiel von der Bahn oder von Streitkräften (Konversionsflächen) aufgegeben wurden. Die Fähigkeiten der ÖPP-Gesellschaften, auch eine Vielzahl unterschiedlicher Interessengruppen zu steuern und die jeweiligen Bedürfnisse zu berücksichtigen, dürfte hier besonders zum Erfolg der Projekte beitragen. Einen weiteren Ansatz als die bisher lokal stark begrenzten Projekte verfolgen Projekte zur Regionsförderung. Nicht mehr mit Blick auf den interkommunalen Wettstreit und die eigene Besitzstandwahrung und -mehrung fixiert, sondern über kommunale Grenzen hinweg sollen Kommunen als Region

gemeinsam und geeint agieren. Durch die überregionale Arbeitsteilung sollen jeweilige Stärken genutzt und allen zugute kommen. Die ÖPP Deutschland AG untersucht derzeit in einer Marktanalyse die Möglichkeiten und Erfolgsfaktoren für die „Interkommunale Zusammenarbeit“.

Ausblick Öffentlich-Privaten Partnerschaften haben sich in Deutschland als Beschaffungsvariante für sehr unterschiedliche Projekte und Vorhaben im kommunalen Raum etabliert. Die gemachten Erfahrungen sind dabei inzwischen sehr vielfältig und zeigen – dokumentiert beispielsweise in der PPPProjektdatenbank des BMVBS –, wie Projekte erfolgreich als ÖPP umgesetzt werden können. Um die Kompetenzen der Öffentlichen Hand dabei weiter zu stärken arbeitet die ÖPP Deutschland AG fortlaufend an Standardisierungen, beispielsweise von Verträgen mit den privaten Partnern oder von einem Modell zur Durchführung einer vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Die Potenziale für viele Projekte als Öffentlich-Private Partnerschaft umgesetzt werden zu können, sind groß. Die Einarbeitung in eine anfangs unbekannte Materie lohnt sich – für die Projekte und letztendlich für eine nachhaltige Gestaltung des kommunalen Haushalts mit einem verantwortungsvollen Blick in die Zukunft. Weitere Informationen unter: www.partnerschaften-deutschland.de. Anmerkungen: 1 Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen – Ausmaß, Ursachen, Folgen und Strategien, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2008 2 Öffentlich-Private Partnerschaften in Deutschland 2011, ÖPP Deutschland AG, Berlin, Mai 2012 3e  benda 4 Eppelheim macht Schule, Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Januar 2011 5 Die Zufriedenheit mit ÖPP-Projekten im Schulbereich aus Sicht von Auftraggebern, Schulleitern und Elternvertretern, Institut für Demoskopie Allensbach, Mai 2011 6 Eppelheim macht Schule, Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Januar 2011 7 Beteiligung des Mittelstands an PPP Projekten im Vergleich zu losweise vergebenen Projekten in Baden-Württemberg, Universität Stuttgart und Karlsruher Institut für Technologie; Hrsg. Wirtschaftministerium BadenWürttemberg, April 2010 8 Architekturqualität für ÖPP. Sicherstellung architektonischer Qualität bei Projekten öffentlich-privater Partnerschaft; Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS); November 2011 9 Bericht zur Untersuchung der Auswirkungen von unterschiedlich umfangreichen Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen an kommunalen Gebäuden; PPP-Taskforce im Finanzministerium des Landes NordrheinWestfalen, Juli 2011 10 Öffentlich-Private Partnerschaften. Ein Konzept für die zukünftige Gestaltung öffentlicher Aufgaben?, Friedrich-Ebert-Stiftung, Dezember 2011

Der LBS Zukunftskompass „Kommunen gestalten – Generationengerechtes Wohnen und Leben“: Maßnahmen für zukunftsfähige Kommunen – Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müssen Kommunen den Fokus auf die Förderung der Lebensqualität für alle Bewohner legen – Praxisorientierter Wegweiser enthält erstmals gebündelt zahlreiche Best-Practice-Beispiele, Tipps und Kontaktadressen

reit zu stellen. Daher bieten die LBS Landesbausparkassen mit dem Zukunftskompass „Kommunen gestalten – Generationengerechtes Wohnen und Leben“ erstmals einen umfassenden und praxisorientierten Leitfaden, um zukunftsfähiges Wohnen und Leben nachhaltig zu gestalten und somit den Fortbestand von Städten und Gemeinden zu fördern.

Angesichts des demografischen Wandels, der die Kommunen vor enorme Herausforderungen stellt, müssen Bürgermeister in ganz Deutschland neue Ansätze und Lösungen finden, um ein für alle Generationen attraktives Angebot be-

„Das lang beschworene Wachstumsparadigma ist vielerorts nicht mehr gültig. Für viele Gemeinden bedeutet der demografische Wandel nicht nur einen Rückgang ihrer Einwohner, sondern vor allem eine älter werdende Bevölkerung“, sagt

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Werner Schäfer, Vorstandsvorsitzender der LBS. „Neue Antworten zur Sicherung der Standortqualität von Kommunen sind notwendig. Mit dem LBS Zukunftskompass wollen wir Anregungen und Hilfestellung bei der Umsetzung von Projekten geben.“ Zentrale Themen des LBS Zukunftskompasses, der gemeinsam mit dem IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH erarbeitet wurde, sind die Generationengerechtigkeit und der Interessenausgleich zwischen den Generationen. Ziel ist es, Wohn- und Lebensformen zu schaffen, die sowohl die heutigen Erwartungen, Ansprüche und Wünsche der Menschen als auch diejenigen zukünftiger Generationen berücksichtigen. „In den Kommunen muss ein Umdenken stattfinden: der Mensch und die Stärkung der Lebensqualität vor Ort müssen in den Fokus rücken um die Zukunftsfähigkeit von Kommunen zu gewährleisten“, erläutert Prof. Dr. Rolf Kreibich, Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer IZT. Während es vereinzelt bereits erfolgreiche Initiativen und praktische Erfahrungen mit Zukunftsstrategien angesichts einer schwindenden und alternden Bevölkerung gibt, bietet der LBS Zukunftskompass erstmals einen umfassenden Überblick über Handlungsansätze für mehr Generationengerechtigkeit und gibt Hilfestellung bei der Umsetzung. Für Kommunen stehen je nach Lage und Größe unterschiedliche Aspekte bei der Bewältigung der Herausforderungen im Vordergrund. Die Anregungen des LBS Zukunftskompasses

sind dabei für alle Städte und Gemeinden in Deutschland anwendbar. Eingeteilt in die vier Handlungsfelder „Lebensqualität“, „Ressourcen“, „Zusammenleben“ und „Dialog zwischen den Generationen“ werden zahlreiche BestPractice-Beispiele vorgestellt und mit weiterführenden Tipps und Kontaktadressen ergänzt. Neben vielfältigen Anregungen zur Steigerung der generationenübergreifenden Lebensqualität in der Gemeinde und dem zukunftsorientierten Umgang mit Ressourcen auf kommunaler Ebene empfiehlt der LBS Zukunftskompass „Kommunen gestalten“ auch konkrete Maßnahmen für ein gewinnbringendes Zusammenleben von Jung und Alt. Vorschläge zur Förderung des generationenübergreifenden Austausches und Kontaktadressen ergänzen das Paket. Weitere Informationen unter: www.lbs.de/zukunftskompass.

Personalien Dr. Martin Grundmann übergibt die Geschäftsführung der GESY Green Energy Systems GmbH mit Sitz in Berlin an Andreas Birmelin Nach der Aufbauphase des Unternehmens hat sich Dr. Martin Grundmann wie geplant aus der Geschäftsführung der GESY Green Energy Systems GmbH (GESY) zurückgezogen. Dr. Martin Grundmann bleibt Geschäftsführer der ARGE Netz GmbH & Co. KG in Schleswig-Holstein und des GENI Gesellschaft für Netzintegration e.V. und wird als Gesellschafter der GESY deren Arbeit weiterhin tatkräftig mitgestalten. Nachfolger von Dr. Martin Grundmann ist Andreas Birmelin, bislang Geschäftsführer der ENERTRAG EnergieInvest GmbH, wo er unter anderem für die Direktvermarktung von Windenergie verantwortlich war. Andreas Birmelin übernimmt gemeinsam mit Dr. Jörg Strese, Prokurist bei der Trianel GmbH, die Geschäftsleitung der GESY und wird den Ausbau des Unternehmens weiter vorantreiben. Seit der Gründung im September 2010 hat sich GESY schnell zu einem der wichtigsten Direktvermarkter von Strom aus Erneuerbaren Energien in Deutschland entwickelt. Derzeit vermarktet die GESY ein Portfolio aus erneuerbaren Energien von rund 3.000 MW Leistung. Der überwiegende Teil des Portfolios setzt sich aus Windenergie zusammen. Neben der Vermarktung von Windenergie ist es Ziel der GESY, ihr Portfolio durch die Vermarktung von Photovoltaik und Bioenergie zu erweitern, um die ganze Bandbreite der derzeit möglichen Direktvermarktung aus erneuerbaren Energien den Erzeugern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit an-

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bieten zu können. Das Direktvermarktungsmodell der GESY besteht aus einem monatlich vergüteten Fixbonus, sowie einem variablen Bonus der vereinbarungsgemäß Ende Mai 2012 für das 1. Quartal 2012 an die Erzeuger erneuerbarer Energien ausgezahlt wurde. Mit dem variablen Bonus, dessen Höhe von der Qualität der prognostizierten Leistung und den daraus zu erzielenden Handelsergebnissen abhängt, haben die Erzeuger erneuerbarer Energien die Chance einen zusätzlichen Ertrag zu generieren. GESY ist eine Grünstromgesellschaft mit Sitz in Berlin, die von 20 renommierten erneuerbaren Energieunternehmen und Europas führendem Stadtwerke-Netzwerk Trianel betrieben wird. Mit GESY baut die Branche der erneuerbaren Energien selbst Know-how auf, womit auf mittel- bis langfristige Sicht die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit in dem wichtigen Bereich der Energievermarktung gewährt wird. Dies ist umso wichtiger in einer Zeit, in der die Integration der erneuerbaren Energien in Markt und Netz die Versorgungswirtschaft der nächsten Jahrzehnte prägen wird. Mit der GESY ist eine starke und erfahrene Mittelstandsallianz geschaffen worden, die den Stromhandel und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zusammenführt. Die GESY zeigt sich offen für neue Gesellschafter aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Weitere Informationen unter: www.gesy.net.

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Alexander Wiedenbach zum Geschäftsführer der SüdFactoring GmbH bestellt Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat Alexander Wiedenbach zum Geschäftsführer der SüdFactoring GmbH (100-prozentige Tochtergesellschaft) neben Horst J. Wieland (Sprecher) bestellt. Alexander Wiedenbach begann seine Berufslaufbahn bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf. 1997 trat der Diplomkaufmann in die Südwestdeutsche Landesbank ein. Im Juli 2007 wurde er Mitglied der Geschäftsführung bei der SüdLeasing GmbH. Der 44-jährige Wiedenbach verantwortet in der SüdFactoring die Marktfolge mit den Aufgabenbereichen Portfoliomanage-

ment, Rechnungswesen und Kredit. Daneben behält er seine Funktion als Geschäftsführer der SüdLeasing GmbH, wo er für die Marktfolge, das Controlling und die Auslandsgesellschaften zuständig ist. Mit dem Eintritt von Alexander Wiedenbach in die Geschäftsführung der SüdFactoring GmbH soll der Erfolgskurs der Gesellschaft weiter fortgesetzt werden. Erst im März diesen Jahres wurde im Rahmen der Aufsichtsratsgründung das Eigenkapital der SüdFactoring um 65 Mio. Euro erhöht. Die SüdFactoring verzeichnete im ersten Quartal 2012 ein erfreuliches Neugeschäft mit einem Umsatz von ca. 2,6 Mrd. Euro. Weitere Informationen unter: www.suedfactoring.de.

VKU: Bernd Wilmert zum CEDEC-Präsidenten wiedergewählt Der Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum, Bernd Wilmert wird als Präsident für weitere zwei Jahre an der Spitze des European Federation of Local Energy Companies (CEDEC) stehen. „Ich freue mich sehr, dass Bernd Wilmert für eine zweite Amtszeit als Präsident des Europäischen Verbandes der lokalen Energieunternehmen gewählt wurde“, so HansJoachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). „Die Wiederwahl in einem europäischen Spitzenamt ist nicht selbstverständlich und spricht für die gute Arbeit, die Bernd Wilmert in den letzten Jahren in der CEDEC geleistet hat.“ „Die Europapolitik hat einen immer größeren Einfluss auf die deutsche Energiewirtschaft. Das verbandliche Engagement in Brüssel ist sehr wichtig und daher ist auch der VKU Mitglied der CEDEC“, so der VKU-Hauptgeschäftsführer. „Ich

begrüße die Wiederwahl Bernd Wilmerts, der die Debatte weiterhin mit seiner Erfahrung und tiefen Kenntnis der unternehmerischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge prägen wird.“ Hauptamtlich ist Bernd Wilmert seit 1993 Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Bochum GmbH. Die CEDEC hat ihren Sitz in Brüssel und vertritt die Interessen von 2.000 lokalen Energieunternehmen auf europäischer Ebene. Insgesamt versorgen die Unternehmen 75 Millionen Elektrizitäts- und Gaskunden in der Europäischen Union. Der Tätigkeitsbereich erstreckt sich dabei von der dezentralen Energieerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und erneuerbaren Energien, bis hin zum Netz- und Zählerbetrieb. Weitere Informationen unter: www.vku.de.

Jens Langner zum zweiten Geschäftsführer der lekker Energie bestellt Mit Wirkung zum 11.6.2012 haben die Gesellschafter der lekker Energie GmbH den bisherigen Bereichsleiter Vertrieb der ENERVIE Gruppe, Jens Langner (42), neben Dr. Thomas Mecke zum zweiten Geschäftsführer des Unternehmens bestellt. Ziel ist es, die Geschäftsführung angesichts des erfolgreichen Wachstumskurses der lekker Energie und der entsprechend

gewachsenen Komplexität weiter zu stärken. Langner wird zukünftig im Schwerpunkt für den kaufmännischen Bereich sowie Querschnittsfunktionen zuständig sein, während Dr. Mecke sich auf die operativen Themen im Vertrieb und Kundenmanagement fokussiert.  Weitere Informationen unter: www.lekker-energie.de.

Verlag: Kommunal-Verlag - Fachverlag für Kommunalwirtschaft und Umwelttechnik GmbH 42399 Wuppertal, Hardtbacher Höhe 24 Telefon 0 21 91/66 65 92, Telefax 0 21 91/66 65 93 - ISDN Telefon 0 21 91/6 83 17, Telefax 0 21 91/69 07 10 Gesamt-Verantwortung: Horst Schumacher, Wuppertal - Sabine Schumacher M.A., stellv. Chefredakteurin, Büro Köln, Telefon/Telefax: 02 21/2 71 77 46 - Anzeigenleitung: H. J. Schumacher, Wuppertal - ISSN Nr. 0450-7169 Satzherstellung, Druck & Verarbeitung: Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Hans Georg Weiss Straße 7, 52156 Monschau, Telefon 0 24 72/9 82-0 Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Gerichtsstand und Erfüllungsort ist in allen Fällen Wuppertal. Einzelheftpreis: 8,- 2, Jahresabonnementpreis 90,- 2 einschließlich MwSt., zzgl. Versandkosten, Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres

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