UNIJOURNAL. Von Kredithaien und Aasgeiern In Kenia entdecken Studierende Mikrokredit-Auswüchse und Polit-Proteste. Jahrgang 38/2012 Heft Nr.

May 2, 2016 | Author: Alexa Kaiser | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

Download UNIJOURNAL. Von Kredithaien und Aasgeiern In Kenia entdecken Studierende Mikrokredit-Auswüchse und Polit-Protes...

Description

Von Kredithaien und Aasgeiern In Kenia entdecken Studierende Mikrokredit-Auswüchse und Polit-Proteste

UNIJOURNAL Jahrgang 38/2012

Z e i t s c h r i f t d e r U n i v e r s i t ä t Tr i e r

Heft Nr. 3

Neue Alumni-Serie Arbeitsagentur-Vorstand Heinrich Alt im Gespräch

City Campus Wissenschaft kommt bei den Menschen an

Video-Vorlesung UN-Mitarbeiter studieren an der Uni Trier

Kooperation Informatiker im Wissenschaftskloster

Projektstudie bringt Stein ins Rollen

ie Idee war nicht neu, aber gut und Erfolg versprechend. Im Grunde fußt das Modell auf der Genossenschaftsidee Friedrich Wilhelm Raiffeisens: Mikrokredite sollen mittelund kapitallose Menschen in die Lage versetzen, aus dem Armutskreislauf auszubrechen. Das klassische Bankwesen verwehrt dieser Klientel von Kunden gewöhnlich Kredite und damit die Chance auf eine Existenzgründung, weil sie keine materiellen Absicherungen für das geliehene Geld vorzuweisen haben. Dabei sind die in Entwicklungsländern erforderlichen Summen (Mikrokredite) für den Aufbau eines Kleinbetriebes oder eines landwirtschaftlichen Gewerbes gering.

D

Soweit die Theorie. Zwar kann das MikrofinanzModell auf viele Erfolge verweisen. Muhammad Yunus und die Grameen Bank erhielten 2006 den Friedensnobelpreis für ihr in Bangladesch realisiertes Mikrofinanz-System. Mit den Jahren nahm das Idealmodell der Kapitalbeschaffung aber auch Schaden an kapitalistischen Auswüchsen. Die Praxis der Geldleihe an Mittellose haben Studierende der Universität Trier bei einer Exkursion und einer Projektstudie in Kenia erforscht. Sie haben bei Hilfsorganisationen recherchiert und vor Ort Inter-

views mit –betroffenen Menschen geführt und deren Erfahrungen mit den Idealen und Zielen der Mikrofinanz-Institute abgeglichen. Dass die meisten der befragten Mikrokredit-Nehmer keine Veränderungen in ihrem Lebensstandard feststellen können, klingt ernüchternd.

Dieser „Befund“ sollte Antrieb sein, das einst hoch gelobte Mikrofinanz-System umfassend auf den Prüfstand zu stellen. Zuhause in Deutschland hat die Arbeit der Studierenden und ihrer Exkursionsleiter, Dr. Johannes Michael Nebe und DiplomVolkswirt Julian Frede, bereits Kreise gezogen. Deutschlandradio, und in der Folge einige weitere Sender, haben einen Bericht über das Studienprojekt gesendet. Ein Finanzinstitut hat auf die Berichterstattung reagiert und will in dem Beitrag angeprangerte Missstände bei einem MikrofinanzKooperationspartner in Kenia überprüfen. Man sei, so schrieb ein Bankvertreter, an den Ergebnissen der Forschung sehr interessiert und bitte um genauere Informationen. Einen ersten Stein scheint die Projektstudie der Trierer Studierendengruppe bereits in Rollen gebracht zu haben. Peter Kuntz, Pressestelle

Editorial

UNIJOURNAL Zeitschrift der Universität Trier ISSN 1611-9487 Herausgeber: Der Präsident Redaktion: Peter Kuntz (verantwortlich) Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Redaktion behält sich vor, Texte der Autoren zu bearbeiten und zu kürzen. Auskunft zu den Anzeigenpreisen in der Pressestelle oder unter: www.uni-trier.de/index.php?id=23495 Anschrift der Redaktion: Pressestelle der Universität Trier 54286 Trier Telefon (06 51) 2 01 - 42 38/39 Telefax (06 51) 2 01 - 42 47 E-Mail: [email protected] www.pressestelle.uni-trier.de

Satz und Layout: Alexandra Moos, Technische Abteilung der Universität Trier Druck: Kössinger AG www.koessinger.de Titelbild: Carolin Kaletta Sprachregelung Um das layouterische Journal-Konzept der Zeitschrift einhalten zu können und um eine durchgängig bessere Lesbarkeit zu erreichen, wird in dem Unijournal auf eine konsequente gendergerechte Schreibweise verzichtet. Dieses Vorgehen ist nicht als Missachtung der grundsätzlichen Motive und Ziele zu verstehen, die mit sprachlicher Gleichbehandlung verbunden sind.

3

Inhalt Aus der Universität 6 8 9 10 11

ProTRon beim City Campus Trier.

Erster City Campus: 10.000 wollten Wissenschaft erfahren UN-Mitarbeiter studieren an der Uni Trier: Interaktive Video-Vorlesungen Auftakt der Ringvorlesung: Staatsministerin Conrad fordert „werbende Politik“ Freundeskreis Trierer Universität: Studierende zahlen keinen Beitrag UniGR: Sprachkenntnisse – Mobilität – Integration

Foto: Peter Kuntz

Titelthema 12

13 16

Augen und Herz für Afrika geöffnet: Aus Exkursionen und Studien haben sich weitere Projekte entwickelt Mikrofinanz – ein Rettungsanker für die Ärmsten? „Schmeiß die Aasgeier aus dem Parlament“ Graffitis – künstlerische Ausdrucksform eines politischen Protestes in Nairobi

Inhalt

Studierende der Universität Trier untersuchten in einer Projektstudie in Kenia das Mikrofinanzsystem. Foto: Carolin Kaletta

Fachbereiche, Fächer, Institute 19

20

22 23

24 26 28 St. Matthias

4

Foto: Andreas Thull

Transatlantischer Blick auf Gesundheit und Fitness: Kanadische Wissenschaftler zu Gast in Trier Studierende erschließen das Lapidarium von St. Matthias für Forschung und Ausbildung Starkes Forschungswerkzeug: CMS-gesteuerte Datenbank LapiDat Verantwortlichkeit und Haftung für Umweltschäden – 28. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht Wie Lernende die Welt verstehen: 8. Internationale Konferenz zum Konzeptwandel „Trierer Summer School on Social Network Analysis“ unter der Lupe Die Forschung bereichert: Ringvorlesung des America Romana Centrums lockte internationale Experten

29 30 31 32

34

35

36

38 40

Trierer reden in der „digitalen Community“ mit Das Potenzial sozialer Grundrechte in Europa: IAAEU-Tagung Graphische Sammlung feiert ihren Geburtstag mit einer Ausstellung Uni Trier ist Gesellschafter des Leibniz-Zentrums für Informatik „Schloss Dagstuhl“ Mehr als zwei Millionen Einträge: Datenbank DBLP wächst als Kooperationsprojekt weiter Mit jedem Auftritt gewachsen: Sprachliche und mimische Herausforderungen eines chinesischen Dramas Mit Ur-Lakritz Kompetenzen modellieren: Entstehungsgeschichte des Fachs „Biologie und ihre Didaktik“ Unterschied zwischen Biologie-Lehrer und Biologe: Eine Umfrage Das ZAT erfüllt die eigenen Ansprüche: Rückblick auf die eigene Historie

Forschung und Lehre: An China führt kein Weg vorbei: Während der Verhandlungen tippt der chinesische Vize-Minister Pan Yue (gespielt von Florian Birkmeyer) den Zwischenstand der Ergebnisse ab. Dabei benutzt er – getreu dem Ruf der Chinesen als Weltmeister im Kopieren – seine eigene Version von einem „Macbook“. Foto: Michael Merten

Forschung und Lehre Schwerpunkt 42

Der Trierer Einzelhandel hat noch viel Potenzial: Studierende untersuchten die aktuelle Situation und Perspektiven in der Innenstadt

45

46 49 50 52

Inhalt

54 57 58

Rollenspiele mit Beamer und Smartphone: Informatiker präsentieren Werkzeug zur Software-Entwicklung Auf Entdeckungsreise durch Trier-Nord Drittmittelprojekte Bahnbrechende Entwicklung in der Volksbefragung: Zensus 2011 Die Mission: Den Klimaschutz torpedieren – Studierende simulieren Weltklimakonferenz Dissertationen Habilitationen Neuerscheinungen

Personen und Preise 61 62 64 65 66 67

68 Alumnus der Universität: Heinrich Alt, Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit. Foto: Chandra Moennsad

70

Berufungsnachrichten Alumni-Serie: „Mehr Toscana als Bologna“ – Heinrich Alt HWK zeichnet eine Diplom- und eine Bachelorarbeit in BWL aus Fulbright-Gastprofessor William Boone verstärkt „Biologie und ihre Didaktik“ Wissenschaftspreis für Sprachhistoriker Ausoniuspreis würdigt Prof. Strohs beispielloses Gesamtwerk und Engagement Berufung in Akademie und Kommission: Prof. Goldschmidt Erinnerung an Dr. Carl Ludwig Wagner

5

10.000 wollten Wissenschaft erfahren Der erste City Campus erwies sich als Besuchermagnet

Was mit einem erfolgreichen Antrag im EU-Programm „Researchers´ Night“ als Initialzündung begann, nahm am 28. September ein ebenso erfolgreiches Ende. Der erste City Campus in der Trierer Innenstadt wurde zu einem Begegnungsfest von Bürgern und Wissenschaftlern. Die Resonanz auf die über die gesamte Trierer Innenstadt verteilten Präsentationen und Vorführungen war überwältigend. Rund 10.000 Besucher aus Stadt und Region bekundeten lebhaftes Interesse an der Arbeit der Wissenschaftler und Entwickler. Der in Kooperation von Universität und Fachhochschule konzipierte und organisierte City Campus befand sich in guter Gesellschaft: 300 Städte in 32 europäischen Ländern erlebten zeitgleich Nächte der Wissenschaft. o bunt wie die 100 Luftballons, die symbolisch für die Nationen der internationalen Studierenden an den Trierer Hochschulen bei der Eröffnung in den Himmel stiegen, war das Programm. Aus neun Themenfeldern – von Design bis Wirtschaft – konnten sich die Besucher ihre persönlichen Routen durch die Wissenschaftslandschaft zusammenstellen und sich in Pausen musikalisch, kabarettistisch oder auch kulinarisch unterhalten und verwöhnen lassen. Eine als Kooperationsprojekt des Fachs Informatik der Fachhochschule und der Koordinationsstelle E-Learning der Universität entwickelte App für Smartphones erleichterte die Navigation. Wer ein „Navi“ in Form bedruckter Seiten bevorzugt, orientierte sich über das handliche Programmheft. Denn eines war klar: Orientierung war nötig, um sich in der Vielzahl der Angebote nicht zu verlieren. „Ich habe das Programm des City Campus studiert, aber bei diesem riesigen Angebot war es ein aussichtsloses Unterfangen, eine Auswahl zu treffen“, sagte Klaus Jensen bei der Eröffnung auf dem Trierer Kornmarkt. Der Trierer Oberbürgermeister und die Besucher versuchten es trotzdem und erlebten das, was Staatssekretärin Vera Reiß – in Vertretung von Wissenschaftsministerin Doris Ahnen – als „erfahrbare Wissenschaften“ bezeichnete. In 240 wissenschaftlichen Beiträgen vermittelten Mitarbeiter von Universität und Fachhochschule Wissenswertes und Interessantes, aber auch Unterhaltsames und Verblüffendes. „Wenn man das gesamte Programm erleben will, wird es richtig anstrengend, so breit ist es gefächert“, war auch der Trierer Hugo Ostler als Besucher von der Fülle überrascht. „Wir finden die Öffnung der Hochschulen sehr positiv, denn eine Veranstaltung wie diese ist ja auch eine Weitergabe von Bildung“, begrüßte seine Begleiterin Gerda Yorck den ersten City Campus als eine willkommene Initiative. Historische Gebäude und Plätze, Kultureinrichtungen, Museen, Bibliotheken, Medienhäuser, Gerichtssäle und sogar Polizeigebäude öffneten ihre Pforten und luden zu einer Entdeckungstour ein. Und auch zwischen den Infoständen kam keine

Aus der Universität

S

6

Langeweile auf: Außergewöhnliche Künstler, Shows und kulinarische Erlebnisse machten den City Campus in der Innenstadt zur Flaniermeile. Das herrliche Wetter und die entspannte Atmosphäre trugen ihren Teil zu dem speziellen Flair der Wissenschaftsnacht bei. Forscher und Besucher traten in einen regen Austausch, in Gesprächen wurden die Präsentationen weiter diskutiert. Die beiden Hochschulen sind bei den Menschen in der Stadt und Region angekommen – in zweifacher Hinsicht. Das dürfte eine der wichtigen Erkenntnisse des City Campus sein und gleichzeitig Ermunterung und Aufforderung, die Veranstaltung zu wiederholen. Neben dem ansprechenden Programm trug die Wahl des Schauplatzes maßgeblich zum Erfolg bei. „Die Innenstadt war genau der richtige Veranstaltungsort“, bekräftigte Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel in einem ersten Resümee. „Verstetigung statt Eintagsfliege“ – darin sind sich der Präsident und die Projektverantwortliche Dr. Christel Egner-Duppich bei der Einschätzung der Perspektiven einig. „Diesen Erfolg sollte man nicht als etwas Einmaliges stehen lassen“, glaubt EgnerDuppich. „Ich bin der Meinung, dass daraus eine feste Institution werden sollte. In welcher Form und in welchem Rhythmus dies realisiert werden kann, ist noch zu überlegen“, ergänzt Jäckel. Mit der Fachhochschule soll nun über die Zukunft geredet werden. Eine Nacht der Wissenschaft in diesen Dimensionen – auch darüber sind sich die Verantwortlichen einig – ist mit den vorhandenen Ressourcen im Jahresrhythmus nicht zu bewältigen. Die Premiere verlangte den Beteiligten Enthusiasmus, Improvisationstalent und hohes Engagement ab. Daher galt der ausdrückliche Dank des Präsidenten und des Organisationsteams allen Mitarbeitern und emsigen Helfern, die eine mehr als gelungene Premiere ermöglichten.

Weitere Informationen → www.citycampus-trier.de

UN-Mitarbeiter studieren an der Uni Trier Prof. Münnich hält interaktive Video-Vorlesungen für Berlin, Bamberg und Rom

enn Prof. Dr. Ralf Münnich von der Universität Trier seine Vorlesung hält, sitzen seine Studenten nicht nur im Hörsaal in Trier, sondern zeitgleich auch in Bamberg, Berlin und nun sogar in Rom. Was der Professor zum Thema „Stichprobenverfahren“ zu sagen hat, interessiert nicht nur die Studierenden des gemeinsam von drei Universitäten angebotenen Master-Studiengangs „Survey Statistics“. Seit Beginn des Foto: Peter Kuntz Wintersemesters nehmen Prof. Dr. Ralf Münnich während seiner Video-Vorlesung. auch elf Mitarbeiter der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der aufgerüstet. Auch die Übertragung läuft reibungslos. Vereinten Nationen (FAO) in Rom an der Vorlesung „Trotz der großen Entfernungen stehen die Verbinteil. Auch sie sind jeden Montag dem Trierer Hör- dungen stabil“, sagt Professor Münnich. Ob sich nun saal per Videokonferenz live zugeschaltet. zwei Meter vor ihm im Trierer Hörsaal oder im knapp 1300 Kilometer entfernten Rom eine Hand Trier war für die UN-Behörde eine wichtige Adresse, reckt: Der „Statistik-Professor“ hat sofort den Überals es um die Fortbildung ihrer Mitarbeiter aus der blick und kann Nachfragen beantworten oder in eine „Statistik-Fachabteilung“ ging. Obwohl amtliche Diskussion einsteigen. „Es ist tatsächlich interaktiver Statistiken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft als Unterricht möglich, ansonsten hätte man die VorlePlanungs- und Entscheidungsgrundlage eine eminent sungen einfach aufzeichnen und ins Netz stellen wichtige Rolle spielen, ist der Zirkel namhafter können“, erläutert Münnich einen zentralen didakForscher und Experten auf diesem Gebiet klein. tischen Aspekt des Videokonferenz-Konzeptes. Professor Ralf Münnich gehört dazu und ist europaweit einer der wenigen renommierten Wissenschaft- Die neue Lehrmethode hat den gemeinsamen Stuler im Bereich der „Wirtschafts- und Sozialstatistik“ diengang „Suryey Statistics“ der drei beteiligten mit Schwerpunkt Survey-Statistik. Eine von ihm ent- Universitäten erst ermöglicht. Den Studierenden wickelte Stichproben- und Schätzmethodik hat bei- kann auf diesem Weg ein vielfältigeres Vorlesungsspielsweise der öffentlichen Hand beim Zensus 2011 angebot bereitgestellt werden. Die Nutzungsmögin Deutschland enorme Kosten und Aufwand erspart, lichkeiten von Videokonferenzen im Uni-Betrieb weil aufgrund des neuen Verfahrens nur zehn Prozent sind damit aber nicht ausgeschöpft. Inzwischen der Bevölkerung befragt werden mussten (siehe Seite legen Studenten oder Doktoranden bereits mündli50. che Prüfungen per Video bei einem in weiter Ferne sitzenden Prüfer ab. Und im Schulterschluss mit Auch die FAO in Rom weiß Professor Münnichs EuroStat, dem Statistischen Amt der Europäischen Kenntnisse in Survey Statistics sehr zu schätzen. Union, wird bereits darüber nachgedacht, einen Mithilfe neuer Internet-Technologie verfolgen deren europäischen Masterstudiengang in „Official StaMitarbeiter – wie auch die Studenten der Freien Uni- tistics“ anzubieten. Dank neuester Technologie versität Berlin und der Universität Bamberg – die wachsen in Europa auch die Hörsäle immer enger Vorlesung aus Trier über einen großflächigen Moni- zusammen. tor. Die geteilte Bildfläche erlaubt einen Blick in die Peter Kuntz, Pressestelle Hörsäle aller angeschlossenen Standorte. Powerpoint-Präsentationen sind für die Teilnehmer ebenso wie die Notizen oder schriftlichen Anmerkungen des Kontakt Referenten auf den Folien über die Monitore zu sehen. Prof. Dr. Ralf Münnich Tel. 0651/201-2651 Vor Beginn des Wintersemesters hat die Universität Mail: [email protected] Trier die Technik zu hochauflösender HD-Qualität

Aus der Universität

W

8

Diagnose und Therapie für den Patient Europa Auftakt der Ringvorlesung: Staatsministerin Conrad fordert „werbende Politik“

taatsministerin Margit Conrad hat am Mittwochabend die Ringvorlesung der Universität Trier zur Frage „Was Europa zusammenhält“ eröffnet. „Zum Auftakt wollten wir den Zuhörern einen Blick aus der politischen Praxis auf dieses Thema bieten. Insofern waren Sie als Zuständige des Landes unsere Wunschkandidatin“, begrüßte Prof. Dr. Ludwig von Auer die Europaministerin. Er sei gespannt, so von Auer, auf die Diagnose der ausgebildeten Medizinerin und Politikerin Margit Conrad für den Patienten Europa.

S

Ernst, aber nicht hoffnungslos: Mit diesem kurzen medizinischen Bulletin ließen sich Conrads Diagnose und Therapie-Empfehlungen für das kränkelnde Europa in ihrem Vortrag zusammenfassen. Fraglos leide Europa unter der Finanzkrise, die aber mehr eine Explosion der Finanzmärkte als eine Staatsschulden-Krise sei. Die Krise selbst und der inflationäre Gebrauch des Begriffs habe das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der Politik stark geschädigt. Daneben führe die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa dazu, dass dem europäischen Gedanken eine ganze Generation verloren gehe. „Das ist die größte politische Katastrophe für Europa“, sagte Conrad.

Andererseits sei den jüngeren Menschen nicht mehr bewusst, dass „Europa Frieden bedeutet“. Was heute als selbstverständlich angesehen werde, sei eine zentrale Triebfeder der Integration in der Nachkriegszeit gewesen. Als weitere Vorteile und damit

24.10.2012 · 18 Uhr c.t. · HS 8, Gebäude D Staatsministerin Margit Conrad Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa

Quo vadis Europa? Legitimationsgrundlagen und Zukunftsperspektiven der EU

31.10.2012 · 18 Uhr c.t. · HS 10, Gebäude E Prof. Dr. Bernhard Zimmermann Klassischer Philologe, Universität Freiburg

Europa und die griechische Tragödie

14.11.2012 · 18 Uhr c.t. · HS 10, Gebäude E Prof. Dr. Maurizio Bach Soziologe, Universität Passau

Europa als moralfreie Vergemeinschaftung?

Foto: Peter Kuntz

Als Therapievorschlag schrieb sie ihrer eigenen Branche ins Stammbuch, eine europäische Politik zu betreiben, die für Europa werbe. „Europa braucht keine Lippenbekenntnisse, sondern ein echtes Bekenntnis zur Solidarität zwischen den Staaten“, so Conrad. Das europäische Europaministerin Margit Conrad eröffHaus müsse durch den „Mörtel“ Ge- nete die Ringvorlesung. rechtigkeit zusammengehalten werden. „Die Menschen müssen den Mehrwert Europa für sich spüren“, führte die Ministerin weiter aus. Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel dankte der Ministerin. Er spannte den Bogen von der Europabegeisterung, symbolisiert durch die Ludwigsburger Rede des französischen Präsidenten Charles de Gaulles im September 1962, bis zur heutigen Europaskepsis. Diese Pole, so Jäckel, dürften sich auch durch die kommenden Vorträge der Ringvorlesung der Universität Trier ziehen. Peter Kuntz, Pressestelle

28.11.2012 · 18 Uhr c.t. · HS 10, Gebäude E Prof. Dr. Ansgar Belke Volkswirt, Universität Duisburg-Essen/DIW Berlin

Wie lässt sich ein Auseinanderbrechen der Eurozone verhindern? 12.12.2012 · 18 Uhr c.t. · HS 10, Gebäude E Prof. Dr. Christoph Herrmann LL.M.

Jurist, Universität Passau

Solidarität in der Euro-Krise: Grundlagen und Grenzen im Unions- und Verfassungsrecht

Aus der Universität

Programm der Ringvorlesung

Legitimationsgrundlagen für Europa führte sie eine lautere Stimme in der zunehmend globalisierten Welt und offene Grenzen für Menschen und Waren an. Deutschland und speziell Rheinland-Pfalz hätten durch die Union auch wirtschaftlich enorm gewonnen.

23.01.2013 · 18 Uhr c.t. · HS 10, Gebäude E Prof. Dr. Joachim Schild Politologe, Universität Trier

50 Jahre Elysée-Vertrag: Deutsch-französische Verantwortungsgemeinschaft für Europa

06.02.2013 · 18 Uhr c.t. · HS 10, Gebäude E Prof. Dr. Wilfried Loth Historiker, Universität Duisburg-Essen

Integrationskrisen als Integrationschance

9

Studierende zahlen keinen Beitrag Freundeskreis Trierer Universität will zur Mitgliedschaft ermuntern

Für Studierende bis zum 10. Semester ist die Mitgliedschaft im Freundeskreis Trierer Universität künftig beitragsfrei. Dies beschlossen die Mitglieder bei ihrer Jahresversammlung am 16. Oktober einstimmig. So sollen Studierende ermuntert werden, dem Freundeskreis ihrer Universität beizutreten. Im vergangenen Jahr unterstützte der Förderkreis Projekte und Maßnahmen an der Universität mit 100.000 Euro. Zudem will man künftig Initiativen zur Kooperation von Universität, Stadt und Region fördern. n der Mitgliederversammlung gab der Vorsitzende des Freundeskreises, Oberbürgermeister a. D. Helmut Schröer, bekannt, dass der renommierte Soziologe Professor Stefan Hrandil von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz als Gastprofessor für 2013 gewonnen wurde. Auch die neue Gastprofessur wird sich mit der Zukunft Europas befassen. Das Thema der Gastvorlesungen lautet „Wie viele Unterschiede erträgt Europa? Soziale Strukturen zwischen Vereinheitlichung und Zerfall“. Als Termine für die Gastvorträge sind der 6. Mai, der 3. Juni und der 1. Juli 2013 vorgesehen. Besonders bekannt geworden ist Hrandil durch seine Studie über die „Single-Gesellschaft“, die er im Auftrag des Bundeskanzleramts erstellt und 1995 als Buch veröffentlicht hat.

I

Aus der Universität

Ein wichtiges Anliegen des Freundeskreises ist die Zusammenarbeit zwischen Universität, Stadt und Region. Daher will der Freundeskreis eine Anregung des Universitätspräsidenten aufgreifen und künftig jährlich ein besonderes Projekt zum Thema „Universität und Region und Stadt Trier“ fördern.

Für die Förderung zahlreicher Projekte und Maßnahmen der Universität, ihrer Fachbereiche und Einrichtungen wurden im vergangenen Jahr wiederum etwa 100.000 Euro bereitgestellt, wie Schatzmeister Dr. Peter Späth berichtete. Davon betrafen 24.000 Euro die Förderpreise für den wissenschaftlichen Nachwuchs. 20.000 Euro wurden zur Förderung von Studienreisen sowie von wissenschaftlichen und kulturellen Projekten aufgewendet. Die Finanzierung des Freundeskreises sei stabil, so dass auch künftig wichtige Anliegen finanziell unterstützt werden können, so Dr. Späth. Ein Förderschwerpunkt im laufenden Jahr war die Unterstützung des City Campus – Triers lange Nacht der Wissenschaft am 28. September mit einem Betrag von 15.000 Euro, erläuterte Geschäftsführer Dr. Jürgen Grabbe in seinem Tätigkeitsbericht. Weiterhin wurden eine Reihe von Fachtagungen und Kongressen, Exkursionen von Studierenden, Projekte wie die Ausstellung „30 Jahre Papyrussammlung der Universität Trier“, das Forschungsprojekt „Die Gestapo in der Christoph-

10

straße 1“ sowie die Konzerte des Collegium musicum gefördert.

Ein Höhepunkt im Jahresprogramm des Freundeskreises ist die Mitwirkung am „dies academicus“, der in diesem Jahr am 28. November stattfindet. Im Rahmen der akademischen Eröffnung des Wintersemesters 2011/12 wurden vom Freundeskreis zwölf Förderpreise an Nachwuchswissenschaftler verliehen, die mit jeweils 2000 Euro dotiert waren.

Über die aktuelle Situation der Universität berichtete der Präsident, Prof. Dr. Michael Jäckel. Die Zahl der Studienanfänger sei nach wie vor sehr hoch, aber nicht so dramatisch wie im letzten Jahr. Der Präsident ging auch auf die Finanzsituation der Universität und die Strukturdiskussion ein. Hierzu seien eine Klausurtagung sowie zwei persönliche Gespräche mit Ministerin Doris Ahnen vorgesehen. Insofern sei er guten Mutes, eine zukunftssichere Lösung zu finden. Besonders würdigte der Präsident den Erfolg des City Campus mit etwa 10.000 Besuchern. Gemeinsam mit der Hochschule Trier (vormals Fachhochschule) sei man im Gespräch, in welchem Zeitrhythmus und in welcher Form zukünftig eine Nacht der Wissenschaft durchgeführt werden könne. Einstimmig wählte die Mitgliederversammlung den langjährigen Schatzmeister des Freundeskreises, Dieter Mühlenhoff, zum Ehrenmitglied. Mühlenhoff hat als Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Trier 18 Jahre lang erfolgreich die Aufgabe des Schatzmeisters wahrgenommen. Seit nunmehr sechs Jahren unterstützt er den Freundeskreis durch seine Mitarbeit im früheren Gesamtvorstand und im heutigen Kuratorium.

Zum Abschluss informierte Julian Frede aus dem Fachbereich IV, Volkswirtschaftslehre, über die vom Freundeskreis geförderte interdisziplinäre Projektstudie und Exkursion von Studierenden im September nach Kenia zum Thema „Mikrofinanz – Ein Ansatz für eine erfolgreiche Armenbekämpfung“. Dr. Jürgen Grabbe, Geschäftsführer Freundeskreis Trierer Universität

Sprachkenntnisse – Mobilität – Integration UniGR-Expertenausschusses unterbreitet Vorschläge zur Förderung von Sprachkenntnissen

Die Förderung der Mobilität in der Großregion – dieses Ziel des Projekts „Universität der Großregion UniGR“, einer Kooperation französischer, belgischer, luxemburgischer und deutscher Universitäten, ist ohne gute Sprachkenntnisse undenkbar. Vor allem dann, wenn man an einer der Partnerhochschulen ein wissenschaftlich anspruchsvolles Seminar besuchen, eine Präsentation vorbereiten oder eine Hausarbeit schreiben möchte. Unterstützende Maßnahmen zur Verbesserung der Deutsch- bzw. Französischkenntnisse von Studierenden und Mitarbeitern der Nachländer waren Thema der ersten gemeinsamen Sitzung des UniGR-Expertenausschusses „Sprachenförderung“, die von der luxemburgischen UniGR-Projektbeauftragten Kristina Hondila organisiert und an der Universität Trier von der UniGR-Projektbeauftragten Eva Lange begleitet wurde. ie Bestandsaufnahme der Expertenrunde war sehr ermutigend, werden doch bereits zahlreiche Deutsch- und Französischkurse angeboten. Man war sich aber einig, dass hervorragende Fremdsprachenkenntnisse bei Studierenden, Lehrenden und Verwaltungspersonal weiterer Maßnahmen bedürfen, um den Austausch in der Großregion noch intensiver zu gestalten.

D

Ideale UniGR-Studierende und -Mitarbeiter nutzen grenzüberschreitend ihre Chancen zum Besuch der Partnerhochschulen, kommunizieren angstfrei in der Nachbarsprache und bewegen sich selbstverständlich im gemeinsamen Hochschulraum der Großregion. Dass dies nicht nur ihre Berufschancen und Fachkenntnisse verbessert, sondern auch zahlreiche interkulturelle Erfahrungen und neue Einsichten mit sich bringt, liegt auf der Hand. Um hierzu beizutragen, möchten die Sprachkursanbieter der UniGRHochschulen gemeinsam ihre Sprachlernangebote im Bereich der Studienvorbereitung und -begleitung transparent machen.

Außerdem wurden ein Austausch von Lehrkräften und Personal sowie gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen vereinbart, um die unterschiedlichen Systeme und Arbeitsweisen der Partnereinrichtungen besser kennen zu lernen. Die bestehenden Sprach-

kursangebote der Partnereinrichtungen sollen darüber hinaus bekannter gemacht werden. Man möchte sich regelmäßig austauschen und den weiteren Entwicklungsprozess gemeinsam gestalten. Daher soll schon im November das nächste Treffen der Expertenrunde in Luxemburg stattfinden. Der Expertenausschuss soll damit zum festen Bestand des künftigen UniGR-Verbunds werden. Dr. Peter Tischer, Leiter des Sprachenzentrums der Universität des Saarlandes, formulierte den Gedanken, die Sprachförderung in der Großregion gemeinsam zu einem Leuchtturm auszubauen.

Für den UniGR-Verbund, der das UniGR-Projekt ab Frühjahr 2013 ablösen wird, ergeben sich damit weitere Aufgaben, vor allem bei der logistischen Unterstützung der Expertentreffen und Projekte und in der Kommunikation zwischen den Partnereinrichtungen. Die Sinnhaftigkeit der Idee der Universität der Großregion steht angesichts der heutigen Lage in Europa nicht in Frage. Marc Borkam, AStA, Leiter AStA-Sprachkurse, Eva Lange, Projektbeauftragte UniGR und Peter Knopp, Geschäftsführer Sprachenzentrum

Aus der Universität

Der Expertenausschuss, an dem von Trierer Seite Peter Knopp (Geschäftsführer des Sprachenzentrums der Universität Trier) und Marc Borkam (Kursleitung der Studien vorbereitenden Deutschkurse, AStA Universität Trier) teilnahmen, beschloss eine Reihe von Maßnahmen, die bis Ende Oktober beim Treffen der Vizepräsidenten der UniGR debattiert, der Steuerungsgruppe der UniGR präsentiert und schließlich der Fachministerkonferenz der Großregion vorgelegt werden sollen. Gemeinsam wollen die beteiligten Kursanbieter Angebote von speziellen UniGR-Sommersprachkursen entwickeln, die sich mit Themen der Partnerregionen beschäftigen und als dreiwöchige Intensivkurse die Sprachkenntnisse von Studierenden verbessern sollen.

Foto: Luciana Marian

Was kann getan werden zur Verbesserung der Sprachkenntnisse von Studierenden und Mitarbeitern an den Universitäten der Großregion? Diese Frage beschäftigte den UniGR-Expertenausschuss „Sprachenförderung". Für die Universität Trier nahmen Marc Borkam (Vierter von rechts) und Peter Knopp (Fünfter von links) teil.

11

Augen und Herz für Afrika geöffnet Aus Exkursionen und Studien haben sich weitere Projekte entwickelt

in Forscher sollte sich aus Gründen der Objektivität eine kritische Distanz zu seinen Forschungsgegenständen erhalten. Das fällt Dr. Johannes Michael Nebe – zugegebenermaßen – nicht immer leicht, wenn seine große wissenschaftliche, aber auch persönliche Leidenschaft zur Sprache kommt: Seit nunmehr 14 Jahren öffnet Nebe mit einer Vielzahl von Exkursionen Studierenden der Universität Trier die Augen für die Menschen und die Probleme Afrikas. Im jüngsten Exkursions- und Forschungsprojekt, dem ersten Teil des UnijournalTitelthemas, haben Studierende das Mikrofinanz-System nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht.

E

Nebe und die Studierenden haben im Frühjahr eine neue Form des politischen Protestes gegen die politische Führung Kenias in der Hauptstadt Nairobi beobachten können. Zivilgesellschaftliche Initiativen fordern immer stärker einen Politikwandel zu mehr Demokratie. Hier steht der „Arabische Frühling“ direkt Pate und gibt diesen aktiven Initiativen Mut, sich in die verkrustete Politik einzumischen.

Titelthema

Die Studienreisen auf den afrikanischen Kontinent waren in den vergangenen Jahren ein fruchtbarer Nährboden für eine Reihe von Initiativen und Projekten an der Universität. So öffnete vor zwei Jahren eine Foto-Ausstellung in der Universitätsbibliothek den Besuchern die Türen in die Elendsviertel von Nairobi. Die Ausstellung war Nebenprodukt einer Studie, die die Studierenden motivierte, einmal mit ihren eigenen Kameras das Leben in den Slums von Nairobi in seinen vielfältigen Facetten festzuhalten.

12

Mit „ELIMU e.V.“ erwuchs ein weiterer Zweig aus den regen Exkursionsangeboten. Der von Geographie-Studierenden und Dozenten 2009 gegründete und getragene Verein unterstützt Bildungsprojekte in

Ostafrika nach dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Die rege Forschungs- und Studienarbeit brachte inzwischen bereits mehrere Generationen von Trierer Studierenden in Kontakt zu Entwicklungs- und Umweltorganisationen der UN, aber auch zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und zu kenianischen Forschungseinrichtungen und nicht-staatlichen Organisationen, wo sich interessante Praktika anboten und weiterhin anbieten. Der vertrauensvolle enge Kontakt zur Deutschen Botschaft in Kenia ist dabei besonders zu erwähnen, der es in den letzten Jahren immer ermöglichte, die geplanten Projekte, an denen meist auch Studierende der Kenyatta University aktiv beteiligt waren und sind, durchzuführen. Die seit vielen Jahren bestehende Partnerschaft mit der Kenyatta Universität in Nairobi wird auf diese Weise lebendig aufrechterhalten.

An den Projektstudien sind in aller Regel Studierende der Universität aus verschiedenen Fachgebieten, so vor allem aus der Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre, der Geographie, Ethnologie, der Medienwissenschaft, der Psychologie und Soziologie beteiligt. Diese interdisziplinäre Zusammensetzung der Studierenden entspricht damit auch den meist sehr komplexen Forschungsprojekten in Kenia. Regelmäßig stand Afrika im Mittelpunkt von Vorlesungsreihen, zuletzt im Sommersemester 2010.

Weitere Informationen → www.elimu-ev.org

Zur Projektstudie zum „Mikrofinanz-System“ gehörte auch eine Befragung.

Foto: Carolin Kaletta

Mikrofinanz – ein Rettungsanker für die Ärmsten? In einer Projektstudie haben Studierende Anspruch und Wirklichkeit abgeglichen

Können Mikrokredite ein erfolgreicher Weg zur nachhaltigen Armutsbekämpfung sein? Diese Frage stellten sich 17 Studierende der Universität Trier in Kooperation mit Studierenden der Kenyatta University Nairobi und schlossen sich aus diesem Grund der von Dr. Johannes Michael Nebe und Dipl. Volkswirt Julian Frede organisierten Exkursion mit anschließender dreiwöchiger Projektstudie in Kenia an. Von Ende August bis Ende September beschäftigen sie sich mit dem Thema „Mikrofinanz – ein effektiver Ansatz, um Armut zu reduzieren?”. auptziel der Projektstudie war es, die möglichen Effekte auf Armut durch Aktivitäten im Mikrofinanzbereich zu analysieren. Um effektiver arbeiten und mehrere thematische Teilbereiche abdecken zu können, gliederte sich die Gruppe in vier Forschungsfelder auf:

H • • • •

Evaluation bestehender Mikrofinanzprojekte Kultur und Mikrofinanz Public Private Partnership (PPP) und Mikrofinanz Erneuerbare Energien und Mikrofinanz

Exkursions- und Gruppenbericht

In einer einwöchigen Exkursion konnten die Studierenden bereits vor Beginn der Projektstudie Eindrücke der Kultur und Lebensart der kenianischen Bevölkerung aus erster Hand erleben. Dies ermöglichte ihnen, diese Erfahrungen in ihre Arbeit mit einfließen zu lassen, um ihre Forschungsfrage so realitätsnah wie möglich bearbeiten zu können. Neben der einzigartigen Naturkulisse Kenias bot die Exkursion den Teilnehmern auch die Möglichkeit, sich näher kennenzulernen.

Evaluation bestehender Mikrofinanzprojekte

Ziel der Evaluationsgruppe war es, die Erfahrungen von Mikrofinanzkunden mit dem Vorhaben der jeweiligen Mikrofinanzinstitution (MFI) zu vergleichen. Der Fokus ihrer Untersuchungen lag jedoch vorrangig auf der Perspektive des Kunden. So wurden über 100 Interviews mit Kreditnehmern geführt, die ihre Erfahrungen mit Mikrokrediten schilderten. Die Mehrzahl der Kunden hat keine signifikante Veränderung in ihrem Lebensstandard erfahren. Das gilt sowohl für positive als auch für negative Erfahrungen. Besonders erschreckend waren dabei jedoch die Fälle, in denen das gesamte Hab und Gut der Klienten verpfändet wurde und Fotos: Carolin Kaletta

Titelthema

Neben wissenschaftlichen Ergebnissen sammelten die Studierenden bei ihrer Exkursion viele Erfahrungen mit der Kultur Kenias und begegneten den Einheimischen.

In der dreiwöchigen Projektarbeitsphase organisierten sich die Gruppen, um Interviews mit Mikrofinanzinstituten zu führen und Menschen zu treffen, die sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit Mikrofinanz schilderten und so ein umfassendes Bild entsprechend der einzelnen Forschungsfragen liefern konnten.

13

Auch wenn das Foto einen anderen Eindruck vermittelt. Die Projektstudie bereitete den Teilnehmern zwar viel Freude, erforderte aber auch hohen Arbeitseinsatz und Engagement beispielsweise beim Erarbeiten der Berichte.

die Studierenden in leeren Wohnungen empfangen wurden. Solche Extrembeispiele waren jedoch sehr selten.

Titelthema

Kultur und Mikrofinanz

Die Untersuchungsgegenstände der Kulturgruppe waren einerseits die Auswirkungen von Mikrofinanzprodukten auf kulturelle Gegebenheiten in Kenia sowie gleichzeitig die kulturellen Bedingungen für Mikrofinanz in ausgewählten urbanen sowie ländlichen Regionen Kenias. Dabei haben sich im Lauf der Forschungsarbeit folgende Schwerpunkte ergeben: Die Auswirkungen von Mikrofinanz auf Familien- und Gemeinschaftsstrukturen der Klienten (u.a. Tribalismus und Gender) sowie Mikrofinanz als möglicher friedenssichernder Faktor in Kenia (national peace-building). Zu diesem Zweck hat sich die Gruppe mit Klienten, die Mikrofinanzprodukte in Anspruch nehmen, und Vertretern verschiedener Mikrofinanzinstitutionen getroffen. Auf diese Weise eröffnete sich den Studierenden die Möglichkeit, persönlich mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, indem sie diese in ihrem Haus wie auch an ihrem Arbeitsplatz besuchten.

Public Private Partnership (PPP) und Mikrofinanz

Die PPP-Gruppe versuchte während ihres Forschungsaufenthaltes die Verbindung des öffentlichen und des privaten Sektors zu untersuchen und potentielle Zusammenhänge aufzuzeigen. Dabei haben die Studierenden mehr als 15 Experteninterviews aus den jeweiligen Sektoren geführt. Bei den Bemühungen kam aber kein einhelliges Bild zustande. Als wichtigster Bereich des PPP kristallisierte sich die Auslagerung von Versicherungen im

14

Gesundheitswesen heraus, die der Staat an private MFIs auslagert. Anders als in Deutschland hat der Staat kaum Handhabe in der Überprüfung von Kreditwürdigkeit. MFIs sind mit ihrer Kundennähe hier weit besser aufgestellt. Allerdings soll mittelfristig hierfür eine Institution, vergleichbar mit der deutschen Schufa, etabliert werden.

Erneuerbare Energien und Mikrofinanz

Da Kenia unter Energieengpässen leidet, beschäftigte sich schließlich eine Gruppe mit der Verbindung von erneuerbaren Energien und Mikrofinanz; denn gerade die ärmsten Bevölkerungsschichten benutzen im täglichen Gebrauch Kerosin oder Holzkohle zur Lichterzeugung oder zum Kochen. Hier können Erneuerbare Energie-Technologien (RET) eine umweltfreundliche und unter Umständen auch kostengünstigere Alternative liefern. Das Problem der Anschaffungskosten könnte durch Mikrokredite gelöst werden. Die Gruppe traf sich deswegen zu Experteninterviews mit RET-Anbietern und MFIs, um die bereits vorhandene bzw. potenzielle Zusammenarbeit beider Branchen zu untersuchen. Es zeigte sich, dass durchaus passende Produkte wie Solar-Lampen oder kleine Biogas-Anlagen existieren. Jedoch besteht in der Bevölkerung noch erhebliches Aufklärungspotenzial über RET. Während ihres Aufenthalts hat die Gruppe viele neue Eindrücke und Erfahrungen sammeln können, indem sie das Land und die Leute kennengelernt hat. Während der Exkursion standen das Land und seine kulturellen Besonderheiten im Vordergrund, während die Projektstudie den Fokus auf den Kontakt mit den Menschen in Kenia gelegt hat, so dass den Teilnehmern ohne die Projektstudie viele Erfahrungen verwehrt geblieben wären. Die Zusammenarbeit mit den kenianischen Studenten und die

Interviews mit Klienten sowie Vertretern verschiedener MFIs hat ihnen die Möglichkeit eröffnet, sich in gemeinsamen Treffen und Gesprächen näher kennenzulernen und auszutauschen. Die Studierenden hatten die großartige Chance, nicht nur in eine neue Kultur hinein zu schnuppern, sondern auch ihren Erfahrungshorizont zu erweitern und vielleicht sogar ihre Interessen neu auszurichten. Tobias Kranz und Jennifer Erdmann

Hintergrund Über das Projekt hat Deutschlandradio (http://wissen.dradio.de) einen Bericht gesendet, der auf der Homepage in der Mediathek über die Suchfunktion („Kenia – arm durch Mikrokredite) zu finden ist.

Die Begegnung mit den Menschen und der Kultur Kenias weitet den Erfahrungshorizont.

Mikrofinanz

amerikanischen Entwicklungsbank über Mikrofinanzinstitutionen, rangiert Kenia weltweit auf Platz 4 von 55 analysierten Ländern. Beide Institutionen, ob gewinnorientiert oder armutsbezogen, sind in Kenia vorhanden. Allein der freie Zusammenschluss kenianischer Mikrofinanzinstitutionen (Association of Microfinance Institutions of Kenya, AMFK) hat über 53 Mitglieder und mehr als 6,5 Millionen Kunden. Nichtsdestotrotz ist Kenia ein Land, in dem ein signifikanter Teil der Bevölkerung (15 Prozent) in extremer Armut (weniger als 1,25 US Dollar pro Tag) und ein Großteil der Bevölkerung (94 Prozent) von weniger als fünf US-Dollar am Tag lebt (Daten der Weltbank aus der letzten nationalen Erhebung, 2005). Die Diskussion, inwieweit Mikrofinanz zur Armutsreduktion beiträgt, ist nach dem ersten positiven Hype um die Grameen Bank von Muhammad Yunus in eine vermehrt kritische Betrachtung übergegangen. Bisher ist es nicht oder nur begrenzt gelungen, eindeutig nachzuweisen, dass Mikrofinanz einen signifikanten Armutsreduktionseffekt hat.

Titelthema

In den letzten Jahrzehnten hat die Mikrofinanz das Interesse der Entwicklungsorganisationen, Regierungen und Zivilgesellschaft erweckt. Die Vereinten Nationen ernannten das Jahr 2005 zum „Internationalen Jahr der Mikrokredite“ und Muhammad Yunus, der als Erfinder der Mikrokredite gilt, bekam anschließend den Friedensnobelpreis für sein Engagement, Bedürftige mit Krediten zu versorgen. Mikrokredite, das bekannteste Produkt in der Mikrofinanz, werden häufig als eine Alternative zu anderen Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit genannt. Mit ihrem bottom-up approach sind Mikrokredite stark auf die Bedürfnisse der Einzelperson ausgerichtet und sollen somit eine direkte Teilnahme der Person an der eigenen Entwicklung ermöglichen. In letzter Zeit ist die Anzahl an Mikrofinanz-Institutionen (MFIs) besonders stark gestiegen. Ihre Produktpalette beinhaltet nicht mehr nur reine Mikrokredite, sondern ebenfalls Versicherungen und Sparkonten. MFIs werden häufig nach ihrem primären Ziel definiert, entweder armutsbezogen oder, was neuerdings stark zunimmt, gewinnorientiert. Im „Global Microscope“, einer Studie der Inter-

15

„Schmeiß die Aasgeier aus dem Parlament“ Graffitis – künstlerische Ausdrucksform eines politischen Protestes in Nairobi

Seit er 1997 erstmals auf Initiative eines Doktoranden Afrika besuchte, lässt ihn der Kontinent nicht mehr los. In einer langen Reihe von Exkursionen und Forschungsprojekten hat der seit mehr als 30 Jahren an der Universität Trier lehrende und forschende Dozent Dr. Johannes Michael Nebe den Blick von Studierenden auf Afrika gelenkt. Aus seiner langen Erfahrung und Innenansicht nimmt er Veränderungen intensiver wahr als Gelegenheitsbesucher. Zum Beispiel auch die Protestbewegung junger Graffiti-Künstler in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Seine Beobachtungen und Einschätzungen der Lage hat er in einem Beitrag zusammengefasst. ährend unseres Projektes, das ich im Frühjahr 2012 mit 23 Studierenden der Politikwissenschaft der Universität Trier und 16 Studierenden der Kenyatta University zum Thema „Civil Conflict Management of the PostElection Violence 2007/2008 in Kenya – Lessons Learnt and the Way forward” durchführte, wurden wir Augenzeugen einer bis dahin in Nairobi nicht gekannten politischen Protestkultur. Sie wählte sich den öffentlichen Raum als Schaubühne ihrer kritischen Botschaften in Form von Karikaturen und Texten.

W

Junge Künstler stehen hinter dieser Aktion und fordern geradezu die kleine, aber überaus machtvolle politische Elite in Kenia heraus. Der „Arabische Frühling”, der ebenfalls mit Graffiti-Botschaften begann, stand auch in Nairobi Pate. Ein politischer Neuanfang wird durch die Hypothek einer ganzen Reihe von Problemen belastet. Um die wichtigsten zu nennen:

Titelthema

Foto: Boniface Mwangi

16

„Schmeiß die Aasgeier mit deiner Wahlstimme aus dem Parlament” lautet die Botschaft dieses Graffitis.













der Tribalismus, der die Post-Election Violence nach den massiv gefälschten Präsidentschaftswahlen Ende 2007 prägte und ethnische Vertreibungen von mehr als 600.000 Menschen und unzählige Tote zur Folge hatte, die den Vielvölkerstaat nahezu in den Abgrund stürzte die erwartete Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag der politisch Hauptverdächtigen („crime against humanity”), die die Unruhen nach den Wahlen inszenierten

die vielen politisch nie aufgeklärten Korruptionsskandale der letzten Jahrzehnte

die bis heute ungelöste Landverteilungsfrage und das „land grabbing” der politischen Elite die überwiegende Negierung der zunehmenden Armut in Kenia durch die Regierung

die zögerliche Umsetzung der neuen Verfassung von 2010, Sicherung des Machterhalts der „alten Eliten”, fehlender Reformwille.

Immer wieder lässt das City Council die Graffitis übermalen.

Ein politischer Neuanfang würde jedoch einen Machtverlust der politischen Elite zur Folge haben. Daher wird die künftige Entwicklung Kenias spannend zu beobachten sein. Einer streitbaren Zivilgesellschaft wird eine immer größer werdende verantwortungsvolle Rolle zukommen, mit couragierten Aktionen den Politikwandel durch Aufklärungsarbeit friedlich anzustreben.

Das Ziel dieser Protestbewegung ist eine „ballot revolution”, also eine Revolution durch die Wahlurne zu erreichen. Ob dies gelingt, wird die nächste Wahl im März 2013 zeigen. Der Wahlkampf läuft bereits seit der letzten Wahl von 2007, jeden Tag kann dies in den Medien verfolgt werden. Die alten Strukturen kämpfen unerbittlich um ihren Machterhalt, neue demokratische

An vielen Straßenkreuzungen können die dort häufig lange Wartenden auf den Überwegen in Kiswahili lesen „Fukuza vultures bungeni na kura yako”, was so viel heißt wie „Schmeiß die Aasgeier mit deiner Wahlstimme aus dem Parlament”. Auch hier wird die kommende Wahl zeigen, ob die Aktionen Erfolg haben. Die Künstler scheuen vor Risiken nicht zurück, wie eine gefährliche nächtliche Graffiti-Aktion an einer öffentlichen Toilette in der Koinange Street nahe des Regierungsviertels zeigt. Beschreibe deinen Ministerpräsidenten bzw. Aasgeier heißt es unter anderem da (aber der MP ist mit roter Farbe durchgestrichen): machthungrig, rücksichtslos, arrogant, unaufrichtig, egoistisch ... Passanten bilden Gruppen und diskutieren diese Aussagen und denken nach über die Rolle ihrer Politiker und die zukünftige Entwicklung ihres Landes. Kein Wun-

Titelthema

Junge Graffiti-Künstler haben hier eine beachtenswerte Führungsrolle übernommen. Sie haben in der Innenstadt von Nairobi mit ihren politischen Graffitis seit Ende Februar des Jahres den öffentlichen Raum an vielen Stellen in eine Art Straßengalerie umgewandelt. Die nachts auf Straßen und Hauswänden angebrachten politischen Botschaften haben in der Bevölkerung starke Beachtung und ein politisches Bewusstsein gefunden, aber sicherlich nicht zur Freude der angegriffenen Eliten.

Hoffnungsträger gibt es kaum, die sich zu Wort melden können.

In gefährlichen Nachtaktionen bemalen Künstler eine Toilettenanlage mit ihren Botschaften.

17

Foto: Christopher Horne

„Ich stehle, raube ihnen ihr Land – dennoch wählen die Idioten mich nach wie vor.“ Ein viel beachtetes Graffiti in der Muindi Mbingu Street.

Titelthema

der, dass das Haltbarkeitsdatum dieser Graffitis nur wenige Tage überdauerte, bis das City Council diese entfernen ließ.

Das wohl umfangreichste und meist besuchte und diskutierte Graffiti-Wandgemälde befindet sich in der Muindi Mbingu Street in der Nähe des City Markets in Nairobi und zeigt einen auf einem Thron sitzenden und mit seinen Füßen einen Frauenkopf zerquetschenden riesigen und drohend aussehenden Aasgeier, der die politische Macht eines korrupten Politikers (MP) symbolisieren soll. An seinem Handgelenk angekettet befindet sich eine Aktentasche voller Geld. Die Sprechblase heißt übersetzt „Ich bin ein Stammesführer. (Die Leute) plündern, vergewaltigen, brennen nieder und töten für mich. Ich stehle, raube ihnen ihr Land – aber dennoch wählen die Idioten mich nach wie vor”. Links davon befindet sich eine lange Liste bisher ungelöster politischer Skandale. Rechts ist eine ebenfalls lange Liste von Eigenschaften, die ein vertrauensvoller Politiker haben sollte: visionär, bürgernah, kompetent, ehrlich, fair, dem Volk dienend, um nur einige dieser gewünschten Attribute zu nennen. Verhöhnt wird durch die am Sockel der Abbildung sichtbare Jahreszahl 1963 (Datum der Erlangung der Unabhängigkeit von der britischen Krone), dass die Politiker in Kenia das Volk seitdem völlig ausgeplündert haben. Anfang Oktober wurde auch dieses vielbeachtete Graffiti mit Farbe übermalt. Das zeigt die Angst der Regierenden gegen einen sich immer stärker artikulierenden Widerstand in der Bevölkerung. Mutlos sind die Künstler jedoch nicht. Sie machen weiter, wo immer sich ein Platz findet, ihre Botschaften zu senden. Die Graffiti-Aktion hat zumindest erreicht, der Bevölkerung ein Gefühl zu geben, wenn auch

18

nur für eine kurze Zeit, dass ihnen das Land gehört und nicht den Mächtigen. Politik bekommt allmählich ein anderes, veränderbares Gesicht.

Boniface Mwangi, ein 29-jähriger Fotograf, Filmemacher und politischer Aktivist, der diese Aktion ins Leben gerufen hat, wurde große Anerkennung zuteil - zuletzt von Prinz Claus der Niederlande oder durch den CNN Award in den Jahren 2008 und 2010. Die Preise erhielt er für seine Fotos, die er während der Post-Election Violence 2007/2008 in Kenia aufgenommen und in Ausstellungen nicht nur in Kenia, sondern auch in mehreren Ländern in Europa gezeigt hat, so in Berlin. Seine Bilder sind schockierend und machen verständlich, dass sich derartige blutige Unruhen nach einer Wahl nie wieder ereignen dürfen. Darüber hinaus setzt er sich auch mit seiner beeindruckenden und bewegenden Filmdokumentation „Heal the Nation” für den Erhalt des Vielvölkerstaates Kenia ein. In einem Interview, das ich mit ihm führte, sagte er zum Schluss: „Kenia ist auf dem richtigen Weg, Demokratie und Frieden öffentlich und ungestraft einzufordern.” Hoffen wir das Beste für dieses an bewundernswerten Menschen und bezaubernden Landschaften einzigartige Land. Dr. Johannes Michael Nebe

Hintergrund Mehr über den Fotograf, Filmemacher und Aktivist Boniface Mwangi und das Projekt Picha Mtaani ist auf folgendem Internetportal zu erfahren → www.pichamtaani.org

Transatlantischer Blick auf Gesundheit und Fitness Kanadische Wissenschaftler und der Botschafter zu Gast in Trier

Unter der Überschrift „Food, Health, and Fitness: A Comparative View on Social Practices and Cultural Images in Canada and Germany“ nahm sich die 15. Partnerschaftskonferenz der Universitäten Trier, Manitoba und Greifswald Themen an, die in der Wissenschaft, vor allem aber auch in der Öffentlichkeit allgegenwärtig scheinen und kontrovers diskutiert werden. as Zentrum für Kanada-Studien an der Universität Trier (ZKS) begrüßte dank der langjährigen Zusammenarbeit mit den Universitäten Greifswald und Manitoba ein internationales Panel an Forschern, welche zeitgenössische und historische Diskurse über Gesundheit, Fitness und Ernährung komparatistisch betrachteten. Unter den Teilnehmern befanden sich Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachrichtungen, darunter Sozialwissenschaftler, Anthropologen, Pädagogen, Ernährungswissenschaftler, Politologen, Literaturwissenschaftler, Linguisten und Filmwissenschaftler. Diese interdisziplinäre Ausrichtung wurde auch von Universitätspräsident Michael Jäckel würdigend hervorgehoben, der zusammen mit dem kanadischen Botschafter in Berlin, Dr. Peter Boehm, zur Eröffnung erschien.

D

Einen weiteren thematischen Schwerpunkt der Tagung bildete der Blick auf die kanadischen Ureinwohner (First Nations), deren Ernährungskultur von Hartmut Lutz (Greifswald) erörtert wurde. Seine Analyse mythischer Schöpfungstexte der Okanagan People vermittelte einen Eindruck von Eigenarten indigener Lebenswelten. Die daraus resultierenden Alltagsherausforderungen in einer modernen kana-

Foto: Peter Kuntz

Darüber hinaus standen Studien über literarische Texte sowie geschichtswissenschaftliche Untersuchungen auf der Tagungsagenda. So erörterte Markus M. Müller (Trier) Romane von Philip Roth und Mordecai Richler und ging dabei auf die Rolle von alternden Figuren Zeigten Flagge (von links): Konferenz-Gastgeber Prof. im Werk der beiden Au- Dr. Wolfgang Klooß, der kanadische Botschafter Dr. toren und in der zeitge- Peter Boehm und Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel. nössischen nordamerikanischen Literatur ein. Kerstin Knopf (Greifswald) warf hingegen einen Blick auf frühe historiographische KannibalismusDarstellungen. Beatrice Bagola (Trier) widmete sich schließlich Zusammenhängen zwischen Migrationsprozessen und kulturellen Ernährungspräferenzen in Kanada. Zum Rahmenprogramm der Konferenz zählten ein Besuch des Geburtshauses von Nikolaus von Kues, eine Autorenlesung mit dem Schriftsteller Dennis Cooley (Winnipeg) im Café Brunnenhof sowie eine abendliche Weinverkostung, begleitet von einem Vortrag zu Weindiskursen (Norbert Platz, Trier). Thomas Schneider, MA; Dr. Lutz Schowalter; Anglistik

Hintergrund

Fachbereiche, Fächer, Institute

In ihren Vorträgen zielten viele Referenten auf zeitgenössische Aspekte ab und belebten dadurch die Diskussion mit wichtigen gesellschaftspolitischen Debattenbeiträgen. Nach einem Themenaufriss durch Wolfgang Klooß, Direktor des ZKS, ging die Ernährungsforscherin Joyce Slater (Winnipeg) etwa auf Geschlechterrollen in der kanadischen Essenskultur ein und stellte dabei überkommene Stereotype im Umfeld der häuslichen Küche in Frage. Der Politologe James Fergusson (Winnipeg) untersuchte die Rahmenbedingungen der heutigen Soldatenausbildung und diskutierte die Rolle von Fitness-Vorstellungen im kanadischen Militär sowie den Einfluss militärischer Entwicklungen auf die zivile Gesellschaft. Mit Blick auf die große Begeisterung für Fußball in Deutschland und Hockey in Kanada spürte Lutz Schowalter (Trier) dem Zusammenhang zwischen Sport und Patriotismus nach. Ergänzt wurden diese Ausführungen durch den Vortrag des Filmwissenschaftlers Gene Walz (Winnipeg), der die mediale Darstellung des kanadischen Sports in Hockeyfilmen analysierte.

dischen Konsumkultur verdeutlichte der Anthropologe Maximilian Aulinger (Winnipeg) anhand seiner Forschungsergebnisse über die Skownan First Nation nördlich von Winnipeg.

Informationen über die wissenschaftliche Arbeit des ZKS → www.kanada-studien.uni-trier.de

19

Die Abtei St. Matthias in Trier.

Fotos: Andreas Thull

Wenn Steine zum Reden gebracht werden Studierende erschließen das Lapidarium von St. Matthias für Forschung und Ausbildung

Fachbereiche, Fächer, Institute

Das Lapidarium des Klosters St. Matthias in Trier soll der Forschung und der Ausbildung von Studierenden zugänglich gemacht werden. Für dieses Vorhaben legten Studierende des Fachs Kunstgeschichte in einem Seminar unter Leitung von Prof. Dr. Gottfried Kerscher die Grundsteine. Für das Projekt wurde eine eigene Datenbank entwickelt, die bereits mit mehreren hundert Exponaten gefüllt ist. in Lapidarium ist in erster Linie eine Ansammlung von Steinen, die einem Bau entnommen wurden. Diese „Steinhaufen“ werden zumeist in dunklen ungenutzten Räumen gelagert und geraten im Lauf der Zeit in Vergessenheit. Ihre Wiederentdeckung ist für die Bauforschung besonders erfreulich. In Zusammenhang mit der Restaurierung des Kreuzgangs von St. Matthias in Trier, der eine wissenschaftliche Kommission vorgeschaltet ist,

E

wurde ein solches Lapidarium im wahrsten Sinn des Wortes entdeckt. Die dort gelagerten Steine entstammen aus allen Epochen seit dem frühen Mittelalter. Die Überformungen der Abtei können anhand der Artefakte teilweise überprüft und evaluiert werden. Die dort versammelten Stücke sind gewissermaßen Ausdruck eines verändernden Formwillens, der sich in der Entnahme abzeichnet. Auf diese Weise vermitteln die Steine historische und formale Überlegungen, was nicht erhalten, sondern ausgeblendet und ersetzt werden sollte.

In enger Zusammenarbeit mit dem Abt des Klosters St. Matthias, Ignatius Maaß, und zwei weiteren Brüdern, Valerius und Jakobus, die sich lange Zeit und auch wissenschaftlich mit dem Bau von St. Matthias beschäftigt

In Holzschubladen werden die Fragmente sortiert.

20

Studierende begutachten und beschreiben Fundstücke.

haben, sowie unterstützt durch die oben genannte Kommission und nicht zuletzt dank der großzügigen Finanzierung durch das Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum (HKFZ) der Universität Trier, kam man überein, in einem größeren Projekt dieses Lapidarium der Forschung zugänglich zu machen und es darüber hinaus für die Ausbildung im Fach Kunstgeschichte nutzbar zu machen.

Georg Breitner, der die Befunduntersuchung des Klosterkreuzgangs vornahm und dokumentierte, konnte zum Teil bereits auf dieses Material zurückgreifen. Da es öffentlich zugänglich ist, können die Ergebnisse darüber hinaus jederzeit in die Restaurierung des Kreuzgangs einfließen.

Weitere Informationen → www.lapidat.uni-trier.de

Fachbereiche, Fächer, Institute

Im Sommersemester veranstaltete das Fach Kunstgeschichte unter der Leitung von Anika Molter, Peter Pfeiffer und Gottfried Kerscher das Seminar „Durch Funde lernen: Das Lapidarium von Sankt Matthias in Trier“, das Grundlagen des Inventarisierens vermittelte. Andreas Thull, Fotograf des Verbunds für Bildverarbeitung und Bildmedien im Fachbereich III und des Faches Kunstgeschichte, fertigte die Fotos an. Dieses Seminar schrieb eine Situation fort, die durch zwei Studierende begonnen worden war. Zunächst wurde festgestellt, ob die Artefakte des Lapidariums es wert sind, aufgearbeitet und der Forschung sowie der Befunduntersuchung und Restaurierung zur Verfügung gestellt zu werden. Sie sind es, und in der Zwischenzeit haben sich darüber hinaus sehr viele weitere höchst interessante Stücke gefunden, die sich in der Abtei außerhalb des eigentlichen Lapidariums befinden und unbedingt entweder museal präsentiert oder wenigstens zusammengestellt und der Forschung als Information zur Verfügung stehen.

den selbst nach Ende des Seminars mit hohem Engagement weiter arbeiteten, war, dass die speziell für dieses Projekt konzipierte Datenbank „LapiDat“ inzwischen mehrere hundert Exponate enthält, die mit Hilfe weiterer Mittel bearbeitet und vervollständigt werden sollen. Zu diesem Zweck wird ein Drittmittelantrag gestellt werden, um das spannende Projekt weiterführen und den Studierenden weiterhin Einblicke in die praktischen Arbeiten der Bauforschung geben zu können. Prof. Dr. Gottfried Kerscher, Kunstgeschichte

Ergebnis der Lehrveranstaltung, die sehr gerne besucht wurde und an deren Gestaltung die StudierenWie ein Puzzle lassen sich Fragmente zusammenfügen.

21

Ein starkes Forschungswerkzeug Die CMS-gesteuerte Datenbank LapiDat

Fachbereiche, Fächer, Institute

Wie sollten die im Lapidarium gewonnen Erkenntnisse, also die steinernen Artefakte und Baugruppen in einen geordneten Zusammenhang gebracht werden, ohne dass vor Ort umständlich auf sie zurückgegriffen werden musste? Selbst eine Vorsortierung der riesigen Masse war mit großen Fehlerquellen behaftet und kaum überschaubar. Die systematische Inventarisierung schien dazu der sinnvollste und effizienteste Weg. Um im alltäglichen Gebrauch unkompliziert wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse zu erhalten, musste zudem eine Datenbanklösung geschaffen werden, die aus Kostengründen die Nutzung proprietärer Industriesysteme ausschloss. Hierzu bot der sogenannte GPL-Open-Source Markt mit professionellen, lizenzfrei nutzbaren Digitalressourcen zahlreicher Skript- und Programmiersprachen, hinreichende Möglichkeiten, aus vielen Einzelkomponenten, die entsprechend im Quellcode verknüpft, ein funktionierendes Ganzes bilden. Über eine streng hierarchische Registrierungsund Nutzerprozedur sollte es auch von Ungeübten einfach zu bedienen sein und dennoch allen Anforderungen genügen, die an ein wissenschaftlich zu nutzendes Instrument gestellt werden.

22

Zunächst war es jedoch erforderlich einen, nach kunst- und bauhistorischen Grundsätzen gegliederten Katalog zu erstellen, um den Studierenden vor Ort eine einfachere Zuordnung der Bauteile zu ermöglichen, die dann von jedem internetfähigen PC in die Erfassungsmaske der Datenbank eingegeben werden können. Eine Registrierungsprozedur verifiziert Zugang und Eingabeberechtigung der Nutzer und schaltet diese zur dauerhaften Dateneingabe frei. Vor der eigentlichen Publikation steht die allerdings fachliche Überprüfung aller Dateneingaben durch Administratoren; nach der Erfüllung festgelegter Parameter in Eingabetext und Bildzuordnung, eine damit einhergehende Freischaltung zur öffentlichen Auswertung. Alle Artefakte und Bauteile wurden in einem mobilen Fotostudio von Andreas Thull, Fotograf des Faches Kunstgeschichte mit einer Signatur digital erfasst.

Abfragen im Sinne der Aufgabenstellung erfolgen mit einem individuell angepassten Suchmodul, in das grundsätzlich Freitext eingegeben werden kann, ohne dem Anwender komplexe Suchverknüpfungen abzuverlangen. Wird ein gefundener Datensatz angewählt, öffnen sich ein Bild-Text-Fenster und parallel dazu eine Abgleichliste aller ähnlichen Datensätze, die das System mit dem Suchergebnis automatisch abgeglichen hat. Damit wird eine Vorselektion von wahrscheinlich zusammengehörigen oder im gleichen Fundkontext stehenden Bauteilen erreicht und bereits am Bildschirm das virtuelle Zusammensetzen von Baugruppen ermöglicht. Zusätzliche Hilfe bietet die implementierte, nach Kategorien sortierte und ebenfalls recherchierbare Bilddatenbank, die mit hohen Zoomfaktoren Detailbeobachtung aus drei bis fünf Blickwinkeln erlaubt. Mit der Auswertungs- und Bilddatenbank „LapiDat“ (www.lapidat.uni-trier.de) steht dem Fach Kunstgeschichte nicht nur im Bereich Architektur, sondern auch für die Bildkünste ein starkes Forschungswerkzeug zur Verfügung, das sicherlich noch weiter ausgebaut und auch an andere Forschungsprojekte angepasst werden kann. Peter Pfeiffer, M.A. Wissenschaftlicher Mitarbeiter FB III, Geschichtliche Landeskunde, Datenbankerstellung und Projektkoordination

Verantwortlichkeit und Haftung für Umweltschäden 28. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht – Michael-Kloepfer-Preis verliehen

Vom 6. bis 7. September veranstaltete das Institut für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier (IUTR) sein 28. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht. Unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Proelß diskutierten rund 100 Teilnehmer aus Wissenschaft und Praxis über die Verantwortlichkeit und Haftung für Umweltschäden. ie Brisanz des Tagungsthemas zeigte sich insbesondere in Unglücksfällen der jüngeren Vergangenheit, wie der Atomkatastrophe in Fukushima oder dem Untergang der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko. Die Zielsetzung des Kolloquiums bestand zum einen darin, eine erste Bilanz der in jüngerer Zeit auf dem Gebiet der Umwelthaftung erfolgten Rechtsentwicklungen zu ziehen. Zum anderen galt es, die Reaktionen des nationalen, europäischen und internationalen Rechts auf die Geschehnisse zu beleuchten.

D

Im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Atomkraft, der unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid und der Entstehung von Ölverschmutzungsschäden durch Offshore-Aktivitäten setzten sich die Vorträge sowohl mit der Verantwortlichkeit von Staaten als auch mit der Betreiberhaftung für Umweltschäden auseinander. Es ging um erste Erfahrungen mit der EU-Umwelthaftungsrichtlinie, aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet des europäischen Umweltsanktionenrechts und grundrechtliche Schutzpflichten des Staates. Ebenso wurde auf die umweltstrafrechtliche Verantwortlichkeit von Leitungspersonen in Unternehmen und den Versicherungsschutz im Hinblick auf Umweltschäden eingegangen.

Auch in diesem Jahr gab der Empfang der rheinlandpfälzischen Landesregierung den Teilnehmern des Kolloquiums die Gelegenheit, sich kennenzulernen und über die Vorträge hinaus auszutauschen. In ihrer Begrüßung stellte Staatsministerin Ulrike Höfken vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten heraus, dass die Haftung für Umweltschäden auch in Rheinland-Pfalz ein wichtiges Thema sei. Das Land werde in vielerlei Hinsicht gefordert, sei es in der Gesetzgebung, beim Verwaltungsvollzug oder im Bereich eigener unternehmerischer Aktivitäten. Um haftungsrechtliche Aspekte gehe es etwa bei der PCB-Belastung von Eiern, dem Einsatz von Pestiziden oder der Bergbaumethode des Fracking. Vor allem aber sei es notwendig, dem vorsorgenden Umweltschutz Rechnung zu tragen und den Eintritt von Umweltschäden möglichst zu vermeiden.

Einen weiteren Höhepunkt des Kolloquiums bildete die erstmalige Verleihung des Michael-KloepferPreises des IUTR. Der mit 4.000 Euro dotierte Forschungspreis dient der Auszeichnung deutschsprachiger rechtswissenschaftlicher Monographien, die das Umwelt- und Technikrecht wegweisend fortentwickeln und von herausragender wissenschaftlicher Qualität sind. In feierlichem Rahmen wurde der Preis an Dr. Anna-Maria Schlecht verliehen für ihre Dissertation „Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht“. Bernadette Biermann, Assistentin des Geschäftsführenden Direktors

Fachbereiche, Fächer, Institute

Prof. Proelß überreicht den Michael-Kloepfer-Preis an Dr. Anna-Maria Schlecht.

V.l.n.R.: Prof. Dr. Peter Marburger, Prof. Dr. Bernd Hecker, Prof. Dr. Meinhard Schröder, Dr. Anna-Maria Schlecht, Prof. Dr. Peter Reiff, Prof. Dr. Alexander Proelß und Prof. Dr. Reinhard Hendler.

23

Wie Lernende die Welt verstehen 8. Internationale Konferenz zum Konzeptwandel an der Universität Trier

An der Universität Trier fand vom 1. bis zum 4. September die 8. „International Conference on Conceptual Change“ statt. In deren Rahmen setzten sich 78 Wissenschaftler aus aller Welt mit Präkonzepten von Lernenden auseinander. Die Tagung im Rahmen der European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI) wurde durch den Trierer Professor Michael Schneider und seine Arbeitsgruppe für Pädagogische Psychologie organisiert. Die Teilnehmenden kamen aus europäischen Staaten ebenso wie aus den USA, Australien, Brasilien, Libanon, Argentinien und Taiwan. arum schwimmt ein großes schweres Schiff aus Eisen auf dem Wasser? Nach Meinung mancher Grundschüler schwimmt es, weil ein Kapitän darauf ist. Anderen zufolge schwimmt das Schiff, weil es keine Löcher hat, weil die Luft es hochzieht oder weil es Holz geladen hat. Diese subjektiven Theorien, auch Präkonzepte genannt, haben die Kinder gebildet, um sich ihre Alltagserfahrungen mit schwimmenden und sinkenden Gegenständen zu erklären, mit Kapitänen in eindrucksvollen Uniformen, schwimmenden Ästen, dem Titanic-Film, Wasserbällen im Schwimmbad und vielem mehr. Die psychologische und pädagogische Forschung zum Konzeptwandel (englisch: conceptual change) untersucht solche Präkonzepte von Lernenden, wie sie entstehen, wie sie sich entwickeln und welche Bedeutung sie für die Gestaltung effektiven Unterrichts haben.

Fachbereiche, Fächer, Institute

W

24

Die große Bandbreite der Tagungsbeiträge machte deutlich, dass Präkonzepte nicht nur beim naturwissenschaftlichen Lernen im Grundschulalter eine Rolle spielen. Menschen jeglichen Alters und jeglicher Kompetenz versuchen, sich einen Reim auf ihre Erfahrungen zu machen und bilden dabei subjektive Theorien. Schüler haben Präkonzepte darüber, warum man mit Bruchzahlen anders rechnen muss als mit ganzen Zahlen. Kunden haben subjektive Theorien über die Entstehung der Preise, die sie zahlen sollen. Menschen haben Präkonzepte darüber, wie der Einzelne die Umwelt schützen sollte oder wie die Evolution abgelaufen ist. Patienten versuchen, sich Ursprung und Bedeutung ihrer Krankheitssymptome selbst zu erklären.

In allen Bereichen dienen die subjektiven Theorien zunächst dazu, Alltagserfahrungen einordnen und erklären zu können. Sie machen das Leben einfacher, indem sie Unsicherheit reduzieren – unabhängig davon ob sie aus wissenschaftlicher Sicht korrekt sind oder nicht. Lernende geben ihre Präkonzepte daher höchst ungerne auf, auch dann nicht, wenn man ihnen die wissenschaftlich korrekten Konzepte und Theorien erklärt. Denn diese werden im Unterricht oft auf einer abstrakten Ebene vermittelt, sodass Lernende sie nicht an ihre eigene Er-

fahrung anbinden können. Sie wirken dann intuitiv weniger nützlich für das eigene Leben als die „selbstgestrickten“, aber bewährten Präkonzepte. Wie mehrere Tagungsbeiträge empirisch zeigten, führt das zu dem Problem der kontextabhängigen Aktivierung von Wissen: Schüler oder Studierende lernen Beschreibungen wissenschaftlicher Konzepte auswendig und geben sie in Prüfungen wieder. Aber sobald sie außerhalb von Schule oder Universität mit Freunden oder Familie Alltagsprobleme besprechen, fallen sie zurück in die noch immer vorhandene Gedankenwelt ihrer Präkonzepte. Korrekte wissenschaftliche Konzepte und inkorrekte Präkonzepte stehen im Langzeitgedächtnis vieler Lernender unverbunden nebeneinander. Eine andere Gruppe von Tagungsbeiträgen untersuchte empirisch, was das für die Gestaltung von Unterricht zur Förderung von Konzeptwandel bedeutet. Präkonzepte sollten im Unterricht niemals ignoriert werden. Vielmehr muss das immer schon vorhandene Vorwissen der Lernenden zunächst expliziert werden, das heißt den Lernenden bewusst gemacht, verbalisiert und zusammengetragen werden. Oft sind Lernende erstaunt, wenn sie bemerken, dass andere Menschen sich ganz andere Präkonzepte gebildet haben als sie selbst. Modelle zum Anfassen und Diagramme sind in dieser Phase des Konzeptwandels hilfreich, weil sie abstrakte Ideen veranschaulichen, das Gedächtnis entlasten und dadurch das Denken erleichtern.

Erst nach der Explikation des Vorwissens kann die Vermittlung des wissenschaftlich korrekten Wissens ansetzen, in der die Präkonzepte überprüft, auseinandergenommen, neu zusammengesetzt und erweitert werden. Das fehlerhafte Vorwissen und die Alltagserfahrung werden so zum „Baumaterial“, das eine Lehrkraft beim Aufbau komplexen wissenschaftlichen Wissens nutzen kann. Ob Gegenstände im Wasser schwimmen, hängt nach dem Archimedischen Prinzip davon ab, ob sie mehr wiegen als das Wasser, das sie verdrängen. Effektiver Unterricht zum Schwimmen und Sinken müsste also dieses Konzept an die relevanten Alltagserfahrungen anbinden. Zum Beispiel könnte eine Klasse Experimente dazu durchführen, warum ein Spielzeug-

Foto: Peter Aymanns und Thea Gerst

Aus vier Kontinenten kamen Wissenschaftler nach Trier, um sich mit Lernen durch Konzeptwandel zu beschäftigen.

schiff mit einem Loch im Rumpf sinkt während ein Holzknopf trotz Löchern schwimmt. Auf besonderes Interesse bei den Konferenzteilnehmern stießen die vier Keynote-Vorträge international renommierter Wissenschaftler. So präsentierte die Lehr-Lernforscherin Elsbeth Stern von der ETH Zürich mehrere eigene Studien, die darauf hindeuten, dass die Mechanismen des Konzeptwandels in hochintelligenten und niedrig intelligenten Lernenden gleich ablaufen. Die Intelligenteren sind lediglich schneller in ihrem Denken und haben darum oft die weiter entwickelten Konzepte. Patricia P. Alexander von der University of Maryland, USA, plädierte dafür, Wahrnehmung und Konzeptwandel nicht als zwei unabhängige Bereich der Psyche zu betrachten, denn unsere Wahrnehmung ist eine der wichtigsten Quellen abstrakter Konzepte und unsere Konzepte prägen umgekehrt unsere Wahrnehmung und Interpretation der Welt.

Die Psychologin Stella Vosniadou von der Universität Athen fasste schließlich ihre langjährige Forschung zu den gedächtnispsychologischen Grundlagen von Konzeptwechseln zusammen.

Auch der Forschernachwuchs wurde auf der Tagung nicht vernachlässigt. Der Doktorand Jake McMullen von der Universität Turku, Finnland, gewann den Preis für den besten Beitrag eines Nach-

Die Konferenz wurde auch durch Beiträge aus Trier bereichert. Tanja Baudson und Franzis Preckel von der Abteilung für Hochbegabtenforschung präsentierten eine Studie über die subjektiven Theorien von Lehrern über hochbegabte Schüler. Maida Mustafić von der Abteilung für Pädagogische Psychologie erklärte ihre Arbeit zu Unterschieden im Konzeptwandel über die Lebensspanne hinweg. Armin Günther, Günther Krampen und Kollegen vom Leibniz-Institut für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) untersuchten epistemologische Überzeugungen von Psychologiestudierenden. Sie interessierte, inwiefern die Lehre im Fach Psychologie nur Wissen anhäuft oder auch kritische Reflexion über die Natur des Wissens und Lernens fördert. Die wissenschaftlichen Sitzungen waren eingebettet in ein soziales Rahmenprogramm. Die Teilnehmenden wurden bei einem Sektempfang vom Vizepräsidenten der Universität, Thomas Raab, mit einer herzlichen Rede begrüßt. Das Konferenzdinner mit Gruppenfoto im Weinberg fand in gemütlicher Atmosphäre auf dem Weingut „Georg Fritz von Nell“ statt. Insgesamt stieß die Konferenz bei den Teilnehmenden auf ein sehr positives Echo. Eine Konferenzteilnehmerin fasste zusammen: „Auch Wissenschaftler lernen durch Konzeptwandel. Tagungen wie diese sind das beste Mittel dazu!“ Michael Schneider und Maida Mustafi´c, Pädagogische Psychologie

Fachbereiche, Fächer, Institute

Bethany Rittle-Johnson von der Vanderbilt University, USA, zeigte, dass die Mathematik zwar einerseits eine abstrakte und auf formalem Denken basierende Disziplin darstellt, dass beim Mathematiklernen aber dennoch Alltagserfahrungen, Präkonzepte und Konzeptwandelprozesse wichtige Rollen spielen.

wuchswissenschaftlers. Wie seine Studie zeigt, haben Kinder, die im Alter von 5 bis 9 Jahren bei der Beschreibung von Bildern spontan auf Zahlen und Proportionen achten, im Alter von 12 Jahren eine höhere Mathematikleistung als ihre Altersgenossen.

25

Begleitung an der Forschungsfront Die „Trierer Summer School on Social Network Analysis“ unter der Lupe

Seit sechs Jahren bietet der Forschungscluster „Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke“ der Universitäten Trier und Mainz mit der „Trierer Summer School on Social Network Analysis“ Nachwuchswissenschaftlern der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fächer einen einwöchigen Intensivlehrgang zur Sozialen Netzwerkanalyse (SNA) an. Angesprochen werden vor allem Forscher, die sich mit der Analyse sozialer Strukturen beschäftigen. Sie erhalten eine anwendungsorientierte Forschungsberatung sowie Hilfe bei den ersten Schritten in einer zunehmend bedeutsamer werdenden Forschungsrichtung. Fotos: Linda Reschke

Prof. Dr. Michael Schönhuth beim Eröffnungsvortrag des mixed-methods-Workshops.

rof. Dr. Michael Schönhuth, Dozent und wissenschaftlicher Begleiter der Summer School, berichtet im Gespräch von den Herausforderungen und Besonderheiten dieses einwöchigen Lehr- und Lernformats.

Fachbereiche, Fächer, Institute

P

26

In der vorlesungsfreien Zeit werden normalerweise liegengebliebene Arbeiten erledigt. Die jährliche Organisation und Durchführung einer Summer School für 40 Teilnehmer ist sehr aufwändig. Worin liegt der Reiz und Ansporn? Eine Summer School bietet ideale Möglichkeiten, über den Standort Trier hinaus mit jungen Netzwerkforschern ins Fachgespräch einzusteigen und sie an der „Forschungsfront“ zu begleiten – sei dies nun in der Vermittlung von Netzwerkkompetenzen oder bei konkreten Lösungen, die wir in der Forschungsberatung miteinander erarbeiten. Eine Summer School ist ja ein ganz eigenes Öffentlichkeitsformat. Wie trägt Ihrer Meinung nach ein solches Lehrangebot zur Profilbildung der Universität bei? Der Beitrag zur Profilbildung ist hoch: Wir haben mit der Netzwerk-Summer School in Trier ein Angebot geschaffen, das Forscher aus der ganzen Bundesrepublik und darüber hinaus anzieht. Die Teilnehmer nehmen neben der Qualität der einzelnen Inhalte auch den ‚Spirit‘ des sozialen Zusammenseins – also das gemeinsame Lernen und nicht zuletzt die informellen Gespräche – an ihren Forschungsstand-

ort mit. Das stärkt den Ruf Triers als eines der wichtigen deutschen Netzwerkforschungszentren in der Kultur- und Sozialwissenschaft. Zudem bieten wir durch die Beratung konkrete methodologische Unterstützung für laufende Forschungsprojekte und können den Teilnehmern gezielt Trierer Innovationen bekannt machen. Die Visualisierungssoftware VennMaker ist zum Beispiel ein solches Alleinstellungsmerkmal. Wen die Software überzeugt, der nutzt sie auch am eigenen Standort und übernimmt damit eine Multiplikatorenfunktion. Die hiesigen Netzwerkforscher können mit dem Nachwuchs aus mehr als 25 Lehr- und Forschungsstandorten in Deutschland und darüber hinaus auf „Tuchfühlung“ gehen.

Bei sozialen Netzwerken denken die meisten an die private Nutzung von social network sites. Wie und warum beschäftigt sich die Wissenschaft mit sozialen Netzwerken? Die Soziale Netzwerkforschung ist weder rein personen- noch institutionenbezogen. Sie setzt an der Schnittstelle von persönlichen und institutionalisierten Beziehungen an. Sie bezieht ihren Mehrwert aus der Tatsache, dass sie nicht die strategische Seite der Kontaktknüpfung – wie z.B. auf Facebook oder Xing – untersucht, sondern vielmehr die unbeabsichtigten Folgen von beabsichtigten Handlungen. Die SNA erbringt wissenschaftliche Erkenntnisse über die Parameter, nach denen Netzwerke funktionieren und wie sich sowohl verdeckte als auch offensichtliche Netzwerkstrukturen auf Individuen und Gruppen auswirken. Praktisch kann dieses wissenschaftlich reflektierte Wissen gezielt als Coaching oder in der Organisationsberatung eingesetzt werden. In Trier haben wir den großen Vorteil, dass unsere Forscher in beiden Bereichen methodisch gut aufgestellt sind. Zur Summer School kommen jährlich Studenten und Doktoranden mit ganz unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund aus Deutschland und den Nachbarländern. Was nehmen Sie persönlich aus diesen Begegnungen mit? Junge Forscher bearbeiten meist innovative Forschungsfragen, forschen also am Puls der Zeit, und

Fotos: Linda Reschke

Impressionen von der Summer School on Social Network Analysis 2012: Neue Teilnehmer, neue Fragen, neue Kontakte.

sind in der Regel bereiter als etablierte Forschungskollegen, im „geschützten“ Raum einer Summer School auch Forschungsprobleme anzusprechen. Durch die Heterogenität der hier versammelten Arbeits-, Lebens- und Standorterfahrungen kommt es

immer wieder zu spannenden persönlichen Begegnungen und Gesprächen. Das ist auch als Dozent ungeheuer bereichernd. Interviews und Texte: Linda Reschke und Verena Hoppe

„Ein solider Mix aus neuem Wissen und guter Orientierung“

Auch die diesjährigen Teilnehmer haben die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Hintergründe und Forschungsinteressen. Im Interview erzählt Mart Verhoog mehr über seine Motivation, nach Trier zu kommen, und berichtet von seinen ganz persönlichen „Summer School-Erfahrungen“.

Wie sind Sie auf die Trierer Summer School aufmerksam geworden? 2010 bin ich aus dem Beruf ausgestiegen und widme mich seitdem der Doktorarbeit. Seit zwei Sommern suche ich nach einer passenden Summer School, bei der ich das Thema Nachhaltigkeit mit SNA kombinieren kann. Bereits 2011 bin ich im Internet nach langer Suche durch einen Zufallstreffer auf das Trierer Angebot gestoßen und in diesem Jahr passte der Termin sehr gut in meinen Zeitplan. Welche neuen Perspektiven eröffnen sich durch die Soziale Netzwerkanalyse für Ihr Thema? Der Entscheidungsprozess, energetisch zu sanieren oder zu bauen, ist sehr komplex. Es gibt viele Stakeholder, die mitentscheiden wollen – Architekten, Handwerker, Banken und sogar zum Teil Behörden. Um die Beeinflussung des Bauherrn

Mart Verhoog, zufriedener Teilnehmer der Summer School 2012.

zu betrachten und zu analysieren, eignet sich die SNA. Ich will vor allem eine robuste quantitative Analyse machen. Die SNA hilft, hierfür ein fundiertes Zahlenwerk zu erstellen.

Was nehmen Sie an positiven Impulsen aus der Summer School mit zurück an Ihren heimischen Schreibtisch? Schon allein die ersten zwei, drei Tage haben zu einer Verfestigung der Methode bei mir geführt. Nun kenne ich die Feinheiten – Parameter, die berechnet werden können und die ich in meiner Analyse einsetzen kann. Es ist ein solider Mix aus neuem Wissen und guter Orientierung. Wichtig ist auch die Bestätigung, dass die eigenen Überlegungen in die richtige Richtung gehen. Das gibt mir Sicherheit im Forschungsprozess. Ein Beispiel: Mit der Auswertung der erhobenen Netzwerkdaten in SPSS hatte ich bis jetzt gewartet. Ich hatte zwar eine Vorstellung, wie man sie angehen könnte, der Weg schien mir aber etwas umständlich. Jetzt hat sich bestätigt, dass der angedachte Weg richtig ist und es keine Alternativen gibt. Es zeigt, dass ich den richtigen Instinkt hatte.

Fachbereiche, Fächer, Institute

Können Sie uns Ihr Fach und Ihr konkretes Forschungsprojekt kurz beschreiben? Ich arbeite als externer Doktorand an der Handelshochschule Leipzig in der Marketingforschung, genauer gesagt in der Konsumentenverhaltensforschung im Bereich Nachhaltigkeit. In meiner Dissertation geht es um den Entscheidungsprozess, energetische Maßnahmen im Wohnbau umzusetzen wie etwa den Einsatz von Dämmstoffen oder energiesparenden Fenstern.

27

Die Forschung bereichert Ringvorlesung des America Romana Centrums lockte internationale Experten

Mit seiner zweiten Ringvorlesung hat sich das noch junge America Romana Centrum an der Universität Trier ein Stück weiter als Wissenschaftsstandort zur Erforschung der Sprachen, Literaturen und Kulturen der romanischen Länder Amerikas etabliert: Vor rund 50 Studierenden haben im zurückliegenden Sommersemester Wissenschaftler aus dem In- und Ausland ihre Forschungen zu unterschiedlichen Themen und Regionen der America Romana in Trier vorgestellt. „Unsere Ringvorlesung war ein voller Erfolg“, freut sich Dr. Christine Felbeck, Geschäftsführerin des Trierer America Romana Centrums (ARC). „Die Resonanz war fantastisch, nicht nur bei den Gastvortragenden, sondern auch bei den Trierer Studierenden.“

Fachbereiche, Fächer, Institute

Rund 50 Studierende haben im Sommersemester jede Woche die Vorträge der zweiten Ringvorlesung des America Romana Centrums gehört. Im Unterschied zur ersten ARC-Ringvorlesung, die 2010 als Auftaktveranstaltung nach der Gründung des Centrums ausschließlich von Trierer Romanisten gehalten worden war, habe man dieses Jahr bewusst auf externe Wissenschaftler gesetzt, erklärt Prof. Dr. Andre Klump, Sprecher des ARC. „Es ging uns darum, ausgewiesene America-Romana-Experten aus dem In- und Ausland nach Trier zu holen, damit diese mit ihren Expertisen unsere Forschung bereichern und unseren Studierenden neue Projektideen vermitteln“, so Klump. Von lateinamerikanischen Immigranten in Québec (Bettina Kluge) zur kolonialen Karibik (Gesine Müller) oder zum aktuellen Sprachgebrauch in Ecuador (Hella Olbertz) – das Programm war innovativ, interdisziplinär und äußerst abwechslungsreich. „Bei der Konzeption der Ringvorlesung haben wir vor allem zwei Kriterien berücksichtigt:

Foto: Beate Kerpen

28

Einerseits sprach-, literatur- und kulturwissenschaftliche Ansätze fruchtbar miteinander zu verknüpfen, und andererseits die America Romana hemisphärisch in ihrer ganzen Ausdehnung in den Blick zu nehmen“, führt Felbeck aus. Zudem habe man bevorzugt Nachwuchswissenschaftler in der Promotions- und Habilitationsphase eingeladen, um Forschungsperspektiven aufzuzeigen und diesen darüber hinaus ein Forum zu bieten – nicht nur durch die Vorträge, sondern auch durch die sich anschließende Veröffentlichung der Beiträge im fünften Band der Trierer Reihe „America Romana – Studien zu Sprachen, Literaturen und Kulturen der romanischen Länder Amerikas“. Mit einer Feier, zu der typische Spezialitäten aus der America Romana angeboten wurden, fand die Ringvorlesung auch kulinarisch einen passenden Abschluss. Das Fazit der Veranstalter fällt positiv aus: „Wir sind hochzufrieden mit dem Verlauf der Ringvorlesung, und es wird bestimmt nicht die letzte dieser Art gewesen sein“, betont das Gründungsmitglied Prof. Dr. Johannes Kramer. Beate Kerpen

Das America Romana Centrum etabliert sich mit den Ringvorlesungen immer mehr als Wissenschaftsstandort zum romanischen Amerika.

Trierer reden in der „digitalen Community“ mit Claudine Moulin in Regionalverband-Vorstand gewählt – Trier Center präsentiert sich

Die Digital Humanities, kurz „DH“, zählt zu den wichtigsten Großveranstaltungen im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften. In diesem Jahr wurde die international bedeutsame Konferenz vom 16. bis 22. Juli an der Universität Hamburg ausgerichtet. Selbstverständlich reisten auch Wissenschaftler des Trier Center for Digital Humanities (TCDH) in die Hansestadt. Zudem wurde Prof. Dr. Claudine Moulin als Vertreterin des TCDH in den Vorstand eines neuen deutschsprachigen Regionalverbandes gewählt. u den Teilnehmern aus Trier an der seit 1989 jährlichen und überaus renommierten Konferenz gehörten die Nachwuchsforscher Joshgun Sirajzade (TCDH) und Michael Bender (TU Darmstadt/Universität Trier). Vor dem offiziellen Konferenzstart trafen sie mit der „Digitalen Community“ zusammen und tauschten sich in Workshops und Tutorials über die neuesten Entwicklungen und praktischen Erfahrungen aus. Daneben wirkten sie am Rahmenprogramm der „DHD Unconference“ mit, die ihren Fokus zunächst auf die Diskussion der aktuellen Forschungssituation in den deutschsprachigen Digital Humanities legte.

Z

Nachhaltigster Ertrag dieser „Unconference“ ist gewiss die Gründung eines deutschsprachigen Regionalverbandes für Digital Humanities, der sich zukünftig als Interessenvertretung und gemeinsame Plattform für die vielfältigen DH-Aktivitäten im deutschsprachigen Raum etablieren soll. Als Vertreterin des TCDH wurde Prof. Claudine Moulin in den Vorstand des neu gegründeten Verbands gewählt und wird die digitalen Geisteswissenschaften nun nicht nur deutschlandweit mitbe-

Am Abend des zweiten Tages fand die offizielle Eröffnung der „DH 2012“ statt. Prof. Moulin hielt die Keynote-Speech zum Thema „Dynamics and diversity: exploring European and transnational perspectives on digital humanities research infrastructures“. Sie gab einen umfassenden Überblick über das Feld der Digital Humanities und diskutierte die aktuelle Forschungssituation in Europa. Dabei betonte sie, dass der Erhalt und die Dokumentation kultureller und sprachlicher Varianz nicht nur eine der bedeutendsten Herausforderungen bei der Entwicklung wissenschaftlicher Methodologien und für die Zukunft der Digital Humanities sei, sondern auch eines der Schlüsselthemen der europäischen wie internationalen (Wissenschafts-)politik und Forschungsförderung. Darüber hinaus berichtete sie über die Forschung des Trier Center for Digital Humanities und dessen innovative Projekte.

Daneben waren auch die Mitarbeiter des Trierer Kooperationsprojekts „XML-Print“ auf der „DH 2012“ vertreten und führten der Fachöffentlichkeit die gleichnamige Software zur regelbasierten Formatierung und Erzeugung anspruchsvoller Textsatz-Ergebnisse beliebiger XML-Dateien live vor. Auch auf der angegliederten Projektmesse wurden verschiedene Vorhaben des TCDH mit Posterpräsentationen vorgestellt. Joshgun Sirajzade und Michael Bender

Weitere Informationen → www.dh2012.uni-hamburg.de/ (Die Keynote von Prof. Moulin kann auf dieser Homepage als Video-Lecture abgerufen werden) → www.kompetenzzentrum.uni-trier.de/

Fachbereiche, Fächer, Institute

Anschaulich wurde das Ganze durch die Präsentation aktueller DH-Projekte im Science-Slam-Format: Dabei erklärte der EDVPhilologe Sirajzade (Foto links), wie der Text ins digitale Medium kommt, das heißt wie philologische Daten organisiert und linguistisch annotiert und in welcher Form digitale Texte schließlich weiterverwertet werden. Der Informationswissenschaftler Bender (Foto unten) stellte während seines Kurzvortrags eine Nutzerbedarfsstudie vor und erörterte, welche Anforderungen Geisteswissenschaftler an textwissenschaftliche virtuelle Forschungsumgebungen stellen.

stimmen, sondern auch in der europäischen „Association for Literary and Linguistic Computing“ (ALLC) sowie im internationalen Dachverband „Alliance of Digital Humanities Organisations“ (ADHO) repräsentiert sein.

29

Das Potenzial sozialer Grundrechte in Europa Hochrangige Besetzung und diskussionsfreudige Teilnehmer bei IAAEU-Tagung

Unter dem Titel „Soziale Grundrechte im europäischen Mehrebenensystem“ veranstaltete das Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union (IAAEU) unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schlachter am 12. Oktober in den Räumen des ERA Conference Centers in Trier eine hochrangig besetzte Konferenz. Zu den über 80 Gästen aus verschiedenen europäischen Ländern zählten dabei sowohl Vertreter zahlreicher Universitäten und arbeitsrechtlicher Institute als auch Vertreter internationaler Organisationen, Gewerkschaften und Ministerien des Bundes.

Prof. Dr. Egils Levits, Richter am Europäischen Gerichtshof und ehemaliger Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, eröffnete die Vortragsreihe mit seinem Beitrag zum Thema „Charta der Grundrechte der europäischen Union“.

International besetzt war die Tagung des IAAEU zu Sozialen Grundrechten im europäischen Mehrebenensystem.

or dem Hintergrund des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon und der damit erstmaligen Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union diskutierte ein internationales Publikum angeregt über das Entwicklungspotential sozialer Grundrechte im europäischen Mehrebenensystem.

Fachbereiche, Fächer, Institute

V

30

Klaus Lörcher, ehemaliger Justiziar des Europäischen Gewerkschaftsbundes, und Prof. Dr. Hellmut Wißmann, ehemaliger Präsident des Bundesarbeitsgerichts und Honorarprofessor an der Universität Halle-Wittenberg, führten die Gäste mit ihrer Moderation sicher durch das Rahmenprogramm und leiteten im Anschluss an die Beiträge die angeregten Diskussionsrunden.

Prof. Dr. Achim Seifert von der Universität Jena betrachtete die horizontale Wirkung sozialer Grundrechte mit Parallelen zum nationalen Recht. Fotos:IAAEU

Colm O´Cinneide, Professor für Vergleichendes Verfassungs- und Anti-Diskriminierungsrecht an der UCL London und Vize-Präsident des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte, ermöglichte im Anschluss mit seinem Beitrag „Verfassungen der Mitgliedstaaten“ vertiefte Einblicke in den Grundrechtsschutz verschiedener europäischer Verfassungen und zog darüber hinaus interessante Vergleiche zu internationalen Verfassungswerken. Im Anschluss an eine rege Diskussion zu den ersten Vorträgen verschaffte Lenia Samuel, Sonderberaterin der Europäischen Kommission in Brüssel und ehemalige Vorsitzende des Regierungskomitees der Europäischen Sozialcharta in Straßburg, den Zuhörern mit ihrem Beitrag zur „Europäischen Sozialcharta“ einen weitreichenden Überblick über die historische Entwicklung und die heutige Bedeutung der Sozialcharta für soziale Grundreche im europäischen System.

Als Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellte Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger eindrucksvoll die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für die Entwicklung sozialer Rechte und ihre Ausstrahlung auf die Charta der Grundrechte der europäischen Union dar.

Nach einer stärkenden Mittagspause, die von allen Teilnehmern zudem zur fortgesetzten Diskussion genutzt wurde, sorgte Filip Dorssemont, Professor für Europäisches Arbeitsrecht an der Katholischen Universität Löwen, Belgien, mit einem humorvollen und lebendigen Vortrag zum Thema „Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Rechtsquellen unter besonderer Berücksichtigung der

horizontalen Bestimmungen der Europäischen Grundrechtecharta“ für einen gelungenen Auftakt am Nachmittag.

Nicht weniger interessant setzte sich Prof. Dr. Achim Seifert, Universität Jena, mit der Frage der horizontalen Wirkung sozialer Grundrechte auseinander und zog beeindruckend anschaulich Parallelen zum nationalen Recht.

Komplettiert wurde der sehr informative und fachlich anspruchsvolle Konferenztag schließlich mit einem Beitrag von Stein Evju, Professor für Norwegisches und Internationales Arbeitsrecht an der Universität Oslo, zum Thema „Soziale Grundrechte vs. Europäische Grundfreiheiten“.

Insgesamt blickt das IAAEU auf eine gelungene Veranstaltung zurück, zu deren Gelingen eine hochrangige Besetzung, erfahrene Moderatoren, diskus-

sionsfreudige Teilnehmer und nicht zuletzt auch die Mitarbeiter des IAAEU beigetragen haben. Sarah Prinz, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Hintergrund Das Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft (IAAEG) hat einen Antrag auf Umbenennung des Institutes gestellt, die seit 24. September in Kraft ist. Die Bezeichnung lautet nun: Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union (IAAEU). Informationen zum Institut

→ www.iaaeu.de

Wie sie den Weg nach Trier fanden Graphische Sammlung feiert ihren Geburtstag mit einer Ausstellung

I

Es ist mittlerweile das 21. Ausstellungsprojekt, das Stephan Brakensiek und seine Vorgänger realisiert haben. Verglichen mit renommierten Sammlungen ist der Bestand an der Trierer Universität von rund 5000 Blatt überschaubar und mit 30 Jahren vergleichsweise jung. Dennoch gelang es den Verantwortlichen in den zurückliegenden Jahren, Ausschnitte aus dem Werksbestand unter stets neuen thematischen Aspek-

ten vorzustellen. Der Fundus ist darüber hinaus eine hervorragende Arbeitsgrundlage für die Studierenden. „30 Jahre Graphische Sammlung, das bedeutet auch 30 Jahre, in denen die Studierenden mit Originalen umgehen konnten“, so Brakensiek in seiner Einführung.

An der aktuellen Präsentation haben Studierende wieder einmal maßgeblich mitgewirkt. Die Auswahl der sinnigerweise 30 Werke zum 30. Geburtstag zeigt einen Querschnitt durch den Fundus, aber auch durch die Jahrhunderte. Markant für den Trierer Bestand ist das breite Spektrum der Herkunft der Werke. Die „Provenienzen“ haben die Studierenden daher in den Mittelpunkt gerückt und nach früheren Besitzern und Sammlern recherchiert und geforscht. „Wir wollten herausfinden, aus welchen Beständen die Graphiken nach Trier gekommen sind. Die Rückseiten der Graphiken sind in dieser Hinsicht wie ein offenes Buch. Auf etwa zehn Prozent der Blätter sind Hinweise zu finden“, erläuterte Brakensiek. Diese Vermerke werden den Ausstellungsbesuchern zu den jeweiligen Graphikblättern präsentiert. Peter Kuntz, Pressestelle

Fachbereiche, Fächer, Institute

hren 30. Geburtstag feiert die Graphische Sammlung des Fachs Kunstgeschichte an der Universität Trier mit einer Jubiläumsausstellung, die Kustos Dr. Stephan Brakensiek eröffnete. Dass unter dem Titel „Graphik, Graphik, du musst wandern…“ bis zum 27. Januar genau 30 druckgraphische Meisterwerke in der Universitätsbibliothek präsentiert werden, ist kein Zufall. Hier trat die Sammlung vor Jahren erstmals mit einer Ausstellung in Erscheinung. Nun schließt sich im Foyer der Kreis. „Sie ist ein Aushängeschild der Universität“, würdigte der Stellvertretende Bibliotheksdirektor Carlheinz Rolf Straub die Graphische Sammlung in seiner Begrüßung.

31

Wo Informatiker ins Kloster gehen Universität Trier ist Gesellschafter des Leibniz-Zentrums für Informatik „Schloss Dagstuhl“

Spätestens wenn die Sonne über den Hügel steigt und die alten Gemäuer in einem warmen Licht inszeniert, ist die Postkarten-Idylle um Schloss Dagstuhl perfekt. Das Kleinod im nördlichen Saarland schätzen heiratswillige Paare ebenso wie die weltweit klügsten Köpfe der Informatik. Die einen wegen der romantischen Schlosskappelle für Trauungszeremonien, die anderen wegen des hier ansässigen Leibniz-Zentrums. Seit der ehemalige Fürstensitz im Jahr 1990 als „Internationales Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik“ eine neue Bestimmung gefunden hat, geben sich hier die großen Namen der Informatik und Nachwuchswissenschaftler die Klinke in die Hand. Nicht selten kommen die Besucher aus Trier, denn die Universität ist Gesellschafter des hoch geschätzten Zentrums und stellt mit Prof. Dr. Stephan Diehl einen der insgesamt 14 wissenschaftlichen Direktoren. chloss Dagstuhl entwickelte sich rasch zu einer der ersten Adressen der Informatik. „Im August 1990 haben wir unser erstes Seminar angeboten. Ich war verblüfft, wie schnell wir bereits in den Anfangsjahren ausgebucht waren“, erinnert sich der wissenschaftliche Direktor, Prof. Dr. Reinhard Wilhelm, der an der Universität des Saarlandes forscht und lehrt. Durch die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft vor sieben Jahren hat das 1990 gegründete Zentrum eine weitere Aufwertung und institutionelle Sicherung erfahren.

Fachbereiche, Fächer, Institute

S

32

Mit der Beliebtheit des Begegnungszentrums wuchs dessen räumliches Angebot. Jüngst wurde ein Gästehaus für 1,4 Millionen Euro errichtet. „Mit diesen Erweiterungen ist für mich die Grenze der Intimität erreicht“, sagt Wilhelm. Dieser Satz erfährt besonderes Gewicht, wenn man seine Philosophie kennt, die er mit dem „Wissenschaftskloster“, wie er es selbst nennt, verbindet: „Zu den Erfolgsprinzipien gehört, dass sich die Gäste möglichst weitgehend aus dem Alltagsbetrieb auskoppeln und sich unbehelligt auf ein Thema konzentrieren können. Sie sollten sich von allem Weltlichen verabschieden“, schmunzelt Wilhelm. Mittlerweile pilgern jährlich etwa 3.000 Informatiker zu den Dagstuhl-Seminaren oder Perspektiven-Workshops. „Sich eine Woche lang nur auf ein Thema konzentrieren zu können, ist ein Luxus, den man sonst nicht kennt“, schätzt Stephan Diehl das Schloss als wissenschaftliches Refugium.

Selbstredend sind es über das Flair und die Atmosphäre des Schlosses hinaus das Netzwerken und die Anbahnung von Kooperationen sowie in erster Linie die Qualität der Veranstaltungen und der Teilnehmer, die dem Begegnungszentrum zu seiner herausgehobenen Stellung verholfen haben. „Informatiker aus aller Welt kommen hierher, weil sie sicher sind, dass es sich lohnt. Das sehen wir als Sinn unserer Arbeit“, legt Reinhard Wilhelm eine hohe Messlatte an die von ihm geleitete Einrichtung.

Sorge für das „Qualitätsmanagement“ trägt das wissenschaftliche Direktorium, das die Anträge auf Dagstuhl-Seminare oder Perspektiven-Workshops intensiv begutachtet. Der Trierer Professor Stephan Diehl und seine ehrenamtlich tätigen Direktoriumskollegen legen bei der Begutachtung nicht zuletzt Wert auf Themen abseits des Mainstream oder auf solche, die gerade erst aufkommen. „Man entwickelt eine Trüffelschwein-Mentalität bei der Suche nach Themen mit Potenzial“, sagt Diehl. Er schätzt es, durch die Gutachterfunktion einen Überblick über viele Themenbereiche in der Informatik zu haben und über den Tellerrand des eigenen Forschungsschwerpunktes hinauszublicken. So gab es gerade ein Seminar, das Paläographen und Informatiker zusammenführte. „Möglicherweise ist das ein interessanter Verknüpfungspunkt mit den Digital Humanities an der Universität Trier“, sieht er weitere Kooperationsfelder.

„Es ist ein Imagegewinn, mit Schloss Dagstuhl in Verbindung gebracht zu werden. Für die Wissenschaftler selbst, die hierhin eingeladen werden, aber ebenso für die Universität Trier als Gesellschafter“, würdigt Diehl Rang und Ruf des Zentrums. „Wir profitieren an der Universität enorm von der geografischen Nähe. Die geringe Entfernung erlaubt es uns, auch mal als Tagesgäste an Veranstaltungen teilzunehmen, oder wir können die Einrichtung mit Arbeitsgruppen oder Doktoranden nutzen.“ Michael Wagner weiß weitere Vorzüge des Begegnungs- und Forschungszentrums zu schätzen. „Ich war bisher in keiner so gut bestückten Bibliothek wie hier in Dagstuhl.“ Wagner ist einer der Mitarbeiter in dem Kooperationsprojekt „LZI + DBLP“, in dem die Informatik der Universität Trier mit Schloss Dagstuhl zusammenarbeitet (siehe gesonderten Artikel). Es geht darum, die von Dr. Michael Ley 1993 initiierte und an der Universität Trier weitergeführte Literaturdatenbank DBLP als zentrales Instrument für den Nachweis wissenschaftlicher Li-

Foto: Peter Kuntz

Wissenschaftsidylle Schloss Dagstuhl (von links): Geschäftsführer Prof. Dr. Reinhard Wilhelm, Prof. Dr. Stephan Diehl (Mitglied des wissenschaftlichen Direktoriums), Michael Wagner (Mitarbeiter im Kooperationsprojekt „LZI + DBLP“), Dr. Roswitha Bardohl (wissenschaftlicher Stab) und Dr. Michael Ley (Initiator der Datenbank DBLP) wissen die Kulisse und die Abgeschiedenheit zu schätzen.

Neben den genannten Vorteilen sind es die Impulse für neue Forschungsströmungen oder interdisziplinäre Projekte, die von Schloss Dagstuhl nach Trier fließen. Die Universität profitiert folglich in mancherlei Hinsicht von der Nähe zu dem Leibniz-Zentrum. Der vergleichsweise geringe und einmalig zu leistende Gesellschafteranteil hat sich längst bezahlt gemacht. Peter Kuntz, Pressestelle

Schloss Dagstuhl – Leibniz-Zentrum für Informatik

Das Informatikzentrum wurde 1990 in dem ehemaligen Sitz einer Fürstenfamilie bei Wadern im Saarland gegründet. Bis zur Aufnahme in die Leibniz-Gesellschaft 2005 teilten sich das Saarland und Rheinland-Pfalz die Förderung. Seitdem wird das Institut je zur Hälfte von Bund und Ländern mit einem Gesamtvolumen von etwa 1,9 Millionen Euro gefördert. 40 Mitarbeiter sind auf 29 Vollzeitstellen angestellt. Gesellschafter sind die Universitäten in Saarbrücken, Darmstadt, Frankfurt, Kaiserslautern, Stuttgart und Trier sowie die Gesellschaft für Informatik (GI), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), CWI Amsterdam und INRIA Rocquencourt. Das Direk-

torium, das sich aus Vertretern der Gesellschafter zusammensetzt, begutachtet und verantwortet das. Zu den Seminaren und Perspektiven-Workshops werden „internationale Spitzenforscher, Doktoranden sowie Fachleute aus der Industrie eingeladen, die als ausgewiesene Experten des jeweiligen Tagungsthemas gelten“, heißt es in einer Broschüre. Das Zentrum versteht sich auch als eine Begegnungsstätte von etablierten Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern aus der ganzen Welt.

Fachbereiche, Fächer, Institute

teratur in der Informatik und angrenzenden Gebieten auszubauen. „Das Leibniz-Institut ist ein Garant für Nachhaltigkeit“, nennt Ley ein Motiv für die Kooperation. DBLP hat sich zu einem weltweit geachteten und mächtigen Werkzeug für Informatiker entwickelt. „In DBLP indiziert zu sein, ist ein Qualitätsmerkmal“, unterstreicht Reinhard Wilhelm den Stellenwert.

→ www.dagstuhl.de

33

Mehr als zwei Millionen Einträge Datenbank DBLP wächst als Kooperationsprojekt weiter

eit zwei Jahren ist das Band zwischen der Universität Trier und dem Leibniz-Zentrum für Informatik – Schloss Dagstuhl – noch enger geknüpft. Die von Dr. Michael Ley vor 19 Jahren gegründete Literaturdatenbank DBLP wird seitdem in einem Kooperationsprojekt der beiden Institutionen weiterentwickelt. Für zwei Jahre wird das Projekt von der Leibniz-Gemeinschaft gefördert (Unijournal berichtete in Ausgabe 1/2011), ergänzt durch eine Spende der Klaus Tschira Stiftung. Dank der Förderung konnten zunächst zwei, mittlerweile sogar drei Vollzeitstellen für zwei Jahre geschaffen werden.

S

Fachbereiche, Fächer, Institute

Mit DBLP versucht Michael Ley, der speziellen Publikationskultur in der Informatik Rechnung zu tragen. Anders als in anderen Wissenschaftsdisziplinen haben in der Informatik Konferenzbeiträge ein deutlich höheres Gewicht als Veröffentlichungen in Fachjournalen. Das bereitet bei Evaluationen und Bewertungen besondere Probleme, denn Konferenzbände werden vom Science Citation Index, der Disziplin übergreifend Publikationen und Zitate nachweist, nur unzureichend erfasst. Für Informatiker aller Länder ist DBLP zu einem täglichen Werkzeug geworden auf der Suche nach Grundlagen, Ideen und Bewertungsmaßstäben. Mittlerweile hat die Datenbank eine neue Rekordmarke erreicht. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Zahl der Einträge von 1,5 auf nunmehr 2,1 Millionen Einträge erhöht.

34

Nachhaltigkeit und Synergie-Effekte: Diese beiden Punkte nennt Michael Ley als Motivation für die Kooperation. Ein Leibniz-Zentrum könne Nachhaltigkeit in einem kontinuierlich und auf Dauer angelegten Projekt deutlich besser gewährleisten als eine Universität. Synergien sieht er darin, dass ihm das Begegnungszentrum Zugriff auf bedeutende Personen in der Informatik eröffnet. „Wir verteilen beispielsweise Fragebögen, die uns wichtige Rückmeldungen bedeutender Wissenschaftler erbringen“, erläutert Ley. „Wir werden weiter wachsen, aber wichtiger als das numerische ist uns das qualitative Wachstum und eine Verstetigung“, ergänzt er. Daher hat die Kooperation mit dem LeibnizZentrum auch das Ziel, eine wissenschaftliche Aufsicht einzuführen. DBLP wird nicht nur ständig größer und dank qualitativer Anstrengungen auch besser, es wird dank eines neuen Designs der Webseite auch benutzerfreundlicher.

Weitere Informationen Die Datenbank ist unter dblp.uni-trier.de im Internet frei zugänglich.

Mit jedem Auftritt gewachsen Sprachliche und mimische Herausforderungen eines chinesischen Dramas

Die Theatergruppe des Konfuzius-Institutes, bestehend aus Theater interessierten Sinologie-Studenten, hat seit Sommer 2011 das Erstlingswerk „Gewitter“ des chinesischen Dramatikers Cao Yu mehrmals erfolgreich aufgeführt. Dabei führte ihr Weg auch über den Tellerrand von Trier hinaus. n der Geschichte zweier Familien über Macht, Hass und Eifersucht ist es das süße und bezaubernde Hausmädchen Si Feng, das den Söhnen der Familie Zhou (Chong Er, Zhou Ping) den Kopf verdreht; mit dem Älteren fängt sie ein Liebesverhältnis an – aus dem sie schwanger hervorgeht. Die Dame des Hauses Fan Yi kocht vor Eifersucht, denn auch sie hatte einst eine Liaison mit ihrem Stiefsohn – Sohn des Hausherren Zhou Puyuan mit einer früheren Bediensteten. Diese tritt als Si Fengs Mutter auf, und so stellt sich heraus, dass Zhou Ping und Si Feng Stiefgeschwister sind. Die Situation eskaliert; Si Feng findet zusammen mit Chong Er im tosenden Unwetter den Tod. Zhou Ping begeht in seiner Verzweiflung Selbstmord. Fanyi, Shiping und Zhou Puyuan bleiben als gebrochene Menschen zurück.

I

Nächste Hürde: Chinesisch fühlen. Fanyi liebt und hasst von Herzen – auf der Bühne auch im Minutenwechsel. Das Hausmädchen ist kindlich und unbeschwert – im nächsten Moment steht sie zwischen Mutter- und Mannesliebe. Shiping ist von Sorgen und Gewissensbissen geplagt – ihr dunkles Geheimnis versucht sie zu verbergen. Zhouping quält die Vergangenheit, was er aber nie vollständig artikuliert – er lässt es das Publikum durch Ton und Blick spüren. Die starke Emotionalität des Werkes hat am längsten an den Nerven der Studenten gezehrt.

„Ehefrau, liebende Mutter, Herrin des Hauses und die Geliebte – so viel Emotion auf Chinesisch und „natürlich“ darzustellen war sehr schwer. Fanyi ist

ein ‚Gewitter‘ für mich“, meint Hanna Parkhomchuk über ihre Rolle.

Dazu kamen natürlich die alltäglichen Belastungen: „Die gemeinsame Arbeit war nicht immer einfach. Studium, Nebenjob und ein Praktikum ermöglichten es mir nicht immer, alle Energie den Theaterproben zu widmen. Doch die erste Aufführung war ein voller Erfolg und die Anstrengungen aller in der Gruppe zahlten sich aus. Es war für jeden von uns ein tolles Erlebnis, sich von Probe zu Probe zu verbessern und auch sprachlich sicherer zu werden“, zog Elisa Limbacher (Si Feng) ein Fazit. Letzten Endes verlief die Inszenierung dieses Familien-Desasters als vorweihnachtliches Spektakel 2011 wirklich so erfolgreich, dass das Drama im April 2012 noch einmal in der TUFA Trier zu sehen war. „Wir hatten eine tolle Truppe mit individuellen Charakteren, mit denen es viel zu lachen gab. Auch schwierige Momente wurden so zusammen überstanden und jeder gab sein Bestes für das Projekt. Mit jedem Auftritt wuchsen wir und wurden besser, sodass wir uns sogar in Berlin im Deutsch-Chinesischen Kulturzentrum präsentieren konnten“, so Yakup Özkardes (Chong Er). Zu diesem letzten Auftritt erschienen sogar Repräsentanten der chinesischen Botschaft Berlin. „Ich werde die einzelnen Teilnehmer der Theatergruppe sehr gut in Erinnerung behalten und hoffe auf ein gemeinsames Comeback.“ Yakup bleibt – gemäß seiner schelmischen Rolle – immer positiv. Sandra Gilgan, wissenschaftliche Hilfskraft im Konfuzius-Institut

Fachbereiche, Fächer, Institute

Für die Studenten begann das „Drama“ vor dem Auftritt. Zwar wurde das Original-Stück mit seinem Spielumfang von 3,5 Stunden auf eine Stunde komprimiert, doch die sprachliche Herausforderung des Chinesischen blieb bestehen. Neben Auswendiglernen standen zunächst Stimmübungen und Aussprachetraining auf dem Programm. Sobald das Verbale saß, musste die Gestik passend zum Text her. Aber: Ein Chinese bewegt sich anders als ein Deutscher. Die „Bewegungsfreiheit“ auf der Bühne war somit erst einmal extrem beschränkt. Man rauft sich bei Verzweiflung nicht die Haare, man schlägt sich die Hände vors Gesicht. Während die brodelnde Fanyi in jeder Geste Emotionswallungen hervorbringt, muss der Hausherr sich beherrschen, sich durch energisches Auftreten und Nachdruck im Tonfall darstellen.

Krönender Abschluss der „Theater-Tournee: Der Auftritt im Deutsch-Chinesischen Kulturzentrum in Berlin.

35

Mit Ur-Lakritz Kompetenzen modellieren Die Entstehungsgeschichte des Fachs „Biologie und ihre Didaktik“

Der Duden definiert den Begriff „Pionierarbeit“ als wegbereitende Arbeit. Praktische Auswirkungen dieser Beschreibung hat Professorin Andrea Möller in den vergangenen beiden Jahren reichlich erfahren. Sie hat mannigfaltig „wegbereitende Arbeit“ geleistet, um das Fach „Biologie und ihre Didaktik“ an der Universität aufzubauen. Zunächst als Alleinkämpferin, später im Team – und mit einem legendären Einkaufswagen. Die hier geschilderte Situation entstammt weder einem Süßwarenladen noch einem Evolutionskongress, sondern gibt einen Einblick in ein Einführungsseminar des neuen Faches „Biologie und ihre Didaktik“. „Es geht darum, den Studierenden Methoden an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie modellhaft eine der wichtigsten Kompetenzen in der Biologie im Schulunterricht anschaulich vermitteln können: das kriterienstete Vergleichen und Ordnen von Lebewesen“, erklärt Professorin Andrea Möller schmunzelnd. Dieses fachdidaktische Seminar ist nur eines von vielen, in denen seit Oktober 2010 angehende Biologie-Lehrkräfte für Realschulen Plus und Gymnasien an der Universität Trier ausgebildet werden.

Ordnen und Vergleichen mit Haribo.

ifrig werden Gummibärchen und Lakritz auf einem großen Plakat hin und her geschoben. „Ich denke, diese gehören in die Ordnung der Ur-Lakritz“, ist sich ein Student mit ernster Miene sicher. „Oder sind die Dreirilligen evolutiv höher entwickelt als die Zweifurchigen?“, grübelt seine Tischnachbarin. „Auf jeden Fall nennen wir diesen hier ,Ursus elasticus‘“, da sind sich beide einig, während aus den hinteren Reihen ein Aufschrei ertönt. In einem scheinbar unbeobachteten Moment schiebt sich ein hungriger Student hastig eine Schaumgummifrucht in den geöffneten Mund: „Spinnst du, das war der einzige Vertreter dieser Gattung in unserer Tüte. Du bist jetzt für das Aussterben dieser seltenen Art verantwortlich!“

Fachbereiche, Fächer, Institute

E

„Unser Anspruch ist es, die bundesweiten curricularen Standards für die Lehrerbildung im Fach Biologie adäquat umzusetzen und dabei eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis zu erzielen. Als Bindeglied zwischen Universität und Schule kommt Dr. Thomas Bergsdorf daher eine wichtige Funktion zu. Der Oberstudienrat im Hochschuldienst ist mit halber Stelle zu uns abgeordnet“, erläutert Andrea Möller. Des Weiteren sollen Studierende empirische Forschungsmethoden aus der Fachdidaktik kennen lernen und selbst anwenden können, zum Beispiel indem sie in aktuelle Forschungsprojekte eingebunden werden bzw. eigene Erhebungen durchführen. Künftig wird dies auch im neu installierten Schülerlabor „BioGeoLab“ sowie im Bienenprojekt „Bee.Ed“ möglich sein. Neben zahlreichen bereits bestehenden Kooperationen im Fachbereich VI, insbesondere mit der Geo-

Das Team des neuen Faches „Biologie und ihre Didaktik“ (von links): Dipl.-Biol. Daria Chernyak, Carina Haan, Ronja Broszehl, Prof. Dr. Andrea Möller, Vanessa Willms, Denise Röper, Dr. Katrin Kaufmann, Stephanie Lehnen, Dr. Thomas Bergsdorf, Marion Berg, Elvira Sieberger (nicht abgebildet: Doris Schmidt und Alexander Büssing).

36

Präparation einer Schweinelunge im Seminar „Schulexperimente“.

graphiedidaktik, sind weitere interdisziplinäre Projekte mit Einrichtungen anderer Fachbereiche angestrebt. Für unerlässlich erachtet Professorin Andrea Möller auch die enge Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Lehrerbildung der Universität Trier, in dem sie sich bereits als kollegiales Mitglied und Vorsitzende des „Arbeitskreises Fachdidaktik“ engagiert.

In einem zweiten Schwerpunkt untersucht das Fach, welchen Einfluss außerschulische Lernorte, wie zum Beispiel Naturkundemuseen und Schülerlabore, auf die Lernwirksamkeit, das Interesse und die Motivation von Schülerinnen und Schülern haben.

Neben nationalen sind Andrea Möller auch internationale Kooperationen wichtig. Zurzeit wird die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. William Boone von der Miami University erweitert, den Professorin Möller als Fulbright Gastprofessor an die Universität Trier gewinnen konnte (siehe Artikel in dieser Ausgabe). Um den aktuellen Standard zu erreichen, hat An-

Legendär ist wohl auch die Dauerleihgabe eines ausrangierten Einkaufswagens durch die Pedelle, mit dem Andrea Möller anfänglich ihre Labormaterialien scheppernd durch die Flure schob. „So groß die Herausforderung auch ist, ein Neuanfang hat auch einen speziellen Reiz. Schließlich habe ich die besondere Möglichkeit, selbst zu gestalten“, resümiert Möller.

Die Zeit der Improvisation findet langsam ein Ende. Wo Andrea Möller das erste Semester Lehre, Forschung, Sekretariat und Labor noch völlig ohne Personal bestreiten musste, ist inzwischen ein aktives Team gewachsen. Ein Grund mehr für sie, der Zukunft optimistisch entgegenzublicken: „Mit viel Enthusiasmus hat mein Team den Aufbau unterstützt und vom gelegentlichen Chaos unbeeindruckt professionell fortgeführt. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass ich mich stets auf sie verlassen kann. Das wird auch künftig wichtig sein, wenn wir mit den Modulen in unserem neu eingerichteten Schülerlabor sowie dem Bienenprojekt starten.“

Zur Person Andrea Möller (*1974) studierte Biologie und Englisch für das Lehramt an Gymnasien in Frankfurt/Main. Während ihres Studiums unterrichtete sie an Schulen in England, den USA sowie Deutschland und absolvierte als Fulbright-Stipendiatin ein Biologie-Masterstudium in den USA. 2006 promovierte sie als Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes über die Magnetfeldorientierung von Zugvögeln. Nach Forschungsaufenthalten an den Universitäten Lund (Schweden) und Yale (USA) folgten vier Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biologiedidaktik der Universität Gießen, wo sie im bundesweiten Projekt „Biologie im Kontext“ über mehrere Jahre die Kompetenzentwicklung von Schülern beim Experimentieren untersuchte. 2009 wurde Andrea Möller als Juniorprofessorin für Biologiedidaktik an die Universität Vechta berufen. Seit 2010 leitet sie als Professorin das neue Fach Biologie und ihre Didaktik an der Universität Trier.

Fachbereiche, Fächer, Institute

Im Rahmen der Forschung untersucht das Fach Biologie und ihre Didaktik mit Hilfe sozialpsychologischer Methoden ausgewählte Aspekte des Lernens und Lehrens im Fach Biologie, z. B. mit Hilfe von Kompetenz- und Leistungstests, Fragebögen und videographischen Aufzeichnungen von ausgewählten Lernsettings. Ziel ist es, aus den Ergebnissen dieser biologiedidaktischen Forschung wissenschaftlich begründete Handlungsempfehlungen für Schulpraxis, Bildungspolitik und für die Ausbildung künftiger Biologie-Lehrkräfte abzuleiten. „Unsere eigenen Forschungsergebnisse sowie die von anderen Kolleginnen und Kollegen finden so direkt wieder Eingang in unsere Lehrveranstaltungen“, erläutert Andrea Möller. „Derzeitig beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit der Modellierung von Schülerkompetenzen bei Experimentieren. Wir untersuchen zum Beispiel, wie Schülerinnen und Schüler Experimente planen und durchführen und ob sie in der Lage sind, ihre gefundenen Ergebnisse richtig zu deuten. Unser Anliegen ist es, herauszufinden, wie Biologieunterricht dazu beitragen kann, die in den nationalen Bildungsstandards geforderten Kompetenzen gezielt zu fördern.“

drea Möller in den zurückliegenden Monaten viel Pionierarbeit leisten müssen. „Improvisationstalent, Geduld, starke Nerven und eine gesunde Portion Optimismus braucht man schon, wenn man ein Fach von Null aufbaut und die Studierenden bereits drei Semester da sind, bevor man selbst eintrifft“, erinnert sie sich. „Im ersten Semester war ich völlig alleine. Ohne die großartige Unterstützung des Dekanats und der benachbarten Fächer, insbesondere der Kolleginnen und Kollegen aus der Geobotantik, Bodenkunde und Analytischen Chemie wäre der Lehrbetrieb gar nicht möglich gewesen.“ So haben zum Beispiel Dorothee Krieger und Bernhard Bakkes aus der Geobotanik spontan ihre Büropflanzen entliehen, um für eine Unterrichtssimulation zwei lebenden Chamäleons ein vorläufiges Habitat zu bieten.

37

Unterschied zwischen Biologie-Lehrer und Biologe Eine Umfrage unter Studierenden des Fachs „Biologie und ihre Didaktik“

Welche Erfahrungen haben Studierende des Fachs „Biologie und ihre Didaktik“ bislang gesammelt? Wie haben sie die Pionierzeit erlebt? Welche Erwartungen haben sie mit der Einschreibung in den Studiengang verbunden? Fünf Studierende haben sich diesen Fragen gestellt.

Fachbereiche, Fächer, Institute

Wie haben Sie die Startphase des Fachs „Biologie und ihre Didaktik“ erlebt: als Provisorium oder als voll ausgestattetes Fach? „Die Inhalte der Veranstaltungen empfand ich nie als provisorisch. Man lernte immer durchaus Nützliches, und vor allem Dinge, die auch später in der Schule sehr hilfreich sein werden. Dass das Fach noch in den Startlöchern stand, fiel nur dann auf, wenn es um organisatorische Dinge ging, sodass man oft kurzfristig Mails bekam, in denen Gruppenarbeiten innerhalb weniger Tage organisiert werden mussten.“ Linda Mathei

38

Was unterscheidet das Studium der Biologiedidaktik vom Studium der Fachwissenschaft Biologie? „Für mich nimmt die Biologiedidaktik einen erhöhten persönlichen Wert im Studium ein, da sie sich gezielt mit der Planung von Unterricht beschäftigt. Biologisches Fachwissen ist eine sehr wichtige Grundvoraussetzung für guten Unterricht. Dieses den Schülern auch kompetent und als Lehr-Lern-Profi zu vermitteln, lernt man in der Biologiedidaktik. Kurz gesagt: Die biologiedidaktische Ausbildung unterscheidet den Biologie-Lehrer vom Biologen.“ Pascal Ruffing Welche Veranstaltung der Biologiedidaktik hat Ihnen am besten gefallen? „Konzeption und Gestaltung des Biologieunterrichts II: Schulexperimente. Hier wurden uns Schülervorstellungen zu einzelnen Themen aufgezeigt und gemeinsam diskutiert, wie man diese mit Hilfe von Experimenten korrigieren kann. Diese Schülerexperimente wurden von uns Studenten selbst durchgeführt und im Ple-

num besprochen. Am Ende der Veranstaltung hatte jeder von uns ein Portfolio mit Schülerexperimenten und Anmerkungen zur Durchführung. Dieses Seminar war praxisorientiert und hat die Bedeutung von Schülerexperimenten im Unterricht verdeutlicht. Als Lehramtsstudent konnte man viele hilfreiche Hinweise für die Durchführung solcher Experimente mitnehmen.“ Lara Jochem

Was erwarten Sie vom Studium der Biologiedidaktik: Was wollen Sie am Ende können und wissen? „Ich erwarte, dass wir in erster Linie lernen und ein Gefühl dafür entwickeln, wie wir das biologische Fachwissen im Unterricht effektiv vermitteln und die Schüler für dieses Fach begeistern können. Dazu ist es notwendig, sowohl theoretische Unterrichtsmodelle kennen zu lernen und diese zu reflektieren, als auch praktische Unterrichtssimulationen durchzuführen. Durch letzteres werden unsere eigenen Kompetenzen als zukünftige Lehrpersonen geschult, denn nur so können wir später einen kompetenzorientierten und nachhaltigen Biologieunterricht gestalten.“ Susanne Duretic Denken Sie, dass die Biologiedidaktik Sie auf Ihren späteren Beruf als Biologielehrer gut vorbereitet? „Meiner Meinung nach bereitet uns das Studium gut auf den späteren Beruf vor, da wir einerseits ziemlich viel Theorie lernen, aber auf der anderen Seite auch immer großer Wert auf die praktische Anwendung gelegt wird. So mussten wir schon öfter Unterrichtssimulationen durchführen, bei denen klar wurde, welche Fehler man später im Referendariat vor einer Klasse vermeiden sollte.“ Alexander Büssing

Hintergrund Weitere Informationen über das Fach unter → www.biologiedidaktik.uni-trier.de

Das ZAT erfüllt die eigenen Ansprüche Zentrum für Altertumswissenschaften blickte auf seine Historie zurück

Es ist ein pralles Bündel an Aufgaben und Zielen, das sich das Zentrum für Altertumswissenschaften Trier (ZAT) vor nunmehr zehn Jahren in sein Organisationsstatut geschrieben hat. Zusammengefasst sieht das ZAT seinen Auftrag darin, „das Wissen über die antike Kultur, ihre materiellen Hinterlassenschaften, ihre Literatur und ihre Geschichte sowie ihre Rezeption in Forschung und Lehre zu vertiefen. Schwerpunkte bilden die Erforschung Ägyptens, Griechenlands, Roms, des Griechisch-Römischen Ägypten, des Römischen Westens und des antiken Schwarzmeerraumes“. Im Sommer konnte die Einrichtung an der Universität Trier auf ihre eigene zehnjährige Geschichte zurückblicken. it diesem Aufgabenkatalog hat das Zentrum für Altertumswissenschaften Trier eine hohe Messlatte an sich selbst angelegt. Und in der Vergangenheit in vielen Fällen übersprungen, wie Prof. Dr. Torsten Mattern als geschäftsführender Leiter bei der Jubiläumsfeier am 22. Juni zu berichten wusste. In seinem Rückblick konnte er auf eine imposante Fülle an Leistungen verweisen, die sich das ZAT seit seiner Gründung zuschreiben darf. Das ZAT ist in dieser Dekade seinen eigenen Ansprüchen mehr als gerecht geworden.

M

Fachbereiche, Fächer, Institute

„Mit dem Zentrum für Altertumswissenschaften hat sich die Universität Trier einen Schatz aufgebaut“, charakterisierte Mattern den Stellenwert der wissenschaftlichen Einrichtung im Profil und Portfolio der Hochschule. Es sei kein Zufall, dass ein solches Zentrum, von denen es in der deutschen Hochschullandschaft nicht viele gebe, in Trier gegründet wurde. Die mit antiker Vergangenheit und Bedeutung reich gesegnete Stadt sei für altertumswissenschaftliche Forschung prädestiniert. Durch

40

die ausgeprägte und intensiv gelebte Interdisziplinarität der im ZAT zusammengeschlossenen Fächer „entstehen Synergien im eigentlichen Sinn. Wir bilden nicht nur einen Zusammenschluss, sondern eine Gemeinschaft“, ergänzte Mattern.

Dabei sei man stets flexibel für neue Ansätze – beispielhaft umgesetzt in einer aktuellen Zusammenarbeit mit der Geoarchäologie – sowie für Kooperation mit anderen Fächern und für eine weitere Öffnung gegenüber der Öffentlichkeit. Ein Aspekt, den auch Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel schätzt. Er verwies in seiner Ansprache auf das lebhafte Interesse der Medien an historischen Themen und lobte die im ZAT vertretenen Fächer für ihre Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszublicken.

So war es kein Produkt des Zufalls, dass das ZAT mit Prof. Dr. Burkhard Meißner von der Universität der Bundeswehr in Hamburg einen Festredner eingeladen hatte, den Prof. Mattern mit Blick auf dessen vielfältige Forschungsschwerpunkte als „ver-

Prof. Dr. Burkhard Meißner (links) von der Universität der Bundeswehr Hamburg würdigte als Festredner die Erfolge des ZAT. Geschäftsführer Prof. Dr. Torsten Mattern bezeichnete die im Zentrum gelebte Interdisziplinarität als eine Gemeinschaft. Fotos: Peter Kuntz

beim Formulieren fächerübergreifender Forschungsanträge.

Das Trierer ZAT sieht Meißner für die Zukunft gut aufgestellt. Man habe eine Organisationsstruktur aufgebaut, die eine Zusammenarbeit vieler Beteiligter ermögliche. Das umfassende Institutsgebilde biete die Voraussetzung, erfolgreich Drittmittelanträge zu stellen.

Die Vitalität und Vielseitigkeit der AltertumswissenModerne und historische Klänge: Dr. Heidi Köpp ergänzte zwei moderne Songs durch schaften an der Universität Trier verkörperte die Ägyptodie Rezitation eines ägyptischen Liebesliedes. login Dr. Heidi Köpp, die der Jubiläumsfeier mit zwei Gekörperte Interdisziplinarität“ vorstellte. Meißner sangsstücken und der Rezitation eines ägyptischen würdigte die „großen Erfolge“ des Trierer Liebesliedes eine besondere historisch-musikalischZentrums. Das ZAT habe viel für die Altertumswis- wissenschaftliche Note verlieh. Peter Kuntz, Pressestelle senschaften in Deutschland geleistet.

Hintergrund Im Zentrum für Altertumswissenschaften (ZAT) haben sich die Fächer Alte Geschichte, Archäologie, Ägyptologie, Byzantinistik, Frühchristliche Archäologie, Klassische Philologie, Papyrologie, Philosophie der Antike und Römisches Recht zusammengeschlossen. Gemeinsam bieten sie den Bachelor-Studiengang „Antike Welt. Archäologie, Sprachen und Kulturen" an. Das ZAT vereinigt zehn Professuren und zwei Honorarprofessuren, rund 1.000 Studierende sind eingeschrieben.

Fachbereiche, Fächer, Institute

Der Wissenschaftler verband seinen Blick auf die Historie von Zentren für Altertumswissenschaften in Deutschland mit einem Blick in deren Zukunft. An den kontroversen Standpunkten zur Gründung und Ausgestaltung von altertumswissenschaftlichen Instituten habe sich bis heute wenig geändert. Meißner formulierte vier Bestimmungsgrößen, die seiner Meinung nach für den Erfolg eines Zusammenschlusses von altertumswissenschaftlichen Disziplinen in Zukunft ausschlaggebend sein werden: Die Bedeutung der Einrichtung als ein Ausbildungsort für das Lehramt, die monetäre Ausstattung etwa der Bibliotheken und Sammlungen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Ausprägung der Interdisziplinarität, nicht zuletzt

41

Der Trierer Einzelhandel hat noch viel Potenzial Studierende untersuchten die aktuelle Situation und Perspektiven in der Innenstadt

25 Studierende des Fachbereichs VI der Universität Trier haben im Sommersemester im Rahmen ihres Studiums der Angewandten Geographie unter der Leitung ihres Dozenten Matthias Furkert, M.A., eine Untersuchung des Einzelhandels in der Trierer Innenstadt durchgeführt. Dabei ging es um die Erforschung neuer Trends im dynamischen Einzelhandelsgeschehen. Für die Studierenden war es eine Gelegenheit, praktische und methodische Fertigkeiten für den späteren Berufsalltag eines Geographen zu erwerben. Foto: Jan Schubert

In einer Lernwerkstatt unter Leitung von Matthias Furkert untersuchten Studierende den Einzelhandel in der Trierer Innenstadt.

Forschungsdossier

Im Rahmen der Untersuchung wurden zur Erhebung von Primärdaten vier Methoden angewandt: 1. Kartierung Im untersuchten Bereich innerhalb des Alleenrings befinden sich 417 Einzelhandelsbetriebe, davon 114 in der Kategorie „Textilien“, 38 in der Branche „Schuhe“, 37 in der Kategorie „Schmuck und Uhren“. Diese drei Branchen beherrschen zusammen mit den Nahrungsmittelangeboten das Bild der Innenstadt. Mit 274 (66 Prozent) ist der Anteil der Fachgeschäfte auffallend hoch. Knapp 300 Betriebe haben eine Verkaufsfläche von weniger als 100 Quadratmetern, was auf den hohen Anteil an größtenteils privat geführten Fachgeschäften (60 Prozent gegenüber Filialgeschäften) zurückzuführen sein dürfte. Im Vergleich zu Städten ähnlicher Größenordnung ist das ein hoher Wert. Mit lediglich vier Prozent ist der Ladenleerstand innerhalb des Alleenrings vergleichsweise gering. 2. Passantenzählung Die Passanten wurden im Mai an zwei Tagen und an sieben Standorten in der Innenstadt gezählt. Mit zunehmender Entfernung vom Hauptmarkt, hauptsäch-

42

lich in südliche Richtung, nahmen die Ströme kontinuierlich ab. Grundsätzlich lässt sich feststellen: Je mehr Filialgeschäfte im entsprechenden Straßenabschnitt ansässig sind, desto höher ist die Passantenfrequenz. Am stärksten besucht war die Simeonstraße an der Ecke zur Stockstraße mit montags rund 3.800 und samstags etwa 7.000 Passanten.

Ein einschlägiger Unterschied bestand bei den Wochentagen: Samstags wurden durchschnittlich etwa 70 Prozent mehr Personen gezählt. Am Standort Hauptmarkt/Ecke Grabenstraße mit montags rund 2.900 und samstags 5.100 Passanten waren nur geringfügig stärkere Frequenzen zu verzeichnen als am Standort Hauptmarkt/Ecke Fleischstraße (montags 2.550, samstags 4.500). Dies bestätigt die Aufwertung der Fleischstraße in den letzten Jahren, die wohl mit der Eröffnung der „TrierGalerie“ im Jahr 2008 und der vorangegangenen Aufwertung des Kornmarktes zu begründen ist. 3. Passantenbefragung Auf Grundlage eines vollstandardisierten Fragebogens wurden an einem Montag und einem Samstag

Diagramm 1: Hauptbesuchsgrund der Passanten

insgesamt 469 Passanten befragt. Ermittelt wurden der Grund des Besuchs, die Besuchshäufigkeit, das Verkehrsmittel zur Anreise sowie die Entfernung des Wohnorts. Die Einkaufszeit, der Reiz der Trierer Innenstadt und der Besuch des größten Trierer Einzelhandelsbetriebs, der „TrierGalerie“, wurden ebenfalls thematisiert. Von besonderem Interesse war ebenfalls, ob die Befragten Fachgeschäfte besuchen und wie wichtig ihnen deren Erhalt ist. Ergebnisse Frauen kommen wegen des großen Einzelhandelsangebots häufiger in die Stadt als Männer. Einkaufen wurde mit etwa 45 Prozent am häufigsten als Grund für den Stadtbesuch genannt. Bei der Besuchshäufigkeit gaben 32 Prozent „mehrmals pro Woche“ an, was im Vergleich mit anderen Städten einen sehr hohen Anteil ausmacht. 16 Prozent der Befragten waren Touristen.

Überraschenderweise wurde die Anziehungskraft der „TrierGalerie“ als gering bewertet. 55 Prozent der Befragten wollten sie nicht besuchen, einige kannten sie gar nicht. Ob die „TrierGalerie“ zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt beitrage, beantworteten 69 Prozent der Befragten mit „Nein“. Für die Besucher scheinen die Atmosphäre und das Flair der Trierer Innenstadt mir ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten ein stärkerer Magnet zu sein.

Experteninterviews Befragt wurden insgesamt 12 Experten, darunter sowohl Vertreter von großen Filialen als auch von kleinen und mittleren, privat geführten Fachgeschäften. Es handelte sich um Geschäftsführer, Filialleiter oder Angestellte in höherer Position, die durchweg länger in ihrem Unternehmen beschäftigt sind und einen guten Einblick haben.

Ziel der Befragung war es, ein Meinungsbild über den Standort Trier an sich, die Konkurrenzsituation zu Nachbarstädten, wie auch eine Einschätzung zum Einfluss der „TrierGalerie“ auf den Einzelhandel zu erhalten. Mit dem Standort ihrer Geschäfte waren die Befragten prinzipiell zufrieden. Ihnen sind eine gute Darstellung des Geschäftes und eine positive „Mund-zu-Mund-Propaganda“ wichtig, um neue Kunden zu gewinnen. Gegenüber Kooperationen in der Trierer Innenstadt, speziell auf die Trierer „City Initiative“ bezogen, waren die meisten Betreiber positiv eingestellt. Einige Experten gehören trotz einer positiven Grundhaltung nicht der City Initiative an. Aufgrund der Heterogenität der Mitglieder sehen sie es als eine Herausforderung, die zahlreichen unterschiedlichen Interessen in der Initiative zu bündeln.

Forschungsdossier

Mit 47 Prozent kam beinahe die Hälfte mit dem Pkw in die Innenstadt. Die meisten Autofahrer hatten mit der Parkplatzsuche kein Problem. Trotz der Sperrung der Bitburger Straße (B 51) wurden sie nicht durch Staus behindert. 28 Prozent der Befragten reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, und 20 Prozent kamen zu Fuß. 28 Prozent nahmen eine Anreise-Entfernung von mehr als 35 Kilometern in Kauf. Die Einkaufszeit war breit gestreut zwischen null und 600 Minuten, wobei die Dauer zwischen zwei und drei Stunden überwiegt.

Personen gaben an, Fachgeschäfte zu besuchen und fast 80 Prozent ist der Erhalt der privat geführten, nicht filialisierten Fachgeschäfte wichtig bis sehr wichtig. Dennoch wünschen sich die Befragten weitere Filialgeschäfte in Trier, die sie aus anderen Städten kennen: Besonders häufig vermisst wurden Sportscheck, Apple, Peek & Cloppenburg und die Kaffeehaus-Kette Starbucks.

Der deutschlandweit zunehmende Filialisierungstrend wurde ebenfalls untersucht. 64 Prozent der

Diagramm 2: Wichtigkeit des Erhalts von nicht filialisierten Fachgeschäften.

43

Foto: Fotobeam_www.fotolia.de

Forschungsdossier

Die Simeonstraße, zentrale Einkaufsmeile Triers.

Wenn sich auch die Kundenströme partiell verlagert haben, wird die „TrierGalerie“ nicht als große Konkurrenz wahrgenommen. Eine ernste Konkurrenz sieht man dagegen in Luxemburg, wo neue Einkaufskomplexe in Planung sind. Während die Filialbetriebe die Wettbewerbssituation als Ansporn zur eigenen Weiterentwicklung bewerten, sorgen sich kleinere Betriebe stärker um ihre Existenz. Am meisten gefürchtet ist die Verlagerung von Marktanteilen in das Internet. Viele Kunden, so die Experten, ließen sich in Fachgeschäften beraten und kauften dann in Internetplattformen wie Amazon oder Ebay ein.

Die auf diese Weise empirisch erhobenen Daten wurden anschließend ausgewertet und interpretiert. Der von den Studierenden erstellte Endbericht verfolgt neben der Darstellung der Ergebnisse das Ziel, den relevanten Akteuren Hinweise zu liefern, wie die Einzelhandelsentwicklung in Zukunft optimiert werden kann, um sich im Wettbewerb zu positionieren. Handlungsempfehlungen Grundsätzlich muss das Ziel sein, die aktuelle Angebotsvielfalt aufrechtzuerhalten und dazu Anbieter höherwertiger Produkte - egal ob unabhängig oder filialisiert - zu unterstützen. Nur ein vielfältiges Einzelhandelsumfeld bietet jeder größeren Käufergruppe eine ausreichende und attraktive Auswahl.

44

Der Trierer Einzelhandel sollte sich der durch den demographischen Wandel veränderten Nachfrage anpassen. Die ältere Generation stellt eine immer größere, wichtige und finanzkräftige Käufergruppe dar. Neben entsprechenden Sortimentsanpassungen sind weitere Investitionen in eine behindertengerechte Baugestaltung in den Geschäften und im öffentlichen Raum notwendig.

Darüber hinaus sollten die Trierer Einzelhändler versuchen, stärker von den Touristenströmen zu profitieren und diese durch gezielte gemeinsame Marketingmaßnahmen in die Geschäfte zu lenken. Eine weitere Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben wäre vor dem Hintergrund der vorhandenen Verkaufsfläche kontraproduktiv. Stattdessen sollte es darum gehen, den vorhandenen Einzelhandel aufzuwerten und das Angebot zu spezialisieren.

Generell sind der Einzelhandel und die Stadt gefordert, den Standort ansprechender zu gestalten, die vorhandenen Stärken – wie das kulturelle Erbe – hervorzuheben und neue Ideen zu entwickeln, damit die Einkaufsstadt ihre Attraktivität erhält und weiterhin Menschen aus der Region und darüber hinaus in die Stadt kommen. Eine finanziell besser ausgestattete City Initiative hätte größeres Potenzial, den Einzelhandel zu stärken. Team der Lernwerkstatt

Rollenspiele mit Beamer und Smartphone Informatiker präsentieren Werkzeug zur Software-Entwicklung

esigner, Programmierer, Kunden und Nutzer – Software zu entwickeln ist ein langer Prozess, der Menschen mit zum Teil ganz unterschiedlichen Vorstellungen und Wünschen einbindet. Die Anforderungen von Kunden und Nutzern sind selten vollständig und oft ungenau. Um die Zusammenarbeit zu vereinfachen und schneller zu einem optimalen Produkt zu gelangen, haben Informatiker der Universität Trier das Werkzeug CREWSpace entwickelt. Im September haben Professor Stephan Diehl und seine Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Softwaretechnik die Anwendung auf der Internationalen Konferenz für Automatisierte Softwareentwicklung (International Conference on Automated Software Engineering) in Essen vorgestellt. Die im Bereich der Softwaretechnik weltweit wichtigste Konferenz fand erstmals in Deutschland statt.

D

Zu Beginn des Herstellungsprozesses für eine neue Software modelliert eine Gruppe von Entwicklern zunächst einen groben Entwurf. Dazu übernimmt jeder von ihnen eine bestimmte Rolle im Softwaresystem – „wenn man das zum Beispiel mit einem Auto vergleicht, bedeutet das, einer ist der Motor, einer ist das Lenkrad, ein anderer gibt Gas und so weiter“, veranschaulicht Professor Stephan Diehl den Vorgang. Jeder Entwickler notiert auf Kärtchen die Anforderungen an seine Rolle, die im Laufe des Verfahrens immer wieder ergänzt, korrigiert oder ganz verworfen werden.

„Obwohl die Methode der so genannten kollaborativen Anforderungsanalyse zu den Grundlagen in der Softwareentwicklung zählt, gibt es bisher keinen vergleichbaren Ansatz“, erklärt Professor Stephan Diehl. „Mit der Einbindung von Smartphones und Beamer haben wir außerdem eine äußerst kostengünstige Lösung gefunden, die sich jedes mittelständische Unternehmen leisten kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Werkzeugen in der Softwareentwicklung lässt CREWSpace Entwicklern den gerade am Anfang des Herstellungsprozesses nötigen Freiraum für Kreativität. Gleichzeitig ist das Werkzeug sehr einfach zu bedienen. So können auch die Kunden in das Rollenspiel einbezogen werden.“

Wie bei seinen anderen Projekten hat Professor Stephan Diehl auch bei der Entwicklung von CREWSpace von Anfang an Studierende eingebunden, auch drei Abschlussarbeiten sind dabei entstanden. „Ein Praktikum oder die Phase der Diplomarbeit reichen für so ein Projekt allerdings nicht aus, da ist man schon zwei, drei Jahre beschäftigt. Daher ist es mir wichtig, Studierende schon ganz früh als wissenschaftliche Hilfskräfte an den Lehrstuhl zu binden. So sind sie als Absolventen bestens für den direkten Einstieg in den Beruf vorbereitet und haben sehr gute Jobaussichten.“ Antje Eichler, Pressestelle

Weitere Informationen sowie ein Video zum Projekt gibt es unter → www.st.uni-trier.de/crewspace

Software zu entwickeln erfordert Teamarbeit – auf dem traditionellen Weg kann der Prozess chaotisch werden (links). CREWSPace ermöglicht eine bessere Zusammenarbeit und bietet den Entwicklern mehr Übersichtlichkeit.

Foschung und Lehre

Um diesen Vorgang zu erleichtern und übersichtlicher zu gestalten, hat Professor Stephan Diehl gemeinsam mit Mitarbeitern und Studierenden das Werkzeug CREWSpace entwickelt. Die Kärtchen befinden sich jetzt auf den Smartphones oder Tablet-PCs der einzelnen Entwickler und stehen über einen Beamer gleichzeitig den anderen Gruppenmitgliedern zur Verfügung. Die Entwickler können die Einträge auf ihren Karten beliebig oft ändern und einzelne Entwicklungsschritte speichern, so

dass der gesamte Prozess für alle nachvollziehbar dokumentiert ist und das Rollenspiel an jeder beliebigen Stelle wiederholt werden kann.

45

Auf Entdeckungsreise durch Trier-Nord Studierende schlagen eine Brücke zwischen Geisteswissenschaft und Tourismus

Seit der öffentlichen Präsentation der kulturhistorischen Broschüre für Trier-Nord sowie der begleitenden Homepage am 23. Juni im Bürgerhaus erfahren beide regen Zuspruch – sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen. Dabei hatten die Studierenden zu Beginn ihrer Arbeit nicht nur mit tiefsitzenden Vorurteilen zu kämpfen, sondern auch einen anspruchsvollen Auftraggeber zufriedenzustellen. iele kennen die Vorurteile über Triers nördlichen Stadtteil. Es ist richtig, manche Quartiere dieses Stadtteils haben mit Problemen zu kämpfen: im Vergleich zum Trierer Durchschnitt leben hier überproportional viele Personen in sogenannten Bedarfsgemeinschaften, erhalten Hilfe bei der Erziehung oder haben einen Migrationshintergrund. Die vielen Gewerbeflächen teilen den Stadtteil zusätzlich und schaffen einen Durchgangscharakter auf dem Weg zum Verteilerkreis. Wegdiskutieren lassen sich die Zahlen des Bildungsberichts der Stadt Trier nicht, doch hat Trier-Nord auch an kulturhistorischer Vielfalt einiges zu bieten.

V

Foto: Universität Trier, Fach Kunstgeschichte (Andreas Thull)

St. Paulin ist einer der touristischen Höhepunkte in Trier-Nord. „Ich bin von München nach Trier gewechselt und deshalb hat mich von Anfang an St. Paulin angezogen, die Kirche stellt mit ihrem fränkischen Barockstil einen Fremdkörper in der hiesigen Kulturlandschaft dar und steht da wie aus Süddeutschland hierhin gezaubert“, so Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke.

Den Studierenden der Universität Trier bot sich im Wintersemester 2011/12 die Möglichkeit, das Image des Stadtteils zu verbessern. Dabei sollte nichts beschönigt, aber auf zahlreiche „Schönheiten“ aufmerksam gemacht werden. Das malerische Maarviertel, die gelbe Barockkirche St. Paulin oder die altehrwürdige ehemalige Reichsabtei St. Maximin sind nur einige Beispiele. Und von diesen Kulturoasen lassen sich in Trier-Nord noch andere mehr finden.

Initiiert hat dieses Projekt Markus Nöhl M.A. vom Ortsbeirat Trier-Nord. Er wusste um das Potenzial des Stadtteils und holte mit Dr. Rita Voltmer (Geschichte) eine Kennerin der Trierer Stadtgeschichte mit ins Boot. Rita Voltmer: „Ich war gleich über-

zeugt, dass das Projekt angesichts der Bauschätze auch einen Kunsthistoriker brauchte. Da lag es nahe, Herrn Tacke, der unter anderem einen Pilgerführer zur Heilig-Rock-Wallfahrt mitgestaltet hatte, um Mitarbeit zu bitten“. So wurde ein interdisziplinäres geschichtlich-kunsthistorisches Projektseminar ins Leben gerufen, in dem die Studierenden von der Kombination unterschiedlicher methodischer Zugänge Synergieeffekte und Perspektivwechsel erfahren durften, sodass „sie schon während des Studiums früh die Fähigkeiten ausbilden, sich mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen“, so Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke.

Zunächst war nur ein knapper Touristenflyer angedacht, doch schon nach der ersten gemeinsamen Begehung des Stadtteils im November 2011 und anschließender Recherche wurde deutlich, dass die Fülle an Schätzen in Trier-Nord erheblich mehr Umfang einfordern würde. Ergebnis des Projekts ist nun eine 48-seitige Broschüre mit informativen Texten und anschaulichen Abbildungen.

„Ich bin begeistert von dem Ergebnis dieses Projektes und wünsche mir eine solche Broschüre für noch mehr Stadtteile.“ Klaus Jensen, Oberbürgermeister der Stadt Trier Durch die Aufteilung in acht thematische Gruppen (St. Maximin, St. Paulin, Maarviertel, Hauptfriedhof/Exzellenzhaus, Preußische Militärsiedlung, Parkstraßensiedlung/Siedlung „France“, Nells Ländchen, Zurlauben) sowie in die Gruppen „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“, „Design“ und „Redaktion“ boten sich den 48 Studierenden zahlreiche Möglichkeiten zur aktiven Mitgestaltung dieses kulturhistorischen Projekts. Die Arbeitsweise der einzelnen Teams gestaltete sich durchaus

Foto: Mechthild Schneiders

Erarbeiteten und präsentierten die Broschüre und die Homepage (von links): Kinga Heisse (Nells Park), Stéphanie Baustert (Design), Catrin Schramme (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), Patrick Deutschen (Design), Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke (Kunstgeschichte), Marina Schneider (Design), Dr. Rita Voltmer (Geschichte), Markus Nöhl M.A. (Ortsbeirat Trier-Nord), Aline Stang (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), Michaela Betzold-Cuglietta (Presseund Öffentlichkeitsarbeit).

unterschiedlich: Während Gruppen wie „St. Maximin“ aus einer Flut an bereits publizierten Informationen das Essentielle herausfiltern mussten, hatten andere wie die Gruppe „Parkstraßensiedlung/ Siedlung ‚France‘“ das Handwerkszeug historischen Arbeitens anzuwenden und grundlegende Archivrecherchen durchzuführen.

Für die Studierenden war es vielfach die erste Gelegenheit, in mögliche Berufsfelder für Geisteswissenschaftler hinein zu schnuppern. So musste nicht nur der erarbeitete, wissenschaftliche Inhalt publikumsgerecht verpackt werden, sondern es galt auch, die Wünsche des Auftraggebers umzusetzen. Die Gruppe der „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ hatte darüber hinaus die Möglichkeit, erste Erfahrungen in der öffentlichkeitswirksamen Vermarktung der Initiative zu sammeln. In der Redaktionsphase konnten weitere einschlägige praktische Erfahrungen gemacht werden.

Zahlen und Fakten

Auftraggeber: Ortsbeirat Trier-Nord Wissenschaftliche Leitung: Dr. Rita Voltmer (Geschichte), Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke (Kunstgeschichte) Mitwirkende: 48 Studierende der Fächer Geschichte und Kunstgeschichte der Universität Trier; Medienwerkstatt des Bürgerhauses TrierNord Produkte: Broschüre (Auflage: 5000 Stück), Homepage www.trier-nord-entdecken.de, kostenlose Führungen durch Trier-Nord im Juni/Juli 2012

Selbst das anspruchsvolle Layout der Broschüre wurde in Eigenleistung von Studierenden erbracht. Hier konnte auf die profunden Fertigkeiten von Stéphanie Baustert (Studentin der Kunstgeschichte) aufgebaut werden. So formte sich ein Projekt, das von der wissenschaftlichen Recherche über die didaktische Aufbereitung bis zur redaktionellen Bearbeitung und das professionelle Design auch die Außenwahrnehmung des Projekts vermittelte und damit eine Bandbreite an praktischen Erfahrungen für Geschichtswissenschaftler und Kunsthistoriker zur Verfügung stellte, die ihresgleichen sucht.

Auch wenn sich im Rahmen des Projektes nicht sämtliche kreativen Ideen der Studierenden umsetzen ließen, steht dem Ortsbeirat oder der Stadt Trier jederzeit die Möglichkeit offen, Anregungen wie das „mobile tagging“ der Kulturschätze mittels QRCodes und Direktlink auf die begleitende Homepage umzusetzen. Die angebotenen Führungen Eckdaten Broschüre 48 Seiten mit 28.236 Zeichen und 112 Abbildungen 15 kulturhistorische Ziele Auflage: 5000 Stück

Hier erhältlich: Touristinformation, Bürgerhaus Trier-Nord, Jugendherberge, Hotels in TrierNord, Gastronomie Zurlaubens, ausgewählte Geschäfte in der Paulinstraße oder als Online-Version unter www.trier-nordentdecken.de

haben ebenfalls respektablen Anklang gefunden – vielleicht ließe sich hier eine dauerhafte Integration in die Reihe „Trier für Treverer“ erreichen.

Mit den erzielten Ergebnissen sind nicht nur Rita Voltmer und Andreas Tacke „mehr als zufrieden“, auch Markus Nöhl berichtet von „dem Schwärmen

der Trier-Norder und den Stimmen, die den Stolz auf die historischen Bauten widerspiegeln. Es zeigt, dass ein gutes Projekt viel positive Resonanz hervorruft und die praktischen Arbeiten der Studierenden den Menschen vor Ort einen Mehrwert liefern.“ Michaela Betzold-Cuglietta und Aline Stang, Projektteilnehmerinnen

„Viel Arbeit, aber es war die Mühe wert“ Studierende schildern ihre Aufgaben und Erfahrungen Informativ und anschaulich zugleich „Bei der Recherche über den ‚Nells Park‘ konnten wir uns nicht nur auf die Bücher in der UniBibliothek verlassen. Wir mussten andere Zugänge zu diesem Thema finden; unter anderem hat uns Stefan Meyer von der Initiative ,Renaissance Nells Park‘ helfen können. Die zweite Herausforderung lag in der Formulierung der gesammelten Informationen. Diese musste informativ und zugleich anschaulich sein. Die Ergebnisse waren die Grundlage für das von mir erarbeitete didaktische Konzept der Führung durch den ‚Nells Park‘. Ein entschädigender Lohn für die Arbeit und Mühe war die begeisterte Aufnahme durch die Führungsteilnehmer.“ Kinga Heisse, Gruppe „Nells Ländchen“ Kräftig die Werbetrommel rühren „In der Gruppe ‚Presse- und Öffentlichkeitsarbeit‘ bestand unsere Aufgabe darin, Kontakt mit den lokalen Medien in Trier aufzunehmen und entsprechend auf unser Projekt aufmerksam zu machen. Dabei hatten wir die Möglichkeit, sowohl selbst Artikel zu verfassen als auch der Presse Rede und Antwort zu stehen. Ersten selbst verfassten Berichten in der Lokalzeitung des Stadtteils Nordblick folgten dann schnell Interviews für 16vor.de, den SWR und das CityRadio Trier. Auch die Mechanismen der Universitätspressestelle konnten durch die CAMPUS news oder Verteilerinformationen nutzbar gemacht werden. Als weitere Aufgabe waren wir mit der Vorbereitung der Präsentation betraut, die nicht nur die Organisation eines feierlichen Rahmens beinhaltete, sondern auch eine konsequente Kostenkalkulation. Als Begleitprogramm konn-

ten wir einige Kommilitonen dafür begeistern, kostenlose Führungen durch Trier-Nord anzubieten. Zusammenfassend ein vielseitiger Aufgabenbereich, der ein Maß an Engagement einforderte, das über das gewöhnlicher Seminare deutlich hinausging, aber auch jede Menge Spaß bereitete. Bei einem solchen Projekt wären wir jederzeit wieder dabei!“ Michaela Betzold-Cuglietta und Aline Stang, Gruppe „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“

Ein Kleid für historische Schätze „Durch mein Fachabitur mit Schwerpunkt Grafikdesign hatte ich einschlägige Erfahrungen, die ich gezielt in dem Projekt einbringen konnte. Von den ersten gemeinsam entwickelten Ideen zur Gestaltung der Broschüre bis zur endgültigen Realisierung war es jedoch ein weiter Weg. Ausgehend von einem festen Budget für den Druck hatten wir als Gruppe die Aufgabe, ein ansprechendes Produkt zu einem vertretbaren Preis entstehen zu lassen. Dafür haben wir neben einem anspruchsvollen Design auch Wert auf eine künstlerische Note durch selbstgezeichnete Miniaturskizzen einzelner touristischer Highlights gelegt. Tatkräftig wurden wir bei den Abbildungen von dem Fotografen der Kunstgeschichte Andreas Thull unterstützt, dem unser herzlicher Dank gilt. Für die Internetpräsenz www.triernord-entdecken.de wurde das sozial engagierte Bürgerhaus Trier-Nord mit ins Boot geholt, das in Anlehnung an das von uns entwickelte Design eine begleitende Homepage bereitstellt. Viel Arbeit, aber es war die Mühe wert!“ Stéphanie Baustert, Gruppe „Design“

Drittmittelprojekte Bewilligungen ab Juni 2012. Angegeben sind Projekte mit einem Fördervolumen von mindestens 10.000 Euro und einer Laufzeit von mindestens einem Jahr (ohne Sondermittel des MBWWK)

Fachbereich VI

Fachbereich I

„Bee.Ed – Das Bienenprojekt an der Universität Trier“ – Prof. Dr. Andrea Möller, Biologie und ihre Didaktik – Förderer: Nikolaus Koch Stiftung

„Intelligenzforschung im Grundschulalter“ – Prof. Dr. Franzis Preckel, Dr. Tanja Gabriele Baudson, Psychologie – Förderer: Hogrefe Verlag

Fachbereich IV „Modellfusion: Interaktives Zusammenführen graph-basierter, visueller Modelle“ – Prof. Dr. Stephan Diehl, Informatik – Förderer: DFG „Completely Positive and Copositive Matrices“ – Prof. Dr. Mirjam Dür, Mathematik – Förderer: German-Israeli Foundation

„Extraktion und Klassifikation inventurrelevanter Forstparameter aus multi-temporalen Sentinel-2Daten“ – Prof. Dr. Joachim Hill, Fernerkundung – Förderer: BMBF

Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften Teilprojekt „Entwicklung einer Softwareumgebung zur semi-automatischen Erfassung, Analyse und Visualisierung von semantischen Relationen“ im Verbundprojekt „Semantische-soziale Netzwerkanalyse als Instrument zur Er-

forschung von Religionskontakten (SENEREKO)“ – Prof. Dr. Claudine Moulin – Förderer: BMBF „Digitalisierung des Mittellateinischen Wörterbuchs“ (MLW-Online) – Prof. Dr. Claudine Moulin – Förderer: Bayerische Akademie der Wissenschaften

Universitätsleitung „Verbesserung der Wissensentstehung, Wissenstransfer und Wissensverwertung; Förderung von innovativen technologieorientierten Gründungen von der Sensibilisierungsphase bis zur Marktetablierung“ – Dr. Christel Egner-Duppich, Transferstelle – Förderer: Europäischer Strukturfonds für regionale Entwicklung (EFRE) und MBWWK „Zielgruppenorientierte Optimierung des Hochschulmarketings am Beispiel der Website der Universität Trier“ – Förderer: Nikolaus Koch Stiftung

Forschung und Lehre

49

Bahnbrechende Entwicklung in der Volksbefragung Prof. Münnichs neue Methodik vermeidet Kosten von mehreren hundert Millionen Euro

Zensus 2011 – hat es bei Ihnen geklingelt? Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Denn anders als bei früheren Erhebungen standen die Volkszähler nur bei wenigen Menschen vor der Wohnungstür. Ein neues Verfahren ersparte den Bürgern Zeit und Mühe und den öffentlichen Kassen enorme Summen. Entscheidend vorangetrieben wurde die moderne bürger- und kostenfreundliche Zensus-Variante an der Universität Trier. Prof. Dr. Ralf Münnich und seine Mitarbeiter haben gemeinsam mit Forschern von GESIS Mannheim eine neue Stichproben- und Schätzmethodik entwickelt. rstmals wurden 2011 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union parallel Volkszählungen durchgeführt. Die EU strebt mit diesen Erhebungen einen aktuellen und vergleichbaren Datenbestand an, der als zuverlässige Basis beispielsweise für die Zuteilung von Mitteln wie auch für die Stimmengewichtung bei Wahlen dient. Bund und Länder erhalten einen aktuellen Überblick über die Bevölkerung und die Lebensumstände in Deutschland. Mit dem Zensus 2011 hat die Bundesrepublik Deutschland einen Paradigmenwechsel vollzogen. Anstelle von Vollerhebungen mit der Befragung aller Haushalte setzte man erstmals auf ein registergestütztes Verfahren. Dazu werden Daten aus Beständen der Verwaltung – überwiegend den Melderegistern der Kommunen – und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Ergänzt werden sie durch eine flächendeckende Erhebung von Wohnungen und Häusern sowie eine Stichprobenbefragung von Haushalten. Da von dieser Haushaltebefragung nur etwa jeder zehnte Einwohner betroffen war, wurden die Bürger und die öffentlichen Kassen massiv entlastet – schätzungsweise um mehrere hundert Millionen Euro. „Für uns war es die Krönung der wissenschaftlichen Arbeit, die Empfehlungen für den Zensus ausgearbeitet zu haben und dann zu sehen, dass sie von der Amtlichen Statistik tatsächlich umgesetzt

Forschung und Lehre

E

50

werden“, sagt Ralf Münnich. Mehr als drei Jahre lang haben der Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik und seine Mitarbeiter an der Universität Trier und Kollegen von GESIS Mannheim an der Aufgabe gearbeitet. Das ausgewiesen gute Forschungsergebnis sieht Münnich als ein Resultat hervorragender Teamarbeit. Über die Trierer und Mannheimer Forschungsgruppe hinaus lobt er die sehr konstruktive Kooperation mit der Amtlichen Statistik sowie innerhalb der Universität – beispielsweise mit der Mathematik oder dem Zentrum für Informations-, Medienund Kommunikationstechnologie (ZIMK). Dass die Aufgabe mit einem Gesamtbudget von unter 900.000 Euro – inklusive der Mittel für GESIS – und einer nur fünfköpfigen Stamm-Mannschaft gelöst wurde, ist ein besonderer Erfolg. Die Ausarbeitung der neuen Methodik verlangte aufwendige Rechensimulationen, die von den beeindruckenden Computeranlagen im ZIMK bewältigt wurden. Dass die Rechner trotz ihrer enormen Kapazität mitunter wochenlang mit einer Großsimulation ausgelastet waren, verdeutlicht die Komplexität der statistischen und mathematischen Aufgabenstellungen. Nicht zuletzt sind stets hohe AufDas Projekt-Team Zensus 2011 (von links): Jan-Philipp Kolb, Jan Pablo Burgard, Ralf Münnich, Siegfried Gabler und Matthias Ganninger.

lagen an die Datensicherheit und die Einhaltung der Datenschutzrechte zu erfüllen. Ein Umstand, der die wissenschaftliche Arbeit nicht gerade vereinfacht. „In Europa sind wir eine der wenigen spezialisierten Stellen, die solche Fragestellungen auch in diesem Umfang simulieren können“, beschreibt Prof. Münnich die über die Grenzen hinaus herausgehobene Stellung der Wirtschafts- und Sozialstatistik der Universität Trier in Zusammenhang mit der technischen Infrastruktur. „Es war ein unglaublich anstrengendes Projekt, aber auch eines mit sehr guten Ergebnissen“, blickt Münnich mit Genugtuung auf arbeitsreiche Jahre zurück. Als nicht zu vernachlässigender Aspekt hat das Projekt dem wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität zu karrierefördernden Erfahrungen und Einblicken

sowie Dissertations- und Publikationsthemen verholfen. Mit Spannung erwartet die Forschergruppe die Ergebnisse der Volkszählung, die frühestens ab November dieses Jahres vorliegen sollen. Das Kapitel Zensus ist für Prof. Münnich damit aber nicht beendet. Auf die Expertise der Trierer Wissenschaftler greift unter anderem die Schweiz zurück. Und natürlich werden die Statistischen Ämter von Bund und Ländern auch in Zukunft das Know-how aus Trier nutzen. Eine Zusammenarbeit beim deutschen Zensus 2021 ist avisiert. Professor Münnichs wissenschaftliches Feuer lodert schon wieder: „Wir wollen beim Zensus 2021 weitere Verbesserungen herbeiführen und noch modernere Methoden anwenden, die aber noch zu erforschen sind.“ Peter Kuntz, Pressestelle

Das Forschungsprojekt Beim Zensus 2011 werden zunächst Informationen aus den Melderegistern zur Ermittlung der Bevölkerungszahl herangezogen. Zur Abschätzung möglicher vorhandener Registerfehler, Karteileichen und Fehlbestände, mit deren Hilfe die amtliche Einwohnermeldezahl bestimmt wird, sowie zur Gewinnung weiterer interessierender personenbezogener Zensusmerkmale, wie etwa zur Ausbildung oder zum Erwerbsleben, wird eine ergänzende Stichprobe gezogen. Das Ziel des Zensus-Stichprobenforschungsprojektes, welches von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder gefördert wurde, bestand aus zwei Teilen: ●

Entwicklung einer Schätzmethodik, mit deren Hilfe die Qualitätsvorgaben eingehalten werden können. Hierfür sollten neue Erhebungsstrategien erforscht und auf ihren praktischen Einsatz hin getestet werden.

* Der Text ist der Homepage der Professur entnommen.

Publikation Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind in einem Band des Statistischen Bundesamtes veröffentlicht: „Ralf Münnich, Siegfried Gabler, Matthias Ganninger, Jan Pablo Burgard und Jan-Philipp Kolb: Stichprobenoptimierung und Schätzung im Zensus 2011“. Das Buch kann unter www.zensus2011.de eingesehen und heruntergeladen werden.

Weitere Veröffentlichungen auf der Homepage der Professur.

Jahr der Statistik

Forschung und Lehre



Entwicklung eines geeigneten Stichprobenplans, der möglichst geringe Kosten und einen moderaten Befragungsaufwand für die Bürger mit qualitativ hohen Angaben für den Zensus verbindet.

Untersucht wurden im Rahmen des Stichprobenforschungsprojektes zum einen unterschiedliche Stichprobenpläne und zum anderen in der statistischen Forschung aktuelle Schätzmethodiken, insbesondere Small Area-Methoden. Für die Stichprobenziehung wurde ein neues Verfahren entwickelt, das optimal die verfügbaren Informationen nutzt und so die Erfüllung der statistischen wie auch der gesetzlich festgelegten Anforderungen an den Zensus ermöglicht. Weiterhin wurden aktuelle Schätzer auf ihre Chancen (Verbesserung der Ergebnisse) und Risiken (mögliche Qualitätsverluste bei ungeeignetem Einsatz) hin untersucht. Um die Untersuchungen möglichst reliabel zu gestalten, wurde eine groß angelegte Simulationsstudie programmiert. Hierbei wurden verschiedene plausible Registerfehler-Modelle implementiert, anhand derer gezeigt wurde, wie sich die verschiedenen Kombinationen von Schätzern, Stichprobendesigns und Fragestellung bei unterschiedlichen Registerfehlerstrukturen verhalten. Weiterhin wurden in anderen Ländern existierende Ansätze auf ihre Anwendbarkeit im deutschen Zensus hin überprüft. Das Forschungsprojekt startete 2007 und wurde Ende 2010 erfolgreich beendet.

Weltweit wird 2013 als das Jahr der Statistik ausgerufen. Die Deutsche Statistische Gesellschaft hat ihr Vorstandsmitglied Prof. Dr. Ralf Münnich beauftragt, das bundesweite Veranstaltungsprogramm zu planen und zu koordinieren. Aller Voraussicht nach werden auch in Trier Veranstaltungen stattfinden. → www.statistik2013.de

51

Die Mission: Den Klimaschutz torpedieren Studierende simulieren im Seminar eine Weltklimakonferenz

2012 ist ein entscheidendes Jahr für das Weltklima: Das Kyoto-Protokoll gilt nur noch bis Dezember. Bei der im November beginnenden Weltklimakonferenz in Doha müssen die Eckpfeiler für die Zukunft festgelegt werden. Was die Staatenlenker im Großen erreichen wollen, haben Studierende der Universität Trier im Kleinen simuliert. Im Rahmen eines Seminars zur Internationalen Klimapolitik unter Leitung von Prof. Dr. Hanns W. Maull stellten die Politikwissenschaftler einen internationalen Regierungsgipfel nach. Zwei Tage lang verhandelten sie in ihren Rollen als europäische, amerikanische oder asiatische Diplomaten um greifbare Fortschritte. Michael Merten schildert seine Erfahrungen als Teilnehmer:

Forschung und Lehre

„Das Wort hat der chinesische Minister“. Alle Augen sind jetzt auf mich gerichtet – auf Zhou Shengxian, den Umweltminister der Volksrepublik China, die zu den größten Umweltsündern der Welt zählt. Die Europäer wollen nicht bloß mit wohlklingenden Worthülsen, sondern mit einem neuen, effektiven Klimaschutzabkommen nach Hause fahren. Meine Aufgabe liegt nicht im Erreichen dieses Ziels. Ich habe in meiner Rolle einen anderen Job: Dafür zu sorgen, dass die chinesische Wirtschaft auch weiterhin kontinuierlich wachsen kann.

52

Begonnen hat alles bereits rund drei Monate vor dem großen Finale. Rund 35 Studierende belegen im Fach Politikwissenschaft ein Seminar zur Internationalen Klimapolitik. In zahlreichen Sitzungen bereiten sie sich unter Leitung von Prof. Dr. Hanns W. Maull auf den zweitägigen diplomatischen Schlagabtausch vor. Internationale Dokumente, Verträge und Studien wie das Kyoto-Protokoll werden analysiert, Gruppen bilden sich, und jeder Teilnehmer arbeitet sich in seine Rolle ein. Es gibt insgesamt sieben Delegationen: USA, China, EU, Deutschland, Schweden, Indien und Südkorea. Zu Beginn schwört der Seminarleiter die Studierenden auf ihre Mission ein: „Seien Sie sich Ihrer Rolle bewusst! Kennen Sie Ihren Handlungsspielraum, aber auch Ihre Grenzen.“

Wie in der wirklichen Politik, geht es bei der KlimaRettung nur selten um Spielräume, aber sehr oft um unvereinbare Interessenkonflikte. Die Europäer, allen voran Deutschland und Schweden, drängen auf Fortschritte bei den Verhandlungen. Das bedeutet: Verbindliche Emissionsreduktionsziele – nicht nur für die Industriestaaten, sondern auch für Entwicklungsund Schwellenländer. Die USA sind zwar unter ihrem charismatischen Präsidenten Obama im Prinzip zu mehr Klimaschutz bereit – doch der von den gegnerischen Republikanern dominierte Kongress würde die Zustimmung zu einem international verpflichtenden Vertrag wie dem Kyoto-Protokoll verhindern. Staaten wie Indien und China wehren sich gegen eine verbindliche Verpflichtung zum CO2-Sparen. Vor allem China ist bislang in einer privilegierten Situation: In dem 1997 verhandelten Kyoto-Abkommen

wurde es als Entwicklungsland eingestuft. Das ist von Vorteil, denn nur die Industriestaaten sind zu Reduzierungen verpflichtet, während die ärmeren Länder Hilfen erhalten.

Mittlerweile ist China jedoch zu einer der größten Volkswirtschaft herangewachsen; der Aufschwung geht zulasten von Klima- und Umweltschutz. Mein Verhandlungsziel als Minister ist daher eindeutig: Ich werde nur dann einem Kyoto-Nachfolgeabkommen zustimmen, wenn mein Land auch weiterhin als Entwicklungsland gewertet wird. Nachdem alle Minister ihre Eröffnungsplädoyers gehalten haben, folgt ein erster, rund zweistündiger Schlagabtausch. Die Europäer wollen uns Chinesen auf völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele festnageln. Doch mit dieser Forderung beißen sie auf Granit. Die Stimmung wird zunehmend gereizt, die westlichen „Idealisten“ fühlen sich provoziert. Die asiatischen Staaten sehen sich mit ihren Argumenten nicht ernst genommen: „Unsere Umweltverschmutzung entsteht nur dadurch, dass wir Exportprodukte, die Euren Lebensstandard erhöhen, billig herstellen“.

Am Ende des ersten Tages gibt es viel Unmut und Enttäuschungen; ein Kompromiss scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Professor Maull versucht, das gegenseitige Verständnis zu erhöhen: „Es gibt keine Wahrheit, sondern nur unterschiedliche Wahrheiten, aber dazwischen sind Kompromisse möglich.“ Beim Verhandeln gehe es nicht um das bessere Argument, sondern um das Erzielen von Ergebnissen. Meine Delegationsmitglieder und ich stellen fest: China ist in die Defensive geraten, wir brauchen für den zweiten Tag Bündnispartner. Also beginnen wir nach dem Abendessen vielversprechende Gespräche auf bilateraler Ebene mit den beiden anderen asiatischen Staaten.

Am letzten Verhandlungstag stehen die Diplomaten unter dem Druck, eine Abschlusserklärung hervorbringen zu müssen. Das erhöht minimal die Chance, die festgefahrenen Blöcke vom Vorabend wieder ein Stück zu lösen. Die schwedische Delegation gibt als

Die Teilnehmer der Klimakonferenz im saarländischen Otzenhausen – im „Hauptberuf“ Studierdende der Politikwissenschaft an der Uni Trier.

Gastgeber des Gipfels die Marschrichtung vor: Es sollen kleine Arbeitsgruppen gebildet werden, die sich mit den Kernthemen beschäftigen. Während die Staatssekretäre in diesen Arbeitsgruppen um Details ringen, kommen die Minister auf höchster Ebene zusammen. Stundenlang wird debattiert, immer wieder wollen die Europäer neue Zugeständnisse von China erhalten. Doch der asiatische Block wehrt diese Versuche mit Erfolg ab.

So müssen die Europäer – ganz wie im echten Diplomatenalltag – kleine Brötchen backen, diese aber nach außen als leckere Mahlzeit verkaufen. Die Ent-

Enderklärung schlecht, alles schlecht? Nicht aus Sicht des Seminarleiters. „Es hat sich rasch gezeigt, dass Verhandeln ein schwieriges Metier ist. Es ist nicht einfach, in komplexen politischen Fragen Kompromisse zu erzielen und Fortschritte zu machen“, bilanziert Prof. Maull die Tagung, die von der Stiftung Forum für Verantwortung unterstützt wird. Er sieht einen großen, wenn auch ernüchternden Lernerfolg.

Eindrücke von Studierenden Für Felix Kopper (chinesischer Staatssekretär) liegt der Mehrwert in einem tieferen Einblick in die Welt der Diplomatie: „Wenn man Zeitung liest, denkt man oft, warum geht das nicht voran? Aber es ist einfach äußerst komplex“.

Der bei den Verhandlungen sehr souverän auftretende Enzo Sarnelli (in der Rolle als amerikanischer Umweltminister David Palmer) gesteht: „Ich hatte oft den Eindruck: Egal, was ich sage, ich kann es nicht einschätzen, was die anderen denken, sagen oder machen werden.“ Zugleich schmunzelt er: „Dass wir mit oberflächlichem Gelaber doch so weit kommen würden, hätte ich nicht gedacht“.

Forschung und Lehre

Die am ersten Tag leidenschaftlich geführte Debatte um die Frage, ob China auch weiterhin als Entwicklungsland gelten kann, wird schließlich abmoderiert und flammt nur noch gelegentlich auf. Dabei kommt es uns zugute, dass die Amerikaner in die Defensive geraten. Denn sie haben selbst noch nicht das KyotoProtokoll in Kraft gesetzt und sind alles andere als ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Statt sich zu klaren Einsparzielen zu bekennen, zeigen sie sich aber großzügig gegenüber den anderen Delegationen: Sie wollen – gemeinsam mit den Europäern – zusätzliches Geld für einen „Grünen Klimafonds“ bereitstellen. Diese Zusage der Industrieländer findet schließlich Einzug in das Abschlussdokument. Das ist für uns Chinesen ein Erfolg, denn unser Land ist es, das am meisten von den Hilfszusagen profitiert. Eine wirkliche Gegenleistung müssen wir nicht erbringen, denn es gibt keine Einigung darüber, wie ein neues Klimaschutzabkommen aussehen kann. Stattdessen heißt es recht vage in der Abschlusserklärung, dass die Vertragspartner „weiterhin ihren Willen zur Schaffung eines Kyoto-Nachfolgeabkommens bekräftigen“.

wicklungsländer erhalten zwar mehr Geld und neue Technologien, aber in der Kernfrage gibt es keinerlei Fortschritte – der kleinste gemeinsame Nenner.

Raphael Schäfer (polnischer EU-Diplomat Marek Lewandowski): „Man kann die Welt nicht retten, auch wenn man es am Anfang vielleicht im Kopf hat.“

53

Dissertationen Alte Geschichte

Forschung und Lehre

Christian Grieshaber Frühe Abolitionisten? – Die Rezeption der antiken Sklaverei zur Zeit der schottischen Aufklärung Trier, 2010 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Vorgeschichte der britischen Antisklavereibewegung (1787-1833). Dabei wird die These aufgestellt, dass eine überzeugende Argumentation der britischen Sklavereigegner gegen die Unfreiheit in der Neuzeit unter anderem erst durch eine akademische Auseinandersetzung mit der antiken Sklaverei an den schottischen Universitäten möglich wurde. Diese Rezeption der antiken Sklaverei wird anhand literarischer und juristischer Quellen untersucht. Die Dissertation kann die These von der Rolle der Schotten als „frühe Abolitionisten“ insofern bestätigen, da sich die wesentlichen aus antiken Quellen gewonnenen Argumente in den zentralen Abolitionsdiskursen wiederfinden. Das Zeitalter der Aufklärung in Schottland gilt zudem als Übergangsphase der historischen Wissenschaft von einer oberflächlich antiquarischen hin zu einer kritischen Rezeption der Antike. Damit zeigt sich, dass die schottische Aufklärungshistorie in methodischer Hinsicht wichtige Impulse für die moderne Sklavereiforschung setzen konnte.

Anglistik Anne-Christine Esseln (De-)Constructing the Femme Fatale: Revealing the True Nature of Fatal Women in the Works of Lewis, Wilde and Machen Trier, 2011 Das Konzept der femme fatale wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt. Der Ter-

54

minus wurde rasch zum Schlagwort für die verführerische, zerstörerische, männermordende Frau, wie sie in der Literatur und Kunst des Fin de Siècle immer wieder dargestellt wird. Auch im englischen Kulturraum ist das Thema in hohem Maße gegenwärtig, wie etwa die Bilder der Präraffaeliten oder die Schriften der Autoren der Dekadenz belegen. Die vorliegende Studie stellt den Gegenstand zunächst unter aktueller kulturtheoretischer Perspektive dar und vertieft ihn dann durch ausführliche Analyse von Werken von M. G. Lewis, Oscar Wilde und Arthur Machen. Abschließend werden zentrale kunstgeschichtliche Aspekte des Themas erörtert. Christian J. Krampe The Past is Present – The African-Canadian Experience in Lawrence Hill’s Fiction In seinem Verhältnis zu sogenannten „sichtbaren Minderheiten“ wird Kanada meist als Gegenentwurf zu den übermächtigen USA wahrgenommen. Das kanadische kollektive Gedächtnis verklärt das Land gerne als historisches (sklavenfreies) und zeitgenössisches (multikulturelles) Kanaan für seine schwarze Bevölkerung. Dieses vereinfachende Bild bricht die afro-kanadische Literatur auf, indem sie vergessene, verdrängte und verzerrte Geschichten aufgreift. Der afrokanadische Autor Lawrence Hill ist mittlerweile eine zentrale Triebkraft in diesem Bemühen um die Herstellung einer wirklichkeitsgetreueren kollektiven Erinnerung. Christian Krampe liefert die erste umfassende Studie zu seinem Werk.

Susanne Petry Ekel, Tod und Gewalt im Frühwerk Ian McEwans Trier, 2012 Die frühen Werke Ian McEwans (geboren 1948) machten Furore wegen ihrer bizarren, tabuhaften Thematik. Dies betrifft insbesondere die Kurzgeschichten und Romane des Autors bis etwa 1981. Die vorliegende Studie skizziert zunächst die im Titel genannten Aspekte in sozialpsychologischer und kulturwissenschaftlicher Sicht und untersucht dann in einlässlichen Analysen McEwans Erzähltexte und ihr literarisches Umfeld. Die Thematisierung von Ekelmomenten und abartiger Sexualität dient nicht nur dem Schauder der Leser, sondern fügt sich auch in das Genre der moral allegory. Die Werke verdeutlichen, wie der Verlust der zivilisatorischen Ordnung auch bei vermeintlich unschuldigen Personen zu abstoßenden und destruktiven Handlungsweisen führen kann. Stefan Junglen Geometry of optimal codebooks and constructive quantization Trier, 2012 Die Quantisierung von Wahrscheinlichkeitsmaßen entstammt einer elektrotechnischen Fragestellung aus den 1940er Jahren zur Digitalisierung analoger Signale. Bis zum heutigen Tag finden Quantisierungsalgorithmen Anwendung in Datenkomprimierungsverfahren (wie etwa JPEG/MPEG), in der Spracherkennung und auch in finanzmathematischen Problemstellungen. Da gute Approximationen/Diskretisierungen der Signale durch sogenannte Codebücher nur für sehr einfache Klassen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen explizit bekannt sind, tragen geometrische und lokale Charakteristika einen wesentlichen Bestandteil

zum Verständnis und der Lösung der Problemstellungen bei. Diese Arbeit greift diese Fragestellung auf und analysiert das Wachstumverhalten sowie lokale geometrische Eigenschaften optimaler Codebücher für endlich- und unendlichdimensionale Verteilungen. Die ermittelten theoretischen Ergebnisse werden numerisch an interessanten Repräsentanten, wie etwa der Gaußverteilung oder dem fraktionellen Wiener Prozess, untersucht. Andre Lörx Adjoint-Based Calibration of Local Volatility Models Trier, 2012

Christina Gerstenmayer Spitzbuben und Erzbösewichter. Räuberbanden in Sachsen zwischen Strafverfolgung und medialer Repräsentation Trier, 2011 UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz, 2012 Viele Quellen des 18. Jahrhunderts benennen Räuberbanden und die von ihnen begangenen Delikte als eine dominante Form der Kriminalität ihrer Zeit. Am Beispiel des Kurfürstentums Sachsen werden die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Phänomen Räuberbanden analysiert und in einen Bezug zueinander gesetzt – von den administrativen Vorgängen und juristischen Abhandlungen über die zahlreichen Akten aus den Strafprozessen gegen Diebe und Räuber bis hin zur Darstellung der Fälle in den zeitgenössischen Printmedien. Die Dissertation zeigt Stereotype auf, die sich durch den öffentlichen Diskurs über diese Delinquenz zogen, und verortet die Räuberbanden zwischen Konstruktion und Realität.

Philosophie Thomas Hoffmann M.A Zum Problem eines Bewusstseins bei Tieren am Paradigma der kantischen Theorie des Bewusstseins Trier, 2012 Immanuel Kants Theorie des menschlichen Bewusstseins wird mit der Frage nach Bewusstsein bei Tieren konfrontiert. Zunächst wird gezeigt, dass mit Kant auch bei Tieren nicht bloß naturale, sondern eigenursprüngliche Subjektivitätsstrukturen anzunehmen sind. Im Anschluss daran werden Aspekte der kantischen Theorie des menschlichen Bewusstseins vor diesem Hintergrund diskutiert.

Muharrem Açıkgöz Die Permanenz der Kritischen Theorie. Eine Bestandsaufnahme der zweiten Generation Trier, 2012 Die Kritische Theorie entstand in den 1930er Jahren und wurde seit den fünfziger Jahren mit der „Frankfurter Schule“ identifiziert. In der Dissertation wird dieser Schulzusammenhang durch Porträts der dreizehn Angehörigen der zweiten Generation kritischer Theoretiker(innen) dargestellt. Auf diese Weise wird demonstriert, dass sich die Weiterentwicklung der Kritischen Theorie seit den sechziger Jahren nicht nur auf Jürgen Habermas beschränkt. Die zweite Generation stellt sich als eine zerstrittene Interpretationsgemeinschaft dar, deren unterschiedliche Vertreter verschiedenartige aktuelle Versionen von „Kritischer Theorie“ entwickelt haben.

Psychologie Katharina Köck Komorbidität in der ambulanten Psychotherapie. Eine Untersuchung ihres Einflusses auf Status, Verlauf und Ergebnis im Rahmen eines Modellprojekts zum Qualitätsmonitoring. Trier, 2012 Die Arbeit untersucht den Einfluss von Mehrfachdiagnosen im Rahmen eines naturalistisch gewonnenen Datensatzes der Techniker Krankenkasse zur ambulanten Psychotherapie. Unter Komorbidität resultieren eine erhöhte Eingangsbelastung sowie teilweise veränderte Verbesserungsraten und schlechtere Ergebnisse. Insbesondere bei komorbiden Persönlichkeitsstörungen ist mit längeren Therapien zu rechnen.

Forschung und Lehre

In Zeiten hochvolatiler Märkte stellt das Handeln und die ausreichende Absicherung komplexer Finanzmarktderivate eine enorme Herausforderung dar, da die zugrunde liegenden Finanzmarktmodelle häufig an ihre natürlichen Grenzen stoßen. Eine effiziente und robuste Kalibrierung dieser Modelle ist insbesondere in risikoreichen Zeiten von entscheidender Bedeutung. Diese Arbeit widmet sich speziell der effizienten Kalibrierung von Modellen lokaler Volatilität, einer in der Praxis häufig angewandten Klasse von Finanzmarktmodellen. Dabei werden verschiedenste Bereiche der Mathematik berührt. Es fließen sowohl Aspekte der mathematischen Modellierung, als auch der Theorie der stochastischen und partiellen Differentialgleichungen ein. Vor allem aber werden Methoden der Optimierung und der numerischen Mathematik erforscht und weiterentwickelt. Das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung der vorgestellten Methoden liegt hierbei auf der Anwendbarkeit und Effizienz in realen Marktsituationen.

Geschichte

55

Deniz Lüdmann Macht Tradition Türken krank und ist überhaupt Türkisch drin, wo Türkisch drauf steht? Eine Studie zum Zusammenhang zwischen kulturellen Wertvorstellungen sowie psychischen und körperlichen Beschwerden bei türkischstämmigen Menschen in Deutschland Trier, 2012 Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen körperlichen sowie psychischen Beschwerden und kulturellen Wertvorstellungen, Akkulturationsorientierungen, Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen, Vertrauen in direkte Bezugspersonen und Hoffnungslosigkeit bei 172 türkischstämmigen Menschen in Deutschland in deutscher und türkischer Sprache.

Forschung und Lehre

Birte Möller Zum Einfluss von ignorierten Reizen: Generalisierung und Anwendung von Distraktor-ReaktionsBindungen Trier, 2012

56

In visuellen Selektionsaufgaben, in denen Zielreize zusammen mit Distraktorreizen präsentiert werden, können Reize und Reaktionen gemeinsam als eine Episode enkodiert werden. Die Wiederholung eines beliebigen Aspekts dieser Episode kann zum Abruf der gesamten Episode und damit auch zum Abruf der Reaktion führen; das bedeutet, dass eine Wiederholung des Distraktors zum Abruf der Reaktion auf den vorherigen Zielreiz führen kann, die sogenannte Distraktor-ReaktionsBindung. In einem ersten Schritt konnte dieser Effekt sowohl in der auditiven als auch taktilen Modalität sowie auf konzeptueller Ebene nachgewiesen werden. In einem zweiten Schritt wurde der Experimentalaufbau schrittweise einer Fahrsituation angenähert und die mögliche Wirkung von Distraktor-Reaktions-Bin-

dungen auf Reaktionen von Autofahrern untersucht. Bei der Konstruktion von Fahrassistenzsystemen sollte vor dem Hintergrund dieser Befunde die Wirkung von Bindungseffekten mitbedacht werden. Theo O.J. Gründler Differenzierung ereigniskorrelierter Potentiale der Handlungsüberwachung 2012 Die Zwangserkrankung zeichnet sich durch eine Dissoziation der neuronalen Fehlerreaktion auf Reiz-Reaktionsaufgaben und dem Abruf in Lernaufgaben aus. Diese Dissoziation lässt sich auf eine fehlende Interaktion zwischen rostralen und dorsalen Anteilen des anterioren zingulären Kortex, gegeben durch eine Hyperaktivität des rostralen Anteils, in der Zwangserkrankung zurückführen. Für die Reaktion auf Fehler oder deren Rückmeldung zeigt sich keine Hemisphärenpräferenz im Gegensatz zur Inhibierung, die rechts lateralisiert.

Katholische Theologie/ Philosophie Christine Görgen Pathodizee statt Theodizee – Mensch, Gott und Leid im Denken Viktor E. Frankls Trier, 2012 Die klassische Theodizeefrage wird im Werk Viktor E. Frankls zur „Pathodizee“, der Leidensrechtfertigung, wonach der Mensch selbst im Leid immer noch einen Sinn für sich finden kann. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Philosophen ist sein Gottesbild durch den Holocaust keiner Änderung unterworfen, sondern „bedingungslos“. Diese Haltung orientiert sich an der Gestalt des alttestamentlichen Hiob und dokumentiert den Einfluss des Exi-

stenzphilosophen Karl Jaspers auf das Denken Frankls.

Katholische Theologie/ Christliche Sozialwissenschaften Anatole Zoé Dovonou Demystifier l’ethnie en faveur de la personne humaine. Une analyse éthique de la crise de croissance et d’ordonnancement de la société en Afrique subsaharienne à partir de la Doctrine Sociale de l’Eglise Trier, 2012 Die Wachstums- und Ordnungskrise der Gesellschaft südlich der Sahara wird nicht selten auf „ethnische Probleme“ zurückgeführt, die im Wesentlichen in der Missachtung der Sozialprinzipien Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl gründen. Reformbemühungen müssen daher nicht als zentralstaaliche Zwangsmaßnahme, sondern zunächst im Sinne einer Integration ansetzen, die aktive Partizipation aller Bevölkerungsteile an der staatlichen Willens- und Entscheidungsbildung hervorrufen möchte.

Psychobiologie Nehir Bagriyanik Effiziente Förderung von volitionalen Kompetenzen in der psychosomatischen Rehabilitation Bad Kreuznach, 2011 Volition als psychische Funktion, Schwierigkeiten in der Handlungsausführung zu überwinden, spielt eine bedeutende Rolle in der psychosomatischen Rehabilitation. In einer Gruppentherapie über maximal 4 Sitzungen zeigte sich, dass sich volitionale Kompetenzen signifikant verbesserten. Zusätzlich ergaben sich Verbesserungen in anderen Therapie-Outcome-Maßen.

Kunstgeschichte Joachim Hoffmann Die mittelalterliche Baugeschichte des Havelberger Domes Die Arbeit rekonstruiert den Bauverlauf der Bischofskirche, die in zwei eng ineinander greifenden Konzeptionen aus romanischer bzw. gotischer Zeit entstanden ist, und verortet diese in der Architekturgeschichte. Dabei sind Aspekte der Baukunst der sogenannten Reformorden zu berücksichtigen, denn der Bischofssitz war gleichzeitig eine Niederlassung des Prämonstratenserordens. Der Entwurf für den gotischen Umbau wurde kurz nach 1300 ins Werk gesetzt, die Ausführung zog sich jedoch bis weit

in das 15. Jh. hin, worüber die einheitliche Gestaltung hinwegtäuscht. Diese Umgestaltung inszenierte den Altbestand im selben Maße, wie sie ihn ‚modernisierte‘.

Neuere und Neueste Geschichte Dingliang, Fan SPD und Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland 1959-1989: Die Kommunikation zwischen einer politischen Partei und professionellen Historikern Trier, 2012

SPD und professionellen Historikern vom Godesberger Programm bis zur Wiedervereinigung. Untersucht werden u.a. der Umgang der SPD mit Geschichte und Geschichtswissenschaft, die parteieigene historische Forschung und der Kontakt universitärer Historiker zur Sozialdemokratie. Analysiert werden vor allem die verschiedenen Ziele und Interessen der Akteure und die Netzwerke zwischen beiden Seiten.

Die Studie untersucht die Kommunikationsprozesse zwischen

Habilitationen Mathematik

Die Theorie der linearen partiellen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten ist ein klassisches Teilgebiet der Mathematik, das neben innermathematischen Anwendungen unter anderem auch benutzt wird, um physikalische, technische, biologische oder auch ökonomische Vorgänge zu modellieren und einer präzisen Analyse zugänglich zu machen. Im Gegensatz zur Untersuchung einer konkreten Gleichung – und damit eventuell eines konkreten, aus den Anwendungen stammenden Problems – beschäftigt sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich mit der Lö-

Während Lösbarkeitscharakterisierungen solcher Gleichungen sowohl auf Räumen glatter Funktionen als auch auf Räumen von Distributionen schon 1955 und 1962 von B. Malgrange beziehungsweise L. Hörmander bereitgestellt wurden, ist die Auswertung dieser Lösbarkeitsbedingungen nach wie vor ein hochgradig nicht-triviales Problem. Insbesondere ist bekannt, dass Lösbarkeit in Räumen glatter Funktionen nicht notwendigerweise Lösbarkeit in den viel größeren Räumen von Distributionen impliziert. Da die Beispiele hierfür allerdings allesamt in drei oder mehr Dimensionen liegen, vermutete F. Trèves 1966, dass im zweidimensionalen Fall Lösbarkeit in Räumen glatter Funktionen sehr wohl

schon Lösbarkeit in Räumen von Distributionen nach sich zieht. In der vorliegenden Arbeit ist es nun gelungen, diese Vermutung zu beweisen. Das zweite Hauptresultat der Arbeit beantwortet das sog. Problem der (distributionellen) Parameterabhängigkeit von Lösungen linearer partieller Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten, das in voller Allgemeinheit 2006 von J. Bonet und P. Domański formuliert wurde. Nicht nur konnte gezeigt werden, dass dieses Problem i.a. schon bei gutartigen Gleichungen (sog. hypoelliptischen) keine Lösung besitzt, sondern auch, dass der zweidimensionale Fall auch hier wieder die Rolle einer positiven Ausnahme spielt in dem Sinne, dass hier das Problem immer lösbar ist.

Forschung und Lehre

Thomas Kalmes Surjectivity of augmented linear partial differential operators with constant coefficients and a conjecture of Trèves

sung zweier abstrakter, aus der allgemeinen Theorie herrührender Probleme.

57

Forschung und Lehre

Neuerscheinungen

58

W. Lutz, U. Stangier, A. Maercker, F. Petermann (Hrsg.) Klinische Psychologie – Intervention und Beratung (Band II) Göttingen, Hogrefe, 2012

Petermann, F., Maercker, A., Lutz, W. & Stangier, U. (Hrsg.) Klinische Psychologie – Grundlagen (Band I ) Göttingen, Hogrefe, 2011

Eva Eirmbter-Stolbrink, Claudia König-Fuchs Erziehungswissenschaftliche Methodenforschung – Vermittlung und Aneignung von Wissen

durchaus eine Tradition in der Geschichte der Erziehungswissenschaft. Die Verfasserinnen gehen diesen historischen Aufforderungen zu einer Methodenforschung (Comenius, Pestalozzi, Trapp, Herbart), den Methodenreflektionen im 20. Jahrhundert (Aebli, Pöggeler, Flechsig, Lochner, Brezinka und Dräger) nach und ergänzen diese Ansätze durch methodische Beispiele der Volksbildungsarbeit im 18., 19. und 20. Jahrhundert sowie durch die strukturellen Anforderungen an das Lernen in der Wissensgesellschaft. Der empirische Teil der Arbeit enthält die im Rahmen eines „Methodenlabors“ an der Universität Trier durchgeführten Untersuchungen zum Vergleich

Für die Wissensgesellschaft sind die Prozesse der Vermittlung und Aneignung von Wissen von zentraler Bedeutung. Den Ausgangspunkt dieses Bandes bildet das Defizit an erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf die Lernwirksamkeit von Methoden, Formen und Elementen einer lernwirksamen Vermittlung von Wissen an die Lernenden. Die Aufforderung zu einer systematischen Suche nach den Formen der Vermittlung und Aneignung von Wissen besitzt

Lutz, W. (Hrsg) Lehrbuch Psychotherapie Bern, Verlag Hans Huber, 2010

differenter Vermittlungs- und Aneignungsformen von Wissen.

Stefan Engeser Advance in Flow Research New York, Springer, 2012, 231 Seiten ISBN 978-1-4614-2358-4 Das Buch bietet eine historische und konzeptionelle Einführung in das Flow Konzept sowie einen Überblick über die gegenwärtige Forschung. Es werden aktuelle Themen (z.B. neurophysiologische Aspekte, Persönlichkeit) vertieft und aufgezeigt, was seit Beginn der Flowforschung erreicht wurde und welche Aspekte in Zukunft besondere Aufmerksamkeit verdienen (sollten).

Franzis Preckel & Miriam Vock Hochbegabung. Ein Lehrbuch zu Grundlagen, Diagnostik und Fördermöglichkeiten Göttingen, Hogrefe, 2012, 240 S. ISBN 978-3-8017-2467-2 Erstmals im deutschen Sprachraum wird der aktuelle Stand des Wissens zum Thema Hochbegabung als Lehrbuch präsentiert. In einer gut strukturierten und di-

Medienwirkung kompakt – angesichts der Differenzierung der Kanäle und Gattungen einerseits und der Themenvielfalt andererseits ein großes Anliegen in kleinem Format. Als Leitfaden dient – auch wegen der für Vermittlungszwecke bewährten Transparenz – die Lass-

well-Formel in ihrer erweiterten Fassung: Wer sagt was durch welchen Kanal zu wem unter welchen Umständen zu welchem Zweck mit welchem Effekt? Das lässt eine Integration des Medienwandels, insbesondere auch der Sender-Empfänger-Beziehungen, ebenso zu wie eine Differenzierung nach intendierten und nicht-intendierten Effekten. Eine Diskussion des Wirkungs-Begriffs ist in diese Vorgehensweise eingebunden.

Forschung und Lehre

Michael Jäckel Medienwirkung kompakt. Einführung in ein dynamisches Forschungsfeld

daktisch ansprechenden Aufbereitung des Themas geben die Autorinnen einen umfassenden Überblick über Modelle und Forschungszugänge sowie prominente Studien. Grundlagenwissen zur Persönlichkeit und Entwicklung Hochbegabter wird ebenso berücksichtigt wie konkrete Möglichkeiten der Diagnostik und Förderung.

59

Textsammlung Wasserrecht Band Nr. 5781 der Reihe BeckTexte im dtv enthält erstmals eine kompakte Sammlung der wichtigsten wasserrechtlichen Bestimmungen des Bundes. Von Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgaben nebst zugehöriChristine Felbeck, Claudia Hammerschmidt, Andre Klump, Johannes Kramer America Romana in colloquio Berolinensi: Beiträge zur transversalen Sektion II des XXXII. Deutschen Romanistentages

Forschung und Lehre

America Romana nimmt als innovativer Forschungsansatz bevorzugt die Gemeinsamkeiten und Wechselbeziehungen zwischen den Sprachen, Literaturen und Kulturen der romanischen (französischen, spanischen, portugiesis-

60

gem Verordnungsrecht über das Wasserstraßenrecht bis zu kartellrechtlichen Regelungen ist die Sammlung ein hilfreicher Begleiter in allen wasserrechtlichen Fragestellungen. Der Band enthält zudem eine Einführung in das Wasserrecht von Prof. Dr. Michael Reinhardt. Für weitergechen, kreolophonen) Areale der westlichen Hemisphäre in den Blick. Der Sammelband enthält 19 Beiträge, die im Rahmen des 32. Deutschen Romanistentages an der Humboldt-Universität zu Berlin im September 2011 auf diesen Fokus ausgerichtet waren. Der sprachübergreifenden Romanistik werden hiermit vernetzte Perspektiven der Forschung zur „Neuen Welt“ eröffnet. Überdies wird die außereuropäische Frankophonie, Hispanophonie und Lusophonie um weitere Aspekte bereichert.

hende Recherchen, insbesondere zu den einschlägigen landesrechtlichen Quellen steht das im Verlag Erich Schmidt erschienene und laufend aktualisierte achtbändige Handbuch des Deutschen Wasserrechts zu Verfügung.

Berufungsnachrichten Rufe an die Universität Trier erhalten

Rufe an andere Universitäten angenommen

PD Dr. Pierre Hauck, Akademischer Rat auf Zeit an der Universität Gießen: Ruf auf die W 3-Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht im Fachbereich V, Rechtswissenschaft.

Dr. Jan von Hein, Universitätsprofessor im FB V, Zivilrecht: Ruf auf eine W 3-Professur für „Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung“ an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Rufe an die Universität Trier angenommen

PD Dr. Mirjam Minor, Akademische Rätin auf Zeit, im Fach Wirtschaftsinformatik, Fachbereich IV der Universität Trier: Ruf der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main auf die W 2-Professur für „Wirtschaftsinformatik“.

Prof. Dr. Arnd Arnold, Universitätsprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: Ruf auf die W 3-Professur für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht im Fachbereich V. PhD Dr. Caroline Sporleder, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität des Saarlandes: Ruf auf die W 2-Professur für Digital Humanities im Fachbereich II. PD Dr. Stephan Laux, Mitarbeiter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Ruf auf die W 3-Professur für Geschichtliche Landeskunde im Fachbereich III, Fach Geschichte.

Dr. Martin Wagener, Professor als Juniorprofessor im Fachbereich III Politikwissenschaft, an der Universität Trier: Ruf auf eine W 3Professur für Politikwissenschaft an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Haar bei München.

Rufe an andere Universitäten abgelehnt Dr. Ralf Münnich, Universitätsprofessor im FB IV, Wirtschafts- und

Sozialstatistik, an der Universität Trier: Ruf für „Statistik med särskild inriktning mot allmän statistikproduktion“ an die Universität Stockholm, Schweden.

Bestellung zum Honorarprofessor Archivdirektor Dr. Reiner Nolden mit Wirkung vom 23.08.2012 zum Honorarprofessor für Historische Hilfswissenschaften im Bereich der Landesgeschichte im Fachbereich III an der Universität Trier.

Rufe an die Universität abgelehnt Dr. Jürgen Beyer, Universitätsprofessor an der Universität Hamburg: Ruf auf die W 3-Professur für Arbeits-, Organisations- und Unternehmenssoziologie im Fachbereich IV.

Personen und Preise

Dr. Klaus Dieter Drüen, Universitätsprofessor an der HeinrichHeine Universität Düsseldorf: Ruf auf die W 3-Professur für das Fach Öffentliches Recht, deutsches und internationales Finanzund Steuerrecht im Fachbereich V, Rechtswissenschaft.

61

„Mehr Toscana als Bologna“ Alumni-Serie: Heinrich Alt blickt auf die Kinderschuh-Jahre der Universität zurück

Mit dieser Ausgabe startet das Unijournal eine Serie über Alumni der Universität Trier. Zum Auftakt hat Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, in seinen Erinnerungen an die Studentenjahre an der Mosel gekramt. Herr Alt, Sie haben sich 1970 eingeschrieben. Damit waren Sie an der Universität Trier ein Student der allerersten Stunde. Waren die Zeiten damals auf Schneidershof wirklich so golden wie sie heute oft verklärt werden? Sie waren auf jeden Fall mehr Toscana als Bologna.

Foto: Chandra Moenssad

Standen in der Mensa tatsächlich die legendären Schüsseln auf den Tischen, aus denen sich alle bedient haben? Ja, es gab immer einen doppelt gedeckten Tisch und Suppenschüsseln. Noch ein Mythos, der sich hartnäckig hält: Damals waren die Studenten viel politischer als heute. Zweifellos. Zu jedem Mittagessen gab es mindestens drei Flugblätter.

Personen und Preise

Hatten Sie das Gefühl, damals schon an einer „richtigen Universität“ zu studieren oder an einem Provisorium? Provisorium, ja. Ich habe die Universität aber nie als defizitäre oder unzulängliche Einrichtung empfunden.

62

War Trier für Sie erste Wahl als Studienort wegen der Nähe zum Wohnort? Es war eher der guten Freunde wegen und die Neugierde, eine Unigründung zu erleben. Hatten Sie nach Ihrem Studienabschluss noch Verbindung zur Universität? Ja, zu den Dozenten und Absolventen. Und ich war beim 25jährigen Jubiläum der Uni.

Mein Studentenleben Studibude oder Hotel Mama? WG-Zimmer oder Appartement? Viez oder Bier? Tri Top oder Bluna? Karl Marx-Uni oder Universität Trier? Sakko oder Sweat-Shirt? Erste Vorlesung: 8 oder 14 Uhr? GEZ-Zahler oder Schwarzseher? RCDS oder JuSo-HSG? Studentenkneipe oder Disco?

Studibude WG-Zimmer Bier Weder noch Universität Trier Sweat-Shirt 14 Uhr Datenschutz... JuSo-HSG Disco (war aber auch halb Kneipe)

Meine Universität Mein „Stilles Örtchen“ an der Universität: Mein „Da-bin-ich-nie-gewesen“-Ort: Meine „Gute Seele“: Mein „No Go“: Mein Lieblingsprofessor/Dozent: Meine härteste Prüfung: Mein schönster Moment:

Tischtennisraum im Keller Büro des Kanzlers Die gepflegten und gebildeten Damen der Bibliotheksaufsicht Krawatte Der leider zu früh verstorbene Prof. Dr. Peter Haungs Ein vollständig ausgefüllter Bafög-Antrag Die Entdeckung meiner heutigen Frau unter den Studentinnen

Sie haben Politikwissenschaft und Germanistik studiert. Keine Studienfachwahl, die zwangsläufig auf ein Arbeitsverhältnis als Referent im Landesarbeitsamt hinausläuft. Die Bundesagentur für Arbeit war damals schon ein flexibler und moderner Arbeitgeber, der nicht sortenrein nur Juristen eingestellt hat.

Nach kurzen Ausflügen in das Mainzer und Kieler Ministerium sind Sie immer wieder in die Arbeitsverwaltung zurückgekehrt. Was ist es, das Sie nicht davon loskommen lässt? Die Bundesagentur ist für mich berufliche Heimat, mit vielen engagierten und liebgewonnenen Kolleginnen und Kollegen.

Was hat Sie das Studium für Beruf und Leben gelehrt? Auf jeden Fall einen professionellen Umgang mit Themen, Texten, Argumenten und Menschen.

Welche gravierenden Veränderungen hat die Arbeitsverwaltung in Ihren 30 „aktiven“ Jahren durchlaufen? Sie ist kundenorientierter geworden und viel transparenter. Neu ist das Führen über Ziele und wir haben mittlerweile ein sehr modernes (und mehrfach ausgezeichnetes) Personalmanagement.

Hätte eine wissenschaftliche Laufbahn eine berufliche Alternative für Sie sein können? Ja, aber ich habe das Angebot zur Promotion (leider) nicht angenommen.

Sie sind auf dem Karriereweg schnell und beständig vorangeschritten. Welche Charaktereigenschaften waren dafür am wichtigsten? Ich selbst kann es ja nur erahnen. Aber vielleicht Zuverlässigkeit, Kreativität und Bereitschaft zum Ortswechsel. Sie waren Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Arbeitsministerium. Gelten auf der politischen Bühne andere Gesetze als in der Arbeitsverwaltung? Im Prinzip nicht. In beiden Bereichen gilt es Ziele zu definieren, Personal zu führen und für Ressourcen und Ideen zu kämpfen. Aber politische Ämter haben eine höhere Gestaltungsfunktion, eine Verwaltung hat eher einen klaren Ausführungsauftrag.

Zur Person Heinrich Alt wurde am 21. Februar 1950 in Rascheid bei Trier geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach dem Abitur studierte er von 1970 bis 1975 Politikwissenschaft und Germanistik an der gerade neu gegründeten Doppeluniversität Trier-Kaiserslautern, deren Trierer Ableger in der heutigen Fachhochschule auf Schneidershof beheimatet war. Von 1977 bis 1983 war das Landesarbeitsamt seine erste Berufsstation, wo er als Referent für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zuständig war. Anschließend wechselte er als Abteilungsleiter zum Arbeitsamt Saarlouis, später zum Arbeitsamt Mainz und dann zum Landesarbeitsamt als Referatsleiter. Zwischen 1990 und 1992 leitete er als Direktor das Arbeitsamt Bad Kreuznach bevor er als Referent in die Dienste des Mainzer Arbeitsministeriums ging. Nach einem „Ausflug“ in die Politik als Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Arbeitsministerium (1998 - 2000) kehrte Alt an höchster Stelle zur Arbeitsverwaltung zurück: 2001 wurde er Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit und ist seit deren Umbenennung und Umstrukturierung 2002 Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit.

Personen und Preise

In Ihrer offiziellen Vita klafft zwischen Studienabschluss und Berufseinstieg eine Lücke von zwei Jahren. Indiskret gefragt: Dolce Vita, Auslandsaufenthalt oder nichts für die Öffentlichkeit? Dolce Vita wäre schon gewesen, aber es war ganz profan ein Referendariat an einem Gymnasium in Koblenz.

63

Wie wäre es, wenn sich das Vorstandsmitglied Heinrich Alt als Berufsberater bewährt und den Trierer Studierenden ein paar grundlegende Tipps für die Berufswahl im Speziellen und für das Leben im Allgemeinen mit auf den Weg gibt? Wichtig ist, dass man sich über seine eigenen Vorstellungen gut informiert und wenn möglich in der Praxis überprüft. Wer sich an Eignung und Interesse orientiert, ist im Beruf auch erfolgreich und zufrieden. Man sollte immer neugierig bleiben und für neue Themen offen sein, sonst entwickelt man sich zum „Fachidioten“. Und man sollte auch Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.

Besitzen Sie noch das Grundig-Tonbandgerät, das Sie sich als Jugendlicher vom ersten selbst verdienten Geld gekauft haben? Das habe ich vor vielen Jahren verschenkt.

Die Fragen stellte Peter Kuntz

Weniger Infoballast – mehr Kundenerlebnis Handwerkskammer zeichnete eine Diplom- und eine Bachelorarbeit in BWL aus und E-Business, hat die Arbeiten betreut. Die HWK zeichnet regelmäßig gelungene Abschlussarbeiten von Absolventen der Trierer Hochschulen aus, in denen für das Handwerk und den Mittelstand relevante Themen behandelt werden.

Personen und Preise

Foto: HWK

64

Handwerkskammer-Präsident Rudi Müller (rechts) überreichte die Preise an Maike Pollmeier (Zweite von rechts) und Natalie Metzger. Prof. Dr. Rolf Weiber betreute die Arbeiten.

leich zwei Abschlussarbeiten im Fach Betriebswirtschaftslehre (BWL) der Universität Trier wurden mit dem Ökonomiepreis der Handwerkskammer Trier (HWK) ausgezeichnet. Beide Arbeiten untersuchen bestimmte Aspekte des Einkaufens über das Internet. Während Natalie Metzger die Nutzer-Erlebnisse in Internetgemeinschaften am Beispiel von „Facebook“ analysierte, beschäftigte sich Maike Pollmeier mit Maßnahmen zur Reduzierung der Informationsflut im Netz. Prof. Dr. Rolf Weiber, Experte für Marketing, Innovation

G

Natalie Metzger stellte fest, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Neuere Werbe- und Verkaufsstrategien würden daher nicht mehr ausschließlich am Produkt ansetzen, sondern vielmehr am Wertschöpfungsdenken der Kunden. Beim Verbraucher sei eine Abkehr von austauschbaren Konsumprodukten hin zu nachhaltigeren Leistungen und Erzeugnissen erkennbar. Unternehmen seien daher nicht mehr bloße Verkäufer von Produkten. Vielmehr würden sie verstärkt versuchen, Käufer über Kundenerlebnisse langfristig zu binden – insbesondere auch über soziale Internetplattformen wie Facebook. Das Internet informiert Konsumenten über unzählige Produktangebote. Neben der Chance, dass Verbraucher sich ausführlich informieren können, drohe auch das Risiko, dass die Fülle von Informationen sie überlaste, so Maike Pollmeier. Interaktive Entscheidungshilfen sollen dem entgegenwirken. In ihrer Arbeit untersucht und bewertet die Verfasserin im Internet verfügbare Maßnahmen, die geeignet sind, die Informationslast zu vermindern.

„Ein Glücksfall für unsere Fachdisziplin“ Fulbright-Gastprofessor William Boone verstärkt „Biologie und ihre Didaktik“

eit Ende August ist Prof. Dr. William Boone auf Einladung von Prof. Dr. Andrea Möller fünf Monate als Fulbright-Gastprofessor in Forschung und Lehre am Fachbereich VI an der Universität Trier tätig. Boone ist Professor für Pädagogische Psychologie und Psychometrie an der Miami University in Oxford, Ohio. Nach einem Bachelor of Science in Geologie von der Indiana University und einem Master of Science in Geophysik von der University of Wisconsin-Madison unterrichtete Boone mehrere Jahre als Physiklehrer an einer Highschool. In dieser Zeit gewann er mehrere Auszeichnungen, unter anderem den PTRA Award der American Association of Physics Teachers. Anschließend promovierte Boone bei Ben Wright an der University of Chicago über Rasch-Modelle in Schulleistungstests. William Boone ist Mitherausgeber mehrerer renommierter internationaler Zeitschriften für Naturwissenschaftsdidaktik, unter ihnen „Science Education“ und „Journal of Research in Science Teaching“ sowie Herausgeber mehrerer Standardwerke für die Rasch-Analyse. Er berät etliche US Bundesstaaten in der Entwicklung von landesweiten Schulleistungstests.

S

Neben den Forschungsaktivitäten unterrichtet Boone auch im Master of Education Biologie. Dabei liegt es ihm besonders am Herzen, die als trocken gefürchtete Testkonstruktion und Statistik

Foto: Andrea Möller

„Herr Boone ist ein ausgesprochener Glücksfall für unsere Fachdisziplin: Er ist ausgewiesener Rasch-Spezialist, besitzt einen naturwissenschaftlichen Hintergrund, sammelte als Lehrer an einer Highschool Unterrichtserfahrung und kennt sogar das deutsche Schulsystem, weil er selbst ein Jahr als Schüler ein Bonner Gymnasium besucht hat“, resümiert Andrea Fulbright-Gastprofessor William Boone. Möller. Neben seinen Aktivitäten an der Universität Trier ist William Boone auch einer Vielzahl von Einladungen anderer deutscher Biologie-, Physik und Chemiedidaktiker gefolgt und hat in den letzten drei Monaten quer durch Deutschland Vorträge gehalten und Workshops geleitet. „Es hat sich leider viel zu schnell herumgesprochen, dass Herr Boone für mehrere Monate in Deutschland ist“, schmunzelt Möller.

William Boone und Andrea Möller haben sich 2010 auf der Internationalen Konferenz der US-amerikanischen „National Association of Research in Science Teaching“ in Philadelphia kennen gelernt. „Andrea Möller ist eine der wenigen deutschen Forscherinnen und Forscher in den Naturwissenschaftsdidaktiken, die ihre Daten schon damals mit dem Rasch-Modell ausgewertet haben. Dadurch bin ich auf sie aufmerksam geworden“, berichtet Boone. Seither kooperieren die beiden in verschiedenen Forschungsprojekten.

Seit 1974 haben insgesamt 17 Fulbright-Gastprofessoren an der Universität Trier geforscht und gelehrt, davon vier in den letzten zehn Jahren. William Boone ist der erste Naturwissenschaftler unter ihnen. Birgit Roser, Leiterin des Akademischen Auslandsamts, freut sich über den renommierten Gast im Fach „Biologie und ihre Didaktik“ und hofft, dass dadurch auch andere Fächer angeregt werden, sich für das Stipendium zu bewerben, um weitere Gastprofessoren aus dem Ausland nach Trier einladen zu können.

Personen und Preise

Boone ist ein international ausgewiesener Spezialist für das Rasch-Modell, ein statistisches Verfahren, das seit einigen Jahren zur Konstruktion von nationalen wie internationalen Schulleistungstests verwendet wird: bekanntestes Beispiel ist sein Einsatz in der PISA-Studie der OECD. In Folge dessen gewinnt dieses Modell auch in den empirischen Untersuchungen der Fachdidaktiken immer mehr an Bedeutung. Während seiner Zeit in Trier möchte Boone gemeinsam mit Professorin Andrea Möller unter anderem beleuchten, ob und – wenn ja – welchen Einfluss die flächendeckende Einführung des Faches „Naturwissenschaften“ in Rheinland-Pfalz auf das Naturwissenschaftsverständnis und die Experimentier-Kompetenz von Schülern in diesem Bundesland hat. Seit einiger Jahren Zeit vereint dieses neue integrierende Bereichsfach im Anfangsunterricht der Sekundarstufe 1 die angestammten Schulfächer Biologie, Physik und Chemie. Als Vergleich dienen Daten aus anderen Bundesländern, in denen in Jahrgang 5 und 6 noch regulär Biologie unterrichtet wird.

mit neuen Lehrmethoden aufzulockern und die Studierenden adäquat auf ihre Masterarbeit in der Biologiedidaktik vorzubereiten.

65

Wissenschaftspreis für Sprachhistoriker Forschungsprojekt „Mittelalterliche Archivalien der Großregion“ ausgezeichnet

Bei der Verleihung des Interregionalen Wissenschaftspreises der Großregion wurden in diesem Jahr fünf Wissenschaftler der Universität Trier ausgezeichnet. Der mit 25.000 Euro dotierte zweite Preis, der als Stiftungspreis der SaarLB vergeben wurde, ging an das Forschungsprojekt „Mittelalterliche Archivalien der Großregion“. Die Jury würdigte insbesondere die grenzüberschreitende Dimension und die wissenschaftliche Qualität des Projektes. Im Rahmen der dritten Interministeriellen Konferenz „Hochschulwesen und Forschung“ der Großregion wurde der Preis in Metz überreicht. emeinsam mit Kollegen aus Belgien (Université Catholique de Louvain-la-Neuve), Frankreich (Université de Lorraine, Nancy) und Luxemburg (Université du Luxembourg) haben die Trierer Sprachhistoriker Dr. Natalia Filatkina, Dominic Harion M.A., Falko Klaes, Prof. Dr. Claudine Moulin und Dr. Nikolaus Ruge zahlreiche mittelalterliche Dokumente aus der Großregion ausfindig gemacht, die beispielsweise Aufschluss über das Alltagsleben oder über politische Beziehungen zwischen Trier und Lothringen oder Luxemburg geben.

G

Personen und Preise

Die Trierer Arbeitsgruppe zu den „Mittelalterlichen Archivalien“ ist aus einem Forschungsprojekt von Professorin Moulin im Rahmen des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums (HKFZ) Trier hervorgegangen und wurde von diesem auch durch eine Anschubfinanzierung gefördert. Eine Vernetzung in die Großregion und die Anknüpfung an das von Dr. Hélène Schneider an der Universität Nancy initiierte Projekt der Grande Région folgten rasch. Kollektives Forschungsziel der disziplin- und Ländergrenzen übergreifenden Projektgruppe ist

Für das Forschungsprojekt „Mittelalterliche Archivalien der Großregion“ nahm Prof. Dr. Claudine Moulin (Zweite von rechts) den Preis in Empfang.

die Untersuchung gemeinsamer Charakteristika, aber auch Differenzen der historischen, sprachlichen und rechtlichen Wurzeln sowie der Brauchtümer jener Länder, die heute der Großregion angehören.

„Die gezielte interdisziplinäre Forschungsarbeit von Historikern und Sprachwissenschaftlern über Sprachen und Grenzen hinweg, die konsequente Einbindung des wissenschaftlichen Nachwuchses in internationalem Rahmen sowie die Anbindung an neue Methodologien der Digital Humanities sind für uns eine Hauptquelle der Motivation gewesen. Der Preis stellt für uns eine große Ehre und auch einen Ansporn für die künftige Arbeit dar“, freute sich Professorin Moulin über die Anerkennung des interregionalen Forschungsprojektes.

Indem es den Wert des gemeinsamen schriftlichen historischen Erbes herausstellt, leistet das Forschungsprojekt einen fundamentalen Beitrag zur Idee der Großregion. Hinzu tritt der fruchtbare interdisziplinäre Dialog, der erheblichen Anteil auch an der wissenschaftlichen Qualität des Projektes hat. Die Forschungsarbeiten verfolgen letztlich das Ziel, Methoden und Anliegen von Historikern und Sprachwissenschaftlern auch über Grenzen hinweg zu verbinden und derart einen angemessenen wie facettenreichen Zugriff auf die mittelalterlichen Quellen zu ermöglichen. Das Preisgeld soll unter anderem der weiteren Quellenerschließung, dem Ausbau des Portals und der Nachwuchsförderung dienen. Theresia Biehl, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit HKFZ

Hintergrund Weitere Informationen zum Projekt Foto: Pascal Bodez – Region Lorraine

66

→ http://cartularium.msh-lorraine.eu

Reanimation der lateinischen Sprache Ausoniuspreis würdigt Prof. Strohs beispielloses Gesamtwerk und Engagement

Wer Professor Wilfried Stroh jemals persönlich erlebt hat, wird kaum mehr den Mut aufbringen, Latein als eine tote Sprache zu bezeichnen. Mit unermüdlichem und unnachahmlichem Einsatz wehrt der Münchener Altphilologe jeglichen Versuch ab, der Sprache der Römer den Totenschein auszustellen. Für dieses vitale Engagement und sein beeindruckendes wissenschaftliches Gesamtwerk zeichneten die Fachbereiche II und III der Universität Trier Wilfried Stroh am 22. Juni mit dem Ausonius-Preis aus. ine Frage ließ der neue Preisträger bei der Feierstunde im Hörsaal 1 unbeantwortet. In der Laudatio erwähnte Prof. Dr. Stephan Busch auch Strohs Aufsehen erregende Auftritte, wenn er etwa in lateinischer Sprache gegen Atomkraftwerke protestiert, im Gewand eines antiken Priesters lateinisch rezitiert oder Mozarts lateinische Jugendoper „Apollo et Hyacinthus“ inszeniert. „Mir schwebt vor, dass Sie auch einmal als Ausonius in Trier waren. Ich habe dafür aber keinen Beleg gefunden“, führte Busch aus. Ob er jemals in Trier den Gelehrten, Prinzenerzieher und Dichter Ausonius verkörperte - diese Frage ließ Stroh offen. Wer seinen feurigen Auftritt bei der Preisverleihung erlebte, wird eine solche Ausonius-Verkörperung jedenfalls nicht ausschließen.

E

Aus dem weiten Feld, das Professor Stroh in seinem langen Wirken wissenschaftlich bestellt hat, hob Laudator Stephan Busch drei Parzellen heraus: Rhetorik und Erotik in der antiken Literatur – insbesondere von Cicero und Ovid; die Rezeption der

Foto: Peter Kuntz

In welch außergewöhnlichem Ausmaß Wilfried Stroh wissenschaftliche Expertise und Sprachgewandtheit auf sich vereinigt, führte er den Gästen in seinem Vortrag vor Augen. Der minutenlangen freien und gestenreichen Rede in fließendem Latein ließ er einen fundierten Vortrag zu „Philosophie und Rhetorik in der antiken Jugendbildung“ folgen. Darin beleuchtete Stroh die Rolle, die Bedeutung und das Verhältnis von Rhetorik und Philosophie in der antiken Jugendbildung. Konkret stellte er die Frage, ob die Rhetorik in der Antike eine „ars“, also eine der Wissenschaften gewesen sei. Stroh widersprach der These Hans von Arnims, der die Philosophie als bedeutendste antike Wissenschaft sieht, von der die Rhetorik an den Rand gedrängt worden sei. Nach Strohs Auffassung hat vielmehr die Rhetorik in der Ausbildung der Jugend eine weitaus bedeutendere Stellung eingenommen als die Philosophie. Cicero habe erstmals die bis dahin getrennten beiden Disziplinen in Personalunion vereint. Eine Leistung ganz im Sinne des Ausonius-Preisträgers 2012: Stroh bekundete seine Sympathie für den römischen Gelehrten und Politiker mit einem CiceroKonterfei auf seiner Krawatte. „Mir ist es wichtig zu zeigen, dass beide Disziplinen bedeutend sind: Die Philosophie, um zu wissen, was richtig ist und die Rhetorik, um andere zu gewinnen“, schloss Stroh seinen Vortrag, der von Einlagen eines Bläser-Trios des Collegium Musicum der Universität eingerahmt wurde. Peter Kuntz, Pressestelle

Personen und Preise

Latein ist tot, es lebe Latein: In einem lebendigen Festvortrag setzte sich der Ausoniuspreisträger und Autor des gleichnamigen Buches, Wilfried Stroh, nicht mit der Sprache, sondern mit den Rollen von „Philosophie und Rhetorik in der antiken Jugendbildung“ auseinander.

lateinischen Sprache in der Kultur- und Geistesgeschichte des Abendlandes sowie die lateinische Literatur der Neuzeit, insbesondere die Werke von Jacobus Balde. Prof. Dr. Ulrich Port, Dekan des Fachbereichs II, kündigte in seiner Begrüßungsansprache Wilfried Stroh als den „Herder unserer Zeit“ an. Johann Gottfried Herder hatte Baldes Werke wiederentdeckt und Gedichte des Jesuiten und neulateinischen Dichters ins Deutsche übersetzt.

67

Berufung in Akademie und Kommission Prof. Goldschmidt will Kontakte zur Intensivierung der Forschung nutzen

Mit Berufungen in zwei renommierte und bedeutende Institutionen wurde jüngst die wissenschaftliche Arbeit von Prof. Dr. Andreas Goldschmidt von der Universität Trier gewürdigt. Die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste hat ihn zum ordentlichen Mitglied der Klasse „Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften“ gewählt. Außerdem wurde der Professor für Gesundheitsmanagement und Logistik nach einstimmiger Wahl für drei Jahre zum außerordentlichen Mitglied in der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ernannt. „Über diese Würdigung unserer Arbeit freue ich mich sehr. Wir werden die neuen wissenschaftlichen Kontakte verstärkt nutzen, um unsere Forschungen über regionale wie grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zu intensivieren“, kommentierte Prof. Goldschmidt die Aufnahme in die Europäische Akademie. Die Überwindung des Fachkräftemangels, die Organisation wohnortnaher Gesundheitsversorgung und die Optimierung der Gesundheitssysteme über Ländergrenzen hinweg stellen einige wesentliche HerausAuf Prof. Dr. Andreas Goldschmidt warten neue forderungen für die ForAufgaben als ordentliches Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste schungsarbeiten im IHCI sowie als außerordentliches Mitglied in der Arz- der Universität Trier dar. „Wir brauchen mutige neue neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Ansätze, um in der Gesundheitsversorgung zukunftsweisend agieren zu können“, führte Goldschmidt weiter aus.

Personen und Preise

Foto: Bernd Georg

Er hat ins Auge gefasst, an der von der Akademie im Jahr 2010 gegründeten, rein englischsprachigen Universität, der Alma Mater Europaea, nebenamtlich mitzuwirken. Ab 2013 soll am Standort Salzburg die Jugend und potentielle internationale Führungselite in den Bereichen Bildung, Kultur, Wirtschaft, Recht, Gesundheit, Ernährung und Umwelt weitergebildet und gefördert werden. Die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste versteht sich nach eigener

68

Darstellung als europäisches Gelehrtenforum, das europarelevante Themen interdisziplinär, transnational und brückenbauend aufgreift. Die 1500 Mitglieder arbeiten in sieben Klassen, dazu zählen nicht weniger als 29 Nobelpreisträger. Die Akademie führt Projekte auf allen Ebenen durch und arbeitet in acht Instituten intensiv an Detailproblemen.

Die Arzneimittelkommission ist ein wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer und berät die Bundesärztekammer in den das Arzneimittelwesen betreffenden wissenschaftlichen Fragen – zum Beispiel hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit und Arzneimittelwirkungen, Nebenwirkungen und Risiken, Arzneimittelüberwachung, Therapieempfehlungen, wirkstoffbezogene Gutachten sowie Publikationen zur rationalen Arzneimitteltherapie. Andreas Goldschmidt soll in der Arbeitsgruppe „Methodenbewertung“ mit einigen namhaften Kollegen unter anderem aus den Bereichen Epidemiologie, Biometrie, Gesundheitsökonomie/Wirtschaftswissenschaften, Pharmakologie und Toxikologie mitwirken.

„Die wissenschaftlichen Fragestellungen als außerordentliches Mitglied in der Arzneimittelkommis-

Zur Person Der Gesundheitsökonom, Medizininformatiker und Biostatistiker Prof. Dr. Andreas Goldschmidt kam aus der Industrie als Quereinsteiger in die Medizin. Er arbeitete zusätzlich als Arzt und Wissenschaftler und ging nach mehreren Jahren Klinik-, Universitäts- und Führungserfahrung als Vorstand eines MDAX-Konzerns in die private Wirtschaft zurück (Luxemburg). Seit 2003 lehrt und forscht er im Bereich Gesundheitsmanagement und Logistik an der Universität Trier, hat dort die gleichnamige Professur inne und ist geschäftsführender Leiter des Internationalen Health Care Management Instituts (IHCI) in der Wirtschaftsinformatik sowie Vorstandsvorsitzender des interdisziplinären Zentrums für Gesundheitsökonomie (ZfG) im Fachbereich IV. In seinen Forschungsprojekten geht es vor allem um die Zukunft der Gesundheitsversorgung und deren Optimierung. Er wirkt in zahlreichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften, Gremien und Verlagen mit. Er verfasste bislang über 150 Publikationen in seinen Forschungsschwerpunkten.

sion, dem wissenschaftlichen Fachausschuss der Bundesärztekammer, ergänzen sich ebenfalls sehr gut mit einem Teil des fachlichen Kontextes der Mitgliedschaft in der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Im Bereich der Arzneimittelzulassung und der weitgehend uneinheitlichen Kostenerstattung und Bewertung von Medikamenten können die Mitgliedsstaaten untereinander durch den notwendigen Wissens- und Methodentransfer noch erheblich voneinander profitieren“, sieht Goldschmidt Ergänzungen und Synergien durch die Mitwirkung in den beiden Gremien.

„Im Rahmen dieser vielfältigen Aspekte bin ich froh darüber, neben den Expertisen der Kommissionsmitglieder aus ganz Deutschland eventuell auch auf die meiner Kollegen im Zentrum für Gesundheitsökonomie und verwandter Fachdisziplinen an

der Universität Trier zurückgreifen zu können, zum Beispiel aus der Volkswirtschaftslehre, der Psychobiologie und Psychotherapie und den Rechtswissenschaften“, sieht Goldschmidt Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Universität.

In der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wirken 34 ordentliche und etwa 140 außerordentliche Mitglieder aus allen medizinischen und den angrenzenden Bereichen mit. Nach eigener Darstellung erhält die „AkdÄ mittels Statut Aufgaben vonseiten der Bundesärztekammer und informiert die Ärzteschaft vielfältig und aktuell über rationale Arzneimitteltherapie und Arzneimittelsicherheit. Mit den Therapieempfehlungen bietet sie pharmako-therapeutische Problemlösungen auf der Basis validierter und klinisch relevanter Forschungsergebnisse.“

Personen und Preise

69

Erinnerung an Dr. Carl Ludwig Wagner Die Universität hat einen großen Freund verloren

Am 3. August 2012 wehten in Rheinland-Pfalz die Fahnen auf Halbmast. In einem Staatstrauerakt nahmen die Repräsentanten des Landes Abschied von ihrem ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Carl Ludwig Wagner. Die Vertreter der Stadt Trier trauerten um ihren ehemaligen Oberbürgermeister. Die Spitze der Universität gedachte ihres Ehrenbürgers.

Dr. Carl Ludwig Wagner hat in wichtigen Aufbaujahren die Universität unterstützt. Drei Beispiele seien in Erinnerung gebracht. Als Finanzminister entschied er, das Drittmittelgebäude für Forschungsprojekte nicht – wie geplant – in der Stadt, sondern auf dem Universitätsgelände zu errichten. Er hat damit vielen Angehörigen des Lehrkörpers, Doktoranden und studentischen Hilfskräften unnötig lange Wege erspart.

Personen und Preise

Als Ministerpräsident setzte er durch, dass die Universität ein Auditorium Maximum erhielt. „Wenn jede Schule ihre Aula hat“, so Wagner, „dann gehört zu einer Universität auch ein Audi Max.“ Damit konnten und können neben Großvorlesungen und Übungen in der Universität auch kulturelle Veranstaltungen und Kongresse stattfinden. Die Universität Trier erhielt als erste Universität in RheinlandPfalz ihren repräsentativen Großraum.

Zugunsten der Universität hob Ministerpräsident Dr. Wagner ein negatives Votum des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz auf. Die Rechnungsbehörde beanstandete die geplanten Brücken zwischen den Lehrgebäuden und der Zentralbibliothek („So etwas hat es in Deutschland bisher nicht gegeben.“). Die Brücken sollten, um Kosten zu sparen, gestrichen werden. Der Ministerpräsident ließ sich von den Argumenten der Universität überzeugen. Ihm

leuchtete ein, dass zehn separate Fach- oder Seminarbibliotheken im Lauf der Jahre höhere Kosten für das Aufsichtspersonal verschlingen würden als eine einmalige Investition in das durch Brücken zu schaffende bauliche Kontinuum im Bibliotheksbereich. Die Brücken wurden dank Dr. Wagner gebaut. Professor Dr. Jörg Hasler Präsident der Universität 1987–1995 Ignaz Bender Universitätskanzler 1970–2001

Nachruf Christian Rudolf Gores, geboren am 25.07.1988, ist am 5. Juli 2012 verstorben. Er studierte im Studiengang Bachelor Wirtschaftsmathematik im 2. Fachsemester.

70

View more...

Comments

Copyright � 2017 SILO Inc.